II
Die Weltalter
Erstes Buch
Die Vergangenheit
Druck II
1813
Einleitung
Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet.
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Wissenschaft ist schon der Wortbedeutung nach Historie (ἱστορία). Sie konnte es nicht seyn, so lange sie als eine bloße Folge oder Entwicklung eigner Gedanken und Begriffe gemeynt wurde. Es ist ein Vorzug unserer Zeiten, daß der Wissenschaft das Wesen wiedergegeben worden, und zwar, wie wohl behauptet werden kann, auf eine Art, daß sie es nicht leicht wieder verlieren kann. Von nun an ist es die Entwicklung eines wirklichen, lebendigen Wesens, die in ihr sich darstellt.
Das Lebendige der höchsten Wissenschaft kann nur das Urlebendige seyn, das Wesen, dem kein anderes vorausgeht, also das erste oder älteste der Wesen.
Dieses Urlebendige, da nichts vor oder außer ihm ist, von dem es bestimmt werden möchte, kann sich, in wiefern es sich entwickelt, nur frey, aus eigenem Trieb und Wollen, rein aus sich selber, aber eben darum nicht gesetzlos, sondern nur gesetzmäßig entwickeln. Es ist keine Willkühr in ihm; es ist eine Natur im vollkommensten Verstande des Worts, wie der Mensch der Freyheit unbeschadet, und eben dieser wegen eine Natur ist.
Nachdem die Wissenschaft dem Gegenstande nach zur Objectivität gelangt ist, so scheint es eine natürliche Folge, daß sie dieselbe auch der Form nach suche.
Von jeher hat Philosophie die Gränzen der Welt und damit der gegenwärtigen Zeit zu überschreiten, die erste Herkunft der Dinge zu erklären gesucht und sich so an die Vergangenheit im höchsten Sinne gewendet. Warum war oder ist es bis jetzt unmöglich, daß sie, dem Wort und der Sache nach Historie, es auch der Form nach ist? Das Gewußte wird erzählt, warum kann nicht auch das Gewußte der höchsten Wissenschaft mit der Geradheit und Einfalt wie jedes andere Gewußte erzählt werden? Was hält sie zurück die geahndete goldne Zeit, da die Fabel wieder zur Wahrheit und die Wahrheit zur Fabel wird?
Dem Menschen muß ein Wesen zugestanden werden, das außer und über der Welt ist; denn wie könnte er allein von allen Geschöpfen den langen Weg der Entwicklungen von der Gegenwart bis in die tiefste Nacht der Vergangenheit zurückverfolgen, er allein bis zum Anfang der Dinge aufsteigen, wenn in ihm nicht ein Wesen von Anfang der Zeiten wäre? Aus der Quelle der Dinge geschöpft und ihr gleich hat das Ewige der Seele eine Mitt-Wissenschaft der Schöpfung.
Dieses Wesen ist das Band, durch das der Mensch fähig wird, mit der ältesten Vergangenheit, wie mit der fernsten Zukunft in unmittelbaren Bezug zu treten, weil es die Zeit eingewickelt enthält. In welche wunderbare Beziehungen oder innere Verknüpfungen sieht er sich oft durch eben dieses Innerste versetzt, wenn ihm ein gegenwärtiger Augenblick als ein längst dagewesener vorkommt, oder eine ferne Begebenheit, als wäre er Zeuge von ihr gewesen!
In diesem also ruht die unergründliche Vorzeit; aber obwohl es treu den Schatz heiliger Vergangenheit bewahrt, ist es doch in sich selbst stumm und kann nicht aussprechen was es in sich verschließt.
Auch würde es sich nie eröffnen, wäre ihm nicht ein Anderes beygesellt, das selbst ein Gewordenes ist, und darum von Natur unwissend und gleichsam ewig jung, wie nach dem ägyptischen Priester die Hellenen
. Dieses also, um zur Wissenschaft der gewesenen Dinge zu gelangen, muß sich an jenes innere Orakel wenden, den einzigen Zeugen aus vorweltlicher Zeit.
Dieses aber fühlt sich nicht weniger zu ihm gezogen. Es ruht in ihm die Erinnerung aller Dinge, ihrer ursprünglichen Verhältnisse, ihres Werdens, ihrer Bedeutung. Aber dieses Ur-Bild der Dinge schlummert in ihm. Zwar nicht als ein ausgelöschtes und vergessenes, wohl aber als ein mit seinem eigenen Wesen verwachsenes Bild, das er nicht aus sich selbst entnehmen und hervorholen kann. Sicher würde es nie wieder erwachen, wenn nicht in jenem Unwissenden selbst die Ahndung und die Sehnsucht der Erkenntnis läge. Aber unaufhörlich von diesem angerufen um seine Veredlung bemerkt das Höhere, daß das Niedere ihm beygegeben ist, nicht um von ihm in der Unthätigkeit erhalten zu werden, sondern damit es ein Werkzeug habe, in dem es sich beschauen, aussprechen und sich selbst verständlich werden könne; denn in ihm liegt alles ohne Unterscheidung zumal, als Eins; in dem andern aber kann es, was in ihm unterscheidbar Eins ist, unterscheidbar machen und auseinanderlegen.
Es ist also im Menschen eines, das wieder zur Erinnerung gebracht werden muß, und ein anderes, das es zur Erinnerung bringt; eines in dem die Antwort liegt auf jede Frage der Forschung, und ein anderes, das diese Antwort aus ihm hervorholt; dieses andere ist frey gegen Alles und vermag alles zu denken, aber es wird durch jenes Innerste gebunden und kann ohne die Einstimmung dieses Zeugen nichts für wahr halten. Das Innerste dagegen ist ursprünglich gebunden und kann sich nicht entfalten; aber durch das Andere wird es frey und eröffnet sich gegen dasselbe. Darum verlangen beyde gleich sehr nach der Scheidung, jenes damit es in sein ursprüngliches und eingebohrnes Wissen wieder versetzt, dieses damit es von ihm empfange und ebenfalls, obwohl auf ganz andere Art, wissend werde.
Diese Scheidung, diese Verdoppelung unserer selbst, dieser geheime Verkehr, in welchem zwey Wesen sind, ein fragendes und ein antwortendes, ein unwissendes, das aber nach Wissen sucht, und ein Wissendes, das aber sein Wissen nicht weiß; dieses stille Gespräch, diese innere Unterredungskunst, das eigentliche Geheimniß des Philosophen ist es, von welcher die äußere, darum Dialektik genannte, Kunst nur das Nachbild, und, so sie zur bloßen Form geworden, der leere Schein und Schatten ist.
Also erzählt wird seiner Natur nach alles Gewußte, aber das Gewußte ist hier kein von Anbeginn fertig daliegendes und vorhandenes, sondern ein aus dem Inneren durch einen ganz eigenthümlichen Prozeß immer erst Entstehendes. Durch innerliche Scheidung und Befreyung muß das Licht der Wissenschaft aufgehen, ehe es äußerlich leuchten kann. Erlangte Wissenschaft wäre der Form nach Historie; aber was wir so nennen, ist nur erst ein Streben nach dem Wiederbewußtwerden, also mehr noch ein Trachten nach ihr als sie selbst; aus welchem Grunde ihr unstreitig von jenem hohen Manne des Alterthums der Name Philosophie beygelegt worden ist. Denn die von Zeit zu Zeit gehegte Meynung, die vollkommenste Dialektik für die Wissenschaft selber anzusehen, verräth nicht wenig Eingeschränktheit, indem eben das Daseyn und die Nothwendigkeit der Dialektik beweist, daß wahre Wissenschaft (ἱστορία) noch nicht gefunden ist.
