Die Weltalter.
Bruchstück.
(Aus dem handschriftlichen Nachlaß)
Einleitung.
Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet.
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Die bisher geltende Vorstellung von der Wissenschaft war, daß sie eine bloße Folge und Entwickelung eigener Begriffe und Gedanken sey. Die wahre Vorstellung ist, daß es die Entwickelung eines lebendigen, wirklichen Wesens ist, die in ihr sich darstellt.
Es ist ein Vorzug unserer Zeiten, daß der Wissenschaft das Wesen wiedergegeben worden, und zwar, wie wohl behauptet werden darf, auf eine Art, daß sie es nicht leicht wieder verlieren kann. Es ist nicht zu hart, wenn geurtheilt wird, daß, nach dem einmal geweckten dynamischen Geist, jedes Philosophiren, das nicht aus ihm seine Kraft nimmt, nur noch als ein leerer Mißbrauch der edeln Gabe zu sprechen und zu denken angesehen werden kann.
Das Lebendige der höchsten Wissenschaft kann nur das Urlebendige seyn, das Wesen, dem kein anderes vorausgeht, also das älteste der Wesen.
Dieses Urlebendige, da nichts vor oder außer ihm ist, von dem es bestimmt werden möchte, kann sich, inwiefern es sich entwickelt, nur frei, aus eignem Trieb und Wollen, rein aus sich selber, aber eben darum nicht gesetzlos, sondern nur gesetzmäßig entwickeln. Es ist keine Willkür in ihm; es ist eine Natur im vollkommensten Verstande des Worts, wie der Mensch der Freiheit unbeschadet und eben dieser wegen eine Natur ist.
Nachdem die Wissenschaft dem Gegenstand nach zur Objektivität gelangt ist, so scheint es eine natürliche Folge, daß sie dieselbe auch der Form nach suche.
Warum war oder ist dieß bis jetzt unmöglich? Warum kann das Gewußte auch der höchsten Wissenschaft nicht mit der Geradheit und Einfalt wie jedes andere Gewußte erzählt werden? Was hält sie zurück die geahndete goldne Zeit, wo die Wahrheit wieder zur Fabel und die Fabel zur Wahrheit wird.
Dem Menschen muß ein Princip zugestanden werden, das außer und über der Welt ist; denn wie könnte er allein von allen Geschöpfen den langen Weg der Entwicklungen von der Gegenwart bis in die tiefste Nacht der Vergangenheit zurück verfolgen, er allein bis zum Anfang der Zeiten aufsteigen, wenn in ihm nicht ein Princip von dem Anfang der Zeiten wäre? Aus der Quelle der Dinge geschöpft und ihr gleich, hat die menschliche Seele eine Mitwissenschaft der Schöpfung. In ihr liegt die höchste Klarheit aller Dinge, und nicht so wohl wissend ist sie als selber die Wissenschaft.
Aber nicht frei ist im Menschen das überweltliche Princip noch in seiner uranfänglichen Lauterkeit, sondern an ein anderes geringeres Princip gebunden. Dieses andere ist selbst ein gewordenes und darum von Natur unwissend und dunkel; und verdunkelt nothwendig auch das höhere, mit dem es verbunden ist. Es ruht in diesem die Erinnerung aller Dinge, ihrer ursprünglichen Verhältnisse, ihres Werdens, ihrer Bedeutung. Aber dieses Ur-Bild der Dinge schläft in der Seele als ein verdunkeltes und vergessenes, wenn gleich nicht völlig ausgelöschtes Bild. Vielleicht würde es nie wieder erwachen, wenn nicht in jenem dunkeln selber die Ahndung und die Sehnsucht der Erkenntniß läge. Aber unaufhörlich von diesem angerufen um seine Veredelung, bemerkt das Höhere, daß das Niedere ihm nicht beigegeben ist, um von demselben gefesselt zu bleiben, sondern damit es selbst ein anderes habe, in welchem es sich beschauen, darstellen und sich verständlich werden könne. Denn in ihm liegt alles ohne Unterscheidung, zumal, als Eins; in dem andern aber kann es, was in ihm Eins ist, unterscheidbar machen, aussprechen, auseinanderlegen. – ⦋Es ist also im Menschen eines, das wieder zur Erinnerung gebracht werden muß, und ein anderes, das es zur Erinnerung bringt; eines, in dem die Antwort liegt auf jede Frage der Forschung, und ein anderes, das diese Antwort aus ihm hervorholt; dieses andere ist frei gegen alles und vermag alles zu denken, aber es wird durch jenes Innerste gebunden, und kann ohne die Einstimmung dieses Zeugen nichts für wahr halten. Das Innerste dagegen ist ursprünglich gebunden und kann sich nicht entfalten; aber durch das andere wird es frei und eröffnet sich gegen dasselbe⦌. Darum verlangen beide gleich sehr nach der Scheidung, jenes, damit es in seine ursprüngliche Freiheit heimkehre und sich offenbar
Diese Scheidung, diese Verdoppelung unserer selbst, dieser geheime Verkehr, in welchem zwei Wesen sind, ein fragendes und ein antwortendes, ein unwissendes, das aber Wissenschaft sucht, und ein wissendes, das aber sein Wissen nicht weiß, dieses stille Gespräch, diese innere Unterredungskunst, das eigentliche Geheimniß des Philosophen, ist es, von welcher die äußere, darum Dialektik genannt, das Nachbild, und wo sie zur bloßen Form geworden, der leere Schein und Schatten ist.
Also erzählt wird seiner Natur nach alles Gewußte; aber das Gewußte ist hier kein von Anbeginn fertig daliegendes und vorhandenes, sondern ein aus dem Innern durch einen ganz eigenthümlichen Proceß immer erst entstehendes. Durch innerliche Scheidung und Befreiung muß das Licht der Wissenschaft aufgehen, ehe es leuchten kann. Was wir Wissenschaft nennen, ist nur erst Streben nach dem Wiederbewußtwerden, also mehr noch ein Trachten nach ihr, als sie selbst; aus welchem Grund ihr unstreitig von jenem hohen Manne des Alterthums der Name Philosophie beigelegt worden ist. Denn die von Zeit zu Zeit gehegte Meinung, die Philosophie durch Dialektik endlich in wirkliche Wissenschaft verwandeln zu können, die vollkommenste Dialektik für die Wissenschaft selber anzusehen, verräth nicht wenig Eingeschränktheit, da ja eben das Daseyn und die Nothwendigkeit der Dialektik beweist, daß sie noch keineswegs wirkliche Wissenschaft ist.
Der Philosoph indeß befindet sich hiebei in keinem andern Fall als der andere Historiker auch. Denn auch dieser muß, was er zu wissen verlangt, den Aussagen alter Urkunden oder der Erinnerung lebender Zeugen abfragen, und bedarf vieler Scheidungskunst oder Kritik, um das Falsche von dem Wahren, das Irrige vom Rechten in den erhaltenen Ueberlieferungen zu sondern. Auch bedarf er gar sehr jene Scheidung in sich selbst, wohin das gehört, was man zu sagen pflegt, er müsse sich von den Begriffen und Eigenheiten seiner Zeit frei zu machen suchen, und noch vieles andere, wovon hier zu reden zu weitläuftig wäre.
Alles, schlechthin alles, auch das von Natur Aeußerliche, muß uns zuvor innerlich geworden seyn, ehe wir es äußerlich oder objektiv darstellen können. Wenn im Geschichtschreiber nicht selbst die alte Zeit erwacht, deren Bild er uns entwerfen will, so wird er nie wahr, nie anschaulich, nie lebendig darstellen. Was wäre alle Historie, wenn ihr nicht ein innerer Sinn zu Hülfe käme? Was sie bei so vielen ist, die zwar das Meiste von allem Geschehenen wissen, aber von eigentlicher Geschichte nicht das Geringste verstehen. Nicht menschliche Begebenheiten allein, auch die Geschichte der Natur hat ihre Denkmäler, und man kann wohl sagen, daß sie auf ihrem weiten Schöpfungsweg keine Stufe verlassen, ohne etwas zur Bezeichnung zurückzulassen. Diese Denkmäler der Natur liegen großentheils offen da, sind vielfach durchforscht, zum Theil wirklich entziffert, und doch reden sie uns nicht, sondern bleiben todt, ehe jene Folge von Handlungen und Hervorbringungen dem Menschen innerlich geworden. Also bleibt alles dem Menschen unfaßlich, bevor es ihm selbst innerlich geworden, d.i. auf eben jenes Innerste seines Wesens zurückgeführt worden, das für ihn gleichsam der lebendige Zeuge aller Wahrheit ist.
Nun haben von jeher einige gemeint, es sey möglich, jenes Untergeordneteunser Wissen ist Stückwerk
, d.h. es muß stückweise, nach Abtheilungen und Abstufungen erzeugt werden, welches nicht ohne alle Reflexion geschehen kann.
Darum wird auch der Zweck im bloßen Schauen nicht erreicht. Denn im Schauen an und für sich ist kein Verstand. In der äußern Welt sieht ein jeder mehr oder weniger das Nämliche, und kann es doch nicht jeder aussprechen. Ein jedes Ding durchläuft, um zu seiner Vollendung zu gelangen, gewisse Momente; eine Reihe aufeinanderfolgender Processe, wo immer der spätere in den früheren eingreift, bringt es zu seiner Reife; diesen Verlauf in der Pflanze z.B. sieht der Bauer so gut als der Gelehrte, und kennt ihn doch nicht eigentlich, weil er die Momente nicht aus einander halten, nicht gesondert, nicht in ihrer wechselseitigen Entgegensetzung betrachten kann. Ebenso kann der Mensch jene Folge von Processen, wodurch aus der höchsten Einfalt des Wesens zuletzt die unendliche Mannichfaltigkeit erzeugt wird, in sich selbst durchlaufen und unmittelbar gleichsam erfahren, ja, genau zu reden, muß er sie in sich erfahren. Aber alles Erfahren, Fühlen, Schauen ist an und für sich stumm, und bedarf eines vermittelnden Organs, um zum Aussprechen zu gelangen. Fehlt dieses dem Schauenden, oder stößt er es absichtlich von sich, um unmittelbar aus dem Schauen zu reden, so verliert er das ihm nothwendige Maß, er ist eins mit dem Gegenstand und für jeden dritten wie der Gegenstand selber; eben darum nicht Meister seiner Gedanken und im vergeblichen Ringen das Unaussprechliche dennoch auszusprechen ohne alle Sicherheit; was er trifft, das trifft er, jedoch ohne dessen gewiß zu seyn, ohne es fest vor sich hinstellen und im Verstande gleichsam als in einem Spiegel wieder beschauen zu können.
Also um keinen Preis aufzugeben ist jenes beziehungsweise äußere Princip; denn es muß alles erst zur wirklichen Reflexion gebracht werden, damit es zur höchsten Darstellung gelangen könne. Hier geht die Grenze zwischen Theosophie und Philosophie, welche der Wissenschaftliebende keusch zu bewahren suchen wird. Die erste hat an Tiefe, Fülle und Lebendigkeit des Inhalts vor der letzten gerade so viel voraus, als der wirkliche Gegenstand vor seinem Bilde, die Natur vor ihrer Darstellung voraus hat; und allerdings bis zur Unvergleichbarkeit geht diese Verschiedenheit, wenn eine todte das Wesen in Formen und Begriffen suchende Philosophie zur Vergleichung genommen wird. Daher die Vorliebe inniger Gemüther für sie, die ebenso leicht erklärbar ist, als die Vorliebe für die Natur im Gegensatz der Kunst. Denn diesen Vorzug haben die theosophischen Systeme vor allen bisher geltenden, daß in ihnen wenigstens eine Natur ist, wenn auch eine ihrer selbst nicht mächtige, in den andern dagegen nichts als Unnatur und eitel Kunst. Aber so wenig Natur der recht verstandenen Kunst, so wenig ist die Fülle und Tiefe des Lebens recht verstandener Wissenschaft unerreichbar; nur allmählicher gelangt sie dazu, mittelbarer und durch stufenmäßiges Fortschreiten, so daß der Wissende immer von seinem Gegenstande verschieden, dagegen dieser auch von ihm getrennt bleibt und Objekt einer besonnenen, ruhig genießenden Beschauung wird.
Hindurchgehen also durch Dialektik muß alle Wissenschaft. Eine andere Frage aber ist, ob nie der Punkt kommt, wo sie frei und lebendig wird, wie im Geschichtschreiber das Bild der Zeiten, bei dessen Darstellung er seiner Untersuchungen nicht mehr gedenkt? Kann nie wieder die Erinnerung vom Urbeginn der Dinge so lebendig werden, daß die Wissenschaft, da sie der Sache und der Wortbedeutung nach Historie ist, es auch der äußeren Form nach seyn könnte, und der Philosoph, dem göttlichen Platon gleich, der die ganze Reihe seiner Werke hindurch dialektisch ist, aber im Gipfel und letzten Verklärungspunkt aller historisch wird, zur Einfalt der Geschichte zurückzukehren vermöchte?
Unserem Zeitalter schien es vorbehalten, zu dieser Objektivität der Wissenschaft wenigstens den Weg zu öffnen. Solange diese sich auf das Innerliche, Ideale beschränkt, fehlt es ihr an dem natürlichen Mittel äußerer Darstellung. Jetzt ist, nach langen Verirrungen, die Erinnerung an die Natur und an ihr vormaliges Einsseyn mit ihr der Wissenschaft wieder geworden. Aber dabei blieb es nicht. Kaum waren die ersten Schritte, Philosophie mit Natur wieder zu vereinigen, geschehen, als das hohe Alter des Physischen anerkannt werden mußte, und wie es, weit entfernt das Letzte zu seyn, vielmehr das Erste ist, von dem alle, auch die Entwicklung des göttlichen Lebens, anfängtDer Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein worden
. Dann wird die so oft vergebens gesuchte Popularität von selbst sich ergeben. Dann wird zwischen der Welt des Gedankens und der Welt der Wirklichkeit kein Unterschied mehr seyn. Es wird Eine Welt seyn, und der Friede des goldnen Zeitalters zuerst in der einträchtigen Verbindung aller Wissenschaften sich verkünden.
Bei diesen Aussichten, welche die gegenwärtige Schrift auf mehr als eine Weise zu rechtfertigen suchen wird, darf sich wohl ein oft überlegter Versuch hervorwagen, der zu jener künftigen objektiven Darstellung der Wissenschaft einige Vorbereitung enthält. Vielleicht kommt der noch, der das größte Heldengedicht singt, im Geist umfassend, wie von Sehern der Vorzeit gerühmt wird, was war, was ist und was seyn wird.
Aber noch ist diese Zeit nicht gekommen. Wir dürfen unsere Zeit nicht verkennen. Verkündiger derselben, wollen wir ihre Frucht nicht brechen, ehe sie reif ist, noch die unsrige verkennen. Noch ist sie eine Zeit des Kampfs. Noch ist des Untersuchens Ziel nicht erreicht. Nicht Erzähler können wir seyn, nur Forscher, abwägend das Für und das Wider jeglicher Meinung, bis die rechte feststeht, unzweifelhaft, für immer gewurzelt.
Erstes Buch.
Die Vergangenheit.
Fürsichtig hüllt wie der kommenden Zeit Ausgang der vergangenen Anfang Gott in dunkele Nacht. Nicht jedwedem ist gegeben, das Ende zu wissen, wenigen, die Uranfänge des Lebens zu sehen, noch wenigeren, das Ganze vom Ersten bis zum Letzten der Dinge zu durchdenken. Die nicht innerlicher Trieb, sondern Nachahmung zu solcher Forschung führt, denen verwirrt wie ein unausbleibliches Geschick die Sinne; denn Seelenstärke ist nöthig, den Zusammenhang der Bewegung von Anfang bis zu Ende festzuhalten. Aber sie möchten da, wo nur die That entscheidet, alles mit friedlichen allgemeinen Begriffen schlichten, und eine Geschichte, in der wie in der Wirklichkeit Scenen des Kriegs und des Friedens, Schmerz und Lust, Errettung und Gefahr wechseln, als eine bloße Folge von Gedanken vorstellen.
Ein Licht in diesen Dunkelheiten ist, daß, gleichwie nach dem alten und fast abgenutzten Satz der Mensch die Welt im Kleinen ist
, so die Vorgänge des menschlichen Lebens vom Tiefsten bis zu seiner höchsten Vollendung mit den Vorgängen des allgemeinen Lebens übereinstimmen müssen. Gewiß ist, daß, wer die Geschichte des eignen Lebens von Grund aus schreiben könnte, damit auch die Geschichte des Weltalls in einen kurzen Inbegriff gefaßt hätte. Der große Theil der Menschen wendet sich von den Verborgenheiten seines eignen Inneren ebenso ab wie von den Tiefen des großen Lebens und scheut den Blick in die Abgründe jener Vergangenheit, die in ihm nur zu sehr noch als Gegenwart sich verhält.
Um so mehr, und weil mir bewußt ist, daß ich nicht von etwas Bekanntem oder Beliebtem, oder was mit dem Angenommenen übereinstimmig ist, rede, scheint mir nöthig, zuvörderst an die Natur alles Geschehens zu erinnern, wie alles im Dunkel anfängt, da niemand das Ziel sieht, und nie das einzelne Ereigniß für sich sondern nur die ganze vollständig abgelaufene Begebenheit verständlich ist. Sodann wie alle Geschichte nicht in der Wirklichkeit bloß, auch in der Erzählung nur erlebt, nicht aber mit einem allgemeinen Begriff gleichsam auf einmal mitgetheilt werden kann. Wer von ihr Kenntniß will, muß den großen Weg mitwandeln, bei jedem Moment verweilen, sich ergeben in die Allmählichkeit der Entwicklung. Nicht plötzlich, nicht mit Einem Schlag kann die Dunkelheit des Geistes überwunden werden. Die Welt ist nicht ein Räthsel, dessen Auflösung mit Einem Wort gegeben werden könnte, ihre Geschichte zu umständlich, um auf ein paar kurze abgebrochene Sätze, gleichsam, wie einige zu wünschen scheinen, auf ein Blatt Papier gebracht zu werden.
Aber die Wahrheit zu sagen, gibt es in der wahren Wissenschaft so wenig als in der Geschichte eigentliche Sätze, d.h. Behauptungen, die an und für sich, oder abgesehen von der Bewegung, durch die sie erzeugt werden, einen Werth, oder die eine unbeschränkte und allgemeine Gültigkeit hätten. Die Bewegung ist aber das Wesentliche der Wissenschaft; diesem Lebenselement entnommen, sterben sie ab, wie Früchte vom lebendigen Baum getrennt. Unbedingte aber, d.i. ein für allemal gültige, Sätze streiten gegen die Natur wahrer Wissenschaft, als welche in Fortschreitung besteht. Denn es heiße der Gegenstand der Wissenschaft A, und der erste Satz, der behauptet wird, sey, daß A=x ist. Gilt dieser nun unbedingt, d.h. ist A immer und überall nur x, so ist die Untersuchung fertig; es ist nichts weiter hinzuzuthun. So gewiß sie fortschreitender Art ist, so gewiß ist A=x nur ein beschränkt gültiger Satz. Er gilt etwa für den Anfang, aber wie sie fortschreitet, findet sich, daß A nicht bloß x, daß es auch y, also x+y ist. Hier irren sich nun die, welche von der Art wahrer Wissenschaft keinen Begriff haben, indem sie den ersten Satz A=x für unbeschränkt nehmen, und da sie vielleicht anderswoher in Erfahrung gebracht oder sich vorgestellt, daß A=y sey, diesen zweiten unmittelbar dem ersten entgegenstellen, anstatt zu warten, bis die Unvollständigkeit des ersten von selbst den Fortgang zum zweiten fordere. Denn wollen sie alles in Einem begreifen, so müssen sie nichts als eine absolute Thesis zugeben, aber auf Wissenschaft Verzicht thun. Denn wo keine Folge, da ist keine Wissenschaft.
Hieraus erhellt wohl, daß in der wahren Wissenschaft jeder Satz nur eine bestimmte und so zu sagen örtliche Bedeutung hat, und daß er der bestimmten Stelle entnommen und als ein unbedingter (dogmatischer) hingestellt, entweder Sinn und Bedeutung verliert oder in Widersprüche verwickelt. Inwiefern nun Methode die Art der Fortschreitung ist, so leuchtet ein, daß hier die Methode vom Wesen unzertrennlich ist, und außer dieser oder ohne diese auch die Sache verloren geht. Wer da glaubt, das Hinterste zum Vordersten machen zu dürfen und umgekehrt, oder den Satz, der nur an dieser Stelle gelten sollte, in einen allgemeinen oder unbeschränkten umprägen zu können, der mag damit wohl für die Unkundigen Verwirrung und Widersprüche genug erregen, aber die Sache selbst hat er eigentlich nicht berührt, viel weniger ihr geschadet.
Das älteste der Wesen sey Gott
, soll schon der milesische Thales geurtheilt haben. Aber der Begriff Gottes ist von großem, ja vom allergrößesten Umfang, und nicht so mit Einem Wort auszusprechen. Es ist in Gott Nothwendigkeit und Freiheit. Jene wird schon dadurch, daß ihm ein nothwendiges Daseyn zugeschrieben wird, anerkannt. Die Nothwendigkeit ist insofern, natürlich zu reden, in Gott vor der Freiheit, weil ein Wesen erst daseyn muß, damit es frei wirken könne. Die Nothwendigkeit liegt der Freiheit zu Grunde und ist in Gott selbst das Erste und Aelteste, soweit eine solche Unterscheidung in Gott stattfinden kann, was erst durch weitere Betrachtung sich aufklären muß. Ob nun gleich der Gott, welcher der nothwendige, derselbe ist, welcher der freie ist, so sind beide doch nicht einerlei. Es ist etwas ganz anderes, was ein Wesen von Natur, und was es durch Freiheit ist. Wäre es alles schon von Nothwendigkeit, so wäre es nichts durch Freiheit. Und doch ist Gott nach allgemeiner Einstimmung das freiwilligste Wesen.
Jedermann erkennt, daß Gott Wesen außer ihm nicht vermöge einer blinden Nothwendigkeit seiner Natur, sondern mit höchster Freiwilligkeit erschaffen. Ja, genauer zu reden, vermöge der bloßen Nothwendigkeit Gottes, da sie nur auf sein Daseyn als das Seine geht, wäre keine Kreatur. Also durch die Freiheit überwindet Gott die Nothwendigkeit seiner Natur in der Schöpfung, und es ist die Freiheit, die über die Nothwendigkeit, nicht die Nothwendigkeit, die über die Freiheit kommt.
Das Nothwendige von Gott nennen wir die Natur
Gottes. Ihr Verhältniß zur Freiheit ist dem ähnlich (nicht gleich), das die Schrift zwischen dem natürlichen und dem geistigen Leben des Menschen lehrt, da unter dem ersten nicht bloß das insgemein sogenannte physische, nämlich leibliche verstanden wird, und Seel’ und Geist, wenn nicht wieder geboren, d.i. zu einem andern, höhern Leben erhoben, so gut als der Leib dem natürlichen angehören. Den abgezogenen Begriff von Natur kennt das ganze Alterthum so wenig als die Schrift.
Aber auch diese Natur Gottes ist lebendig, ja die höchste Lebendigkeit und nicht so geradezu auszusprechen. Nur durch Fortschreiten vom Einfachen zum Zusammengesetzten, durch allmähliche Erzeugung können wir hoffen zum vollen Begriff dieser Lebendigkeit zu gelangen.
Alle stimmen überein, daß die Gottheit ein Wesen aller Wesen, die reinste Liebe, unendliche Mittheilsamkeit und Ausfließlichkeit ist. Doch wollen sie zugleich, daß sie als solche existire. Aber von sich selbst gelangt die Liebe nicht zum Seyn. Seyn ist Seinheit, Eigenheit; ist Absonderung; die Liebe aber ist das Nichts der Eigenheit, sie sucht nicht das Ihre und kann darum auch von sich selbst nicht seyend seyn. Ebenso ein Wesen aller Wesen ist für sich selbst haltlos und von nichts getragen; es ist an sich selbst der Gegensatz der Persönlichkeit, also muß ihm erst eine andere auf Persönlichkeit gehende Kraft Grund machen. Eine ebenso ewige Kraft der Selbstheit, der Egoität wird erfordert, daß das Wesen, welches die Liebe ist, als ein eignes bestehe und für sich sey.
Also sind schon im Nothwendigen Gottes zwei Principien; das ausquellende, ausbreitsame, sich gebende Wesen, und eine ebenso ewige Kraft der Selbstheit, des Zurückgehens auf sich selbst, des in-sich-Seyns. Beide, jenes Wesen und diese Kraft, ist Gott ohne sein Zuthun schon von sich.
Es ist nicht genug, den Gegensatz einzusehen, es muß auch die gleiche Wesentlichkeit und Ursprünglichkeit der Entgegengesetzten erkannt werden. Die Kraft, durch welche das Wesen sich verschließt, versagt, ist in ihrer Art so wirklich als das entgegengesetzte Princip; jedes hat seine eigne Wurzel, und keines ist von dem andern abzuleiten. Denn wäre dieß, so hörte unmittelbar der Gegensatz wieder auf; aber es ist an sich unmöglich, daß das gerad’ Entgegengesetzte vom gerad’ Entgegengesetzten abstamme.
Zwar die Menschen zeigen eine natürliche Vorliebe für das Bejahende, wie sie dagegen vom Verneinenden sich abwenden. Alles Ausbreitsame, vor sich Gehende leuchtet ihnen ein; was sich verschließt, sich nimmt, ob es gleich ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet, können sie nicht so geradezu begreifen. Die meisten würden nichts natürlicher finden, als wenn in der Welt alles aus lauter Sanftmuth und Güte bestünde, wovon sie doch bald das Gegentheil gewahr werden. Ein Hemmendes, Widerstrebendes drängt sich überall auf: dieß andere, das, so zu reden, nicht seyn sollte und doch ist, ja seyn muß, dieß Nein, das sich dem Ja, dieß Verfinsternde, das sich dem Licht, dieß Krumme, das sich dem Geraden, dieß Linke, das sich dem Rechten entgegenstellt, und wie man sonst diesen ewigen Gegensatz in Bildern auszudrücken gesucht hat; aber nicht leicht ist einer im Stande es auszusprechen oder gar es wissenschaftlich zu begreifen.
Das Daseyn eines solchen ewigen Gegensatzes konnte dem ersten innig fühlenden und bemerkenden Menschen nicht entgehen. Schon in den Uranfängen der Natur diese Zweiheit, nirgends aber im Sichtbaren ihre Quelle findend, mußte er früh sich sagen, daß der Grund des Gegensatzes so alt ja noch älter als die Welt sey; daß, wie in allem Lebendigen, so wohl schon im Urlebendigen eine Doppelheit sey, die herabgekommen durch viele Stufen sich zu dem bestimmt habe, was bei uns als Licht und Finsterniß, Männliches und Weibliches, Geistiges und Leibliches erscheint. Daher gerade die ältesten Lehren die erste Natur als ein Wesen mit zwei sich widerstreitenden Wirkungsweisen vorstellten.
In den spätern aber, jenem Urgefühl mehr und mehr entfremdeten Zeiten wurde oft der Versuch gemacht, den Gegensatz gleich in der Quelle zu vernichten, nämlich gleich anfangs den Gegensatz aufzuheben, indem man das eine der Widerstrebenden auf das andere zurückzuführen und von ihm herzuleiten suchte. In unsern Zeiten galt dieß vorzüglich der dem Geistigen entgegengesetzten Kraft. Der Gegensatz erhielt zuletzt den abgezogensten Ausdruck, den von Denken und Seyn. Dem Denken in diesem Sinn stand das Seyn von jeher als ein Unbezwingliches gegenüber, so daß die alles erklärende Philosophie nichts schwerer fand, als von eben diesem Seyn eine Erklärung zu geben. Gerade diese Unfaßlichkeit, dieß thätliche Widerstreben gegen alles Denken, diese wirkende Dunkelheit, diese positive Neigung zur Finsterniß mußte sie zur Erklärung machen. Aber lieber wollte sie das Unbequeme ganz hinwegschaffen, das Unverständliche völlig auflösen in Verstand oder (wie Leibniz) in Vorstellung.
Der Idealismus ist das allgemeine System unserer Zeiten, der eigentlich in der Leugnung oder Nichtanerkennung jener verneinenden Urkraft besteht. Ohne diese Kraft ist Gott jenes leere Unendliche, das die neuere Philosophie an seine Stelle gesetzt hat. Sie nennt Gott das schrankenloseste Wesen (ens illimitatissimum)
, ohne zu denken, wie die Unmöglichkeit jeder Schranke außer ihm nicht aufheben kann, daß etwas in ihm sey, wodurch er sich in sich selber abschließt, sich gewissermaßen für sich selbst endlich (zum Objekt) macht. Unendlichseyn ist für sich keine Vollkommenheit, vielmehr das Merkzeichen des Unvollkommenen. Das Vollendete ist eben das in sich Runde, Abgeschlossene, Geendete.
Doch auch den Gegensatz erkennen ist nicht genug, wenn nicht zugleich die Einheit des Wesens erkannt wird, oder daß es in der That ein und dasselbe ist, das die Bejahung und die Verneinung ist, das Ausbreitende und das Anhaltende. Viel zu schwach ist für den Gedanken, der hier ausgedrückt werden soll, der Begriff des Zusammenhangs
oder jeder dem ähnliche. Zusammenhangen kann auch das bloß Verschiedene; das gerad’ Entgegengesetzte nur wesentlich und so zu sagen persönlich eins seyn, wie nur die individuelle Natur des Menschen Widerstreitendes zu vereinigen vermag. Wollte man aber alles, was nicht Einerleiheit ist, Zusammenhang nennen, so müßte man auch von einem Menschen, der sich jetzt sanft, jetzt zornig zeigt, sagen, der sanfte Mensch hange in ihm mit dem zornigen zusammen, da sie der Wahrheit nach ein und der nämliche Mensch sind.
Wollte jemand weiter sagen: es sey Widerspruch, daß ein und dasselbe etwas und auch das gerade Gegentheil davon sey, so müßte er sich erstens über diesen Grundsatz bestimmter erklären, da bekanntlich schon Leibniz die Unbedingtheit jener noch immer wiederholten Regel bestritten;
sodann möchte er bedenken, ob man denn nicht eben das wolle, daß Widerspruch sey.
Er wäre unmittelbar wieder aufgehoben, oder vielmehr der eigentliche, der wesentliche Widerspruch in einen bloß förmlichen und wörtlichen verwandelt, wenn die Einheit des Wesens für eine Einerleiheit der Entgegengesetzten selbst genommen würde. Selbst der nachlässigste Ausdruck: das Ja sey auch das Nein, das Ideale das Reale, und umgekehrt, würde diese blödsinnige Erklärung nicht rechtfertigen, weil in keinerlei Urtheil, selbst nicht in dem bloß wiederholenden, eine Einerleiheit des Verbundenen (des Subjekts und Prädicats), sondern nur eine Einerleiheit des Wesens, des Bandes (der Copula) ausgesprochen wird. Der wahre Sinn jedes Urtheils, z.B. das A ist B, kann nur dieser seyn: das, was A ist, ist das, was B ist, oder das, was A, und das, was B ist, ist einerlei. Also liegt schon dem einfachen Begriff eine Doppelheit zu Grunde: A in diesem Urtheil ist nicht A, sondern etwas =x, das A ist; so ist B nicht B, sondern etwas =x, das B ist, und nicht diese (nicht A und B für sich) sondern das x, das A, und das x, das B ist, ist einerlei, nämlich dasselbe x. In demangeführten Satz sind eigentlich drei Sätze enthalten, erstens A ist =x, zweitens B ist =x, und erst hieraus folgend der dritte, A und B sind eins und dasselbe, beide nämlich x.
Von selbst ergibt sich hieraus, daß das Band im Urtheil das Wesentliche, allen Theilen zu Grunde Liegende ist, daß Subjekt und Prädicat jedes für sich schon eine Einheit sind, und was man insgemein das Band nennt, nur die Einheit dieser Einheiten anzeigt. Ferner, daß im einfachen Begriff schon das Urtheil vorgebildet, im Urtheil der Schluß enthalten, der Begriff also nur das eingewickelte, der Schluß das entfaltete Urtheil ist, Bemerkungen, die für eine künftige höchst wünschenswerthe Bearbeitung der edeln Vernunftkunst hier niedergelegt werden; denn die Kenntniß der allgemeinen Gesetze des Urtheils muß die höchste Wissenschaft immer begleiten; für Anfänger aber oder Unwissende in dieser Kunst wird nicht philosophirt, sondern diese sind in die Schule zu verweisen, wie es in andern Künsten geschieht, da keiner leicht ein tonkünstlerisches Werk aufzustellen oder zu beurtheilen wagen wird, der nicht die ersten Regeln des Satzes erlernt hat.
Daß also je das Ideale als solches das Reale sey, und umgekehrt, Ja Nein und Nein Ja, dieß ist ja wohl unmöglich; denn dieß behaupten, hieße den menschlichen Verstand, die Möglichkeit sich auszudrücken, ja den Widerspruch selbst aufheben. Wohl möglich aber ist, daß ein und dasselbe =x sowohl Ja als Nein, Liebe und Zorn, Milde und Strenge sey.
Vielleicht nun, daß einige schon hier den Widerspruch finden. Aber es sagt der richtig verstandene Grundsatz des Widerspruchs eigentlich nur so viel, daß dasselbe nicht als dasselbe etwas und auch das Gegentheil davon seyn könne, welches aber nicht verhindert, daß dasselbe, welches A ist, als ein anderes nicht A seyn kann (contradictio debet esse ad idem). Der nämliche Mensch heiße z.B. gut nach seiner Gesinnung oder als ein handelnder, so wird er als dieser, nämlich ebenfalls nach seiner Gesinnung oder als ein handelnder, nicht böse seyn können, was aber nicht verhindert, daß er nach dem, was in ihm nicht Gesinnung oder unwirkend ist, böse sey, und daß ihm auf diese Art zwei contradiktorisch sich entgegengesetzte Prädicate, gar wohl zugeschrieben werden können. Mit andern Worten ausgedrückt würde dieß so viel heißen: von zwei gerad’ Entgegengesetzten, die von einem und demselben ausgesagt werden, muß nach dem Gesetz des Widerspruchs, wenn das eine als das Wirkende, Seyende gilt, das andere zum beziehungsweise Nichtwirkenden, zum Seyn werden.
Nun soll hier wirklich und im strengsten Sinn ein und dasselbe =x Entgegengesetztes seyn, bejahende und verneinende Kraft. Also scheint, daß, indem beide wirklich eins werden, das eine oder das andere zum beziehungsweise nicht Seyenden, nicht Wirkenden werden müsse; etwa (weil diese den meisten doch als die feindselige vorkommt) die verneinende Kraft.
Hier tritt nun aber die ursprüngliche Gleichwichtigkeit (Aequipollenz) beider dazwischen. Denn da jede von Natur gleich ursprünglich, gleich wesentlich ist, hat auch jede gleichen Anspruch das Seyende zu seyn; beide halten sich die Wage, und keine weicht von Natur der andern.
Daß also von Entgegengesetzten, wenn sie in der That eins werden, nur das eine wirkend, das andere leidend sey, wird zugegeben; aber vermöge der Gleichwichtigkeit beider folgt, daß, wenn das eine, dann auch das andere leidend, und ebenso wenn das eine wirkend, schlechterdings auch das andere wirkend seyn muß. Nun ist dieß aber in einer und derselben Einheit unmöglich; hier kann jedes nur entweder wirkend oder leidend seyn. Also folgt aus jener Nothwendigkeit nur, daß die Eine Einheit sich in zwei Einheiten zersetze, der einfache Gegensatz (den wir durch A und B bezeichnen wollen) zu einem verdoppelten sich steigere; es folgt nicht, daß in Gott nur die eine Kraft wirkend, die andere unwirkend sey, sondern daß Gott selbst zweierlei ist, erstens verneinende Kraft (B), die das bejahende Wesen (A) zurückdrängt, es innerlich unwirkend oder ins Verborgene setzt, zweitens ausbreitsames, sich mittheilendes Wesen, das rein im Gegentheil die verneinende Kraft in sich niederhält und nicht zur Wirkung nach außen kommen läßt.
Und so ist es denn auch in anderem Betracht. Denn die Entgegengesetzten sind schon an sich selbst nicht auseinander zu bringen. Die verneinende, einziehende Kraft könnte für sich nicht seyn ohne etwas, das sie verneint, das sie einzieht, und dieses Verneinte, Eingezogene kann nichts anderes seyn als eben das an sich Bejahliche, Ausquellende. Also sondert sich jene, die verneinende Kraft, von selbst gleichsam zu einem eignen vollständigen Wesen ab. Hinwiederum jene geistige ihrer Natur nach ausbreitsame Potenz könnte nicht als solche bestehen, hätte sie nicht eine Kraft der Selbstheit wenigstens verborgener Weise in sich; also sondert sich auch diese als ein eignes Wesen ab, und statt der gesuchten Einheit haben sich nun zwei entgegengesetzte und außereinander befindliche Einheiten ergeben.
Welche von beiden wir aufopfern wollten, immer hätten wir damit das eine von beiden Principien selbst aufgegeben; denn jede dieser Einheiten verhält sich, weil nur das eine in ihr wirkend ist, auch nur als dieses eine, die erste als B, die andere als A. Waren aber diese gleichwichtig, daß keines von Natur dem andern nachstehen konnte, so hält sich auch wieder jede der beiden Einheiten das Gleichgewicht, jede hat den gleichen Anspruch seyend zu seyn.
Und so wären denn jetzt die beiden völlig auseinander und ohne gegenseitige Berührung, den zwei Urwesen der persischen Lehre gleich, die eine Macht auf Verschließung, Verdunkelung des Wesens, die andere auf Ausbreitung und Offenbarung dringend; beide verhielten sich nicht als eine, sondern als zwei Gottheiten.
Aber es bleibt dabei, daß ein und dasselbe =x beide Principien (A und B) ist. Aber nicht bloß dem Begriff nach, sondern wirklich, der That nach. Also muß dasselbe =x, das die beiden Einheiten ist, auch wieder die Einheit der beiden Einheiten seyn; und mit dem gesteigerten Gegensatz findet sich die gesteigerte Einheit.
Nur scheint hier der Widerspruch unvermeidlich, da die beiden entgegengesetzten Einheiten wirkend und als eins gesetzt werden sollen. Und doch läßt er sich noch auflösen; denn es hat die hier geforderte Einheit keinen andern als diesen Sinn. Die Entgegengesetzten sollen eins seyn, d.h. es ist eine Einheit beider gesetzt, aber es ist damit nicht gesetzt, daß sie aufhören entgegengesetzte zu seyn. Vielmehr sowohl die Einheit soll seyn, als auch der Gegensatz, oder Einheit und Gegensatz sollen selbst wieder im Gegensatz seyn. Aber Gegensatz an und für sich ist kein Widerspruch; so wenig es widersprechend scheinen konnte, daß sowohl A als B seyen, so wenig kann es Widerspruch seyn, daß sowohl die Einheit als der Gegensatz ist. Diese sind wieder unter sich gleichwichtig, der Gegensatz kann so wenig der Einheit als die Einheit dem Gegensatz weichen.
Der Gegensatz ruht darauf, daß jede der beiden streitenden Mächte ein Wesen für sich, ein eigentliches Princip sey. Der Gegensatz als solcher ist daher nur, wenn die beiden streitenden Principien sich als wirklich voneinander unabhängige und geschiedene verhalten. Gegensatz und Einheit, jedes von diesen soll seyn, heißt daher so viel: das verneinende Princip, das bejahende und wieder die Einheit beider, jedes von diesen dreien soll seyn, als ein eignes von dem andern geschiedenes Princip. Aber hiedurch tritt die Einheit mit den beiden Entgegengesetzten auf gleiche Linie; sie ist nicht etwa vorzugsweise das Wesen, sondern eben auch nur ein Princip des Wesens, darum auch mit den beiden andern vollkommen gleichwichtig.
Der wahre Sinn jener anfangs behaupteten Einheit ist daher dieser: ein und dasselbe =x ist sowohl die Einheit als der Gegensatz; oder die beiden Entgegengesetzten, die ewig verneinende und die ewig bejahende Potenz und die Einheit beider machen das Eine unzertrennliche Urwesen aus.
Und hier erst nach vollkommener Entfaltung jenes anfänglichen Begriffs können wir die erste Natur in ihrer vollen Lebendigkeit erblicken. Wir sehen sie gleich ursprünglich in drei Mächte gewissermaßen zersetzt. Jede dieser Mächte kann für sich seyn; denn die Einheit ist Einheit für sich, und jedes der Entgegengesetzten ist ganzes vollständiges Wesen; doch kann keines seyn, ohne daß die andern auch sind, denn nur zusammen erfüllen sie den ganzen Begriff der Gottheit, und nur daß Gott ist, ist nothwendig. Keine ist der andern nothwendig und von Natur untergeordnet. Die verneinende Potenz ist in Ansehung jenes unzertrennlichen Urwesens so wesentlich als die bejahende, und die Einheit wiederum ist nicht wesentlicher, als es jedes der Entgegengesetzten für sich ist. Jedes hat also auch die völlig gleichen Ansprüche, das Wesen, das Seyende zu seyn; keines kann sich von Natur zum bloßen Seyn oder dazu bequemen, nicht das Seyende zu seyn.
Und hier findet denn endlich das Gesetz des Widerspruchs seine Anwendung, welches sagt, daß Entgegengesetzte nicht in einem und demselben zumal das Seyende seyn können. Gott ist der Nothwendigkeit seiner Natur nach ein ewiges Nein, das höchste in-sich-Seyn, eine ewige Zurückziehung seines Wesens in sich selbst, in der keine Creatur zu leben vermöchte; derselbe ist aber mit gleicher Nothwendigkeit seiner Natur, obwohl nicht als derselbe, sondern einem völlig andern und von dem ersten verschiedenen Princip nach das ewige Ja, ein ewiges Ausbreiten, Geben, Mittheilen seines Wesens. Jedes von diesen Principien ist ganz gleicherweise das Wesen, d.h. jedes hat gleichen Anspruch, Gott oder das Seyende zu seyn. Doch schließen sie sich gegenseitig aus; ist das eine das Seyende, so kann das entgegengesetzte nur das nicht Seyende seyn. Aber ebenso ewig ist Gott das dritte oder die Einheit des Ja und des Nein. Wie die Entgegengesetzten sich untereinander vom seyend-Seyn ausschließen, so schließt wieder die Einheit den Gegensatz und damit jedes der Entgegengesetzten, und hinwiederum der Gegensatz oder jedes der Entgegengesetzten schließt die Einheit vom seyend-Seyn aus. Ist die Einheit das Seyende, so kann der Gegensatz, d.i. jedes der Entgegengesetzten, nur das nicht Seyende seyn, und hinwiederum ist eines der Entgegengesetzten und damit der Gegensatz seyend, so kann die Einheit nur in das nicht Seyende zurücktreten.
