Schelling

Schelling Nachlass-Edition


1)Nächst der Frage: was ist? beschäftigen den Menschen keine so sehr, als die: was ist gewesen? und was wird seyn? ja es ist zu erwarten, daß er von diesen beyden noch mehr als von jener ersten angezogen wird, weil der Mensch gern dem Druck der Gegenwart entflieht oder wegen des nichtigen Gefühls, daß die Gegenwart nicht begreiflich ist, ohne das Vergangene zu wissen und das Zukünftige in gewißem Maß vorauszusehen; denn was in der Gegenwart vergangen oder zukünftig ist gehört, als ein solches, eben so gut zu ihr, als das wirklich Gegenwärtige. Beydes, wissen was war, und wissen was seyn wird, ist sich in gewißem Betracht ähnlich; denn es gehört, wie Ein großer Schriftsteller sich ausdrückt, beynahe eben die Scharfsinnigkeit und divinirende Kraft dazu, das Vergangene als das Zukünftige zu lehren.

Alles was uns umgibt, weist an eine unglaublich hohe Vergangenheit zurück. Der Erde und wieder ihren Bildungen muß ein unbestimmbar höheres Alter zugeschrieben werden, als dem Geschlecht der Pflanzen und Thiere, diesen wieder ein höheres, als dem Geschlecht der Menschen. Von der Zeit der ältesten Bildungen und der damals wirkenden Kräfte wissen wir uns kaum einen Begriff zu machen. Viele derselben tragen die Spuren späterer Verwüstung; ruhigere Zeiten folgten aber auch sie durch Stürme unterbrochen und sammt ihren Schöpfungen unter denen einer neuern begraben. In einer undenklichen Reihe von Zeiten hat je die folgende die vorhergehende zugedeckt, so daß sich kaum etwas Unverändertes zeigt; eine Menge von Schichten, die Arbeit von Jahrtausenden, müßte, so scheint es, hinweggenommen werden, um endlich auf den Grund zu kommen.

Aber bald sehen wir, daß nicht ein regelloser Strom der Zeit, daß eine geordnete Folge von Zeiten allmälig dieß alles gebildet. Urgebirg, Flözgebirg, aufgeschwemmtes Gebirg, alle diese Bildungen folgen sich in gemeßnen Zeiten und deutlich[en] Absätzen. Die ältesten Gebirge zeigen keine Spur von organischem Leben, und deuten auch durch ihr ganzes Aussehen auf eine Zeit, da nur unorganische Kräfte walteten; aber auch das Leben hat sich nicht auf einmal, einem Strom gleich ausgebreitet; nur allmälig gewann es Platz, und erhob sich in deutlichen Abstufungen und bestimmten Zeiten erst zu der Höhe der vollkommenen Geschöpfe. Eine unbestimmbar lange Zeit war die schaffende Natur vielleicht nur mit der Hervorbringung der untersten Gattungen, jener Schalthiere beschäftigt, deren Reste sich in unermeßlicher Anzahl in den ältesten der späteren Gebirge aufgehäuft finden; und nach den Zeugnissen, welche des Innre der Erde selbst von ihrer Vergangenheit aufbewahrt, dürfte man vielleicht schon fast die Meynung fassen, daß jedes Geschlecht der lebenden Wesen das Werk einer eignen Zeit und gleichsam der Zeiger einer bestimmten Stunde in dem großen Gang der Schöpfung sey. So sehen wir denn in der jetzigen, die Werke so verschiedner Zeiten vereinenden Welt, eigentlich eine Totalität, ein geschlossenes System schon gewesener Zeiten vor unsern Augen gegenwärtig.

Wollte sich nun der Forscher auch nur auf die Erkenntniß des Gegenwärtigen beschränken wie vermöchte er auch nur das einzelste zu begreifen, ohne ihm seine Zeit in der Schöpfung anzuweisen. In einem Ganzen, worinn alles und jedes den Abdruck rhythmisch und gesetzmäßig folgender Zeiten zeigt, kann nichts einzeln nichts für sich genommen werden. Nur die Zeit zu der jedes gehört, ertheilt jedem Ding seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung. Auch das Kleinste, bis zum Sandkorn herab, muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Schon die Eigenheiten einer ausgezeichneten menschlichen Individualität sind uns oft unbegreiflich, bevor wir die besondern Umstande erfahren, unter denen sie geworden ist und sich gebildet hat. Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Ausbildung auf die Spur gekommen. Wie viel mehr muß dieß bey einem so vielfach zusammengesetzten Individuum als schon die Erde ist der Fall seyn? Welche ganz andre Verwicklungen müssen hier stattfinden?

