Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Thema Umtrieb

Erwähnungen in Dokumenten

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter: Entwürfe und Fragmente zum Ersten Buch« (?). Text

    Jetzt muß der Leser was die Trägheit unserer Worte nicht vermochte durch eigne Einbildungskraft ersetzen, was getrennt vorgestellt werden mußte, in einem unaufhaltsamen Act sich folgend erblicken. Es ist hier durchaus nichts festes, Stehenbleibendes, kein Wesen, als das in be einem stetigen Act einer Auswickelung (in actu continuo), im ewigen Werden ist. Die erste Potenz, einmal gesetzt, ist in einer steten Erzeugung der zweyten; die zweyte in einer beständigen Geburt aus der ersten, die dritte im immerwährenden Ausgang aus beyden. Sie sind unter sich vereinigt nicht durch ein festes, stehendes, sondern durch ein bewegliches, lebendiges Band, das sich immer wieder macht. Es kann aus diesem untrennlichen und untheilbaren Geschehen nichts Einzelnes herausgenommen werden, wo du in dieses Rad eingreifest, wird die das Ganze gestört. Die drey Potenzen folgen sich, wie drey unmittelbar verkettete Gedanken, so daß sie obwohl drey, doch der That nach (actu) nur Eines sind.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1811). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1811). Text

    Nun kann auch das höchste Leben, und dieses am wenigsten, im gegenwärtigen Moment nicht stehen bleiben. Denn selbst Gott ist nur die Hülle der Gottheit. Die urerste Lauterkeit ist noch immer verborgener Weise das eigentlich Existirende, und der erste wirkende Wille doch wahrhaft nur der Grund ihrer Existenz. An sich weder Subjekt noch Objekt, aber durch den wirkenden Willen jetzt als beydes gesetzt, bleibt sie doch an sich selbst stets die wesentliche Einheit. Sie freut sich also wohl eine Weile ihres fühlenden und sich selbst fühlbar gewordenen Lebens – man verstatte uns nur einstweilen dieses bildliche Reden –; bald aber empfindet sie nur inniger und schärfer – durch den Widerspruch mit dem Gegensatz, in den sie versetzt ist – die Einheit ihres eigenen Wesens. Sie fühlt die Milde ihrer ursprünglichen Natur im Gegensatz sowohl mit der Strenge des zusammenziehenden Willens als im Gegensatz mit sich selber als Subjekt, wo sie zwar immer noch Einheit, aber nicht mehr stille, sanft ausquellende, sondern wirkende und zusammenziehende Einheit ist, am meisten aber im Gegensatz mit dem Seyn, in welchem sie die wirkliche Zweyheit und Widerwärtigkeit empfindet, indem sie gegen ihre Natur, vermöge der sie ausfließend und ausbreitend ist, zusammengezogen und eingeschlossen ist.

    Also verlangt sie ferner weder Subjekt noch Objekt zu seyn, sondern frey zu werden, um als die sanfte stille Einheit auszugehen von beyden.

    Dieß ist das Verhängniß alles Lebens, daß es erst nach der Einschränkung und aus der Weite in die Enge verlangt, um sich faßlich zu werden; hernach, nachdem es in der Enge ist und sie empfunden hat, wieder zurückverlangt in die Weite und gleich wiederkehren möchte in das stille Nichts, darinn es zuvor war, und doch nicht kann, weil es sein eigen selbstgegeben Leben aufheben müßte.

    Auf diese Art verlangt auch die Lauterkeit, nachdem sie in dem ersten wirkenden Willen zur Existenz gekommen, wieder von ihr auszugehen. Nun sind Subjekt und Objekt durch den wirkenden Willen als Eins, und eben damit ist die Existenz gesetzt. Also entsteht ein stilles Verlangen nach der Scheidung dieser beyden, das auch den wirkenden Willen nicht in Ruhe läßt, der nicht ein einfaches, sondern ein Doppelwesen ist, in dem Liebe und Zorn gleichgewogen sind. Insofern er nun die Liebe in sich empfindet und ihr Wille ist, entsteht auch ihm ein Verlangen nach der Scheidung; kaum aber empfindet der andre oder eigne Wille in ihm die Scheidung, so erschrickt er und fürchtet, daß die Existenz verloren geben möchte und zieht also wieder zusammen.

    Nun kann der existirende Wille diesen andern Willen doch nicht lassen; denn ebendarauf, daß er die Mitte von beyden ist, beruht seine eigne Wirklichkeit; es entsteht also in ihm selbst der Widerstreit; ein Wechsel von Expansion und Contraction, indem ihn die Liebe zur Scheidung, der eigne Wille aber zur Anziehung treibt. Im Conflikt zwischen diesen beyden streitenden Willen verliert er die eigene Freyheit und wird, als der erste klopfende Punkt, gleichsam das schlagende Herz der Gottheit, das in nie aufhörender Systole und Diastole Ruhe sucht und nicht findet. Je mehr er aber auf diese Art selbst die Noth und Widerwärtigkeit empfindet, desto mehr verlangt auch er nach Befreyung und nach Errettung aus der Nothwendigkeit.

    In der Expansion gehet das Seyn und mit ihm der Widerstreit aus der Einheit und lässet sie frey; in der Einung aber wird sie immer wieder gehalten, daß sie nicht entfliehen kann und immer wieder festgemacht, und auf’s Neue zum Seyn zusammengezogen; damit aber auch wieder als seyendes gesetzt. Es ist eine unwillkührliche Bewegung, die einmal angefangen sich immer von selber macht; denn durch jede Contraction wird dem wirkenden Willen wieder die Liebe als der erste Wille empfindlich, so daß er wieder zur Expansion sich entschließt: durch die Scheidung aber wird ihm der andre Wille als die Begierde zur Existenz immer neu erregt, und da er nicht von ihm lassen kann, weil ebendarauf, daß er beyde Willen ist, die Existenz beruht, so entsteht unmittelbar aus der Expansion wieder Contraction und ist hier keine Ausflucht.

    Indem der Widerstreit ausgehet aus der Einheit, werden nothwendig auch die beyden Urkräfte im Seyn aus der Einheit gesetzt und unabhängig von einander; oder vielmehr da im Seyn nur die ausbreitende, bejahende Kraft sich als leidende verhält, ist es diese, die frey ausgeht aus dem Zwang. Allein indem das Seyn zurückgerufen wird zu der Einheit mit dem Seyenden, also wieder als Seyn gesetzt, werden auch die beyden Kräfte genöthigt, ein gemeinsames Seyn zu suchen und aufs Neue gehalten und wieder reell gemacht.

    Auch im Seyn also ist Wechsel von Scheidung und Einung; oder vielmehr die Scheidung zwischen Seyn und Seyendem ist bedingt durch die Scheidung im Seyn und beyde fallen zusammen.

    Durch das Auseinandergehen der Kräfte im Seyn werden sie frey und es entsteht hieraus das erste eigne Leben im Objektiven.

    Dieses erste, sich selbst bewegende Leben ist die uranfängliche ewige Natur von Gott, die immer ausgesprochen, immer wieder zurückgenommen wird, und nur in diesem beständigen Wechsel des Aus- und Einathmens ein Leben hat.

    Indem nämlich der Wille der Liebe das eigne Leben im Seyn hervorruft und die Kräfte scheidet, verliert so zu sagen der andre Wille, der Wille des Zorns, sein Recht an das Seyn, und die Freyheit geht in der Scheidung als ein Blitz auf; wenn aber der andre Wille die Kräfte aus der Flucht zurückruft, verliert die Liebe ihr Recht an beyde und wird der offne Punkt wieder verschlossen. Auf diese Art ist das Leben der ewigen Natur in diesem Moment nur ein beständiger Wechsel von Sterben und Leben, indem sie abwechselnd dem einen Willen lebt und dem andern stirbt, abwechselnd aus der Einheit in ein eignes Seyn ausgeht und das eigne Seyn wieder verliert. Also ist hier an kein stehenbleibendes Seyn zu denken, und ist die ganze Erzeugung doch nur wie eine göttliche Erscheinung, die, aus dem Widerspruch entsprungen, nichts Beständiges werden noch hervorbringen kann.

    Expansion ist Vergeistigung, Contraction ist Verkörperung. Also kommt auch die Materie in diesem Moment um einen Schritt näher zu ihrer endlichen Gestaltung. Denn in dem ersten Zustand stiller Beschaulichkeit, wo das Seyn mit dem Seyenden Eins ist, war kein Widerstreit beyder Eigenschaften; das Leibliche war geistig und das Geistige leiblich. Hier aber scheint sich die Materie in einem Zustand von Unentschiedenheit und gleichsam in einem Kampf zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit zu befinden.

    War das Objektive des vorhergehenden Moments ein geistig-leibliches Wesen, so werden wir das des gegenwärtigen schon um einen Grad näher der Körperlichkeit annehmen und eine wirkliche Erzeugung von finstrer, dem Geistigen widerstrebender, nicht mehr offner, Materie im Seyn des Urwesens zugeben müssen. Denn da die zusammenziehende Kraft, welche eigentlich die leiblich machende ist, hier im offnen Gegensatz mit der vergeistigenden wirksam ist: so kann sie in dieser Wirksamkeit nur eine dem Geistigen widerstehende Materie erzeugen, obschon hier überall an keine bleibende Geburt gedacht werden kann.

    Der Mittelzustand nämlich von Scheidung und Einung, da es zu keinem von beyden entschieden kommt, ist der Streit. Die beyden Kräfte, deren Verhältniß im ersten Zustand des Seyns ein harmonisches Spiel friedlicher, gegenseitiger Erregung war, werden dadurch daß sie immer getrennt, immer wieder zur Einheit zurückgerufen werden, zu immer heftigerem Streit entzündet. Aus jeder neuen Einheit wieder gerissen, bis endlich die höchste Widerwärtigkeit entsteht, scheinen sie sich suchen zu müssen, nicht, damit sie wirklich Eins seyen, sondern, um sich gegenseitig zu bekämpfen. Denn die verneinende Kraft ist jedesmal mit der Einung, die bejahende aber mit der Scheidung einverstanden und durch sie begünstigt, so daß keine bleibend die Oberhand gewinnt, sondern jede abwechselnd siegt und besiegt wird.

    Doch ist es wesentlich, auch hier verschiedne Momente zu erkennen. Denn im Anfang dieses Streits, da die Contraction noch weniger überwunden ist, hat diese im Ganzen immer das Uebergewicht über die Expansion. Noch ist der Streit nicht zur höchsten Heftigkeit entflammt. Aber immer wiederkehrend gewinnt die Scheidung immer mehr an Gewalt und droht, ihr gleichwerdend, endlich das Uebergewicht über sie zu erhalten. In dem Augenblick dieses beständig erneuerten Streits zwischen der stets kräftiger wiederkehrenden Scheidung und der immer weniger widerstehenden Contraction muß die Materie als das Mittlere von beyden gleichsam zerrissen und zuletzt eine Zertheilung bis in’s Kleinste, eine Auflösung der erst geschlossenen Einheit des Seyns in das Chaos hervorgebracht werden.

    Es ist erlaubt, den Streit zwischen Scheidung und Einung auch als einen Streit zwischen den zwey Dimensionen anzusehen. Denn die contrahirende, stets auf den Mittelpunkt wirkende, Urkraft ist das Setzende der ersten Dimension, vermöge welcher keine Mannichfaltigkeit, keine gegenseitige Freyheit und Unabhängigkeit der Dinge seyn würde, sondern nur unverbrüchliche Einheit und alle Einzelheit unterdrückende Nothwendigkeit. Nur durch eine gegenwirkende, den Zwang der ersten aufhebende und sie brechende Kraft, deren Wirkung die der ersten durchkreuzend, die zweyte Dimension hervorbringt, macht eine Unterscheidbarkeit der Dinge und ein gegenseitig freyes und unabhängiges Leben zwischen den verschiednen Organen des großen Ganzen möglich. Denn die ausbreitende Kraft, gegen die anziehende in Freyheit gesetzt und doch von ihr nicht gelassen, zersprengt die Einheit, aus der sie entfliehen will, nach allen Richtungen; und bildet, nach allen Seiten den Mittelpunkt fliehend, von der contrahirenden Kraft aber doch gehalten, lauter einzelne Centra, die, von widerwärtigen Kräften getrieben, ein eignes und selbständiges Leben zu haben scheinen.