Der Philosoph indeß befindet sich hiebey in keinem andern Falle, als der andere Historiker auch. Denn auch dieser muß, was er zu wissen verlangt, den Aussagen alter Urkunden oder der Erinnerung lebender Zeugen abfragen. Auch ihm ist viele Kritik oder Scheidungskunst nöthig, um aus der Verworrenheit der Nachrichten die reine Thatsache herauszuläutern, und das Wahre von dem Falschen, das Ächte von dem Unächten in den vorhandenen Überlieferungen abzusondern. Auch bedarf er gar sehr der Scheidung von sich selbst, der Entfernung von der Gegenwart, der Hingebung an die Vergangenheit, um sich von den Begriffen und den Eigenheiten seiner Zeit loszumachen.
Überhaupt kann nichts, auch nicht das von außen Gegebene unmittelbar zum Bewußtseyn gelangen, es muß erst innerlich geworden seyn. Wenn im Geschichtsschreiber nicht selbst die alte Zeit erwacht, so wird er nie wahr, nie anschaulich, nie lebendig darstellen. Was wäre alle Historie, wenn ihr nicht ein innerer Sinn zu Hülfe käme? Was sie bey so vielen ist, die zwar vieles von allem Geschehenen wissen, aber von eigentlicher Geschichte nicht das Geringste verstehen. Nicht menschliche Begebenheiten allein, auch die Geschichte der Natur hat ihre Denkmäler, und man kann wohl sagen, daß sie auf ihrem weiten Schöpfungsweg keine Stufe verlassen, ohne etwas zur Bezeichnung zurückzulassen. Diese Denkmäler der Natur liegen großentheils offen da, sind vielfach durchforscht, zum Theil wirklich entziffert, und doch reden sie uns nicht, sondern bleiben todt, ehe jene Folge von Handlungen und Hervorbringungen dem Menschen innerlich geworden: also bleibt alles dem Menschen unfaßlich, bevor es ihm selbst innerlich geworden, d.i. auf eben jenes Innerste seines Wesens zurückgeführt worden, das für ihn gleichsam der lebendige Zeuge aller Wahrheit ist.
Nun haben von jeher einige gemeynt, es sey möglich, das äußere Werkzeug ganz bey Seite zu setzen, und alle Zweyheit in sich aufzuheben, so daß wir gleichsam nur innerlich seyen und ganz im Überweltlichen leben, alles unmittelbar erkennend. Wer kann die Möglichkeit einer solchen Versetzung des Menschen in sein überweltliches Princip und demnach einer Erhöhung der Gemüthskräfte in’s Schauen schlechthin läugnen: Ein jedes physisches und moralisches Ganzes bedarf zu seiner Erhaltung von Zeit zu Zeit der Reduction auf seinen innersten Anfang. Der Mensch verjüngt sich immer wieder und wird neuselig durch das Einheitsgefühl seines Wesens. In eben diesem schöpft besonders der Wissenschaftsuchende beständig frische Kraft; nicht der Dichter allein, auch der Philosoph hat seine Entzückungen. Er bedarf ihrer, um durch das Gefühl der unbeschreiblichen Realität jener höhern Vorstellungen gegen die erzwungenen Begriffe einer leeren und begeisterungslosen Dialektik verwahrt zu werden. Ein anderes aber ist, die Beständigkeit dieses anschauenden Zustandes verlangen, welches gegen die Natur und Bestimmung des jetzigen Lebens streitet. Denn wie wir sein Verhältniß zu dem vorhergehenden ansehen mögen, immer wird es darauf zurückkommen, daß, was in diesem untheilbarerweise zusammen war, in ihm entfaltet und theilweis auseinandergelegt werde. Wir leben nicht im Schauen; unser Wissen ist Stückwerk
, d.h. es muß stückweis, nach Abtheilungen und Abstufungen erzeugt werden, welches nicht ohne alle Reflexion geschehen kann.
Darum wird auch der Zweck im bloßen Schauen nicht erreicht. Denn im Schauen an und für sich ist kein Verstand. In der äußern Welt sieht ein jeder mehr oder weniger das nämliche und kann es doch nicht aussprechen. Ein jedes Ding durchläuft, um zu seiner Vollendung zu gelangen, gewisse Momente: eine Reihe aufeinanderfolgender Prozesse, wo immer der spätere in den früheren eingreift, bringt es zu seiner Reife; diesen Verlauf in der Pflanze z.B. sieht der Bauer so gut als der Gelehrte und kennt ihn doch nicht eigentlich, weil er die Momente nicht auseinanderhalten, nicht gesondert, nicht in ihrer wechselseitigen Entgegensetzung betrachten kann. Ebenso kann der Mensch jene Folge von Prozessen, wodurch aus der höchsten Einfalt des Wesens zuletzt die unendliche Mannigfaltigkeit erzeugt wird, in sich durchlaufen und unmittelbar gleichsam erfahren, ja, genau zu reden, muß er sie in sich selbst erfahren. Aber alles Erfahren, Fühlen, Schauen ist an und für sich stumm und bedarf eines vermittelnden Organs, um zum Aussprechen zu gelangen. Fehlt dieses dem Schauenden, oder stößt er es absichtlich von sich, um unmittelbar aus dem Schauen zu reden, so verliert er das ihm nothwendige Maß, er ist Eins mit dem Gegenstand und für jeden dritten wie der Gegenstand selber; eben darum nicht Meister seiner Gedanken und im vergeblichen Ringen Unaussprechliches dennoch auszusprechen ohne alle Sicherheit; was er trifft, das trifft er, jedoch ohne dessen gewiß zu seyn, ohne es fest vor sich hinstellen und im Verstande gleichsam als in einem Spiegel wieder beschauen zu können.
Also um keinen Preis aufzugeben ist jenes beziehungsweise äußere Princip; denn es muß alles erst zur wirklichen Reflexion gebracht werden, damit es zur höchsten Darstellung gelangen könne. Hier geht die Gränze zwischen Theosophie und Philosophie, welche der Wissenschaftliebende keusch zu bewahren suchen wird. Die erste hat an Tiefe, Fülle und Lebendigkeit des Inhalts vor der letzten gerade soviel voraus, als der wirkliche Gegenstand vor seinem Bilde, die Natur vor ihrer Darstellung voraus hat; und allerdings bis zur Unvergleichbarkeit geht diese Verschiedenheit, wenn eine todte das Wesen in Formen und Begriffen suchende Philosophie zur Vergleichung genommen wird. Daher die Vorliebe inniger Gemüther für sie, die ebenso leicht erklärbar ist, als die Vorliebe für die Natur im Gegensatz der Kunst. Denn diesen Vorzug haben die theosophischen Systeme vor allen bisher geltenden, daß in ihnen wenigstens eine Natur ist, wenn auch eine ihrer selbst nicht mächtige, in den andern dagegen nichts als Unnatur und eitel Kunst. Aber so wenig Natur der recht verstandnen Kunst, so wenig ist die Fülle und Tiefe des Lebens recht verstandner Wissenschaft unerreichbar; nur allmähliger gelangt sie dazu, mittelbarer und durch stufenmäßiges Fortschreiten, so daß der Wissende immer von seinem Gegenstande verschieden, dagegen dieser auch von ihm getrennt bleibt und Object einer ruhig genießenden Beschauung wird.
Hindurchgehen also durch Dialektik muß alle Wissenschaft. Aber, kommt nie der Punkt, wo sie frey und lebendig wird, wie im Geschichtschreiber das Bild der Zeiten, bey dessen Darstellung er seiner Untersuchungen nicht mehr gedenkt? Kann nie wieder die Erinnerung vom Urbeginn der Dinge so lebendig werden, daß die Wissenschaft auch der äußern Form nach Historie werden dürfte, und der Philosoph, dem göttlichen Platon gleich, der die ganze Reihe seiner Werke hindurch dialektisch ist, aber im Gipfel und Verklärungspunkt aller historisch wird, zur Einfalt der Geschichte zurückkehren könnte?