Aber was von der Erde gilt, gilt von der Welt, und wenn einmal der wahre Grund der Erkenntniß auch der Gegenwart Herleitung aus der Vergangenheit ist, wo ist hier ein Stillstand? Denn auch beym letzten Sichtbaren angekommen findet der Geist noch eine nicht durch sich selbst begründete Voraussetzung und ruht nicht, eh’ er zum unbedingten, sich selbst setzenden Anfang gelangt ist und von dorther in geordneter Folge der Zeiten alles wie es geworden urkundlich begriffen hat. Und wenn er auch zum Anfang gelangt ist, erkennt er doch, daß auch in dem, was vor der Welt voraus war, etwas als Vergangenheit gesetzt werden mußte, ehe die gegenwärtige Zeit möglich war; daß aber dieses Vergangene die jetzige Schöpfung trägt und noch immer im Grunde verborgen liegt.

Der gegenwärtige wissenschaftliche Begriff kennt zwar keine Zeiten; sondern nur ein Abstractum von Zeit, eine gewisse allgemeine Zeit, die er die Zeit schlechthin nennt. Von dieser Zeit redet man denn sehr wahr, daß sie eine bloße Form unsrer Vorstellungen sey, ja man würde noch richtiger sagen, daß sie überall nichts 2)sey, als ein selbstgemachter Begriff.

Bezogen auf diese unwahre Zeit sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wirklich bloße Verhältnißbegriffe, die keinen wahren Gegensatz bilden, also auch von Nichts an sich ausgesagt werden können.

Vergangenheit ein wunderbarer Begriff, allen gemein, doch nur Wenigen verstanden. Die Meisten wissen von keiner, als der, welche sich in jedem Augenblick durch ebendiesen vergrößert, selbst noch wird, nicht ist. Ohne bestimmte entschiedne Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich einer solchen. Der Mensch, der sich seiner Vergangenheit nicht entgegenzusetzen fähig ist, hat keine oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Ebenso jene welche immer die Vergangenheit zurückwünschen, die sich selbst nicht steigern wollen, da alles (auch das Schlechte) sich steigert, und die durch ohnmächtiges Lob der vergangenen Zeiten wie durch kraftloses Schelten der Gegenwart beweisen, daß sie in dieser nichts zu wirken vermögen. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen, etwas wie man sagt, hinter sich gebracht zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Gegenwart und leicht nur unter dieser Bedingung auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch der sich scheiden kann von sich selbst sich lossagen von allem was ihm geworden, ist fähig, sich eine wahre Vergangenheit zu erschaffen; ebendieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er allein einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen Betrachtungen würde hervorleuchten, daß die Verschiedenheit der Zeiten auf einem Gegensatz, auf einer Steigerung und Erhebung beruht, durch die sie von einander geschieden sind, und zugleich miteinander zusammenhangen.

Wäre zwischen den Zeiten keine Steigerung, so liefe alles bedeutungslos in’s Unendliche fort; die Welt wäre, wofür sie einige vermeynte Weltweise gehalten, eine rück- und vorwärts in’s Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen, ohne einen eigentlichen Anfang und ohne wahrhaftes Ende. Dieser Ungedanke sollte mit der verwerflichen Denkart, die sein Ursprung ist und nichts auf organische Weise begreift, billig zugleich verschwunden seyn.

Ein altes Buch sagt, auf die Frage was ist’s das geschehen ist? sey die Antwort: Ebendas was hernach geschehen wird; und auf die, was ist’s, das geschehen wird? Ebendas was zuvor geschehen ist. Aber es beschränkt diese Erklärung durch die bekannte Rede, Nichts neues begebe sich unter der Sonne. Die Welt, oder, genauer geredet, diese Welt, die Welt der (durch die Sonne bestimmten) Zeit hat in sich weder Vergangenheit noch Zukunft. Die Zeit dieser Welt ist nur Eine große Zeit, zu welcher alles gehört, was in dieser von Anbeginn geschehen ist, und was sich in ihr bis zum Ende ereignen wird. Aber ebendarum, weil nur Eine Zeit, setzt sie die zum Ganzen der Zeit gehörige Zeiten außer sich voraus. Die wahre Vergangenheit ist die vorweltliche, die wahre Zukunft die nachweltliche Zeit; und so schließt sich uns ein System von Zeiten auf, von welchem unsre gewöhnliche menschliche Zeitrechnung nur ein schwaches Nachbild, eine Wiederholung im engsten Kreise ist.

