Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Ueber das sogenannte Wetterschießen.

(Aus einem Brief.)

München, den .

Dieser Aufsatz sollte, wie man aus S. 434 entnehmen kann, als Correspondenz in ein Blatt eingerückt werden, es scheint aber nicht geschehen zu seyn. D. H.In der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Wissenschaften hörte ich Herrn Kanonikus und Professor Imhof eine Abhandlung über das sogenannte Wetterschießen vorlesen, welche dem Vernehmen nach auch in die Denkschriften der Akademie aufgenommen werden soll. In mehreren Landgerichten Bayerns ist, wie in andern Gebirgsgegenden, zum Theil auch außer Deutschland, die uralte Gewohnheit, heranziehende Gewitter mit Schießen aus Böllern und in deren Ermanglung auch aus kleinem Gewehr zu empfangen. Das Volk dieser Gegenden ist größtentheils von der Wirksamkeit dieses Mittels entweder zu Vertreibung oder doch zu Minderung des Gewitters und Verhütung des Hagels überzeugt. Da aus dieser Ursache mehrere Gegenden Bayerns, früherer Verbote ohnerachtet, auf dem sogenannten Wetterschießen bestanden, andere angrenzende Gebiete aber, die es unterließen, sich beschwerten, daß auf diese Art die Gewitter ihnen zugetrieben würden: so ertheilte die ED: weise bayerische Regierung Herrn Kanonikus Imhof, Mitglied der Akademie im Fache der Physik, den Auftrag zu einer wissenschaftlichen Untersuchung dieses theils für die Naturlehre theils in Bezug auf die allgemeine Meinung des Landmannes in vielen Gegenden nicht unwichtigen Gegenstandes.

Herr Imhof schloß gleich anfangs die Wirkung, welche große und anhaltende Kanonaden auf die Witterung haben können, von seiner Untersuchung aus; vielleicht weil ihm bekannt war, wie häufig man bei Manövers, Gefechten und andern Gelegenheiten, wo viel und wiederholt Geschütz abgefeuert wird, eine darauffolgende Zertheilung der Wolken und Aufheiterung des Himmels beobachtet haben wollte. Verhalte es sich mit diesen Erzählungen wie es wolle, so konnte in einer Untersuchung, die allgemein und wissenschaftlich seyn sollte, die Rücksicht auf die Wirkung größerer Explosionen der Art um so weniger ausgeschlossen werden, als das Resultat der Untersuchung, daß Abfeuerungen des Geschützes keinen Einfluß auf Gewitter haben können, am Ende doch allgemein ausgesprochen und als ein allgemein gültiges behauptet wurde.

Herr Professor Imhof erklärte, seine Beweise in der Sache dem gegenwärtigen hohen Standpunkte der Wissenschaft gemäß und sowohl aus Theorie als aus Erfahrung führen zu wollen. Folgendes waren die Hauptmomente des sich hierauf beziehenden Theils seiner Abhandlung.

Die Wirkung, sagte er, welche Explosionen des Geschützes auf heranziehende Gewitterwolken ausüben, muß entweder chemischer oder mechanischer Art seyn. Eine chemische Wirkung ließe sich nur mittelst der bei Verpuffung des Pulvers sich entwickelnden Luftarten gedenken. Herr Imhof führte an, daß die dabei entstehenden Luftarten zum Theil alsogleich wieder zu Wasser zusammentreten, und das allein übrig gebliebene Salpeterstoffgas sich entweder gar nicht in die Höhe der Gewitterwolke erhebe, oder, wenn das auch geschehe, doch keine Veränderungen in ihr hervorbringen könne, welche ihre gefährlichen Wirkungen aufheben. Mechanisch, fuhr er fort, könnten sie nur wirken, indem sie die Gewitterwolken zerstreuten, oder schnell aus der bedrohten Gegend vertrieben. Um die Möglichkeit dieser Wirkung zu untersuchen, hatte Herr Imhof Versuche im Freien mit einer aus brennbaren Stoffen entwickelten dicken Rauchsäule veranstaltet, auf welche in verschiedenen, erst größern, dann kleinern Entfernungen, unter verschiedenen Winkeln, aus Sechs- und aus Zwölfpfündern (vermuthlich blind?) gefeuert wurde. In allen diesen, mit verschiedenen Abänderungen wiederholten Versuchen konnte weder Herr Imhof noch irgend ein Anwesender die geringste Wirkung auf Vertheilung oder Richtungsänderung der Rauchsäule bemerken. Nach diesen Erfahrungen und obigen Schlüssen hielt sich Herr Imhof berechtigt, das allgemeine Resultat auszusprechen: daß sich von Explosionen des Geschützes auf heranziehende Gewitterwolken keine Wirkung erwarten lasse.