    Es ist auffallend, daß in der ganzen Natur jedes selbständige Leben von Bewegung um den eignen oder einen äußeren Mittelpunkt anfängt. Im Größten wie im Kleinsten, im Rad der Planeten, worinn sich die tief verborgne Einheit der Welt zuerst aufzuschließen scheint, wie in den rotatorischen Bewegungen jener fast nur dem bewaffneten Aug sichtbaren lebensvollen Welt, von welcher die organische Natur anzufangen scheint, zeigt sich Umtrieb als die erste Form und Offenbarung des eignen gesonderten Lebens. Vielleicht wäre es nicht die schlechteste Ansicht, jenes göttliche Chaos, die wandelnden und mit unbegreiflicher Geschwindigkeit um die eigne Axe und den Mittelpunkt sich bewegenden Gestirne mit diesem der Infusorien in Vergleich zu setzen. Noch bewahrt das Blut, dieses nur innerlich gesetzte und bereits höheren Kräften unterworfne Chaos, die alte Form der Bewegung im Ganzen und im Einzelnen, und nichts scheint die nach größerer Ruhe sich sehnende Natur eifriger zu suchen, als aus dieser Bewegung zu entkommen und die widerwärtigen Kräfte zu scheiden, wozu sie durch das unaussprechlich hohe, noch von keinem begriffene, Wunder der Artikulation den Anfang macht, bis es ihr gelingt, im System der freyen Bewegung beyde Kräfte durch den Gegensatz der ausstreckenden und beugenden Muskeln auseinander zu halten, die, dem Willen gehorchende Wünschelruthen, zwar immer noch der rotatorischen Bewegung folgen, aber jene nur nach außen, diese nur nach innen schlagen.

    In jenem Rad einer unablässig in sich selbst gehenden Bewegung erhält die Materie vollends ihre letzte Zubereitung. Denn durch die beständige Trennung und Wiedervereinigung der Kräfte gelangen sie mehr und mehr zur gegenseitigen Empfindung von einander; die Kraft, welche ihrer Natur nach unthätig und untergeordnet seyn sollte, die zusammenziehende, nimmt im Gegensatz mit der andern immer mehr geistige und thätige Eigenschaften an; die andre hingegen, als die reinste Geistigkeit, wird immer mehr in’s Leidende und Untergeordnete gezogen, wodurch auf unendliche Weise die eine in die andre gebildet und der Grund zur künftigen Empfindungs- und Vorstellungsfähigkeit in beyden gelegt wird.

    Nun ist jedoch das Erscheinen aller körperlichen Eigenschaften nur wie ein Aufblicken zu nehmen; denn da, wie die beyden Kräfte im Seyn, ebenso auch Seyendes und Seyn immer wieder als Eins gesetzt und zur Einheit zurückgerufen werden; so bleibt das Objektive beständig, so zu sagen, auf dem Sprung in’s Aeußerliche, ohne dahin wirklich gelangen zu können.

    Konnte daher der Kampf im Objektiven als ein Kampf zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit betrachtet werden: so ließe sich der zwischen dem Seyenden und dem Seyn als Kampf zwischen Innerlichkeit und Aeußerlichkeit ansehen.

    Doch es ist Zeit, auf das Innere des in diesem Widerstreit existirenden Wesens zurückzugehen.Subjekt. Wagen wir jetzt auf das Innere zu sehen.

    Den beständigen Wechsel von Scheidung und Einung setzend muß es innerlich nicht weniger von Widersprüchen zerrissen seyn als äußerlich; wie bey gewaltsamen und regellosen Bewegungen der organischen Kräfte auch das Innere eines Wesens mitleidet. (Wird immer heftiger entzündet).

    Dieß ist die Folge aller Lebensentwickelung, daß sie durch den Widerspruch gegen das Seyn die erste Eintracht des Lebendigen stört, es dem Leiden und dem Schmerz hingibt. Wir erinnern an die Entwickelungskrankheiten des menschlichen Lebens im physischen wie im moralischen Verstand. Der Schmerz ist etwas Nothwendiges und Allgemeines, der unvermeidliche Durchgangspunkt zur Freyheit. Wir werden uns nicht scheuen, auch das Urwesen so wie es die Entwickelung mit sich bringt im leidenden Zustande darzustellen. Leiden ist allgemein, nicht nur in Ansehung des Menschen, auch in Ansehung des Schöpfers der Weg zur Herrlichkeit. Er führt sein Geschöpf keinen andern Weg, als durch den er auch selbst hindurchgehen mußte. Aller Schmerz kommt nur von dem Seyn, und weil ein jedes Wesen sich erst in das Seyn einschließen muß und aus der Dunkelheit desselben durchbrechen zur Verklärung, so ist auch das göttliche Wesen nicht von allem Schmerz losgesprochen, und muß erst leiden, eh’ es den Triumph seiner Befreyung feyert.

    Dahin ist jetzt die friedliche Einheit des Wesens mit seinem Daseyn, die wir im ersten Moment erkannten, und welche überall der erste Zustand alles Lebens ist. Entzweyt sind im Seyn die erst einträchtigen Kräfte, und je inniger noch die Einheit des Seyenden mit dem Seyn ist, desto mehr nimmt das Existirende als Seyendes an der wachsenden Zwietracht im Seyn Theil. Doch sind hier ebenfalls Momente zu unterscheiden, indem auch im Innern des Wesens auf anfänglich ruhigere Bewegungen immer heftigere folgen. So lang die zusammenziehende Kraft ein Uebergewicht über die ausbreitende behauptet, wird sie im Innern durch den anfangenden Streit noch dumpf, zu blindem bewußtlosem Wirken erregt; mächtige, gewaltige und, weil durch die Einheit nicht gemäßigte, ungeheure Geburten steigen auf, wie aus dem Spiel der Kräfte im Traum entstehen, wenn die vernünftige Seele nicht einfließt und diese für sich wirken. Nicht mehr in jenem Zustand der Innigkeit oder des Hellsehens, wo das ganze Innere wie mit Licht erfüllt ist, noch von seligen die Zukunft vorbedeutenden Visionen verzuckt, brütet das in diesem Widerstreit existirende Wesen wie in schweren, aus der Vergangenheit aufsteigenden Träumen: bald aber mit wachsendem Streit ziehen wilde Phantasien durch sein Inneres, in denen es alle Schrecknisse seines eignen Wesens empfindet. Die herrschende und dem Streit der Richtungen im Seyn, da es nicht aus noch ein weiß, entsprechende Empfindung ist die der Angst. Inzwischen geht die Scheidung fort und bringt die Kräfte zu immer größerer Trennung, daß die zusammenziehende Kraft gleichsam für ihr Daseyn zittert. Je mehr sie noch in ihrer Stärke ist, desto blinder wirkt der existirende Wille; daher auch die Kräfte mit blinder Sucht wild und verstandlos zur Wiedervereinigung streben. Im Verhältniß aber, als die Kräfte im Seyn und damit Seyn und Seyendes selber geschieden werden, bricht aus dem Mittelpunkt derselben die Freyheit oder das Wesen der uranfänglichen Lauterkeit in einem verzehrenden Glanze hervor, nicht anders als im elektrischen Prozeß, je mehr die getrennten Kräfte in Brunst gegen einander gerathen, in der Scheidung selbst das elektrische Feuer als Blitz erscheint. Nun ist die Lauterkeit im Gegensatz mit der blinden Gewalt des existirenden Willens mit der Gewalt der blinden, verneinenden Kraft wesentliche Einheit, in der Freyheit, Geist, Verstand und Unterscheidung wohnt. Also möchte der Wille im Zusammenziehen die blinde Kraft im Wirken selbst den Blitz der Freyheit wohl fassen und sich zu eigen machen,denn sie ist zwar gegen ihren Willen in’s Wirkende erhoben, und weil sie doch Bejahendes seyn soll und muß, möchte sie sich selbst zur Freyheit machen. Also sucht sie den Blitz des bejahenden Wesens zu ergreifen, um dadurch frey schaffender und bewußter Wille zu werden, der ausginge aus der Widerwärtigkeit und keinen Gegensatz mehr hätte, und möchte auch seinen ihren Schöpfungen eben diese wesentliche Einheit, die Verstand und Geist ist, mittheilen. Aber der blinde Wille kann die Freyheit nicht fassen; denn es ist ein unfaßlicher, übermächtiger Geist; daher er bey dessen Erscheinung erschrickt, (denn er fürchtet sich vor ihrer Lauterkeit, indem er unwillkührlich erkennt, daß sie sein wahres Wesen und, ihrer Sanftmuth ohnerachtet, stärker ist, denn er in seiner Strenge), und durch den Anblick jenes Geistes wie besinnungslos wird und ihn blindlings zu ergreifen und in dem, was er hervorbringt, innerlich nachzubilden sucht, ob er ihn etwa festhalten könne. Aber es ist nur wie ein fremder, seiner selbst nicht mächtiger Verstand, womit er wirkt, ein Mittleres zwischen völliger Nacht des Bewußtseyns und begonnenem Geist, eine Art Wahnsinn, der letzte Zustand des höchsten inneren Streits und Widerspruchs.

    Nicht umsonst haben die Alten von einem göttlichen Wahnsinn gesprochen. , den sie dem Dichter und jedem andern zuschreiben, in dem eine Kraft sich zeigt, die mehr wirkt als sie begreift. So Denn so sehen auch wir noch die sichtbare schon beruhigte Natur, welche nur das äußerlich gewordne Bild der innern ist, in dem Verhältniß, als sie dem Geist sich annähert, gleichsam immer taumelnder werden. Denn es befinden sich zwar alle Dinge der Natur in einem besinnungslosen Zustande; jene Geschöpfe aber, die der letzten Zeit des Kampfes zwischen Scheidung und Einung, Bewußtseyn und Bewußtlosigkeit, angehören, sehen wir in einem der Trunkenheit ähnlichen Zustand und gleichsam wie von zerreißendem Wahnsinn getrieben dahinwandeln. Nicht umsonst wird der Wagen des Dionysos von Löwen, Panthern, Tigern gezogen; denn es war dieser wilde Taumel von Begeisterung, in welchem die Natur über dem vom innern Anblick des Wesens geräth, den der uralte Naturdienst ahndender Völker in den trunkenen Festen bacchischer Orgien gefeyert gleichsam den Untergang d. alten reinen Naturd. zu beklagen. Wogegen der schreckliche Druck der zusammenziehenden Kraft, jenes wie wahnsinnig in sich selbst laufende Rad der anfänglichen Natur Geburt, und die mächtigen darinn wirkenden furchtbaren Kräfte des Umtriebs in anderem schrecklichem Gepränge uralter götterdienstlicher Gebräuche durch besinnungslose, rasende Tänze, durch den erschütternden Zug der Mutter aller Dinge auf dem Wagen mit ehernen Rädern, begleitet von dem Getöse einer rauhen, theils betäubenden theils zerreißenden Musik abgebildet wurde. Denn weil Klang und Ton allein in eben jenem Kampf zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit zu entstehen scheinen: so kann die Tonkunst allein ein Bild jener uranfänglichen Natur und ihrer Bewegung seyn, wie denn auch ihr ganzes Wesen im Umlauf besteht, da sie von einem Grundton ausgehend, durch noch so viele Ausschweifungen zuletzt immer in den Anfang zurückkehrt.

    Die Beschreibung dieses Zustandes haben wir nicht aus besondern Kräften des Urwesens hergeleitet, sondern nur das allgemeine Schicksal einer sich aus eignen Kräften und ganz für sich selbst entwickelnden Natur geschildert. Denn dem Menschen hilft der Mensch, hilft selbst Gott; dem Urwesen aber in seiner schrecklichen Einsamkeit kann nichts helfen; es muß diesen chaotischen Zustand allein und für sich durchkämpfen.

    Die größte Bestätigung der Wahrheit unserer Beschreibung liegt darinn, daß jenes drehende Rad der Geburt, jener wilde sich selbst zerreißende Wahnsinn noch jetzt das Innerste aller Dinge, und nur beherrscht und gleichsam zugutgesprochen durch das Licht eines höheren Verstandes, die eigentliche Kraft der Natur und aller ihrer Hervorbringung ist.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1813). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1813). Text

    Die Einheit, die wir bisher betrachtet, war eine stumme, wirkungslose. Zwar alle Kräfte waren in wonnevollem Wirken gegeneinander. Zuerst die Kräfte der Natur: aber dieses Wirken war nicht selbst wieder ausgesprochen und als wirkend gesetzt. Die Kräfte waren bloß in jenem Wirken, aber sie waren nicht als seyend. Es war ein bloßes Wirken in der Anlage, wie wenn die Kräfte unseres Innern zu irgend einer Handlung oder Hervorbringung sich regen, aber der Entschluß nicht da ist, der ihr Wirken geltend macht. Ebenso verhielt es sich auch mit dem Seyenden und dem Seyn der Ewigkeit, dieses war zwar aufgefordert und bereit, sich als das unmittelbar Bejahende der Natur zu setzen; es war dieses schon innerlich – aber nicht äußerlich, nur der Absicht, nicht der That nach. So das Seyende, es war schon das Seyende, inwiefern es aufgefordert war, sich als solches zu setzen, und war es auch nicht, weil es sich nicht wirklich als solches gesetzt hatte.