Nun findet der Mensch, daß er nur in eine bestimmte Zeit geraten ist; also muß er, um seine Stellung zu begreifen und nach diesem Begriff zu handeln, zuvörderst die Zeiten der Welt von Anfang bis jetzt verstehen und unterscheidet: da ihm aber nicht verborgen bleiben kann, daß alle diese Zeiten zusammen nur Eine Zeit sind, und die jetzige Welt selbst auf einer großen Vergangenheit ruht, so muß er über die Gränzen der Welt hinausgehen und forschen, was gewesen ist, ehe die Welt war. Es ist eine bewährte Regel, daß wer den Anfang einer Sache nicht kennt, auch unmöglich deren Fortgang und Ende beurtheilen kann. Ebenso gewiß aber ist, daß um das Mittel einer Sache recht zu verstehen man Anfang und Ende verstehen muß; denn das Mittel ist vom Anfang und Ende gleich weit entfernt und hat von beyden gleich viel in sich. Wie in der Gegenwart die Vergangenheit ruht, regt sich in ihr die Zukunft. Ausgeburt der vergangenen Zeit, ist sie schwanger des Zukünftigen. Also ist der Mensch aufgefodert, Anfang, Mittel und Ende des großen Processes zu verstehen, in den er sich von Beginn seines Daseyns verschlungen findet. Er muß zu dem Anfang aufsteigen, um alles aus der Quelle herzuleiten; er muß bis an’s Ende hinaus sehen; denn die Absicht jeder fortschreitenden Bewegung wird nur in ihrem Ziel erkannt; und was im Beginn und Fortgang eigentlich war, wird nur durch das Ende klar.

Ein solches vollständiges von Anfang bis zu Ende durchgeführtes System der Zeiten wäre dann unstreitig das so lang gesuchte vollständige System der Wissenschaft. Wissenschaft ist schon der Wortbedeutung nach Historie (ἱστορία). Nur von dem, was im Werden im Geschehen erfaßt wird, haben wir ein Wissen im eigentlichen Verstand. Unser angebornes Sprachgefühl sträubt sich, Einsichten todter, stillstehender Wahrheiten, wie z.B. die geometrischen sind, ein Wissen zu nennen, so gewöhnlich das jetzt ist. Darum sagen wir vorzugsweise nur von geschehenen Dingen wir wissen sie. Wenn aber das Gegenwärtige durch gesetzliche Folgerung aus dem Vergangenen, und so das Zukünftige aus dem Gegenwärtigen und Vergangenen hergeleitet wird, so begreifen wir auch diese im Geschehen oder als Werdende; und die bloße Erkenntniß des Gegenwärtigen und Ahndung des Zukünftigen erhebt sich zur Wissenschaft. Darum wird die Art von Erkenntniß, die ursprünglich in Gott wohnt, vorzugsweise durch Wissenschaft bezeichnet. Gott weiß alle Dinge; und wir schreiben ihm Allwissenheit zu, nicht Allerkenntniß. Denn Er sieht die Dinge nicht in ihrem gegenwärtigen Bestand allein, sondern weiß jedes Dings Anfang und Ende. Wissen ist die höchste Art von Einsicht, und eine höhere Stufe als Erkennen.

3)Diese vollkommenen Wissenschaft ist gesucht worden, seitdem der Mensch zur eigentlichen Menschheit erwacht ist, und wird gesucht werden, so lang’ er Mensch ist. Denn diese Wissenschaft ist jene Weisheit, deren der Mensch, als solcher in dem Maß bedarf wie er sich selbst empfindet. Anfang Mittel und Ende einer Sache sehen, das ist weise seyn in dieser Sache. Wissen was war, was ist und was seyn wird, darinn besteht die Weisheit. Oder in einer andern Wendung, der Begriff, das Verständniß und die Unterscheidung der Zeiten, das ist das Wesentliche der Weisheit. Seinen Namen hat dieses Streben erst, da es sich klar geworden, aber früh genug erhalten. Philosophie ist Streben nach gemeinmenschlicher Weisheit, also vorzugsweise und zuerst Streben nach jener allgemeinen Wissenschaft, die vom Anfang bis auf’s Ende hinausgeht. Eine Philosophie, die sogar das Streben nach Wissenschaft verwirft, gehört zu den Erfindungen der letzten Zeiten, denen die rechten Begriffe bis auf die letzte Spur verloren gegangen.

Von jeher hat Philosophie die Gränzen der Welt und damit der gegenwärtigen Zeit zu überschreiten, die erste Herkunft der Dinge zu erklären gesucht, und sich so an die Vergangenheit im höchsten Sinne gewendet.

Hier entsteht die wichtige Frage: Wenn Philosophie Wissenschaft der vergangenen Dinge erlangt, warum war oder ist es unmöglich, daß da dem Wort und der Sache nach Historie, es auch der Form nach sey? Das Vergangene, sofern es ein Gewußtes ist, wird erzählt; warum kann nicht auch das Gewußte der höchsten Wissenschaft mit der Geradheit und Einfalt, wie jedes andre Gewußte erzählt werden? Was hält sie zurück die geahndete goldene Zeit, da die Fabel wieder zur Wahrheit und die Wahrheit zur Fabel wird? – Oder wenn die Philosophie Wissenschaft nicht wirklich erlangt, was ist der Grund, daß sie immer nur im Streben nach derselben bleibt?