Und nun ist der Fall nicht der, daß etwa alle drei unwirkend bleiben, und so der Widerspruch selbst im Verborgenen bleiben könnte. Denn das, was diese drei ist, ist die nothwendige Natur, ist das Wesen, dem nicht verstattet ist nicht zu seyn, das schlechterdings seyn muß. Aber es kann nur seyn als das unzertrennliche Eins dieser drei; keines für sich würde den ganzen Begriff des nothwendigen Wesens (der Gottheit) erfüllen, und jedes dieser drei hat gleiches Recht, das Wesen, d.i. das Seyende zu seyn.
Also findet sich, daß die erste Natur von sich selbst im Widerspruch ist, nicht in einem zufälligen, oder in den sie von außen versetzt wäre (denn es ist nichts außer ihr), sondern in einem nothwendigen, mit ihrem Wesen zugleich gesetzten, der also genau gesprochen ihr Wesen selbst ist.
Die Menschen zeigen im Leben sich keiner Sache abgeneigter als dem Widerspruch, der sie zu handeln zwingt und aus ihrer behaglichen Ruhe nöthigt; ist er längst nicht mehr zuzudecken, suchen sie ihn wenigstens sich selbst zu verbergen und den Augenblick zu entfernen, wo auf Tod und Leben gehandelt werden muß. Eine gleiche Bequemlichkeit wurde in der Wissenschaft durch die Auslegung des Gesetzes vom Widerspruch gesucht, wonach dieser nun und nimmer sollte seyn können. Jedoch wie ließ sich ein Gesetz aufstellen für etwas, das auf keine Weise seyn kann? Indem erkannt wird, daß er nicht seyn kann, muß erkannt werden, daß er gleichwohl auf gewisse Weise ist, wie sollte sich sonst sein nicht-seyn-Können zeigen, wie das Gesetz sich selbst bewähren, d.i. als wahr erweisen?
Alles andere läßt das Wirken in irgend einem Sinne frei; was schlechthin nicht verstattet nicht zu wirken, was zum Handeln treibt, ja zwingt, ist allein der Widerspruch. Ohne Widerspruch also wäre keine Bewegung, kein Leben, kein Fortschritt, sondern ewiger Stillstand, ein Todesschlummer aller Kräfte.
Wäre die erste Natur im Einklang mit sich selbst, sie würde bleiben; es wäre ein beständiges Eins und käme nie zum Zwei, eine ewige Unbeweglichkeit ohne Fortschritt. So gewiß Leben ist, so gewiß Widerspruch in der ersten Natur. So gewiß in Fortschreitung das Wesen der Wissenschaft besteht, so nothwendig ist ihr erstes Setzen das Setzen des Widerspruchs.
Unbegreiflich ist ein Uebergang von der Einheit zum Widerspruch. Denn wie sollte, was in sich eins, ganz und vollkommen ist, versucht, gereizt und gelockt werden, aus diesem Frieden herauszutreten? Der Uebergang vom Widerspruch zu der Einheit dagegen ist natürlich, denn weil er allem unleidlich, wird alles, das sich in ihm findet, nicht ruhen, bis es die Einheit gefunden, die ihn versöhnt oder überwindet.
Der Widerspruch allein bringt Leben schon in die erste nothwendige Natur, die wir bis jetzt bloß im Begriff betrachteten. Denn da von den drei Principien, deren unauflösliche Verkettung sie ist, jedes seiner Natur nach das Seyende, aber wenn das eine seyend, dann nothwendig die andern nicht seyend sind, und ihr doch zugleich keine Freiheit zukommt zu seyn oder nicht zu seyn, so ist gleich in der ersten Natur eine wenn auch nur blindlings geschehende Entscheidung nöthig. Ist das eine seyend, so das andere nicht seyend, doch soll und muß jedes gleicherweise das Seyende seyn; somit bleibt nichts übrig als ein alternirendes Setzen, da abwechselnd jetzt das eine seyend ist, die andern nicht seyend, und dann hinwiederum eines von diesen seyend und die andern nicht seyend. Doch damit es in jenem Urdrang zum Seyn auch nur zu diesem alternirenden Setzen komme, ist nöthig, daß eines der Anfang oder das erste Seyende sey, und nach diesem das zweite und eines das dritte, und von diesem wieder die Bewegung auf das erste zurückgehe, und so ein ewig endendes und ewig wieder beginnendes Leben sey.
Aber eben daß eines anfange, eines das Erste sey, muß eine Entscheidung erfolgen, die freilich nicht mit Bewußtseyn, nicht durch Ueberlegung, sondern nur im Gedräng zwischen der Nothwendigkeit und der Unmöglichkeit zu seyn, durch eine blindlings die Einheit brechende Gewalt geschehen kann. Das Einzige aber, worin ein Bestimmungsgrund für das Vorausgehen des einen und die Folge des andern gesucht werden kann, ist die besondere Natur eines jeden der Principien, welche von der allgemeinen unterschieden ist, die darin besteht, daß jedes gleich ursprünglich, gleich selbständig ist, und jedes gleichen Anspruch hat das Seyende zu seyn. Nicht etwa, daß eines der Principien schlechthin das Vorausgehende oder das Folgende seyn müßte, sondern nur, daß ihm durch seine besondere Natur verstattet, die Möglichkeit gegeben ist, das Erste, das Zweite oder das Dritte zu seyn.
Einleuchtend ist nun, daß das, was zum Anfang gesetzt wird, eben dasselbe ist, das in der Folge untergeordnet wird. Der Anfang ist nur Anfang, inwiefern er nicht das ist, das eigentlich seyn soll, das wahrhaft und an sich Seyende. Wenn also Entscheidung ist, so kann nur das zum Anfang gesetzt werden, das durch seine besondere Art sich am meisten zur Natur des nicht Seyenden neigt.
In der ursprünglichen Verneinung wird nun eben das bejahende Princip, das eigentliche Wesen oder Seyende (A) als nicht wirkend, d.h. als nicht seyend, gesetzt. Nicht daß es als das Seyende überhaupt verneint würde (dieß ist unmöglich), im Gegentheil, es wird gesetzt als das Seyende, aber nicht als seyend das Seyende, mit andern Worten als nicht offenbares, wirkliches Seyendes. Das allein Wirkende dagegen in dieser Einheit ist die verneinende Potenz (B), welche als die dem Wesen oder eigentlich Seyenden entgegengesetzte Potenz nicht das Seyende heißen kann, obwohl sie darum keineswegs das nicht Seyende oder Nichts ist.
Wir mögen also in jener ursprünglichen Verneinung auf das Wirkende sehen, oder auf das, was in ihr unwirkend und leidend gesetzt ist, in jedem Fall werden wir sagen, daß sie am meisten von der Natur des nicht Seyenden hat, oder selbst als das nicht Seyende erscheint.
Der Begriff des nicht Seyenden, vorzüglich aber das in so vielen Gestalten überall vorkommende nicht Seyende selbst hat von jeher die Betrachter geirrt und vielfach als ein wahrer Proteus in Verwirrung gebracht; denn gleichwie es den wenigsten einleuchtet, daß die eigentliche Kraft mehr in der Beschränkung als in der Ausbreitung liegt, und mehr Stärke dazu gehört, sich zu nehmen als sich zu geben, so ist es natürlich, wenn sie jenes durch sich selbst nicht Seyende, wo es ihnen begegnet, eher für das Nichts ansehen und es für den größten Widerspruch erklären, wenn behauptet wird, daß es eben als das nicht Seyende sey.
Von diesem bloß grammatischen Mißverstand, der auch manche Ausleger griechischer Philosophen befing, und welchem unter andern auch der Begriff der Schöpfung aus Nichts
seinen Ursprung zu verdanken scheint, konnte sie jedoch schon die ganz einfache, wenn auch sonst nirgendher doch aus Plutarch zu lernende Unterscheidung befreien zwischen dem nicht Seyn (μὴ εἶναι) und dem nicht seyend Seyn (μὴ Ὄν εἶναι)
. Hiedurch läßt sich auch der Ausdruck Beraubung (στέρησις)
, mit dem Aristoteles das andere, Entgegengesetzte (τοὐναντίον)
bezeichnet, vertheidigen, inwiefern nämlich die verneinende, das Wesen einziehende Kraft es nicht setzt, daß es nicht-ist, sondern nur, daß es nicht das Seyende ist.
Auf den Begriff des nicht Seyenden muß übrigens schon die allgemeinste Betrachtung führen. Denn das, was an jedem Ding das eigentliche Seyn ist, kann schon des Gegensatzes wegen nicht einerlei mit dem Seyenden seyn, sondern ist seiner Natur nach das nicht Seyende, darum aber keineswegs das Nichts; denn wie sollte das das Nichts seyn, das doch das Seyn selber ist? Das Seyn muß eben auch wieder seyn. Es gibt kein bloßes Seyn, in dem gar nichts Seyendes wäre (kein A ohne B). Das nicht Seyende ist nur nicht ein gegen anderes (objektiv) Seyendes, wohl aber ist es ein in sich (subjektiv) Seyendes. Es ist nur gegen jenes als das vorzugsweise Seyende ein nicht Seyendes, auf sich selbst bezogen aber wohl ein Seyendes. Alles Seyende eines geringeren Grades verhält sich gegen das eines höheren als ein nicht Seyendes, und dasselbe A, das gegen ein anderes ein Seyendes ist, kann gegen das A einer noch höheren Ordnung als ein nicht Seyendes erscheinen.
So ohngefähr ließe sich auf unsere Art ausdrücken, was schon Platon in dem herrlichen Gespräch von dem nicht Seyenden gezeigt, wie es nämlich nothwendig sey, und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum ununterscheidbar seyn würde
.
Dasjenige ist immer dem Begriff nach das Seyende, in welchem das bejahende Princip wirkend, äußerlich offenbar ist. Aber es folgt nicht immer, daß, was dem Begriff nach, darum auch der That nach sich als das Seyende verhalte; denn bei verkehrter Ordnung, oder wo noch keine Ordnung, Besonnenheit und Gliederung ist, kann ebenso das an sich selbst oder wesentlich Seyende gegen das, was eigentlich seinem Wesen nach nicht seyend ist, zum nicht Seyenden werden. Wie der Gute das Böse in sich niederhält, so bringt umgekehrt der Böse das Gute in sich zum Schweigen, und setzt das, was seinem Wesen nach das Seyende ist, der That nach als nicht Seyendes.
Des Mißbrauchs, den eine andere Art der Sophistik von dem Begriff des nicht Seyenden macht, wollen wir noch gedenken. Weil nämlich dem blinden Gefühl das Seyn als das Höchste erscheint, alles Seyn aber auf Verschlossenheit des Wesens beruht, so schließt sie (wird ihr anders durch diese Erklärung nicht zu viel geliehen), das Seyn sey unerkennbar, und weil ihr alles Seyn ist, nichts sey erkennbar, alles wissende Wissen löse das Seyn auf, und nur der Nichterkennende erkenne
. An sich ist allerdings nur das Seyende auch das Erkennbare, das nicht Seyende das nicht Erkennbare. Aber es ist doch nur unfaßlich so weit und in dem, wieweit und worin es nicht Seyendes ist; soweit es aber als solches zugleich ein Seyendes ist, ist es ja wohl faßlich und erkennbar. Denn das, wodurch es nicht Seyendes ist, ist eben das, wodurch es Seyendes ist. Denn nicht Seyendes ist es nicht wegen gänzlichen Mangels an Licht und Wesen, sondern wegen thätiger Verschließung des Wesens, also durch wirkende Kraft. Wir mögen daher auf das sehen, was in ihm innerlich und verborgen, oder auf das, was an ihm äußerlich und offenbar ist: so ist jenes eben die Wesenheit selbst, dieses aber eine wirkende Kraft, ja wir würden richtiger sagen, die Kraft, die Stärke schlechthin, die als solche doch ebenfalls ein Seyendes, also Erkennbares seyn muß.
Dieß ist die ewige Kraft und Stärke Gottes, daß er sich selbst verneint, sein Wesen verschließt und in sich selbst zurücknimmt. In diesem Akt ist die verneinende Kraft das einzige Offenbare von Gott, das eigentliche Wesen aber das Verborgene; das Ganze verhält sich daher als A, das nach außen B ist = (A=B). Dieses also, weil Gott in ihm der nicht seyende (nicht offenbare) ist, neigt sich seiner Wesenheit nach am meisten dazu, gegen anderes nicht seyend zu seyn. Dieses also ist der Anfang, oder wie wir es auch sonst schon ausgedrückt, die erste Potenz.
So ist nach den ältesten Lehren allgemein die Nacht nicht das oberste Wesen (wie diese Lehren heutzutage mißverstanden werden), sondern das erste, das eben darum im Fortgang der Bewegung das unterste wird, und gerade das muß zum Grund der Offenbarung gemacht werden, was alle Offenbarung verneint.
Dasselbe läßt sich nun auch von anderer Seite her darthun. Ein Wesen kann nicht sich verneinen, ohne eben damit Sich sich selbst innerlich, also zum Objekt seines eignen Wollens und Begehrens zu machen. Der Anfang aller Wissenschaft liegt in der Erkenntniß seiner Unwissenheit; aber unmöglich ist, daß der Mensch sich selbst als unwissend setze, ohne sich dadurch die Wissenschaft innerlich, zu einem Gegenstand seines Begehrens zu machen. Sich selbst setzen als nicht seyend und sich selber Wollen ist daher eins und dasselbe. Das Erste jedes Wesens ist, daß es sich selber will, dieses sich-Wollen ist eben nachher die Grundlage der Egoität, das, wodurch ein Wesen sich abzieht oder abschneidet von andern Dingen, wodurch es nur Es Selbst ist, und also nach außen oder gegen alles andere verneinend.
Aber im Wollen überhaupt liegt auch allein die Kraft eines Anfangs. Denn das, was gewollt wird, was also der Intention nach eigentlich seyn soll, wird eben in dem, daß es gewollt wird, als nicht seyend gesetzt. Aber aller Anfang beruht darauf, daß das nicht sey, das eigentlich seyn soll (das an sich Seyende). Da nun ein Wesen, das nichts außer sich hat, nichts wollen kann als eben sich selbst, so kann der unbedingte, der schlechthin erste Anfang nur im sich-Wollen liegen. Aber Sich wollen und Sich verneinen als seyend ist eins und dasselbe. Also kann auch nur im sich Verneinen als seyend der erste Anfang seyn.
Denn überhaupt nur in der Verneinung liegt der Anfang. Aller Anfang ist seiner Natur nach nur ein Begehren des Endes oder dessen, was zum Ende führt, und verneint sich also als das Ende. Es ist nur erste Spannung des Bogens
, nicht sowohl selbst seyend als der Grund, daß etwas sey. Daß eine Bewegung jetzt anfange oder werde, ist nicht genug, daß sie nur nicht sey; sie muß ausdrücklich gesetzt werden als nicht seyend; damit ist ein Grund gegeben, daß sie sey. Der Anfangspunkt (terminus a quo) keiner Bewegung ist ein leerer, unthätiger Ausgangspunkt, sondern eine Verneinung derselben, die wirklich entstehende Bewegung eine Ueberwindung dieser Verneinung. War sie nicht verneint, so konnte sie nicht ausdrücklich gesetzt werden. Verneinung ist also das nothwendig Vorausgehende (prius) jeder Bewegung. Der Linie Anfang ist der geometrische Punkt, nicht weil selbst ausgedehnt, sondern weil Verneinung aller Ausdehnung; die Eins Anfang aller Zahl, nicht sowohl weil selbst Zahl, als weil Verneinung aller Zahl, aller Vielheit. Was sich steigern soll, muß sich erst zusammennehmen, in Wurzelzustand versetzen, was wachsen will, sich verkürzen; und so ist Verneinung überall der erste Uebergang von Nichts in Etwas.
Es leidet daher keinen Zweifel, daß, wenn unter den Urmächten des Lebens eine Folge stattfindet, nur die, welche das Wesen einschließt und zurückdrängt, die anfangende seyn kann. Das Erste in Gott nach der Entscheidung, oder, da wir diese von aller Ewigkeit her als geschehen (wie noch immer geschehend) annehmen müssen, das Erste in Gott überhaupt, im lebendigen Gott, der ewige Anfang seiner selbst in ihm selbst, ist, daß er Sich verschließt, versagt, sein Wesen von außen abzieht und in sich selbst zurücknimmt.
Die jetzt angenommene Lehre von Gott ist, daß er ohne allen Anfang sey. Dagegen die Schrift: Gott sey der Anfang und das Ende
. Ein in jedem Betracht anfangloses Wesen müßten wir uns als die ewige Unbeweglichkeit, die reinste Wirkungslosigkeit denken. Denn kein Wirken ist ohne einen Punkt, von dem es aus- und nach dem es hingeht. Ein Wirken, das weder etwas Festes hätte, auf das es sich gründete, noch ein bestimmtes Ziel und Ende, das es begehrte, wäre ein völlig unbestimmtes, kein wirkliches und als solches unterscheidbares Wirken. Es läßt sich also wohl ein nicht wirkliches, nimmer aber ein wirkliches Ewiges ohne Anfang denken. Nun aber reden wir von dem nothwendig Wirklichen Gottes. Dieser also hat nur insofern keinen Anfang, als er keinen Anfang seines Anfangs hat. Der Anfang in ihm ist ewiger Anfang, d.h. ein solcher, der von aller Ewigkeit her Anfang war, und noch immer ist, und auch nie aufhört Anfang zu seyn. Ein anderes ist auch der Anfang, den ein Wesen außer sich, und den es in sich selbst hat; ein anderes ein Anfang, dem es entfremdet werden und von dem es sich entfernen kann, und ein Anfang, in dem es ewig bleibt, weil es Sich selbst Anfang ist.
Aber die göttliche Natur leidet es nicht, daß er bloß ewiges Nein ist, ewige Versagung seiner selbst; es ist ebenso gut seine Natur, daß er ein Wesen aller Wesen sey, das unendlich sich Gebende und Mittheilende. Indem er also sein Wesen verbirgt, in dem tritt kraft der ewigen Nothwendigkeit seiner Natur jener (nicht etwa aufzuhebenden, sondern bleibenden, obwohl jetzt ins Negative zurücktretenden) Verneinung das ewig Bejahende seines Wesens entgegen, das nun im Gegentheil die verneinende Kraft in sich zurückdrängt und eben damit zum selbständigen Wesen sich steigert.
Wie der Körper unmittelbar, indem er sich zusammenzieht und erkaltet, fühlbare Wärme um sich verbreitet, also die zuvor unwirksame Wärme in Wirkung erhöht: so und mit ganz gleicher Nothwendigkeit wird jene ursprüngliche Verneinung der unmittelbare Grund, die zeugende Potenz des eigentlichen Wesens, und setzt dieses außer sich, unabhängig von sich als ein von ihm ab-, ja ihm entgegengesetztes Wesen, als das ewige in sich selbst Seyende.
Es fällt dadurch ein neues Licht auf jene ursprüngliche Verneinung. Ein Wesen kann nicht sich selbst verneinen als wirklich, ohne zugleich sich zu setzen als die verwirklichende zeugende Potenz von sich selbst. So wie umgekehrt sich setzen als die verwirklichende Potenz von sich selbst und sich setzen als nicht seyend wiederum eins und dasselbe ist.
In der ersten Potenz (in A=B) war auch ein Seyendes (A); aber dieses war hier als nicht seyend (als leidend, als Objekt) gesetzt. In dem von ihm Gezeugten aber ist der Voraussetzung nach das Seyende als Seyendes gesetzt. Es kann insofern das Seyende der zweiten Potenz heißen (wir bezeichnen es als das, in dem nun vielmehr das Verneinende, B, verschwindet, durch A2); und schon hieraus würde erhellen, daß, wenn jenes ursprüngliche Nein der Anfang und das Erste, das ihm entgegengesetzte Wesen das Zweite und Folgende sey.
Daß jenes nur vorausgehen, dieses nur folgen könne, läßt sich jedoch noch auf andere Art so einsehen. Daß die verneinende Kraft das Wesen zurückdrängt, ist ihr natürlich; und eine verneinende Kraft einmal gesetzt, wird sie nicht anders wirken können als auf Verschlossenheit des Wesens. Aber dem bejahenden Princip an sich selbst ist die verneinende Kraft völlig fremd; und doch ist es als das Seyende nur dadurch seyend und wirklich, daß es die verneinende Kraft in sich zurückdrängt. Dazu nun würde es von sich selbst nie kommen, also auch nie in Wirkung erhöht, wenn nicht die Verneinung des Wesens vorausgegangen wäre. Denn daß es Seyendes ist, dieses freilich hat es von sich selbst; daß es aber als das Seyende wieder ist, sich werkthätig erweist, sich offenbart als das Seyende, davon liegt der Grund in der verneinenden Potenz. Wäre das Nein nicht, so wäre das Ja ohne Kraft. Kein Ich ohne Nicht-Ich, und insofern ist das Nicht-Ich vor dem Ich. Das Seyende hat eben darum, weil von sich selbst Seyendes, keinen Grund zu begehren, daß es sey. Aber verneint zu seyn widerstrebt seiner Natur. Ist es also irgend verneint, so folgt, daß es außer dem, worin es verneint ist, an sich selbst, unverneint und in seiner eignen Lauterkeit sey.
Mit diesen beiden Potenzen ist der Urgegensatz gegeben; doch kein solcher, der auf einer gänzlichen wechselseitigen Ausschließung, nur ein solcher, der auf einem entgegengesetzten Verhältniß, gleichsam einer umgekehrten Stellung jener ersten Lebenskräfte, beruht. Was in der vorausgehenden Potenz das Aeußere, Einschließende, Verneinende war, ist in der folgenden selbst das Innere, Eingeschlossene, selbst Verneinte; und umgekehrt, was dort das Gehemmte war, ist hier das Freie. Unendlich fern, sind sie einander unendlich nah. Fern, weil, was in dem einen bejaht und offenbar, in dem andern verneint und ins Dunkel gesetzt ist. Nah, weil es nur einer Umkehrung bedarf, einer Herauswendung dessen was verborgen und einer Hineinwendung dessen was offenbar ist, um das eine in das andere zu versetzen und gleichsam zu verwandeln.
So sehen wir schon hier die Anlage zu einer künftigen inneren, aus jedem für sich kommenden Einheit. So liegt der Tag in der Nacht verborgen, nur überwältigt durch die Nacht, so die Nacht im Tag, nur niedergehalten vom Tag, doch daß sie sich alsbald herstellen kann, wie die zurückdrängende Potenz verschwindet. So das Gute im Bösen, nur unkenntlich gemacht vom Bösen, so das Böse im Guten, nur beherrscht von ihm und zur Unwirksamkeit gebracht.
Aber so scheint nun die Einheit des Wesens zerrissen, da jedes der Entgegengesetzten für sich und in sich selbst steht als ein eignes Wesen; aber sie selbst neigen sich zur Einheit, oder daß sie in einem und demselben zusammenkommen, denn es kann sich die verneinende Kraft nur als verneinende empfinden, wenn ein aufschließendes Wesen ist, und dieses kann als das bejahende nur wirken, indem es das verneinte, zurückgedrängte befreit. Auch ist unmöglich, daß die Einheit des Wesens aufgehoben werde; vermöge der ewigen Nothwendigkeit also, durch die Kraft des unauflöslichen Lebens, setzen sie außer und über sich ein Drittes, welches die Einheit ist.
Dieses Dritte muß an sich selbst außer und über allem Gegensatz seyn; die lauterste Potenz, das gegen beide Gleichgültige, von beiden Freie und am meisten Wesentliche.
Daß dieses nicht das Erste, nicht das Zweite, nur das Dritte seyn könne, und sich nur verhalten als Seyendes der dritten Potenz =A3, ist nach dem Vorhergehenden von selbst klar.
Wie die ursprüngliche Verneinung der ewige Anfang, so ist dieses Dritte das ewige Ende. Es ist von der ersten Potenz bis zur dritten eine unaufhaltsame Fortschreitung, eine nothwendige Verkettung. Die erste Potenz gesetzt, ist nothwendig auch die zweite, und diese beiden erzeugen ebenso nothwendig die dritte. Damit sodann ist das Ziel erreicht; nichts Höheres ist in demselben Fortgang zu erzeugen.
Aber in ihrem Gipfel angekommen, geht die Bewegung von selbst zurück auf ihren Anfang. Denn jedes von den Dreien hat gleiches Recht das Seyende zu seyn; jener Unterschied und die daraus hervorgehende Unterordnung ist nur ein Unterschied des Wesens, der aber die Gleichwichtigkeit in Ansehung des seyend-Seyns, oder wie wir es kürzer ausdrücken, die existentielle Gleichheit nicht aufzuheben vermag.
Es kann hier noch überall von keinem sittlichen Verhältniß die Rede seyn; denn noch haben wir überall nichts gesetzt als blinde Natur, aber kein sittliches Princip. Oft genug sind wir belehrt worden, das Ideale stehe über dem Realen, das Physische sey dem Geistigen untergeordnet und Aehnliches, gleichwie es uns nie an solcher Belehrung gefehlt. Zwar diese Unterordnung schien aufs bestimmteste ausgesprochen, indem wir immer das dem Realen Verwandte als erste Potenz, das dem Idealen als zweite gesetzt. Allein es fange nur einer damit an, das, was untergeordnet seyn soll, als wirklich untergeordnet zu setzen: was hat er dann? Er ist fertig gleich im Anfang; alles ist geschehen, und es gibt weiter keinen Fortgang.
Jenes ursprüngliche, nothwendige und bleibende Leben steigt also wohl vom Untersten zum Höchsten auf, aber angekommen in diesem geht es unmittelbar auf den Anfang zurück, um von diesem wieder aufzusteigen; und hier erst gelangen wir zu dem vollkommenen Begriff jener ersten Natur (nachdem nun alle einzelnen Begriffe wieder entfernt werden müssen, die nur gesetzt werden mußten, um zu diesem vollkommenen Begriff zu gelangen), nämlich daß sie ein ewig in sich selbst kreisendes Leben ist, eine Art von Cirkel, da das Unterste immer in das Oberste, und das Oberste wieder in das Unterste läuft. Denn es ist vermöge der Natur der drei Principien unmöglich, sowohl daß jedes, als daß nicht jedes das Seyende sey, und es läßt sich darum in diesem Drang zum Daseyn nur ein alternirendes Setzen denken, da jetzt die eine, jetzt die andere das Seyende ist, abwechselnd die eine obsiegt und die andere weicht.
In diesem beständigen Umtrieb hebt sich natürlich der Unterschied des Höheren und Niederen wieder auf; es ist weder ein wahrhaft Oberes noch ein wahrhaft Unteres, weil abwechselnd das eine Oberes und das andere Unteres ist, sondern nur ein unablässiges Rad, eine nie stillstehende rotatorische Bewegung, in der keine Unterscheidung ist. Auch der Begriff des Anfangs, wie der des Endes, hebt sich in diesem Umlauf wieder auf. Es ist wohl ein Anfang der Potenz, der Möglichkeit nach darin, etwas, das Anfang seyn könnte, aber nicht wirklicher Anfang ist. Wirklicher Anfang ist nur ein solches, das sich selbst setzt als nicht seyend in Bezug auf das, das eigentlich seyn soll. Aber das, was Anfang in dieser Bewegung seyn könnte, erkennt sich nicht als Anfang, und macht mit den andern Principien gleichen Anspruch das Seyende zu seyn. Wahrer Anfang ist der, der nicht immer wieder anfängt, sondern beharrt. Wahrer Anfang ist, was Grund eines stetigen Fortschreitens ist, nicht einer abwechselnd vor- und zurückgehenden Bewegung. Ebenso ist nur das wahrhaftes Ende, worin ein Wesen besteht, von dem es nicht wieder auf den Anfang zurückzugehen braucht. Also können wir jenes erste blinde Leben auch erklären als ein solches, das weder seinen Anfang noch sein Ende finden kann; wir können in dieser Beziehung sagen, es sey ohne (wahrhaften) Anfang und ohne (wahrhaftes) Ende.
Da es nun nicht irgendwann, sondern von aller Ewigkeit her angefangen, um nie (wahrhaft) zu enden, und von aller Ewigkeit her geendet, um immer wieder anzufangen, so ist klar, daß jene erste Natur von Ewigkeit her, also gleich ursprünglich eine solche in sich selbst laufende Bewegung, und dieses ihr wahrer, lebendiger Begriff sey.
Dieß sind die Kräfte jenes inneren unaufhörlich sich selbst gebärenden und wieder verzehrenden Lebens, das der Mensch nicht ohne Schrecken als das in allem Verborgene ahnden muß, ob es gleich jetzt zugedeckt ist und nach außen ruhige Eigenschaften angenommen hat. Durch jenes stete Zurückgehen auf den Anfang und das ewige Wiederbeginnen macht es sich zur Substanz im eigentlichen Verstand (id quod substat), zum immer Bleibenden; es ist das beständige innere Trieb- und Uhrwerk, die ewig beginnende, ewig werdende, immer sich selbst verschlingende und immer sich selbst wieder gebärende Zeit.
Ewig erzeugt sich der Gegensatz, um immer wieder von der Einheit verzehrt zu werden, und ewig wird der Gegensatz von der Einheit verzehrt, um immer neu aufzuleben. Dieses ist die Feste (ἑστία), der Heerd des beständig sich selbst verbrennenden und aus der Asche wieder neu verjüngenden Lebens. Dieß das unermüdliche Feuer (ἀκάματον πῦρ), durch dessen Dämpfung
, wie Heraklit behauptete, das Weltall erschaffen worden
, und das als ein in sich selbst laufendes, sich immer rückwärts wiederholendes und wieder vor sich gehendes einem der Propheten im Gesicht gezeigt worden
; der Gegenstand des uralten Magismus und jener Feuer-Lehre, der zufolge auch noch der jüdische Gesetzgeber seinem Volke hinterlassen: der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer
, nämlich nicht seinem Innern und eigentlichen Wesen, wohl aber seiner Natur nach.
Unstreitig ist aber diese unablässig in sich selbst zurückgehende und wieder beginnende Bewegung der wissenschaftliche Begriff von jenem Rad der Geburt, das schon einem der Apostelὁ τροχὸς τῆς γενέσεως
, Jac 3,6
Diese Bewegung läßt sich auch als eine Systole und Diastole vorstellen. Es ist eine völlig unwillkürliche Bewegung, die einmal angefangen sich von selber wieder macht. Das Wiederbeginnen, Wiederaufsteigen ist Systole, ist Spannung, die in der dritten Potenz ihre Akme erreicht, das Zurückgehen auf die erste Potenz ist Diastole, Erschlaffung, auf die aber unmittelbar neue Zusammenziehung folgt. Also ist hier der erste Puls, der Anfang jener durch die ganze sichtbare Natur gehenden alternirenden Bewegung, des ewigen Zusammenziehens und des ewigen Wiederausbreitens, der allgemeinen Ebbe und Fluth.
Die sichtbare Natur ist im Einzelnen und Ganzen ein Gleichniß dieser immer vor- und zurückgehenden Bewegung. Der Baum z.B. treibt immerfort von der Wurzel bis zur Frucht, und wenn er im Gipfel angekommen, wirft er alles wieder ab, geht zurück in den Stand der Unfruchtbarkeit, und macht sich selbst wieder zur Wurzel, nur um wieder aufzusteigen. Die ganze Thätigkeit der Pflanze geht auf Erzeugung des Samens, nur um in diesem wieder von vorn anzufangen und durch neuen fortschreitenden Proceß wieder nur Samen zu erzeugen und wieder zu beginnen. Aber die ganze sichtbare Natur scheint zu keiner Beständigkeit gelangen zu können und in einem ähnlichen Cirkel unermüdlich umzuwandeln. Ein Geschlecht kommt, das andere geht, mit Mühe bildet die Natur Eigenschaften, Ansichten, Werke, Talente bis zu einem Gipfel aus, um sie dann Jahrhunderte wieder in Vergessenheit zu begraben, und in einem neuen Anlauf, auf neue Art vielleicht, aber doch wieder nur zu demselben Höchsten zu gelangen.
Aber so kommt jenes erste Wesen nie zum Seyn; denn nur zusammen erfüllen die drei Potenzen den Begriff der göttlichen Natur, und nur daß diese ist, ist nothwendig. Da also ein unablässiger Drang ist, zu seyn, und es doch nicht seyn kann, so bleibt es in der beständigen Begierde stehen, als ein unablässiges Suchen, eine ewige nie gestillte Sucht zu seyn. Hievon gilt das alte Wort: Es sucht sich die Natur und findet sich nicht (quaerit se natura, non invenit)
.
Bliebe das Leben hier stehen, so wäre nichts als ein ewiges Aus- und Einathmen, ein beständiger Wechsel von Leben und Sterben, der kein wahres Daseyn ist, sondern nur ein ewiger Trieb und Eifer zu seyn, ohne wirkliches Seyn.
Es ist klar, daß es vermöge der bloßen Nothwendigkeit der göttlichen ⦋Natur⦌, also auch wohl vermöge der Nothwendigkeit überhaupt nie zu einem wirklichen Daseyn kommen könnte.
Wie oder wodurch wurde das Leben von diesem Umtrieb erlöst und in die Freiheit geführt?
Da jedes der drei Principien gleiche Ansprüche hat das Seyende zu seyn, so kann der Widerspruch nicht dadurch gelöst werden, daß etwa eines auf Kosten der andern zum Seyenden wird. Da aber der Widerspruch auch nicht bleiben kann und doch eben dadurch bleibt, daß jedes für sich das Seyende seyn will: so ist keine andere Lösung denkbar, als daß alle gemeinschaftlich und freiwillig (denn wodurch sollten sie wohl gezwungen werden?) Verzicht thun das Seyende zu seyn, und also sich selbst ins bloße Seyn herabsetzen. Denn damit hört jene Gleichwichtigkeit (Aequipollenz) von selber auf, die sich nicht auf ihr Wesen oder ihre besondere Natur bezog (vermöge welcher sie vielmehr sich eine Stufenfolge bilden), sondern nur darauf, daß jedes von Natur gleicherweise das Seyende zu seyn gedrungen war. Solange diese Nothwendigkeit fortdauert, müssen sie streben, alle an einer und derselben Stelle, nämlich an der Stelle des Seyenden, also gleichsam in Einem Punkte zu seyn; es wird eine gegenseitige Inexistenz gefordert, da sie doch unverträglich sind, und wenn eines das Seyende ist, dann nothwendig die andern nicht seyend seyn müssen. Diese Nothwendigkeit kann daher nur aufhören, wenn alle gleicherweise Verzicht thun das Seyende zu seyn; denn ist eines davon das Seyende, dann müssen ihrer Natur nach alle streben dasselbe zu seyn. Sobald nun diese Nothwendigkeit aufhört, wird Auseinandersetzung möglich, oder daß jedes in seine Potenz tritt; es wird Raum, und jene blinde Nothwendigkeit der gegenseitigen Inexistenz verwandelt sich in das Verhältniß einer freien Zusammengehörigkeit.
Dieses nun wohl ist für sich einleuchtend genug; aber es entsteht die Frage: wie es möglich sey, daß alle, gemeinschaftlich, Verzicht thun das Seyende zu seyn.
An sich klar ist, daß überhaupt nichts sich als Seyendes aufzugeben vermag, als nur gegen ein Höheres. Wie das Herz des Menschen so lange zur selbstischen Begierde sich gleichsam berechtigt fühlt, als seine Sehnsucht, sein Verlangen, jene innere Leere, die ihn verzehrt, nicht durch ein höheres Gut erfüllt wird; wie die Seele nur sich setzt und stillt, indem sie etwas über sich erkennt, von dem sie überschwenglich beseliget wird, so kann auch jene blinde Sucht und Begierde der ersten ⦋Natur⦌ nur gegen ein Höheres verstummen, gegen das sie sich gern und willig als das bloße Seyn, als das nicht Seyende erkennt.
Hiezu kommt, daß jenes Aufgeben und zum Seyn Ersinken ein freiwilliges seyn soll. Nun ist aber in jener ersten Natur bis jetzt nichts als unwiderstehlicher Trieb, besinnungslose Bewegung. Solang sie nicht aus dieser unwillkürlichen Bewegung gesetzt ist, ist in ihr keine Freiheit denkbar. Sie selbst kann sich dieser Bewegung nicht entwehren, sie kann ihr nur durch ein anderes, und unstreitig nur durch ein Höheres entnommen werden. Und da jene unwillkürliche Bewegung auf der Nothwendigkeit der gegenseitigen Inexistenz beruhte, so kann sie von dieser Bewegung nicht frei werden, als indem ohne ihr Zuthun die Scheidung, Auseinandersetzung geschieht, und ihr so die Möglichkeit gegeben wird, diese Scheidung entweder anzunehmen, und so sich zu erretten aus dem Umtrieb, oder sie nicht anzunehmen, und so wieder jener blinden Sucht und Begierde anheimzufallen.
Auf jede Weise also kann die Befreiung und Erlösung ihr nur durch ein anderes kommen, das außer ihr, völlig unabhängig von ihr, und über sie erhaben ist; denn da sie sich gegen dasselbe als bloßes Seyn und nicht Seyendes erkennen soll, so ist dieß nicht möglich, ohne jenes andere zugleich als ihr wahrhaft Seyendes zu erkennen.
Von welcher Art nun dieses andere seyn werde, dieses ist natürlich der nächste Gegenstand der Betrachtung.
Offenbar ist nun zuvörderst, daß es von jener ewig beginnenden Natur nicht in einer stetigen Folge (in actu continuo gleichsam) als eine zu ihr gehörige Potenz gesetzt werden kann, vielmehr es ist außer und über aller Potenz, das an sich Potenzlose. Ebenso kann es nicht wieder, wie jene, Sucht, Begierde oder Natur seyn; sonst könnte es hier nicht helfen; vielmehr muß es frei seyn von aller Begierde, völlig sucht- und naturlos.
Aber eben darum kann es auch nicht ein nothwendig Wirkliches seyn, und da wir noch von keinem frei Wirklichen wissen, überhaupt kein Wirkliches. Und doch auch kein Nichtwirkliches. Es ist also das an sich weder Seyende noch Nichtseyende, sondern nur die ewige Freiheit zu seyn.
Es ist nur Ein Laut in allen höheren und besseren Lehren, daß das Höchste nur über allem Seyn ist. Uns allen wohnt das Gefühl bei, daß die Nothwendigkeit allem Daseyn als sein Verhängniß folgt. Was nur wirklich ist oder wirklich zu seyn strebt, ist eben damit im Widerspruch, und Widerspruch ist die Ursache aller Nothwendigkeit. Ein inniges Gefühl sagt uns, nur über dem Seyn wohne die wahre, die ewige Freiheit.
Den meisten, weil sie jene Freiheit nie empfunden, scheint es das Höchste, ein Seyendes oder Subjekt zu seyn, obwohl dieses Wort schon andeutet, daß alles, was nur ein Seyendes ist, inwiefern es dieß ist, ein Höheres über sich erkenne; daher fragen sie: was denn über allem Seyn gedacht werden könne, oder was das sey, das weder seyend sey noch auch nichtseyend, und antworten sich selbstgenügsam: das Nichts.
Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautere Gottheit ein Nichts ist, in dem Sinn, wie ein geistlicher Sinndichter unnachahmlich es ausgedrückt:
Die zarte Gottheit ist das Nichts und Uebernichts,
Wer Nichts in allem sieht, Mensch glaube, dieser siehts.
Sie ist nichts, weil ihr nichts auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise zukommen kann, und wieder über allem Nichts, weil sie alles selbst ist.
Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautere Freiheit ein Nichts ist, wie der Wille, der nichts will, der keine Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind, und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist nichts und alles. Er ist nichts, inwiefern er weder selbst wirkend zu werden begehrt, noch nach irgend einer Wirklichkeit verlangt. Er ist alles, weil doch von ihm als der ewigen Freiheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird.
Die Bedeutung der Verneinung ist allgemein eine sehr verschiedene, je nachdem sie auf das Aeußere oder Innere bezogen wird. Denn die höchste Verneinung im letzten Sinn muß eins seyn mit der höchsten Bejahung im ersten. Was alles in sich ist, kann es eben darum nicht zugleich äußerlich haben. Ein jedes Ding hat Eigenschaften, woran es erkannt und gefaßt wird, und je mehr es Eigenschaften hat, desto faßlicher ist es. Das Größte ist rund, ist eigenschaftslos. Am Erhabenen findet der Geschmack, d.i. die Unterscheidungsgabe, nichts zu schmecken, so wenig als am Wasser, das aus der Quelle geschöpft ist. So nennt in sinnreichem Spiel ein älterer deutscher Schriftsteller denjenigen Willen arm, der, weil er sich selbst genug ist, nichts hat, das er wollen kann
.
Freiheit oder der Wille, sofern er nicht wirklich will, ist der bejahende Begriff der unbedingten Ewigkeit, die wir uns nur außer aller Zeit, nur als die ewige Unbeweglichkeit vorstellen können. Dahin zielt alles, darnach sehnt sich alles. Alle Bewegung hat nur die ewige Unbeweglichkeit zum Ziel, und es ist alle Zeit, auch jene ewige Zeit, nichts anderes als die beständige Sucht nach der Ewigkeit.
Alles ruht nur, sofern es sein eigentliches Wesen, seinen Halt und Bestand in dem Willen gefunden, der nichts will. In der größten Unruhe des Lebens, in der heftigsten Bewegung aller Kräfte ist doch immer der Wille, der nichts will, das eigentliche Ziel.
Jede Kreatur, jeder Mensch insbesondere strebt eigentlich nur in den Zustand des Nichtswollens zurück, nicht der allein, der sich abzieht von allen begehrlichen Dingen, sondern, obwohl unwissend, auch der, welcher sich allen Begehrungen überläßt, denn auch dieser verlangt nur den Zustand, da er nichts mehr zu wollen hat, ob dieser gleich vor ihm flieht, und je eifriger verfolgt, desto weiter sich von ihm entfernt.
Man pflegt zu sagen: des Menschen Wille sey sein Himmelreich, und es ist wahr, wenn unter diesem Willen der reine, nackte, bloße Wille verstanden wird. Denn der Mensch, der in sein reines Wollen versetzt würde, allein wäre frei von aller Natur.