    Das ewige Seyn fühlt sich also zum anfänglichen gezogen, und will wohl das unmittelbar Bejahende von ihm seyn, so das Seyende zu beyden und verlangt das gemeinschaftlich Bejahende beyder zu seyn. Aber in eben diesem Gezogenwerden wird ihnen der Wille der nichts will, als ihre Kraft, als ihr Aussprechendes empfindlich. Also wollen sie und wollen auch nicht. Sie wollen, in wiefern sie gezogen und aufgefordert sind, und sie wollen nicht, weil sie den Willen, der nichts will, nicht lassen wollen, der ihnen in eben diesem Moment fühlbar geworden, als der Herr, als der, bey dem alle Kraft ist.

    Aber ob sie gleich sich nicht entscheiden können noch wollen, sind sie doch gezogen. Dadurch ist wirklicher Gegensatz und dadurch werden sie auch dem Willen, der nichts will, empfindlich. So lange der Gegensatz unangeregt ruhete, blieb dieser in seiner Gleichgültigkeit und wußte ihn nicht. Nun der Gegensatz in Wirkung gebracht und dem Willen der nichts will fühlbar geworden, jetzt ist dieser zum Actus gebracht, und wird ein wirklicher Wille, da er zuvor ein bloß möglicher war. Aber er kann doch nur wirklich werden, als der, der er ist. Unmöglich ist ein für allemal, daß irgend Etwas aufgehoben werde. Also er kann nur wirklich werden als der Wille der nichts will. Aber da er zuvor ein ruhender Wille war, der nur nicht positiv Etwas wollte, so wird er jetzt, aufgefordert das Seyende und das Seyn auszusprechen als das Seyende und das Seyn, vor sich zum Willen der positiv nichts will, auch sich selber nicht als Seyendes und als Seyn d.h. zum Willen, der sich der Sonderheit, dem Auseinandergehen, der gegenseitigen Freyheit der Principien widersetzt.

    Inzwischen war in dem Willen, der nichts wollte, gleich anfangs, obwohl nicht zu scheiden, zweyerley. Es war erstens lauterer Wille an sich, als solcher aber außerdem Wille der nichts wollte. Nun ist nur dieses Letzte an ihm zum positiv verneinenden Willen geworden, außerdem aber bleibt er noch lauterer Wille, und diese Eigenschaft Wille zu seyn, kann in ihm nicht aufgehoben werden. Unmöglich ist eben, daß nicht in Ihm, sofern er Wille bleibt und gerade darum, weil er zum positiv verneinenden geworden, sich ein andrer entgegengesetzter Wille erzeuge, ein Wille, der sich als das Seyende und als das Seyn wirklich will, mit Einem Wort, ein bejahender Wille, ein Wille der Liebe, der nicht Nichts, sondern Etwas alles will.Unmöglich ist, daß nicht der Wille, welcher jetzt ein positiv nichts wollender Wille ist, angerufen sei von dem, was ohne ihn nichts ist, und nur durch ihn in den wirkenden Zustand erhoben werden kann.

    Also ist jetzt ein und derselbe Wille =x zwey Willen, ein bestimmt verneinender und ein bejahender. Diese zwey Willen können sich nicht als Theile des Einen Willens verhalten; denn er ist positiv nichtswollender Wille ganz und ungetheilt. Also kann er auch nur ganz und ungetheilt der wollende Wille seyn.

    Hiemit thut sich endlich der höchste Widerspruch auf. Denn es sind hier nicht zwey unwirkende Willen noch einer von beyden unwirkend, sondern beyde sind wirkend. Der eine und selbe Wille ist als der nichtswollende Wille activirt, und als der Wille der etwas (Leben und Wirklichkeit) will, ist er auch activirt. Also ist hier, weil der höchste Widerspruch nothwendig auch die höchste Bewegung des Lebens, und zum voraus ist einzusehen, daß hier ohne eine absolute Entscheidung nicht abzukommen ist.

    Sind aber zwey streitende Willen da, ein bejahender und ein verneinender, so wird auch schon der Geist gefordert, oder er ist der Möglichkeit nach da, und sollte hervortreten, kann aber nicht, weil er die freye Einheit von beyden, eine Einheit aber unmöglich ist.

    Also sehen wir, daß das Höchste gleichsam in dem Augenblick selbst, da es sich aussprechen sollte, ein Unaussprechliches wird. Dieses lasse sich niemand irren, noch widerstreite es, wenn jemand es verwerfen sollte, sondern an eben dieser Unaussprechlichkeit halte er fest; denn sie ist nothwendig zum höchsten Leben. Wäre nicht das, was in allem Leben sich aussprechen will, ein seiner Natur nach Unaussprechliches, wie wäre dann Lebensbewegung, wie Drang zur Aussprechlichkeit, zur Articulation, zum organischen Verhältniß? Aber noch mehr, wie wäre ohne dieß ein schlechthin Höchstes, das nie zum Aussprechlichen wird, sondern ewig nur das Aussprechende bleibt? Denn eben in dieser Unaussprechlichkeit, da nicht zu sagen ist, das Ewige ist der nichtswollende Wille, und nicht: es ist der wollende, und nicht: es ist die Einheit beyder, eben in dieser Unaussprechlichkeit wird das, das keines von ihnen ist, das lautere Ich der Gottheit wirklich und geht auf in dem unzugänglichen und der Creatur unnahbaren Glanz seiner Lauterkeit. Ein jeder sieht, wie wir nur allmälich zu dem Punct gekommen, wo wir dieses Ich der Gottheit in seiner ganzen Lauterkeit Unaussprechlichkeit erkennen mögen; wie wollt ihr es denn fühlen oder erkennen, ohne stufenweise zu ihm aufzusteigen?

    Es ist offenbar, daß keines von allen, weder der verneinende Wille, noch der bejahende, noch der bloß potentiell vorhandene, ihre Einheit, jenes absolute Ich der Gottheit ist, wie es vor der Activirung war; aber ebendarinn, daß keines von diesen es ist und es doch die Drey ist, ebendarinn erscheint es als ein wirklich, als ein an sich Unaussprechliches ersch. das an sich unausspr. Wesen der Gottheit.

    Wenn keines von den dreyen das lautere Ich der Gottheit ist, was sind sie denn? Offenbar können sie sich zu ihm nur als eben so viel einzelne Ichheiten verhalten. Alle nennen einstimmig die Gottheit ein Wesen aller Wesen. Dieses nun kann sie nur nach dem bejahenden Willen seyn. Aber ohne den verneinenden könnte der bejahende selbst nicht seyn. Er ist der Wille der Liebe; aber von sich selbst gelangt die Liebe nicht zum Seyn. Seyn (Existenz) ist Eigenheit, ist Absonderung; die Liebe aber ist das Nichts der Eigenheit, sie sucht nicht das Ihre, und kann darum, obwohl in sich das Seyende, doch nicht wieder von sich selbst als dieses seyn (existiren). Ebenso ein Wesen aller Wesen hat nichts, das es trägt; es ist an sich selbst der Gegensatz der Persönlichkeit; so muß ihm also die persönliche (dem Aeußeren sich versagende) Ichheit erst einen Grund machen. Nur das Etwas ist der Träger des Nichts, oder dessen, was von sich selbst nicht seyn kann. Aber so wenig ein Wesen aller Wesen seyn (existiren) könnte, ohne eine der Liebe widerstehende Kraft, so wenig könnte es als ein Wesen der Wesen seyn, ohne einen Willen, der der Verneinung wehrte. Wäre die Kraft der Eigenheit allein, so wäre nichts als das ewig sich Verschließende und Verschlossene, in dem nichts leben könnte, womit also die Creatur ausgeschlossen und der Begriff eines Wesens aller Wesen verloren wäre; denn jene Kraft der Selbstheit oder Eigenheit in Gott ist, was im barbarischen Ausdruck die Aseität Gottes genannt worden; die verzehrende Schärfe der Reinheit, die durch die Anziehung der Natur zu einem der Creatur unnahbaren, unerträglichen Feuersglanz erhöht wird, und wäre gegen das Geschöpf wie sehrendes Feuer, ewiger Zorn, der nichts duldete; tödtliche Zusammenziehung, wenn ihr die Liebe nicht wehrte.

    Wer aber die Zweyheit erkennt, gibt auch die Dreyheit zu. Das lautere Ich der Gottheit ist diese drey, aber nicht in sich, sondern nur in wiefern es bewogen ist und ewig bewogen wird, sich wirklich auszusprechen.

    Aber im gegenwärtigen Augenblick halten die beyden streitenden Willen sich die Waage, und zwar so, daß der Wille, der sie beyde ist, schlechterdings entweder ganz der eine oder ganz der andere seyn muß; entweder ganz Bejahung, oder ganz Verneinung, ganz Liebe oder Zorn. Eben darinn thut sich die allerhöchste Freyheit auf. Unbedingte Freyheit ist nicht für die einzelne Handlung; sie ist das Vermögen, von Widersprechenden das eine oder das andre ganz zu seyn.

    Um den Widerstreit beyder aufs bestimmteste auszudrücken, so ist das Verhältniß dieses. Der eine will, daß das Wesen (Seyendes und Seyn) in der Verflossenheit und dadurch in der Verborgenheit bleibe, darinn es zuvor war. Der andere will, daß es sich aufschließe, die Verborgenheit aufgebe.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (SW). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1815). Text


    Jenes ursprüngliche, nothwendige und bleibende Leben steigt also wohl vom Untersten zum Höchsten auf, aber angekommen in diesem geht es unmittelbar auf den Anfang zurück, um von diesem wieder aufzusteigen; und hier erst gelangen wir zu dem vollkommenen Begriff jener ersten Natur (nachdem nun alle einzelnen Begriffe wieder entfernt werden müssen, die nur gesetzt werden mußten, um zu diesem vollkommenen Begriff zu gelangen), nämlich daß sie ein ewig in sich selbst kreisendes Leben ist, eine Art von Cirkel, da das Unterste immer in das Oberste, und das Oberste wieder in das Unterste läuft. Denn es ist vermöge der Natur der drei Principien unmöglich, sowohl daß jedes, als daß nicht jedes das Seyende sey, und es läßt sich darum in diesem Drang zum Daseyn nur ein alternirendes Setzen denken, da jetzt die eine, jetzt die andere das Seyende ist, abwechselnd die eine obsiegt und die andere weicht.

    In diesem beständigen Umtrieb hebt sich natürlich der Unterschied des Höheren und Niederen wieder auf; es ist weder ein wahrhaft Oberes noch ein wahrhaft Unteres, weil abwechselnd das eine Oberes und das andere Unteres ist, sondern nur ein unablässiges Rad, eine nie stillstehende rotatorische Bewegung, in der keine Unterscheidung ist. Auch der Begriff des Anfangs, wie der des Endes, hebt sich in diesem Umlauf wieder auf. Es ist wohl ein Anfang der Potenz, der Möglichkeit nach darin, etwas, das Anfang seyn könnte, aber nicht wirklicher Anfang ist. Wirklicher Anfang ist nur ein solches, das sich selbst setzt als nicht seyend in Bezug auf das, das eigentlich seyn soll. Aber das, was Anfang in dieser Bewegung seyn könnte, erkennt sich nicht als Anfang, und macht mit den andern Principien gleichen Anspruch das Seyende zu seyn. Wahrer Anfang ist der, der nicht immer wieder anfängt, sondern beharrt. Wahrer Anfang ist, was Grund eines stetigen Fortschreitens ist, nicht einer abwechselnd vor- und zurückgehenden Bewegung. Ebenso ist nur das wahrhaftes Ende, worin ein Wesen besteht, von dem es nicht wieder auf den Anfang zurückzugehen braucht. Also können wir jenes erste blinde Leben auch erklären als ein solches, das weder seinen Anfang noch sein Ende finden kann; wir können in dieser Beziehung sagen, es sey ohne (wahrhaften) Anfang und ohne (wahrhaftes) Ende.

    Da es nun nicht irgendwann, sondern von aller Ewigkeit her angefangen, um nie (wahrhaft) zu enden, und von aller Ewigkeit her geendet, um immer wieder anzufangen, so ist klar, daß jene erste Natur von Ewigkeit her, also gleich ursprünglich eine solche in sich selbst laufende Bewegung, und dieses ihr wahrer, lebendiger Begriff sey.