Unserm Zeitalter schien es vorbehalten, zu dieser Objectivität der Wissenschaft wenigstens den Weg zu eröffnen. Zuerst indem sie dieser das Wesen wiedergab, womit lebendige Entwicklung zugleich gesetzt ist, indeß zwischen dogmatisch folgenden Sätzen kein lebendiger Fortschritt möglich ist. Sodann durch Erkenntniß des Gesetzes der Steigerung, womit allein zugleich ein wahrer Anfang, eine nothwendige und ewige Unterlage gefunden ist. So lange sie sich auf das Ideale beschränkte, war keine solche zu finden. Kaum waren daher die ersten Schritte geschehen, der Wissenschaft das Leben wieder zu geben, als das hohe Alter des Physischen anerkannt werden mußte, und wie es, wenn auch das Letzte in Ansehung der Würde, das Erste sey in Ansehung aller Entwicklung. Nicht mehr von der weiten Ferne abgezogener Gedanken beginnt seitdem die Wissenschaft, um von diesen zum Natürlichen herabzusteigen; sondern umgekehrt, vom bewußtlosen Daseyn des Ewigen anfangend führt sie es zur höchsten Verklärung in einem göttlichen Bewußtseyn hinauf. Die übersinnlichsten Gedanken erhalten jetzt physische Kraft und Leben, und umgekehrt wird Natur immer mehr der sichtbare Abdruck von den höchsten Begriffen. Eine kurze Zeit, und die Verachtung, womit ohnedieß nur noch die Unwissenden auf alles Physische herabsehen, wird aufhören, und noch einmal wahr werden wird das Wort: Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein worden
. Dann wird die so oft vergebens gesuchte Popularität von selbst sich ergeben. Dann wird zwischen die Welt des Gedankens und der Welt der Wirklichkeit kein Unterschied mehr seyn. Es wird Eine Welt seyn, und der Friede des goldnen Zeitalters zuerst in der einträchtigen Verbindung aller Wissenschaften sich verkünden.
Bey diesen Aussichten, welche die gegenwärtige Schrift auf mehr als eine Weise zu rechtfertigen suchen wird, darf sich wohl ein lang überlegter Versuch hervorwagen, der zu jener künftigen objectiven Darstellung der Wissenschaft einige Vorbereitung enthält. Vielleicht kommt der noch, der das größte Heldengedicht singt, im Geist umfassend, wie von Sehern der Vorzeit gerühmt wird, was war, was ist und was seyn wird
. Aber noch ist diese Zeit nicht gekommen. Verkündiger derselben, wollen wir ihre Frucht nicht brechen, ehe sie reif ist, noch die unsrige verkennen. Noch ist sie eine Zeit des Kampfs. Noch ist des Untersuchens Ziel nicht erreicht; noch muß, wie die Rede von Rhythmus, Wissenschaft von Dialektik getragen und begleitet werden. Nicht Erzähler können wir seyn, nur Forscher, abwägend das Für und Wider jeglicher Meynung, bis die rechte feststeht, unzweifelhaft, für immer gewurzelt.
Erstes Buch
Die Vergangenheit
Vergangenheit – ein hoher Begriff, Allen gemein und nur Wenigen verstanden! Die Meisten wissen von keiner, als der, welche sich in jedem Augenblick durch eben diesen vergrößert, selbst noch wird, nicht ist. Ohne bestimmte entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch, der sich nicht scheiden kann von sich selbst, sich lossagen von allem was ihm geworden und ihm sich thätig entgegensetzen, hat keine Vergangenheit oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen das Bewußtsein, etwas wie man sagt hinter sich gebracht, d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Zukunft und leicht, nur unter dieser Bedingung, auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat, sich über sich selbst zu erheben, ist fähig, eine wahre Vergangenheit sich zu erschaffen; ebendieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er allein einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen Betrachtungen würde hervorleuchten, daß der Gegensatz der Zeiten auf einer Steigerung beruht, nicht aber durch ein stetiges Verfließen der Zeit-Theile in einander hervorgebracht wird.
Wäre die Welt, wie einige vermeynte Weise behauptet, eine rück- und vorwärts in’s Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen: so gäbe es im wahren Verstande so wenig eine Vergangenheit als eine Zukunft. Aber dieser Ungedanke sollte mit dem mechanischen System, dem allein er angehört, billig zugleich verschwunden seyn.
Wäre jedoch auch in jedem Sinne bewährt die alte Rede, daß nichts Neues in der Welt geschehe
; wäre auf die Frage, was ist’s, das geschehen ist? noch immer jene Antwort die richtige, Ebendas, was hernach geschehen wird
, und auf die, was ist’s, das geschehen wird? Ebendas, was zuvor geschehen ist
: so würde daraus nur folgen, daß die Welt in sich keine Vergangenheit und keine Zukunft habe; daß alles, was in ihr von Anfang geschehen ist und was bis zum Ende geschehen wird, nur zu Einer großen Zeit gehört; daß die eigentliche Vergangenheit, die Vergangenheit schlechthin, die vorweltliche ist; die eigentliche Zukunft, die Zukunft schlechthin, die nachweltliche – und so würde sich uns ein System der Zeiten entfalten, von welchem das der menschlichen nur ein Nachbild, eine Wiederholung in engerem Kreise wäre.
Alles was uns umgibt, weist an eine unglaublich hohe Vergangenheit zurück. Die ältesten Bildungen der Erde tragen ein so fremdes Ansehen, daß wir uns von der Zeit ihres Entstehens und der damals wirkenden Kräfte kaum einen Begriff zu machen im Stande sind. Den größten Theil derselben finden wir in Trümmer, Zeugen einer wilden Verwüstung, zusammengestürzt. Ruhigere Zeiten folgten, aber auch sie durch Stürme unterbrochen und sammt ihren Schöpfungen unter denen einer neuen begraben. In einer undenklichen Reihe von Zeiten hat je die folgende die vorhergehende zugedeckt, so daß sie kaum etwas Ursprüngliches zeigt; eine Menge von Schichten, die Arbeit von Jahrtausenden, muß hinweggenommen werden, um endlich auf den Grund zu kommen.
Wenn die vor uns liegende Welt durch so viele Mittelzeiten herabgekommen endlich diese geworden ist: wie vermöchten wir auch nur das Gegenwärtige zu erkennen, ohne Wissenschaft des Vergangenen? Schon die Eigenheiten einer ausgezeichneten menschlichen Individualität sind uns oft unbegreiflich, bevor wir die besondern Umstände erfahren, unter denen sie geworden ist und sich gebildet hat. Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Ausbildung auf die Spur gekommen. Wie viel mehr muß dies bei einem so vielfach zusammengesetzten Individuum, als schon die Erde ist, der Fall seyn! Welche ganz andre Verwicklungen und Verschränkungen müssen hier stattfinden! Auch das Kleinste, bis zum Sandkorn herab, muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Alles ist nur Werk der Zeit und nur durch die Zeit erhält jedes Ding seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung.
Wenn aber einmal der wahre Grund und Anfang auch der Erkenntniß, Wissenschaft oder Herleitung aus der Vergangenheit ist, wo ist hier ein Stillstand? Denn auch bey’m letzten Sichtbaren angekommen, findet der Geist noch eine nicht durch sich selbst begründete Voraussetzung, die ihn an eine Zeit weist, da nichts war, als das Eine unerforschliche von sich seyende Wesen, aus dessen Tiefe sich alles hervorgebildet; und wenn nun dieses wieder recht im Geiste betrachtet wird, entdecken sich auch in ihm neue Abgründe und nicht ohne eine Art von Entsetzen erkennt er endlich, daß auch in dem Urwesen selbst etwas als Vergangenheit gesetzt werden mußte, ehe die gegenwärtige Zeit möglich wurde, daß eben dieses Vergangene es ist, was die gegenwärtige Schöpfung trägt und noch immer im Grunde verborgen ist.
Ich habe gewagt, die Gedanken, welche sich mir über das Organische der Zeit und der drey großen Abmessungen derselben, die wir als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterscheiden, durch oft wiederholte Betrachtung gebildet haben, schriftlich aufzuzeichnen; doch nicht in strengwissenschaftlicher, nur in leicht mittheilender Form, damit sie die Unvollständigkeit ihrer Ausbildung selbst anzuerkennen scheinen, welche ihnen, obgleich lang’ umhergetragenen, nach allen Seiten zu geben der Drang der Zeiten nicht erlaubt hat.