Bei dem lebhaften Interesse, das alle auf die geheimnißvolle Natur der Gewitter Bezug habenden Untersuchungen in dem Naturforscher erregen, war es unmöglich, sich das Gewagte des obigen Dilemma, wonach die Wirkung schlechterdings entweder chemisch oder mechanisch seyn sollte, zu verbergen. – Dilemme der Art mögen bei scholastischen Disputierübungen an ihrer Stelle seyn, wo es nur darauf ankommt den Gegner in die Enge zu treiben; in wissenschaftlichen Untersuchungen, besonders physikalischen, bei denen wir täglich mehr die Eingeschränktheit unserer Kenntnisse zu bemerken Gelegenheit haben, erscheinen sie als unstatthaft und in dem Munde eines Mannes, der den Weg der reinen Erfahrung zu wandeln vorgibt und die bloße Speculation mit Recht verwirft, allerdings befremdend. Weiß denn wohl Herr Imhof so bestimmt, daß außer jenen zwei Wirkungsweisen, gesetzt sie wären auch die einzigen uns jetzt denkbaren oder bekannten, nicht eine dritte, ja eine vierte, fünfte, sechste möglich sey? haben wir die Natur schon so weit durchforscht, um ihr durch unsere Begriffe Grenzen setzen zu dürfen? Welch’ ein verborgenes Element ist insbesondere noch das Luftmeer, trotz den Aufklärungen der sogenannten französischen Chemie, welche Herr Imhof überall als das non plus ultra unserer Kenntnisse vorauszusetzen schien.

Aber die Befremdung wächst, wenn eine mögliche dritte Wirkungsweise so sehr nahe liegt, als es hier mit der dynamisch-elektrischen der Fall ist. Es mußte auffallen, gerade in diesem Theil der Abhandlung von dem Herrn Verfasser auch nicht einmal das Wort Elektricität nennen zu hören; erst in einem zweiten Theil, der den Vorschlag zu Errichtung von Hagelableitern enthielt (der übrigens der Hauptsache nach nichts weniger als neu ist), wurde der Elektricität als Hagel bildenden Princips erwähnt. Mir wenigstens schien es, jeder mit dem gegenwärtigen Standpunkte unserer Kenntnisse vertraute Naturforscher müßte bei der Aufgabe über das Wetterschießen zuerst auf die Frage fallen: ob solche Explosionen Elektricitäts-UmänderungenED: Veränderungen innerhalb ihres Wirkungskreises hervorzubringen im Stande seyen. Daß sie durch die entwickelten Luftarten eine chemische Wirkung auf die Wolken veranlassen, wäre ein Gedanke, auf den man etwa ganz zuletzt fallen könnte; und die Vorstellung von einer mechanischen Wirkung auf die Wolken sollte, so schien es mir, lieber gleich den Bauern überlassen bleiben, denen eine so grobe Vorstellung einer für sie unerklärbaren Wirkung verzeihlich ist.

Daß die Wirkungen einer Gewitterwolke bedeutend verändert, ja vielleicht aufgehoben werden könnten, wenn es in unserer Macht stünde, entweder die zunächst der Erde erregte Elektricität in die homogene der Gewitterwolke umzuwandeln, so daß nun Erde und Wolke, anstatt sich gegenseitig anzuziehen, sich vielmehr zurück stießen, oder gar die in der Gewitterwolke selbst gesammelteED: angesammelte Elektricität entweder in die entgegengesetzte, aus der positiven in die negative, und umgekehrt, umzuwandeln, oder durch Erweckung ihrer entgegengesetzten auf den Nullzustand zurückzubringen, dieß muß ein jeder mit den ersten Grundsätzen der Elektricitätslehre Bekannte ohne Widerspruch zugeben.