Also ist jenes Naturlose, dessen die ewige Natur begehrt, kein Wesen, kein Seyendes, obwohl auch nicht das Gegentheil, sondern die ewige Freiheit, der lautere Wille, aber nicht der Wille zu etwas, z.B. Wille sich zu offenbaren, sondern der reine, sucht- und begierdelose Wille, der Wille sofern er nicht wirklich will. Wir haben das Höchste auch sonst ausgesprochen als die reine Gleichgültigkeit (Indifferenz
), die nichts ist und doch alles; sie ist nichts, wie die reine Frohheit, die sich selbst nicht kennt, wie die gelassene Wonne, die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, wie die stille Innigkeit, die sich ihrer selbst nicht annimmt und ihres nicht Seyns nicht gewahr wird. Sie ist höchste Einfalt, und nicht sowohl Gott, als was in Gott selbst die Gottheit, also über Gott ist, wie auch schon einige Aeltere von einer Uebergottheit
geredet. Sie ist nicht die göttliche Natur oder Substanz, sondern die verzehrende Schärfe der Reinheit, welcher der Mensch nur mit gleicher Lauterkeit sich zu nähern vermag. Denn da in ihr alles Seyn wie in einem Feuer aufgeht, so ist sie nothwendig jedem unnahbar, der noch im Seyn befangen ist.
Alles ist einstimmig: Gott seinem höchsten Selbst nach sey reiner Geist. Ob aber alle die ganze Reinheit und Schärfe dieses Gedankens gedacht, möchte zu zweifeln erlaubt seyn.
Zwar die älteren Theologen lehren ausdrücklich, durch den Ausdruck Geist werde Gott nicht in eine besondere Classe oder Kategorie von Wesen gesetzt, etwa in die der sonst so genannten reinen Geister, oder daß er etwa nur Geist wäre im Gegensatz von Naturdingen. Gott sey über alle Geister, der geistigste Geist, reiner unfaßlicher Hauch, gleichsam der Geist von allem Geist. Insofern fällt die Geistigkeit Gottes mit der Einfachheit seines Wesens zusammen.
Mit dieser Einfachheit verträgt sich, nach der Theologen eigner Lehre, nicht nur keine Art von Gegensatz, sondern auch nicht einmal, daß der Gottheit irgend etwas auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise zugeschrieben werde.
Man kann nach dieser Lehre streng genommen von der Gottheit nicht sagen, sie sey gut; denn dieß lautet so, als käme das gut zu ihrem Seyn als etwas anderes hinzu; aber es ist ihr Seyn selbst, sie ist wesentlich gut und insofern nicht sowohl gut als die Güte selbst. Ebenso: Gott ist nicht eigentlich ewig, sondern selber seine Ewigkeit. Der lauteren Gottheit kann kein von ihrem Wesen verschiedenes Wirken zugeschrieben werden; ein solches würde sich zum Wesen wie Möglichkeit zu Wirklichkeit verhalten, aber in Gott ist nichts Potentielles, er ist lauterer Actus. So kann man streng genommen die Gottheit nicht bewußt nennen, denn dieß würde einen Unterschied ihrer selbst von einem, dessen sie sich bewußt ist, voraussetzen, da sie doch ganz lauteres Bewußtseyn und überall nichts ist als eben sie selbst, und alles in ihrem Wesen aufgeht. Nach eben dieser Lehre kann man die Gottheit an sich selbst nicht wollend nennen, weil sie der Wille, die lautere Freiheit selbst ist, obwohl aus eben diesem Grunde auch nicht nichtwollend. Endlich folgt aus dieser Lehre auch jener uralte, nur den ganz Unkundigen befremdliche Satz, daß die Gottheit an sich selbst weder ist noch auch nicht ist
, oder in einer andern, wiewohl minder guten Wendung, daß sie sowohl ist als auch nicht ist
. Sie ist nicht, nämlich so, daß ihr das Seyn als etwas von ihrem Wesen Verschiedenes zukäme, denn sie ist selbst ihr Seyn, und doch kann ihr auch das Seyn nicht abgesprochen werden, eben weil in ihr das Seyn das Wesen selber ist.
Wenn daher nach dem sogenannten ontologischen Erweis aus eben dieser Einheit des Seyns und Wesens folgen sollte, Gott sey ein nothwendig existirendes Wesen: so war dieß eigentlich ein Nichtverstehen jener Idee. Denn der Begriff des Seyenden schließt einen Unterschied von dem Seyn in sich, der eben in Ansehung der Gottheit verneint wird, und nach einem alten Spruch hat das, was das Seyn selber ist, kein Seyn (Ejus quod est Esse, nullum est Esse)
.
Gott seinem höchsten Selbst nach ist kein nothwendig wirkliches Wesen, sondern die ewige Freiheit zu seyn.
Ebenso offenbar ist aber, wie jene Einheit des Wesens und des Seyns (die sich hier von selbst als der Ausdruck der höchsten Geistigkeit darstellt) keineswegs den ganzen Begriff des lebendigen Gottes erschöpfe. Wissenschaft so wenig als Gefühl können sich befriedigen mit einem Gott, der nicht ist, weil er das Seyn selbst ist, der nicht lebendig, weil das Leben selber, nicht bewußt, weil lauteres Bewußtseyn ist. Beide fordern einen Gott, der noch auf eine besondere von seinem Wesen verschiedene Weise da ist, der nicht bloß seinem Wesen nach Wissen ist, sondern ausdrücklich und insbesondere weiß, dessen Wirken nicht in seinem Wesen aufgeht, sondern der in der That, nämlich auf eine von seinem Wesen unterscheidbare Weise, wirkt.
Doch diese Bemerkung setzt uns in Gefahr, dem vorzugreifen, was nur durch allmähliche Entwicklung offenbar werden soll. Nur dieß sey noch bemerkt: wie ganz in der letzten Zeit der Faden geistiger und doktrineller Ueberlieferung abgerissen, welche Unwissenheit selbst längst vorhanden gewesener Begriffe sich verbreitet hatte, erhellt daraus, daß einige verfolgt worden, weil sie behaupteten, es lasse sich der Gottheit dem höchsten Begriff nach kein Seyn zuschreiben, obschon dieß von den ältesten Zeiten her gelehrt wurde; daß andere jene Einheit des Wesens und Seyns, da sie wieder in der ganzen Strenge und zugleich mit der Folge gelehrt wurde, daß die Gottheit an sich selbst weder seyend noch nicht seyend sey, bestreiten zu müssen glaubten, ohne zu ahnden, daß sie in ihr die uralte Grundlage von der Geistigkeit Gottes bestritten, ohne zu wissen, daß es die älteste Lehre ist: Gott sey das Ueberwirkliche, Ueberseyende (τὸ ὑπερόν), also über Seyn und Nichtseyn Erhabene.
Um aber jetzt in den Zusammenhang der Untersuchung zurückzukehren, so erhellt aus diesen Bemerkungen, daß der Begriff jenes an sich weder Seyenden noch nicht Seyenden, jener naturlose Zustand, den wir außer und über der ewigen Natur setzen, einer und derselbe ist mit dem Begriff, der von jeher als der höchste der Gottheit betrachtet worden.
Vermöge der bloßen Nothwendigkeit seiner Natur (dieß ist bewiesen) kommt es weder in Gott selbst noch außer ihm zum wirklichen Daseyn. Darum mußten wir außer und über jenem Nothwendigen von Gott, das in den drei Potenzen die ewige Natur ausmacht, noch ein anderes erkennen, das die ewige Freiheit, das lautere Wollen selbst ist. Oder in einer andern Wendung: wir mußten erkennen, daß in dem wirklichen lebendigen Gott eine Einheit sey von Nothwendigkeit und Freiheit.
Wie nun aber durch jenes Höhere der Widerspruch versöhnt, das blinde mit sich selbst streitende Wesen von der Nothwendigkeit erlöst werden könne, dieses ist, was uns zunächst darzustellen obliegt.
Zunächst ist ihm schon eben durch jenes Höhere die Möglichkeit gegeben zum Seyn zu werden, da es einerseits nur gegen ein Höheres aufgeben kann, Seyendes zu seyn, und andererseits eben dieses Seyende kein Seyn hat, und also nur beziehungsweise seyend seyn kann, dadurch daß ihm ein anderes das Seyn ist. Denn obwohl an sich selbst das weder Seyende noch Nichtseyende, kann es sich doch gegen alles andere nur als das Seyende verhalten; nicht daß es als das, das an sich weder ist noch nicht ist, aufgehoben wird, sondern daß es eben als das weder Seyende noch nicht Seyende seyend ist.
Aber in jenem ewig anfangenden Leben liegt selbst der Wunsch, aus der unwillkürlichen Bewegung und dem Drangsal zu entkommen; und durch seine bloße Gegenwart, ohne alle Bewegung (denn noch ist es das lautere Wollen selbst), gleichsam magisch weckt das Höhere in ihm das Sehnen nach der Freiheit. Die Sucht mildert sich zur Sehnsucht, die wilde Begierde löst sich in das Verlangen auf, mit dem Willen, der nichts will, mit der ewigen Freiheit sich als mit dem eignen wahren oder höchsten Selbst zu verbünden.
Nun hat die sich sehnende Natur zu jenem lauteren Geist keinen Bezug, als daß dieser die Freiheit ist zu seyn, und insofern das gegen alles Seyende (τὸ ὌΝ); sie dagegen in sich die Möglichkeit hat, ihm zum Seyn, zum Subjekt (das Wort im eigentlichen Verstand genommen), gleichsam zum Stoff der Verwirklichung zu werden.
Nur ist hier folgender Unterschied. Des unmittelbaren Bezugs zu dem unfaßlichen Geist ist die Natur nur durch dasjenige fähig, was in ihr selbst Geist, frei und über das nicht Seyende (A=B) und das Seyende (A²) gleicherweise erhaben ist. Denn nur was selbst frei ist von allem Gegensatz, kann dem Widerspruchlosen sich nahen. Nun hängt wiederum dieses (das A³) mit dem Untersten (A=B) nicht unmittelbar, sondern nur durch das Mittlere (A²) zusammen. Um also mit dem Ueberseyenden in Bezug zu kommen, muß die ewige Natur in sich selbst jene Verfassung annehmen, daß, was in ihr das Freie ist, über das andere sich erhebt und zum unmittelbaren Subjekt wird des an sich unergreiflichen Geistes, von den beiden andern Principien aber jedes sich niederläßt an den ihm angemessenen Ort, dergestalt daß die erste Potenz den tiefsten, die zweite den mittleren, die dritte aber den obersten Ort einnehme.
Dieß ist die natürliche Wirkung aller Sehnsucht, daß nämlich das dem Höheren Aehnliche sich erhebt, das ihm weniger Aehnliche aber, wodurch jenes in seiner Erhebung gehemmt wurde, sich niederschlägt und herabsetzt in die Tiefe. Nur in dem Anblick des Höchsten lernt jedes Princip die ihm zukommende Stelle kennen; nur im Höchsten ist das Maß. Kein niedereres, aber des Höchsten empfängliches Wesen kann desselben theilhaftig werden ohne Scheidung in sich selbst, ohne gleichzeitige Erniedrigung des geringeren Theils, der, weil für sich selbst unfähig mit dem Höchsten in Bezug zu kommen, nur dadurch, daß er das Höhere frei läßt, selbst mit ihm in leitende Verbindung kommen kann, und Erhöhung desjenigen Theils, der von Natur bestimmt ist, mit dem Höchsten in unmittelbarem Bezug zu seyn. Diese Scheidung, dieses innere Auseinandergehen, das Werk der wahren Sehnsucht, ist die erste Bedingung alles Rapports mit dem Göttlichen.
Dieser Eintritt der Sehnsucht in der ewigen Natur bezeichnet einen neuen Moment, den wir darum in der Betrachtung festhalten müssen. Es ist jener Moment, den die ahndende Vorwelt durch das Auseinandergehen des Welteis bezeichnete, unter welchem sie eben jenes geschlossene Rad, jene undurchdringliche, nirgends festzuhaltende Bewegung andeutete; jener Moment, da zuerst Irdisches und Himmlisches sich schied.
Die Ursache dieser Krisis ist ohne Wollen oder Thun jenes allerlautersten Wesens: zuerst indem die ewige Natur dasjenige in ihm erblickt, gegen das sie zum Seyn, zum bloß Aussprechlichen werden, und also zugleich in allen ihren Kräften aufgeben kann, das Aussprechende, Seyende zu seyn; sodann weil dieses ihm die Sehnsucht erweckt, aus dem ewigen Umtrieb zu entkommen und zu Bestand und Ruhe zu gelangen; ferner weil jenes Höchste das Maß ist, an dem das niederere Princip seine Niederkeit, das höhere seine Würde erkennt. Aber die Sehnsucht macht den bloßen Anfang und nur die erste innere Bemühung (nisus) zur Scheidung; bestätigt wird sie erst, indem durch diesen inneren Anfang nun wirklich der Bezug zu jenem Höchsten entsteht; und bleibend wird sie erst, indem die ewige Natur, durch die bestätigte Scheidung selbst in Freiheit gesetzt, sich zu entscheiden vermag, und nun, kraft eines ewigen Willens oder Entschlusses, sich ewig und untrennbar jenem Höchsten als sein unmittelbares Subjekt verbündet und ihm zum beharrlichen Seyn, zur bleibenden Unterlage wird, darum in sich nicht weniger lebendig oder seyend, vielmehr erst dadurch zum wahren, seligen, geordneten Leben erhoben, daß sie gegen das Höchste zum Seyn wird.
Denn jeder Sache ist nur wohl, indem sie an ihrem Ort ist. Das Untere, wenn es das Obere frei läßt, wird auch von ihm frei, und nimmt so die ihm eigne und gebührende Selbständigkeit an. Hinwiederum aber kann sich das Höhere nun frei entfalten, indem es sich über das Geringere erhebt und den ihm zukommenden Ort einnimmt.
Die Scheidung beruht zunächst darauf, daß das Verhältniß jener unverbrüchlichen aber unaussprechlichen Einheit, da ein jedes das Seyende, d.h. dasselbe also gleichsam an Einem Ort und in Einem Punkt seyn sollte, in das der Totalität verwandelt, also jenes blind nothwendige Wesen, welches das Eins zu seyn trachtete und es doch nicht seyn konnte, zum All herabgesetzt wird.
Also wird in jener, nicht ein für allemal geschehenen, sondern ewig und immer und noch jeden Augenblick geschehenden Unterwerfung und Scheidung jenes dunkle undurchdringliche und unaussprechliche Wesen zum All.
Um aber vom Besonderen zu reden, so wird das Höchste der ewigen Natur, was in ihr selbst frei und Geist-ähnlich ist (A3), zum unmittelbaren Subjekt der lauteren Gottheit erhoben; die beiden andern Potenzen aber, die gleich uranfänglich nur Bedingung und gleichsam der Weg zu diesem Höchsten (zum A3), und insofern ein von diesem Verschiedenes waren, setzen sich durch ihr Ersinken selbst, und indem das Höhere aufsteigt, in ihrer Freiheit und Unabhängigkeit fest, als Grundlage und gleichsam ersten Stoff alles von dem göttlichen Subjekt Verschiedenen, als die Bleib- und Wohnstätte (Mayon
, Psalm 90, 1) der Kreatur von Ewigkeit, als das, was ewig zwischen Gott und den erschaffenen Wesen in der Mitte ist; andererseits aber als das Aeußere, das erste Sichtbare von Gott, als jene Glorie und Herrlichkeit, mit der sich zunächst das göttliche Subjekt (A3), mittelbar aber die unsichtbare Gottheit selbst gegen die Kreatur umkleidet.
Dieß ist das Erbtheil der Kreatur von Ewigkeit, daß sie, die in dem lauteren Feuer des Geistes nicht leben könnte, eine gegen dieses leidende Unterlage hat, die jedoch nach innen voll Kraft und Leben ist. Ein solcher erster, von Gott in gewissem Betracht unabhängiger Urstoff ist nothwendig zu denken, wenn nicht die Kreatur aus dem Wesen der freien lauteren Gottheit ausgeflossen oder erschaffen seyn soll, eine schon an sich, jedoch auch darum unzulässige Meinung, weil sie alle Freiheit der Kreatur gegen Gott aufhebt. Nur muß dieser Urstoff nicht als ein von Ewigkeit gewesener, sondern als ein in der ewigen Bewegung durch Unterwerfung oder Herabsetzung dazu gewordener (wie wir eben gezeigt) begriffen werden, wodurch, wenn der Fortgang nur richtig gefaßt worden, sogleich die Schwierigkeiten verschwinden, welche der Vorstellung einer ewigen Materie in andern Systemen, wo das Successive der Ideen verloren gegangen, sich entgegenstellen.
Aber obwohl gegen das Höchste (A3) beide nur Stoff und Unterlage, nehmen doch die beiden ersten Potenzen unter sich das ihnen zukommende Verhältniß an, so daß die erste (die ewige Kraft der Verneinung) zum Untersten, die entgegengesetzte aber (in der das Geistige offenbar und die verneinende Kraft zurückgedrängt ist) zum beziehungsweise Höheren wird.
Es ist zwar der Sache angemessen, daß eben das, was Verneinung aller Offenbarung schien, jene Kraft Gottes, durch die er sich selbst versagte und in sich abschloß, daß eben dieses zum Grund aller Offenbarung gelegt wird, und nun fortan wirklich als der ewige Anfang, als die erste Staffel und Unterlage des unsterblichen Lebens bestätigt wird.
Das Tiefste und Unterste also, das aus jener Unaussprechlichkeit herausgesetzt und offenbar wird, ist jene Kraft des Anfangs, die das Wesen an- oder in sich zieht und ins Verborgene zurückdrängt. Der Grundtext der Schrift nennt Himmel und Erde die Ausbreitung der göttlichen Stärke
, andeutend damit, die ganze sichtbare Welt habe einst in jener Verneinung gelegen, und sey nur durch eine spätere Entfaltung aus ihr hervorgehoben worden. Aber eben darum liegt sie noch immer in ihr, noch jetzt ist jene ursprüngliche Verneinung die Mutter und Säugamme der ganzen uns sichtbaren Welt.
Jene Kraft des Anfangs also ins Aussprechliche und Aeußere gesetzt, ist der Urkeim der sichtbaren Natur, aus dem sie in der Folge der Zeiten entfaltet worden. Die Natur ist ein Abgrund von Vergangenheit, aber das ist das Aelteste in ihr, was auch jetzt das Tiefste, das bleibt, wenn auch alles Zufällige und Gewordene hinweggenommen wird. Aber dieß ist eben jene beständige Neigung, das Wesen zu verschließen und ins Dunkel zu setzen.
Die wahre Ur- und Grundkraft alles Körperlichen ist das anziehende Wesen, das ihm Gestalt gibt, es auf den Ort einschränkt und ein an sich Geistiges und Unfaßliches verkörpert. Dieses zwar widerspricht ihm beständig und gibt sich als ein verflüchtigendes, vergeistigendes, allen Schranken feindseliges Wesen kund, aber überall erscheint es nur als ein aus ursprünglicher Verneinung Hervortretendes, jene anziehende Kraft dagegen als das Festmachende von ihm, als sein eigentlicher Grund.
Jene Neigung (das Wesen zu verschließen) ist sogar in den gewöhnlichen Ausdrücken anerkannt, die Natur entziehe sich dem Anblick und verberge ihre Geheimnisse; nur durch eine höhere Macht gedrungen entlasse sie alles, was wird, aus der ursprünglichen Verborgenheit. In der That wird alles in ihr nur durch Entwickelung, d.h. unter dem beständigen Widerspruch einer einhüllenden, einschließenden Kraft, und sich selbst überlassen würde sie noch jetzt alles in jenen Zustand einer gänzlichen Verneinung zurückführen.
Für sich selbst gleicht die Natur jener bei Zeus Gastmahl erscheinenden Penia; nach außen Armuth und äußerste Bedürftigkeit, verschließt sie nach innen göttliche Fülle, die sie aber nicht offenbaren kann, bevor sie mit dem Reichthum, mit dem Ueberfluß selbst, jenem überschwenglich und unerschöpflich mittheilsamen Wesen (A2) sich vermählt hat. Aber auch dann erscheint, was ihrem Schoß sich entwindet, unter der Form und gleichsam dem Druck jener ursprünglichen Verneinung, ein Bastardkind des Bedürfnisses und des Ueberflusses
.
Ihrem Grunde nach ist also die Natur aus dem Blinden, Finstern und Unaussprechlichen Gottes. Sie ist das Erste, der Anfang in dem Nothwendigen Gottes. Die anziehende Kraft, die Mutter und das Behältniß aller sichtbaren Dinge, ist die ewige Kraft und Stärke selber, die herausgesetzt ersehen wird an den Werken der Schöpfung. Die Natur ist nicht Gott; denn sie gehört nur zum Nothwendigen Gottes, da streng genommen Gott nur nach seiner Freiheit Gott heißt; und auch von diesem Nothwendigen ist sie nur ein Theil, eine Potenz; Gott aber kann nur das Ganze genannt werden, und auch dieses nicht, nachdem es aus dem Eins All geworden und aus der Gottheit sich gleichsam begeben.
Die Systeme, die von oben herabsteigend den Ursprung der Dinge erklären wollen, kommen fast nothwendig auf den Gedanken, daß die Ausflüsse der höchsten Urkraft irgend einmal ein Aeußerstes erreichen, unter dem nichts ist, und das, selbst nur noch ein Schatten von Wesen, ein Geringstes von Realität, nur gewissermaßen noch seyend heißen kann, eigentlich aber nicht ist. Dieß ist der Sinn des nicht Seyenden bei den Neuplatonikern, die das wahre aus Platon nicht mehr verstanden. Wir, der entgegengesetzten Richtung folgend, erkennen auch ein Aeußerstes, unter dem nichts ist, aber es ist uns nicht ein Letztes, sondern ein Erstes, von dem alles beginnt, ein ewiger Anfang, und nicht bloß Schwäche oder Mangel an Wesen, sondern thätige Verneinung.
Aber nicht bloß insofern, als sie in ihre eigne Potenz tritt, gelangt die Natur in jener großen Entscheidung zur Aussprechlichkeit, sondern auch insofern, als allein durch das Verhältniß, in welches sie jetzt tritt, der innere Widerspruch in ihr selber besänftigt wird, der bis jetzt nur darum nicht bemerkt worden, weil wir immer das Ganze vor Augen hatten.
Denn nicht in dem Maß stillschweigend und todt, als wir bis jetzt anzunehmen schienen, ist jenes von der verneinenden Kraft zurückgedrängte Wesen. Sich selbst für sich unfühlbar, aber geengt und ergriffen von der anziehenden Kraft, empfindet es sich als geistiges, bejahendes Wesen, und dringt seiner Natur gemäß um so mächtiger hervor, je mehr es in die Enge gebracht worden. Aber die verneinende Kraft läßt nicht aus; könnte sie auslassen, so ginge alles zurück; denn sie ist die Kraft des Anfangs.
Also ist jene erste Potenz nicht bloß in jenen allgemeinen Zustand des Widerspruchs verwickelt, worin wir das Ganze erblickt haben, sondern auch in ihr selbst ist der Widerspruch, und in ihr für sich betrachtet liegt der Grund einer rotatorischen Bewegung. Sie fühlt in sich das widerstrebende Wesen und kann es doch nicht gebären, denn sie ist ihm noch äquipotent; es ist ihr Gesetz zu bleiben, das Geistige immer wieder fest zu machen und so den Grund zu erhalten des ewigen Fortschritts. Aber je stärker sie zieht, um das Wesen in die Tiefe zu bringen, desto mehr widerstreitet dieses, wie alles, was ausbreitsamer Natur ist, nur um so gewaltsamer sich auszudehnen strebt, je mehr es zusammengedrückt worden.
Da sie also in sich widerstreitende Kräfte vereint, wovon die eine immer nach außen verlangt, die andere nach innen zurückdrängt, so ist auch ihr Leben ein Leben der Widerwärtigkeit und der Angst, da sie nicht aus noch ein weiß und ebenfalls einer unwillkürlichen umdrehenden Bewegung anheimfällt.
Aber alles sehnt sich nach beharrlichem Seyn; nichts will im Widerspruch verharren. So auch jene Potenz des Anfangs. Aber sie für sich kann nicht aus dem Widerspruch herauskommen; denn es ist ihre Natur, im Widerspruch zu seyn. Nur Eine Hülfe könnte ihr werden, nämlich, wenn sie mit dem höheren Princip (dem A2) aus jenem alternirenden, gegenseitig ausschließenden Verhältniß in ein organisches träte, welches in jener anfänglichen Gleichwichtigkeit unmöglich ist, da beide so zu sagen in Einem Punkte seyn wollen, weil beide gleichen Anspruch machen das Seyende zu seyn. Wenn aber das verneinende Princip (A=B) sich nur als Potenz des Wesens erkennt und damit dem andern ihm entgegengesetzten (dem A2) Raum macht, dann kann dieses ihr hülfreich werden und ihr Befreiendes vom Widerspruch, denn jenes andere ist das seiner Natur nach aufschließende und befreiende. Ist also dieses andere, so muß eben darum auch das erste bleiben, damit etwas sey, das es aufschließen und befreien könne; und jenes Verhältniß einer erst ausschließenden Gleichwichtigkeit verwandelt sich in das einer nothwendigen Verkettung, da, wenn das eine, dann und eben darum auch das andere ist.
Wäre nicht eine Potenz der Verneinung, so wäre kein Grund, daß die bejahende, aufschließende wäre. Hinwiederum aber kommt jene nur durch diese zum Bestand. Denn nun kann die verneinende Kraft ruhig wirken und immerfort das Wesen zurückdrängen; vorangehender Weise (antecendenter) ist das Seyende noch immer gefesselt, und nur folgender Weise, durch eine höhere Potenz, wird es befreit. Es ist kein Widerspruch, daß, was in einem vorhergehenden Moment eingeschlossen war, in einem folgenden frei werde: vielmehr mußte es eingeschlossen seyn, um befreit werden zu können. Die einschließende Kraft wird dadurch nicht aufgehoben, vielmehr bestätigt, daß eine andere ihr folgende Kraft das Eingeschlossene in Freiheit setzt. Es entsteht hier zuerst ein Vor und Nach, eine eigentliche Articulation und damit Beruhigung. Die an- oder in sich ziehende Kraft wird sich erst als Kraft des Anfangs fühlbar, indem sie durch das ihr folgende Princip überwunden wird, und auch das jetzt Befreite erkennt sie jetzt erst als sein nothwendig Vorausgehendes (Prius), als seinen ersten Grund und Halt, und liebt sie als Bedingung, gleichsam als Gefäß, in dem es aufgeht.
Zur Erläuterung dieses Verhältnisses mag ein ähnliches dienen, das jedoch dem letzten Grunde nach eigentlich nur dasselbe ist. Vorlängst wurde versucht, die Materie als Erzeugniß zweier Kräfte darzustellen
, derselben, die sich uns bisher als die Urkräfte alles Lebens gezeigt haben, der anziehenden und der ausbreitenden. Aber noch nie wurde begreiflich, wie, die beiden Kräfte als äquipotent (von gleicher Potenz) angenommen, aus ihrem Zusammenstoß etwas Greifliches und Bestandhaltendes hervorgehen könne. Denn man mag nun annehmen, daß die zwei Kräfte gleich stark oder die eine überwiegend sey, immer müßten sie unter jener Voraussetzung sich wechselseitig (wie die zwei gleichen Gewichte am Hebel), oder die stärkere müßte die schwächere aufheben; in jenem Fall bliebe überall nichts Fühlbares übrig, in diesem bliebe die stärkere Kraft mit ihrem Ueberschuß allein stehen, ohne daß auch hier etwas Körperliches entstünde. Dieses ist auf keine Weise zu ändern, wenn man nicht auch hier jenes Vorangehen und Folgen (ein Prius und Posterius, einen Potenzunterschied) zwischen den Kräften annehmen will. Ist aber der Zustand der Einwickelung, des Verschlungenseyns der ausbreitenden Kraft durch die anziehende der erste, der sodann erst nachfolgender Weise durch eine andere von der ersten unabhängige Potenz überwunden wird: dann erst, weil jede Kraft in ihrem Seyn und Wesen bleibt, muß ein Erzeugniß hervorgehen, das wie die Materie zwischen gänzlicher Verschließung und völliger Ausbreitung gleichsam angehalten in der Mitte steht.
So also wird jene Potenz des Anfangs, die für sich unbeharrlich und bestandlos ist, erst durch das organische Verhältniß zu der höheren zu Bestand gebracht; in dieses organische Verhältniß selbst aber wird sie erst durch die Scheidung gesetzt, da das ursprüngliche Eins All wird, und ein jedes der Principien in seine eigne Potenz, in das seiner besondern Natur angemessene Verhältniß tritt.
Jenes andere Princip also, das gleichsam der Natur Heiland und Befreier ist, muß auf jeden Fall außer und über dieser Natur seyn und sich schon darum zu ihr wie Geistiges zu Leiblichem verhalten. Doch nur als ein solches Geistiges, zu dem die Natur die nächste Staffel, und das auch wieder eines unmittelbaren Bezugs zu ihr fähig ist.
Die Sprache des Volks sieht die Erde als den Ort an, wo das Wesenhafte unterdrückt und gefesselt ist, und nennt die Gegend, wo es frei und in seiner eignen Wesentlichkeit wohnt, den Himmel. Ist also jene Potenz des Anfangs herabgesetzt ins Seyn und zu Bestand gebracht, der Urkeim der künftigen sichtbaren Natur, so werden wir nicht irren, wenn wir behaupten, daß jene höhere Potenz, in der vielmehr das Wesen offenbar und die verneinende Kraft verborgen ist, ins Seyn herabgesetzt, nichts anderes als der Urstoff der reinen himmlischen Wesenheit und die Grundlage und gleichsam erste Materie der zukünftigen Geisterwelt sey. Denn auch jene höhere Potenz, obwohl gegen die niedere wie lauter Geist und Leben, ja die Eröffnerin aller ihrer Wunder, kann doch gegen eine höhere wieder ersinken, Stoff werden und leidende Eigenschaften annehmen, und so fremd der Ausdruck lauten mag, daß auch die Geisterwelt einen Stoff, eine Basis habe, auf der sie ruht, nichts kann außer Gott wahrhaft daseyn, das nicht aus einer von seinem höchsten Selbst verschiedenen Unterlage erschaffen worden.
Daß es himmlische Einflüsse sind, durch welche alles irdische Leben besteht und regiert wird, und daß ohne diese Einflüsse bald eine Stockung aller Kräfte, eine rückgängige Bewegung alles Lebens entstehen würde, davon überzeugt die höchste Forschung wie die täglich wiederkehrende Beobachtung. Luft, Wasser und alle Elemente sind nur verstandlose Werkzeuge, deren Zusammenordnung und In-Eins-Stimmung nur durch eine von ihnen verschiedene und über sie erhabene Ur-Sache unterhalten werden muß, welche daher von den Alten die fünfte Wesenheit genannt wurde. Wie unvermögend für sich die untergeordneten Kräfte sind, erhellt aus jenen Jahren eines allgemeinen Mißwachses, der ohne besondere Vorgänge in der äußeren Natur bei nicht ungewöhnlicher Luft, Wärme, Regen, Witterung entsteht. Aber diese himmlischen Einflüsse, welche gleichsam die beständige Arzenei unserer Erde sind, von denen Leben und Gesundheit ausgeht, kommen, wenn auch durch noch so viele Mittelglieder, zuletzt aus jener Urquelle alles Lebens, und sind unmittelbare oder mittelbare Ausflüsse der Geisterwelt, deren Wesen allein der beseelende Hauch der ganzen Natur ist, ohne den sie bald in eine rückgängige Bewegung und dadurch in Zerrüttung gerathen, zuletzt jenem ursprünglichen Widerspruch und der anfänglichen Bestandlosigkeit wieder anheimfallen würde, aus der sie nur durch das organische Verhältniß zu der Geisterwelt gesetzt worden.
Es ist allgemeiner Glaube, daß die Geisterwelt der Gottheit näher sey als die Natur, und wie der sterbende Sokrates sagt, er gehe zu Gott
, bedient sich noch immer die Frömmigkeit von dem Frommen desselbigen Ausdrucks. Dieses nun möchte darauf beruhen. Jenes ganze Leben, das wir im Vorhergehenden beschrieben, ist nur der Weg zu Gott, die ewige Bewegung, von welcher Natur der Anfang ist, der Intention nach nur eine fortschreitende Verwirklichung des Höchsten, wo jede folgende Stufe der lautern Gottheit näher ist als die frühere. Insofern kann der Uebergang des Menschen in die Geisterwelt wohl ein Gehen zu Gott genannt werden, vorausgesetzt, daß er den Weg des Lebens (der darum so heißt) gewandelt, nicht durch eigne Schuld die Richtung verkehrt und aus der aufsteigenden in die herabsteigende umgewandelt hat.
Gewöhnlich ist auch die Geisterwelt im Gegensatz der Natur die Ewigkeit zu nennen. Denn diese ist das zwar ewig aber doch Beginnende und behält die Natur des Anfänglichen. Das an sich selbst Seyende aber (A2) ist von der Natur des Ewigen. Der Ewigkeit widerspricht das Gezeugtwerden nicht, denn gleichwie nur das Beginnende zeugen kann, so das Ewige nur gezeugt werden.
Aber hat nun auch diese höhere Potenz Bestand für sich? Ist nicht auch in ihr Gegensatz, damit ein Grund des Widerspruchs und jener unseligen Bewegung?
Wir haben sie angenommen als Princip, in dem das Geistige nach außen gewendet, die dunkle Urkraft verneint innerlich gesetzt ist. Aber wie in jener Potenz des Anfangs das ausbreitsame Wesen der Verneinung entstrebte, so in dieser die verdunkelnde Urkraft. Die zweite Potenz ist unabhängiges, selbständiges Wesen für sich; auch in ihr liegt der Stoff, zu einer eignen Welt entfaltet zu werden. Aber es ist ihr Gesetz, die verneinende Urkraft zurückzudrängen; also ist auch ihr ein Widerstreit der Richtungen nothwendig, auch sie für sich selbst fällt jener wirbelnden Bewegung anheim, welche überall der Anfang und die erste Erscheinung schöpferischer Kräfte zu seyn scheint.
Auch sie kann nicht sich selbst helfen; auch ihr kann nur durch ein Höheres geholfen werden. Aber in jenem ersten ausschließenden Streben, da ein jedes für sich das Seyende seyn wollte, erkennt sie kein Verhältniß zu einem andern außer ihr. Auch sie also wird in der großen Scheidung nicht bloß vom allgemeinen Widerspruch losgewickelt, auch von dem inneren befreit und zu Bestand gebracht. Denn indem sie an die ihr zukommende Stelle tritt, sich selbst nur als Potenz, und ein Höheres über sich erkennt, wird sie gegen dieses Höhere zum Seyn, so daß es in ihr als in seinem Stoff oder unmittelbaren Element wirken kann. Indem nun sie selbst in sich immer bleibt, was sie ist, nämlich ewiges, die verneinende Kraft in sich haltendes und verbergendes Ja, ist es kein Widerspruch, wenn jenes Höhere (A3) die verneinende Kraft in ihr befreit und so mit Besonnenheit und Absicht zu einer andern Welt sie entfaltet. Denn ihre Natur ist nur, daß sie ursprünglich bejahendes Princip sey, das die dunkle Urkraft einschließt; es wird nur gefordert, daß dieß ihr Grund oder Anfang sey: was aber nachfolgender Weise geschieht, hebt jenen ersten Grund nicht auf, bestätigt ihn vielmehr, weil es ihn voraussetzt.
Solange jenes geistige Wesen mit der verneinenden Urkraft im Streit lag, war es, gegen seine Natur, welche ausfließender, ausquellender Art ist, gezwungen nach innen zu wirken, und konnte so auch der ihrer Hülfe bedürftigen Natur nicht helfen. Nun durch eine höhere Potenz das bejahende Wesen gegen die verneinende Kraft in Freiheit gesetzt ist, kann die Geisterwelt frei ausfließen und nach unten oder in die Natur wirken. Dergestalt, indem das Dritte dem Zweiten eben das ist, was es selbst dem Ersten, entsteht endlich der vollkommenste Einklang, und erst durch das Dritte ist wie mit Einem Hauch zumal das Ganze beseelt.
Aber auch dieses Dritte ist für sich des Bestands unfähig. Denn solang blinde Nothwendigkeit herrschte, da keine Auseinandersetzung der Kräfte war, und jenes reine gegensatzlose Wesen (A3) nur im Streit gegen die anderen Seyendes seyn konnte, mußte es sich gegen diese als verzehrendes Feuer zurückwenden; wie den Gegensatz die Einheit, so schloß die Einheit der Gegensatz aus; aber eben damit war der Grund zu jener alternirenden Bewegung, zu dem beständigen Wiederaufleben des Gegensatzes, dem beständigen Wiederbeginn gegeben, denn weder die Einheit sollte allein seyn noch der Gegensatz, sondern sowohl die Einheit als der Gegensatz.
Konnte die Einheit (A3) sich erheben und außer dem Gegensatz seyn, dann konnte auch der Gegensatz außer der Einheit bestehen, und es war kein Widerspruch. Aber dieß war in jener anfänglichen Aequipollenz und Ungeschiedenheit der Principien unmöglich. Da also das seinem Wesen nach freie, aber aus der Nothwendigkeit geborene Princip sich von dem untergeordneten nicht losreißen konnte, und der freie, lebendige Fortschritt von dem Niedereren ins Höhere, vom Höheren ins Höchste gehemmt war, mußte jenes, das nicht vor sich gehen konnte, zurückwirken, und so ein rückgängiger Proceß entstehen, der wie immer mit Verzehrung des vorher Gebildeten (mit Feuer) endete, wie in organischen Körpern, wenn das Untergeordnete so gesteigert wird, daß sein Gegensatz gegen das Höhere und damit die Freiheit des letzteren aufgehoben ist, freiwillige Selbstverbrennung eintritt; nur daß jenes Leben, weil das an sich unsterbliche, das gar nicht nicht seyn kann, immer neu aus der Asche als ein Phönix wieder auflebt, und so der ewige Cirkel entsteht, den wir im Vorhergehenden beschrieben haben.
Wie also das Erste nur durch sein organisches Verhältniß zu dem Zweiten, dieses nur durch ein gleiches Verhältniß zu dem Dritten Bestand haltend wird, das Dritte aber nicht von sich selbst sich erheben, als das, was es ist (als höchste Potenz), zum Actus gelangen kann: so sinkt wieder das Ganze in sich selbst und in die Bestandlosigkeit zurück, wenn nicht dem Dritten geholfen wird, daß es frei und außer dem Gegensatz, als die stille ruhige Einheit, in seiner eignen Lauterkeit wohnen kann.
Aber diese Hülfe kann dem von unten aus der Nothwendigkeit aufgekommenen Wesen durch keine Potenz werden, die selbst wieder zu jener ewigen Natur gehörte; denn in ihm, dem Kind der Ewigkeit, das die nie rastende Zeit gleich von Anfang gebären wollte, um sich mittelst seiner selbst zur Ewigkeit zu erheben, hat die ewige Natur ihr Höchstes erreicht. Also ist hier die Grenze der Natur und Freiheit, des Natürlichen und des Uebernatürlichen. Wäre nichts außer jener blinden Nothwendigkeit, so bliebe das Leben in diesem dunkeln, chaotischen Zustand einer ewig und darum nie beginnenden, ewig und darum nie endenden Bewegung. Aber durch den Anblick der ewigen Freiheit wird auch jenes Höchste der Natur zur Freiheit erhoben, und mit ihm zugleich kommen alle anderen Kräfte zu Bestand und Wesen, indem jede an den ihr gebührenden Ort tritt, und so jede des höheren Einflusses, dessen sie zunächst bedürftig ist, mittelbar aber alle des göttlichen theilhaftig werden.
Wenn nun in jener ersten Potenz, kraft welcher das nothwendige Wesen sich selbst in sich abschloß und nach außen versagte, der erste Grund der Natur, in der zweiten, ihr entgegenstehenden die Geisterwelt erkannt, so können wir über die Bedeutung der dritten nicht wohl zweifelhaft seyn. Sie ist jene allgemeine Seele, durch die das Weltall beseelt wird, die durch den unmittelbaren Bezug zur Gottheit jetzt selbst besonnen und ihrer mächtig ist, das ewige Band sowohl zwischen Natur als Geisterwelt als zwischen der Welt und Gott, das unmittelbare Werkzeug, durch welches Gott allein in die Natur und die Geisterwelt wirkt.
So wird jenes erste wilde Feuer hier zuerst zu ruhigem Stoff gedämpft, der jedoch vielleicht bestimmt ist, in der Folge wieder aufgenommen und in noch höheren Lebensumlauf gesetzt zu werden. Das Eins wird All gegen ein höheres Eins, das Unaussprechliche zum Aussprechlichen gegen das, was ihm das Wort ist; aus dem Vor und Nach, dem ausschließenden Verhältniß, wird ein Zumal, ein mit- und durcheinander-Bestehen, und zwar (was nicht zu übersehen) wird das, was in der Bewegung der Anfang oder das Erste war, jetzt zum Untersten; was das Mittel war, wird auch hier zum Mittleren; was das Ende und das Dritte war, wird zum Höchsten. Vorher war kein Raum, die drei Principien nicht außereinander; jetzt da sie aufgeben ein und dasselbe zu seyn (das Seyende), wird Raum, es wird ein wahres Oben und ein wahres Unten. Der Leser, welcher immer den Blick auf das Fortschreitende geheftet halten muß, wird bemerken, wie hier zuerst aus dem Unfigürlichen etwas Figürliches wird. In jener wilden Bewegung war nur der eine Unterschied, den wir im Körperlichen durch rechts und links bezeichnen, nur Eine Richtung, und zwar die der verneinenden Bewegung, welche wir im Sichtbaren die von der rechten zu der linken nennen, denn die Bewegung war eine in sich selbst hinein- oder zurückgehende, die nur aufstieg, um aufs neue zurückzugehen, indeß die bejahende nur zurückgeht, um wieder aufzusteigen; ein Unterschied, der schon daraus klar wird, daß bei der letzten die streckenden (d.i. positiven) Muskeln die aufsteigende, die beugenden (d.i. negativen) die absteigende Bewegung wirken, in der entgegengesetzten Bewegung aber das Umgekehrte stattfindet.
Indem nun so freiwillig das Leben in sich jenes organische Verhältniß angenommen und des Bezugs zu dem Höchsten fähig geworden, indem ersinkt es und wird der lauteren Gottheit wirklich zum Seyn. Diese aber, die an oder in sich selbst weder seyende noch nicht seyende, wird eben dadurch seyend gegen das ihr untergeordnete und mit ihr in Bezug stehende Leben. Jetzt ruht sie auf der ewigen Natur und hält ober ihr, nicht anders als wie die Sonne ober der Erde, der Vogel über seiner Brut. Wer unedel dieß Gleichniß finden sollte, der vergleiche nur das ausdrucksvolle Wort, das Genes. 1, 2 steht, nach seiner Grundbedeutung. Nun erkennt die Gottheit in ihr die eigne ewige Natur, und ist von nun an, obwohl frei gegen sie und weder an sie gebunden noch mit ihr verwachsen, dennoch von ihr unzertrennlich.