Es ist leicht zu sagen und jetzt allgemein angenommene Meynung, daß die Zeit nichts Wirkliches, nichts von unsrer Vorstellungsweise unabhängiges ist
. Auch hat sich durch falsche Vorstellung in den Begriff derselben soviel Scheinbares, zum Theil Unwahres eingeschlichen, daß es verzeihlich scheint, sie als ein bloßes Getriebe unserer Gedanken anzusehen, das aufhörte, wenn wir nicht mehr Tage zählten und Stunden. Und doch erfährt jeder im eigenen Thun und Lassen unwidersprechlich die Wesentlichkeit der Zeit; und diejenigen selbst, welche ihre Nichtigkeit behaupten, weiß sie zu lauten Klagen über ihre furchtbare Wirklichkeit zu zwingen.
Es wäre schon längst verdienstlich gewesen, Form und Wesen, Schein und Wirklichkeit in unsern Vorstellungen von der Zeit zu trennen, wenn es noch die Zeit wäre, die großen Gegenstände einzeln oder getrennt nach Capiteln abzuhandeln. Erwünschter ist, alles gleich in Leben und That zu sehen. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis ins Kleinste gehenden Organismus. Wir sind überzeugt (oder wer ist es nicht?), daß jedem großen Ereigniß, jeder folgenvollen That ihr Tag, ihre Stunde, ja ihr Augenblick bestimmt ist, und daß sie kein Nu früher an’s Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche die Zeiten anhält und mäßigt. Wäre es freylich viel zu gewagt, die Tiefen der Zeit schon durchschauen zu wollen; so ist doch der Augenblick gekommen, das große System der Zeiten in seinem weitesten Umfange zu entwickeln.
Wer die Zeit auch nur nimmt, wie sie sich darstellt, fühlt in ihr einen Widerstreit zweyer Principien; eines das vorwärts strebt, zur Entwicklung treibt und eines anhaltenden, hemmenden, der Entwicklung widerstrebenden. Leistete dieses andere nicht Widerstand, so wäre keine Zeit, weil die Entwicklung im Nu, ohne Absatz und Folge geschähe; würde aber auch nicht dieses andere beständig von dem ersten überwunden, so wäre absolute Ruhe, Tod, Stillstand und darum wieder keine Zeit. Denken wir uns nun aber diese beyden Principien in einem und demselben Wesen gleichwirkend, so haben wir sogleich den Widerspruch fertig.
Sie sind aber nothwendig zu denken in allem was ist, ja im Seyn selber. – Alles was ist, alles Seyende will zugleich in sich und aus sich. Es will in sich, indem es sich als Seyendes, als Subject setzt oder zusammenfaßt; in sofern widersetzt es sich der Entwicklung und Ausbreitung: es will aus sich, indem es das, was es in sich ist, auch wieder, nämlich äußerlich, zu seyn begehrt. Es ist in der ersten Beziehung ein Abgezogenes von sich selbst, das sich selbst entgegengesetzt hat dem was außer ihm ist; aber es hat sich nur entgegengesetzt, um sich als das, was es in sich ist, wieder gegen jenes äußere zu offenbaren, mitzutheilen und kann daher in jener Abgezogenheit nicht bleiben.
Ebenso das Seyn. Denn denken wir es rein als solches, so ist es selbstlos, eine gänzliche Versunkenheit in sich selbst; aber ebendadurch zieht es sein Gegentheil in sich und ist ein steter Durst nach Wesen, eine Sucht, sich Seyendes oder Subject anzuziehen, um mittelst desselben aus dem bloßen Potential-Zustand zum wirkenden hervorzutreten. Denken wir es aber schon als wirkendes Seyn, als ein Seyn, das auch selber wieder ist: so ist nothwendig ein Seyendes mit ihm, das dem Seyn, dem bloßen in-sich-Beruhen widerstreitet.
Also sind die Principien, die wir in der Zeit wahrnehmen, die eigentlichen innern Principien alles Lebens, und der Widerspruch ist nicht allein möglich, sondern nothwendig.
Die Menschen zeigen sich zwar keiner Sache abgeneigter als dem Widerspruch, wenn er ihnen offenbar wird, und sie zum Handeln zwingt. Ist das Widersprechende ihrer Lage längst nicht mehr zu verbergen: so suchen sie es immer noch zuzudecken und blind getrieben den Augenblick zu entfernen, wo auf Tod und Leben gehandelt seyn muß.
Wie man nun im Leben sich gern so viel möglich den Widerspruch abhalten mag, so wurde eine gleiche Bequemlichkeit in der Wissenschaft gesucht, indem man als Grundsatz aufstellte, daß der Widerspruch nun und nimmer wirklich seyn könne. Wie ließ sich aber ein Gesetz aufstellen für etwas, das nie und auf keine Weise wirklich seyn sollte? Oder wie sollte jener Grundsatz sich bewähren d.i. als wahr erweisen, wann es doch nirgends einen Widerspruch gab?
Obwohl nun die Menschen im Leben und im Wissen nichts so sehr zu scheuen scheinen, als den Widerspruch, müssen sie doch daran, weil eben das Leben selbst im Widerspruch ist. Ohne Widerspruch wäre kein Leben, keine Bewegung, kein Fortschritt, ein Todesschlummer aller Kräfte. Nur der Widerspruch treibt, ja er zwingt zu handeln. Also ist eigentlich der Widerspruch das Gift alles Lebens, und alle Lebensbewegung nichts anderes, denn die versuchte Ueberwindung dieses Gifts. Darinn liegt der Grund, daß, wie ein altes Buch sagt, alles Thun unter der Sonne so voll Mühe ist, die Sonne selbst auf- und untergeht, um wieder auf- und unterzugehen
, und alles sich in Arbeit verzehrt und doch nicht müde wird und alle Kräfte unaufhörlich gegen einander ringen und arbeiten.
Wie kommt es aber, daß, wenn der Widerspruch, wie es scheint, nothwendig, er doch allem Leben so unleidlich ist und nichts darinn verharren will, sondern immerfort strebt, sich ihm zu entreißen? Wahrlich, dieß wäre nicht zu begreifen, wenn nicht hinter allem Leben, gleichsam als beständiger Hintergrund, das Widerspruchlose wäre und nicht jedem Lebenden ein unmittelbares Gefühl desselben beywohnete, wodurch es getrieben wird, in ebendieses zurückzuverlangen. Ja ohne eine solche alles durchwirkende Einheit wäre der Widerspruch selber nicht zu begreifen.
Erkennen wir also den Widerspruch, so erkennen wir auch das Widerspruchlose. – Ist jener das Bewegende in der Zeit, so ist das Widerspruchlose das Wesen der Ewigkeit. Ja, wenn wahrhaft alles Leben nur eine Bewegung ist, sich aus dem Widerspruch herauszusetzen, so ist die Zeit selbst nichts als eine beständige Sucht nach der Ewigkeit. Und besteht hinter allem Widerspruch eigentlich immerfort das Widerspruchlose, so folgt, daß auch hinter und über aller Zeit noch immer etwas besteht, das selbst nicht in der Zeit ist.
Nach Ewigkeit sehnt sich alles. Aber wie kann denn ein Widerspruchloses, also ein Ewiges seyn? Ist nicht das Höchste nothwendig ein Seyendes und können wir ihm das Seyn absprechen? Ist es aber ein Seyendes, so ist auch nothwendig jener Widerspruch in ihm, von dem wir gezeigt haben, daß er in allem Seyenden ist. Ebenso wenn es ein Seyn ist, oder ein Seyn hat, also beydes zugleich ist.
Und doch so unmöglich es scheint, beydes von ihm zu bejahen, so unmöglich ist, beydes von ihm zu verneinen, weil es unmöglich ein Nichtseyendes seyn, unmöglich nichtseyn kann.