Diese Frage, da sie sich auf den Vorwurf des gegenwärtigen Buchs zunächst bezieht, scheint eine vorläufige Beantwortung zu erfodern.

Dem Menschen muß ein Wesen zugestanden werden, das außer und über der Welt ist; denn wie könnte er allein von allen Geschöpfen den langen Weg der Entwickelungen von der Gegenwart bis in die tiefste Nacht der Vergangenheit zurückverfolgen, er allein bis zum Anfang der Dinge aufsteigen, wenn in ihm nicht ein Wesen vom Anfang der Zeiten wäre?

Der Mensch ist in gewissem Betracht ein Ende der Schöpfung; also mußte er auch schon im Anfang seyn; Anfang und Ende berühren sich also an ihm; dieß ist es, was ihn über die Zeit erhebt, ihm verstattet, frey aus der Zeit herauszutreten. Jenes Wesen des Menschen, das Ziel der Schöpfung war, und das ebendarum schon im Anfang vorgesehen wurde, ist selbst ein Mittelpunkt der Zeit, die alle Zeiten eingewickelt enthält. Aus der Quelle der Dinge geschöpft und ihr gleich hat das Ewige der Seele in gewissem Maß eine Mitwissenschaft der Schöpfung.

Dieses Wesen ist das Band, durch welches der Mensch fähig ist, mit der ältesten Vergangenheit wie mit der fernsten Zukunft in unmittelbaren Bezug zu treten. In welche wunderbare Beziehungen oder Verknüpfungen sieht er sich oft durch eben dieses Innerste versetzt, wenn ihm ein gegenwärtiger Augenblick als ein längstdagewesener vorkommt, oder eine ferne Begebenheit als wäre er Zeuge von ihr gewesen!

In diesem also ruht die unergründliche Vorzeit; aber obwohl es treu den Schatz heiliger Vergangenheit bewahrt ist es doch in sich selbst stumm und kann nicht aussprechen, was es in sich verschließt.

Auch würde es sich nie eröffnen, wäre ihm nicht ein Anderes beygesellt, das selbst ein Gewordenes ist und darum von Natur unwissend und gleichsam ewig jung, wie nach dem ägyptischen Priester die Hellenen. Dieses also um zur Wissenschaft der gewesenen Dinge zu gelangen, muß sich an jenes innere Orakel wenden, den einzigen Zeugen aus vorweltlicher Zeit.

Dieses aber fühlte sich nicht weniger zu ihm gezogen. Es ruht in ihm die Erinnerung aller Dinge, ihrer ursprünglichen Verhältnisse, ihres Werdens, ihrer Bedeutung. Aber dieses Ur-Bild der Dinge schlummert in ihm, zwar nicht als ein ausgelöschtes und vergessenes, wohl aber als ein mit seinem eignen Wesen verwachsenes Bild, das es nicht aus sich selbst entnehmen und hervorholen kann. Auch vielfach verhüllt – alle diese Hüllen hinweggenommen bis es als Bewußtseyn der Ewigkeit in seiner Reinheit da steht. Sicher würde es nie wieder erwachen, wenn nicht in jenem Unwissenden selbst die Ahndung und die Sehnsucht der Erkenntniß läge. Aber unaufhörlich von diesem angerufen um seine Veredelung bemerkt das Höhere, daß das Niedere ihm beygegeben ist, nicht um von ihm in der Unthätigkeit erhalten zu werden, sondern damit es ein Werkzeug habe, in dem es sich beschauen, aussprechen und sich selbst verständlich werden könne; denn in ihm liegt alles ohne Unterscheidung zumal, als Eins; in dem andern aber kann es, was in ihm Eins ist, unterscheidbar machen und auseinanderlegen.

Es ist also im Menschen eines, das wieder zur Erinnerung gebracht werden muß, und ein anderes, das es zur Erinnerung bringt; eines, in dem die Antwort liegt auf jede Frage der Forschung, und ein anderes, das diese Antwort aus ihm hervorholt; dieses andere ist frey gegen alles und vermag alles zu denken, aber es wird durch jenes Innerste gebunden und kann ohne die Einstimmung dieses Zeugen nichts für wahr halten was nicht das Ewige der Seele bejaht. Das Innerste dagegen ist ursprünglich gebunden und kann sich nicht entfalten; aber durch das Andere wird es frey dieses nimmt ihm die Hüllen ab und eröffnet sich gegen dasselbe. Darum verlangen beyde gleich sehr nach der Scheidung, jenes, damit es seines ursprünglichen und eingebohrnen Wissens bewußt, dieses damit es von ihm empfange und ebenfalls, obwohl auf ganz andre Art wissend werde.