Ob nun wirklich heftige Explosionen, wie die des Geschützes, auf eine gewisse Weite Elektricitäts-Umänderungen an der Oberfläche der Erde selbst, besonders in Gebirgen, und somit auch im Luftkreis, hervorbringen können; ob vielleicht gar diese Umänderungen bis zu der, in den meisten Fällen doch sehr mäßigen Höhe der Gewitter- und Hagelwolken sich erstrecken können, dieß müßte freilich erst durch Versuche ausgemittelt werden; aber es muß doch erst faktisch bewiesen seyn, daß diese Wirkungsweise nicht stattfinde, ehe man sich herausnehmen kann, sie gleichsam a priori auszuschließen oder als undenkbar zu ignoriren.

Aber wirklich, daß heftige Explosionen augenblickliche Elektricitäts-Veränderungen zur Folge hätten, wäre nicht zu verwundern; vielmehr das Gegentheil wäre verwunderungswerth. Seitdem wir wissen, daß die leiseste Berührung je zwei verschiedener Körper entgegengesetzte Elektricitäten in ihnen erweckt, daß nicht leicht eine Lokalveränderung, bei welcher zuvor in Berührung gewesene Theile aus der Berührung treten und neue Berührungs-Verhältnisse miteinander eingehen, ohne einige Elektricitäts-Erregung geschehen kann: seitdem wäre es höchst gewagt, kategorisch zu behaupten, daß heftige Erschütterungen des Luftkreises und des Erdbodens ohne alle elektrische Veränderungen stattfinden können. Wenn wir auch nichts als den auf die Luft geschehenden Druck in Anschlag brächten, der sich nach allen Seiten fortpflanzt, der aber doch nach oben eine weit größere Gewalt als nach unten ausübt: so läge schon in dieser mechanischen Bewegung die hinlängliche Veranlassung zur Elektricitäts-Erzeugung oder Umstimmung, wenn anders, wie ich nicht zweifle, die Versuche und Beobachtungen des Herrn Professor Erman, in Gilberts Annalen der Physik Bd. XV, 4. Stück, S. 385, gegründet seyn sollten, aus denen erhellt, daß der bloße Actus des Steigens, z.B. des Elektrometers, an den Goldblättchen Zeichen von positiver Elektricität erregtED: erweckt, der bloße Actus des Sinkens Zeichen von negativer Elektricität. Haben solche einfache Richtungsänderungen, wohin auch die bekannten Erscheinungen des in einem Federkiel hin- und herbewegten Quecksilbers gehören, Elektricitäts-Veränderungen, ja einen unmittelbaren Uebergang aus der einen Elektricität in ihre entgegengesetzte zur Folge: wie dürfen wir behaupten, daß so heftige Erschütterungen der Luft, in dem Umkreise ihrer größten Stärke, keinen Einfluß auf die elektrische Spannung, wenn auch nur der untersten, die Erde zunächst umgebenden Luftschichten, oder selbst, daß sie keinen auf die Region der Gewitterwolken ausüben können?