Ja, sogar nothwendig scheint es sowohl ein Seyendes zu seyn als ein Seyn. Denn das Ewige kann nur zugleich das Unbedingte seyn. Aber was ist das Unbedingte? – Das Wesen, das von und aus sich ist; dessen Natur in einem ewigen Sich-selber-Setzen oder Bejahen besteht, und das darum nur als das Setzende zugleich und das Gesetzte, als das Seyende und als das Seyn von sich selber gedacht werden kann. – Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen?
Nach dem aufgestellten Begriff des Unbedingten müssen wir von ihm sagen: Es ist Seyendes und Seyn. Aber dieser Satz selbst bedarf noch der Erklärung.
Zuerst: Was ist denn dieses Es, welches Seyn und Seyendes ist? Offenbar ist eine doppelte Betrachtung desselben möglich. Es läßt sich betrachten, inwiefern es Seyendes und Seyn ist; allein man muß es auch betrachten, inwiefern es bloß Es, d.h. nur das ist, welches Seyn und Seyendes ist. Als das aber, welches Seyn und Seyendes ist, ist es nothwendig weder das eine noch das andere. Denn als das, was beyde ist, ist es das Aussprechende beyder, und kann daher weder eines von beyden insbesondere, noch auch beyde zugleich seyn; es ist über beyde.
Nach dem ersten Begriff also ist es Seyendes und Seyn, aber es ist nicht das, oder, was dasselbe sagt, es ist nicht als das, welches beyde ist. Als das, welches beyde ist, kann es nur seyn, inwiefern es sich setzt als das Aussprechende beyder, d.h. inwiefern es sie wirklich ausspricht. Aber setzt es sich denn als das Aussprechende beyder; spricht es sie wirklich aus? Dieses liegt keineswegs in dem ersten Begriff.
Das Letzte ist so einzusehen. Das Unbedingte ist Seyendes und Seyn, weil es das Unbedingte ist, seiner Natur nach, ohne sein Zuthun, schon von selbst und bevor es sich erkennt oder setzt als irgend etwas seyend.
Es ist also Seyendes und Seyn – vor jetzt ohne seinen Willen; auch ist nichts, das ihm den Willen erweckte, beyde wirklich zu seyn, sich als das Eins von beyden auszusprechen, denn das Seyende und das Seyn sind zwar verschieden aber nicht außer einander. Oder sollten wir, daß es das Setzende zugleich und Gesetzte von sich selbst ist, uns etwa so vorstellen, daß es einem Theile das eine, und einem andern Theile nach das andere wäre? Unmöglich ist, daß es einem Theile nach bloß das Setzende ist; denn sonst wäre es als das Setzende selber nicht gesetzt. Ebenso unmöglich ist, daß es einem andern Theile nach bloß das Gesetzte ist; denn sonst wäre es als solches nicht das Setzende, d.i. es wäre seinem einen Theil nach ein Bedingtes und daher nicht das schlechthin Unbedingte. Also bleibt nichts, als daß es jedes von beyden ganz und ungetheilter Weise sey und als Seyendes und Seyn nicht zwey verschiedene Wesen, sondern nur Ein Wesen in zwey verschiedenen Gestalten. Sind nun die Entgegengesetzten in einander, und ist nichts, das sie auseinander und in wirkende Zweyheit zu bringen vermöchte, so ist der Gegensatz von einer Art, daß er die Einheit jenes Eins und Aussprechende beyder nicht in Bewegung setzt afficirt, also auch nicht veranlaßt, sich als solches wirklich zu erklären.
Wie also das Unbedingte zwar Seyn und Seyendes ist, aber nicht wieder ist als das, welches sie ist: so sind auch die Entgegengesetzten nicht als solche; sie sind, aber ohne als diese, die sie sind, wieder zu seyn. Als solche nämlich könnten sie nur seyn, inwiefern sie von dem, was ihr Aussprechendes, ihre Kraft, ihr allein Bethätigendes ist, als solche ausgesprochen würden.
Widerspruch ist ohne thätigen Gegensatz undenkbar. Ein solcher ist nun hier nicht. Wäre das Seyende wirklich als das Seyende gesetzt, so würde sich unmittelbar in ihm der Widerstreit jener innern Principien hervorthun, die wir in jedem Seyenden erkennen müssen. So aber, da es zwar Seyendes ist, aber nicht als solches, welches Seyendes ist, wieder gesetzt, ruht auch jener Widerstreit in ihm. Und dasselbe gilt von dem Seyn.
Einige zwar vermeynten, den Widerspruch eben darinn zu finden, daß Ein und dasselbe das Seyende seyn soll und das Seyn; zu welchem Ende sie auch den so genannten Grundsatz des Widerspruchs herbey brachten, nach welchem es unmöglich seyn soll, daß Ein und Dasselbe Etwas und auch das Gegentheil davon sey.
Dieses nun, weil es zur Erläuterung dient und für die Folge nicht unwichtig ist, wollen wir untersuchen. Richtig verstanden, sagt der Grundsatz des Widerspruchs doch nur, daß das Aussprechende (das Wesen der Copula, wie man in der Sprache der Logik sagen müßte) nur Eines, nicht Zwey, nicht Entgegengesetzte seyn könne, welches aber nicht verhindert, daß das Ausgesprochene die Verbundenen Zwey und Entgegengesetzte seyn.
Schon Leibnitz, der hierinn die Scholastiker zu Vorgängern hat, bemerkt die Unwahrheit der noch immer wiederholten Regel: Disparate können weder von sich gegenseitig noch von einem dritten ausgesagt werden. Denn
, so meynte er, könne zwar nicht gut geradezu gesagt werden, die Seele sey Leib, der Leib Seele; wohl aber dasselbe, was in dem einen Betracht Leib ist, sey in dem andern Seele
. Eines =X ist Seele und Leib, d.h. Eines ist das Aussprechende von beyden und inwiefern es sie wirklich ausspricht, ist es auch wirklich beyde; inwiefern es aber nur ihr Aussprechendes ist, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, daß es sie wirklich ausspricht, ist es weder das eine noch das andere. Dasselbe gilt hier. Eins und dasselbe =X ist das Aussprechende beyder, des Seyenden und des Seyns. Als solches ist es weder das eine noch das andere, also schlechthin Eins. Spricht es aber beyde wirklich aus, dann ist es, aber nicht als das Aussprechende, sondern dem Ausgesprochenen nach, beyde, so wie es auch zuvor, nicht als das Aussprechende, wohl aber dem Aussprechlichen der Möglichkeit nach beyde war.
Im Aussprechenden als solchen ist daher kein Widerspruch. Wäre er also im Aussprechlichen? (denn von einem Ausgesprochenen ist hier überall nicht die Rede). – Auch dieses wollen wir nicht ununtersucht lassen.
Es ist wohl auch ein Widerspruch im Ausgesprochenen denkbar; aber nur wenn Widersprechende in demselben gleichwirkend sind; denn ist, auch von zwey gerad’ Entgegengesetzten, das eine als unwirkend gesetzt, so hört aller Widerspruch auf. Es läßt sich z.B. sagen: Ein und derselbe Mensch =X ist bös und ist gut; d.h. bös und gut sind das Aussprechliche von Einem und demselben Menschen. Nun wäre der Widerspruch, wenn von diesen beyden jedes als wirkend gesetzt wäre. Es heiße aber dieser Mensch gut nach seiner Handlungsweise oder als handelnder, so wird er nicht als derselbe, nämlich ebenfalls als handelnder auch böse seyn können, was aber nicht verhindert, daß derselbe nach dem betrachtet, was in ihm nicht wirkend oder ruhend ist, böse sey und daß ihm auf solche Art zwey widersprechende (contradictorisch entgegengesetzte) Prädicate ohne Widerspruch beygelegt werden können.