Diese Scheidung, diese Verdoppelung unsrer selbst, dieser geheime Verkehr, in welchem zwey Wesen sind, ein fragendes und ein antwortendes, ein unwissendes, das aber nach Wissen sucht, und ein wissendes, das aber sein Wissen nicht weiß; dieses stille Gespräch, diese innere Unterredungskunst, das eigentliche Geheimniß des Philosophen ist es, von welcher die äußere, darum Dialektik genannte, 4)das Nachbild und wo sie zur bloßen Form geworden, der leere Schein und Schatten ist.

Also erzählt wird seiner Natur nach alles Gewußte, aber das Gewußte ist hier kein von Anbeginn fertig Daliegendes und Vorhandenes, sondern ein aus dem Innern durch einen ganz eigenthümlichen Proceß immer erst Entstehendes. Durch innerliche Scheidung und Befreyung muß das Licht der Wissenschaft aufgehen, ehe es äußerlich leuchten kann. Erlangte Wissenschaft wäre der Form nach Historie; aber was wir so nennen ist nur erst ein Streben nach dem Wiederbewußtwerden, also mehr noch ein Trachten nach ihr als sie selbst; aus welchem Grunde ihr eben von jenem hohen Manne des Alterthums der Name Philosophie beygelegt worden ist. Denn es ist klar, daß die ganze und vollständige Wissenschaft an der Wissenschaft des Vergangenen, wie eine Kette an ihrem obersten Gliede, hängt; wie auch in späterer Zeit Platon alles Streben nach Wissenschaft als ein Streben nach Erinnerung beschrieben, dadurch andeutend, daß das Vornehmste der Wissenschaft sich auf Vergangenheit beziehe. Was aber die Meynung betrifft, die von Zeit zu Zeit gehegt worden, die vollkommenste Dialektik für die Wissenschaft selber anzusehen, verräth nicht wenig Eingeschränktheit, indem eben das Daseyn und die Nothwendigkeit der Dialektik beweist, daß eigentliche Wissenschaft (ἱστορία) noch nicht gefunden ist.

So wollen wir auch gleich im Beginn dieses Werks alle erinnern, was sie in der Philosophie überhaupt, und in dieser Entwicklung insbesondere zu suchen haben. Keine Sätze, keine ein für allemal feststehende Wahrheiten, wie die geometrischen. Dieses schon nicht des Gegenstandes wegen, weil er ein ewig sich fortbewegender ja die ewige Bewegung selbst ist, also keiner, der in Gränzen einzuschließen, gleich einer geometrischen Figur und definibel wäre. Was lebendig fortschreitet, ist nicht in jedem Augenblick dasselbe; was von ihm ausgesprochen werden mag, es wird nur für diesen Moment von ihm ausgesprochen. Allgemeine Sätze lassen sich von dem Vorgebrachten so wenig abziehen, als sich historische Erzählungen in allgemeine Wahrheiten umwandeln lassen; und so wenig aus der einzelnen Handlung des Menschen, dessen Leben erzählt wird eine allgemeine Definition desselben zu schöpfen ist, so wenig läßt sich in der fortschreitenden Entwicklung der Philosophie der einzelne Moment zu einer unbedingten Behauptung umprägen. Daher sich jeder mag vergehen lassen, Sinn Absicht und Inhalt eines wahrhaft philosophischen Buchs in kurzen, allgemein-behauptenden Sätzen sich anzueignen. Wer es verstehen will, muß es von Anfang bis zu Ende verstehen; hat er es bis zum Ende verfolgt, dann wird er auch wissen, wie er jedes Einzelne zu nehmen hat, wie man die Handlungen eines Menschen erst nach seinem Ende richtig beurtheilen kann. Unmöglich aber sind dogmatische Sätze in der wahren Philosophie auch wegen der ihr eigenen Methode. Denn sie ist nicht unmittelbar Wissenschaft, sondern Untersuchung, die Wissenschaft zum Zweck hat. In der Untersuchung selbst aber wird nichts Allgemeines ausgesprochen, sondern alles wird in jedem Augenblick so gegeben, wie es eben aus der Untersuchung hervorgeht, von der sogar Zweifel nicht immer und sogleich zu entfernen ist.

Denn der Philosoph befindet sich wahrhaft in keinem andern Falle als der andre Historiker auch. Denn auch dieser muß was er zu wissen verlangt, den Aussagen alter Urkunden oder der Erinnerung lebender Zeugen abfragen. Auch ihm ist viele Kritik oder Scheidungskunst nöthig, um aus der Verworrenheit der Nachrichten die Thatsachen herauszuläutern, und das Wahre von dem Falschen das Ächte von dem Unächten in den vorhandenen Überlieferungen abzusondern. Auch bedarf er gar sehr der Scheidung von sich selbst, der Entfernung von der Gegenwart, der Hingebung an die Vergangenheit um sich von den Begriffen und den Eigenheiten seiner Zeit loszumachen.