    Dieß sind die Kräfte jenes inneren unaufhörlich sich selbst gebärenden und wieder verzehrenden Lebens, das der Mensch nicht ohne Schrecken als das in allem Verborgene ahnden muß, ob es gleich jetzt zugedeckt ist und nach außen ruhige Eigenschaften angenommen hat. Durch jenes stete Zurückgehen auf den Anfang und das ewige Wiederbeginnen macht es sich zur Substanz im eigentlichen Verstand (id quod substat), zum immer Bleibenden; es ist das beständige innere Trieb- und Uhrwerk, die ewig beginnende, ewig werdende, immer sich selbst verschlingende und immer sich selbst wieder gebärende Zeit.

    Ewig erzeugt sich der Gegensatz, um immer wieder von der Einheit verzehrt zu werden, und ewig wird der Gegensatz von der Einheit verzehrt, um immer neu aufzuleben. Dieses ist die Feste (ἑστία), der Heerd des beständig sich selbst verbrennenden und aus der Asche wieder neu verjüngenden Lebens. Dieß das unermüdliche Feuer (ἀκάματον πῦρ), durch dessen Dämpfung, wie Heraklit behauptete, das Weltall erschaffen worden, und das als ein in sich selbst laufendes, sich immer rückwärts wiederholendes und wieder vor sich gehendes einem der Propheten im Gesicht gezeigt worden; der Gegenstand des uralten Magismus und jener Feuer-Lehre, der zufolge auch noch der jüdische Gesetzgeber seinem Volke hinterlassen: der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer, nämlich nicht seinem Innern und eigentlichen Wesen, wohl aber seiner Natur nach.

    Unstreitig ist aber diese unablässig in sich selbst zurückgehende und wieder beginnende Bewegung der wissenschaftliche Begriff von jenem Rad der Geburt, das schon einem der Apostelὁ τροχὸς τῆς γενέσεως, Jac 3,6, den der tiefe Blick in die Natur auszeichnet, und auch später solchen, die aus Gefühl und Schauen geschrieben, als das Innere aller Natur geoffenbart worden.

    Diese Bewegung läßt sich auch als eine Systole und Diastole vorstellen. Es ist eine völlig unwillkürliche Bewegung, die einmal angefangen sich von selber wieder macht. Das Wiederbeginnen, Wiederaufsteigen ist Systole, ist Spannung, die in der dritten Potenz ihre Akme erreicht, das Zurückgehen auf die erste Potenz ist Diastole, Erschlaffung, auf die aber unmittelbar neue Zusammenziehung folgt. Also ist hier der erste Puls, der Anfang jener durch die ganze sichtbare Natur gehenden alternirenden Bewegung, des ewigen Zusammenziehens und des ewigen Wiederausbreitens, der allgemeinen Ebbe und Fluth.

    Die sichtbare Natur ist im Einzelnen und Ganzen ein Gleichniß dieser immer vor- und zurückgehenden Bewegung. Der Baum z.B. treibt immerfort von der Wurzel bis zur Frucht, und wenn er im Gipfel angekommen, wirft er alles wieder ab, geht zurück in den Stand der Unfruchtbarkeit, und macht sich selbst wieder zur Wurzel, nur um wieder aufzusteigen. Die ganze Thätigkeit der Pflanze geht auf Erzeugung des Samens, nur um in diesem wieder von vorn anzufangen und durch neuen fortschreitenden Proceß wieder nur Samen zu erzeugen und wieder zu beginnen. Aber die ganze sichtbare Natur scheint zu keiner Beständigkeit gelangen zu können und in einem ähnlichen Cirkel unermüdlich umzuwandeln. Ein Geschlecht kommt, das andere geht, mit Mühe bildet die Natur Eigenschaften, Ansichten, Werke, Talente bis zu einem Gipfel aus, um sie dann Jahrhunderte wieder in Vergessenheit zu begraben, und in einem neuen Anlauf, auf neue Art vielleicht, aber doch wieder nur zu demselben Höchsten zu gelangen.

    Aber so kommt jenes erste Wesen nie zum Seyn; denn nur zusammen erfüllen die drei Potenzen den Begriff der göttlichen Natur, und nur daß diese ist, ist nothwendig. Da also ein unablässiger Drang ist, zu seyn, und es doch nicht seyn kann, so bleibt es in der beständigen Begierde stehen, als ein unablässiges Suchen, eine ewige nie gestillte Sucht zu seyn. Hievon gilt das alte Wort: Es sucht sich die Natur und findet sich nicht (quaerit se natura, non invenit).

    Bliebe das Leben hier stehen, so wäre nichts als ein ewiges Aus- und Einathmen, ein beständiger Wechsel von Leben und Sterben, der kein wahres Daseyn ist, sondern nur ein ewiger Trieb und Eifer zu seyn, ohne wirkliches Seyn.

    Es ist klar, daß es vermöge der bloßen Nothwendigkeit der göttlichen ⦋Natur⦌, also auch wohl vermöge der Nothwendigkeit überhaupt nie zu einem wirklichen Daseyn kommen könnte.

    Wie oder wodurch wurde das Leben von diesem Umtrieb erlöst und in die Freiheit geführt?

    Da jedes der drei Principien gleiche Ansprüche hat das Seyende zu seyn, so kann der Widerspruch nicht dadurch gelöst werden, daß etwa eines auf Kosten der andern zum Seyenden wird. Da aber der Widerspruch auch nicht bleiben kann und doch eben dadurch bleibt, daß jedes für sich das Seyende seyn will: so ist keine andere Lösung denkbar, als daß alle gemeinschaftlich und freiwillig (denn wodurch sollten sie wohl gezwungen werden?) Verzicht thun das Seyende zu seyn, und also sich selbst ins bloße Seyn herabsetzen. Denn damit hört jene Gleichwichtigkeit (Aequipollenz) von selber auf, die sich nicht auf ihr Wesen oder ihre besondere Natur bezog (vermöge welcher sie vielmehr sich eine Stufenfolge bilden), sondern nur darauf, daß jedes von Natur gleicherweise das Seyende zu seyn gedrungen war. Solange diese Nothwendigkeit fortdauert, müssen sie streben, alle an einer und derselben Stelle, nämlich an der Stelle des Seyenden, also gleichsam in Einem Punkte zu seyn; es wird eine gegenseitige Inexistenz gefordert, da sie doch unverträglich sind, und wenn eines das Seyende ist, dann nothwendig die andern nicht seyend seyn müssen. Diese Nothwendigkeit kann daher nur aufhören, wenn alle gleicherweise Verzicht thun das Seyende zu seyn; denn ist eines davon das Seyende, dann müssen ihrer Natur nach alle streben dasselbe zu seyn. Sobald nun diese Nothwendigkeit aufhört, wird Auseinandersetzung möglich, oder daß jedes in seine Potenz tritt; es wird Raum, und jene blinde Nothwendigkeit der gegenseitigen Inexistenz verwandelt sich in das Verhältniß einer freien Zusammengehörigkeit.

    Dieses nun wohl ist für sich einleuchtend genug; aber es entsteht die Frage: wie es möglich sey, daß alle, gemeinschaftlich, Verzicht thun das Seyende zu seyn.

    An sich klar ist, daß überhaupt nichts sich als Seyendes aufzugeben vermag, als nur gegen ein Höheres. Wie das Herz des Menschen so lange zur selbstischen Begierde sich gleichsam berechtigt fühlt, als seine Sehnsucht, sein Verlangen, jene innere Leere, die ihn verzehrt, nicht durch ein höheres Gut erfüllt wird; wie die Seele nur sich setzt und stillt, indem sie etwas über sich erkennt, von dem sie überschwenglich beseliget wird, so kann auch jene blinde Sucht und Begierde der ersten ⦋Natur⦌ nur gegen ein Höheres verstummen, gegen das sie sich gern und willig als das bloße Seyn, als das nicht Seyende erkennt.

    Hiezu kommt, daß jenes Aufgeben und zum Seyn Ersinken ein freiwilliges seyn soll. Nun ist aber in jener ersten Natur bis jetzt nichts als unwiderstehlicher Trieb, besinnungslose Bewegung. Solang sie nicht aus dieser unwillkürlichen Bewegung gesetzt ist, ist in ihr keine Freiheit denkbar. Sie selbst kann sich dieser Bewegung nicht entwehren, sie kann ihr nur durch ein anderes, und unstreitig nur durch ein Höheres entnommen werden. Und da jene unwillkürliche Bewegung auf der Nothwendigkeit der gegenseitigen Inexistenz beruhte, so kann sie von dieser Bewegung nicht frei werden, als indem ohne ihr Zuthun die Scheidung, Auseinandersetzung geschieht, und ihr so die Möglichkeit gegeben wird, diese Scheidung entweder anzunehmen, und so sich zu erretten aus dem Umtrieb, oder sie nicht anzunehmen, und so wieder jener blinden Sucht und Begierde anheimzufallen.

    Auf jede Weise also kann die Befreiung und Erlösung ihr nur durch ein anderes kommen, das außer ihr, völlig unabhängig von ihr, und über sie erhaben ist; denn da sie sich gegen dasselbe als bloßes Seyn und nicht Seyendes erkennen soll, so ist dieß nicht möglich, ohne jenes andere zugleich als ihr wahrhaft Seyendes zu erkennen.

    Von welcher Art nun dieses andere seyn werde, dieses ist natürlich der nächste Gegenstand der Betrachtung.

    Offenbar ist nun zuvörderst, daß es von jener ewig beginnenden Natur nicht in einer stetigen Folge (in actu continuo gleichsam) als eine zu ihr gehörige Potenz gesetzt werden kann, vielmehr es ist außer und über aller Potenz, das an sich Potenzlose. Ebenso kann es nicht wieder, wie jene, Sucht, Begierde oder Natur seyn; sonst könnte es hier nicht helfen; vielmehr muß es frei seyn von aller Begierde, völlig sucht- und naturlos.

    Aber eben darum kann es auch nicht ein nothwendig Wirkliches seyn, und da wir noch von keinem frei Wirklichen wissen, überhaupt kein Wirkliches. Und doch auch kein Nichtwirkliches. Es ist also das an sich weder Seyende noch Nichtseyende, sondern nur die ewige Freiheit zu seyn.

    Es ist nur Ein Laut in allen höheren und besseren Lehren, daß das Höchste nur über allem Seyn ist. Uns allen wohnt das Gefühl bei, daß die Nothwendigkeit allem Daseyn als sein Verhängniß folgt. Was nur wirklich ist oder wirklich zu seyn strebt, ist eben damit im Widerspruch, und Widerspruch ist die Ursache aller Nothwendigkeit. Ein inniges Gefühl sagt uns, nur über dem Seyn wohne die wahre, die ewige Freiheit.

    Den meisten, weil sie jene Freiheit nie empfunden, scheint es das Höchste, ein Seyendes oder Subjekt zu seyn, obwohl dieses Wort schon andeutet, daß alles, was nur ein Seyendes ist, inwiefern es dieß ist, ein Höheres über sich erkenne; daher fragen sie: was denn über allem Seyn gedacht werden könne, oder was das sey, das weder seyend sey noch auch nichtseyend, und antworten sich selbstgenügsam: das Nichts.

    Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautere Gottheit ein Nichts ist, in dem Sinn, wie ein geistlicher Sinndichter unnachahmlich es ausgedrückt:

    Die zarte Gottheit ist das Nichts und Uebernichts,
    Wer Nichts in allem sieht, Mensch glaube, dieser siehts.

    Sie ist nichts, weil ihr nichts auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise zukommen kann, und wieder über allem Nichts, weil sie alles selbst ist.

    Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautere Freiheit ein Nichts ist, wie der Wille, der nichts will, der keine Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind, und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist nichts und alles. Er ist nichts, inwiefern er weder selbst wirkend zu werden begehrt, noch nach irgend einer Wirklichkeit verlangt. Er ist alles, weil doch von ihm als der ewigen Freiheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird.

    Die Bedeutung der Verneinung ist allgemein eine sehr verschiedene, je nachdem sie auf das Aeußere oder Innere bezogen wird. Denn die höchste Verneinung im letzten Sinn muß eins seyn mit der höchsten Bejahung im ersten. Was alles in sich ist, kann es eben darum nicht zugleich äußerlich haben. Ein jedes Ding hat Eigenschaften, woran es erkannt und gefaßt wird, und je mehr es Eigenschaften hat, desto faßlicher ist es. Das Größte ist rund, ist eigenschaftslos. Am Erhabenen findet der Geschmack, d.i. die Unterscheidungsgabe, nichts zu schmecken, so wenig als am Wasser, das aus der Quelle geschöpft ist. So nennt in sinnreichem Spiel ein älterer deutscher Schriftsteller denjenigen Willen arm, der, weil er sich selbst genug ist, nichts hat, das er wollen kann.