In der hier zu betrachtenden Einheit des Seyenden und des Seyns ist aber der Fall nicht einmal der, daß das eine unwirkend ist, sondern beyde sind unwirkend; denn es ist ein ruhiger Gegensatz oder die Entgegengesetzten sind in Gleichgültigkeit gegen einander. Sie sind nur als das Aussprechliche, nicht einmal als das wirklich Ausgesprochene. Also ist hier von einer Anwendung des Grundsatzes vom Widerspruch überall nicht die Rede; seine Anwendung beginnt erst, wo jene Einheit aufhört.
Indem wir aber den wirklichen Gegensatz entfernen, könnte der Mißverstand von der andern Seite einbrechen, als ob wir alle Zweyheit aufhöben und Seyendes und Seyn nicht bloß dem Aussprechenden nach, sondern wohl gar selber einerley wären. Aber zwey sind immer zwey, wenn sie auch nicht ausdrücklich als zwey gesetzt sind. Man denke sich ein Auge, das ganz und in jedem Puncte Sehkraft und Werkzeug, thätig und leidend ist; hier sind zwey, Sehkraft und Werkzeug, die doch nicht als zwey sind, weil sie nicht auseinander, nicht mit einander in wirkenden Gegensatz zu bringen sind. Doch sind darum Sehkraft und Werkzeug nicht selber einerley, sondern ewig zwey. So hier. Es ist Seyendes und Seyn, aber ihre Einheit unter sich ist eine bloß leidende, weil das Eine, das sie aussprechen könnte, sie nicht wirklich ausspricht, selbst nicht wirkend ist. Also sind Seyendes und Seyn freylich nicht als zwey, darum aber doch nicht einerley, sondern der Natur nach zwey.
Die nun den Satz: Ein und Dasselbe ist das Seyende und das Seyn, in der Umkehrung so verstünden, als wären Seyendes und Seyn selber einerley: Diese würden sich unkundig zeigen der ersten Gesetze alles Urtheilens; und selbst der nachlässigste Ausdruck, das Subject sey das Object, und das Object sey das Subject, dürfte nicht so verstanden werden. Denn in keinerley Urtheil, selbst nicht in dem bloß wiederholenden Satz, wird eine Einerleyheit der Ausgesprochenen (Verbundenen) als solcher, sondern nur die Einerleyheit dessen bejaht, was ihr Aussprechendes (Verbindendes) ist; gleichviel, ob dieses als solches auch wirklich hervortritt, oder verborgen, oder gar nur ein gedachtes ist. Der wahre Sinn jedes Urtheils, z.B. des, A ist B, kann nur dieser seyn: DAS, was =A ist, IST DAS, was =B ist, oder: DAS, was A ist und DAS, was B ist, ist einerley. Also liegt schon dem einfachen Begriff eine Doppelheit zu Grunde: A in diesem Urtheil ist nicht A, sondern X, das A ist; B ist nicht B, sondern X, das B ist, und nicht diese, für sich oder als solche sind einerley, sondern das X, das A und das X das B ist, ist einerley. In dem angeführten Satze sind eigentlich drey Sätze enthalten; erstens A ist =X, zweytens B ist =X und erst hieraus folgend der dritte, A und B sind dasselbe, beyde nämlich dasselbe X.
Es lassen sich hieraus verschiedene Folgerungen ziehen; z.B. daß das Band (das Ist) im Urtheil nicht ein bloßer Theil desselben ist, sondern gleicherweise allen Theilen zu Grunde liegt; daß Prädicat und Subject jedes für sich schon eine Einheit sind, daß also das Band im Urtheil niemals ein einfaches, sondern ein mit sich selbst so zu sagen verdoppeltes, eine Einheit von Einheiten ist. Woraus weiter folgt, daß schon im einfachen Begriff das Urtheil vorgebildet, im Urtheil der Schluß enthalten, der Begriff also nur das eingewickelte, der Schluß das entfaltete Urtheil ist; Bemerkungen, die ich zu einer künftigen höchst wünschenswerten Bearbeitung der edlen Vernunftkunst hier niederlege: denn die Kenntniß der allgemeinen Gesetze des Urtheilens, obwohl noch lange nicht die höchste Wissenschaft selber, ist doch so wesentlich verflochten mit ihr, daß sie von ihr nicht zu trennen ist. Für Anfänger aber oder Unwissende in dieser Kunst wird nicht philosophirt, sondern diese sind in die Schulen zu verweisen, wie es in anderen Künsten geschieht, da keiner leicht ein tonkünstlerisches Werk aufzustellen oder zu beurtheilen wagen wird, der nicht die ersten Regeln des Satzes erlernt hat.
Daß also je das Seyende, als solches, das Seyn, als solches, sey und umgekehrt, oder überhaupt Entgegengesetzte als solche einerley seyn, dieß ist ja wohl unmöglich und bedarf keiner Versicherung; denn das Gegentheil behaupten, hieße den menschlichen Verstand, hieße die Möglichkeit, sich auszusprechen, ja den Widerspruch selbst aufheben. Wohl möglich aber ist, daß Ein und Dasselbe Seyendes und Seyn, Bejahendes und Verneinendes, Licht und Finsternis, Gutes und Böses sey.
Wir konnten diese dialektischen Erörterungen nicht umgehen. Es ist wesentlich, daß die ganze Schärfe dieser ersten Idee gefaßt, daß nicht mehr, nicht weniger bey derselben gedacht werde, als sie enthält.
Nicht mehr, welches der Fall wäre, wenn man sie als eine wirkliche ausgesprochene Einheit denken wollte. Sage man immerhin; der Gegensatz, der nicht ausgesprochen, ist ein unthätiger, also todt; er soll es eben seyn; denn dies ist das Wesentliche in der wissenschaftlichen Fortschreitung, die Gränze jedes Moments zu erkennen und in ihrer Schärfe festzuhalten; nicht vorzugreifen, vorzueilen, wodurch sich die Meisten, die dergleichen unternehmen, gleich vorn herein das Werk verderben.
Nicht zu wenig; welches geschähe, wenn man sich alle Zweyheit aufgehoben denken wollte, weil Ein und Dasselbe das Seyende ist und das Seyn.
Wir haben durch das Bisherige nur die Auflösung vorbereitet jenes anfänglichen Widerspruchs. Fassen wir alles zusammen, so können wir uns so erklären. Nach der ersten Idee ist das Ewige Seyendes und Seyn, oder diese beyde sind, zwar nicht das Ausgesprochene, aber das Aussprechliche von ihm. Es selbst aber, das sie ist, oder von dem sie das Aussprechliche sind, kann als solches weder das eine noch das andere seyn, sondern nur das Aussprechende von beyden. Daß es sie aber wirklich ausspricht, sich offenbart, als das Aussprechende von beyden, dieses ist mit der ersten Idee nicht gesetzt.
Der Gegensatz (von Seyendem und Seyn) ist also da; aber das was ihn aussprechen könnte, spricht ihn nicht wirklich aus; auch dieß Aussprechende ist da, aber es nimmt sich des Gegensatzes nicht an: es ist gleichgültig gegen ihn, welche Gleichgültigkeit wir eben auch sonst, unter dem Namen der absoluten Indifferenz von Subject und Object
, als das schlechthin Erste bezeichnet.
Von diesem also, das den Gegensatz aussprechen sollte, aber nicht ausspricht, können wir sagen, daß es Seyendes und Seyn ist, und auch nicht ist.
Es ist Seyendes und Seyn, weil das Seyende und das Seyn ist, von dem es das Aussprechende seyn könnte, oder es ist Seyendes und Seyn, dem Aussprechlichen, der Möglichkeit nach. Es ist nicht Seyendes und Seyn, in Ansehung seiner selbst oder der That nach, weil es sich des Gegensatzes nicht annimmt. Ein Wesen aber, das sich dessen nicht annimmt, das es ist, ist es auch nicht wirklich.
So also ist von dem Unbedingten ohne Widerspruch zu sagen, es sey nicht Seyendes und nicht Seyn, und es sey doch auch nicht Nichtseyendes und nicht Nichtseyn.