Ueberhaupt, bringen wir einmal die Elektricität mit dieser Untersuchung in Beziehung, wie viele Möglichkeiten zeigen sich da, deren keine ohne vorhergegangene genaue Prüfung geradezu verworfen werden darf. Die Elektricität steht mit allen Potenzen der Natur im Verkehr. Das Gewitter, besonders das mit Hagel verbundene, ist ein offenbar Kälte erzeugender Proceß. Ist es uns so genau bekannt, welche Wirkung auf die Temperatur des Luftkreises heftige Explosionen hervorbringen, und könnten sie nicht schon durch ihren Einfluß auf diese bestimmend für die Wolken-Elektricität werden? Jede schnelle, heftige Compression der Luft, auf welche eine ebenso schnelle Expansion folgt, ist fähig, Lichterscheinungen hervorzubringen; wie das jetzt allgemein bekannte Compressionsfeuerzeug beweist; auch das beim Losschießen von Windbüchsen geseheneED: sichtbare Feuer. Die elektrische Leitungskraft der Körper steht mit ihrer Wärmecapacität in sehr nahem Bezug. Die atmosphärische Luft löst im Verhältnisse ihrer Zusammendrückung mehr oder weniger Wasser auf, und ihre elektrische Leitungskraft steht mit ihrer Trockenheit oder Feuchtigkeit im nächsten Verhältnisse. Wer kann bei einem solchen Zusammenfluß wirkender Ursachen a priori leugnen, daß heftige Erschütterungen die Leitungskraft der von ihnen afficirten Luftmasse zu vermehren oder zu vermindern, und dadurch allerdings die Wirkungen vorüberziehender Gewitterwolken zu modificiren im Stande seyen? Verdient es so gar keine Berücksichtigung, was viele aufmerksame Beobachter von der eigenthümlichen Witterungsconstitution großer Kriegsjahre bemerkt haben wollen? Konnte nicht das merkwürdige Meteor, das im in den verhängnißvollen der Schlachten bei Regensburg und Eckmühl ganz in der Nähe des Schlachtfeldes seine zerstörenden Wirkungen auf mehrere Stunden im Umkreis erstreckte, Herrn Imhof auch in dieser Beziehung aufmerksam machenImhof trug am 17.06.1809 einen Bericht in der Akademie von dem Ereignis vor.? Der wahre Naturforscher schließt keine Möglichkeit aus, solange sie nicht durch Thatsachen widerlegt ist.

Aber noch habe ich einer höchst wirksamen Potenz, die hier in Thätigkeit gesetzt ist, gar nicht erwähnt, des Schalles. Wirkt dieser auch nur entweder mechanisch oder chemisch, oder wirkt er nach Herrn Imhofs Meinung vielleicht gar nicht als Schall, sondern nur als Erschütterung? Und doch müssen uns alle neueren über die Natur des Schalls erlangten Kenntnisse von seiner eigenthümlichen dynamischen Natur und der Unabhängigkeit, wenn auch nicht seiner Entstehung, doch seines Wesens, von aller bloß mechanischen Erschütterung überzeugen. Für mich sind schon die bekannten Chladnischen Versuche hinlängliche Beweise dieser Annahme. Ich habe mich durch eigne und in meiner Gegenwart vom Erfinder angestellte Versuche aufs gewisseste überzeugt, daß die Klangfiguren nie auf die bloße mechanische Erschütterung, sondern erst wenn der Klang ausgebildet ist, im Moment seiner Aktion, entstehen. Die Analogie dieser durch Klang erzeugten Figuren mit den Lichtenbergischen, durch Elektricität hervorgebrachten, ist allen denkenden Naturforschern längst aufgefallen. Wenn hier nichts Dynamisches im Spiel ist, woher kommt es, daß der zum Versuch angewendete Staub oder Sand an den Figuren festklebt, auch wenn die Glasplatte umgekehrt wird und man auf sie klopft, da er doch von den außer der Figur liegenden Stellen rein herabfällt? Es ist sehrED: zwar zu bedauern, daß noch so wenigeED: nicht mehrere Versuche über die dynamische Wirkungsweise des Schalls und Tons als solcher angestellt worden sind. Vielleicht wäre es nicht unmöglich, durch verschiedenartige Töne unmittelbar entgegengesetzte Elektricitäten zu erwecken. Doch gibt es außer den angeführten noch mehrere Versuche, auf welche bei einiger Gründlichkeit Rücksicht genommen werden mußte. Wußte Hr. Imhof nichts von Englefields Versuchen (Gilberts Annalen XIV. Band, S. 214), wonach im Augenblick des Anschlagens einer großen Glocke das Barometer steigt? Ja wenn selbst der allerletzte Erfolg nothwendig entweder mechanisch oder chemisch seyn müßte, gäbe es nicht auch daED: dann noch höhere Beziehungen, als Hr. Imhof anerkennt? Ist das bekannte Entzweischreien der Gläser bloß mechanisch, und wäre darum auch die Vertheilung der Wolken durch Schüsse nur soED: mechanisch zu denken? Auch chemische Beziehungen des Schalls sind ja nicht zu verkennen, seit die Verschiedenheit der Stärke und der Höhe des Tons in verschiedenen Gasarten bekannt – seit erwiesen ist, daß der Ton in Sauerstoffgas am stärksten, schwächer in atmosphärischer Luft, noch schwächer im Stickgas, am schwächstenED: und dazu ganz dumpf in Wasserstoffgas ist.ED: Eine Eisenstange, die mit Hombergischem Phosphor überzogen ist, leuchtet, wenn man sie anschlägt, d.h. wenn man sie klingen macht.