    Freiheit oder der Wille, sofern er nicht wirklich will, ist der bejahende Begriff der unbedingten Ewigkeit, die wir uns nur außer aller Zeit, nur als die ewige Unbeweglichkeit vorstellen können. Dahin zielt alles, darnach sehnt sich alles. Alle Bewegung hat nur die ewige Unbeweglichkeit zum Ziel, und es ist alle Zeit, auch jene ewige Zeit, nichts anderes als die beständige Sucht nach der Ewigkeit.

    Alles ruht nur, sofern es sein eigentliches Wesen, seinen Halt und Bestand in dem Willen gefunden, der nichts will. In der größten Unruhe des Lebens, in der heftigsten Bewegung aller Kräfte ist doch immer der Wille, der nichts will, das eigentliche Ziel.

    Jede Kreatur, jeder Mensch insbesondere strebt eigentlich nur in den Zustand des Nichtswollens zurück, nicht der allein, der sich abzieht von allen begehrlichen Dingen, sondern, obwohl unwissend, auch der, welcher sich allen Begehrungen überläßt, denn auch dieser verlangt nur den Zustand, da er nichts mehr zu wollen hat, ob dieser gleich vor ihm flieht, und je eifriger verfolgt, desto weiter sich von ihm entfernt.

    Man pflegt zu sagen: des Menschen Wille sey sein Himmelreich, und es ist wahr, wenn unter diesem Willen der reine, nackte, bloße Wille verstanden wird. Denn der Mensch, der in sein reines Wollen versetzt würde, allein wäre frei von aller Natur.

    Also ist jenes Naturlose, dessen die ewige Natur begehrt, kein Wesen, kein Seyendes, obwohl auch nicht das Gegentheil, sondern die ewige Freiheit, der lautere Wille, aber nicht der Wille zu etwas, z.B. Wille sich zu offenbaren, sondern der reine, sucht- und begierdelose Wille, der Wille sofern er nicht wirklich will. Wir haben das Höchste auch sonst ausgesprochen als die reine Gleichgültigkeit (Indifferenz), die nichts ist und doch alles; sie ist nichts, wie die reine Frohheit, die sich selbst nicht kennt, wie die gelassene Wonne, die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, wie die stille Innigkeit, die sich ihrer selbst nicht annimmt und ihres nicht Seyns nicht gewahr wird. Sie ist höchste Einfalt, und nicht sowohl Gott, als was in Gott selbst die Gottheit, also über Gott ist, wie auch schon einige Aeltere von einer Uebergottheit geredet. Sie ist nicht die göttliche Natur oder Substanz, sondern die verzehrende Schärfe der Reinheit, welcher der Mensch nur mit gleicher Lauterkeit sich zu nähern vermag. Denn da in ihr alles Seyn wie in einem Feuer aufgeht, so ist sie nothwendig jedem unnahbar, der noch im Seyn befangen ist.

    Alles ist einstimmig: Gott seinem höchsten Selbst nach sey reiner Geist. Ob aber alle die ganze Reinheit und Schärfe dieses Gedankens gedacht, möchte zu zweifeln erlaubt seyn.

    Zwar die älteren Theologen lehren ausdrücklich, durch den Ausdruck Geist werde Gott nicht in eine besondere Classe oder Kategorie von Wesen gesetzt, etwa in die der sonst so genannten reinen Geister, oder daß er etwa nur Geist wäre im Gegensatz von Naturdingen. Gott sey über alle Geister, der geistigste Geist, reiner unfaßlicher Hauch, gleichsam der Geist von allem Geist. Insofern fällt die Geistigkeit Gottes mit der Einfachheit seines Wesens zusammen.

    Mit dieser Einfachheit verträgt sich, nach der Theologen eigner Lehre, nicht nur keine Art von Gegensatz, sondern auch nicht einmal, daß der Gottheit irgend etwas auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise zugeschrieben werde.

    Man kann nach dieser Lehre streng genommen von der Gottheit nicht sagen, sie sey gut; denn dieß lautet so, als käme das gut zu ihrem Seyn als etwas anderes hinzu; aber es ist ihr Seyn selbst, sie ist wesentlich gut und insofern nicht sowohl gut als die Güte selbst. Ebenso: Gott ist nicht eigentlich ewig, sondern selber seine Ewigkeit. Der lauteren Gottheit kann kein von ihrem Wesen verschiedenes Wirken zugeschrieben werden; ein solches würde sich zum Wesen wie Möglichkeit zu Wirklichkeit verhalten, aber in Gott ist nichts Potentielles, er ist lauterer Actus. So kann man streng genommen die Gottheit nicht bewußt nennen, denn dieß würde einen Unterschied ihrer selbst von einem, dessen sie sich bewußt ist, voraussetzen, da sie doch ganz lauteres Bewußtseyn und überall nichts ist als eben sie selbst, und alles in ihrem Wesen aufgeht. Nach eben dieser Lehre kann man die Gottheit an sich selbst nicht wollend nennen, weil sie der Wille, die lautere Freiheit selbst ist, obwohl aus eben diesem Grunde auch nicht nichtwollend. Endlich folgt aus dieser Lehre auch jener uralte, nur den ganz Unkundigen befremdliche Satz, daß die Gottheit an sich selbst weder ist noch auch nicht ist, oder in einer andern, wiewohl minder guten Wendung, daß sie sowohl ist als auch nicht ist. Sie ist nicht, nämlich so, daß ihr das Seyn als etwas von ihrem Wesen Verschiedenes zukäme, denn sie ist selbst ihr Seyn, und doch kann ihr auch das Seyn nicht abgesprochen werden, eben weil in ihr das Seyn das Wesen selber ist.

    Wenn daher nach dem sogenannten ontologischen Erweis aus eben dieser Einheit des Seyns und Wesens folgen sollte, Gott sey ein nothwendig existirendes Wesen: so war dieß eigentlich ein Nichtverstehen jener Idee. Denn der Begriff des Seyenden schließt einen Unterschied von dem Seyn in sich, der eben in Ansehung der Gottheit verneint wird, und nach einem alten Spruch hat das, was das Seyn selber ist, kein Seyn (Ejus quod est Esse, nullum est Esse).

    Gott seinem höchsten Selbst nach ist kein nothwendig wirkliches Wesen, sondern die ewige Freiheit zu seyn.

    Ebenso offenbar ist aber, wie jene Einheit des Wesens und des Seyns (die sich hier von selbst als der Ausdruck der höchsten Geistigkeit darstellt) keineswegs den ganzen Begriff des lebendigen Gottes erschöpfe. Wissenschaft so wenig als Gefühl können sich befriedigen mit einem Gott, der nicht ist, weil er das Seyn selbst ist, der nicht lebendig, weil das Leben selber, nicht bewußt, weil lauteres Bewußtseyn ist. Beide fordern einen Gott, der noch auf eine besondere von seinem Wesen verschiedene Weise da ist, der nicht bloß seinem Wesen nach Wissen ist, sondern ausdrücklich und insbesondere weiß, dessen Wirken nicht in seinem Wesen aufgeht, sondern der in der That, nämlich auf eine von seinem Wesen unterscheidbare Weise, wirkt.

    Doch diese Bemerkung setzt uns in Gefahr, dem vorzugreifen, was nur durch allmähliche Entwicklung offenbar werden soll. Nur dieß sey noch bemerkt: wie ganz in der letzten Zeit der Faden geistiger und doktrineller Ueberlieferung abgerissen, welche Unwissenheit selbst längst vorhanden gewesener Begriffe sich verbreitet hatte, erhellt daraus, daß einige verfolgt worden, weil sie behaupteten, es lasse sich der Gottheit dem höchsten Begriff nach kein Seyn zuschreiben, obschon dieß von den ältesten Zeiten her gelehrt wurde; daß andere jene Einheit des Wesens und Seyns, da sie wieder in der ganzen Strenge und zugleich mit der Folge gelehrt wurde, daß die Gottheit an sich selbst weder seyend noch nicht seyend sey, bestreiten zu müssen glaubten, ohne zu ahnden, daß sie in ihr die uralte Grundlage von der Geistigkeit Gottes bestritten, ohne zu wissen, daß es die älteste Lehre ist: Gott sey das Ueberwirkliche, Ueberseyende (τὸ ὑπερόν), also über Seyn und Nichtseyn Erhabene.

    Um aber jetzt in den Zusammenhang der Untersuchung zurückzukehren, so erhellt aus diesen Bemerkungen, daß der Begriff jenes an sich weder Seyenden noch nicht Seyenden, jener naturlose Zustand, den wir außer und über der ewigen Natur setzen, einer und derselbe ist mit dem Begriff, der von jeher als der höchste der Gottheit betrachtet worden.

    Vermöge der bloßen Nothwendigkeit seiner Natur (dieß ist bewiesen) kommt es weder in Gott selbst noch außer ihm zum wirklichen Daseyn. Darum mußten wir außer und über jenem Nothwendigen von Gott, das in den drei Potenzen die ewige Natur ausmacht, noch ein anderes erkennen, das die ewige Freiheit, das lautere Wollen selbst ist. Oder in einer andern Wendung: wir mußten erkennen, daß in dem wirklichen lebendigen Gott eine Einheit sey von Nothwendigkeit und Freiheit.

    Wie nun aber durch jenes Höhere der Widerspruch versöhnt, das blinde mit sich selbst streitende Wesen von der Nothwendigkeit erlöst werden könne, dieses ist, was uns zunächst darzustellen obliegt.

    Zunächst ist ihm schon eben durch jenes Höhere die Möglichkeit gegeben zum Seyn zu werden, da es einerseits nur gegen ein Höheres aufgeben kann, Seyendes zu seyn, und andererseits eben dieses Seyende kein Seyn hat, und also nur beziehungsweise seyend seyn kann, dadurch daß ihm ein anderes das Seyn ist. Denn obwohl an sich selbst das weder Seyende noch Nichtseyende, kann es sich doch gegen alles andere nur als das Seyende verhalten; nicht daß es als das, das an sich weder ist noch nicht ist, aufgehoben wird, sondern daß es eben als das weder Seyende noch nicht Seyende seyend ist.

    Aber in jenem ewig anfangenden Leben liegt selbst der Wunsch, aus der unwillkürlichen Bewegung und dem Drangsal zu entkommen; und durch seine bloße Gegenwart, ohne alle Bewegung (denn noch ist es das lautere Wollen selbst), gleichsam magisch weckt das Höhere in ihm das Sehnen nach der Freiheit. Die Sucht mildert sich zur Sehnsucht, die wilde Begierde löst sich in das Verlangen auf, mit dem Willen, der nichts will, mit der ewigen Freiheit sich als mit dem eignen wahren oder höchsten Selbst zu verbünden.

    Nun hat die sich sehnende Natur zu jenem lauteren Geist keinen Bezug, als daß dieser die Freiheit ist zu seyn, und insofern das gegen alles Seyende (τὸ ὌΝ); sie dagegen in sich die Möglichkeit hat, ihm zum Seyn, zum Subjekt (das Wort im eigentlichen Verstand genommen), gleichsam zum Stoff der Verwirklichung zu werden.

    Nur ist hier folgender Unterschied. Des unmittelbaren Bezugs zu dem unfaßlichen Geist ist die Natur nur durch dasjenige fähig, was in ihr selbst Geist, frei und über das nicht Seyende (A=B) und das Seyende (A²) gleicherweise erhaben ist. Denn nur was selbst frei ist von allem Gegensatz, kann dem Widerspruchlosen sich nahen. Nun hängt wiederum dieses (das A³) mit dem Untersten (A=B) nicht unmittelbar, sondern nur durch das Mittlere (A²) zusammen. Um also mit dem Ueberseyenden in Bezug zu kommen, muß die ewige Natur in sich selbst jene Verfassung annehmen, daß, was in ihr das Freie ist, über das andere sich erhebt und zum unmittelbaren Subjekt wird des an sich unergreiflichen Geistes, von den beiden andern Principien aber jedes sich niederläßt an den ihm angemessenen Ort, dergestalt daß die erste Potenz den tiefsten, die zweite den mittleren, die dritte aber den obersten Ort einnehme.

    Dieß ist die natürliche Wirkung aller Sehnsucht, daß nämlich das dem Höheren Aehnliche sich erhebt, das ihm weniger Aehnliche aber, wodurch jenes in seiner Erhebung gehemmt wurde, sich niederschlägt und herabsetzt in die Tiefe. Nur in dem Anblick des Höchsten lernt jedes Princip die ihm zukommende Stelle kennen; nur im Höchsten ist das Maß. Kein niedereres, aber des Höchsten empfängliches Wesen kann desselben theilhaftig werden ohne Scheidung in sich selbst, ohne gleichzeitige Erniedrigung des geringeren Theils, der, weil für sich selbst unfähig mit dem Höchsten in Bezug zu kommen, nur dadurch, daß er das Höhere frei läßt, selbst mit ihm in leitende Verbindung kommen kann, und Erhöhung desjenigen Theils, der von Natur bestimmt ist, mit dem Höchsten in unmittelbarem Bezug zu seyn. Diese Scheidung, dieses innere Auseinandergehen, das Werk der wahren Sehnsucht, ist die erste Bedingung alles Rapports mit dem Göttlichen.