Überhaupt kann nichts, auch nicht das von außen Gegebene unmittelbar zum Bewußtseyn gelangen, es muß erst innerlich geworden seyn. Wenn im Geschichtsschreiber nicht selbst die alte Zeit erwacht, so wird er nie wahr, nie anschaulich, nie lebendig darstellen. Was wäre alle Historie, wenn ihr nicht ein innerer Sinn zu Hülfe käme? Was sie bey so vielen ist, die zwar vieles von allem Geschehenen wissen, aber von eigentlicher Geschichte nicht das Geringste verstehen. Nicht menschliche Begebenheiten allein, auch die Geschichte der Natur hat ihre Denkmäler, und man kann wohl sagen, daß sie auf ihrem weiten Schöpfungsweg keine Stufe verlassen, ohne etwas zur Bezeichnung zurückzulassen. Diese Denkmäler der Natur liegen großentheils offen dar, sind vielfach durchforscht zum Theil wirklich entziffert, und doch reden sie uns nicht, sondern bleiben todt, ehe jene Folge von Handlungen und Hervorbringungen dem Menschen innerlich geworden, d.i. auf eben jenes innerste seines Wesens zurückgeführt worden, das für ihn gleichsam der lebendige Zeuge aller Wahrheit ist.

So kann auch der Mensch durch keine Art von äußerer Mittheilung oder Offenbarung gleichsam unmittelbar in das wahre Wissen versetzt werden. Alles muß aus ihm selbst kommen, oder da alles schon in ihm liegt, in ihm selber aufgehen. Alle wahre Offenbarung will nur Anregung seyn, nur Mittel der Entwicklung. Denn enthielte sie die vollständigste und genaueste Erzählung der Wege Gottes von Anbeginn an, so würde es der Mensch mittelst derselben nur zu einem äußeren Wissen bringen. Darum redet die wahre Offenbarung in Gleichnissen und in dunkeln Worten, sie gibt nie das Ganze, wohl aber die Puncte, von denen aus zum Ganzen zu gelangen ist; jene höchste, auf den Weltplan gehende Wissbegierde, wird von ihr mehr erregt als befriedigt; nicht in vollem Lichte zeigt sie die enthüllten Geheimnisse, nur einzeln leuchtende Blitze bezeichnen gleichsam ihren Ort und den Weg zu ihnen. Weit entfernt, jenes Streben des Menschen nach vollständiger Wissenschaft, d.i. nach Weisheit zu verwerfen, hat sie vielmehr auf dasselbe gerechnet; und es 5)wohl der Mühe werth, auch dieses gleich anfangs zu berühren, da eine gewisse Trägheit oder Verzweifelung an der menschlichen Kraft auf’s Neue die Offenbarung der Philosophie entgegen und mit ihr in Zwietracht zu setzen sucht.

Wir wissen es, und werden es im Verlauf des Werks oft genug anerkennen, welches Licht uns durch die Offenbarung zutheil geworden; wir gestehen sogar, daß es vielleicht unmöglich gewesen wäre, auch nur den Gedanken dieses Unternehmens ohne vorleuchtende Offenbarung zu fassen. Aber sie gewährt uns dieses Licht nur inwiefern wir sie zum Hülfsmittel unsres wirklichen Strebens nach Weisheit machen, inwiefern wir also Weisheit wirklich suchen, oder philosophiren; nicht aber inwiefern wir uns mit einem verstandlosen, bloß äußerlichen Wissen begnügen. So kann auch Philosophie eigentlich der Offenbarung nicht widerstreben. Denn theils könnte es wohl seyn, daß uns die Philosophie selbst auf Gegenstände oder Fragen führte, über die sie ihrer Natur nach nur Offenbarung Aufschluß ertheilen könnte, so daß sie selbst an diese verweisen müßte; theils kann Philosophie, als allseitige Forschung, nicht einseitig einer Quelle der Erkenntniß anhangen und alle anderen ausschließen wollen; im Gegentheil wenn sie glauben kann, daß in irgend einer Lehre wahre Überlieferungen aus einer uns jetzt unzugänglichen Zeit enthalten sind, wird sie eifrig den Spuren derselben nachgehen und was sie aus solchen göttlichen Reden lernt gewiß nicht verschmähen.