Das Unbedingte kann sich aussprechen als Seyendes und als Seyn und es kann sich nicht aussprechen als beyde; mit andern Worten, es kann beyde seyn, und es kann beyde lassen. Schon das ist freyer Wille, Etwas seyn zu können und es nichtseyn zu können.
Aber noch mehr; das Höchste kann seyn – Seyendes und Seyn, es kann sich aussprechen, als dieß Seyende und als dieß Seyn, d.h. es kann sich aussprechen, setzen als existirend. Denn Existenz eben ist thätige Einung eines bestimmten Seyenden mit einem bestimmten Seyn.
Aufs kürzeste ausgedrückt also: das Höchste kann existiren, und es kann auch nichtexistiren; es hat so zu sagen alle Bedingungen der Existenz in sich, aber es kommt darauf an, ob es diese Bedingungen sich anzieht, ob es sie als Bedingungen gebraucht.
Ein solches, dem es frey steht, nicht Etwas zu seyn oder nicht zu seyn, sondern zu existiren oder nicht zu existiren, ein solches kann nur selber und seinem Wesen nach Wille seyn: denn nur dem bloßen, lauteren Willen steht es frey, wirkend zu werden, d.i. zu existiren, oder unwirkend zu bleiben, d.i. nicht zu existiren. Ihm allein ist verstattet, zwischen Seyn und Nichtseyn gleichsam in der Mitte zu stehen. Also kann jenes Aussprechende, dem es frey steht, des Gegensatzes sich anzunehmen oder nicht anzunehmen, sich als Seyendes und als Seyn zu bejahen oder nicht zu bejahen, seinem Wesen nach, nur reiner lauterer Wille seyn.
Inwiefern es aber sich des Gegensatzes enthält, sich nicht wirklich ausspricht als Seyendes und als Seyn: in sofern ist es nicht Wille schlechthin, sondern bestimmt der Wille, inwiefern er nicht wirklich will, oder der ruhende Wille.
Also werden wir nun sagen, das Unbedingte, das Aussprechende alles Wesens, alles Seyenden und alles Seyns, rein in sich betrachtet sey ein lauterer Wille überhaupt; dasselbe aber nach seiner Gleichgültigkeit gegen Seyendes und Seyn (oder, was dasselbe ist, gegen Existenz), dasselbe also als das Widerspruchlose, welches wir suchten, sey der Wille der nichts will.
Also ist nicht, wie (dem unruhigen Wesen der Zeit gemäß) so oft gemeynt worden, eine That, eine unbedingte Thätigkeit oder Handlung, das Erste: denn das schlechthin Erste kann nur das seyn, was auch wieder das schlechthin Letzte seyn kann. Nur eine unbewegliche, göttliche, ja, wie wir richtiger sagen würden, übergöttliche Gleichgültigkeit ist das schlechthin Erste, der Anfang, der zugleich auch wieder das Ende ist.
Wäre Thätigkeit überhaupt, oder eine bestimmte That oder Handlung das Erste, so wäre der Widerspruch ewig. Aber niemals ist Bewegung um ihrer selbst willen; alle Bewegung ist nur um der Ruhe willen. Hätte nicht alles Thun den ruhigen und gelassenen Willen zum Hintergrunde, so würde es sich selbst vernichten; denn alle Bewegung sucht nur die Ruhe, und die Ruhe ist ihre Speise oder das, wovon sie allein ihre Macht nimmt und sich erhält.
Wenn aber das Aussprechende der Ewigkeit der Wille ist, der nichts will, so ist es nicht, daß er nichts hätte, das er wollen könnte; im Gegentheil, er hat das ewig Gewollte seiner selbst, (sich selber, als Subject und Object, als das eigentliche Wesen), aber er hat es als hätte er es nicht, und ist allein darum der ruhende, der gleichgültige Wille. – Seyn als wäre man nicht; haben, aber als hätte man nicht
; das ist im Menschen, das ist in Gott das Höchste.
Dem gewöhnlichen Menschen, der die wahre Freyheit nie empfunden, scheint ein Seyendes oder Subject zu seyn überall das Höchste; daher wenn er hört, das Aussprechende der Gottheit sey weder Seyendes noch Seyn, fragt er, was denn über allem Seyn und Seyenden gedacht werden könne? und antwortet sich selbst: das Nichts, oder dem Aehnliches.
Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautre Freyheit ein Nichts ist; wie der Wille, der nichts will, der keiner Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist Nichts und ist Alles. Er ist Nichts, inwiefern er weder selbst wirkend zu werden begehrt noch nach irgend einer Wirklichkeit verlangt. Er ist Alles, weil doch von ihm als der ewigen Freyheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird.
Die Bedeutung der Verneinung ist allgemein eine sehr verschiedene, je nachdem sie auf das Innere oder Aeußere bezogen wird. Denn die höchste Verneinung im letzten Sinn muß Eins seyn mit der höchsten Bejahung im ersten. Was alles in sich hat ist, kann es eben darum nicht nichts zugleich äußerlich haben, Ein jedes Ding hat Eigenschaften, woran es erkannt und gefaßt wird; und je mehr es Eigenschaften hat, desto faßlicher ist es. Das Größte ist rund, ist eigenschaftslos. Am Erhabenen findet der Geschmack, d.i. die Unterscheidungsgabe, nichts zu schmecken, so wenig als am Wasser, das aus der Quelle geschöpft ist. König
, sagt ein Alter, ist, der nichts hofft, und der nichts fürchtet
. So wird in dem sinnreichen Spiel eines älteren deutschen Schriftstellers voll Innigkeit derjenige Wille arm genannt, der,
weil er an nichts hängt weil er sich selbst genug ist, nichts hat, das er wollen kann. weil er alles in sich hat, nichts außer sich hat, das er wollen kann.
In diesem Sinne also wollen wir jene lautere Freyheit selber das Nichts nennen, wenn gemeynt wird, daß ihr keinerley Wirkungen oder Eigenschaften nach außen beygelegt werden. Wir gehen aber noch weiter, und wenn nur das ein Etwas heißt, was wenigstens für sich selbst äußerlich da ist, oder was sich selber setzt, so können wir jene höchste Lauterkeit auch in diesem Sinne nicht für Etwas gelten lassen. Sie ist die reine Freyheit selber, die sich selbst nicht faßt, die Gelassenheit, die an nichts denkt und sich freut ihres Nichtseyns.
Es ist eine Frage, die die Kindheit aufwirft und die das Alter noch ermüdet: Wovon doch alles ausgegangen? Aber wovon alles ausgegangen kann kein anderes seyn, als wovon noch jetzt alles aus- und worein alles zurückgeht, und was also nicht sowohl vor der Zeit war, als noch immerfort und in jedem Augenblick über der Zeit ist.
Also ist auch darum der unbewegliche, nichts wollende Wille das Höchste und Erste. Denn in der größten Unruhe des Lebens, in der heftigsten Bewegung aller Kräfte ist noch immer der Wille der nichts will das Durchwirkende. Dahin zielt alles, danach sehnt sich alles. Jede Creatur, jeder Mensch insbesondere strebt eigentlich nur in den Zustand des Nichtwollens zurück; nicht der allein, der sich abzieht von allen begehrlichen Dingen, sondern, obwohl unwissend, auch der, welcher sich allen Begehrungen überläßt; denn auch dieser verlangt nur den Zustand, da er nichts mehr zu wünschen, nichts mehr zu wollen hat, ob dieser gleich vor ihm flieht, und je eifriger verfolgt, desto weiter sich entfernt.
Und wie im Menschen der Wille der nichts will das Höchste ist; so ist eben dieser in Gott selbst das, was über Gott ist. Denn unter Gott können wir nur das höchste Gute denken; also einen schon bestimmten Willen; in dem Willen aber, der nichts will, ist weder dieß noch das, weder Gut noch Bös, weder Seyendes noch Seyn, weder Zuneigung noch Abneigung, weder Liebe noch Zorn, und doch die Kraft zu allem.