Daß bei Gewittern auch der Schall des Donners als solcher nicht ohne bedeutende Wirkung ist, erhellt unter andern aus der bekannten Bemerkung, daß nach Gewittern, mit denen beträchtliche Regen und häufige starke Blitze, aber schwache Donner verknüpft sind – ein Fall, der nicht selten beobachtet werden kann, und wohl nicht immer bloß dann, wenn die Gewitter sehr hoch gehen, obgleich in diesem Falle beständig – daß nach Gewittern dieser Art das Pflanzenreich, der Mensch und die ganze umgebende Natur viel weniger erfrischt scheint, als oft nach wenigen Blitzen, kurzen Regen, aber sehr heftigen Donnerschlägen bemerkt wird.

Diese wenigen Bemerkungen scheinen bei all der Achtung, die man für eine Königliche Akademie der Wissenschaften und das ordentliche Mitglied einer solchen gelehrten Gesellschaft hegen muß, doch zu den Folgerungen zu berechtigen, 1) daß Hr. Imhof, was seinen Hauptbeweis (das obige Dilemma) betrifft, bloß theoretisirt, und zwar auf eine sehr unvollständige und mangelhafte Art theoretisirt hat; 2) daß seine Abhandlung keineswegs »dem gegenwärtigen hohen Standpunkt der Wissenschaft« angemessen ist, vielmehr ziemlich tief unter denselben steht, besonders in Hinsicht auf die neuern Kenntnisse in der Elektricitätslehre und der Dynamik überhaupt; 3) daß die Untersuchung des aufgegebenen Gegenstandes keineswegs abgeschlossen, vielmehr nicht einmal angefangen ist.

Man könnte nunmehr fragen, welche Art der Untersuchung denn für diesen Gegenstand zu wünschen seyn würde. Bei dem Interesse, das die Erscheinung des Gewitters für so viele, auch sonst von Wissenschaft wenig Kenntniß nehmende Personen hat, wird es wohl erlaubt seyn, einige unmaßgebliche Gedanken hierüber auch in diesem Blatte zu äußern.