Hier nun ist zu erwarten, daß der Einwurf ausbreche, der längst dem Leser auf der Seele gelegen. Also geht jener Zustand des Widerspruchs dem seyenden Gott voran. Gott ist nicht von aller Ewigkeit seyend, wie er doch seyn muß und nach dem allgemeinen Glauben ist. Es geht etwas und zwar ein chaotischer, widerspruchsvoller Zustand in der göttlichen Natur dem seyenden Gott voran. Uebel würde es allerdings um den ganzen Grund unsrer Lehre aussehen, wenn diese Folgen statthaft wären. Wir antworten daher: Gott kann nie seyend werden, er ist von Ewigkeit seyend. Aber was folgt daraus? Nichts, als daß jene Scheidung ebenfalls von Ewigkeit geschehen ist; von Ewigkeit das Nothwendige der Freiheit unterthan ist. Durch die seyende Gottheit, durch jenes übernatürliche Wesen der Freiheit ist der Urzustand des Widerspruchs, jenes wilde Feuer, jenes Leben der Sucht und Begierde, als Vergangenheit gesetzt, aber, weil die Gottheit, von Ewigkeit seyend, niemals seyend werden kann, als eine ewige Vergangenheit, als eine Vergangenheit, die nicht erst dazu geworden, die gleich uranfänglich und von aller Ewigkeit her Vergangenheit war.
Wollten wir den reinen Weg der geschichtlichen, d.i. wissenschaftlichen, Darstellung wandeln, so müßten wir das, was Gott als seine ewige Vergangenheit in sich hat, auch als das Erste, als das wirklich Vorausgehende von Gott behandeln; die Betrachtung, daß es seine ewige Vergangenheit ist, durfte uns nicht daran hindern; Gott selbst erkennt jenes Leben als das durch ihn und also auch in Bezug auf ihn Vergangene; daß es ein ewig Vergangenes ist, ist nur die letzte Bestimmung, die wir zu dem ganzen großen Begriff hinzufügen, dessen Erkenntniß der Gewinn der ganzen bisherigen Untersuchung ist.
Denn eigentlich haben wir nichts errungen als den vollständigen Begriff der Gottheit, die das an oder in sich selbst weder Seyende noch Nichtseyende, durch den ewigen Bezug zu ihrer Natur, zu dem beziehungsweise Aeußeren ihrer selbst, ewig seyend ist. Wie sollten wir in diesen Begriff eindringen, seine Fülle erfassen, wenn wir nicht stückweis zu Werke gingen, mit dem Vorbehalt, am Ende den ganzen vollendeten in Einem Blicke zu zeigen?
Bekannt genug ist, wie die meisten oder alle, die vor uns dieses Werk begonnen, einen ganz andern Ausgang genommen. Alle gehen davon aus, die Gottheit an sich selbst sey eine ewige Stille, ganz verschlungen in sich selbst, aufgehend in sich selbst, und bis hierher reden sie wenigstens verständliche Worte. Wenn sie aber dann weiter fortfahren und sagen: aber in ihrer Offenbarung habe die an sich naturlose Gottheit, die ewige Freiheit Natur angenommen, oder dann sey jenes Wesen hervorgetreten, oder dann habe es aus sich selbst etwas herausgesetzt, und mit diesem Hervortreten oder Heraussetzen beginne dann Leben, Bewegung und Offenbarung, so reden sie sich selbst und andern unverständliche Worte. Denn wie das, was an sich naturlos und außer aller Sucht und Begierde ist, Natur angenommen, oder das, was erst rein in sich völlig aufgegangen, in sich selber in einem folgenden Moment oder Akt (denn anders ist es doch nicht zu denken) ohne Grund oder veranlassende Ursache aus sich selbst heraustreten, seine ewige Einheit und Stille selber aufheben oder unterbrechen könne: dieß ist schlechterdings mit keiner Art von Gedanken begreiflich zu machen.
Schon im Vorhergehenden ist bewiesen worden, daß der höchste und reinste Begriff der Gottheit, der allgemein zugestanden ist und bereits dem ontologischen Argument zu Grunde gelegen, daß jener Begriff, vermöge dessen in ihm das Wesen auch das Seyn und das Seyn das Wesen ist, nothwendig auf den andern führt, daß die Gottheit das an sich selbst weder Seyende noch nicht Seyende ist. Nun wird aber wie mit Einer Stimme verlangt, daß sie seyend sey; Vernunft und Gefühl befriedigt kein Gott, der ein lauteres Es ist, sie verlangen einen, der Er ist.
Nun war dieß die Frage aller Zeiten, wie die lautere, an sich weder seyende noch nicht seyende Gottheit seyend seyn könne; die andere, wie die an sich unoffenbare, in sich verschlungene Gottheit offenbar, äußerlich werden könne, ist im Grund nur ein anderer Ausdruck derselben Frage.
Welche Antwort nun auch menschlicher Witz ersinnen mochte, auf keinen Fall durfte sie von der Art seyn, daß Gott im seyend-Seyn aufhörte der an sich selbst überseyende zu seyn. In Gott ist kein Wechsel und Wandel; Gott kann nicht aus dem Verborgenen dermaßen ein offenbarer werden, daß er aufhörte der verborgene zu seyn; nicht aus dem überseyenden dermaßen ein seyender, daß er aufhörte der an sich überseyende zu seyn; nicht, wie auf der galiläischen Hochzeit Wasser in Wein verwandelt
worden, kann jene höchste Geistigkeit und Unfaßlichkeit Gottes in Begreiflichkeit und Faßlichkeit verwandelt werden.
Unstatthaft an sich selbst sind daher schon alle Versuche, welche jene Frage durch irgend eine Art von Bewegung in Gott selbst, wär’ es auch eine ewige, beantworten wollen. Denn es möchte nun eine nothwendige oder freiwillige Bewegung seyn, durch die er in das vom Wesen verschiedene Seyn überginge, so wäre er im ersten Fall gleich uranfänglich unfrei, nicht, wie er ist und seyn muß, die ewige Freiheit; im andern Fall aber käme er, weil in der Bewegung schon wirkend, d.i. wirklich und seyend, nicht als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende an in dem Seyn; in beiden Fällen also wäre er seyend nicht als das lautere Wollen, als die ewige Freiheit, d.h. nicht als das, was er ist. Aber unmöglich ist, daß irgend etwas seyend werde auf Kosten und gleichsam mit Verlust dessen, was es ist.
Es gibt schlechterdings nur Eine Auflösung jener Frage. Da Gott an sich selbst weder seyend noch nicht seyend ist, auch nicht durch eine Bewegung in ihm selber seyend werden kann, sondern immer, auch nun wirklich existirend, an sich selbst das Ueberseyende bleiben muß: so kann er überall nicht in sich, sondern nur beziehungsweise gegen ein anderes seyend seyn oder (ewiger Weise) werden; und auch dieses nur, sofern ihm dieses das Seyn, oder ein solches ist, das zu ihm nur im Verhältniß des Seyns stehen kann.
Dieses nun ist an sich klar genug und daß es nicht leicht jemand bestreiten wird. Aber woher nun jenes Andere? Diese Frage, die schwierig ist auch wegen der Natur des Anderen. Denn da es sich gegen die Gottheit nur als Seyn soll verhalten können, so scheint es also das seiner Natur nach nicht Seyende seyn zu müssen, das nicht seyend ist, nicht wie das Höchste, weil es über, sondern weil es unter dem Seyenden ist. Und doch kann es auch kein ganz und gar Nichtseyendes seyn. Es muß also etwas seyn, das nicht ein an sich nicht Seyendes ist, das nur gegen das Höchste ein nicht Seyendes wird.
Woher also dieses räthselhafte Andere? Bekannt sind die Versuche, die von den frühesten Zeiten gemacht worden, darüber Licht zu geben. Der älteste scheint die Lehre, daß der Urstoff alles von Gott Verschiedenen aus der Gottheit ausgeflossen, obwohl gewiß ist, daß manches jetzt Emanationslehre heißt, das einen ganz andern Sinn hatte. So wenig sie erklärt und selbst erklärbar ist, hat sie doch den Vorzug, daß sie die Gottheit in ihrer ursprünglichen Stille und Freiheit läßt. Nur ein unselig Mittelding zwischen dieser und der gewöhnlichen Lehre ist, daß Gott vor dem Beginn der Dinge Etwas (nach einigen gar Sich Selbst) aus sich herausgesetzt habe, das die Anlage zur künftigen Schöpfung enthalten. So war denn jene stille Gottheit, eh’ sie sich gleichsam absonderte, gleich ursprünglich mit dem Urstoff der künftigen Welt belastet.
Der Wahrheit am ähnlichsten ist immer noch die unter den Theologen geltende Vorstellung, Gott sey von der ersten Grundlage des von ihm Verschiedenen nicht durch eine äußere Handlung oder Bewegung, sondern durch seinen bloßen Willen die ruhende Ursache. Diese also haben etwas von der Wahrheit gesehen, aber den richtigen Begriff im Ausdruck wieder entstellt, indem sie jenen Willen von Gott unterschieden. Denn er sey nun ein ewiger (wie einige ausdrücklich lehren), oder ein nicht ewiger, so ist im ersten Fall nicht einzusehen, wie dieses Wollen in der lautern Ewigkeit von der Gottheit selbst unterschieden seyn soll, besonders da die Geistvollsten jederzeit gelehrt, alles, was in Gott, sey selbst Gott, und der Wille Gottes nichts anderes als der wollende Gott selbst; im andern aber nehmen sie in der Ewigkeit ein Entstehen, in der lauteren Gottheit einen Uebergang von Nichtwollen zu Wollen an, welches ohne dazwischentretende Veranlassung ganz undenkbar ist.
Das Wahre ist, daß Gott selbst und wesentlich ein ruhender Wille (die lautere Freiheit ist), und daß, wenn dieser ist, nothwendig und unmittelbar auch das Andere seyn muß. Hiernach könnte die Lehre der Theologen so vorgetragen werden: Gott ist die Ur-Sache jenes Anderen, nicht die bewirkende, sondern die stille, die wesentliche, es bedarf nichts als jenes ins Wesen verschlungenen Seyns, damit das Andere sey. Denn da jenes Seyn als solches nicht seyn, und doch auch in dieser Abgezogenheit nicht bleiben kann, so setzt es unmittelbar und ohne alle Bewegung eben durch seine Lauterkeit jenes Andere, das ihm das Seyn ist. Denn gleichwie jenes reine elektrische Feuer, das seiner Natur nach ausstrahlend und mittheilsam ist, keinen Augenblick als dieses seyn kann ohne seinen Gegensatz, ja nur ist, indem es diesen erweckt, gleichwie also dieses ohne besondere Wirkung durch seine Reinheit und Abgezogenheit selbst sein Gegentheil verursacht; oder gleichwie ein Feuer, das ohne einen Stoff nicht wirklich seyn kann, wenn es nothwendig wirklich wäre, unmittelbar und ohne Bewegung durch sein bloßes Wesen den Stoff setzen würde: so bedarf es, damit jenes Andere sey, nur der Gottheit selbst, als eines reinen und von allem Seyn abgezogenen Geistes.
Allein nach dieser Vorstellung, welche der alten Lehre vom Satz, welchem von selbst der Gegensatz folgt, ähnlich wäre, verändert sich jener erste Begriff der Gottheit, in welchem nichts als die lautere Geistigkeit gedacht wird. Denn da Gott nicht durch seinen besonderen Willen, sondern durch sein bloßes Wesen Ursache des Anderen ist, so ist dieß Andere etwas, das zwar nicht sein Wesen ist, aber doch etwas, das zu seinem Wesen und zwar natürlicher und untrennlicher Weise gehört. Es folgt also, wenn die reine Gottheit = A, jenes Andere = B ist, daß der vollständige Begriff der seyenden, lebendigen Gottheit nicht bloß A, sondern A+B ist.
Es scheint also, daß auch auf dem andern Wege (da man von der lautern Geistigkeit ausgeht) auf eben jenen Begriff von der Gottheit zu kommen sey. Allein dieser Weg oder diese Verbindung würde doch höchstens eine dialektische, niemals aber eine historische, d.h. eigentlich wissenschaftliche, seyn können. Wir können mit unsern Gedanken nicht auf jene Abgezogenheit zurückgehen. Wir kennen Gott gar nicht anders als in jenem Bezug auf eine ewige ihm untergeordnete Natur; diese Synthese ist unser erstes, unser ältestes Denken. Wir wissen von keinem als einem lebendigen Gott, jener Zusammenhang seines höchsten geistigen Lebens mit einem natürlichen ist das Urgeheimniß seiner Individualität, das Wunder des unauflöslichen Lebens
, wie bedeutungsvoll einer der Apostel sich ausdrückt (Hebr. 7, 16).
Wenn wir aber den Gedanken jener Synthese, wie es denn nicht anders seyn kann) wissenschaftlich erzeugen wollen, so müssen wir von dem ausgehen, was Gott in dieser Synthese selbst als seine ewige Vergangenheit setzt, und was in ihm auch unter keiner andern Form als der der Vergangenheit gesetzt seyn kann.
Vergangenheit, ein ernster Begriff, allen bekannt, und doch von wenigen verstanden. Die meisten wissen keine, als die in jedem Augenblick durch eben diesen sich vergrößert, selbst noch wird, nicht ist. Ohne bestimmte entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich wohl einer solchen? Der Mensch, der nicht sich selbst überwunden, hat keine Vergangenheit, oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen, etwas, wie man sagt, hinter sich gebracht, d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Zukunft und leicht, auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat sich von sich selbst (dem Untergeordneten seines Wesens) loszureißen, ist fähig sich eine Vergangenheit zu erschaffen; eben dieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen sittlichen Betrachtungen würde erhellen, daß keine Gegenwart möglich ist, als die auf einer entschiedenen Vergangenheit ruht, und keine Vergangenheit, als die einer Gegenwart als Ueberwundenes zu Grunde liegt.
Die Metaphysiker stellen sich zwar an, als gäbe es einen von aller Beimischung der Zeitbegriffe völlig reinen Begriff der Ewigkeit. Sie mögen Recht haben, wenn sie von jener nach außen völlig wirkungslosen Ewigkeit reden, die gegen alles andere, wie wir gezeigt, als ein Nichts ist; von dieser ist der Begriff der Gegenwart so gut als der der Vergangenheit und der Zukunft ausgeschlossen. Aber sobald sie von einer wirklichen lebendigen Ewigkeit reden wollen, wissen sie nicht anders, als daß sie ein beständiges Nun, eine ewige Gegenwart sey; wie es ja für die Zeit, als der Ewigkeit Widerspiel, (auch für jene ewige Zeit) keinen andern Begriff gibt, als daß sie die ewige Nichtgegenwart ist.
Aber wenn sich keine Gegenwart denken läßt, die nicht auf einer Vergangenheit ruht, so auch keine ewige Gegenwart, der nicht eine ewige Vergangenheit zu Grunde liegt.
Die wahre Ewigkeit ist nicht die, welche alle Zeit ausschließt, sondern welche die Zeit (die ewige Zeit) selbst sich unterworfen enthält. Wirkliche Ewigkeit ist Ueberwindung der Zeit; wie die sinnvolle hebräische Sprache Sieg (den sie unter den ersten Eigenschaften Gottes setzt) und Ewigkeit durch Ein Wort (Naezach) ausdrückt
Kein Leben ist ohne gleichzeitiges Sterben. Im Akt selbst, wodurch ein seyend-Seyn (Existenz) gesetzt wird, muß eines ersterben, damit das andere lebe. Denn das Seyende kann sich als solches nur über einem nicht Seyenden erheben. Im Augenblick, da ein organischer Körper werden soll, muß die Materie ihre Selbständigkeit verlieren und dem eigentlichen Wesen zur bloßen Form werden.
Jede Art von Leben ist eine Folge und Verkettung von Zuständen, da jeder vorhergehende Grund, Mutter, gebärende Potenz des folgenden ist. So ist das natürliche Leben die Staffel zum geistigen; früher oder später kommt es an einen Punkt, da es nicht bleiben und doch auch von sich selbst nicht weiter kann, und eines höhern bedürftig ist, um über sich selbst gehoben zu werden. Wie das Naturleben im Menschen, wenn es die höhere geistige Potenz nicht finden kann, der innern Unruhe, jener Hin- und Her-Bewegung ohne Sinn und Zweck, die das Eigenthümliche des Wahnsinns ist, anheimfällt: so scheint im Großen die Erde ihre Gliederung, den Einklang aller ihrer Schöpfungen und damit die Ruhe erst gefunden zu haben, nachdem sich das Natürliche in ihr bis zur Berührung mit dem Geistigen durch den Menschen erhoben. Aber auch im natürlichen Leben findet sich eine solche Folge von Zuständen, da immer der vorhergehende dem folgenden zur Vergangenheit wird. Die Gesundheit und Vollkommenheit des Lebens beruht nur auf der Stetigkeit der Fortschreitung, der ungehemmten Folge der Potenzen, und wie alle Krankheiten Folgen gehemmter Fortschreitung (Entwicklungskrankheiten) sind, so alle Mißgeburten nur Folge der unterbrochenen, gehemmten Steigerung. Denn kann die Natur die ihr helfende, sie ins Höhere verklärende Potenz nicht finden, so muß sie wohl, weil der Trieb des Fortschreitens nicht aufhört, weil sie nicht bleiben und doch auch nicht weiter kann, in ein mißgeformtes Leben ausschlagen.
Auch im göttlichen Leben, wie in allem andern, ist Bewegung, Fortschreitung. Die Frage ist nur, wie dieß göttliche Leben in jener Beziehung sich wieder von allem andern, namentlich dem menschlichen, unterscheide.
Zuerst also dadurch, daß jene Folge und Verkettung im menschlichen Leben auflöslich, im göttlichen unauflöslich ist. Gott ist in einer beständigen Erhebung; die Wege des Herrn sind gerecht
, wie die Schrift sich ausdrückt, d.h. gerad’ vor sich, alles Rückgängige ist gegen seine Natur. Darum kann er jenes in einem beständigen Cirkel umlaufende Leben nur als eine ewige Vergangenheit in sich haben.
Die Auflöslichkeit des Lebens oder die Möglichkeit, daß die Stetigkeit des Uebergangs von der niederen in die höhere Potenz aufgehoben wird, ist die Ursache der Krankheit und des natürlichen wie des geistigen Todes. Darum heißt Gott der allein Unverderbliche
und der allein Unsterblichkeit hat
.
Ein zweiter Unterschied ist, daß jene Folge in Gott eine wirkliche, doch darum keine in der Zeit vorgegangene ist. In einem und demselben Akt (dem Akt der großen Entscheidung) wird 1 (die erste Potenz) als das Vorhergegangene von 2, 2 als das Vorhergegangene von 3, und so wieder das Ganze (1, 2, 3) als das Vorhergegangene von 4 gesetzt, d.h. es wird in der Ewigkeit selbst eine Folge, eine Zeit inbegriffen; sie ist keine leere (abstrakte) Ewigkeit, sondern die selbst Zeit in sich überwunden enthält.
Das, was das All ist, ist vor dem Eins, die Nothwendigkeit vor der Freiheit, die Natur vor dem, was außer und über aller Natur ist, und doch ist hier keine Zeit, weil alles in dem nämlichen untheilbaren Akt begriffen ist. Kein Leben ist ohne Ueberwindung des Todes, und wie jedes Daseyn als Gegenwart auf einer Vergangenheit beruht, so insbesondere jenes Daseyn, das eigentlich in Selbstgegenwärtigkeit besteht, das seiner selbst bewußte Daseyn.
Ein ewiges Bewußtseyn läßt sich nicht denken, oder es wäre der Bewußtlosigkeit gleich. Zwar jenes höchste Seyn, das hier auch das Wesen selber ist, muß an sich auch das lauterste Wissen seyn, weil Seyendes und Seyn (Subjekt und Objekt) in ihm ganz eins sind (hieher gehört die bekannte Gleichung: das höchste Seyn = dem höchsten Wissen). Aber das, was das lautere Wissen, ist darum von sich selbst noch nicht das Wissende. Nur gegen ein anderes, das ihm das Seyn ist, kann das höchste Seyn sich als das Seyende, jenes lautere Wissen sich als das Wissende verhalten und so in Actus erhöht werden.
Es gibt kein Bewußtwerden (wie eben darum auch kein Bewußtseyn) ohne ein Vergangenes zu setzen. Es gibt kein Bewußtseyn ohne etwas, das zugleich ausgeschlossen und angezogen wird. Das, welches sich bewußt ist, schließt dasjenige aus, dessen es sich bewußt ist, als nicht sich selbst, und muß es doch auch wieder anziehen, eben als das, dessen es sich bewußt ist, als doch sich selbst, nur in anderer Gestalt. Dieses im Bewußtseyn zugleich Ausgeschlossene und Angezogene kann nur das Bewußtlose seyn. Darum hat alles Bewußtseyn das Bewußtlose zum Grund, und eben im Bewußtwerden selbst wird es von dem, das sich bewußt wird, als Vergangenheit gesetzt. Nun ist freilich nicht zu denken, daß Gott eine Zeitlang bewußtlos gewesen, dann bewußt geworden sey; wohl denkbar ist aber, daß in demselbigen untheilbaren Akt des Bewußtwerdens zumal das Bewußtlose und das Bewußte von Gott gefaßt worden, dieses als das ewig Gegenwärtige, jenes aber mit der Bestimmung des ewig Vergangenen.
Das Bewußtseyn besteht nur im Akt des Bewußtwerdens, und so läßt sich auch in Gott nicht ein ewiges Bewußtseyn, nur ein ewiges Bewußt-werden denken. Und so ist denn auch jener Rapport, in den die ewige Freiheit mit der Natur tritt, nichts als das ewige zu-sich-selber-Kommen des Höchsten. Die lautere Gottheit, indem sie der Natur sich verbündet, kommt nicht zu einem Fremden, sie kommt in ihr Eignes (εἰς τὰ ἴδια
), und erkennt sie als ihre eigne ewige Natur. So erkennt auch das in sich ewig Beginnende in jenem lauteren Geist nicht einen andern und von ihm verschiedenen Gott, sondern nur sein eignes höchstes Selbst.
Die meisten fangen davon an, daß sie eine Offenbarung der Gottheit erklären wollen. Aber das, was sich geben soll, muß zuvor sich selbst haben, was sich aussprechen will, erst an sich selber kommen, was anderm offenbar werden, früher sich selbst offenbar seyn. Aber alles, das an sich kommen soll, muß sich suchen, es muß also etwas in ihm seyn, das sucht, und das gesucht wird. Jenes kann aber nicht eins seyn mit diesem, und beide müssen der Wurzel nach auch immer voneinander unabhängig bleiben, damit ewig etwas sey, das gesucht werde, und etwas, das suche und finde, und eine ewige Freude des Findens und des Gefundenwerdens. Nur so läßt sich ein Bewußtseyn denken, das ewig lebendig ist. Dieses Bewußtseyn, das auf dem Durchbrechen und Ueberwinden eines Entgegengesetzten beruht, ist nicht ein stillstehendes, todtes, sondern ein ewig lebendiges, immer neu entstehendes.
Besondere Schwierigkeit aber hat für den tiefer Denkenden die Erklärung, wie das Ewige sich seiner Ewigkeit bewußt werden könne, obschon die meisten leichten Fußes darüber hingehen. In der leeren, abgezogenen Ewigkeit läßt sich überall kein Bewußtseyn denken; das Bewußtseyn der Ewigkeit kann sich nur aussprechen in jenem Wort: Ich bin, der da war, der da ist, und der da seyn wird
; oder inniger in dem unübersetzlichen Namen, den sich der höchste Gott gegen Moses gibt, und der in der Grundsprache mit denselben Worten die verschiedenen Bedeutungen ausdrückt: Ich bin, der ich war, Ich war, der ich seyn
werde, Ich werde seyn, der ich bin
. Das Bewußtseyn einer solchen Ewigkeit ist ohne eine Unterscheidung von Zeiten unmöglich. Aber wie soll sie das Ewige, das sie in sich nicht findet, unterscheiden, außer an einem andern? Dieses andere ist dem Geist der Ewigkeit die Natur, zu der er in Bezug ist. An ihr erkennt er sich als den, der war, weil er sie als seine ewige Vergangenheit setzt, also auch Sich als den, der ewig seyend seyn mußte, da sie nur gegen Ihn, den Seyenden, Vergangenheit seyn kann. Dadurch gibt er seiner Ewigkeit selbst wieder die Ewigkeit zum Grund, oder setzt sie vielmehr als eine völlig grundlose, die wieder nur auf einer Ewigkeit ruht. Er erkennt sich an ihr als den, der ist, als den ewig Gegenwärtigen im Gegensatz mit dem, das vor ihm als ein ewig Vergangenes ist. An ihr erkennt er sich als den, der seyn wird, weil er sich als die ewige Freiheit gegen sie und damit sie als den möglichen Vorwurf eines zukünftigen Wollens erblickt. Er erkennt sich als den, der nicht allein war, ist und seyn wird, sondern der auch Derselbe ist als der, der war, ist und seyn wird, weil er nur als dasselbe in Wesen verschlungene Seyn ist, das er ewig war, und auch in der ganzen Zukunft nur als das seyn kann, das er ist, nämlich als jenes wesentliche Seyn.
Denn noch ist er als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende: er ist als dieses seyend nur gegen das, was ihm das Seyn ist, nicht in sich; noch ist er die ewige Freiheit gegen das Seyn, die ewige Macht, sich in ihm und durch dasselbe zu verwirklichen, aber noch hat er sich nicht erklärt, noch ist er der Wille, der ruht, der nicht wirklich will.
Es ist ein so natürlicher Gedanke, weil jene Natur das erste Aeußere und Sichtbare Gottes ist, sie als den Leib der Gottheit, jenes Ueberseyende aber als den Geist zu betrachten, der diesen Leib regiert. Allein zuerst ist die ewige Natur ein Ganzes aus Leib, Seele und Geist. Sodann sind diese drei aneinander gekettet, und machen im unfreien, ungeschiedenen Zustand zusammen jenes Rad der Natur aus, das auch im Menschen das eigentlich Innere ist. Aber der Geist der Ewigkeit ist nicht an die Natur gebunden, sondern bleibt in ewiger Freiheit gegen sie, obgleich er sich nicht von ihr trennen kann. Denn als die ewig heilende, versöhnende Potenz, als das ewige Wohlthun selber kann er sich nur fühlbar werden in diesem Bezug.
Wollte man daher (wie es denn wohl recht ist) eine menschliche Vergleichung für dieß Verhältniß suchen, so wäre es diese. Die ewige Natur ist dasselbe in Gott, was im Menschen seine Natur ist, sofern unter dieser das ganze aus Leib, Seele und Geist Bestehende gedacht wird. Sich selbst überlassen ist diese Natur des Menschen, wie die ewige, ein Leben der Widerwärtigkeit und Angst, ein unaufhörlich verzehrendes, unablässig sich selbst wieder erzeugendes Feuer. Auch sie bedarf der Versöhnung, wofür das Mittel nicht in ihr selbst, sondern außer und über ihr liegt. Nur durch den Geist Gottes, der darum der Geist von oben heißt, kann sie wiedergeboren werden, d.h. dem alten Leben entkommen, es als Vergangenes setzen und in ein neues Leben übergehen. Nicht also wie sich Geist oder Seele zum Leib, sondern wie sich zur ganzen Natur des Menschen jener göttliche, nicht ihm eignende Geist verhält, jener Führer zum Leben, wie er schon in den alten Geheimnissen genannt wurde, verhält sich auch jenes Ueberseyende zu der mit ihm in Bezug stehenden Natur.
Aber wie der ewige Geist, frei und an nichts gebunden, über der Natur hält, so ist auch diese nicht gezwungen, sondern freiwillig ihm unterthan. Der Anblick und die Gegenwart jener wesentlichen Lauterkeit hat auf die Natur keine andere Wirkung als die, sie in Freiheit zu setzen, so daß sie der Scheidung nachgeben, oder sich ihr widersetzen und dem Leben der Sucht und Begierde aufs neue anheimfallen kann. Die Natur bewährt sich aber durch diese Freiwilligkeit der Unterwerfung als göttliche Natur, als die schon an sich göttlich war, außer jenem Bezug zu der lauteren Gottheit. Sie selbst, erst in Freiheit gesetzt, überwindet sich selbst durch die Kraft des Höchsten, und setzt ihr eignes Leben, sofern es ein eignes, von Gott verschiedenes ist, als Vergangenheit.
So sollte denn nichts auf bloßer Nothwendigkeit ruhen und die höchste Freiwilligkeit schon in den ersten Anfängen des Lebens die unumschränkte Freiheit Gottes beurkunden.
Gleich uranfänglich hat sich also die Natur unterworfen, nicht vermöge ihres eignen oder natürlichen Willens, sondern genöthigt durch die Noth (dieß ist der Sinn des οὐχ ἑκοῦσα
, Röm. 8, 20, wo indeß von einer späteren Unterwerfung die Rede ist), wohl aber um deß willen, der sie unterworfen, und auf Hoffnung, daß auch sie dadurch frei werden und von der Knechtschaft (blinden Nothwendigkeit) jenes ewig vergänglichen, sich selbst verzehrenden Wesens in eine unvergängliche Herrlichkeit erhoben werden soll.
Aber eben darum, weil sie nur freiwillig unterthan ist, behält sie noch immer die Möglichkeit in sich, wieder von jener Ordnung abzuweichen und in ein eignes von Gott abgewendetes Leben zurückzugehen. Sie hat in der Unterwerfung nicht auf das Seyn überhaupt, nur auf das eigne von Gott unabhängige Leben Verzicht gethan, und auch dieses nicht der Wurzel oder der Möglichkeit, sondern nur der Wirklichkeit nach aufgegeben. Also bewahrt sie auch in dieser Unterwerfung einen eignen Selbstbewegungsgrund, einen Quell der Freiheit, der nur nicht zur Wirkung (zum Actus) kommt, sondern immer in der bloßen Möglichkeit (Potentialität) stehen bleibt.
Wär’ auch nicht neidlos
, wie Platon sagt, die Gottheit
, sie könnte die Kräfte dieses Lebens schon darum nicht aufheben, weil sie damit ihre eigne Lebendigkeit, den Grund ihres seyend-Seyns aufheben müßte.
Ja wenn jene Verbindung, durch welche Gott allein lebendiger Gott ist, selbst keine todte, sondern eine ewig bewegliche ist, müssen wir sogar jenes der Gottheit jetzt unterthane Leben in der beständigen Bereitschaft denken, als eignes hervorzutreten, damit keine blinde Unterwerfung, sondern eine ewige Wonne sey, eine Milderung des Suchens (der Sucht), eine ewige Freude des Findens und Gefundenwerdens, des Ueberwindens und Ueberwundenwerdens.
Wie in dem gesunden Leib nur dadurch ein Gefühl von Gesundheit ist, daß die ihm vorstehende Einheit das stets zum Hervortreten bereite falsche Leben, die von dem Einklang abweichende und ihm widerstrebende Bewegung beständig niederhält: so wäre in Gott kein Leben und keine Freude des Lebens, wären nicht die jetzt untergeordneten Kräfte in der beständigen Möglichkeit, den Widerspruch gegen die Einheit anzufachen, aber auch unablässig wieder beruhigt und versöhnt durch das Gefühl der wohlthuenden Einheit, von der sie niedergehalten werden.
Und hier kommen wir denn auf einen neuen oder vielmehr nur gesteigerten Begriff von dem nicht Seyenden. Jenes anfängliche Leben der blinden Nothwendigkeit konnte kein seyendes heißen, weil es niemals eigentlich zum Bestand, zum Seyn gelangte, sondern nur im Streben und der Begierde nach Seyn stehen blieb. Jetzt ist ihm diese Begierde gestillt, inwiefern es in jener Unterordnung nun wirklich zum ruhenden Seyn gelangt ist; aber sie ist ihm nur gestillt, inwiefern es sich unterworfen, d.h. inwiefern es sich als ein Seyendes niedererer Ordnung, als ein beziehungsweise nicht Seyendes erkannt hat.
Nun behaupten wir die Möglichkeit, daß eben dieses jetzt nicht Seyende aus diesem Zustand der Potentialität heraustreten und sich wieder zum Seyenden zu erheben trachten könne. Hierdurch entsteht ein gesteigerter Begriff des nicht Seyenden, den wir in Natur und Leben oft genug anzuerkennen genöthigt sind, und der uns handgreiflich überführt, daß es wohl etwas Mittleres gebe zwischen dem, das ist, und zwischen dem Nichts; nämlich das, was nicht ist, auch nicht seyn soll, aber doch zu seyn trachtet. Es ist nicht, weil es nur zu seyn trachtet, und es ist nicht nichts, weil es doch auf gewisse Art seyn muß, um zu begehren.
Niemand wird behaupten, daß die Krankheit ein eigentliches, ein wahrhaft lebendiges Leben (vita vere vitalis) sey, und doch ist sie ein Leben, nur ein falsches, nicht ein seyendes, aber das sich aus dem nicht-Seyn zum Seyn erheben will. Der Irrthum ist keine wahre, d.h. wirkliche Erkenntniß, und doch nicht Nichts; oder zwar ein Nichts, aber das Etwas zu seyn trachtet. Das Böse ist innerlich Lüge und alles wahren Seyns ermangelnd; doch ist es, und zeigt eine furchtbare Wirklichkeit, nicht als ein wahrhaft Seyendes, wohl aber von Natur als ein solches, das seyend zu seyn trachtet.
Jenes anfängliche blinde Leben, dessen Natur nichts als Streit, Angst und Widerspruch ist, wenn es jemals für sich, wenn es nicht von Ewigkeit durch ein höheres verschlungen und in die Potentialität zurückgesetzt war, konnte darum doch weder ein krankhaftes noch ein böses heißen; denn diese Begriffe werden erst möglich, nachdem es der besänftigenden Einheit unterthan, aber zugleich frei ist, hervorzutreten, sich ihr zu entziehen und in seine eigne Natur einzugehen.
Wenn ein organisches Wesen erkrankt, kommen die Kräfte zum Vorschein, die zuvor in ihm verborgen lagen; oder wenn sich das Band der Einheit ganz auflöst, und die zuvor einem Höheren unterthane Lebenskräfte von dem beherrschenden Geist verlassen frei ihren eignen Neigungen und Wirkungsweisen folgen können, dann offenbart sich, welches Schreckliche, von dem wir während des Lebens keine Empfindung hatten, durch diesen Lebenszauber niedergehalten war, und was noch eben Gegenstand der Verehrung oder Liebe war, wird ein Gegenstand der Furcht und des schrecklichsten Abscheus. Wenn die Abgründe des menschlichen Herzens im Bösen sich aufthun, und jene schrecklichen Gedanken hervorkommen, die auf ewig in Nacht und Finsterniß begraben seyn sollten: dann erst wissen wir, was im Menschen der Möglichkeit nach liegt, und wie eigentlich seine Natur für sich oder sich selber überlassen beschaffen ist.
Bedenken wir das viele Schreckliche in Natur und Geisterwelt und das weit Mehrere, das eine wohlwollende Hand uns zuzudecken scheint, dann können wir nicht zweifeln, daß die Gottheit über einer Welt von Schrecken throne, und Gott nach dem, was in ihm und durch ihn verborgen ist, nicht im uneigentlichen, sondern im eigentlichen Sinne der Schreckliche, der Fürchterliche heißen könne.
In sich selbst ist also jenes durch Gott vergangen oder ins Verborgene gesetzte Leben noch immer, was es zuvor war; noch schlummern in ihm die Kräfte jenes verzehrenden Feuers, nur beschwichtigt und gleichsam beschworen durch jenes Wort, durch welches das Eins All geworden; könnte man jene versöhnende Potenz hinwegnehmen, augenblicklich würde es wieder jenem Leben des Widerspruchs und der verzehrenden Begierde anheimfallen. Aber durch die Kraft von oben nimmt die Natur gleichsam sich selbst gefangen und überwindet ihre eigne Nothwendigkeit, freiwillig der Scheidung sich hingebend und dadurch die ewige Lust und Lebensfreude der an sich nicht seyenden und unergreiflichen Gottheit.
Bis hieher sind wir dem unaufhaltsamen Lauf der Untersuchung stetig gefolgt, die keine Unterbrechung gestattete, weil erst mit der letzten hinzugefügten Bestimmung das Eine und Ganze, dessen Begriff wir wollten, vollendet war. Denn alles Bisherige war, in der gewöhnlichen Sprache zu reden, nichts anderes als die vollständige Construktion der Idee Gottes, die sich nicht in eine kurze Erklärung fassen oder gleich einer geometrischen Figur mit Grenzen umschreiben läßt. Was wir bisher (soweit möglich) beschrieben, ist nur das ewige Leben der Gottheit; die eigentliche Geschichte, die wir uns vorgesetzt zu beschreiben, die Erzählung jener Folge freier Handlungen, durch welche Gott von Ewigkeit beschlossen sich zu offenbaren, kann erst von jetzt an beginnen.
Doch ehe wir uns dem Lauf dieser Geschichte überlassen, sey uns verstattet, bei dem bisher Gefundenen noch eine Zeitlang betrachtend zu verweilen. — Alles kommt darauf an, jene Einheit in Gott zu fassen, die zugleich Zweiheit ist, oder umgekehrt die Zweiheit, welche zugleich Einheit ist. Wäre Gott mit seiner ewigen Natur einerlei oder an sie gebunden, so wäre nur Einheit. Wären beide völlig außereinander und getrennt, so wäre nur Zweiheit. Aber der Begriff jener Einheit, die, weil sie eine freiwillige ist, eben darum eine Zweiheit einschließt, ist diesen Zeiten völlig fremd. Diese wollen nur Einheit, und wollen in Gott nichts als Geist und lauterste Einfachheit wissen.
Nun ist zwar zur Evidenz erwiesen worden, daß die Gottheit an und für sich selbst oder als der lauterste Geist über alles Seyn erhaben sey; woraus von selbst folgt, daß sie ohne eine ewige — nicht zeugende, aber gebärende, sie ins Seyn bringende — Potenz nicht seyn könnte, daß also ihr lebendiges wirkliches Daseyn nicht ein stillstehendes, todtes, sondern eine ewige Geburt ins Seyn ist, deren Mittel und Werkzeug darum im eigentlichsten Verstand die ewige Natur (die gebärende Potenz) von Gott heißt.
Aber wir wissen, wie Gründe der Wissenschaft im Augenblick wenig vermögen gegen eine eingewurzelte Sinnesart, besonders wenn sie mit Einbildungen hoher Geistigkeit verbunden ist, wie die jetzt herrschende sogenannte reine Vernunftreligion, die Gott um so höher zu stellen meint, je reiner sie alle lebendige Bewegungskraft, alle Natur von ihm hinweggenommen hat.
Nun ließe sich wohl zeigen, wie ganz und gar modern diese Vorstellungsart ist. Denn unsere ganze neuere Philosophie ist nur wie von gestern. Seitdem der Anheber derselben, Cartesius, den lebendigen Zusammenhang mit der früheren Bildung völlig zerrissen und die Philosophie wie ganz von vorn, und als hätte niemand vor ihm gedacht oder philosophirt, lediglich nach Begriffen seiner Zeit, aufbauen wollen, seitdem ist es nur eine zusammenhängende und folgerichtige Weiterbildung eines und desselben Grund-Irrthums, der sich durch alle verschiedenen Systeme bis in die neuesten Zeiten fortgesponnen hat. Es ist an sich verkehrt, diesen ganz modernen Maßstab an das zu legen, was allen Zusammenhang mit dem letztern abgebrochen, um sich wieder mit dem wahrhaft Alten und Aeltesten in Verbindung zu setzen.
Schon an sich wünschenswerth für jeden, der über die ersten Anfänge als ein Wissender redet, ist, sich an ein irgend von altersher Ehrwürdiges, an irgend eine höher beglaubigte Ueberlieferung anzuschließen, auf der die Gedanken der Menschen ruhen. Ruft doch selbst Platon an den höchsten Punkten und Gipfeln seiner Aussprüche gern ein aus dem Alterthum überliefertes Wort oder einen heiligen Spruch herbei! Leser oder Hörer wird dadurch schon von der nachtheiligen Meinung zurückgebracht, als wolle der Autor das alles aus dem eignen Kopf gesponnen haben und nur eine selbsterfundene Weisheit mittheilen; die Anstrengung und Spannung, welche jene Meinung immer hervorruft, löst sich in die ruhige Stimmung auf, die der Mensch immer empfindet, wenn er einen Grund unter sich weiß, und die der Forschung so vortheilhaft ist.
Doppelt wünschenswerth ist eine solche Anschließung dem, der keine neue Meinung aufdringen, sondern nur die längst, wenn auch im Verborgenen, dagewesene Wahrheit wieder geltend machen will, und in Zeiten, die eigentlich alle festen Begriffe verloren haben.
Wo konnte ich nun diese Ueberlieferung eher finden, als in den ewig auf sich selber ruhenden, unerschütterlichen Urkunden, welche allein eine vom Anfang bis zum Ende hinausgehende Welt- und Menschengeschichte enthalten? Dieß mag zur Erklärung dienen, wenn schon bisher öfters an Aussprüche jener heiligen Bücher erinnert worden, und wenn dieß in der Folge vielleicht noch öfter geschehen wird. Denn wenn der Verfasser ebenso oft auf die orphischen Bruchstücke oder die Zendbücher oder indischen Schriften verwiesen, so konnte dieß vielleicht als gelehrter Schmuck gelten und manchen weniger wunderlich erscheinen als die Beziehung auf diese Schriften, zu deren vollständiger Erklärung in Absicht auf Sprache, Geschichte und Lehre alle Wissenschaft und Gelehrsamkeit der Welt zusammenwirken müßte. Denn niemand wird behaupten wollen, daß der gegenwärtige Lehrbegriff die Reichthümer der Schrift erschöpft habe; niemand leugnen, daß das System, welches alle Aussprüche der Schrift erklärte und in vollkommenen Einklang brächte, noch nicht gefunden ist. Eine Menge höchst sinnschwerer Stellen muß noch immer im Dunkel gelassen oder zurückgesetzt werden. Darum findet man in unseren Systemen die hervorragendsten Lehrpunkte, aber starr dogmatisch hingestellt, ohne die innere Verknüpfung, die Uebergänge, die vermittelnden Glieder, die sie doch allein zu einem verständlichen Ganzen machten, das nicht mehr blinden Glauben forderte, sondern die freie Zustimmung des Geistes wie des Herzens erhalten würde. Es fehlt mit Einem Wort an dem inwendigen (esoterischen) System, dessen Weihe ganz besonders die Lehrer haben sollten.