  • in: Jahreskalender Schelling »Jahreskalender 1817-2« (1817). Text

    Umtrieb

    Forts.

    Forts.

    leer

    leer

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 79)« (?). Text

    Begriffe: Umlauf, Ineinanderbildung, Materie, regellose Geburten, Wahnsinn, Entstehen der höchsten Widerwärtigkeit zwischen Lauterkeit und Gegensatz, Scheidung des Zusammenziehenden (Subjekt) und Objekt, Einheit als Vergangenheit gesetzt, Vater und Sohn

    Sonstiges: Verweis auf IX

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 82)« (?). Text

    Bogen III) Auflistung b-c

    A=B, Können/Sollen, Müssen

    Bogen II. Auflistung 16-23

    Begriffe: Seynkönnen

    Inhalt: »Alles. Nun auf jeden Fall ist er Einmal = Anfang«

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 87)« (?). Text

    Auflistung (Fortsetzung) 15-24

    Begriffe: Selbstanziehung, A0, Educte, Rotation

    Inhalt: »B) Rotation«, »Ein Laut«

    Genannte Personen: Nemesis

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 92)« (?). Text


    Ich erinnere nur, daß es nicht als etwas todtes stillstehendes gedacht werde, sondern als im ewigen Werden und der unaufhörlichen Erzeugung begriffen. Die drey sind unter sich vereinigt nicht durch ein festes, stehendes sondern durch ein lebendiges, bewegliches stets sich erneuerndes Band. Die erste Potenz ist im ewigen Suchen und Finden der zweyten, die zweyte die 5)gesuchte und ewig gefundene, die dritte im steten Ausgang aus beyden.

    Aber stehet denn nun jene Bewegung damit daß sie das All zu Stande gebracht still? Mit nichten. Denn auch das höchste, in jener Bewegung Gesetzte ist doch nicht jenes lautere Nichts, das aber als solches Etwas oder seyend seyn sollte. Denn in dem Seyenden =A2 ist zwar auch jenes lautere Nichts, aber es ist als das Seyende nicht als das weder Seyende noch Nichtseyende gesetzt. In der Einheit aber ist auch das lautre Nichts, aber nicht als weder das eine noch das andre seyend, sondern als seyend die Einheit von beyden. Darum ist auch dieses Höchste nur eine Potenz des Wesens, nicht das lautere Wesen selbst, als welches außer aller Zahl oder Potenz liegt.

    Nothwendig also, und indem sie sich in jene Potenzen zum All abschließt setzt sie außer und über dem All noch jenes lautere Nichts, als solches. Denn nicht eher und nur nachdem sie das All gesetzt, und über ihm kann sie das setzen, das Nichts ist sondern nur eine ewige Freyheit und Gleichgültigkeit gegen alles.

    Denn indem es nämlich gesetzt wird in seiner ganzen Lauterkeit, und doch als nichts von dem allen seyend, das in dem All gesetzt ist, ist es als Nichts Etwas oder seyend; oder es ist gesetzt zugleich als Nichts und als Etwas, als Nichts, seiner höchsten Lauterkeit wegen, als Etwas, weil es das im All Gesetzte nicht ist, und weil alles dasjenige Etwas ist, das auch Etwas nicht ist.

    Hier, lieber Leser, findest Du nun aufs deutlichste, wie jenes allem vorausgesetzte lautere Nichts nur durch Bewegung und Fortschreitung seyend seyn kann, wie es nämlich alles seyn muß (nicht Seyendes, Seyendes und wieder die Einheit beyder) um dann über dem Allem aufzugehn, als das lautere Nichts und doch seyend, oder Etwas zu seyn. Nun frage, was dieses lautere Nichts ist, das als solches nun seyend ist? Ich antworte dir: daß es eben nichts anderes ist denn Gott und daß von den Geistvollsten von jeher unter Gott nichts anderes gedacht worden als eben dieses.

    Gott ist Geist; in dem Wort stimmen alle überein; wie viele aber die ganze Reinheit und Schärfe des Begriffs denken lässet sich zweifeln. Zwar die älteren Theologen lehren ausdrücklich, durch das Wort Geist werde Gott nicht in eine besondere Classe von Wesen gesetzt etwa in die der sonst so genannten Geister, Gott sey nicht sowohl ein Geist als die lautere Geistigkeit selber, der Geist über alle Geister, gleichsam der geistigste Geist. In sofern fällt die Geistigkeit Gottes mit der höchsten Lauterkeit und Einfalt seines Wesens zusammen.

    Dieser zufolge lehren die Theologen ausdrücklich, es könne von der lauteren Gottheit nichts auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise ausgesagt werden. Nicht gut sey (streng zu reden) die Gottheit, denn dieß laute so als käme die Güte erst zu ihrem Wesen hinzu, aber sie sey wesentlich gut also die Güte selber. Auch nicht eigentlich ewig sey Gott, sondern seine Ewigkeit. Auch nicht bewußt, denn dieß hieße ihm das Bewußtseyn als etwas von ihm Verschiedenes zuschreiben, also annehmen, es sey in ihm auch noch etwas nicht Bewußtes. Aber die Gottheit sey ganz und gar Bewußtseyn, das lautere Bewußtseyn selbst. Auch nicht wirkend könne man die Gottheit eigentlich nennen, denn dieß setze in Gott auch ein nicht Wirkendes voraus, aber in Gott sey nichts Potentielles, es sey lauteres Wirken (actus purus).

    Von selbst versteht sich daß allen diesen Verneinungen, als da sind: Gott sey nicht gut, nicht ewig, nicht bewußt, nicht wollend nicht frey, unmittelbar die entgegengesetzten beygefügt werden müssen, er sey ebenso wenig nichtgut, nichtewig, nichtbewußt, nichtfrey.

    Aber was von allen diesen Begriffen muß nach der Theologen eigener Lehre vorzugsweise vom Begriff des Seyns gelten, daß er der Gottheit nicht auf eine von ihrem Wesen verschiedene Weise zugeschrieben werden kann. Denn sie ist selbst ihr Seyn, (deus est ipse suum esse). Sie kann in sofern nicht seyend genannt werden, denn dieß lautete so als käme das Seyn zu ihr erst hinzu, doch auch nicht nichtseyend. Sie ist also das an sich weder Seyende noch Nichtseyende.

    Wenn daher in dem so genannten ontologischen Beweis aus dem alten Begriff von der Einheit des Seyns und Wesens in Gott geschlossen wird, er sey ein nothwendig Daseyendes; so folgt vielmehr das Gegentheil nämlich daß er an sich kein Daseyendes ist, denn dieser Begriff sagt einen Unterschied des Wesens, d.h. des Seyenden, von dem Seyn aus, das eben in Ansehung der Gottheit verneint wird. Nach einem alten Spruch hat das was das Seyn ist selber kein Seyn (Ejus quod est Esse nullum est Esse). Eben weil das Wesen in Gott auch das Seyn ist, ist es kein Seyendes als solches, sondern als das Seyende auch das Seyn und als das Seyn das Seyende.

    Wie ganz in der letzten Zeit, da die höchste Wissenschaft gleichsam die Zuflucht der Unwissendsten geworden, der Faden geistiger, doctrineller Überlieferung abgerissen war, könnte außer vielem andern schon dieses zeigen, daß Viele jenen Begriff der Einheit des Seyns und des Wesens, da er in seiner Strenge geltend gemacht worden, bestreiten zu müssen glaubten, ohne zu ahnden daß sie darinn die Grundlage der Lehre von der höchsten Geistigkeit Gottes angriffen, ohne zu wissen, wie es ein uralter Lehrsatz ist, daß die Gottheit an sich weder ist noch nicht ist, und wie sie auch oft genug das Überseyende (τὸ ὑπερόν) genannt worden.

    Also es bleibt bey dem, was ich nicht besser auszudrücken weiß, als wie der schon erwähnte geistliche Sinndichter:

    Die zarte Gottheit ist das Nichts und Übernichts,
    Wer nichts in allen sieht, Mensch glaube, dieser siehts!

    Wie ganz verschieden von etwelchen Seichtlingen, welche jene höchste aller Ideen zu schmähen meynten wenn sie sagten, sie sey die Idee des Nichts.

    Aber Wissenschaft so wenig als Gefühl begnügt sich mit einem Gott, der bloß ist in wiefern er das Seyn selbst ist, der nicht noch insbesondere und auf eine von seinem Wesen verschiedene Weise da ist, mit einem Gott, der bloß lauteres Wollen, Wissen ist, nicht auch ausdrücklich und insbesondere weiß. Indem sie Gott denkt, denkt sie schon eben jenes lautere an sich Seynlose Wesen, jene dem Nichts gleiche Reinheit, als seyend in ihm und erst damit vollendet sich der Begriff von Gott. Wie ist nun jene Lauterkeit in das Seyend-Seyn gekommen, daß sie wirklich der lebendige Gott ist? Antwort: sie war wohl nie außer diesem, sondern in einer ewigen Bewegung in das Seyn. Aber indem sie sich bewegte, hörte sie ja auf die an sich weder seyende noch nicht seyende zu seyn, sie war eben in der Bewegung wirklich d.h. seyend. Es bleibt also nichts übrig, als daß sie auch Etwas sey, das nicht Gott ist, aber nur nicht in ihm stillstehe sondern durch alles hindurchgehe, alles das nicht Gott ist überwinde, um am Ende in dieser Überwindung eben – als Gott – aufzugehen, wie in jenem Gesicht des Propheten, da erst ein Sturmwind, dann ein Erdbeben, dann ein Feuer kommt und in dem allem nicht Gott ist, endlich ein sanft stilles Sausen folgt darinn Gott ist.

    Also dieses ganze bisher beschriebene Leben ist das Leben Gottes oder auch Gott selbst in seinem Leben betrachtet. Nun mögen wir alles entfernen, was nur um der Darstellung willen gesetzt worden und besonders alle Zeit wegthun. Wir dürfen uns nicht vorstellen, diese Bewegung sey irgendwann geschehen und dann nicht mehr, sondern so wie wir Gott setzen, setzen wir diese ganze Bewegung als eine ewig geschehene, d.h. als eine ewig vergangene als eine immer geschehende, d.h. als eine ewig gegenwärtig und als eine die nie aufhören wird zu geschehen, d.h. als eine ewig zukünftige. Hier ist nichts denn grundlose Ewigkeit, d.h. Ewigkeit die nur sich selbst wieder zum Grund hat, und der auch nur wieder Ewigkeit folgt. Dieß allein ist die Ewigkeit die in dem Wort ausgesprochen wird: Ich bin der da war der da ist und der da seyn wird. Das ist das Undurchdringliche im Leben Gottes, da wir ihm weder Anfang noch Ende wissen, daß wir, so weit wir zurückgehen mögen, ihn schon in dieser Bewegung finden; daß er also freylich eine Bewegung (weil ein Leben) ist aber eine Bewegung die selbst ewig ist, d.h. ewig angefangen und ewig endet. Das ist das Unzugängliche, in dem Gott ist, das allen unsern Gedanken Stillstand gebietende, daß wir so weit wir zurückgehen ihm keinen Anfang (seines Anfangs) und kein Ende (seines Endes) finden.

    Der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer. Dieß sinndunkle, unter den letzten Reden Mose’s hinterlassene Wort kann nicht bloß wie gewöhnlich auf die Eigenschaft des Grimms und Zorns in Gott gedeutet werden, es geht auf die ganze Gottheit. Es wird von ihr im Gegensatz der Heydengötter gesagt. Der Sinn ist: der Herr Dein Gott ist kein unbeweglich Standbild, wie der Heyden Götter sondern eine unwiderstehliche alles in sich verschlingende Bewegung, der alles Einzelne, Widerstrebende nur wie der Flamme Stoff und Nahrung ist, ein unaufhörlich sich selbst Stoff gebendes und eben diesen Stoff wieder verzehrendes Feuer. Unstreitig geht also diese Bewegung durch Fortschreitungsstufen, die man wohl als augenblickliche Hemmungen der Bewegung betrachten kann, aber alles wird in der unaufhaltsamen Bewegung und in der gleichsam unendlichen Geschwindigkeit derselben wieder verschlungen in die lautere Ewigkeit. Darum vielleicht drückte die


  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 93)« (?). Text

    Übergang in 1.2.3.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 95)« (?). Text

    VI)seyn kann und muß ihr doch auch wieder Raum gönnen und weichen, weil wenn jene nicht wäre auch sie selbst nicht seyn könnte; sie muß also zurückstehen, was sie als zu ihrem eignen Daseyn anzieht, hassen was sie liebt, fliehen, was sie wenn es außer ihr wäre auf’s begierigste suchen würde und hinwiederum herbeyziehen, was sie doch eigentlich flieht, suchen, was sie doch wenn es in einem und demselben mit ihr ist, augenblicklich wieder niederkämpfen muß; also mit Einem Wort ein Leben, das der höchste Widerspruch selbst und eine unabläßig mit sich selber streitende Widerwärtigkeit ist.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 112)« (?). Text

    Gleich auch die Mat˖[erie] hinein. Verzehren und ### des Gewordenen. Erste Leiblichkeit – aber immer wieder anfangend, weil immer wieder begehrend.