Statt der Rauchsäule würde ich ganz andere Reagentien vorschlagen. Hr. Imhof schien auf die Versuche mit derselben ein besonderes Gewicht zu legen. Allein, auch angenommen, daß die mechanische Vorstellung, welche bei diesem Versuche vorausgesetzt wurde, sich dem tieferen Denken empfehlen, und daß es so geradezu erlaubt seyn könnte, wenn nicht nubem pro Junone, doch Rauch für eine Gewitterwolke, fumum pro Jove zu substituiren: so ließ sich der Erfolg dieses Versuchs auch ohne eine Batterie von Sechs- und Zwölfpfündern aus ziemlich allgemein bekannten Gesetzen voraussehen. Daß die Rauchsäule als ein von der Luft rings umgebenes, in ihr schwimmendes Fluidum von der Pulverexplosion keinen andern Eindruck erhalten konnte, als das umgebende Medium ebenfalls erhielt, daß sie also relativ auf dieses nicht bewegt erscheinen konnte, muß jedem einleuchten. Anstatt also Materialien zur Raucherzeugung mitzubringen, würde ich rathen, mit Elektrometern sich zu versehen, die innerhalb des Wirkungskreises des Geschützes in verschiedenen Höhen über dem Niveau des zu den Versuchen anzuwendenden Platzes, und wenn dieser auf einer mittlern Anhöhe gewählt werden könnte, auch unterhalb desselben aufgestellt würden, und sodann sowohl vor der Abfeuerung, als unmittelbar und noch einige Zeit nach derselben genau beobachtet werden müßten; auch correspondirende und gleichzeitige Baro-, Thermo- und Hygrometer-Versuche ja nicht zu vergessen. Sollten empfindliche Elektrometer, deren einige durch Zuleitungsspitzen mit der umgebenden Luft, andere durch eine leitende Kette mit der Erde in Verbindung gesetzt wären, weder im Augenblick der Explosion noch nach derselben Zeichen von erregter, oder veränderter, oder aufgehobener Elektricität geben, so wäre damit nur entschieden, daß sich vermöge dieses Untersuchungsmittels nicht über die Wirksamkeit solcher Explosionen wissenschaftlich entscheiden lasse; aber selbst dann könnte nicht behauptet werden, es sey wissenschaftlich entschieden, daß sie nicht wirken. Ich will überhaupt durch meine Bemerkungen nichts für und nichts wider die Sache behaupten; ich wünsche nur zu bewirken, daß keine Möglichkeit aus unzureichenden Gründen oder unvollständigem Raisonnement verworfen werde, ehe sie erfahrungsmäßig durch Thatsachen widerlegt ist. Vor allem aber würde ich rathen, diese Versuche an Ort und Stelle, da wo sie längst ausgeübt worden sind, und zwar bei wirklich herannahenden Gewittern zu wiederholen. Denn fürs erste, Gewitterwolken zu bilden müssen wir einmal vorderhand der Natur überlassen; weder Rauch, noch Wasserdämpfe können als Aequivalent von ihnen gelten. Fürs zweite kann ja selbst die Wirksamkeit des Geschützes von der nur bei Gewittern stattfindenden elektrischen Spannung der Atmosphäre in den Gebirgen herkommen, so daß bei gewöhnlichem Zustande des Luftkreises überhaupt keine merklichen Veränderungen am Elektrometer wahrzunehmen wären. Fürs dritte ist es höchst wahrscheinlich, daß das Resultat des Versuchs im platten Lande und auf dem Gebirge sehr verschieden ausfallen muß. Schon darum, weil die Gebirge den Wolken weit näher liegen als die Ebene, besonders aber wegen des bekannten Rapports, in welchem Berge mit den Wolken stehen, auf die sie bedeutende Anziehung und Abstoßung zu äußern fähig sind, auch weil der allgemeine dynamische Gegensatz zwischen Erde und Himmel, der hier mit im Spiel ist, durch die eigenthümliche und selbständige Form der Gebirge um vieles lebendiger werden muß; auch, wenn der Schall hier mitwirken sollte, wegen des in Gebirgen beträchtlich verstärkten und durch Repercussion vervielfachten Schalles. Auch wäre mein Vorschlag, sich bei Anstellung der Versuche vorerst ganz nach der Verfahrungsweise und den wahren oder angeblichen Erfahrungen der Landbewohner zu richten; besonders auch in der Richtung des Schusses, da sie, nach meiner eignen Kenntniß davon, den Punkt, gegen welchen gefeuert wird, nach Verschiedenheit der Umstände verschieden wählen; auch mit dem von ihnen gewöhnlich angewendeten Geschütz, oder doch ähnlichem, indem gar wohl nicht so sehr die Stärke als die Qualität des Schalles von Einfluß dabei seyn könnte. Von Frankreichs Naturforschern und Akademikern befindet sich immer eine Anzahl auf Reisen: und Beobachtung im Freien und Großen sollte eines der Hauptgeschäfte aller Akademien, dieser stehenden Heere der Wissenschaften, ausmachen. Die Zeit, welche einer oder mehrere gründliche und vorurtheilslose Naturforscher während der Sommermonate im Gebirge mit Versuchen über Gewitter-Elektricität zubrächten, wäre für die Wissenschaft gewiß nicht verloren.