Was sie aber besonders verhindert, zu diesem Ganzen zu gelangen, ist die fast ungebührliche Hintansetzung und Vernachlässigung des Alten Testaments, in welchem sie (um nicht von denen zu reden, die es ganz aufgegeben) nur das für wesentlich halten, was im Neuen wiederholt ist. Allein das Neue ist auf den Grund des Alten Testaments erbaut und setzt es sichtlich voraus. Die Anfänge, die ersten großen Punkte jenes bis in die äußersten Glieder des Neuen sich fortentwickelnden Systems finden sich nur im Alten. Aber eben die Anfänge sind das Wesentliche; wer sie nicht kennt, kann niemals zum Ganzen kommen. Es ist ein Zusammenhang in den göttlichen Offenbarungen, der nicht in seiner Mitte, der nur vom Anfang her begriffen werden kann. Das Neue Testament zeigt uns alles in dem Licht späterer Zeiten und Verhältnisse, die jene früheren voraussetzen; aber das Dunkel der Urzeiten, die ersten und ältesten Verhältnisse im göttlichen Wesen selbst beleuchten nur die einzelnen Blitze, die aus der Wolke des Alten Testaments fahren.
So jene Einheit in der Zweiheit und Zweiheit in der Einheit, die wir als das Wesentliche der göttlichen Individualität erkannt. Die zwei, oft getrennt, oft in Verbindung vorkommenden Namen Gottes, sind von jeher allen Forschern aufgefallen. Daß das Wort Elohim, das eine Mehrzahl andeutet, in der Regel mit dem Zeitwort in der Einzahl verbunden ist, erklärte man sich in den guten alten Zeiten daraus, daß die drei Personen in Einem Wesen angedeutet werden sollen. Diese Meinung ist längst verlassen; auch streiten gegen sie in der That alle Gründe der Analogie.
Aber was wäre gegen die Auslegung einzuwenden, daß durch Elohim die göttliche Substanz, jenes (erst Eins, dann) All der Urkräfte angedeutet werde, das für sich Unaussprechliche, aber durch die lautere geistige Gottheit wirklich Ausgesprochene. In dieß Verhältniß des Aussprechenden, des Namens oder Worts wird Jehovah gleich anfänglich zu Elohim gesetzt. »Was soll ich den Kindern Israel antworten
, fragt Mose, wenn ich ihnen sage, Elohim eurer Väter sendet mich zu euch, und sie mich fragen: Wie heißt sein Name?
« und Jehovah antwortet: »So sollst du sagen: Jehovah, Elohim eurer Väter, sendet mich zu euch, das ist mein Name in Ewigkeit
« (Exod. 3, 15); wo offenbar ist, daß Jehovah der Name von Elohim seyn soll, Elohim aber, das den Namen empfängt, das Ausgesprochene. Darum heißt Jehovah auch wohl der Name (das Aussprechende) schlechthin, wie Levit. 24, 11: »Es lästerte einer den Namen
«, und Deut. 28, 58: »Wenn du nicht fürchten wirst den herrlichen Namen
«, wo erklärungsweise hinzugesetzt wird: »und diesen Schrecklichen, den Jehovah deinen Elohim
«. Von jeher wurde bemerkt, wie dieser Name, deß wahre Aussprache unbekannt ist, aus lauter Hauchen bestehe, und daraus geschlossen, er deute das von der Gottheit an, was reiner Hauch sey, lauterer Geist; dieß sey, wie die Juden sich ausdrückten, der Name des Wesens, Elohim der Name der göttlichen Wirkungen. Andere bemerkten, er bestehe aus lauter sogenannten ruhenden Buchstaben (literis quiescentibus); auch dieß stimmt zum Wesen dessen, das lauterer Wille ist, ohne wirkliches Wollen. Auch die heilig beobachtete Unaussprechlichkeit des Namens zeigt, daß er das Aussprechende, eben darum selbst nicht Auszusprechende der Gottheit bezeichnen sollte. Auch daß er Tetragrammaton ist (wie übrigens der Name Gott in allen Sprachen), darf in der künstlichsten und absichtsvollsten hebräischen Sprache gewiß nicht unbeachtet bleiben, wie es denn von jeher beobachtet worden. Selbst die aufbehaltene Spur der von 1 in 4 fortschreitenden Bewegung ließe sich in den einzelnen Buchstaben nachweisen, wenn wir so weit ins Einzelne gehen wollten. Es ist keine bloße Erdichtung blindchristlicher Forscher, daß die Meinung von der Heiligkeit der Vierzahl im ganzen Alterthum von einer Kunde ausgegangen sey, deren Abdruck im Namen יהוה enthalten ist. Pythagoras muß gewußt haben, daß man schlechterdings bis auf 4 zählen muß, daß 1, 2, 3 für sich nichts sind, und nichts zu Bestand kommt, ohne in die vierte Fortschreitungsstufe getreten. Ja vier ist der höchste Bestand, Gottes und der ewigen Natur. Der Pythagorische Schwur: bei dem, der unserer Seele die Vierzahl überliefert, den Brunnquell der ewig fließenden Natur
, wenn er nicht diesen Sinn hatte, hatte gar keinen.
Dieß vorausgesetzt, zeigt sich die Lehre von der Einheit des göttlichen Wesens in der Zweiheit tief verwebt in das Innerste, selbst der Sprache des Alten Testaments. Zunächst indem der Mehrzahl Elohim das Zeitwort in der Einzahl verbunden ist, wo der Sinn z.B. von bara Elohim der ist: es schuf der, der Elohim ist. Sodann in der häufigen Verbindung von Jehovah-Elohim. Aber ebenso deutlich ist ihr auch die Lehre von der Zweiheit in der Einheit eingedrückt. So in den Stellen, wo mit Elohim (in der Bedeutung des einzigen, wahren Gottes) das Zeitwort in der Mehrzahl verbunden ist, zur Anzeige, daß die Elohim durch die Einheit mit dem Jehovah nicht aufhören, für sich zu seyn. Auch in den Stellen, wo der Jehovah bei seiner Seele (A3) als etwas von ihm Verschiedenem und Abtrennlichem schwört
; wie unstreitig manches, das den neueren Auslegern zu natürlich klingt, in Bezug auf Elohim gesagt oder erzählt ist, ohne sich zugleich auf Jehovah zu erstrecken.
Die auffallendste Erscheinung in der letzten Beziehung ist jedoch der Engel des Angesichts, oder, wie er auch geradezu genannt wird, der Engel Jehovahs. Mosen erscheint im flammenden Busch der Engel Jehovahs
, der insofern von ihm unterschieden ist. Aber Elohim ruft zu ihm aus dem Busch
(Exod. 3, 2), bald hernach ist der, der zu ihm spricht, der Jehovah, woraus offenbar ist, daß nach der Meinung des Erzählers der, der Engel des Angesichts, auch der ist, der Jehovah ist, und doch beide unterschieden. Der Sinn der Erzählung ist vielleicht sogar der, daß Mose eines Gesichtes gewürdiget worden jener höchsten Lebendigkeit, jenes innern verzehrenden aber immer wieder auflebenden (insofern auch nicht verzehrenden) Feuers, das die Natur der Gottheit ist.
Diese wenigen Andeutungen mögen hinreichen, manche der neuern Philosophen, die ihre ziemlich leeren Begriffe gern für göttliche Offenbarung gäben, sowohl als die schon lange nach der Philosophie der Zeit denkenden Theologen zu überzeugen, daß nach den ältesten Urkunden der Religion in der göttlichen Individualität (wie wäre doch diese möglich ohne Dividualität?) noch ganz andere Geheimnisse liegen, als sie in ihrem aufgeklärt sich nennenden Theismus wähnen. Die Vorstellung von einer noch jenseits der Dreiheit der Personen liegenden Zweiheit in der Einheit des göttlichen Wesens, die Lehre einer ewigen Gegenwart und einer ewigen (ewig dazu werdenden) Vergangenheit ist in die innersten Fasern der Sprache der alttestamentlichen Schriften verwebt, indeß das Neue sie voraussetzt und nur in einzelnen Blicken darauf hindeutet.
Doch darf der Leser nun auch bei diesem Gewonnenen nicht stehen bleiben, ein Zustand kettet sich unmittelbar an den andern, es gibt nicht einmal augenblicklichen Stillstand. Schmerz, Angst und Widerwärtigkeit des vergangenen Lebens löst sich, wie gezeigt worden, durch jene Krisis oder Auseinandersetzung der Kräfte, aber keinen Augenblick kann ein gleichgültiges Zusammenseyn stattfinden; aus dem untergegangenen Leben erhebt sich unmittelbar ein neues. Das, was zuvor Eins seyn sollte, nicht konnte, ist jetzt All oder Ganzes, aber dieses Ganze beruht auf bloßer innerer Zusammengehörigkeit, es ist ein stilles, nur leidendes Ganzes, nicht ein wirkliches, und das als solches ausgesprochen wäre. Daher es wohl noch immer, in den einzelnen Gliedern, voll Leben ist, aber nach außen oder als Ganzes betrachtet völlig wirkungslos.
Aber in der Auseinandersetzung selbst behalten alle Kräfte das Gefühl ihrer Einheit; die Nothwendigkeit eins zu seyn ist überwunden, aber nicht vernichtet. Sie bleibt, aber als eine durch Freiheit gemilderte. Aus dem Zwang wird Liebe. Liebe ist nicht Freiheit und ist doch auch nicht Zwang. Ja eben weil geschieden und auseinandergesetzt, verlangen sie um so inniger, als eins sich zu empfinden und durch freiwilligen innern Einklang als lebendiges Ganzes sich zu fühlen: welche Einheit ein Bild ist der wahrhaft inneren, zu der sie erhoben zu werden hoffen — durch Gott.
Da nun die Scheidung darauf beruht, daß das Höhere über sein Niedereres erhoben wird, dieses bezogen auf jenes sich senkt: so ist die natürliche, unmittelbar nach dem Eintritt der Krisis, ja im Augenblick selbst ihres Eintritts entscheidende Bewegung die allgemeine Anziehung, Erhebung des Niedereren gegen das Höhere, und damit eine neue Bewegung, neues Leben. Wie die ewige Natur als Ganzes den Geist der Ewigkeit anzieht, so jede untergeordnete Potenz die ihr zunächst höhere.
Zuerst also sucht natürlicher Weise die tiefste Potenz ihre höhere an sich zu ziehen; denn nothwendig ist in ihr als der am tiefsten erniedrigten der Anfang der Bewegung.
Aber wie der Eintritt der Sehnsucht in der ewigen Natur der erste Anfang zur innerlichen Scheidung war: so wird das Verlangen, mit seinem Höheren eins zu seyn, jetzt der auf die erste Stufe herabgesetzten Natur Antrieb einer gleichen Krisis; auch sie breitet sich sehnsuchtsvoll in allen ihren Kräften aus, und was bisher schlummerte, erwacht zum eignen Leben.
Denn auch sie, die jetzt zum Anfang gesetzte Natur, obwohl gleich anfangs nur eine Potenz des göttlichen Lebens, ist doch in sich ganzes Wesen und dem Ganzen (der ewigen Natur) gleich. Sie ist nicht ein Theil der göttlichen Substanz, sondern es wohnt in ihr die ganze Gottheit, sofern sie zuerst sich faßt, sich in sich verschließt und nach außen versagt. Dem Gegensatz (A und B), der in ihr ist, lag gleich anfangs, obwohl verborgen und stillschweigend, eine göttliche Einheit zu Grunde. Die verneinende Kraft in ihr ist das Vorausgehende und verhält sich also als erste Potenz; das von ihr innerlich gesetzte Wesen (A) ist das folgende, insofern zweite Potenz. Aber das Allerinnerste in ihr, das eigentliche Wesen, war weder jene noch diese, sondern das heimliche Band, die verborgene Kraft ihres Einsseyns, das, was in ihr selber A3 ist.
Dürfen wir nun das über Natur und Geisterwelt schwebende Wesen als allgemeine Seele, als die im Ganzen wohnende künstlerische Weisheit betrachten, so folgt von selbst, daß jenes Verborgenste der Natur, weil ein jener allgemeinen Seele Verwandtes, auch selbst ein seelenartiges Wesen sey, und auch der tiefsten Potenz etwas, ein Aehnliches von jener künstlerischen Weisheit (pars divinae mentis
) ursprünglich und eigenthümlich einwohne. Wer könnte daran zweifeln, der nur jemals beobachtet, wie ganz und gar von innen heraus die Natur wirkt, dem besonnensten Künstler gleich, nur dadurch unterschieden, daß hier der Stoff nicht außer dem Künstler, sondern mit ihm selbst eins und innig verwachsen ist; wer zweifeln, der bemerkt, wie, noch ehe sie die eigentliche Seele entfaltet, schon in der sogenannten todten Materie jede Gestalt und Form ein Abdruck von innerlichem Verstand und Wissenschaft ist; wer die selbständige Seele nicht erkennen, der die innerlich gebundene, doch zugleich freie, ja willkürlich spielende Kunst in der großen Stufenleiter der organischen Wesen, ja selbst in der allmählichen Ausbildung einzelner Theile gesehen? Nothwendig zwar bedarf die Natur eines äußeren Beistandes, inwiefern sie nur als selbst organisches Glied eines höheren Ganzen ihre Wunder hervorbringt; aber diese Hülfe abgerechnet, die nur dazu dient sie in Freiheit zu setzen, nimmt sie alles aus sich selbst, und kann rein und vollkommen bloß aus sich selbst erklärt werden.
Eben dieses allerinnerste, seelenartige Wesen ist es nun, durch das die Natur des unmittelbaren Bezugs zu ihrem Höheren fähig ist. Allgemein ist jedes Höhere des Niedereren Urbild, oder, um es gleich mit einem volksmäßigen Ausdruck zu sagen, sein Himmel. Aber um desselben theilhaftig zu werden, muß es den in ihm selbst verschlossenen Keim erst entfalten. Dann, wenn es seinem Höheren entgegenbringt, was in ihm selbst diesem ähnlich und himmlisch ist, dann zieht es dieß Höhere wie mit unwiderstehlichem Zauber an sich, dann entsteht ein unmittelbarer Bezug, eine innige Verschmelzung.
Zuerst also mit jener in der Natur eintretenden Krisis erwacht in ihr eben dieß himmlische seelenartige Wesen, das bisher verborgen war und schlummerte. Es ist derselbe Erfolg, den wir immer gewahr werden, so oft eine höhere Einheit sich löst, der verschiedene Kräfte unterthan waren. Merkwürdig genug und wie durch Divination getrieben haben die ersten Beobachter des magnetischen Schlafs den Eintritt desselben als eine Krisis
bezeichnet. Aber jeder Schlaf ist Krisis, in dem Sinn, wie wir das Wort bisher gebraucht. Gleichwie also mit dem eintretenden Schlaf das geistige Leben, welches in den untergeordneten Organen (besonders im Gangliensystem) wohnt, erst aufgeht und aus seiner Tiefe erwacht, in die es zuvor durch das allgemeine und höhere Geistesleben versenkt war: so entfaltet die in Freiheit und in ihre eigne Potenz gestellte Natur jetzt erst jene in ihr verborgene, seelenartige Substanz, vermöge welcher sie selbst-ganzes und selbst schaffendes Wesen ist. Wie die Gestirne der Nacht erst hervortreten, wenn das große Gestirn des Tags erloschen ist, so treten die untergeordneten Organe erst dann auf den Schauplatz des Lebens, wenn das allgemeine Leben, zu dem sie gehörten, und vor dem sie verstummten, untergegangen ist.
So wesentlich ist, daß der ewigen Natur und jedem ihrer Organe eine eigne, von der höchsten Gottheit unabhängige Selbstbewegungsquelle bleibe. Wie die Befreiung in der ewigen Natur darauf beruhte, daß die Seele über alles erhoben (als höchste Potenz wirklich gesetzt) wurde, so kann die Krisis der äußeren Natur nur darin bestehen, daß jene in ihr wohnende, der allgemeinen verwandte Seele alle anderen Kräfte sich unterordne und wirklich an den höchsten Ort gebracht werde. Aber die Seele fühlt sich selbst nur als Seele der untergeordneten Potenz, der Potenz des Anfangs, der ewig zu bleiben bestimmt ist; und aus der Unthätigkeit geweckt, haßt sie nicht die einschließende Kraft, sondern liebt diese Enge, in der allein sie sich selbst fühlbar wird, und die ihr den Stoff und gleichsam das Mittel hergibt, in dem allein sie aufgehen kann. Also will sie nicht etwa die verneinende Kraft aufheben, weder überhaupt noch als ihr vorangehende; im Gegentheil fordert und bestätiget sie dieselbe, und will ausdrücklich nur in ihr aufgehen und sichtbar werden, also daß sie, auch aufs Höchste entfaltet, immer noch von ihr wie von einem Gefäß umfangen und gehalten sey.
Also will sie die verneinende Kraft auch nicht plötzlich und gleichsam mit Einem Schlag besiegen, sondern jetzt beginnt ihre künstlerische Lust, da sie sich gefällt, das Widerstrebende sanft, allmählich zu überwinden, und mit Besonnenheit, ohne Kränkung der sie enthaltenden und gleichsam nährenden Kraft, durch stufenmäßiges Fortschreiten sich endlich alle Kräfte unterzuordnen und so die eigne Mutter, in der sie zuerst empfangen und gehegt wurde, zu einem allgemein beseelten Wesen zu entfalten.
Das Allerinnerste, die Seele, kann aber nur in dem Verhältniß sichtbar hervortreten, als die sich widerstrebenden Kräfte zur gegenseitigen Freiheit und Unabhängigkeit oder in einen lebendigen, beweglichen Gegensatz gebracht sind. Darum beginnt sie mit Erweckung jener inneren durch die ganze Natur gehenden Entzweiung. Die Ungeschiedenheit der Kräfte deckt das Wesen zu, die Geschiedenheit läßt es erscheinen. Natürlich ist aber im Anfang noch die meiste Unentschiedenheit, da das verdunkelnde Wesen, die verneinende Kraft, noch das Innere zudeckt, bis die besonnene Kunst es erst zum Gleichgewicht mit dem Geistigen gebracht hat, und endlich anfängt, es auch unter dieses und so allmählich ganz nach unten zu bringen, das Geistige aber völlig zu erheben, und so endlich selbst, siegend über alle Kräfte, als das wahre Wesen und der Himmel der Natur selbst, hervorzutreten.
Es kann aber die Scheidung der Kräfte nie eine gänzliche werden, weil die Schranke geschont, die erste Verneinung und Enge erhalten werden soll. Weil aber immer eine gewisse Einheit bleibt, so gehet in der Scheidung ein Blick der Einheit auf, der wegen seiner Verwandtschaft mit dem Höheren (dem A2) diesem sichtbar werden kann, und als ein umschriebenes, begrenztes, gleichsam geistiges Bild von einem Geschöpfe erscheint.
Also kann in dieser fortschreitend aufsteigenden Bildung nie etwas Schrankenloses erscheinen; auch in seiner höchsten Befreiung ist der Geist wie die schöpferische Seele noch gefaßt und beschlossen in eine bestimmte Einheit oder Form, die eben durch ihn, so wie er durch sie, sichtbar wird. Auf diese Art also ist der ganze Weg der von innen heraus sich befreienden und nach Licht und Bewußtseyn strebenden Natur durch bestimmte Gebilde, ebenso viele Kinder ihrer Lust, bezeichnet; jedes Gebild ist nur das Aeußere der mit ihrem Stoffe verwachsenen Künstlerin, und zeigt, bis zu welcher Stufe der Befreiung jenes Allerinnerste gelangt. Und auf diese Weise durchwandelt die schöpferische Kunst immer aufsteigend die ganze Stufenleiter künftiger Geschöpfe, bis sie zu jenem ersten aller Geschöpfe gelangt, das einst der Mittler zwischen ihr und der Geisterwelt seyn sollte; bis zur holdseligen Menschengestalt, in welcher endlich jener himmlische Keim ganz entfaltet, die höchste Potenz über alle gebracht ist, und wo sie eben darum den Sieg ihrer Befreiung feiert.
Doch nicht ohne höhere Leitung vollbringt die aus der Tiefe der Bewußtlosigkeit erwachende Seele ihren Stufengang. Denn schon in ihrem ersten Erwachen wird sie von dunkler Ahndung ergriffen, daß ihr eigentliches Vorbild in der Welt der Geister ist, und je mehr sie aufkommt, desto heller sieht sie in jenes, das über ihr ist (in A2), und erkennt alle in ihm enthaltenen Möglichkeiten, die sie als mit ihrem Stoff einige Künstlerin unmittelbar auszudrücken und zu verleiblichen sucht. Denn von allem, was in einem Untergeordneten wirklich wird, ist in seinem zunächst Höheren das Vorbild; und umgekehrt, das, was in einem Höheren nur vorbildlicher Weise ist, das ist in dem Untergeordneten wirklich und gegenbildlich.
Aber in dem Verhältniß, als sie in sich verwirklicht, was in dem Höheren bloß als Möglichkeit war, in dem Verhältniß zieht sie dieses Höhere (A2) wie durch Verzauberung an sich. Denn dieß ist die Natur alles Vorbildlichen, daß es durch eine natürliche und unwiderstehliche Neigung zu dem gezogen wird, was in ihm das Gegenbild ist. Aber wiederum, indem das Höhere (A2) gegen die Natur gezogen wird, so wird es in gleichem Verhältniß von seinem Höheren (dem A3) abgezogen, hiemit die Gleichgültigkeit des Zusammenseyns aufgehoben; denn indem das Mittlere vom Obersten ab und gegen das Unterste geführt wird, erkennt es erst in jenem Mittleren das, was ihm unmittelbares Subjekt (Basis, Unterlage) ist; erst jetzt wird ihm das abgezogene zum Vor- oder Gegenwurf, in dem es sich selbst beschauen, und in dem es sehen kann.
Aber jene Bilder, die aus der untergeordneten Materie aufsteigen, gehen oder scheinen ihrer Verwandtschaft wegen bis in das Mittlere (A2), denn eben diese Bilder sind der Zauber, durch den es angezogen wird. Da nun zugleich das Mittlere in dieser Anziehung dem Höchsten (A3) zum Gegenwurf wird, dieses mit der Gottheit ganz eins (nur ihr gegen die äußere Welt gewendetes Subjekt) ist: so ist offenbar, wie die von unten aufsteigenden Bilder durch das Mittlere auch dem Höchsten (A3) und durch dieses der noch verborgenen Gottheit offenbar werden.
In diesem Zustand ging also alles, was einst in der Natur wirklich werden sollte, vor dem Auge des Ewigen vorüber, und er ersah wie in einem Blick oder Gesicht die ganze Stufenleiter künftiger Bildungen, bis herauf zu jenem Geschöpf, das einst von allen Naturwesen allein des unmittelbaren Bezugs zu ihm fähig seyn sollte.
Aber alle diese Gestalten und Bildungen haben für sich keine Wirklichkeit; denn die Natur selbst, aus der sie aufsteigen, ist gegen die allein wahrhaft seyende Gottheit in die Potentialität, in das Verhältniß eines beziehungsweise nicht Seyenden zurückgetreten, und bewahrt auch freiwillig dieses Verhältniß (und A2 ohnedieß nur potentiell geschieden). Also ist dieses ganze Leben zwar nicht schlechthin und völlig nichtig; aber gegen die Gottheit als ein Nichts, ein bloßes Spiel, das auf keine Wirklichkeit Anspruch macht, in der bloßen Bildlichkeit stehen bleibt, und jene Gestalten sind gegen die Gottheit nur wie Träume oder Visionen, die wohl wirklich werden könnten, wenn er den nicht seyenden riefe, daß sie seyend sey’n; aber noch ist jener Wille in sich gewendet, noch gleichgültig gegen das Seyn, und nimmt sich desselben nicht an.
Nachdem also jenes von unten aufsteigende Leben aufs Höchste gekommen, aber das letzte Glied, in dem es sich schließt, nicht gehalten, noch aus dem Nichtseyn gehoben worden, sinkt es wieder in sich selbst, in sein eignes Nichts zurück, aber nur um immer wieder aufzusteigen, und in unermüdlicher, unerschöpflicher Lust dem zunächst Höheren, mittelbar aber dem höchsten Geist, wie in einem Spiegel oder Gesicht zu zeigen, was einst, wenn Zeit und Stunde gekommen, nach dem Wohlgefallen des Höchsten in dieser äußeren Welt wirklich werden sollte.
Von selbst einleuchtend ist, wie der allgemeine Zustand der Natur während dieses Vorgangs kein fester und stillstehender seyn kann, sondern nur ein ewiges Werden, eine beständige Entfaltung. Aber diese Entfaltung hat doch ihr Ziel, und dieses Ziel ist für die Natur, daß sie zu einem vollkommenen geist-leiblichen Wesen gelange. Aber obwohl sie nur auf der letzten Stufe der Entfaltung ihre höchste Expansion erreichen kann, ist sie doch in jedem Moment derselben schon in sich und an sich kein leibliches, sondern ein geist-leibliches Wesen, das allerdings gegen das Höhere (A2) ersinkend und ihm ganz sich hingebend, gegen dieses Stoff, Materie wird, aber eine Materie, die gegen die jetzige wie lauter Geist und Leben ist
Daß die Beschaffenheit der jetzigen körperlichen Materie keine ursprüngliche sey, dafür zeugen Thatsachen in der Evolution der Natur selbst, Erscheinungen der innern Bildung einzelner Körper, die unter Voraussetzung der jetzt allgemeinen Eigenschaft der Undurchdringlichkeit unerklärbar sind; dafür zeugt die noch fortdauernde Fähigkeit der Materie, in einen Zustand versetzt zu werden, da sie (wie in den bekannten, aber lange nicht genug beachteten Ueberführungsversuchen) allen körperlichen Eigenschaften nach verschwindet. Wer sich auch bloß mit der sogenannten Construktion der Materie aus Kräften begnügt, muß erkennen, daß das innere Wesen aller Materie geistig im weiteren Sinn ist, da Kräfte unleugbar etwas Geistiges, insofern Unkörperliches sind; daß also auch die Art der jetzigen Materie nicht aus jenen inneren geistigen Kräften für sich erklärbar ist. Wodurch es aber geschehen, daß jenes zusammenziehende, verdunkelnde Wesen, das schon im Anfang überwunden war, wieder emporgekommen, ist eine Frage, deren Beantwortung in den Verlauf dieser Geschichte gehört. Genug, daß sie auch jetzt noch überwindlich ist, die Materie auch jetzt die Fähigkeit zeigt, jenem Urzustand sich zu nähern und einst vielleicht ganz wieder in ihn versetzt zu werden, obschon dieß natürlich durch einen viel verwickelteren und langsameren Proceß geschehen muß.
Wenn wir die wunderbaren Verwandlungen betrachten, welcher die Materie in der organischen Welt unterworfen ist, bis herauf zum menschlichen Auge, aus dem Geist, Verstand und Wille auf eine unbegreifliche aber sinnlich empfindliche Weise leuchten, so ist es wohl erlaubt, die gesammte Materie als bloße Erscheinung zu betrachten, nämlich nur als ein verschobenes Bild des eigentlich zu Grund liegenden Wesens, und alle Körper nur als Kleider oder Verhüllungen, die uns jenen innern Verklärungspunkt zudecken, ohne dessen Gegenwart schon ein Uebergang von der unorganischen Natur in die organische undenkbar wäre, und der auch in den körperlichsten Dingen oft fast sinnlich wahrnehmbar liegt.
Wer einigermaßen sein Auge für die geistige Beschauung natürlicher Dinge geübt hat, weiß, daß ein geistiges Bild, dessen bloßes Gefäß (Erscheinungsmedium) das Grobe, das Ponderable ist, eigentlich das Lebende darin ist. Je lauterer dieses Bild, desto gesunder das Ganze. Immer bereit überzufließen und doch immer wieder gehalten, ist dieses ungreifliche, darum aber nicht unbemerkliche Wesen, das allen Dingen erst den vollen Reiz, Glanz und Schein des Lebens ertheilt, zugleich das Offenbarste und Verborgenste. Weil es nur unter einer beständigen Veränderlichkeit sich zeigt, zieht es um so mehr an sich als der Blick des eigentlichen Wesens, das in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt und nur auf seine Befreiung wartet. Unter den körperlichsten Dingen wurden vorzüglich die Metalle, deren eigenthümlicher Glanz von jeher den Menschen bezauberte, als einzelne in der finstern Materie aufglimmende Lichtpunkte dieses Wesens betrachtet; ein allgemeiner Instinkt ahndete seine Nähe im Gold, das durch die mehr leidenden Eigenschaften, die fast unendliche Ausdehnbarkeit und die Weichheit und fleischähnliche Zartheit, die es mit der größten Unzerstörlichkeit verbindet, das dem geistig leiblichen Wesen verwandteste schien, und das sogar durch eines jener zufällig scheinenden Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben, zur Bezeichnung des frühesten Weltalters der noch bestehenden Herrlichkeit der Natur gebraucht worden.
Doch besonders in der organischen Natur nähert es sich der Befreiung. Es ist das Oel, von dem das Grün der Pflanzen gesättiget wird, der Balsam des Lebens, von dem die Gesundheit ihren Ursprung hat; es ist erkennbar in dem Durchscheinenden des Fleisches und der Augen, in jenem unleugbar physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig befreiend auf uns wirkt, ja unstreitig selbst in dem Unaussprechlichen, das als Anmuth in verklärte Leiblichkeit überströmt, und von dem unwillkürlich auch der Barbar gerührt wird; wie das freudige Erstaunen, in welches vollendete Schönheit den Gebildeten setzt, seinen Hauptgrund vielleicht in dem Gefühl hat, daß sie uns die Materie in ihrem göttlichen und gleichsam in ihrem Urzustand vor Augen bringt. Ja als wär’ es der Gegenstand der ursprünglichen Liebe, so zieht es noch jetzt wie in der Urzeit die Liebe an sich, und ist, weil immer nur sich zeigend, aber nie zu ergreifen noch zu besitzen, das Ziel der immer regen, nie gesättigten Neigung.
Der Verkehr zwischen Körperlichem und Geistigem, an dem sich menschlicher Witz so oft geübt, ist und bleibt durch keine andere Annahme erklärbar, als daß es eine und dieselbe Substanz ist, die nach der einen Seite, nämlich nach unten, leibliche Eigenschaften annimmt, nach oben aber oder auf der dem Geist zugewandten Seite in ein geistiges Wesen ausgeht. Alle andern noch so künstlich ersonnenen Systeme lassen den Stachel des Zweifels zurück. Das einzige dem natürlichen Denken gemäße ist jenes Verschmähte des sogenannten physischen Einflusses, das freilich verlassen werden mußte, sobald Materie und Geist in jenen heillosen (unheilbaren) cartesianischen Zwiespalt gebracht waren.
Der ganze Lebensproceß beruht auf dieser Zweiseitigkeit dessen, was wir Materie nennen, und dessen innere von unsern Sinnen abgewandte Seite wir wohl ahnden, aber nicht erkennen. Aus dem Körperlichen selbst steigt beständig ein Bild oder innerer Lebensgeist auf, der durch einen umgekehrten Proceß immer wieder verleiblicht wird.
Der Glaube an die allgemeine Fähigkeit der Materie, wieder in geistige Eigenschaften erhöht zu werden, hat sich durch alle Zeitalter mit einer Beständigkeit erhalten, die allein schon auf seinen tiefen Grund schließen ließe, und hängt so mit den liebsten und letzten Hoffnungen des Menschen zusammen, daß er wohl nie wird vertilgt werden können. Den gewöhnlichen Begriff der Alchemie muß man dem Pöbel überlassen; aber was geschiehet bei der Verdauung und Aneignung der Nahrungsmittel, da aus den verschiedensten Substanzen immer im Ganzen dasselbe bereitet wird, und jeder Theil eben das ihm Gemäße an sich zieht; was bei der ersten Bildung des Fötus? Alles, was um uns vorgeht, ist, wenn man will, eine beständige Alchemie; selbst jeder innere Proceß, wenn Schönheit, Wahrheit oder Güte, von dem anhangenden Dunkeln oder Unreinen befreit, in ihrer Lauterkeit erscheinen. (Der Alchemist fängt allerdings wieder von unten an — a prima materia, die er ad ultimam führen möchte). Die verstanden, was sie suchten, suchten nicht das Gold, sondern gleichsam das Gold des Goldes, oder was das Gold zu Golde macht, d.h. etwas weit Allgemeineres. Wenn es nämlich vielleicht eine äußere Wirkung ist, wodurch die Materie, wie Milch durch saures Laab, zur Gerinnung gebracht worden, so muß es auch eine derselben entgegengesetzte Potenz geben, durch welche, wenn sie in der Hand der Menschen wäre, die Wirkung jener coagulirenden Kraft entweder aufgehoben oder bis zu einem gewissen Grade überwunden werden könnte. Ist nun alle Materie dem innern Wesen nach nur Eine, und beruht die Verschiedenheit zwischen körperlichen Dingen derselben Stufe vielleicht nur auf dem Mehr oder Minder der Verborgenheit jenes ursprünglichen Wesens, so wäre es ja wohl möglich, durch allmähliche Ueberwindung der verdunkelnden Potenz das minder Edle ins Edlere zu verwandeln, obwohl dieß nur die sehr untergeordnete Anwendung eines weit allgemeineren Vermögens seyn würde, und auf jeden Fall die Behauptung dieses Gedankens keine Billigung des wirklichen Versuchs ist. Denn unbeschränkt ist das Reich der Idee; aber was an sich möglich sey, und was beziehungsweise thunlich, was sonst räthlich, oder in anderem Betracht vernünftig, dieß sind ganz verschiedene Fragen.
Es hat von jeher viele gelüstet, in dieß stille Reich der vorweltlichen Vergangenheit zu dringen, um so im eigentlichen Verstand hinter den großen Proceß zu kommen, von dem sie theils mithandelnde, theils mitleidende Glieder sind. Aber den meisten fehlte es an der gehörigen Demuth und Selbstverleugnung, da sie alles gleich mit den höchsten Begriffen anfassen wollten. Und wenn auch jetzt dem Leser irgend etwas den Eingang in diese Vorzeit wehrt, so ist es eben jenes voreilige Wesen, das lieber gleich anfangs mit geistigen Begriffen und Redensarten blenden, als zu den natürlichen Anfängen jedes Lebens hinabsteigen will.
Was ist es übrigens, das den geistigen Dünkel an der Leiblichkeit beleidigt, daß er sie so gar geringer Herkunft achtet? Am Ende ist es doch nur ihre Demuth und äußere Niedrigkeit, die ihn so beleidigt. Aber eben das Niedrige ist hoch geachtet in den Augen dessen, nach dessen Urtheil allein Werth und Unwerth der Dinge bestimmt ist; und eben jene Gelassenheit zeigt vielleicht, daß ihr noch etwas von den Eigenschaften jenes Urstoffs inwohnt, der nach außen leidend, aber in sich Geist und Leben ist.
Es ist nicht schwer die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen aller neueren Philosophie in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wonach z.B. alles, was nicht seyend, nichts, was nicht geistig im höchsten Sinn, materiell im gröbsten, was nicht sittlich frei, mechanisch, was nicht intelligent, verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber gerade die wichtigsten, ja die einzig eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nun nach dem (mißverstandenen) Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles, den Sophisten gleich, zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreienden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.
Aber indem die Natur das Wesen der Geisterwelt an sich und dadurch von seinem Höheren abzieht, erweckt sie auch in ihm ein Verlangen, mit seinem Höheren eins zu seyn und es an sich zu ziehen, wodurch also jene von der Natur (wie immer) ausgehende Bewegung sich endlich bis in das Höchste fortpflanzt.
Daß in jenem Wesen der Geisterwelt dieselben schöpferischen Kräfte, die in der Natur, liegen, bedarf nach früheren Erklärungen kaum des Beweises. Auch in ihm ist eine innere Zweiheit, der eben darum auch eine verborgene Einheit zu Grunde liegt, welche in dem Maß hervortreten und offenbar werden muß, als die sich widerstrebenden Kräfte auseinander und in wirkenden Gegensatz treten. Die Sehnsucht, das Höhere (A3) an sich zu ziehen, wird auch in ihm Grund der Entfaltung und Ausbreitung der Kräfte. Nur ist in ihm nicht das bejahende Princip, sondern die verneinende Kraft die eingeschlossene und verborgene. Hier ist es also auch nicht das ausfließende und sich mittheilende Wesen, das aus der Beschränkung erlöst wird; hier ist es im Gegentheil jene verborgene Kraft der Finsterniß, die aus der innersten Tiefe hervorgerufen und stufenweis’ in Wirkung gesetzt wird. Nicht daß sie über das bejahende Princip heraustrete, sondern daß die wirksamste Kraft der Selbstheit und der Finsterniß dennoch von Licht und Liebe umfangen sey. Denn gleichwie in der höchsten Entfaltung der äußeren Natur das verneinende Princip immer das Aeußere, Umschließende, das geistige aber, auch aufs Höchste befreit, von ihm umschlossen bleibt: so soll auch in der Entfaltung der Geisterwelt (die nur eine höhere Natur ist) das verneinende Princip zwar aus seiner Unwirksamkeit erweckt werden, aber nur um als Wirksames doch innerlich und dem milden Lichtwesen unterwürfig zu bleiben. Die ganze Schöpfung geht auf Erhebung des Ja über das Nein; aber wie in der Natur das verneinende Princip dem bejahenden unterthan ist, indem es ein äußeres, so in der Geisterwelt, indem es ein inneres bleibt. Hier wird auch das bejahende Princip gesteigert, aber weil es schon an sich frei ist, nur indirekt oder mittelbar, dadurch, daß sein Gegensatz hervorgerufen wird.
Dieser Unterschied ist für die ganze Geschichte der Natur und der Geisterwelt von den wichtigsten Folgen; manches Räthselhafte ihres Verhältnisses und ihrer Verschiedenheit wird nur dadurch klar, daß jene durch die Erhebung des Lichts, diese durch Erweckung von Finsterniß entstanden, und schon hier ist offenbar, daß in Wesen der letzteren Art ein höherer Grad der Freiheit als in Wesen der ersten gefordert wird.
Aber auch diese Entfaltung der verdunkelnden Kraft aus ihrer ganzen Tiefe und Verborgenheit konnte nicht plötzlich, nur stufenweise geschehen. Weil aber auch hier immer eine gewisse Einheit blieb, konnten es ebenfalls nur bestimmte Formen oder Gestalten seyn, die die schöpferische Kraft durchlief. Diese Formen oder Gestalten waren ihrer Natur nach Geister, wie schon aus der alten Erklärung einleuchten würde: alles was seine Einschränkung (verneinende Kraft) äußerlich hat, sey leiblich oder ein Körper; alles aber, was seine Einschränkung (die Kraft seines Bestehens) innerlich oder in sich habe, sey ein Geist.
Auch hier kann die schöpferische Kraft nur vom Niederen zum Höheren aufsteigen, bis sie allmählich die allerinnerste und verborgenste Kraft der Finsterniß aus der Tiefe emporgehoben, welches dann die reinsten, schärfesten und gottähnlichsten Geister sind.
Denn um so viel als die Geisterwelt der Gottheit näher ist als die Natur, um so viel übertrifft das, was in ihr das Höchste (A3) ist, an Reinheit das Höchste der Natur, um so viel ähnlicher ist es jener über dem Ganzen schwebenden Seele (dem absoluten A3). Zu diesem verhält sich die Geisterwelt, wie sich zu ihr die Natur verhält.
Wie also die Geisterwelt der Natur Vorbild, und alle Dinge dieser äußeren Welt Abbildungen dessen sind, was die Natur in der inneren ersehen, so ist wiederum jene allgemeine Seele das unmittelbare Vorbild der in der Geisterwelt schaffenden, und was in dieser erzeugt wird, ist nur Gegenbild oder Wirkliches von dem, was in der allgemeinen Seele als Vorbild oder Mögliches lag.
Aber indem diese höhere Natur die Gedanken der allgemeinen Seele verwirklicht, zieht sie diese unwiderstehlich an; und so ist diese ganze Bewegung nichts anderes als eine allgemeine Magie, die sich bis ins Höchste erstreckt.
Denn indem jene allgemeine Seele gegen das Untere gezogen wird, wird sie in gleichem Verhältniß von dem Allerhöchsten abgezogen, mit dem sie bisher ganz eins (sein unmittelbares äußeres Subjekt) war. Aber durch eben dieses An- und Abziehen wird es zuerst jenem Geiste der Ewigkeit zum Vor- oder Gegenwurf (zum Objekt), in dem er alles erblicken kann. Da nun jene geistigen Gestalten in der allgemeinen Seele als Bilder oder Gesichte aufsteigen, so muß auch der Geist der Ewigkeit sie in jener als in einem Spiegel erblicken, da ihm gleichsam die verborgensten Gedanken seines eignen Subjekts offenbar werden.
Die Gesichte dieser innersten Gedanken Gottes sind also die Gesichte der zukünftigen, zugleich mit dem Naturwesen zur Erschaffung bestimmten Geister; und so erblickte der Ewige in dieser freien, mit sich selbst gleichsam spielenden Lust der ewigen Natur zuerst alles, was einst in der Natur, sodann, was in der Geisterwelt wirklich werden sollte. So zeigte ihm die ewige Natur den Weg, auf dem er sie, wenn es ihr gefiele, aus Finsterniß wieder in Licht, aus Niedrigkeit zur Herrlichkeit führen könnte. Es ging aber vor dem Auge des Ewigen alles nur als ein Blick oder Gesicht vorüber: als ein Blick, weil es in dem zarten Mittel gleichsam nur aufblickte, als ein Gesicht, weil es gegen ihn keine Wirklichkeit hatte, sondern im Werden wieder verging, und nichts Bleibendes, nichts Festes, sondern alles in unaufhörlicher Bildung war. Denn noch fehlte diesem Leben, das an sich nur Traum und Schatten ist, die göttliche Bekräftigung.
Das von den Griechen an uns gekommene Wort Idea sagt seiner Urbedeutung nach wirklich nichts anderes als unser deutsches Wort Gesicht, und zwar in beiderlei Verstand, da es sowohl den Blick, als was im Blick vorübergeht, bezeichnet.
Die Lehre von diesen göttlichen Ideen oder Gesichten vor dem Welt-Anfang verliert sich ihrem Ursprung nach in die tiefste Nacht des Alterthums. Wie sie erscheint, ist sie schon nur noch Bruchstück einer großen Lehre, aus der früh untergegangenen wahren Geschichte der Welt; schon die Griechen kennen sie nur als Ueberlieferung, und auch Platon ist nur als Ausleger dieser Lehre zu betrachten. Nachdem also der ursprüngliche Sinn früh verloren gegangen, sind sie theils zu übernatürlich, theils viel zu gemein verstanden worden. Lebendiger wären sie längst aufgefaßt, wenn, anstatt sie auf allgemeine Verstandesgründe zu stützen, der natürliche Hergang (physische Proceß) ihrer Erzeugung wäre gesucht worden.