So haben auch von jeher Einzelne gemeynt, es sey möglich, das äußere Werkzeug, Dialektik ganz beyseitezusetzen, alle Zweyheit in sich aufzuheben, so daß wir gleichsam nur innerlich seyen und ganz im Überweltlichen leben. Wer kann die Möglichkeit einer solchen Versetzung des Menschen in sein überweltliches Princip und demnach eine Erhöhung der Gemüthskräfte in’s Schauen schlechthin läugnen? Ein jedes psychisches und moralisches Ganzes bedarf zu seiner Erhaltung von Zeit zu Zeit der Zurückführung auf seinen innersten Anfang. Der Mensch verjüngt sich immer wieder und wird neuselig durch das Einheitsgefühl seines Wesens. In eben diesem schöpft besonders der Wissenschaftsuchende beständig frische Kraft; nicht der Dichter allein, auch der Philosoph hat seine Entzückungen. Er bedarf ihrer, um durch das Gefühl der unbeschreiblichen Realität jener höhern Vorstellungen gegen die erzwungenen Begriffe einer leeren und begeisterungslosen Dialektik verwahrt zu werdenaber erst durch Kunst und Reden in diesen Zust˖[and] versetzt, so daß er ihn besitzt. Ein anderes aber ist, die Beständigkeit dieses anschauenden Zustandes verlangen, welches gegen die Natur und Bestimmung des jetzigen Lebens streitet. Denn wie wir sein Verhältniß zu dem vorhergehenden ansehen mögen, immer wird es darauf zurückkommen, daß, was in diesem untheilbarerweise zusammen war, in ihm entfaltet und theilweis auseinandergelegt werde. Wir leben nicht im Schauen; unser Wissen ist Stückwerk, d.h. es muß stückweis, nach Abtheilungen und Abstufungen erzeugt werden, welches nicht ohne alle Reflexion geschehen kann.

Darum wird auch der Zweck im bloßen Schauen nicht erreicht. Denn im Schauen an und für sich ist kein Verstand. In der äußern Welt sieht ein jeder mehr oder weniger das nämliche und kann es doch nicht aussprechen. Ein jedes Ding durchläuft, um zu seiner Vollendung zu gelangen, gewisse Momente: eine Reihe aufeinanderfolgender Prozesse, wo immer der spätere in den früheren eingreift, bringt es zu seiner Reife; diesen Verlauf in der Pflanze z.B. sieht der Bauer so gut als der Gelehrte und kennt ihn doch nicht eigentlich, weil er die Momente nicht auseinanderhalten, nicht gesondert, nicht in ihrer wechselseitigen Entgegensetzung betrachten kann. Ebenso kann der Mensch jene Folge von Prozessen, wodurch aus der höchsten Einfalt des Wesens zuletzt die unendliche Mannigfaltigkeit erzeugt wird, in sich durchlaufen und unmittelbar gleichsam erfahren, ja, genau zu reden, muß er sie in sich selbst erfahren. Aber alles Erfahren, Fühlen, Schauen ist an und für sich stumm und bedarf eines vermittelnden Organs, um zum Aussprechen zu gelangen. Fehlt dieses dem Schauenden, oder stößt er es absichtlich von sich, um unmittelbar aus dem Schauen zu reden, so verliert er das ihm nothwendige Maß, er ist Eins mit dem Gegenstand und für jeden dritten wie der Gegenstand selber; eben darum nicht Meister seiner Gedanken und im vergeblichen Ringen Unaussprechliches dennoch auszusprechen ohne alle Sicherheit; was er trifft, das trifft er, jedoch ohne dessen gewiß zu seyn, ohne es fest vor sich hinstellen und im Verstande gleichsam als in einem Spiegel wieder beschauen zu können.

Also um keinen Preis aufzugeben ist jenes beziehungsweise äußere Princip; denn es muß alles erst zur wirklichen Reflexion gebracht werden, damit es zur höchsten Darstellung gelangen könne. Hier geht die Gränze zwischen Theosophie und Philosophie, welche der Wissenschaftliebende keusch zu bewahren suchen wird. Die erste hat an Tiefe, Fülle und Lebendigkeit des Inhalts vor der letzten grade soviel voraus, als der wirkliche Gegenstand vor seinem Bilde, die Natur vor ihrer Darstellung voraus hat, und allerdings bis zur Unvergleichbarkeit geht diese Verschiedenheit, wenn eine todte das Wesen in Formen und Begriffen suchende Philosophie zur Vergleichung genommen wird. Daher die Vorliebe inniger Gemüther für sie, die ebenso leicht erklärbar ist, als die Vorliebe für die Natur im Gegensatz der Kunst. Denn diesen Vorzug haben die theosophischen Systeme vor allen bisher geltenden, daß in ihnen wenigstens eine Natur ist, wenn auch eine ihrer selbst nicht mächtige, in den andern dagegen nichts als Unnatur und eitel Kunst. Aber so wenig Natur der recht verstandnen Kunst, so wenig ist die Fülle und Tiefe des Lebens recht verstandner Wissenschaft unerreichbar; nur allmähliger gelangt sie dazu, mittelbarer und durch stufenmäßiges Fortschreiten, so daß der Wissende immer von seinem Gegenstande verschieden, dagegen dieser auch von ihm getrennt bleibt und Object einer ruhig genießenden Beschauung wird.