    Wodurch Vergang. geworden

    Nun die Dial˖[ektik] VIIa) – VIII mit Bemerkung, daß Dial˖[ektik]

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 111)« (1813). Text

    6)sinnvolle hebräische Sprach Sieg und Ewigkeit mit einem Wort aus. Schon die erste Ewigkeit ist nicht die völlig zeitlose, sondern die die Zeit ewig in sich überwunden und bewältiget trägt.

    Gegen diese Bewegung gilt keine Einwendung, die von irgend einer Eigenschaft Gottes hergenommen seyn möge. Denn was auch Gott sey, er ist es nicht stillstehender Weise, sondern wie im Leben und in jener Bewegung (in actu purissimo). Ja selbst das, worinn er nie wirklich That und nie ist, jenes über das All gesetzte lautere Nichts, das aber als solches seyend ist, ist er nicht schlechthin und ohne die Bewegung; könnte man die vorangehenden Potenzen unter ihm gleichsam hinwegnehmen, so sänke er augenblicklich zurück in jenes abgründliche Nichts, darinn Gott nicht ist.

    In wiefern aber jedes jener einzelnen Puncte oder Momente mit zu der unaufhörlich verketteten Bewegung gehört, in sofern ist Gott alles und jedes in jener Fortschreitung und ist doch auch nichts davon, nämlich nichts einzeln, nichts stillstehend, insbesondre, sondern nur in der unaufhaltsamen Bewegung, nicht darinn bleibend und inwohnend wie Spinoza meynt, wohl aber im Durchgang.

    Darum ist Gott unfaßlich und unbegreiflich, nicht wie dieß insgemein gedacht wird, daß von Gott gar kein Begriff möglich wäre, sondern nur daß kein stillstehender. Er ist unbegreiflich im wörtlichen Verstand, incoercibel, in keine Gränzen, einzuschließen, wie der Wind der wehet wo er will und du hörest sein Sausen wohl und weißt doch nicht von wannen er kommt und wohin er führet, weil das Ende immer wieder in den Anfang der Anfang immer in das Ende geht, weil er überall ist und nirgends; wohin du kommst findest du schon nicht mehr Ihn selbst, sondern nur die Spur seiner Bewegung, denn er bleibt in Nichts, und ist der allerbehendeste und gehet durch alles wegen seiner Lauterkeit.

    Diese Unbegreiflichkeit Gottes ist ganz verschieden von jener bloß verneinenden, die manche, mit soviel Anspruch auf Erbaulichkeit, lehren wollen. Diese falsche Unbegreiflichkeit hat ihren Grund nicht in der Gottheit selbst sondern in dem Nichterkennen seiner höchsten Lebendigkeit. Denn da Gott alles was er ist und selbst Gott nur in jener ewigen Bewegung ist so muß er freylich abgesehen von dieser Bewegung in jenem verneinenden Sinne unbegreiflich seyn. Denn, was er auch sey, niemand kann unmittelbar, oder anders dazu gelangen als durch die Bewegung. So wie der Weg verloren ist, ist auch die Idee selbst verloren, oder sie bleibt, wie in den schlechthin aussprechenden und festsetzenden Systemen nur noch als der todte Rest eines ehmaligen, jetzt nicht mehr verständlichen Lebens. Aus diesen todten Überbleibseln aber wieder ein Leben zusammensetzen oder anfachen zu wollen ist freylich ein ebenso vergebliches als peinliches Bemühen.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 81)« (1813 - 1815). Text

    Also sucht das im Selbstanblick gefangene Wesen (A0) zwar beständig diese Gestalten zu gebären aber sie auch in’s Innere, nämlich in Sich zu ziehen, Sich zum Seyenden, zur Einheit von ihnen zu machen. Aber ihrer Natur nach können diese drey Gestalten nur außer einander im Gegensatz mit einander seyn; sie können nur außer einander d.h. nicht in einander seyn wenn so wenig als Gehirn, Herz und Magen in einander seyn k[ö]nnen; (Es ist also ein streng gemeyntes Ineinander) jede für sich ist – und doch sie A=B nicht auseinanderbringen – denn sonst s˖[ich] s˖[elbst] aufgeben als seyend; doch k[ö]nnen sie ebensowenig ohne einander seyn – fodern sich gegenseitig und schon hier offenbart sich an dem ersten Wirklichen jenes Eigenthümliche aller Natur, daß jedes Princip nur im Gegensatz daseyn kann, und wenn das eine, immer und nothwendig auch das andere untergehen müßte. Denn die erste (die Form) kann nicht zur ersten Potenz, (a=b) zum Grund werden, es sey denn unmittelbar auch die zweyte (a2) gesetzt, das Seyende, von dem sie die Form, der Grund, das Etwas ist. Hinwiederum ist unmöglich, daß das Wesen sich zum Seyenden steigere anders als im Gegensatz gegen die zur ersten Potenz (zum beziehungsweise nicht Seyenden) herabgesetzte Form. So kann auch der nothwendige Gegensatz (zwischen den beyden ersten) nicht bestehen, als in dem sie die Einheit als dritte (a3) außer sich setzen, und hinwiederum wäre der Gegensatz nicht, so gienge unmittelbar auch die Einheit in’s Nichts zurück.

    Indem also jenes im ersten Wirklichen verborgene Wesen, das lauterer Geist und ein verzehrend Feuer ist, die Gestalten in einander, zu ziehen und dadurch (intensificirend) gleichsam selbst in ein geistiges Wesen zu bilden sucht wird aus dem Gegensatz Streit, da ja eine Kraft der andern weicht, eine die andre treibt, weil jede nur in diesem Streit ihr Daseyn erhält, jede dem Untergang ausgesetzt wäre, wenn sie nicht die andere außer sich hätte, also jede, wenn sie auch für einen Augenblick die Oberhand hat doch alsbald der andern wieder Raum gibt, die selbst, wenn sie allein wäre zunicht würde, also auch der andern wieder Platz macht; ein Leben das nur vergleichbar ist dem, welches entsteht, so oft aus der Tiefe eines lebenden Wesens ein Princip sich erhebt das eigentlich verborgen, unwirkend bloß leidend seyn sollte, und nun aus den im stillen, friedlichen Gegensatz zum Einklang gestimmten Kräften, ein eigenes absonderliches Leben zu bilden sucht. Auch hier V)entsteht ein Kampf aller Kräfte gegen alle, da natürlich jede sich zu erhalten bemüht ist, jede aber gegen die in Eins ziehende, gleichsam vergeistigende Kraft der Krankheit, nur im Streit wider die andren ihr eignes Daseyn erhalten kann; ein Kampf der sich auch äußerlich als ein wilder ungeordneter Umlauf (als Fieber) ankündigt.

    Nun läßt aber die in der Selbstanziehung gefangene Freyheit nicht ab sondern will sich unaufhörlich in jenen drey Gestalten verwirklichen, und muß doch selbst den Streit setzen, die beabsichtete Einheit immer wieder vernichten, weil jene außer dem Streit gar kein Daseyn hätte; also ist sie zwar ein unaufhörliches Ringen nach Daseyn, eine erschreckliche Angst und Begierde sich zu verwirklichen (als die gefaßt und doch zugleich frey wäre), aber ohne je dazu gelangen zu können. Sie ist jenes geistige Wesen das sie seyn will voll der Sucht, der Begierde aber nicht der That nach, als die sich nur zum Stehen d.h. zu Stande bringen kann, wie unsre Sprache das vollendete Verwirklichen treffend bezeichnet, und aus jeder gesuchten Einheit wieder in jenes sich selbst Treiben, in jenen unwillkürlichen Umlauf fortgerissen wird. Dieses Leben, wenn anders Leben zu nennen ist, was nur durch beständig abwechselndes Leben und Sterben sich zu erhalten vermag, ist auch an sich selbst unsterblich, da es von sich selbst nie aufhören kann, da keine Kraft die andere auslassen darf, alle unauflöslich verkettet sind und doch nie zum Ineinanderseyn (zur Inexistenz) gelangen können. Von diesem ersten Wesen, das nicht so wohl wirklich ist als unaufhörlich zu seyn trachtet, aber eben in diesem Trachten wirklich ist, von diesem also scheint das alte Wort geredet: Es sucht sich die Natur und findet sich nicht, (Quaerit se Natura, non invenit). Es ist seiner Natur nach das Suchende, d.h. die ewige Sucht; und dieses sind die Kräfte des innern unaufhörlich sich selbst gebärenden und wieder verzehrenden Lebens, das der Mensch nicht ohne Schrecken als das wahre Wesen der ganzen Natur ahnden muß, obgleich es jetzt verborgen ist und nach außen ruhige Eigenschaften angenommen hat; dieß das unabläßige, innre Trieb und Uhrwerk (perpetuum mobile), welches durch das Unvermögen selbst, sich in’s volle Seyn zu erheben, zur Substanz wird im eigentlichen Sinn (id quod substat), die ewig beginnende, ewig werdende, immer sich selbst verschlingende und immer wieder gebärende Zeit, in welche die stille Ewigkeit selbst hineingerathen, nicht freywillig sondern durch ein unausweichliches Schicksal, durch die unversehne Folge des ersten Sich selbst Anziehens; dieß das nie sterbende oder wie die Alten sich ausdrückten unermüdliche Feuer (ἀκαματόν πυρ) der Gegenstand des uralten Magismus und jener Feuertheorie, in Bezug auf welche auch Moses jenes Wort geredet: Der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer, und noch Heraklit gelehrt hatte, durch Dämpfung des Feuers sey die Welt erschaffen. Denn es ist jenes verborgne Wesen, das in den drey Gestalten sich verwirklichen will, ein Feuer, das sie jeden Augenblick verzehren will, daß keine Natur (keine Widerwärtigkeit) mehr bliebe, aber eben durch dieses Verzehren die beständige Ursache wird von jenem Rad der Natur, von jenem Streit, da je eins wider das andre ist und durch den allein alles und jedes zu seiner höchsten Wirkung gebracht wird. Denn auch jener Begriff eines Rads der Natur oder Geburt, den aus einer apostolischen Schrift (Jac. 3, ) die theosophischen Systeme geschöpft, möchte denn durch das Vorhergehende vollständig erklärt seyn, da die Construction desselben schwerlich aus einfachem Streben und Gegenstreben, oder aus bloßer Attraction und Expansion begreiflich ist.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 85)« (1816 - 1820). Text

    Begriffe: (A0) 1 bzw. 2

    Inhalt: »Wenn das, was eine lautre Macht ist zu seyn, sich diese Macht anzieht«

    Auflistung 1-10 bis 14v

    Begriffe: Seyn, Subject, Prius, Freyheit zu seyn

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 88)« (1817). Text

    Auflistung (9)-15 (danach nur Text)

    Begriffe: A0=B, seyend/nichtseyiend, ewige Freyheit

    B)wir das Überseyende nennen ist wirklich weder seyend als solches, denn es ist auch nicht seyend; noch nicht seyend (denn es ist auch seyend). (Oder: es ist sowohl seyend) als nicht seyend.(NB. Freyheit zu seyn muß als der bloße Begriff deduc˖[irt] werden)

    Hiernach scheint vom nicht seyend nicht die Rede, und dieses das Ausgeschlossene zu seyn, daß das also das Überseyende weder I wäre noch Ib.