Die Entstehung solcher Urbilder oder Gesichte ist ein nothwendiger Moment in der großen Entwicklung des Lebens, und sind dieselben auch nicht als physische Substanzen, so doch gewiß nicht ohne alles Physische und nicht als leere Gattungsbegriffe zu denken, noch als fertig vorhandene, ohne Bewegung daseyende und gleichsam stehende Formen; denn eben darum sind sie Ideen, daß sie ein ewig Werdendes und in unaufhörlicher Bewegung und Erzeugung sind.
Die Erzeugung solcher Urbilder ist ein nothwendiger Moment; aber weder vergehen sie nach diesem Moment, noch bleiben sie schon, sondern der Moment selbst bleibt ewig, weil jeder folgende den vorhergehenden festhält oder in sich begreift; und so entquellen dem Innern der schöpferischen Natur diese Urbilder noch immer ebenso frisch und lebendig als vor der Zeit. Noch jetzt zeigt sich die Natur als durchaus visionär, und muß es seyn, weil sie im Vorhergehenden schon auf das Zukünftige sieht; ohne diese Eigenschaft wäre das unleugbar Zweckmäßige im Einzelnen und Ganzen, ihr allgemeiner und besonderer Technicismus völlig unbegreiflich.
Ja die Natur hat sich vorbehalten, jenen Moment in der gegenwärtigen Zeit beständig zu erneuern, und zwar durch die einfachsten Anstalten, da die Natur im Weibe den Geist des Mannes, dieser hinwiederum den allgemeinen Welt-Geist an sich zieht, und so auch hier jene leitende Verbindung und Kette voneinander unabhängiger Glieder hergestellt ist, wodurch das Letzte fähig wird in das Erste, und das Höchste in das Tiefste zu wirken, denn ohne unmittelbare göttliche Bekräftigung kann kein Wesen den Lauf seines Daseyns beginnen. Jedes neue Leben fängt eine neue für sich bestehende Zeit an, die unmittelbar an die Ewigkeit geknüpft ist; also geht jedem Leben unmittelbar eine Ewigkeit voran, und wie in jener ersten Erzeugung ist auch in der zeitlichen alles Aeußere nur Theil oder Glied einer Kette, die bis in das Höchste geht.
Die Wiederkehr jenes Momentes in der Zeugung würden auch schon die äußeren Erscheinungen glaublich machen, welche die einer entschiedenen Krisis (in dem von uns angenommenen Sinne des Worts) sind, darin jedes Princip wieder in seine Freiheit gestellt ist, und mit der Lösung des äußeren Bandes, das den Menschen bezwingt und beherrscht, die wollustvolle innere Entfaltung aller Kräfte beginnt. Daher die Aehnlichkeit mit dem Tod und dem magnetischen Schlaf. Wir wagen es, eine der größten Entweihung ausgesetzte Sache mit einem hohen und heiligen Verhältniß in Verbindung zu setzen; aber die schrecklichste Entartung einer großen Natureinrichtung darf nicht verhindern ihre Urbedeutung zu erkennen. Im Gegentheil, wenn die Sittenlehre nicht in den Wirkungen natürlicher Triebe, die sie einem höheren Gesetz unterwirft, etwas auch an sich Heiliges erkennen will, wird sie immer ihren Zweck verfehlen; denn was etwas an sich Unheiliges, ganz und gar Schlechtes und Verächtliches ist, wird in den Augen der meisten auch etwas Gleichgültiges seyn. Aber eine Sache, von der erkannt ist, daß sie in die Räder des Weltalls, ja in seine innersten und höchsten Verhältnisse eingreift, gebietet auch an sich heilige Scheu.
Alles Göttliche ist menschlich, und alles Menschliche göttlich
; dieser aus dem tiefsten Leben gegriffene Satz des alten Hippokrates war und ist noch jetzt der Schlüssel zu den größten Entdeckungen im Reiche Gottes und der Natur. Aus diesem Grunde suchten wir auch das zuletzt genannte Phänomen noch insbesondere in der gegenwärtigen Beziehung (der höchsten unstreitig, der es fähig ist) zu betrachten.
Von selbst ist jedem klar geworden, daß jener ganze, innerlich höchst lebensvolle Zustand auf der gegenseitigen Freiheit und Unabhängigkeit der Glieder voneinander beruht, die doch zugleich eine stetige Folge vom Tiefsten bis ins Höchste bilden, jener Leiter ähnlich, die vom Himmel zur Erde reichend, einer der Erzväter im Traume sah
. War nicht die Potenz des Anfangs frei gegen die höhere, so konnte sie keine anziehende Wirkung auf sie äußern, noch ihr die in ihr enthaltenen Möglichkeiten wie in einem Spiegel vorhalten. Konnte nicht wiederum die mittlere Potenz von der höchsten abgezogen werden, so war unmöglich, daß sie dieser zum Vor- und Gegenwurf wurde, worin sie ihre eignen innersten Gedanken erkannte. War jener lautere Geist, das eigentliche Selbst und höchste Ich des ganzen Wesens mit diesem verwachsen und nicht frei gegen das ewige Seyn, so konnte ihm dieses nicht zum Spiegel werden, worin er die Wunder der zukünftigen Welt erblickte. Dieses beschauliche Leben, diese innere Klarheit würde sofort aufgehoben, wenn jene Freiheit der Glieder gegeneinander aufgehoben wäre.
Zwei verschiedene und in gewissem Betracht entgegengesetzte Zustände theilen sich in das menschliche Leben. Der wachende Mensch und der schlafende Mensch sind ihrem Innern nach ganz der nämliche Mensch. Keine der innern Kräfte, die im wachenden Zustand wirken, geht im Schlafe verloren. Schon hieraus erhellt, daß es nicht eine im Innern des Organismus liegende, daß es eine in Bezug auf dieses äußere Potenz ist, deren Anwesenheit oder Abwesenheit die Abwechslung jener Zustände bestimmt. Offenbar sind während des wachenden Zustandes alle Kräfte des Menschen von einer sie zusammenhaltenden Einheit, gleichsam von einem gemeinschaftlichen Aussprechenden (oder Exponenten) beherrscht. Wird aber (auf welche Weise es nun geschehe) dieß Band gelöst, dann tritt jede Kraft in sich selbst zurück, jedes Werkzeug scheint nun frei, für sich und in seiner eignen Welt zu wirken; eine freiwillige Sympathie tritt an die Stelle der äußeren bindenden Einheit, und indeß das Ganze nach außen wie todt und wirkungslos ist, scheint sich nach innen das freieste Spiel und Verkehr der Kräfte zu entfalten.
Wenn nun im gewöhnlichen Lauf des Lebens die Wirkung jener äußeren Potenz in regelmäßiger Abwechslung nachläßt und wiederkehrt, so scheint in ungewöhnlichen Zuständen eine außerordentliche Aufhebung derselben möglich, ja einem Menschen in Bezug auf den andern die Macht verliehen, entfesselnd, befreiend auf ihn zu wirken. Wahrscheinlich, daß das Befreiende der untergeordneten Natur ihr Höheres (A2) wird, gegen das sie ersinkt; ein Verhältniß, das im Anfang nur schwach und unentschieden, in fortgesetztem Bezug sich immer mehr ausbildet; denn die Wirkung ist auch hier gegenseitig; in dem Verhältniß als das eine sich senkt (zu A=B), wird das andere von ihm zu A2 gesteigert. Nur hierin kann der Grund jener ganz eigenthümlichen und bei längerer Ausübung verderblichen Schwächung liegen, die der den Schlaf Wirkende erfährt; mit derselben Erklärung stimmt die Entwicklung des visionären Talents überhaupt und eines Bezugs zu der Geisterwelt überein, die in mehreren, welche diese Heilart längere Zeit ausgeübt, sich gezeigt.
Sobald nun jenes Verhältniß ausgebildet ist, tritt in der untergeordneten Natur jene Scheidung (Krisis) und Befreiung aller Kräfte, jene Entformung (Desorganisation)
ein, wie es die ersten Entdecker in richtigem Instinkt genannt.
Wenn nun jedes organische und menschliche Wesen dem Schmerz im physischen wie im psychischen Verstande nur durch die Herrschaft jenes äußeren Lebens Exponenten unterworfen ist, so ist wohl begreiflich, wie mit Aufhebung desselben die gänzliche Schmerzlosigkeit und jenes Wonnegefühl entsteht, von dem die eben erwähnte Krisis begleitet ist, so wie daß die plötzliche und augenblickliche Aufhebung desselben mit der höchsten Wollust überschüttet.
Die äußere Erscheinung dieser Krisis ist Schlaf, von dessen Natur ohne jene Erfahrungen wir wohl niemals hinlänglich Kunde erhielten. Denn nach vielen Gründen scheint mir, als würde viel zu bestimmt der sogenannte magnetische Schlaf vom gewöhnlichen unterschieden. Denn da uns von den inneren Vorgängen bei diesem nur wenig oder fast nichts bewußt ist, so können wir auch nicht wissen, ob sie nicht denen beim magnetischen Schlaf ganz ähnlich und gleich sind, von denen ebenfalls keine Erinnerung in den wachenden Zustand übergeht, und von denen wir ohne den besonderen Bezug des Schlafenden zu dem Schlafwirkenden wenige oder keine Wissenschaft hätten.
Bekanntlich sind die inneren Vorgänge des magnetischen Schlafs auch nicht immer dieselben; es gibt Grade jenes inneren Lebens, von denen wir in der Regel nur den untersten, den mittleren seltener, den dritten wahrscheinlich nie erblicken. Sollten wir unternehmen, die möglichen Sproßen dieser Leiter anzugeben, so möchte es ohngefähr so geschehen.
Die tiefste wäre die, wo Krisis, oder wo das Materielle der menschlichen Natur in Befreiung gesetzt wird; hier nämlich kann die der Materie einwohnende, aber durch das höhere Leben sonst gebundene Seele, die alles bildet, alles heilt, frei sich entfalten, hier der freie Verkehr zwischen dieser und dem Höheren eintreten, jenem geistigen Wesen, der allgemeinen Arzenei der Natur und der Ursache aller Gesundheit, der Tinktur, durch welche die strenge Natur immer gesänftiget wird. Jede untergeordnete Natur, deren leitende Verbindung mit ihrem Höheren unterbrochen wird, ist krank; aber eben diese Leitung wird durch den magnetischen Schlaf immer wenigstens auf eine Zeit hergestellt. Sey es, daß durch diesen Zauber das widernatürlich gesteigerte in tieferen Schlaf gesenkt, in seine Potenz (also auch in die Potentialität gegen das höhere) zurückgesetzt werde, oder daß das vom höheren über Gebühr geschwächte und niedergehaltene Leben für einen Augenblick frei werde und wieder aufathme: in beiden Fällen würde die Heilkraft jenes Schlafes auf der Herstellung der unterbrochenen Leitung zwischen Höherem und Niedererem beruhen.
Der zweite Grad wäre der, wo das Geistige des Menschen gegen die Seele frei würde und diese an sich zöge, um ihr die Verborgenheiten ihres Inneren, und was in ihr selbst (als dem Zukünftigen und Ewigen des Menschen) noch eingewickelt liegt, wie in einem Spiegel zu zeigen. Dieser Grad wäre unstreitig schon der höchste bekannte des magnetischen Schlafs, wo nämlich der in Krisis Gesetzte ganz todt für alles Aeußere, von der Sinnenwelt völlig abgeschnitten ist, wo eben darum auch die Zeichen eines höheren Bezugs sich einfinden.
Den dritten Grad endlich müßten wir in Verhältnissen suchen, die ganz außer den gewöhnlichen menschlichen liegen, und von denen im gegenwärtigen Zusammenhang besser geschwiegen als geredet wird.
Wenn aber Gradationen des magnetischen Schlafes stattfinden, wenn von der andern Seite auch im gewöhnlichen Schlaf Grade der Tiefe und der Innigkeit unterschieden werden: so ist unmöglich zu wissen, bis zu welchen Graden des magnetischen auch der gewöhnliche sich erhebt.
Schon die Alten unterschieden zweierlei Arten von Träumen, wovon ihnen nur die eine für gottgesendete galt. So verschieden aber auch der Traum nach Personen und Umständen seyn mag, so gewiß ist, daß Träume von höheren Graden der Innigkeit sich ganz wie Visionen des magnetischen Schlafs verhalten würden, von denen dem Erwachten keine Erinnerung bleibt. Daß Träume ein beständiges (constantes) Phänomen des Schlafs sind, daß wir uns der meisten nur nicht erinnern, ist um so sicherer anzunehmen, als uns bewußt ist, daß von vielen Träumen uns nur die allgemeine Erinnerung ihres Dagewesenseyns bleibt, daß andere nur noch im Augenblick des Erwachens (manchmal auch dann nicht bleibend) festgehalten werden. Nur ist wahrscheinlich, daß die mehr äußerlichen Träume oft Abspiegelungen von tieferen mehr innerlichen sind, und diese, wenn schon getrübt und verworren von dem Mittel, durch das sie hindurchgehen, dennoch an uns gelangen.
Wollte man hier zugleich eine Rückanwendung auf etwas Früheres nachsehen, so könnte man als eine Möglichkeit ansehen, daß dem Menschen, wie gegen seines Gleichen, eine ähnliche Gewalt auch gegen andere Dinge zustände. Dann, könnte er auch das Innere körperlicher Dinge wieder in Freiheit setzen, dann erst würde er jene wahre und eigentliche Krisis, die unsere Scheidekunst noch immer vergeblich zu bewirken gestrebt, hervorbringen und eine Reihe ganz anderer Erscheinungen einleiten als die des gewöhnlichen Versuchs.
Doch kaum wagten wir so flüchtig diese großen Geheimnisse zu berühren, da alle die namhaft gemachten Erscheinungen so sehr nach allen Seiten sich verbinden und in so verschiedene Zweige auslaufen. Gelingt es uns einst, diese Geschichte bis zu der Zeit und zu den mannichfachen Bedingungen fortzuführen, in und unter welchen menschliches Leben besteht, gewiß werden wir dann unsere Gedanken noch in vielem zu erweitern und zu berichtigen finden, oder in einem höheren Licht darzustellen.
Es sey daher nur noch eine Frage verstattet, durch welche der Grundgedanke an Deutlichkeit gewinnen mag. Warum rufen dem Menschen alle höheren Lehren so einstimmig zu, sich von sich selbst zu scheiden, und geben ihm zu verstehen, daß er dadurch alles vermögen und in allen Dingen wirken würde, warum anders, als weil er dadurch allein jene Jakobsleiter himmlischer Kräfte in sich herstellte. Den Menschen hindert das In-sich-gesetzt-seyn; ihm hilft das Außer-sich-gesetzt-werden, wie es unsere Sprache herrlich bezeichnet; und so sehen wir denn, um jetzt nur bei geistigen Hervorbringungen stehen zu bleiben, wie die innere Freiheit und Unabhängigkeit der Gemüthskräfte auch alle geistige Schöpfung bedingt, wie befangene Menschen in dem Verhältniß, als sie dieß sind, zur geistigen Produktion immer untüchtiger werden, und nur, wer jene göttliche Zweiheit in der Einheit und Einheit in der Zweiheit sich zu erhalten weiß, auch jener spielenden Lust und besonnenen Freiheit des Schaffens theilhaftig ist, die sich gegenseitig fordern und bedingen.
Jene spielende Lust im ursprünglichen Leben Gottes haben die Morgenländer wohl erkannt, welche sie ausdrucksvoll die Weisheit
nennen, wie sie diese darstellen als einen Glanz des ewigen Lichts, einen fleckenlosen Spiegel der göttlichen Kraft und (der leidenden Eigenschaften wegen) ein Bild seiner Gütigkeit
. Es ist verwunderungswerth, wie sie diesem Wesen überall mehr eine leidsame als eine thätige Natur zuschreiben, weßhalb sie es nicht Geist, auch nicht Wort (oder Logos) nennen, mit welchem später die Weisheit oftmals, aber unrichtig verwechselt worden, sondern ihm einen weiblichen Namen beilegen. Durch dieß alles andeutend, daß es gegen das Höhere nur ein leidendes, empfängliches Wesen sey.
In jenem göttlich geachteten und wahrhaft göttlichen Buch, das die Weisheit redend einführt
Die Weisheit spielte — nicht auf der Erde, denn diese war noch nicht, sondern - auf der Erde Gottes
, auf dem, was Ihm Grund und Boden ist; aber ihre vorzügliche Lust war schon in dieser frühen Zeit jenes Geschöpf, das, weil erstes Band zwischen Natur und Geisterwelt, eigentlich die Fortpflanzung der anziehenden Bewegung bis ins Höchste vermittelte. Der Mensch ist eigentlich der Verknüpfungspunkt des ganzen Weltalls, und man kann insofern wohl sagen, daß in ihm eigentlich alles ersehen worden.
Ueberflüssig wäre zu erinnern, daß unter der Weisheit in jener Stelle jene allgemeine Seele (A3) verstanden wird, die der Natur und der Geisterwelt einwohnend und wieder über beiden schwebend die leitende Kette der allgemeinen Empfindlichkeit zwischen dem Obersten und Untersten ist. In so früher Zeit also spielte diese wie in einem Jugendtraum goldener Zukunft dem Höchsten vor, was einst seyn würde. Doch wie die Zeiten der Unschuld nicht bleiben, wie Spiele der Kindheit, in denen das künftige Leben sich vorbildet, vergänglich sind, so konnte auch jener selige Göttertraum nicht dauern. Alles bloß keimliche Leben ist an sich selbst voll Sehnsucht und verlangt aus der stummen wirkungslosen Einheit in die ausgesprochene wirkende erhoben zu werden. So sehnsüchtig sehen wir die ganze Natur, so inbrünstig saugt die Erde Himmelskraft an sich, so strebt das Samenkorn nach Licht und Luft, um sich einen Geist zu ersehen, so wiegt sich die Blume im Sonnenstrahl, um ihn als feurigen Geist, als Farbe widerzustrahlen. Eben also jenes spielende Leben, und je höher es sich entfaltet, desto inniger ruft es das Unsichtbare an, daß es sich seiner annehme, sich anziehe und erkenne als sein eigen, und die an der Kette der Wesen wie in einer Tonleiter auf- und absteigende Weisheit klagt verlassen das Loos ihrer Geschöpfe, und daß die Kinder ihrer Lust nicht bleiben, sondern in immerwährendem Ringen sind und im Ringen wieder vergehen.
Diese stets wiederholte, immer wiederbeginnende Bewegung der ewigen Natur läßt sich daher ansehen als eine unablässige Theurgie. Sinn und Zweck aller Theurgie ist kein anderer, als die Gottheit herabzuziehen gegen das Untere (coelo deducere numen), gleichsam die leitende Kette herzustellen, durch die sie vermocht würde, in die Natur zu wirken.
Schon haben wir gesehen, wie die von unten aufsteigende Bewegung auf die Seele des Ganzen (A3) sich fortgepflanzt, indem das Mittlere (A2) sie gegen Sich und dadurch vom Höchsten abzieht. Unstreitig nur, wenn das, was der lauteren Gottheit unmittelbares Seyn ist, von ihr abgezogen wird, fühlt sie es als solches; wie wir, was untrennlich mit uns eins scheint, haben als hätten wir’s nicht, wird es uns aber entzogen, dann erst empfinden als das unsere. Aber daraus folgt nicht, daß die Gottheit nun vermocht werde oder gar genöthigt sich zu äußern oder das Seyn an sich zu ziehen: wäre dieß, dann wäre sie nicht die ewige Freiheit
Bis jetzt wurde die naturlose Gottheit betrachtet als Wille, der nicht will, und so konnte sie auch immer angesehen werden, da sie sich auf jeden Fall gegen das Seyn als eine solche verhielt. Aber eben weil sie diese höchste Lauterkeit ist, und ohne Aufhebung derselben, verhält sie sich gegen anderes (gegen das Seyn) nothwendig auf entgegengesetzte Weise. Dieses also klar zu machen, ist jetzt die nächste Forderung.
In der lauteren Gottheit ist kein Werden; sie bleibt, was sie ist, in sich; aber eben in diesem Bleiben ist sie gegen das äußere Seyn nothwendig zweierlei. Denn inwiefern sie das an sich selbst weder Seyende noch Nichtseyende ist, verneint, sie durch ihr Wesen, ihre Natur schon, alles äußere Seyn, freilich vorerst nur stillschweigender Weise, kommt aber ein solches Seyn zu ihr hinzu, und wird ihr angemuthet es zu erkennen, dann nothwendig auch ausdrücklicher oder thätiger Weise. Sie ist schon immer das Nein alles äußeren Seyns; nur daß sie jetzt als solches wirkt, offenbar wird, macht das äußere Seyn. Nur der Bezug wird gegeben, in dem sie als das, was sie ist, auch erscheint. Es ist ein Werden, aber nicht ein Werden in Ansehung ihrer selbst, sondern nur in Beziehung auf das Seyn. Alles Werden überhaupt ist von der lauteren Gottheit nur im Verhältniß (σχετικῶς
, wie die alten Theologen sagen), nicht schlechthin oder in Ansehung ihrer selbst zu nehmen.
Unmittelbar also, mit dem Bezug des äußeren Seyns zu ihr, ohne Wandel oder Veränderung in ihr selbst, ist sie gegen dasselbe verzehrendes Nein, ewige Zornes-Kraft, die kein Seyn außer sich duldet. Umgekehrt also läßt sich auch sagen: diese Zornes-Kraft ist nicht bloß eine Eigenschaft, ein Princip oder Theil von ihr, sondern die ganze Gottheit, sofern sie in Sich besteht und das wesentlichste Seyn ist; denn es ist von selbst klar, daß dieses wesentliche Seyn ein allem andern unnahbares ist, unwiderstehliche Schärfe, ein Feuer, in dem nichts leben kann. Da sie jedoch als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende gegen das äußere Seyn nothwendig verzehrendes Nein ist, so muß sie, wohl zu merken, dieß vorausgesetzt, zwar nicht mit gleich ursprünglicher Nothwendigkeit, aber jenes vorausgesetzt doch nothwendig (denn sonst wäre sie — nicht der Wille, der nicht will, sondern — der nichts wollende, verneinende Wille, also bestimmter Wille) sie muß also nothwendig auch ewiges Ja seyn, bekräftigende Liebe, Wesen aller Wesen. Sie ist dieß ohne Wandel oder Wechsel in ihr selbst, nicht weil ihre Lauterkeit aufgehoben, sondern eben weil sie diese höchste Lauterkeit und Freiheit ist. Sie ist es ohne alle Bewegung, in der tiefsten Ruhe, unmittelbar durch sich selbst. Hinwiederum also ist auch diese Liebe nicht eine Eigenschaft, ein Theil oder ein bloßes Princip von ihr, sondern sie selbst, ganz und ungetheilt.
Aber eben weil sie die ganze und ungetheilte, das ewige Ja und das ewige Nein ist, ist sie auch wieder weder das eine noch das andere, und die Einheit beider. Es ist hier keine eigentliche Dreiheit außereinander befindlicher Principien, sondern die Gottheit ist, als das Eins, und eben weil sie das Eins ist, sowohl das Nein, als das Ja und die Einheit von beiden.
In diesem Ja und jenem Nein liegt jene Abstoßung und Anziehung, die wir früher als zum Bewußtseyn nothwendig gefordert. Als Nein ist die Gottheit ein an- und in sich ziehendes Feuer; als das Ja aber ist sie Ursache jenes liebevollen Abhaltens, wodurch in der Einheit die Zweiheit erhalten wird, und in diesem Anziehen und Abstoßen steigert sie sich zur Einheit von beiden, d.h. zum höchsten Bewußtseyn.
Eben weil die ewige Freiheit, kann sie sich gegen das Seyn nur als Nein, als Ja, und als Einheit beider verhalten. Denn es muß ausdrücklich erinnert werden, daß diese Unterschiede keine Unterschiede des Wesens, sondern nur des Verhaltens, der Beziehung des Einen Wesens gegen das Seyn sind. Aber auch umgekehrt, nur weil sie gegen das Seyn sich so verhält, ist sie die ewige Freiheit. Wäre sie bloß Ja oder Nein, so müßte sie sich auf eine oder andere Weise des Seyns annehmen, es bejahen oder verneinen. Daß sie beides ist, und beides gleich wesentlich, das eben macht, daß sie die höchste Freiheit ist. Dieß alles mußte seyn, damit nie ein nothwendiger Grund der Welt gefunden werde, und offenbar hervorleuchte, daß alles, was ist, nur durch den allerfreiesten göttlichen Willen sey.
Hier ist also auch der Wendepunkt zwischen Nothwendigkeit und Freiheit. Bis hieher war der Fortschritt des Lebens ein nothwendiger; schreitet es von jetzt an fort, so ist dieß nur vermöge eines freien göttlichen Entschlusses. Die Gottheit kann in jenem Gleichgewicht zwischen Anziehen und Abstoßen ruhig beharren; nichts nöthigt sie, es aufzuheben, oder auf die eine oder andere Art aus ihr herauszutreten.
Wenn also die Gottheit des Seyns sich angenommen, sich thätlich durch es geoffenbart (wie wir denn als wirklich geschehen erkennen müssen), so konnte der Entschluß dazu nur aus der höchsten Freiheit kommen.
Aber gesetzt nun, daß sie des Seyns sich wirklich angenommen, wie, auf welche Art konnte sie es doch? Sollte sie es in sich ziehen, verneinen als von ihr unabhängiges, äußeres Seyn, oder es bejahen in der Unabhängigkeit von sich? Weder in jenem noch in diesem Fall offenbarte sie Sich als das, was sie ist, als das gleich-ewige Nein und das gleich-ewige Ja. Und doch konnte, wenn sie frei beschloß sich zu offenbaren, der Zweck ihrer Offenbarung kein anderer seyn, denn sich zu offenbaren als die, die frei war sich zu offenbaren und sich nicht zu offenbaren, als die ewige Freiheit selbst.
Unmöglich also war, daß sie als das ewige Nein wirkend wurde, wenn nicht auch als das ewige Ja und umgekehrt, und doch ist eben so unmöglich, daß ein und dasselbe als Ja und als Nein seyend sey; schlechterdings nothwendig ist, daß die Gottheit sich entscheide, entweder das eine zu seyn, und dann das andere nicht zu seyn, oder dieses zu seyn, und dann nicht jenes.
Hier ist also der höchste denkbare Widerspruch, der nicht etwa dadurch auszugleichen ist, daß Gott als eins von beiden (als Ja oder als Nein) schon von Natur untergeordnet sey, und also gegen das andere das Verhältniß des nicht-wirkenden annehmen könne. Denn Gott ist gleich wesentlich beides; er muß also auch schlechterdings als beides wirkend seyn.
Wie ist dieser Widerspruch auszugleichen? Unstreitig nur durch nähere Bestimmung. Wenn Gott als das ewige Nein wirkend, seyend ist (existirt), so kann er nicht als das ewige Ja auch wirkend seyn, oder kürzer, und um auch hier die schon gewohnte Bezeichnung nur im höheren Falle anzuwenden: Wenn B seyend ist, kann A nicht seyend seyn, nämlich als dasselbe, als welches B seyend ist, d.h. nach der Voraussetzung als Vorausgesetztes, Vorangehendes, was aber nicht verhindert, daß A seyend ist als Folgendes, und so auch umgekehrt, wenn A seyend ist (was bis jetzt nicht entschieden ist, was nur angenommen wird, im Fall also, daß A seyend ist), kann B nicht seyend seyn als dasselbe, nämlich als zuerst und jetzt seyendes, was aber nicht verhindert, daß es als folgendes, künftig seyendes sey.
Doch ist es daran nicht genug, daß wenn B oder A seyend ist, dann A oder B seyend seyn können, sondern, weil Gott beides gleich wesentlich, muß das Verhältniß von der Art seyn, daß Gott als das eine gesetzt, dann eben darum und nothwendig auch als das andere gesetzt ist, nur daß die Existenz des einen Grund der Existenz des andern ist. Allgemein ausgesprochen also löst sich das Verhältniß des Widerspruchs durch das des Grundes, wornach Gott als das Nein und als das Ja seyend ist, aber das eine ist als Vorausgehendes, als Grund, das andere als Folgendes, Begründetes.
Dabei bleibt aber immer, daß, wenn das eine seyend ist, das andere nicht als dasselbe seyend seyn kann, d.h. es bleibt, daß beide sich der Zeit nach ausschließen, oder daß Gott als das Ja und Gott als das Nein nicht das Seyende derselben Zeit seyn können. Wir drücken uns absichtlich so aus, denn das Verhältniß kann nicht etwa von der Art seyn, daß wenn das Folgende, etwa A, seyend ist, dann das Vorangehende, also B, aufgehoben würde, oder schlechthin aufhörte das Seyende zu seyn; immer und nothwendig vielmehr bleibt es das Seyende seiner Zeit, und A gesetzt, muß B noch immer nur als Vorangehendes bestehen, dergestalt also, daß sie in verschiedenen Zeiten dennoch zumal sind. Denn verschiedene Zeiten (ein Begriff, der, wie viele andere, der neueren Philosophie gänzlich abhanden gekommen) können als die verschiedenen wohl zumal seyn, ja genau zu reden, sind sie nothwendig zumal. Die vergangene Zeit ist keine aufgehobene Zeit; das Vergangene kann freilich nicht als ein Gegenwärtiges, wohl aber muß es als ein Vergangenes mit dem Gegenwärtigen zumal seyn; das Zukünftige ist freilich nicht als ein jetzt Seyendes, wohl aber ist es mit dem Gegenwärtigen als ein zukünftig Seyendes zumal, und es ist gleich ungereimt, das Vergangen-seyn wie das Zukünftig-seyn als ein völliges Nichtseyn zu denken.
So ist es also nur der Widerspruch in der höchsten Steigerung, der die Ewigkeit bricht und statt der Einen Ewigkeit eine Folge von Ewigkeiten (Aeonen) oder Zeiten setzt. Aber eben diese Folge von Ewigkeiten ist es, was wir insgemein die Zeit nennen. In dieser Entscheidung also schließt sich Ewigkeit in Zeit auf.
Bei jenem früheren Widerspruch im ersten Nothwendigen Gottes war eine solche Entscheidung unmöglich. Denn dort war kein Wesen, das frei war, ganz das eine (z.B. B) zu seyn, und das andere nicht zu seyn. Dort war blinde Nothwendigkeit und alle Kräfte schon in Wirkung. Dort kam es darauf an, die in einem beständigen Umlauf sich gegenseitig verdrängenden und ausschließenden Kräfte aus dem Nacheinander zur Simultaneität zu bringen, welches nur möglich war, indem sie alle gemeinschaftlich gegen ein Höheres zum Aussprechlichen, zur Totalität ersanken. Hier dagegen ist die Rede von dem höchsten Selbst der Gottheit, das nie gegen anderes zum Seyn werden kann. In jeder seiner Gestalten (man erlaube diesen Ausdruck), als Ja, als Nein und als Einheit beider, kann es nur seyend, wirkend seyn, welches bei dem entschiedenen Widerspruch zwischen Ja und Nein nur durch den Begriff verschiedener Zeiten sich denken läßt. Hier also kommt es vielmehr darauf an, daß die Simultaneität zwischen den verschiedenen Gestalten aufgehoben und in eine Folge verwandelt werde.
So viel nun von dem, was geschehen müßte, wenn Entscheidung erfolgen sollte; aber das Wie? ist damit noch nicht erklärt.
Zwar auch im Allgemeinen schon und ohne noch die tieferen Gründe entwickelt zu haben, ist nicht zweifelhaft, was der Anfang oder das Erste seyn werde, ob Gott als das ewige Nein, oder als das ewige Ja. — Denn es ist hier die Rede von der Geburt Gottes auch dem höchsten Selbst nach, oder inwiefern er die ewige Freiheit ist. Nun ist Gott zwar eben als diese Freiheit das ewige Nein alles äußeren Seyns, aber er ist es nicht freier-, sondern nothwendigerweise. Diese Verneinung des äußeren Seyns ist von oder an der ewigen Freiheit selber wieder das Nothwendige. Aber nicht das Nothwendige, das Freie von Gott (d.h. von der ewigen Freiheit) ist das, was eigentlich geboren werden soll. Also kann sich das Nothwendige nur als Grund dieser Geburt und demnach als Vorausgehendes in derselben verhalten. Ueberall hat sich uns das Nothwendige als das Erste (Prius), Freiheit als das Folgende bewährt, oder, was dasselbe sagen will, die Freiheit erscheint überall siegend über die Nothwendigkeit. Wäre Gott zuerst als das Ja des äußeren Seyns und dann als das Nein, so würde im Gegentheil das Nothwendige über das Freie siegen; es wäre ein völlig rückgängiger Proceß. Bei der entgegengesetzten Folge aber wäre ein Fortschreiten von Finsterniß in Licht, von Tod in Leben.
In demselben Akt also, da Gott sich zur Offenbarung entschloß, wurde zugleich entschieden, daß Gott als das ewige Nein Grund der Existenz des ewigen Ja seyn sollte; es wurde eben damit zugleich bestimmt, daß Gott als die ewige Verneinung des äußeren Seyns überwindlich seyn sollte durch die Liebe.
Nun läßt sich aber überall in der Gottheit kein Zwang denken, alles muß auf höchster Freiwilligkeit beruhen. Also kann Gott, sofern er das ewige Nein ist, nicht überwältigt, nur durch Güte bezwungen werden, daß er der Liebe nachgibt, Sich zu ihrem Grund macht. So müssen wir uns den Hergang vorstellen, und doch läßt sich dieß nicht als wirklich vorgegangen denken. Denn noch ist Gott als das Ja, als das Nein und als die Einheit beider nur eins; es sind keine geschiedenen Persönlichkeiten. Also kann man sich das alles nur wie im Blitz geschehen denken, da es als ein Geschehenes inbegriffen ist, ohne doch wirklich (explicite) geschehen zu seyn. Vergleichbar ist diese aus der innigsten Einheit kommende Ent-Schließung nur jener unbegreiflichen Urthat, in der sich zuerst die Freiheit eines Menschen entscheidet. Von dem Menschen, der zweifelt, eines oder das andere ganz zu seyn, sagen wir, daß er charakterlos ist; von dem Entschiedenen, in dem sich ein bestimmtes Aussprechendes des ganzen Wesens kund gibt, sagen wir, daß er Charakter hat. Und doch ist anerkannt, daß keiner sich nach Gründen oder Ueberlegung seinen Charakter gewählt hat; er war nicht mit sich selbst zu Rath gegangen; gleichwohl beurtheilt jeder diesen Charakter als ein Werk der Freiheit, gleichsam als eine ewige (nie aufhörende, beständige) That. Mithin erkennt das allgemeine sittliche Urtheil in jedem Menschen eine Freiheit, die sich selbst Grund, sich selbst Schicksal und Nothwendigkeit ist. Aber eben vor dieser abgründlichen Freiheit erschrecken die meisten, wie sie vor der Nothwendigkeit erschrecken, eins oder das andere ganz zu seyn, und wo sie einen Strahl von ihr sehen, wenden sie sich ab wie vor einem alles sehrenden Blitz, und fühlen sich niedergeworfen von ihr als einer Erscheinung, die aus dem Unaussprechlichen kommt, aus der ewigen Freiheit, aus dem, da gar kein Grund ist.
Das ist unbedingte Freiheit, die nicht für die einzelne That, die ein Vermögen ist, von Widersprechenden das eine oder das andere ganz zu seyn.
In einem und demselben untheilbaren Akt mußte erkannt werden, daß, wenn Gott sich offenbaren wollte, er sich nur als ewiges Nein, als ewiges Ja und als Einheit beider offenbaren könne; in demselben wurde erkannt, daß diese Offenbarung nur nach Zeiten oder in einer Folge geschehen könne, und daß eben das zum Anfang gesetzt werden müsse, das so eben überwunden worden, das Nothwendige von der Freiheit Gottes, das Nein alles äußeren Seyns und insofern aller Offenbarung (denn ohne Ueberwindung ist kein Anfang): dieß alles war enthalten in einer und derselben Entschließung, zugleich der freiesten und unwiderstehlichsten, durch ein Wunder der ewigen Freiheit, die nur sich selbst Grund, also ihre eigne Nothwendigkeit ist.
So viel mag von dem Hergang der großen Entscheidung gesagt werden, in der Gott als das ewige Nein, die ewige Strenge und Nothwendigkeit, zum Anfang seiner eignen Offenbarung gesetzt worden.
Von nun an beginnt die Geschichte der Verwirklichung oder der eigentlichen Offenbarungen Gottes. Das ewige Seyn, da Gott zuerst im Bezug zu der ewigen Natur seyend wird, nannten wir eine ewige Geburt. Aber Gott war in ihr gesetzt nicht als ein Seyendes, sondern als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende, als das lautere Seynkönnen, als die ewige Freiheit gegen das Seyn, als der, wenn je wirklich, Grund und Anfang seiner Wirklichkeit nur in sich selbst haben würde, und wenn je anfangend, doch kein nothwendig und ewig, sondern frei beginnender seyn würde.
Ohne einen freien Anfang gäbe es keine eigentliche Geschichte der Welt. Die jenen nicht begriffen, konnten auch nicht den Eingang in diese finden.
Es ist jetzt ein gewöhnlicher Gedanke, die ganze Geschichte der Welt anzusehen als eine fortschreitende Offenbarung Gottes. Aber wie kam die Gottheit dazu, oder wie fing sie es an sich zu offenbaren?
Die Antwort: Gott ist ein seiner Natur nach, also nothwendig, sich offenbarendes Wesen (ens manifestativum sui
), ist kurz, aber nicht bündig. Hart ist, was nach gemeinsamem Gefühl immer als Werk des Wohlgefallens und der höchsten Freiwilligkeit angesehen worden, die Schöpfung der Welt als etwas Gezwungenes zu denken. Da wir aber schon im Menschen nur das überschwenglich Freie als sein eigentliches Selbst ansehen, werden wir nicht aus Gott ein bloß nothwendiges Wesen machen, und auch in ihm das unfaßlich Freie als sein eigentliches Selbst betrachten. Aber eben von der Offenbarung dieses höchsten Selbstes der Gottheit ist die Rede. Nun ist ein Freies eben darum frei, daß es sich nicht offenbaren muß. Sich offenbaren ist Wirken, wie alles Wirken ein sich Offenbaren. Dem Freien aber muß frei seyn, innerhalb des bloßen Könnens stehen zu bleiben, oder zur That überzugehen. Ginge es nothwendig über, so würde es nicht als das wirklich, das es ist, nämlich als das Freie.
Die andern aber gehen davon aus, Gott sey Geist und das allerlauterste Wesen. Wie nun aber dieser Geist sich habe offenbaren können, darüber müssen sie freilich bekennen nichts zu wissen, nur daß sie, wie sonst aus der Noth, so aus der Unwissenheit eine Tugend machen. Der Grund dieses nicht Wissens ist klar. Denn wenn die Gottheit eine ewige Freiheit ist zu seyn, sich zu verwirklichen, zu offenbaren, so kann mit dem ewigen Seyn- oder sich-verwirklichen-Können doch nicht schon das wirkliche Seyn oder sich-Verwirklichen gesetzt seyn. Zwischen der Möglichkeit und der That muß etwas seyn, wenn sie freie That seyn soll; dieß begreift auch der gemeinste Verstand. Aber in der lautern Ewigkeit, worin sie Gott denken, ist keine Distanz, kein Vor und Nach, kein Früher und kein Später. Also verliert für sie, die nichts als die lautere Gottheit erkennen wollen, selbst der bloße Gedanke, daß etwas zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit seyn müsse, den Sinn.
Wäre die Gottheit ewig wirklich (in dem hinlänglich bestimmten Sinn für äußerlich offenbar), so wäre sie nicht die Macht sich zu verwirklichen. Da sie aber doch nur aus ihrer freien Ewigkeit heraus sich verwirklichen kann, so muß, damit diese frei und unangetastet bleibe, zwischen der freien Ewigkeit und der That der Verwirklichung etwas seyn, das diese von jener scheidet. Dieses etwas kann nur Zeit seyn, aber nicht Zeit in der Ewigkeit selbst, sondern ihr coexistirende Zeit. Diese Zeit außer der Ewigkeit ist jene Bewegung der ewigen Natur, da sie vom Untersten aufsteigend immer ins Höchste gelangt, und von diesem aufs neue zurückgeht, um wieder aufzusteigen. Nur an dieser Bewegung erkennt sie sich selbst als Ewigkeit; an diesem Uhrwerk zählt und mißt die Gottheit — nicht die eigne Ewigkeit (denn diese ist immer ganz, vollkommen, untheilbar, über alle Zeit und in der Folge aller Zeiten nicht ewiger als auch im Augenblick), sondern nur die Momente der beständigen Wiederholung ihrer Ewigkeit, d.h. der Zeit selbst, welche, wie schon Pindaros sagt, nur das Scheinbild der Ewigkeit
. Denn die Ewigkeit muß gedacht werden, nicht als jenen Momenten der Zeit zusammengenommen, sondern als jedem einzelnen coexistirend, so daß sie in jedem einzelnen wieder nur Sich (die ganze unmeßliche) sieht.
Es ist eine Frage, die so natürlich ist, daß schon die Kindheit sie aufwirft: was denn Gott beschäftiget, eh’ er die Welt erschaffen; aber genau zugesehen, vergehen alle Gedanken bei dem, wenn die Schöpfung freie That seyn sollte, doch nothwendigen Begriff einer Dauer jenes unausgesprochenen Zustandes; da Ewigkeit in sich oder an sich keine, nur die Zeit gegen sie eine Dauer hat, so schwindet jene Ewigkeit vor der Welt unmittelbar zu Nichts, oder, was ebenso viel ist, zu einem bloßen Moment zusammen. Die Lehrer helfen sich gewöhnlich damit, dieser Frage aus dem Weg zu gehen. Aber eben das Unbeantwortetlassen solcher Fragen, die, wie gesagt, schon dem Kind auffallen, ist die Ursache des allgemeinen Unglaubens. Kennten sie die Schrift, sie würden wohl Antwort finden, da diese berichtet, in welch’ traulicher Nähe schon in jenen Urzeiten die Weisheit um und bei Gott gewesen, als sein Liebling selbst in dem süßesten Wonnegefühl sich befunden
, aber auch ihm Ursache von Freude wurde, da er durch sie in jener Zeit die ganze künftige Geschichte, das große Bild der Welt und aller Ereignisse in Natur und Geisterreich voraus erblickte.