Mehrere Vorschläge beizufügen enthalte ich mich um so eher, als ich nicht zweifle, daß die gelehrten Mitglieder der königlich bayrischen Akademie im Fache der Naturwissenschaften die entscheidendsten und am ehesten zum Zwecke führenden Versuche viel leichter selbst erfinden als von andern annehmen werden, und auch diese Bemerkungen würde ich nicht ohne die ganz besondere Vorliebe für alles, was auf Elektricität Bezug hat, niedergeschrieben haben. Mir ist das elektrische Feuer das eigentliche heilige Feuer der Physik, das die Priester derselben andächtiger und gewissenhafter pflegen sollten, als die unverletzlichen Jungfrauen Roms das Feuer der Vesta. Möchten wir doch dieses Eine von dem unvergeßlichen Lichtenberg gelernt und geerbt haben, überall dieser einen leuchtenden Spur nachzugehen, die uns bereits in so viele Geheimnisse geführt hat und noch immer weiter führen wird. Mir scheint es, wir ruhen überhaupt in Bezug auf Gewitter-Elektricität zu sehr auf den bereits errungenen Lorbeeren, und besonders glauben wir, mit der Erfindung der Blitzableiter sey schon alles gethan. Mag es einer oder der andere lächerlich finden, aber meine Ueberzeugung ist, daß wir einst noch ganz andere Mittel, auf Gewitter einzuwirken, in unsere Gewalt bekommen müssen. Wenn wir die Zeugnisse mancher römischen Schriftsteller, die doch auch wieder aus älteren Quellen geschöpft, nicht geradezu verwerfen wollen, so waren Kenntnisse der Art, welche unsere gegenwärtigen weit übertreffen, im Besitz der ältesten italienischen Völker. Der Naturforscher sollte sich besonders hüten, alten Ueberlieferungen und dem physikalischen Volksglauben, dem oft eine Jahrhundert lange, wenn auch mitunter verkehrt ausgedrückte Beobachtung zu Grunde liegt, aus bloßer theoretischer Beschränktheit zu widersprechen; besonders sollte Akademien der Wissenschaften immer das noch ganz frische Beispiel der Luftsteine gegenwärtig seyn, von denen ebenfalls die römischen Schriftsteller so oft Meldung gethan, an welche die Landleute in mehreren Gegenden seit Jahrhunderten geglaubt hatten, indeß sie von den Gelehrten aller Akademien ausgelacht wurden, bis, Vauquelin sagt (S. Gilberts Annalen 1803. 12tes Stück, S. 421) die Reihe an sie kam, Gelehrte zu verlachen, die einst so ungläubig waren.In dem nämlichen Heft von Gilbert’s Annalen steht ein Brief von St. Amand, Professor der Naturgeschichte in Agen, der im Jahr von diesem Ort aus das Protokoll über einen Steinregen erhielt, das er dem Herausgeber des Journal des Savants, Bertholon, mittheilte. »Wir scherzten, sagt St. Amand, über diese Volkssage, mir schien es sehr lustig zu seyn, wenn man über eine solche Absurdität ein authentisches Protokoll erhalten könnte. – Ich sah darin nur ein neues Beispiel der Leichtgläubigkeit des Landmanns«. – Bertholon fügte unter andern die Anmerkung hinzu: »Wie traurig ist es eine ganze Municipalität in aller Form Volkssagen bescheinigen zu sehen, die nur Mitleid erregen.« So wurde, fährt St. Amand fort, dieses vom Maire und vom Gemeinde-Procurator unterzeichnete Protokoll als ein lügenhaftes oder wenigstens als ein auf Täuschung beruhendes Zeugniß behandelt, eine andere von 300 Personen unterzeichnete Aussage hatte dasselbe Schicksal, weil man das bezeugte Faktum für offenbar falsch und physisch unmöglich hielt. War vielleicht die Abfertigung, welche die von mehreren Landgemeinen in der obigen Sache eingeschickten Protokolle im letzten Theil der Abhandlung des Hrn. Imhof erhielten, eine andere?

Die Wissenschaftliebende bayrische Regierung würde schwerlich Anstand finden, zu einer wiederholten Untersuchung alle mögliche Hülfsmittel ED: und Gelegenheit darzureichen, und das Publikum darf daher hoffen, die Akademie werde diesen Gegenstand noch einmal, nach einer besseren Methode, aufnehmen, da sie im entgegengesetzten Falle sich dem Vorwurf aussetzen würde, die ihr dargebotene Gelegenheit zu einer höchst wichtigen Untersuchung, die, gehörig geführt, unmittelbar oder doch gewiß mittelbar zu den merkwürdigsten Resultaten leiten kann, nicht wie es sich erwarten ließ benutzt zu haben.