    Vom Überseyenden fiele also ganz weg (d. h. es käme gar nicht mehr in ###-###

    a. das nichtseyendseyn – denn dieß ist schon dadurch aufgehoben, daß es seyend ist

    b. das nicht-seyend-Seyn – dieß dadurch daß nicht seyend als nicht seyend wäre es aber doch im Repelliren seyend und dieß müßte schon vorher beraubt werden, daß nicht seyend bereits etwa Positives in Ansehung des Subj˖[ects] aussagt.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 83)« (1817 - 1820). Text

    Das Wahre also ist, daß sie weder sich lassen, noch sich leiden können. Aus diesem Widerspruch des gegenseitig bedingenden und des gegenseitig ausschließenden Verhältnisses dieser Unmöglichkeit also, wenn das eine dann nicht die andern zu seyn und der gleichen Unmöglichkeit, wenn das eine dann die andern zu seyn – aus dieser doppelten mit sich selbst streitenden Unmöglichkeit (vorausgesetzt wie immer daß es nicht zurück könne und auch nicht vorwärts wolle, nämlich den Ort der Unbedingtheit und Lauterkeit verlassen an dem es ist) was kann entstehen, als der schrecklichste Umtrieb, eine drehende Bewegung, da jede Gestalt jenes Wollende stets die andre Gest˖[alt] treibt, niederkämpft, verdrängt und schlägt und doch selber nicht bleiben kann ohne die andre, also ihnen alsbald wieder Platz macht; denn wegstoßen muß es sie, weil (wenn diese seyend sie selbst nur nicht seyend seyn kann, weil) wo sie ist die andern nicht seyn mögen, so wenig im organischen Leib, Herz Hirn und Magen ineinander seyn können, weil es nur im Gegensatz mit dem andern das ist was es ist, und muß ihm doch auch wieder Raum machen, weil wenn jene nicht wäre, auch es selbst nicht sey, zu Grunde gienge und damit zu jener inneren Verkettung eins des andern selbst zu seinem Leben bedarf; es muß also zurückstoßen was sie als zu ihrem eignen Daseyn nöthig auch wieder anzieht, hassen was es liebt, fliehen, was es wenn es außer ihm wäre aufs Begierigste suchen würde und hinwiederum herbeyziehen, was sie doch, inwiefern es mit ihr in Einem und dem selben seyn will, augenblicklich wieder verdrängen muß.

    Dieses also erst ist der wahre Begriff von jenem ersten Seyenden (Primum existens), das jedoch nicht sowohl ein Seyendes ist, als das nur trachtet zu seyn; denn nur ihre abgewendete Seite zeigt uns diese Substanz, aber nicht ihr Antlitz da sie stets an den Pforten der Wirklichkeit stehen bleibt, immer zitternd hereinzudringen, aber unvermögend, sich je zu Stande d.h. zum Stehen zu bringen. Dieses ist das Unnahbare, dieß die Cherubim mit dem Blitz des sich immer wendenden (bewegenden) Schwerts (cum flamma circumdati se s˖[emper] rotantis gladii) die vor den Zugang zu dem ersten Paradies wehren. Ein an sich unbeschreibliches Wesen, weil es nirgends still hält, nur in der Bewegung da ist. Wo du in das Rad eingreifen willst, es zum Stehen zu bringen, wird es gestört. Denn es ist nichts als ein ewiges Werden ohne alles Seyn, das unaufhörlich sich selbst verzehrende und immer wieder gebärende Leben, also eigentlich ein ewig Leben und ewig Sterben in Eins ein ewig aufflammendes, ewig ersinkendes und aus seiner Asche wieder auflebendes Feuer, wovon wir vielleicht in der so genannten freywilligen Verbrennung organischer Körper einen fernen Blick und die eine Seite sehen, das wir als das in allen Dingen verborgene ahnden müssenÜber die drey Gestalten, relativ auf Νυξ Schleed˖[orf] V,2, ob es gleich jetzt abgewendet ist, das ewige Trieb- und Uhrwerk, (perpetuum mobile) in das die ewige Freyheit eingeschlossen ist, nicht absichtlich sondern gegen ihren Willen durch die unversehne Folge des ersten sich selber Wollens, wie durch unbegriffenen Zauber; die ewig anfangende, ewig endende und wieder auf den Anfang zurückkehrende Zeit, die sich selbst immer wieder verschlingt und wieder erzeugt. Es ist wohl ein Anfang darinn, die erste Selbstziehung, nämlich Etwas das Anfang seyn könnte und doch nicht wirklicher Anfang ist. Wahrer Anfang ist nur der Punkt, auf den die Bewegung nicht wieder zurückkommt, so wie wahres Ende nur das, in dem sie ruht, aus dem sie nicht wieder in den Anfang zurückkehrt.

    Um sich die Bewegung mit völliger Bestimmtheit vorzustellen, muß sie als eine in der Richtung von außen nach innen gehende gedacht werden. Denn sie beruht darauf, daß der Wille, der weil wirkend, sich freygeben und auch äußerlich seyn sollte, doch innerlich bleiben will. Die an oder in sich ziehende Kraft wirkt von in der Richtung von 3, wo hier 3 das Tiefste (nämlich im Innern, denn es muß alles innerlich gedacht werden, mithin das Innerlichste ist) unter stetem Widerstreben der ausbreitenden Potenz; in 3 wird diese ###, d.h. die anziehende macht ihr selbst Raum, weil sie nicht bleiben kann von 3 bis 0 wirkt die aufsteigende erhebende Kraft bis 0, wo die Gleichgültigkeit (a3) eintritt, und a=b nun ganz äußerlich – das Tiefste im Äußerlichen – ist, aber eben da beginnt die anziehende Potenz auf’s Neue zu wirken, indem ihr die Einheit (a3) selbst wieder Raum machen muß, damit das Seyn nicht verloren gehe, und so beginnt die Bewegung immer wieder von Neuem und kann sich selbst überlassen nicht aufhören.

    Diese anschauliche Darstellung, die mit Unterscheidung genommen seyn will, weil sie äußerlich und nothgedrungen als etwas Stillstehendes gibt, was ganz innerlich und eine sich unaufhörlich verwandelnde Figur ist, kann indeß auch dazu dienen, zu zeigen, wie obgleich drey Mächte in dieser Bewegung wirksam sind, doch nur die eine Potenz (a=b) die herrschende, Richtung bestimmende, gleichsam tonangebende ist, woraus wieder klar wird, daß dieses Ganze, im Ganzen betrachtet sich doch wieder nur als VII)A=B verhält.

    Dieses möchte denn auch wohl der erste wissenschaftliche Begriff seyn jenes Rads der Geburt (τροχοῦ γενέσεως), auf welches der schon erwähnte Apostel nur wie im Vorbeygehn als auf das Innerste alles Lebens deutet. Von dorther kam dieser Begriff auch in die theosophischen Systeme, denen aber zu einer wissenschaftlichen Construction desselben die nothwendigen Mittelbegriffe fehlten. Sie beziehen dieß Rad nur auf jenen ersten Cirkel, in den schon die bloße Selbstanziehung versetzt. Aber das große Rad der Geburt bestehet in einem Ringen der drei Gestalten und läßt sich aus bloßem Streben und Gegenstreben zweyer Kräfte, Attraction und Expansion nicht begreifen.

    Man kann indeß die Bewegung auch als abwechselnde Systole und Diastole vorstellen als den ersten klopfenden Punct, das noch bloß liegende Herz. Die erste in einer Einziehung des Wesens bestehende Potenz erneuert unaufhörlich die Spannung, durch das Eintreten der höheren sinkt sie allmälig in Erschlaffung zurück, die aber selbst wieder nur Übergang zu einer neuen Spannung wird

    Von einem höheren Standpunkt aber ist diese Bewegung auch anzusehen als vergebliches Ringen nach Selbsterkennen.NB. Es will noch die Indiff˖[erenz] (das ungeschlechtige) seyn. Aus der Höhe, da es über alle Erkenntniß und weder Erkennendes noch Erkanntes war wurde das Überwirkliche, im Selbstanblick verzaubert, durch die Lust herabgezogen, sich selbst zu haben und zu erkennen. Aber indem es sich selbst sucht, verliert es sich vielmehr, da eben das was das Innere, Erkennende seyn sollte selbst in das Äußere und in die Blindheit versinkt. Es ist, wie gesagt, nicht ein zu- sondern ein vor sich selbst Kommen. Erkennendes und Erkanntes in Einem ist es weder rein dieses noch jenes, daß das Erkennende des Erkannten nicht froh wird und es im Anziehen selbst entstellt und in ein bloß Spiegelhaftes verwandelt, ein hermaphroditisch mit sich selbst streitend Wesen (man denke an die einst auch im Deutschen nicht unbekannte Bedeutung von Können, die nur in Erkennen übrig ist), das sich nur als Erkanntes verhalten kann und darum in demselben Augenblick in einer andren Gestalt (a2) als Erkennendes und auch wieder als Einheit des Erkennenden und Erkannten aufgeht, da es ihm, als das noch immer das schlechthin Eine seyn will, gleich unmöglich wird, alle, und eines zu seyn und aus dem Widerspruch eine wirbelhafte, gleichsam taumelnde, ihrer selbst ohnmächtige und besinnungslose Bewegung entsteht, da das Erkennende stets das Erkannte vor sich hertreibt in dem wenn das eine auf- das andre untergeht, eine Bewegung die wie kein unbedingtes Nichtseyn, so kein unbedingtes Nichterkennen, sondern ein Mittleres von Erkennen und NichtErkennen ist, nämlich ein vergebliches Ringen nach Selbsterkennen. Von dieser Natur also scheint das alte Wort geredet: Es sucht sich die Natur und findet sich nicht. (Quaerit se natura, non invenit).

    Wie man aber auch immer diese Bewegung vorstellen möge so gehört sie zu der Gattung der unwillkührlichen, die von sich selbst kein Ende hat, weil sie sich immer selber wieder macht und so ist also das was an sich die ewige Freyheit war einer unwillkührlichen Bewegung anheimgefallen durch die unausweichliche Folge des ersten sich selber Wollens, hierinn dadurch erstes Beyspiel der ihrem tiefsten Grund nach hier sich aufschließenden Lehre, was sein Leben sucht wird es verlieren, nämlich es wird aus dem freyen Zustand da es als Nichts war und an Nichts gebunden in den unfreyen gebundenen bloß wurzelhaften (potentiellen) Zustand herabsinken.Das ist der Laut in allen höheren Lehren.

    Nothwendig ist, daß das an sich Unfaßliche wenn es dennoch sich fassen will in jenen Umtrieb gerathe. Aber muß es schlechterdings auch in demselben verharren? Undenkbar ist ewige Qual; doch wie mag es dem Drangsal entkommen?

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 86)« (1817 - 1819). Text

    Begriffe: der Tat nach (a=b), dem Willen nach (a2), a3: Rotation

    Inhalt: »Ausdruck des Wesens in diesem seinem ersten Moment«

    Begriffe: das seyn Sollende

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 80)« (1820). Text


    II. Rotation

    Der absol˖[ut] erste Anfang im sich Zusammennehmen des absol˖[uten] A0 (das auch erst reine Potenz des Seyns lautrer Geist ist, in dem das Seyn bloß als Möglichkeit schwebt.

    Auch ein sich Einschließen, Verbergen (darum Anfang aller Offenb˖[arung] ist dieß Zusammennehmen.

    Diesem Einschließen aber widerstreitet der andre Wille (A2) so wie A3, welche beyde – oder deren Widerstreit A=B sich doch erst durch das Zusammennehmen (Ausschließen) erzeugt (blieb es A0 so geb es kein A2 und A3) – diese wollen die einschließende Kraft sprengen (die Schale, d. coercirende) dieses aber will die Verschloss˖[enheit] nicht aufgeben – daher Rotation (endlich Total˖[ität])


    vom Fall des einzelnen Körpers. cfr. Mst. Wirc. p. 357 a et b

    Jenes Verh˖[ältniß] daß es sein Centrum im andern hat setzt es in die Zeit (Bewegung) dieß daß in sich s˖[elbst] gibt ihm Ruhe. Raum = In sich seyn. Zeit = in einem andern seyn. Aber da jenes = diesem, so auch Raum = Zeit und die Zeit kein unm˖[ittelbares] Verh˖[ältniß] zu dem Raum sondern zu dem Raum der auch Zeit begreift. Das allg˖[emeine] Centrum, das ganz in Jedem ist, ist insofern = dem Begriff oder Allgemeinen des besondern A=B’s. Dieses Besondre (A=B) ist absol˖[ut] indem es seine Bes[on]derheit = setzt seinem Begriff. Hier drey Factoren etc. s. Mst. Wirc. mit Beylagen. – Aus der nachher abgeleiteten Differenz ließe sich folgern, daß die Sonne oder das, worinn beyde absol˖[ut] gleich sind kein Centrum außer sich bedarf oder hat.

    1. Idee der transc˖[endentalen] Geschichte – postul.

    2. Griechische Mythol˖[ogie] – Grund? – versch˖[iedene] Hypothesen.

    3. Beantw˖[ortung] des Einwurfes, woher?