Jene Entschließung Gottes, sein höchstes Selbst nach Zeiten zu offenbaren, kam aus der lautersten Freiheit. Eben darum behält Gott Macht, gleichsam Zeit und Stunde dieser Offenbarung zu bestimmen, und das, was ganz Werk seines freiesten Willens war, auch allein nach seinem Wohlgefallen zu beginnen. Die Lehre, daß Gott die Welt in der Zeit erschaffen, ist eine Stütze des ächten Glaubens; hinlänglich wäre die Arbeit dieses Werks belohnt, hätte es auch nur dieß eine begreiflich und verständlich gemacht. Denn da in Gott selbst keine Zeit ist, wie soll er sie in der Zeit erschaffen, wenn nicht eine außer ihm ist? Oder wie wäre eine Bestimmung dieser Zeit möglich, wenn nicht schon vor der Schöpfung eine Bewegung außer Gott ist, nach deren Wiederholung die Zeit abgemessen wird?
Gott seinem höchsten Selbst nach ist nicht offenbar, er offenbart sich; er ist nicht wirklich, er wird wirklich, eben damit er als das allerfreieste Wesen erscheine. Darum tritt zwischen die freie Ewigkeit und die That ein anderes, das seine von jener unabhängige Wurzel hat und ein, obwohl ewig, Anfangendes (Endliches) ist, damit ewig etwas sey, dadurch sich Gott der Kreatur annähern und mittheilen könne, damit die lautere Ewigkeit immer frei bleibe gegen das Seyn, und dieses niemals als ein Ausfluß aus dem ewigen Seyn-Können erscheine, also immer ein Unterschied sey zwischen Gott und seinem Seyn.
In der Wissenschaft werden, wie im Leben, die Menschen überall mehr von Worten als deutlichen Begriffen beherrscht. So erklären sie einerseits unbestimmter Weise Gott als ein nothwendiges Wesen, andererseits ereifern sie sich dagegen, daß Gott eine Natur zugeschrieben werde. Sie möchten sich das Ansehn geben, damit die Freiheit Gottes zu retten; wie wenig aber, oder vielmehr wie gar nichts sie davon verstehen, erhellt aus dem Bisherigen, da ohne eine Natur die Freiheit in Gott nicht von der That geschieden seyn könnte, also nicht wirkliche Freiheit wäre. So verwerfen sie, wie billig, das System einer allgemeinen Nothwendigkeit und zeigen sich doch ebenso eifrig gegen jede Folge in Gott, obschon, wenn keine Folge ist, nur Ein System übrig bleibt, nämlich daß mit dem göttlichen Wesen alles zumal, alles nothwendig ist. Auf diese Art stoßen sie, Blinden gleich, wie man auch im Leben bemerkt, gerade das zurück, was sie (ohne Verstand davon) aufs eifrigste suchen, und ziehen eben das an, was sie doch eigentlich fliehen wollten.
Wer dem Bisherigen mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, muß von selbst wahrgenommen haben, wie in der Seyns- oder Lebens-Annehmung des Höchsten wiederum dieselbe Folge statthat, die zwischen den Principien in der ewigen Natur statthatte. Denn auch hier ist das erste in das Seyn Tretende (das Seyn-Annehmende) ein verneinender, streng nothwendiger Wille, der sich aber zum Grund eines höheren macht; dieser, obwohl nicht eigentlich frei (weil reiner Wille der Liebe), ist doch besonnener Wille; über beiden endlich geht der bewußte und freie auf, der im höchsten Sinne Geist ist, wie in der ewigen Natur das dritte Princip Seele war.
Wir können daher auch diese Folge der Offenbarung als eine Folge von Potenzen ansehen, die das Seyn zu seiner Vollendung durchgeht; ja es wird nöthig seyn, von jetzt an folgenden Unterschied zu machen. Die Kräfte im Seyn, inwiefern sie aufgehört haben sich auszuschließen und aussprechlich geworden sind, haben auch aufgehört Potenzen zu seyn, und wir werden sie daher künftig Principien nennen. Als Potenzen schließen sich Entgegengesetzte nothwendig aus, und wie es unmöglich ist, daß eine Zahl in derselben Zeit in verschiedenen Potenzen sey, wohl möglich aber, daß sie in die zweite gesetzt, dann in einer weiteren Folge zur dritten erhoben werde: so kann auch das Seyende des Seyns in derselben Zeit nur Eines seyn, z.B. verneinende Kraft, was aber nicht verhindert, daß das Seyende desselben Seyns in einer folgenden Zeit ein anderes, ja das gerade Entgegengesetzte von jenem sey. Von nun an also werden wir nun das Seyende einer jeden Zeit mit dem Namen einer Potenz bezeichnen.
Auffallend zwar kann schon im Allgemeinen jene Uebereinstimmung nicht seyn zwischen dem objektiven und dem subjektiven Leben eines Wesens. Was ein Wesen innerlich oder dem Seyn nach ist, muß es auch wieder offenbar oder dem Seyenden nach seyn. Dieselben Kräfte, die in der Simultaneität sein inneres Daseyn ausmachen, dieselben (nicht der Zahl, wohl aber der Natur nach) sind, in einer Folge hervortretend, auch wieder die Potenzen seines Lebens oder Werdens, das Bestimmende der Perioden oder Zeiten seiner Entwickelung.
Das Innere jedes organischen Wesens ruht und besteht in drei Hauptkräften. Die erste (um im bloßen Beispiel kurz zu seyn), wodurch es in sich selbst ist, sich beständig hervorbringt; die zweite, durch die es nach außen strebt; die dritte, welche gewissermaßen die Natur beider vereiniget. Jede derselben ist zum inneren Seyn des Ganzen nothwendig; welche auch hinweggenommen würde, das Ganze wäre aufgehoben. Aber dieß Ganze ist kein stehenbleibendes Seyn; das Wesen als Seyn gesetzt, findet sich unmittelbar ein Seyendes ein. Da aber im Seyenden dieselben Kräfte, die im Seyn sind, und das Seyende jeder Zeit nur Eines seyn kann, so treten jetzt dieselben Kräfte, die im Inneren wirkten (dieselben der Natur nach) äußerlich mit Entscheidung hervor. So in der Succession werden sie die Potenzen seiner äußeren Lebens-Perioden, wie sie in der Simultaneität Principien seines beharrlichen Seyns waren. Dieß ist der Sinn, wenn z.B. gesagt wird, in der ersten Zeit des Lebens herrsche die wachsthümliche, in der folgenden die bewegende, endlich die empfindliche Seele. Dasselbe ist der Sinn, wenn z.B. gesagt wird (mit welchem Grund, untersuchen wir nicht), die Urzeit im Leben der Erde sey die magnetische gewesen, von der sie in die elektrische übergetreten, obschon bekannt ist, daß zum inneren Bestand der Erde in allen Zeiten alle diese Kräfte erfordert wurden.
Die Folge der Potenzen (dieß Wort in dem einmal festgesetzten Sinne genommen) verhält sich also auch als eine Folge von Zeiten. Dieses Gesetz allein ist fähig, den Organismus der Zeiten aufzuschließen.
Durch dieses erst stellt sich die rechte Hoheit des Gegensatzes dar, und wie er mit der Einheit gleich unbedingt ist. Diese bleibt (obwohl zum Zusammenhang gemildert) im Seyn herrschend, aber im Seyenden erscheint die unüberwindliche Freiheit des Gegensatzes und wie er die Einheit sich selbst wieder unterordnet.
Nur durch seinen Willen existirt der Ewige, nur durch freie Entschließung macht er sich zum Seyenden des Seyns. Aber dieß vorausgesetzt, war er in Ansehung der Folge seiner Offenbarung gebunden, ob es gleich bei ihm stand sich nicht zu offenbaren. Der Entschluß Sich zu offenbaren und sich selbst als das ewige Nein überwindlich zu setzen war nur ein und derselbe Entschluß. Darum ist dieser wie ein Werk der höchsten Freiheit, so auch ein Werk der höchsten Liebe. Das in der Offenbarung Vorausgehende ist keineswegs das an sich Untergeordnete, wohl aber wird es als solches gesetzt; das ihm Folgende ist nicht an sich wirklicher, göttlicher, aber freiwillig als das Höhere gegen jenes erkannt. Die Priorität steht im umgekehrten Verhältniß mit der Superiorität, Begriffe, welche zu verwechseln nur der Blindheit im Urtheilen möglich ist, die unsere Zeiten auszeichnet.
Hier schließen sich auch die gewöhnlichen Begriffe wieder an. Entäußerung, Herablassung ist nach allgemeiner Lehre die Schöpfung. Der Ewige macht nicht das an sich Ueberwindliche oder Geringere von sich selbst, sondern was er freiwillig als solches ansieht, ansehen will, das, worin er die allerstärkste und innerlichste Kraft ist, zum Anfang. Unüberwindlich, wenn sie innerlich blieb, wird sie überwindlich, indem er sich in ihr zum Seyenden des Seyns macht.
Der verneinende, einschließende Wille muß in der Offenbarung vorausgehen, damit Etwas sey, das die Huld des göttlichen Wesens, die sich sonst nicht zu offenbaren vermöchte, stütze und emportrage. Stärke muß seyn eher denn Milde, die Strenge vor der Sanftmuth, der Zorn zuerst, dann die Liebe, in welcher selbst erst das Zornige eigentlich Gott wird.
Wie in dem nächtlichen Gesicht, da der Herr vor dem Propheten überging, erst ein mächtiger Sturm kam, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, nach diesem ein Erdbeben, endlich ein Feuer, der Herr selbst aber in keinem von dem allem war, sondern ein stillsanftes Sausen folgte, darin Er war
, so muß in der Offenbarung des Ewigen Macht, Gewalt und Strenge vorausgehen, bis im sanften Wehen der Liebe erst er selbst als Er Selbst erscheinen kann.
Alle Entwickelung setzt Einwickelung voraus; in der Anziehung ist der Anfang und die contrahirende Kraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft alles Lebens. Jedes Leben fängt von Zusammenziehung an; denn warum schreitet alles vom Kleinen ins Große, vom Engen ins Weite fort, da es auch umgekehrt seyn könnte, wenn es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre.
Dunkelheit und Verschlossenheit ist das Eigenthümliche der Urzeit. Je höher wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto mächtigere Zusammenziehung. So in den Gebirgen der Urwelt, so in den ältesten Bildungen auch des Menschengeistes. Derselbe Charakter von Verschlossenheit kommt uns in dem stummen Ernst des Aegypters, in den Riesendenkmälern Indiens, die für keine Zeit, für die Ewigkeit gebaut scheinen, ja selbst noch in der stillen Größe der erhabenen Ruhe der ältesten hellenischen Werke entgegen, die, obwohl gemildert, noch die Kraft jenes gediegenen Weltalters an sich tragen.
Von jetzt an also betreten wir den Weg der Zeiten. Der Widerspruch ist entschieden durch überschwengliche That, ähnlich der, worin sich der Mensch entscheidet, das eine oder das andere ganz zu seyn. Von nun an ist Gott nur Eines; nur Verneinung gegen das Seyn. Als diese verneinende Kraft ist Gott ein das Seyn in sich ziehendes Feuer, das also das Angezogene ganz mit sich eins macht. Bis jetzt bestand noch Zweiheit; es war Allheit und Einheit, aber beide sind jetzt selbst zu Einem Wesen verschmolzen. Das An- oder Eingezogene ist die ewige Natur, das All; das An- oder Einziehende ist eins; das Ganze also, das wir zur Veranschaulichung durch (€\frac{A^3}{A^2=(A=B)}€) B bezeichnen können, ist das Eins und All (ἓν καὶ πᾶν) in inniger Verbindung. Hiebei darf aber nicht übersehen werden, daß das Eins oder die in sich ziehende Potenz gegen die Natur eine höchst geistige Kraft, ja lauterer Geist ist, obwohl nicht mit Freiheit und Besonnenheit wirkender; denn die verneinende Kraft, welche Gott seiner Lauterkeit wegen gegen das Seyn ist, ist er, wie gezeigt, nicht nach seiner Freiheit, sondern nach der Nothwendigkeit seiner Natur. In jener ursprünglichen Ungeschiedenheit, da ein und dasselbe als ein und dasselbe ewiges Ja und ewiges Nein war und über beiden besonnener Geist, da war auch jene Strenge und Nothwendigkeit des göttlichen Wesens mit zur Besonnenheit und zum Bewußtseyn erhoben. Nun sich Gott entschieden bloßes Nein zu seyn, tritt er in seine blinde, finstre Natur, die in ihm verborgen war und nur durch die Scheidung offenbar werden konnte. So ist also jetzt das Leben auf die Stufe blinder Nothwendigkeit zurückgetreten, das im vorhergehenden Moment zur Freiheit und Besonnenheit erhoben war? Wie reimt sich aber dieß Zurücksinken mit der behaupteten Unmöglichkeit jeder rückgängigen Bewegung? Wer sich diese Frage wohl löst, wird noch manche andere, auch in der Geschichte der Natur und der Menschheit, wohl zu lösen verstehen. Nothwendig ist, so oft das Leben in eine neue Epoche tritt, daß es wieder einen Anfang mache, wo denn unvermeidlich ist, daß dieser Anfang oder diese erste Stufe der neuen Epoche gegen die letzte und höchste der vorhergegangenen als ein Rückschritt erscheine: Potenz mit Potenz verglichen, steht die folgende tiefer als die vorhergehende, weil diese in ihrer Zeit nothwendig eine höhere Potenz als jene in der ihren; aber Zeit mit Zeit, Epoche mit Epoche verglichen, steht jene entschieden höher. Solche scheinbare Rückgänge sind also in der Geschichte des Lebens nothwendig.
Es ist in der gegenwärtigen Einheit etwas mit der Natur verbunden, das in dem Vorhergehenden nicht mit ihr verbunden war, nämlich das Wesen jenes allerlautersten Geistes, obschon dieser nur als in sich ziehende Sucht und Begierde, d.h. als Natur, (doch mehr als innere blinde Naturkraft) wirkt und so für sich wieder den Anfang macht eines höheren Lebens.
Wenn wir uns nun unter Gott nur die allerhöchste Freiheit und Besonnenheit denken können, so ist dieser, obschon lauterste, doch nur als Natur wirkende Geist allerdings nicht Gott zu nennen. Wäre er (B) Gott, so würde die ganze Einheit sich verhalten als der jetzt vollkommen verwirklichte Gott.
Wenn sie denn nicht Gott ist, was ist sie denn?
Wir haben gezeigt, wie die lautere Gottheit untheilbarer Weise ewiges Ja und ewiges Nein ist und die freie Einheit beider, woraus von selbst folgte, daß sie ewiges Nein =B seyn kann, nur inwiefern sie als solches zugleich Grund von Sich als ewigem Ja ist. Daraus ergibt sich dann nothwendig auch das Umgekehrte, daß sie als B oder ewiges Nein nur insofern Gottheit ist, als sie zugleich A, d.h. Sich selbst als ewiges Ja setzt. Es ist hier ganz dasselbe Verhältniß, das auch nach der christlichen Lehre in Gott ist; da die erste Persönlichkeit nur Gott ist als Vater, oder inwiefern sie Vater, d.h. inwiefern zugleich der Sohn ist, und so hinwiederum die zweite Persönlichkeit nur Gott, inwiefern sie Sohn, d.h. inwiefern auch der Vater ist.
Nun ist aber jetzt, d.h. in dem eben festzuhaltenden Moment, die verneinende Kraft =B noch keineswegs das Setzende von A. Wir freilich, in Folge der früher gewonnenen Einsicht, wissen, daß Gott gegen das Seyn nur verneinende Kraft ist, um Sich Selbst, als ewiger Liebe, Grund zu machen. Aber diese verneinende Kraft kennt sich selbst, also auch ihr eigen Verhältniß nicht; nicht die Freiheit des Entschlusses, kraft welches sie das allein Wirkende ist. So mußte es seyn; dieß höhere Leben wieder in Bewußtlosigkeit seiner selbst versinken, damit ein wahrer Anfang sey. Denn gleichwie es im Menschen Gesetz ist, daß jene allen einzelnen Handlungen vorausgehende, nie aufhörende Ur-That, durch die er eigentlich Er Selbst ist, gegen das über ihr sich erhebende Bewußtseyn in unergründliche Tiefe hinabsinkt, damit ein nie aufzuhebender Anfang, eine durch nichts erreichbare Wurzel der Realität sey: so tilgt auch jene Urthat des göttlichen Lebens in der Entscheidung das Bewußtseyn von ihr selbst, das dem, welches in ihr zum Grund gesetzt worden, nur in der Folge wieder durch höhere Offenbarung eröffnet werden kann. Nur so ist wahrer Anfang, Anfang, der nicht aufhört Anfang zu seyn. Der Entschluß, der in irgend einem Akt einen wahren Anfang machen soll, darf nicht vors Bewußtseyn gebracht, zurückgerufen werden, welches mit Recht schon so viel bedeutet als zurückgenommen werden. Wer sich vorbehält, einen Entschluß immer wieder ans Licht zu ziehen, macht nie einen Anfang. Darum ist Charakter Grundbedingung aller Sittlichkeit; Charakterlosigkeit schon an sich Unsittlichkeit.
Auch hier gilt: der Anfang darf sich selbst nicht kennen; welches so viel heißt: er darf sich selbst nicht kennen als Anfang. Nichts ist oder erkennt sich gleich anfänglich bloß für Grund oder Anfang. Was Anfang ist, muß sich nicht als Anfang, sondern als Wesen (um seiner selbst willen Seyendes) ansehen, um wahrer Anfang zu seyn.
Also erkennt sich auch jene Verneinungskraft, als die Gott jetzt allein wirkend ist, nicht als Grund, als Setzendes des ewigen Ja. Nicht nur, daß sie dieses nicht setzt, sie muß A (folglich auch die höhere Einheit, die Geist ist) bestimmt verneinen, ausschließen und völlig verdrängen aus der Gegenwart. Es ist in ihr jene nichts duldende Zornes-Kraft, die der eifernde jüdische Gott gegen andere Götter äußert
. In dieser Ausschließung und Einsamkeit muß sie auch bleiben, bis ihre Zeit erfüllt ist, und mit voller Macht darauf halten, damit eben das Leben zur höchsten Herrlichkeit erhöht werde.
Sie verdrängt, sagten wir, den Willen der Liebe und den des Geistes, doch nur aus der Gegenwart. Sie setzt diese als nicht seyend, darum eben keineswegs als nichtseyend, sondern als zukünftig und als solche allerdings auch als (nur im Verborgenen) seyend.
Diese Verneinungskraft ist also nur der Möglichkeit, aber noch nicht der Wirklichkeit nach das Setzende des ewigen Ja, d.h. sie ist auch nur der Möglichkeit, nicht der Wirklichkeit nach Gott. Mithin ist auch die ganze Einheit noch nicht der wirkliche oder verwirklichte Gott.
Was ist sie denn also? Antwort: Sie ist der ewige Keim Gottes, der noch nicht ein wirklicher Gott, sondern nur ein Gott den Kräften nach ist; sie ist also der Stand der Möglichkeit (der Potentialität), in den sich Gott selbst freiwillig gesetzt hat, und der nothwendig vor dem wirklichen (in der Wirklichkeit geoffenbarten) Gott hergehen muß, wenn anders in dieser Offenbarung oder Geburt Gottes in die Wirklichkeit ein Werden, eine Folge, eine Stufenmäßigkeit seyn soll.
Also, werden vielleicht einige sagen, ist so lange gar kein Gott. Mit nichten! Denn der Möglichkeit nach (offenbar zu werden) ist ja schon der ganze Gott. Die jetzt wirkende verneinende Potenz ist die Kraft (d.h. die Möglichkeit) die bejahende zu setzen; diese, so wie die höhere Einheit, ist zwar nicht als seyend, aber als nicht seyend (als zukünftig) allerdings gesetzt. Nun wird niemand behaupten wollen, was als ein Mögliches oder nach der bloßen Möglichkeit ist, sey darum überall nicht; es ist ja, nur eben im Stande der Möglichkeit. Auch hier muß der früher dargestellte Unterschied zwischen nicht-seyend-Seyn und zwischen Nichtseyn nur im höheren Fall geltend gemacht werden. »Also ist Gott nicht«, kann zweierlei heißen. Gott ist nichtexistirend; dieses wird zugestanden und behauptet. Gott ist überall nicht, oder er ist schlechthin nichtexistirend; dieses wird geleugnet; denn Gott ist ja eben auch darin, daß er nicht seyend ist, er ist nur als nicht seyend, im Stand der Einwickelung (implicite, in statu involutionis), welchen, als Uebergang (Mittel) der eigentlichen Offenbarung, der Gottheit unwürdig wenigstens die nicht ansehen dürften, welche nach den Worten der Schrift Gott die Macht zuschreiben, auch noch im geordneten Lauf der Dinge sich zurückzuziehen, sein Angesicht, d.h. sein eigentliches Selbst, zu verbergen
, also wieder für eine Zeitlang in einen Zustand von Involution zurückzutreten, in gewissen Fällen als bloße Natur, nicht nach seinem innersten Selbst und Herzen zu wirken.
Zu wiederholen, daß hier überall nicht von dem wesentlichen Seyn Gottes (von seinem Seyn außer und über der Natur), sondern nur von der Existenz, d.h. nach unserem Sprachgebrauch äußeren Offenbarung, der ja schon durch ihren Bezug zur ewigen Natur als seyend gesetzten Gottheit die Rede ist, will uns, da es ja durch den Lauf der ganzen Geschichte bis hieher ohnehin klar genug und auch ausdrücklich erklärt ist, fast unnöthig dünken.
Ueberhaupt kann in dieser ganzen Sache nichts Schwieriges noch Verfängliches selbst für den Aengstlichsten liegen, der nur diese Begriffe und die jedesmal hinzugefügten Bestimmungen in ihrer Schärfe faßt und sich völlig verdeutlicht. Dazu gehört freilich reine Absicht, ernstliches Wollen und redliche Bemühung, die freilich in Zeiten schwer zu erwarten ist, wo einerseits die bequeme Lehre, daß man nichts wissen könne, die meisten alles schärferen Denkens entwöhnt hat, andererseits die nach Höherem streben, in einer Sache, die zum Theil auf den leisesten und zartesten Einschränkungen beruht, mit dem bloßen Materiellen der überall her zusammengerafften Ideen sich begnügen zu können glauben, aber freilich darüber zum Theil in solche Ungeheuerlichkeiten gerathen sind.
Je wichtiger indeß die ganze oben vorgetragene Ansicht ist, desto mehr versuchen wir, sie auch noch von einer andern Seite ins Licht zu setzen.
Es kann nämlich die Frage entstehen, was denn nun durch jene verneinende Kraft eigentlich verneint werde. Unstreitig doch nur, was durch den vorhergehenden Moment gesetzt war, die Unabhängigkeit des Seyns, das Außereinander und die Abgezogenheit der Kräfte. Nun kann doch durch dieses Verneinen jene freie Bewegung der Natur nicht rückgängig gemacht werden. Also wird durch die anziehende Kraft nur verneint, was in anderer Hinsicht schon gesetzt ist. Es ist auch hier Indifferenz, Ungeschiedenheit, aber wirkende, nicht eine von aller Differenz freie, sondern eine sie verneinende. Aber verneint wird doch nur die Geschiedenheit und gegenseitige Freiheit, also werden die, deren Geschiedenheit verneint ist, als Ungeschiedene bejaht, und jene Kraft, die das Neue aller Freiheit, ist das Bejahende des Ganzen in der Nichtfreiheit; da sie jedoch nur verneinen kann, was da ist, so erkennt sie durch die Verneinung die Geschiedenheit an und bejaht sie im Verneinen.
Hiedurch ist zuvörderst klar, wie die verneinende Kraft eben durch das Verneinen sich des Seyns annehme, es eben im Verneinen setze als das ihre.
Wie nun durch das Verneinen der Geschiedenheit doch aber diese auch wieder gesetzt ist, so muß alles, was ohne die Verneinung wirklich oder ausgewickelter Weise (explicite) gesetzt seyn würde, durch die Verneinung doch ebenfalls nur eingewickelter Weise (implicite) gesetzt seyn.
Unstreitig nun, wenn die Gottheit sich des Seyns annähme und zugleich die Geschiedenheit bestände, wäre dieß die entwickeltste, ausgesprochenste Existenz. Denn alsdann gelangt ein Geist zur Fülle seiner Existenz, wenn er eine lebendige Seele (A3) zum unmittelbaren Subjekt hat, diese aber wieder in einem äußeren geistig-leiblichen Wesen ihr Gegenbild hat. Nun ist dieß freie Verhältniß nicht bejaht, sondern verneint, aber es ist eben damit verneinter oder eingewickelter Weise gesetzt. Wir können daher sagen, die oben bezeichnete Einheit sey wenigstens eingewickelter Weise das erste wirkliche Daseyn Gottes. Aber setzt nicht jede Existenz, eben weil sie dieß ist, Einschließung voraus? Gibt es irgend ein Daseyn, das nicht erst in Einwickelung war, irgend ein freies Leben, das nicht aus einem verneinten Zustand erlöst worden? Hiernach dürfen wir denn wohl behaupten, daß jene ganze Einheit, wie nur ein neuer und zweiter Anfang, so nur eine neue und höhere Natur sey, die jedoch von der ersten der Art noch ganz (toto genere) verschieden ist. Es ist jetzt wirklich nur Ein Wesen, von dem die anziehende Potenz das Geistige, das An- oder Eingezogene beziehungsweise Leibliche ist. Jene geistige Potenz durchdringt, einer wirkenden Sucht oder Begierde gleich, die ganze ewige Natur, und einmal auf diese Weise vernaturt, ist sie von sich selbst nicht mehr trennbar von ihr. Die Kräfte der ewigen Natur sind ihre Kräfte, in denen sie Sich als in ihren Werkzeugen empfindet. Das Ganze ist ein wahrhaft Untrennliches (Individuum). Doch dürfen wir über dieser Einheit den ursprünglichen Unterschied nicht vergessen, da jene verneinende Potenz an sich lauterer Geist ist und zu der ewigen Natur sich immer wie Seyendes zum Seyn verhält. Dieser Geist wirkt zwar als Natur, weil bewußtlos, und kann darum auch nicht im eigentlichen Sinn intelligent heißen, obwohl darum keineswegs nicht intelligent, schlechthin verstandlos. Es ist ein substantieller, zu Substanz gewordener Geist, der nicht Verstand hat, sondern selber und wesentlich Verstand ist, nur kein bewußter, in sich selbst zurücktretender (reflektirter), sondern ein blinder, bewußtloser, nothwendiger, gleichsam instinktartiger Verstand.
Eine solche Kraft also und von solcher Unabhängigkeit und Allmacht zieht der verneinende Wille das bisher stumme Wesen in allen seinen Principien und Kräften zusammen. Hiedurch wird er aber unmittelbar aus der leidenden Einheit in die wirkende erhoben, und zuerst sind alle Kräfte des Seyns nicht nur in eins gebracht, sondern auch in einem und demselben Wesen gleichwirkend. Denn unter eine und dieselbe Potenz gesetzt, werden die Principien nothwendig unter sich gleichnamig (äquipotent); jene Unterordnung des einen unter das andere ist aufgehoben; jedes fällt dem eignen Leben anheim, und an die Stelle der bisherigen freiwilligen Zuneigung tritt eine bindende zwingende Einheit.
Nun waren sie nur in jener Unterordnung des einen unter das andere sich gegenseitig annehmlich, da eins dem andern gleichsam Arznei wurde; so war auch jedes Princip in sich selbst nur durch jene Gliederung beruhigt, da eine Kraft sich zu der andern als Grund oder nicht Seyendes verhielt. Da nun sowohl die Principien, als jede Kraft zur gleichen Wirksamkeit mit der andern erhoben wird, so entsteht zwischen allen nothwendig eine gegenseitige Unleidlichkeit und der Widerwille, daß sie kaum zusammengebracht wieder auseinander wollen.
Wie wir sahen, daß im Menschen, je nachdem sich eine Stimmung seiner bemächtigt, alles die Farbe derselben annimmt, auch die Süßigkeit in Bitterkeit, Sanftmuth in Grimm, Liebe in Haß verkehrt wird, weil auch in der Süßigkeit eine Wurzel der Bitterkeit, in der Liebe eine Wurzel des Hasses liegt, die nur verborgen aber zu ihrem Halt nothwendig ist: so wird hier, indem die Strenge die herrschende Potenz ist, auch in dem mild ausfließenden Princip (A2) die verneinende Kraft herausgekehrt und in dem ursprünglich sich verschließenden (A=B) aus ihrer Tiefe und Verborgenheit erhoben, daß also in beiden sich nur feindliche Kräfte begegnen; die Einheit aber, da sie den Gegensatz nicht mehr außer sich hat, sondern mit ihm in eins gebracht ist, und nicht mehr als die freie stille Einheit aufgehen kann, fühlt sich gleichsam sterben.
Hier ist der erste Quell der Bitterkeit, die das Innere alles Lebens ist, ja seyn muß und sofort ausbricht, wenn sie nicht immer besänftigt wird, da die Liebe selbst gezwungen ist Haß zu seyn, und der stille sanfte Geist nicht wirken kann, sondern von der Feindseligkeit unterdrückt ist, in welche durch die Nothwendigkeit des Lebens alle Kräfte versetzt sind. Von hier kommt der tiefe, in allem Leben liegende Unmuth, ohne den keine Wirklichkeit ist; dieses Gift des Lebens, das überwunden seyn will, und ohne das es einschlummern würde.
Denn so wie die jetzt zum thätlichen Seyn zusammengezogenen Kräfte den Schmack ihrer Bitterkeit empfunden, verlangen sie wieder im Ganzen wie in den einzelnen Principien auszugehen von der strengen Einheit und für sich jede in ihrer eignen Natur zu seyn. Dieß ist das Verhängniß alles Lebens, daß es erst nach der Einschränkung und aus der Weite in die Enge verlangt, um sich selbst fühlbar zu werden; hernach, wenn es in der Enge ist und sie empfunden hat, wieder zurückverlangt in die Weite und gleich wiederkehren möchte in das stille Nichts, darin es zuvor war, und doch nicht kann, weil es sein sich selbst zugezogenes Leben wieder aufgeben müßte, und sobald es zurück wäre, sich aus dem Zustand wieder heraus sehnte und durch dieß Sehnen sich aufs neue ein Seyendes zuzöge.
Also wirkt das Zusammennehmen durch jenen in sich ziehenden Geist unmittelbar, im Ganzen und im Einzelnen, das Auseinanderwollen der Kräfte, und zwar treten sie um so mehr auseinander, je wirkender jede geworden, d.h. je mehr in die Enge gebracht. Die Zusammenziehung ruft also ihr gerades Gegentheil hervor, und bewirkt nichts anderes als die unaufhörliche Spannung, den Orgasmus aller Kräfte. Aber kaum nähern sie sich wieder dem keimlichen Zustand und fühlen das gemeinschaftliche Leben sterben, erwacht aufs neue die Sehnsucht, und können sie das Verlangen nach Wirklichkeit doch nicht lassen und fallen wieder der zusammenziehenden Potenz anheim.
Also ist hier kein bestehendes Leben, vielmehr ein steter Wechsel von Ausdehnung und Zusammenziehung, und ist die oben bezeichnete Einheit (das Ganze dieses Moments) nichts als der erste klopfende Punkt, gleichsam das schlagende Herz der Gottheit, das in nie aufhörender Systole und Diastole Ruhe sucht und nicht findet. Es ist aufs neu’ eine unwillkürliche Bewegung, die immer von selbst sich wieder macht und von sich selbst nicht aufhören kann, denn durch jede Zusammenziehung werden die Kräfte wieder wirkend, und der zusammenziehende Wille gibt ihrer Ausbreitungslust nach; kaum aber fühlt er die Scheidung und die anfangende Wirkungslosigkeit, so erschrickt er und fürchtet daß die Existenz verloren gehe und zieht also aufs neue zusammen.
Zum zweitenmal also ist das Leben in den Moment der unwillkürlichen Bewegung gesetzt, durch einen ganz anderen und höheren als jener erste.
Hiemit begreifen wir, daß das Seyende mit seinem Seyn in diesem Moment zusammen das widerspruchvollste Wesen ist. Wir begreifen, daß die erste Existenz der Widerspruch selber ist, und umgekehrt nur in Widerspruch die erste Wirklichkeit bestehen kann, von dem einige sagen, daß er nun und nimmer wirklich seyn könne. Alles Leben muß durchs Feuer des Widerspruchs gehen; Widerspruch ist des Lebens Triebwerk und Innerstes. Davon kommt’s, daß, wie ein altes Buch sagt, alles Thun unter der Sonne so voll Mühe ist
und alles sich in Arbeit verzehrt und doch nicht müde wird, und alle Kräfte unaufhörlich gegeneinander ringen. Wäre nur Einheit und alles im Frieden, dann fürwahr würde sich nichts rühren wollen, und alles in Verdrossenheit versinken, da es jetzt eifrig hervor strebt, um aus der Unruhe in die Ruhe zu gelangen.
Der Widerspruch, den wir hier begriffen, ist der Quellbronn des ewigen Lebens; die Construktion dieses Widerspruchs die höchste Aufgabe der Wissenschaft. Daher der Vorwurf, er fange die Wissenschaft mit einem Widerspruch an, dem Philosophen gerade so viel bedeutet, als dem Tragödiendichter, nach Anhörung der Einleitung des Werks, die Erinnerung bedeuten möchte, nach solchem Anfang könne es nur auf ein schreckliches Ende, auf grausame Thaten und blutige Ereignisse hinauslaufen, da es eben seine Meinung ist, daß es darauf hinausgehe.
Auch wir also scheuen den Widerspruch nicht, und suchen vielmehr, soweit wir dessen vermögend sind, ihn auch im einzelnen recht zu begreifen.
Durch die anziehende Potenz wird auch das Ganze oder System von Kräften, welches die anfängliche Natur (A=B) ausmacht, ein Zusammengenommenes, das aber als solches nicht beschrieben werden kann, weil es im Zusammennehmen zum Widerspruch in sich selbst wird, also keinen Augenblick in Ruhe besteht. Denn durch die begeistende Potenz werden auch die beiden entgegengesetzten Kräfte in ihr zur Gleichnamigkeit gebracht. Die ruhender Grund seyn sollte, aus dem das Wesen (A) aufginge, wird eine aus ihrer Tiefe erhobene, das nicht Seyende (B) zum Seyenden gesteigert. Kaum also, daß das Zusammengenommene die Gleichnamigkeit und den Widerstreit der Kräfte empfunden, will es auseinander, da sie in diesem Verhältniß sich gegenseitig unleidlich sind. Aber weil es von der Stärke der anziehenden Potenz zusammengehalten wird, und diese immerfort die verneinende Kraft aus der Tiefe erhebt, indeß das bejahende Wesen (A) sie sich unterzuordnen, in die Potentialität zurückzusetzen sucht, so bleibt es bei dem bloßen Bestreben (nisus) des Auseinanderwollens, wodurch denn eine rotatorische Bewegung entstehen muß. Aber die anziehende Kraft hört nicht auf zu wirken; so geschieht es endlich, wenn die Kräfte mehr und mehr vergeistet worden, im höchsten Grade des Widerwillens, da sie nicht schlechthin auseinander und doch auch nicht bleiben können, daß etwas Mittleres sich ereignet und die Materie wie in sich selbst zerreißende Wuth gesetzt in einzelne selbständige Mittelpunkte zerspringt, die, weil auch sie noch gehalten und von widerwärtigen Kräften getrieben sind, sich ebenfalls um ihre eigne Axe bewegen
Es ist vergebliches Bemühen, aus friedlicher Ineinsbildung verschiedener Kräfte die Mannichfaltigkeit in der Natur zu erklären. Alles, was wird, kann nur im Unmuth werden, und wie Angst die Grundempfindung jedes lebenden Geschöpfs, so ist alles, was lebt, nur im heftigen Streit empfangen und geboren. Wer möchte glauben, daß die Natur so vielerlei wunderliche Produkte in dieser schrecklichen äußern Verwirrung und chaotischen innern Mischung, da nicht leicht eines für sich, sondern durchdrungen und durchwachsen von andern angetroffen wird, in Ruhe und Frieden oder anders als im heftigsten Widerwillen der Kräfte habe erschaffen können? Sind nicht die meisten Produkte der unorganischen Natur offenbar Kinder der Angst, des Schreckens, ja der Verzweiflung
Es ist auffallend, daß in der ganzen Natur jedes eigne, besondere Leben von der Umdrehung um die eigne Axe anfängt, also offenbar von einem Zustand inneren Widerwillens. Im Größten wie im Kleinsten, im Rad der Planeten wie in den zum Theil rotatorischen Bewegungen jener nur dem bewaffneten Aug’ erkennbaren Welt, die Linné ahndungsvoll das Chaos des Thierreichs
nennt, zeigt sich Umtrieb als die erste Form des eignen gesonderten Lebens, gleich als müßte alles, was sich in sich und also vom Ganzen abschließt, unmittelbar dadurch innerem Widerstreit anheimfallen. Wenigstens würde aus dieser Bemerkung schon erhellen, daß die Kräfte des Umtriebs zu den ältesten, bei der ersten Erschaffung selbst thätig gewesenen Potenzen gehören, nicht aber, wie jetzt die herrschende Meinung ist, erst zu dem Gewordenen äußerlich, zufällig hinzugekommene Kräfte sind.
Inwiefern nun die Existenz solcher einzelnen rotatorischen Ganzen lediglich auf der Erhebung und Begeistung der verneinenden Kraft beruht, insofern sind jene als Werke einer wahrhaft emporhebenden, schöpfenden, aus dem Nichtseyenden ins Seyende versetzenden Kraft, also als die ersten Geschöpfe anzusehen.
Könnte jene Begeistung der verneinenden Kraft in ihnen nachlassen, so sänken sie unmittelbar zurück ins allgemeine Seyn. Jene Begeistung ist also für sie eine Erhebung zur Selbstheit, jene begeistete Kraft von nun an die Wurzel ihrer Eigenheit, indem sie daran ihren eignen, von dem allgemeinen der Natur unabhängigen Grund (ihr eignes B oder selbstisches Princip) haben.
Aber auch jetzt, bis zur Selbstheit (zum in-sich-Seyn) gesteigert, sind sie von der anziehenden Kraft noch gehalten. Aber, eben weil jetzt selbstisch und solche, die ihren eignen Punkt des Beruhens (Schwerpunkt) in sich haben, streben sie vermöge eben dieser Selbstheit dem Druck der anziehenden Kraft auszuweichen, und indem sie sich nach allen Seiten vom Mittelpunkt derselben entfernen, ihr selbst zu entwerden. Hier entsteht also erst der höchste Turgor des Ganzen, da jedes Einzelne sich dem allgemeinen Centrum zu entziehen und excentrisch seinen eignen Schwer- oder Ruhepunkt sucht.
Bei jener ersten Scheidung der Urkräfte, da sie gegen das Höhere zum Seyn ersanken, wurde zuerst bemerkt, wie alles mehr und mehr aus dem Unfigürlichen ins Figürliche trete. Dort zuerst war ein Oben und Unten; doch gab jene Auseinandersetzung der Kräfte bloß ein geistiges Außereinander (Expansum), aber ein kraftloses, das eigentlich die bloße Abwesenheit einer zusammennehmenden, wirklichen (reellen), Bezug gebenden Kraft ausdrückte. Raum entsteht erst, wenn jene einschränkende, Ort oder Stelle, die eigentlich jeder Potenz schon durch ihre Natur, aber bloß möglicher Weise zustehen, wirklich machende Kraft hinzukommt. Ausdehnung (Extensio) setzt die den Raum setzende Kraft schon voraus, und erklärt sich am besten durch jene Erscheinung, die wir an Gliedern organischer Wesen Turgescenz nennen.
Nach der jetzt herrschenden Vorstellung ist der Raum eine gleichgültig nach allen Seiten ins Unbestimmte ausgegossene Leere, in welche die einzelnen Dinge nur hineingestellt werden. Aber das wahre Wesen des Raums, oder bestimmter ausgedrückt die den Raum eigentlich setzende Kraft, ist jene allgemeine, das Ganze contrahirende Urkraft. Wäre diese nicht, oder könnte sie aufhören, so wäre weder Ort noch Raum. Darum kann auch der Raum nicht gleichgültig, sondern nur im Ganzen und Einzelnen organisch seyn. Wer diese Indifferenz des Raums nach innen behaupten könnte, daß ein Punkt wäre wie der andere, und weder ein wahres Oben und Unten, noch ein Rechts und Links, oder Hinten und Vorn, der müßte das Wunder jener ordnenden und stellenden Kraft im Organischen, da die Lage jedes wesentlichen Theils eine nothwendige ist, jeder in diesem Ganzen nur an diesem Ort seyn kann, so wenig betrachtet haben, als wie z.B. in der Stufenfolge organischer Wesen jeder Theil mit der Bedeutung und Würde, die er im höheren Geschöpf gewinnt oder verliert, auch seine Stelle ändert. Sollte eine solche Kraft nur im einzelnen organischen Leib, im großen Ganzen aber nicht wohnen? Unmöglich! Der Raum ist nicht gleichgültig, es gibt ein wahres Oben und Unten, einen Himmel, der wahrhaft über der Erde, eine Geisterwelt, die im eigentlichen Verstand über der Natur ist, Vorstellungen, die uns dieß Weltganze wieder gleichwie unsern Vätern werther machen, als eine gleichgültige Ausbreitung ohne ein letztes Ziel der Vollkommenheit, ohne wahren Schluß und bedeutendes Ende. Denn überall ist Unbeschlossenheit auch Unvollkommenheit; Beschlossenheit die eigentliche Vollkommenheit jedes Werks. Nicht, wie man denken könnte, durch die Lehre des lautern Copernicus, nur durch das geistlose Gravitations-System der späteren Zeiten gingen jene Vorstellungen verloren.
Jene das Ganze zusammennehmende göttliche Kraft schließt nicht bloß die Natur ein, auch die Geisterwelt und die über beiden wohnende Seele. Also erhalten auch diese durch die Zusammenfassung räumlichen Bezug, der alte Glaube von einem Ort, einer Wohnstätte der Geister erhält auch wieder Bedeutung und Wahrheit.
Das ist die Endabsicht, daß alles so viel möglich figürlich und in sichtbare leibliche Form gebracht werde; Leiblichkeit ist
, wie die Alten sich ausgedrückt, Ziel der Wege Gottes (finis viarum Dei)
, der selbst auch räumlich oder an einem Ort wie zeitlich sich offenbaren will.