Hindurchgehen also durch Dialektik muß alle Wissenschaft. Aber, kommt nie der Punkt, wo sie frey und lebendig wird, wie im Geschichtschreiber das Bild der Zeiten, bey dessen Darstellung er seiner Untersuchungen nicht mehr gedenkt? Kann nie wieder die Erinnerung vom Urbeginn der Dinge so lebendig werden, daß die Wissenschaft auch der äußern Form nach Historie werden dürfte, und der Philosoph, dem göttlichen Platon gleich, der die ganze Reihe seiner Werke hindurch dialektisch ist, aber im Gipfel und Verklärungspunkt aller historisch wird, zur Einfalt der Geschichte zurückkehren könnte?

Es schien unsrem Zeitalter vorbehalten, zu dieser Objectivität der Wissenschaft wenigstens den Weg wieder zu eröffnen. Sie konnte nicht wahre Wissenschaft, d.i. Historie seyn, so lange sie als eine bloße Folge oder Entwicklung eigner Gedanken und Begriffe gemeynt war. Unsere Zeiten haben wir das Leben wieder gegeben und zwar wie wohl behauptet werden kann auf eine Art, daß sie es nie leicht wieder verlieren kann. Von nun an ist es ein Lebendiges das in ihr sich nach gemeßner Folge, und in gesetzlichem Fortschritt entwickelt. Ein zweyter Schritt zu dieser Objectivität der Wissenschaft geschah durch die Erkenntniß des Gesetzes der Steigerung, womit allein zugleich ein wahrer Anfang, ein nothwendiger, ewiger Grund zu ununterbrochnem Wachsthum gelegt ist: So lange sich die Wissenschaft auf das Ideale beschränkte, war kein solcher zu finden. Kaum

6)sinnvolle hebräische Sprach Sieg und Ewigkeit mit einem Wort aus. Schon die erste Ewigkeit ist nicht die völlig zeitlose, sondern die die Zeit ewig in sich überwunden und bewältiget trägt.

Gegen diese Bewegung gilt keine Einwendung, die von irgend einer Eigenschaft Gottes hergenommen seyn möge. Denn was auch Gott sey, er ist es nicht stillstehender Weise, sondern wie im Leben und in jener Bewegung (in actu purissimo). Ja selbst das, worinn er nie wirklich That und nie ist, jenes über das All gesetzte lautere Nichts, das aber als solches seyend ist, ist er nicht schlechthin und ohne die Bewegung; könnte man die vorangehenden Potenzen unter ihm gleichsam hinwegnehmen, so sänke er augenblicklich zurück in jenes abgründliche Nichts, darinn Gott nicht ist.

In wiefern aber jedes jener einzelnen Puncte oder Momente mit zu der unaufhörlich verketteten Bewegung gehört, in sofern ist Gott alles und jedes in jener Fortschreitung und ist doch auch nichts davon, nämlich nichts einzeln, nichts stillstehend, insbesondre, sondern nur in der unaufhaltsamen Bewegung, nicht darinn bleibend und inwohnend wie Spinoza meynt, wohl aber im Durchgang.

Darum ist Gott unfaßlich und unbegreiflich, nicht wie dieß insgemein gedacht wird, daß von Gott gar kein Begriff möglich wäre, sondern nur daß kein stillstehender. Er ist unbegreiflich im wörtlichen Verstand, incoercibel, in keine Gränzen, einzuschließen, wie der Wind der wehet wo er will und du hörest sein Sausen wohl und weißt doch nicht von wannen er kommt und wohin er führet, weil das Ende immer wieder in den Anfang der Anfang immer in das Ende geht, weil er überall ist und nirgends; wohin du kommst findest du schon nicht mehr Ihn selbst, sondern nur die Spur seiner Bewegung, denn er bleibt in Nichts, und ist der allerbehendeste und gehet durch alles wegen seiner Lauterkeit.

Diese Unbegreiflichkeit Gottes ist ganz verschieden von jener bloß verneinenden, die manche, mit soviel Anspruch auf Erbaulichkeit, lehren wollen. Diese falsche Unbegreiflichkeit hat ihren Grund nicht in der Gottheit selbst sondern in dem Nichterkennen seiner höchsten Lebendigkeit. Denn da Gott alles was er ist und selbst Gott nur in jener ewigen Bewegung ist so muß er freylich abgesehen von dieser Bewegung in jenem verneinenden Sinne unbegreiflich seyn. Denn, was er auch sey, niemand kann unmittelbar, oder anders dazu gelangen als durch die Bewegung. So wie der Weg verloren ist, ist auch die Idee selbst verloren, oder sie bleibt, wie in den schlechthin aussprechenden und festsetzenden Systemen nur noch als der todte Rest eines ehmaligen, jetzt nicht mehr verständlichen Lebens. Aus diesen todten Überbleibseln aber wieder ein Leben zusammensetzen oder anfachen zu wollen ist freylich ein ebenso vergebliches als peinliches Bemühen.