Die Beschlossenheit, Endlichkeit nach außenDa er die Tiefen mit seinem Zirkel umschrieb
«, und auch der Ausdruck: Himmel und Erde sey’n die Ausbreitung der göttlichen Stärke
, doch wohl nicht bloß auf die in der Natur liegende anziehende Kraft, sondern auf die das Ganze zusammennehmende Verneinungskraft geht. Aber nur Sich Selbst kann der Ewige endlich seyn, nur Er Selbst kann das eigne Seyn fassen und umschreiben; also schließt die Endlichkeit der Welt nach außen eine vollendete Unendlichkeit nach innen in sich.
Das ganze räumlich ausgedehnte Weltall ist nichts anderes als das schwellende Herz der Gottheit, das durch unsichtbare Kräfte gehalten in beständigem Pulsschlag oder Wechsel von Ausdehnung und Zusammenziehung fortdauert.
Durch die Erhebung des nicht Seyenden sind zuerst einzelne Dinge erschaffen, die vermöge der in ihnen erregten Selbstheit nun nothwendig der anziehenden Kraft, dem allgemeinen Mittelpunkt entstreben. Daher also der Turgor, das excentrische Ausweichen nach allen Seiten, das um so gewaltsamer ist, je mehr in ihnen das Princip der Selbstheit entzündet worden. Aber in dem Verhältniß, als sie der anziehenden Kraft entwerden, fühlen sie auch das in ihnen erweckte Princip der Selbstheit und ihr eignes Leben, das nur auf beständiger Solicitation (Hervorrufung) eben desselben beruhte, vergehen. Also fallen sie wieder der verneinenden Kraft anheim, gerathen aufs neue in die Schärfe der anziehenden Potenz, werden aber durch jede Anziehung auch zu immer höherer Selbstheit entflammt. Denn jene dunkle Kraft in ihnen selbst kann, eben weil Kraft (Intensum), zu immer höheren Graden der Spannung gebracht werden.
So muß dieser Proceß fortschreiten bis zu dem Punkt, da die Kräfte des Seyns anfangen dem Seyenden das Gleichgewicht zu halten. Durch fortwährende Steigerung muß endlich Aequipollenz des Angezogenen mit dem Anziehenden hervorgebracht werden. Dieß ist das Ziel und Ende des Processes. Gott selbst muß die ganze Tiefe und die schrecklichen Kräfte des eignen Seyns empfinden. Es ist selbst dialektisch einleuchtend, daß demjenigen, worin die lautere Gottheit selber nur als Natur wirkt, die ewige Natur gleichwichtig sey. Hier ist also der Moment, wo, nach Platon, Gott im Kampf mit einer wilden unbotmäßigen Materie oder Natur
gedacht werden kann. Aber der Gott, von dem dieß gesagt werden kann, ist nur der mögliche Gott, oder Gott, sofern er bloß Natur, also nicht wirklich Gott ist.
Das Ziel des Processes von dieser Seite ist also nur eine abwechselnde Bewegung (motus alternus), ewiges Ein- und Wiederausathmen. Systole und Diastole, die, wie der erste Moment alles natürlichen Lebens, so auch der Anfang des geistigen Lebens seyn muß. Denn wenn in dem gegenwärtigen Moment das an sich Natürliche zuerst natürlich geworden, so ist auch umgekehrt eben dieser Moment für die ewige Natur die erste Staffel eines geistigen Lebens, zu dem sie erhoben werden soll. Hier also liegt gleichsam noch bloß und offen das Herz der Natur, wie im thierischen Leben das Herz (das in seiner höchsten Ausbildung nur jenes Quadrat = ◊ zur Grundform hat, das auch die Urgestalt jedes Weltkörpers ausdrückt) erst äußerlich sichtbar da liegt, bis es schon in den nächsten Bildungsstufen überkleidet, mehr und mehr nach innen zurückgebracht wird; wie es in der ganzen Thier-Reihe von der rechten Seite mehr und mehr gegen die Mitte vorrückt, zuletzt ganz auf die linke Seite gebracht, d.h. als Vergangenheit gesetzt wird. Noch bewahrt jene uralte Bewegung im thierischen Leben das Blut, diese wilde, unbändige auch in Kugeln zerrissene Materie (mehreren Naturforschern schon däuchte wahrscheinlich, daß jede im Fortschreiten sich zugleich um ihre Axe bewege), mit welcher Geist und besserer Wille nur zu oft im Kampfe liegen. Nichts scheint die nach Ruhe sich sehnende Natur eifriger zu suchen als aus jener nothwendigen, abwechselnden Bewegung zu entkommen, die aus einer gegenseitigen Unleidlichkeit miteinander verbundener Principia entsteht, ein Zweck, den sie erst durch das unaussprechlich hohe Wunder der Articulation erreicht, durch die Auseinanderhaltung der widerwärtigen Kräfte im System der ausstreckenden und beugenden Muskeln, die zwar immer noch Eine Seite der rotatorischen Bewegung bewahren, aber, dem Willen folgsame Wünschelruthen, nur entweder nach innen oder nach außen schlagen.
In diesem steten Wechsel von Ausgehen und Zurückgehen, Ausbreitung und Anziehung wird die Materie mehr und mehr zum äußern Typus des inwohnenden Geistes zubereitet, der, da er die gänzliche Einheit (die Negation aller Vielheit) nicht hervorbringen kann, die Einheit in dieser Vielheit zu behaupten, also ein System hervorzubringen, architektonisch zu wirken versucht. Der Weltbau zeigt deutlich genug die Gegenwart einer inneren geistigen Potenz bei seiner ersten Entstehung; aber ebenso unverkennbar ist der Antheil, der Miteinfluß eines vernunftlosen (irrationalen) Princips, das nur beschränkt, nicht völlig überwältigt werden konnte, daher die organischen Gesetze des Weltbaus schwerlich nach so einfachen Verhältnissen, als bisher versucht worden, ergründlich sind, und auf keinen Fall aus bloßen Begriffen, sondern nur an der Wirklichkeit selbst entwickelt werden können.
Aber eine bleibende Gestaltung ist in dem gegenwärtigen Moment überhaupt nicht möglich. Denn eben in dem Verhältniß, als das Ganze bis zur höchsten Entfaltung gebracht wird, nimmt der Orgasmus der Kräfte in allen Gliedern zu, daß endlich jene anziehende Potenz selbst für ihr Daseyn zittert und das Chaos, das schon im Einzelnen vorhanden ist, im Ganzen fürchtet.
Denn mit Erhebung des zur Ruhe und Potentialität bestimmten Princips der Selbstheit werden auch mehr und mehr die leidsamen Eigenschaften der Materie aufgehoben, welche, wie gezeigt, eben auf der Dämpfung und Niederhaltung jener Kraft beruhten, die bethätigt (aktivirt) oder vergeistet ein verzehrendes Feuer ist. Wie ein organisches Glied, wenn das, was in ihm nur ruhendes Feuer seyn sollte, sich in Wirkung erhebt, augenblicklich entzündet wird; wie wir noch aus jeder heftig zusammengedrückten Materie Feuer hervorbrechen sehen; wie unstreitig selbst das elektrische Feuer im Blitz nur ein durch heftigen Druck entbundenes ist; wie compressible Materien (Luftarten), die zusammen Flamme zu erzeugen fähig sind, durch bloßen Druck sich entzünden; wie jeder, auch der leiseste Druck das elektrische Feuer hervorruft, und kaum zu zweifeln ist, daß durch verhältnißmäßige Zusammendrückung alle Materie in Feuer aufzugehen fähig wäre: so muß in jenem Ur-Zustand mit zunehmendem Orgasmus die Materie mehr und mehr in den Zustand einer feurigen Auflösung versetzt werden.
Von jeher glaubten alle Naturforscher ihren Erklärungen der allmählichen Ausbildung der Erde, ja der ganzen sichtbaren Natur einen Zustand von Auflösung voraussetzen zu müssen. Aber in unserer Zeit, da alle Gleichnisse und Bilder von der Chemie hergenommen wurden, begnügte man sich mit einer flüssigen Auflösung, der der Metalle in Säuren ähnlich. Als wäre überhaupt das Flüssige ein Letztes, bei dem man stehen bleiben könnte, ein unbedingter nicht weiter zu erklärender Zustand. Wir aber glauben auch noch auf anderem Weg den Beweis führen zu können, daß der älteste Zustand aller Materie und aller Weltkörper insbesondere der einer elektrischen Auflösung ist. Denn in der Elektricität erscheint wirklich jenes doppelte Feuer, das eigentlich das Innere aller Materie ist, das ausstrahlende (+E) und das verneinende, in sich ziehende, das jenem zum Grund dient (-E). Denn so irrig als es war, den Grund dieser Elektricität in einem bloßen Mangel zu suchen, ebenso irrig ist es, nach der jetzigen dualistisch genannten Ansicht zwei gleich positive, nur sich entgegengesetzte Elektricitäten anzunehmen. Die eine davon ist wirklich verneinender, in sich ziehender Natur, darum aber freilich ebenso wenig gar nichts (bloße Privation), als die attrahirende Grundkraft in der Natur bloßer Mangel ist. Die schon erwähnten, aber von dem großen Haufen der Naturforscher viel zu wenig beachteten Ueberleitungsversuche mit der elektrischen Säule geben den entschiedensten Beweis, daß die Materie einer elektrischen Vergeistung und Auflösung fähig ist, in der sie nicht bloß für die natürlichen chemischen Verwandtschaften unempfänglich ist, sondern auch alle andern körperlichen Eigenschaften ablegt.
In diesem Zustand feuriger elektrischer Auflösung sehen wir noch jetzt jene räthselhaften Glieder ihres planetarischen Ganzen, die Kometen, werdende, wie ich mich früher ausdrückte, aber wie ich jetzt sagen möchte, noch unversöhnte Weltkörper, gleichsam lebendige Zeugen jener Urzeit, da nichts verhindert, daß die frühere Zeit in einzelnen Erscheinungen sich noch durch die spätere fortziehe, oder umgekehrt die spätere früher in einigen Theilen des Weltganzen als in andern eingetreten ist. Zu allen Zeiten hat sie das menschliche Gefühl nur mit Schauer betrachtet, gleichsam als Vorboten einer Wiederkehr der vergangenen Zeit, allgemeiner Zerrüttung, Wiederauflösung der Dinge ins Chaos. Offenbar ist in ihnen der besondere Schwerpunkt (das eigne Leben) dem allgemeinen nicht versöhnt; dieß beweisen die von denen der beruhigten Planeten abweichenden Richtungen und Stellungen ihrer Bahnen, die, wenn auch ihre Bewegung auf keinen Fall, wie Kepler vermuthete, in gerader Linie vor- und zurückgehen
, doch so wenig gekrümmt, in solchem Grade excentrisch sind, daß ihre Bewegung in denselben für bloße Systole und Diastole gelten kann. Aber eben diese zeigen in ihrer Annäherung zu und Wieder-Entfernung von der Sonne solche Veränderungen und Abwechselungen, die sich schlechterdings nur durch abwechselnde Ausbreitungen und Zusammenziehungen erklären lassen. An allen bedeutenden Kometen ist bis jetzt wahrgenommen worden, wie bei der Annäherung zur Sonne, also in der höchsten Brunst aller Kräfte, auf der jener zugewandten Seite die Umrisse des Kerns mehr und mehr verschwinden, der Kern endlich sich ganz auflöst, in gleichem Verhältniß, was man seinen Dunstkreis nennt, aufschwillt und der Schweif sich verlängert. An dem merkwürdigen Haarstern des Jahrs war nach der Rückkehr von der Sonne (im ) der Dunstkreis durchsichtiger, der Kern deutlicher zu sehen, übrigens aber das Ansehn des Ganzen so verändert, daß einer der Beobachter
— — — quantum mutatus ab illo!
Squalentem barbam et concretos sanguine crines,
Vulneraque illa gerens, quae circum plurima — solem
Accepit —
(Aen. II, 274 sq.)
Dieses Zusammengehen und Erschlaffen bei der Wiederkehr von der Sonne kann nur Wirkung der schon wieder anfangenden Diastole und Annäherung zum Zustande der Materialität seyn. Seit dieß zuerst niedergeschrieben worden (im Jahr ), sind die genaueren Beobachtungen über den damals eben am Himmel befindlichen Kometen bekannt geworden, der durch vieles, wie durch den doppelten Schweif, durch die größere Helle der nördlichen (begeisteteren) Seite, aber besonders durch die ungeheure Schnelligkeit seiner Veränderungen merkwürdig war, die beinahe zu dem Schluß nöthigen, daß er auch in der Annäherung zur Sonne sich in einem Wechsel von Ausbreitung und Zusammenziehung befand. In der kurzen Zeit von einer Sekunde konnte sich das Licht im Sehfeld des Kometensuchers um 2½ Grade ausdehnen, welches nach der wahren Ausdehnung fast eine Million geographischer Meilen betragen mußte; eine Erscheinung, durch welche der treffliche Beobachter (Schröter) selbst auf eine ungeheure, der elektrischen oder galvanischen ähnliche Urkraft zu schließen sich gedrungen fühlt.
Wir haben durch die bisherige Darstellung erreicht, was bei dem Bestreben, die Zeiten, nach und in welchen alles allmählich geworden, genau zu bestimmen, immer unser Hauptabsehen seyn muß; wir erkennen, daß diese erste Zeit in Ansehung der Natur eigentlich die Zeit der Schöpfung der Gestirne als solcher war. Wer aber, der je dieß unfaßliche Ganze mit richtigen Sinnen angesehen, hat nicht immer gefühlt, daß die großen und schrecklichen Kräfte, durch die es zuerst geworden, und die es noch jetzt im Daseyn erhalten, weit über alle Kräfte der späteren Zeit hinausgehen? Eine viel mildere Kraft, der Wille einer sanfteren Zeit ist es, welche Pflanzen, welche Thiere erzeugt hat. Diese mögen Werke der Natur heißen, inwiefern unter dieser jene im All selbst wohnende künstlerische Weisheit verstanden wird. Aber die Gestirne übertreffen weit alle Kräfte der bildenden Natur. Sie sind Werke Gottes, für sich genommen (ohne die folgende Zeit) Werke des Zorns, der väterlichen, der allerältesten Kraft.
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde
; in diesen einfachen Worten drückt sich das älteste Buch der Welt über diese Zeit aus, die es dadurch bestimmt von der folgenden abschließt und unterscheidet. So oft auch mißdeutet, ja absichtlich verkannt, sind sie dem Verstehenden unschätzbar. »Im Anfang« kann in jenen Worten nicht wohl etwas anderes bedeuten als in der ersten, in der allerältesten Zeit. Daß diese von den folgenden scharf unterschieden werden soll, zeigen schon die nächsten Worte: Und die Erde war
— doch wohl nicht vor der Schöpfung, also genau genommen, sie ward im Schöpfen oder nach der Schöpfung — wüste und leer
. Deutlich ist, daß die Erzählung dieß Wüste und Leere der Erde als etwas bezeichnen will, das zwischen jener im Anfang geschehenen Schöpfung und der nachfolgenden in der Mitte gelegen.
Wie dadurch scheidet er diese Zeit von der folgenden auch durch das Wort ab. Warum, wenn die in diesen Worten mehr angedeutete als beschriebene Schöpfung mit der folgenden einerlei ist, warum steht hier: Elohim (das Seyende, das Elohim oder All der Kräfte war) schuf (bara); warum nicht gleich hier, wie im Folgenden immer: Im Anfang sprach Elohim: es werden Himmel und Erde. Oder warum nicht: Er machte
, wie (V. 16.) von den zwei großen Lichtern, Sonne und Mond, die er ja nicht mehr zu machen brauchte, wenn das Schöpfen V. 1 schon ein Machen war. Alle Auslegung ist trüglich, oder diese Hervorbringung im Anfang, die ein Schöpfen genannt wird, ist eine andere als die spätere, die ein Sprechen ist. Dieß eine Wort gerade nur im Anfang gebraucht, ist der entscheidende Beweis, daß das heilige Buch die allererste Schöpfung, deren Geschichte es mit diesen wenigen Worten abschließt, deren ersten Erfolg es nur mit den nächsten andeutet, als eine für sich bestehende (als die Schöpfung einer eignen Zeit) von der folgenden absondern wollte.
Unbegreiflich ist die Mühe, so die Neueren angewendet, die Kraft jenes Worts (bara) wo möglich zur Bedeutung des bloßen Ausbildens herabzusetzen (einer braucht, es zu erklären, das Wort exasciare
). Auch die Etymologie des Wortes ist durch solche seichte Erklärung verdunkelt worden. Wir wollen keine der möglichen Vergleichungen ausschließen; nicht mit bar Sohn, selbst nicht mit dem altdeutschen Wort bären (gebären), dem griechischen βαρέω, dem lateinischen parare und parere; auch nicht mit der Bedeutung von außer, auswärts, äußerlich, fremd, die dem Wort bar und den davon abgeleiteten, in den meisten morgenländischen Mundarten zukommt; in der letzteren Beziehung hieße das Zeitwort bara überhaupt außer sich wirken oder wirken mit von-sich- (bewußtlos) Seyn. Aber für alle diese verschiedenen Bedeutungen findet sich vielleicht das gemeinschaftliche Band, wenn man, nach der ursprünglichen Einerleiheit und beständigen Verwechselung der Zeitwörter in a und in ah, die Grundbedeutung von bara in barah aufsucht, wovon berith herkommt. Wie im Deutschen Bund, Bündniß von Binden, im Lateinischen contractus von contrahere herkommt: so berith von barah, das sonach ebenfalls zusammenziehen, anziehen, (daher auch verzehren, essen
, 2. Sam. 12, 17) bedeuteteJm beriah jifra Jehovah
, d.h. wenn der Herr die Urkräfte bewegt.Bund Jehovahs mit dem Tag und der Nacht
(Jer. 33, 20), das Verhältniß des Vaters zu seinem Sohn (bar ist ein Bund; und der neue Bund (ἡ καινὴ διαθήκη
) bedeutet ebenso viel als eine neue Schöpfung (καινὴ κτίσις
).
Doch wer die Kraft des Worts ganz erkennen will, lese die Stelle: »Ich Jehovah, der das Licht formirt und die Finsterniß schafft, das Gute macht und das Böse schafft (beidemal bore)
«
Wenn also der Begriff von einem ersten, unfreien und zugleich chaotischen Schaffen den herrschenden Vorstellungen nicht zusagt, so findet er in der Bedeutung des Worts bara und den gleichfolgenden Worten der Schrift seine Beglaubigung, da die Erde (auf welche sich gleich nach den ersten Worten der Bericht zurückzieht) nach jener Schöpfung »wüst und leer ward
«. So übersetzt Luther; aber ich weiß nicht, ob nicht in den Wörtern der Grundsprache, gleichbedeutend in der einen Beziehung, beide nämlich ihrer Herkunft nach Ausdrücke des Verwunderns und Erstaunens, eben darum eine Andeutung jener entgegengesetzten Zustände liegt, die wir noch an den Kometen wahrnehmen, da eine ungeheure Ausbreitung sowohl Gegenstand des Erstaunens ist, als ein plötzliches Ersinken oder Zusammengehen des Ausgebreiteten.
Wenn übrigens in dieser Darstellung nicht allen alles ganz verständlich seyn möchte, so wollen sie bedenken, daß der geschilderte Zustand ein vergangener, von dem gegenwärtigen, den sie unwillkürlich der Betrachtung zu Grund gelegt, völlig verschiedener, nicht aus ihm begreiflicher, vielmehr ihm zu Grunde liegender ist.
Nun sollten vielleicht auch die Vorgänge in der Geisterwelt beschrieben werden; aber löblicher scheint, die Schranken menschlicher Kräfte anzuerkennen. Wir begnügen uns zu bemerken, daß der Hergang im Allgemeinen nur derselbe wie in der Natur seyn kann, mit dem einzigen Unterschied, der dadurch entsteht, daß die verneinende Kraft, welche in der Natur äußerlich, in dem geistigen Wesen innerlich ist. Man kann daher sagen, in der Natur werde die verneinende Kraft erhoben und nach innen geführt, in der Geisterwelt werde sie nach außen gezogen und herabgesetzt. Wie die Natur in der Anziehung vergeistet werde, so das Princip der Geisterwelt verleiblicht. Was in jenem Contraktion, sey in dieser Expansion und umgekehrt. Auch hier werde in den aus dem Streit der feurigen Kräfte gleichsam als einzelne Wirbel sich losreißenden Geistern durch die fortwirkende Anziehung das Princip der Selbstheit so gesteigert, daß sie endlich der anziehenden Potenz das Gleichgewicht halten; auch hier bleibe der Proceß in einer abwechselnden Bewegung von Systole und Diastole stehen, da die zusammenhaltende Kraft die erweckten Kräfte des Seyns nicht mehr bewältigen kann und abwechselnd siegt und besiegt wird. In Ansehung der Geisterwelt sey diese Zeit die Zeit der ersten, obwohl noch chaotischen, im bloßen Anfang stehen bleibenden Schöpfung jener Urgeister, die in jener eben das sind, was in der Natur die Gestirne.
Doch es ist jetzt Zeit den Blick auf das eigentlich Seyende zu wenden, dessen Inneres nicht weniger als sein Aeußeres leiden und von Widerspruch zerrissen seyn muß, wie bei heftigen und gesetzlosen Bewegungen eines organischen Wesens auch sein Inneres mit leidet.
Wir bemerken vorläufig nur, daß das eigentlich Seyende eben jener an- oder in sich ziehende Geist ist, der sich des ganzen Wesens bemächtigt. Was daher das höchste Seyende der ewigen Natur war (A3), ist für jenen nun das Band seines Zusammenhangs mit dem Untergeordneten. Beide sind also in dem gegenwärtigen Proceß als Eins, und jene allgemeine Seele nur als das unmittelbare Subjekt (oder, in der jetzt gewöhnlichen Sprache, nur als die objektive Seite jenes Geistes) zu betrachten.
Schmerz ist etwas Allgemeines und Nothwendiges in allem Leben, der unvermeidliche Durchgangspunkt zur Freiheit. Wir erinnern an die Entwicklungsschmerzen des menschlichen Lebens im physischen wie im moralischen Verstand. Wir werden uns nicht scheuen, auch jenes Urwesen (die erste Möglichkeit des äußerlich offenbaren Gottes), so wie es die Entwickelung mit sich bringt, im leidenden Zustand darzustellen. Leiden ist allgemein, nicht nur in Ansehung des Menschen, auch in Ansehung des Schöpfers, der Weg zur Herrlichkeit. Er führt die menschliche Natur keinen andern Weg als durch den auch die seinige hindurchgehen muß. Die Theilnehmung an allem Blinden, Dunkeln, Leidenden seiner Natur ist nothwendig, um ihn ins höchste Bewußtseyn zu erhöhen. Ein jedes Wesen muß seine eigne Tiefe kennen lernen; dieß ist ohne Leiden unmöglich. Aller Schmerz kommt nur von dem Seyn, und weil alles Lebendige sich erst in das Seyn einschließen muß und aus der Dunkelheit desselben durchbrechen zur Verklärung, so muß auch das an sich göttliche Wesen in seiner Offenbarung erst Natur annehmen und insofern leiden, eh’ es den Triumph seiner Befreiung feiert.
Doch um alles so natürlich als möglich vorzustellen, müssen auch hier Momente unterschieden werden. Die wirkende Potenz äußert sich nicht gleich mit voller Gewalt, sondern als ein leises Anziehen, wie das, was dem Erwachen aus tiefem Schlummer vorangeht; mit zunehmender Stärke werden die Kräfte im Seyn schon zu dumpfem, blindem Wirken erregt, mächtige, und weil ihm die sanfte Einheit des Geistes fremd ist, formlose Geburten steigen auf; nicht mehr in jenem Zustand der Innigkeit oder des Hellsehens, noch von seligen, die Zukunft vorbedeutenden Visionen verzuckt, ringt das in diesem Widerstreit existirende Wesen wie in schweren, aus der Vergangenheit, weil aus dem Seyn, aufsteigenden Träumen; bald mit wachsendem Streit ziehen jene Geburten der Nacht wie wilde Phantasien durch sein Inneres, in denen es zuerst alle Schrecknisse seines eignen Wesens empfindet. Die herrschende und dem Streit der Richtungen im Seyn, da es nicht aus noch ein weiß, entsprechende Empfindung ist die der Angst. Inzwischen nimmt der Orgasmus der Kräfte immer mehr zu und läßt die zusammenziehende Kraft die gänzliche Scheidung, die völlige Auflösung fürchten. Indem sie aber ihr Leben frei gibt, sich gleichsam als schon vergangen erkennt, geht ihr selbst die höhere Gestalt ihres Wesens und die stille Lauterkeit des Geistes wie im Blitz auf. Nun ist diese Lauterkeit im Gegensatz mit dem blinden zusammenziehenden Willen wesentliche Einheit, in der Freiheit, Verstand und Unterscheidung wohnt. Also möchte der Wille im Zusammenziehen den Blitz der Freiheit wohl fassen und sich zu eigen machen, um dadurch frei schaffender und bewußter Wille zu werden, der ausginge aus der Widerwärtigkeit, und den Streit der Kräfte überwindend, auch seinen Schöpfungen die wesentliche Einheit, die Verstand, Geist und Schönheit ist, mitzutheilen. Aber der blinde Wille kann die sanfte Freiheit nicht fassen, sondern es ist für ihn ein übermächtiger und unfaßlicher Geist, daher er bei dessen Erscheinungen erschrickt, weil er wohl fühlt, daß er sein wahres Wesen und seiner Sanftmuth ohnerachtet stärker ist, denn er in seiner Strenge, und durch den Anblick jenes Geistes wie besinnungslos wird und ihn blindlings zu ergreifen und in dem, was er hervorbringt, innerlich nachzubilden sucht, ob er ihn etwa festhalten könne. Aber es ist nur wie ein fremder Verstand, mit dem er wirkt, dessen er selbst nicht mächtig, ein Mittleres zwischen völliger Nacht des Bewußtseyns und besonnenem Geist.
Von diesen Erleuchtungen des Geistes rührt alles her, was z.B. in dem Weltbau Verständiges und Geordnetes ist, wornach er wirklich der äußere Typus eines inwohnenden Geistes erscheint. Die Grundkraft alles anfänglichen und ursprünglichen Schaffens muß eine bewußtlose und nothwendige seyn, da eigentlich keine Persönlichkeit einfließt; wie in menschlichen Werken desto höhere Kraft der Wirklichkeit erkannt wird, je unpersönlicher sie entstanden. Wenn in dichterischen oder andern Werken eine Eingebung erscheint, so muß auch eine blinde Kraft darin erscheinen; denn nur diese ist der Eingebung fähig. Alles bewußte Schaffen setzt ein bewußtloses schon voraus, und ist nur Entfaltung, Auseinandersetzung desselben.
Nicht umsonst haben die Alten von einem göttlichen und heiligen Wahnsinn gesprochen. So sehen wir ja auch die schon in freier Entfaltung begriffene Natur in dem Verhältniß, als sie dem Geist sich annähert, gleichsam immer taumelnder werden. Denn es befinden sich zwar alle Dinge der Natur in einem besinnungslosen Zustand; jene Geschöpfe aber, die der Zeit des letzten Kampfes zwischen Scheidung und Einung, Bewußtseyn und Bewußtlosigkeit angehören und in den Schöpfungen der Natur unmittelbar dem Menschen vorangehen, erblicken wir in einem der Trunkenheit ähnlichen Zustande dahinwandeln
Die größte Bestätigung dieser Beschreibung ist, daß jener sich selbst zerreißende Wahnsinn noch jetzt das Innerste aller Dinge, und nur beherrscht und gleichsam zugutgesprochen durch das Licht eines höheren Verstandes, die eigentliche Kraft der Natur und aller ihrer Hervorbringungen ist. Seit Aristoteles ist ja sogar ein vom Menschen gewöhnlich Wort, daß ohne einen Zusatz von Wahnsinn keiner etwas Großes vollbringe
. Wir möchten statt dessen sagen: ohne eine beständige Sollicitation zum Wahnsinn, der nur überwunden werden, nie ganz fehlen darf. Man könnte sich mit einer Eintheilung der Menschen in dieser Hinsicht etwas zu Gute thun. Die eine Art, könnte man sagen, ist die, in der gar kein Wahnsinn ist. Diese wären die unschöpferischen, zeugungsunkräftigen, sich selbst nüchtern nennenden Geister, oder die sogenannten Verstandesmenschen, deren Werke und Thaten nichts als kalte Verstandes-Werke und -Thaten sind. Diesen Ausdruck haben einige in der Philosophie gar wunderlich mißverstanden; denn weil sie von Verstandesmenschen als gleichsam geringeren oder schlechteren reden hörten, also selbst dergleichen nicht seyn wollten, setzten sie gutmüthig dem Verstand, anstatt dem Wahnsinn, die Vernunft entgegen. Wo aber kein Wahnsinn, ist freilich auch kein rechter, wirkender, lebendiger Verstand (daher auch der todte Verstand, todte Verstandes-Menschen); denn worin soll sich der Verstand beweisen als in der Bewältigung, Beherrschung und Regelung des Wahnsinns? Weßhalb denn der gänzliche Mangel des Wahnsinns zu einem andern Aeußersten führt, zum Blödsinn (Idiotismus), welcher eine absolute Abwesenheit alles Wahnsinns ist. Von der andern aber, in denen wirklich Wahnsinn ist, gibt es zwei Arten. Die eine, die ihn beherrscht und eben in dieser Ueberwältigung die höchste Kraft des Verstandes zeigt; die andere, die von ihm beherrscht wird, die eigentlich Wahnsinnigen. Man kann streng genommen nicht sagen, daß der Wahnsinn bei ihnen entstehe; er tritt nur hervor als etwas, das immer da ist (denn ohne beständige Sollicitation dazu wäre kein Bewußtseyn), und das jetzt nur nicht niedergehalten und beherrscht ist von einer höheren Kraft.
In der Beschreibung jenes Urzustandes hatten wir nur das allgemeine Schicksal einer sich aus eignen Kräften und ganz für sich selbst entwickelnden Natur vor Augen. Denn dem Menschen hilft der Mensch, hilft auch Gott; der ersten Natur aber in ihrer schrecklichen Einsamkeit kann nichst helfen, sie muß diesen Zustand allein und für sich durchkämpfen.
Dieses also wäre die, wiewohl schwache, Beschreibung jenes Urzustandes der All- und Einheit, aus welcher nun, die neuerlich so viel von Pantheismus geredet, ersehen mögen, was er denn eigentlich ist. Denn die meisten, die von dem Eins und All reden, sehen darin nur das All; daß ein Eins, ein Subjekt darin ist, haben sie noch nicht einmal bemerkt. Unter dem All aber verstehen sie die selbstlose Allheit, wie jene anfängliche Natur ist. Zu dieser gehören auch jene, welche mit der ewig wiederholten Versicherung von der Harmonie und wunderseligen Einheit des Weltalls schon längst allen Verständigen zur Last sind. Den eigentlichen Pantheismus möchten wohl beide schrecklich finden; wären sie aber fähig, die Außenseite der Dinge zu durchdringen, so würden sie sehen, daß der wahre Grundstoff alles Lebens und Daseyns eben das Schreckliche ist.
Andere aber finden in der Lehre des Spinoza das wahre Urbild des Pantheismus. Spinoza verdient eine ernste Betrachtung; fern sey es von uns, ihn in dem zu verleugnen, worin er unser Lehrer und Vorgänger gewesen. In ihm vielleicht von allen Neueren ward ein dunkles Gefühl jener Urzeit, von der wir so eben einen Begriff zu geben versucht haben.
Spinoza kennt jenes mächtige Gleichgewicht der Urkräfte, die er als ausgedehnte
(also doch wohl ursprünglich zusammenziehende?) und denkende
(doch wohl des Gegensatzes wegen ausdehnende, ausbreitende?) Urkraft einander entgegenstellt. Allein er kennt auch nur das Gleichgewicht, nicht den aus der Aequipollenz entstehenden Streit; die beiden Kräfte sind in Unthätigkeit nebeneinander ohne gegenseitige Erregung oder Steigerung. Also ist die Zweiheit über der Einheit verloren gegangen. Daher beharrt seine Substanz oder das gemeinsame Wesen der beiden Kräfte in ewiger, unbeweglicher, unthätiger Gleichheit
. Die Einheit ist selber wieder ein reines Seyn, das sich nie in ein Seyendes verklärt, nie wirkend (in actu) hervortritt; weßhalb er denn des angenommenen Gegensatzes wegen doch nur als Realist angesehen werden kann, obwohl er dieß in einem höheren Sinn ist als Leibniz Idealist. Anstatt daß der lebendige Streit zwischen Einheit und Zweiheit der beiden sogenannten Attribute und der Substanz der Hauptgegenstand seyn sollte, beschäftigt er sich nur mit den beiden entgegengesetzten, und zwar mit jedem für sich, ohne daß die Einheit als wirkendes lebendiges Band beider zur Sprache käme. Daher der Mangel an Leben und Fortschreitung in seinem System.
Haben die, welche die von uns behauptete Einheit geradezu mit der Spinozischen vergleichen zu können meinten
, nie auch nur den Begriff von Potenzen bemerkt, der schon für sich den Begriff von Fortschreitung, Bewegung in sich schließt?
Bedenkt man jedoch, nach welchen Seiten vor und nach Spinoza die Philosophie sich zertrennt und alle Begriffe auseinandergegangen, so kann man nicht umhin, in Spinoza den einzigen Stammhalter wahrer Wissenschaft durch die ganze neuere Zeit zu erkennen. Daher es kein Wunder war, wenn jede neue kräftige Regung zuerst auf ihn zurück und wieder von ihm ausgehen mußte.
Nachdem Cartesius, Anfänger der neuen Philosophie, die Welt in Körper und Geist zerrissen, also die Einheit über der Zweiheit verloren, Spinozasie beide in Einer, aber todten Substanz vereint und über der Einheit die Zweiheit verloren hatte: so mußte, wenn nicht Einheit und Zweiheit selbst in lebendigen Gegensatz und dadurch auch wieder zur Einheit gebracht wurden, die Philosophie mit jedem Schritt nur mehr und mehr in Einseitigkeit gerathen, bis sie zu unserer Zeit in beiden auseinandergehenden Richtungen beim letzten nicht weiter Zerlegbaren ankam.
Leibniz war Antidualist in ganz anderem Sinn als Spinoza; er zuerst unternahm das Seyn ganz zu vertilgen und alles in Vorstellung zu verwandeln, daß selbst Gott nur die höchste Vorstellkraft des Weltalls war. Er hatte eine Einheit, aber nicht eine zweiseitige, sondern nur eine einseitige. Indeß behielt er unter dem allein übrig gebliebenen Ideellen doch insofern den ganzen Inhalt der früheren Systeme, als er zwar das wirkliche Daseyn der Körper als solcher leugnete, aber sie doch als von unserem Wissen und Denken unabhängige Vorstellkräfte noch übrig ließ.
Dieser ersten Erscheinung des Idealismus, dem Leibnizischen Intellektualismus, mag in der Geschichte der Wissenschaft als gleichlautend angesehen werden der fast um dieselbe Zeit, besonders durch Jordanus Brunus auferweckte Hylozoismus, der von der Zweiheit des Spinoza auch nur Eins, wie Leibniz, aber das Entgegengesetzte behielt. Inwiefern er jedoch die Materie als an sich lebendig ansah, war wenigstens unter oder in diesem Seyn noch ein Geistiges begriffen.
Aber in der Richtung, welche der Geist dieser neueren Zeit einmal genommen, konnte er auch hier nicht stehen bleiben; denn noch war die Zerlegung weiter zu treiben. An dem Seyn, der Materie, die der Hylozoismus allein übrig gelassen, war noch ein Geistiges, ein inneres Leben. Es blieb noch übrig, die Materie in ein schlechthin todtes, eine bloße Aeußerlichkeit ohne alle Innerlichkeit, in eine bloße Anhäufung von Theilen zu verwandeln, die wieder durch nichts Innerliches, durch die bloße Figur unterschieden waren; und aus einer solchen Materie sollte die lebendige Natur, das Denken, die ganze Mechanik menschlicher Begriffe, Gefühle, Handlungen abgeleitet werden; eine Lehre, worin das Volk, das sie ausgeheckt, den wahresten und sprechendsten Ausdruck von sich selbst niedergelegt.
Eine andere Richtung war übrig, von dem Idealen, das der Intellektualismus allein stehen ließ, auch noch das unter ihm begriffene Reale abzuziehen. Materie, Körper waren nach Leibniz zwar verworrene, aber doch lebendige und unabhängige Vorstellkräfte. Wozu dieser Ueberfluß, wenn doch einmal alles bloß Vorstellkraft ist? Warum sich nicht mit der einen begnügen, deren wir unmittelbar gewiß sind, der menschlichen? Als freilich der deutsche Idealismus in seiner höchsten Steigerung durch Fichte hervortrat, konnte der Grundgedanke des Ich, d.h. einer lebendigen Einheit von Seyendem und Seyn, die Hoffnung eines ins Lebendige geführten, erhöhten Spinozismus erwecken. Aber daß es der Zeitgeist anders gemeint hatte, wurde nur zu bald offenbar und volksvernehmlich ausgesprochen; nur der Mensch oder das menschliche Geschlecht sey da, nämlich als Vorstellkraft.
So wie indeß dieser Idealismus unter uns zur Erscheinung gekommen, ist er nur das ausgesprochene Geheimniß der ganzen Richtung, welche seit viel längerer Zeit in andern Wissenschaften, in Künsten, im öffentlichen Leben mehr und mehr herrschend war. Was war das Bestreben der ganzen modernen Theologie anders als ein allmähliches Idealisiren des Christenthums, ein Ausleeren. Wie im Leben und der öffentlichen Meinung Charakter, Tüchtigkeit und Kraft immer weniger, sogenannte Humanität
aber, der jene doch zum Grunde dienen müssen, alles galt, so konnte dieser Zeit auch nur ein Gott frommen, aus dessen Begriff alles hinweggenommen worden, was Macht und Kraft ist. Ein Gott, dessen höchste Kraft oder Lebensäußerung in Denken oder Wissen besteht, außer dem alles andere nur noch ein leeres Schematisiren seiner selbst ist; eine Welt, die nur noch Bild, ja Bild von dem Bild, ein Nichts des Nichts ist, ein Schatten von dem Schatten
; Menschen, die auch nur noch Bilder, nur Träume von Schatten
sind; ein Volk, das in gutmüthigem Bestreben nach sogenannter Aufklärung wirklich dahin gekommen, alles in sich in Gedanken aufzulösen, aber mit dem Dunkel auch alle Stärke, und jenes (stehe hier immer das rechte Wort) barbarische Princip, das überwunden aber nicht vernichtet, die Grundlage aller Größe und Schönheit ist, verloren hat; dieß sind wohl die nothwendig gleichzeitigen Erscheinungen, wie wir sie auch zusammen gesehen.
Wie wohlthätig ist es, bei der Beweglichkeit und Leichtfertigkeit des Denkens ein Princip zu wissen, das weder vom Menstruum des schärfsten Begriffs aufzulösen, noch im Feuer des geistigsten Denkens zu verflüchtigen ist! Ohne dieses dem Denken widerstehende Princip wäre die Welt wirklich schon in nichts aufgelöst; nur dieser unüberwindliche Mittelpunkt erhält sie gegen die Stürme des nie ruhenden Geistes. Ja es ist die ewige Kraft Gottes. Es muß in dem ersten Daseyn ein der Offenbarung widerstrebendes Princip seyn, denn nur ein solches kann der Grund der Offenbarung werden. Wenn eine Kraft ist, welche eine Offenbarung bewirkt, muß nicht auch eine Kraft seyn, die ihr entgegenwirkt? Wie wäre sonst Freiheit. Es wirkt in dem ersten Daseyn ein irrationales, der Auseinandersetzung widerstehendes, also auch kreaturwidriges Princip, welches die eigentliche Stärke in Gott ist, wie es im höchsten Ernst der Tragödie Stärke und Gewalt sind, Diener des Zeus, die den menschenliebenden Prometheus dem meerumrauschten Felsen anschmieden. Es ist so nothwendig anzuerkennen, als die Persönlichkeit, das in-sich- und für-sich-Seyn Gottes. Wird doch schon in der Sprache älterer Philosophie die Persönlichkeit erklärt als der letzte Akt oder die letzte Potenz, wodurch ein intelligentes Wesen unmittheilbarer Weise besteht. Es ist das Princip, das Gott, anstatt wie wohl auch gemeint worden, mit der Kreatur zu vermengen, ewig von ihr scheidet. Alles kann dem Geschöpf mitgetheilt werden, das eine nicht, den unsterblichen Lebensgrund in sich selbst zu haben, von und durch sich zu seyn.
Daß ein solches Princip der göttlichen Natur an sich unwürdig sey, kann nicht gesagt werden; weil es das ist, vermöge dessen Gott Er Selbst als Er Selbst ist, der Einzige, von allem andern Abgeschnittene; daß es als wirkendes der göttlichen Natur unwürdig sey, schließt eine falsche Voraussetzung in sich. Denn als wirkendes geht es dem existirenden Gott voran; im daseyenden ist es überwunden; träte es aber je zur Wirkung hervor, so müßte erst ausgemacht seyn, ob durch göttlichen Willen.
Wird auf das höhere Alter gesehen, so hat der Realismus unzweifelhaft den Vorzug vor dem Idealismus. Wer die Priorität des Realismus nicht anerkennt, der will die Entwickelung ohne vorausgegangene Einwickelung; er will die Blüthe und die aus ihr werdende Frucht ohne die harte Bedeckung, die sie verschließt. Wie das Seyn die Kraft und Stärke des Ewigen selber ist, so ist der Realismus die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems, und auch in dieser Beziehung gilt, daß die Furcht Gottes der Weisheit Anfang ist.
Ein jedes erkennt an, daß die Kraft der Zusammenziehung der eigentlich wirkende Anfang jedes Dinges ist. Nicht von dem Leichtentfalteten, sondern vom Verschlossenen, das nur mit Widerstreben sich zur Entfaltung entschließt, wird die größte Herrlichkeit der Entwickelung erwartet. Nur jene uralte heilige Kraft des Seyns wollen viele nicht anerkennen, und möchten sie gleich von Anfang verbannen, ehe sie in sich selbst überwunden der Liebe nachgibt.
Was von dem Realismus gilt, gilt auch von dem Pantheismus. Wie daher der Realismus den Vorzug des Alters hat vor allen andern Ansichten, so kommt dem Pantheismus die unstreitige Priorität vor seinem Gegensatze, dem Idealismus und Dualismus, zu. Wir können sagen, er sey in der göttlichen Offenbarung selbst das frühere und ältere System. Aber eben dieses pantheistische System der Urzeit, dieser Urzustand der All-Einheit und All-Verschlossenheit ist es, der durch die folgende Zeit immer mehr verdrungen und als Vergangenheit gesetzt werden soll.