Also erkennen wir in dem Willen, der nichts will – das Aussprechende, das Ich der ewigen unanfänglichen Gottheit selber, das von sich sagen kann: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende
.
So, bevor wir den langen dunklen Weg der Zeiten betreten, mußten wir suchen, das zu erkennen, was in aller Zeit über der Zeit ist.
Nun entstehet eben hier das große Räthsel aller Zeiten, wie doch etwas ausgehen könne, von dem, was weder nach außen wirkend, noch auch in sich selber etwas ist. Und dennoch ist das Leben nicht bey jener Unbeweglichkeit geblieben und die Zeit ist so gewiß, als die Ewigkeit, ja dem gewöhnlichen Blick ist diese sogar verdrungen vor jener; eine Welt voll Bewegung, voll Widerstreit und Anstrengung aller Kräfte scheint an die Stelle getreten, wo zuvor die höchste Gleichgültigkeit, die ewige Ruhe und Allgenügsamkeit wohnte.
Von jeher gab es welche, die dieses Räthsel leicht aufzulösen meynten. Das Unbedingte, sagen sie, ist erst rein in sich, äußerungslos und verborgen: aber nun tritt es hervor, äußert sich und hebt seine ewige Gleichgültigkeit selber auf. Dieses nun sind Worte ohne Sinn. Es ist eine Grund- und Hauptregel der Wissenschaft (wenn auch wenige sie kennen): Was einmal gesetzt ist, das ist einmal für immer gesetzt und kann nicht wieder aufgehoben werden, indem es sonst lieber gleich gar nicht gesetzt worden wäre. Wer nicht bey dem, was er einmal gesetzt, fest beharrt, dem wird alles im Fortschreiten flüssig und alles vergeht wieder, so daß am Ende eigentlich nichts gesetzt worden. Wahres Fortschreiten, das mit Erhebung einerley ist, findet nur Statt, wo etwas fest und unveränderlich gesetzt worden, das zum Grund des Erhebens und Fortschreitens wird. Entweder also, es ist das Höchste nicht ein solcher ruhender Wille, als wir angenommen, oder es ist ein solcher. Ist es ein solcher, so muß es auch ewig von sich selbst ein solcher bleiben. Denn es ist gar nicht einzusehen, wie es von der Ruhe zur Bewegung übergehen solle. Also kann es weder heraustreten aus sich, noch etwas von sich absondern, ausstoßen oder außer sich hervorbringen.
Leicht ist es nun auf keinen Fall, das Wahre recht und gehörig auszusprechen. Doch werden wir auch hier am besten thun, alles so menschlich und natürlich zu nehmen als möglich. Denn es kann der Hergang, den wir zu beschreiben unternehmen, doch kein anderer seyn, als durch welchen eine jede erst ruhende und ihr selbst unbewußte Natur an und zu sich selber kommt.
Die Ewigkeit, worunter wir das Ganze verstehen, das ewige Seyende und das Seyn, wie das (obwohl noch verborgene) Aussprechende beyder – die Ewigkeit also ist sich ihrer nicht bewußt. Die Entgegengesetzten können nicht aus- und darum auch nicht an einander kommen. Das Seyende setzt sich dem Seyn nicht entgegen, und erkennt sich nicht in ihm. So ist auch das Seyn vollkommen gleichgültig gegen das Seyende. Aber je inniger und an sich wonnevoller diese Gelassenheit ist, desto eher muß sich in der Ewigkeit, ohne ihr Zuthun und ohne daß sie es weiß, ein stilles Sehnen erzeugen, an sich selbst zu kommen, sich selbst zu finden und zu genießen, ein Drang zum Bewußtwerden, dessen sie doch sich selbst nicht wieder bewußt wird. Wie wir uns vorstellen können, daß die getrennten Pole eines Magnetes in einer beständigen, unbewußten Sehnsucht sind, kraft der sie an einander zu kommen streben, und begierig das dargebotene Mittel ergreifen würden, sich gegenseitig zu erlangen; so mögen wir die ewigen Entgegengesetzten, obwohl sie sich nicht erkennen, doch in einem gegenseitigen unbewußten Sehnen und Verlangen nach einander uns vorstellen, das jedoch nicht zur Handlung, zur Bewegung wird. Ein vollkommenes Gleichniß würde nur die menschliche Natur in ihrem ersten Werden und Fortgang zum wirkenden Daseyn abgeben. Doch wer vermag die ersten Regungen einer bewußtlosen, sich selbst nicht kennenden Natur zu beschreiben, wer diese geheime Geburtsstätte des Daseyns zu enthüllen? Denke dir also, wenn du je solcher genossen, jene seltnen Augenblicke einer seligen und vollkommenen Genüge, da das Herz nichts verlangt, da du wünschen könntest, daß sie ewig blieben wie sie sind, und die dir wirklich als Ewigkeit sind; denke dir solche Augenblicke und suche dich zu erinnern wie in eben diesen, dir unbewußt, ohne daß du etwas dazu thun oder dich dessen erwehren kannst, schon wieder ein Wille sich erzeugt, der in kurzem dich wieder an sich zieht und in’s wirkende Leben fortreißt; erinnere dich dessen, und du wirst darinn ein ohngefähres Bild dessen haben, was wir hier zu beschreiben unternehmen.
Alles, das Etwas ist, ohne es doch noch wirklich zu seyn, muß, seiner Natur nach, sich selber suchen, womit jedoch noch nicht gesagt ist, daß es sich selber finde, noch vielweniger aber, daß eine Bewegung oder ein aus-sich-Herausgehen stattfinde. Es ist ein stillschweigendes und völlig bewußtloses Suchen, wobey das Wesen in sich selber bleibt, und das um so inniger, tiefer und unbewußter, ist, je größer die Fülle, die es in sich enthält. Konnten wir also sagen, der ruhende Wille sey das Erste, so können wir sagen, ein unbewußtes stilles Sich-selber-suchen sey das Zweyte.
Indem nun die Ewigkeit sich selbst bewußtlos zu suchen gedrungen ist, erzeugt sich in ihr, unabhängig von ihr, und ohne daß sie auch dessen sich bewußt ist, auf eine für sie unbegreifliche Weise, ein selbständiger Wille, ein Wille, der sie noch nicht kennt, der die Ewigkeit nur ahndet und blindlings ohne ihr Zuthun das Wesen sucht, nicht als ein bewußter, sondern als ein in seinem Anfang unbewußter Wille.
Dieser Wille erzeugt sich selbst und ist daher ein unbedingter, in sich allmächtiger Wille. Er erzeugt sich schlechthin d.i. aus sich selbst und von sich selbst. Die unbewußte Sehnsucht ist seine Mutter, aber sie hat ihn nur empfangen und er selbst hat sich erzeugt. Er erzeugt sich nicht aus der Ewigkeit, sondern in der Ewigkeit (nicht anders, als wie sich ein Wille im Gemüth des Menschen, bewußtlos, ohne sein Zuthun erzeugt, den er nur findet, nicht macht, und der ihm, gefunden, erst zum Mittel der Aeußerung seines Innersten wird). Also weil er sich nicht aus der Ewigkeit erzeugt, obwohl in ihr, ist er selbst ein ewiger Wille, ja der ewige Wille schlechthin zu nennen, da der Wille der nichts will nur das reine Wollen der Ewigkeit selber war. (Denn dem was nicht thätig existirt, können nach einer alten Regel keine Prädicate beygelegt werden.) An ein Werden oder Anfangen aus dem Vorhergehenden ist hier schlechterdings nicht zu denken: denn vor dem sich erzeugenden Willen war die Ewigkeit als ein Nichts und konnte daher auch nichts anderem thätig vorausgehen, noch der Anfang zu etwas seyn. Sie war, aber was dein Ich war, eh’ es sich selbst gefunden und empfunden; sie war, aber als wäre sie nicht. Aller Anfang, der selber anfängt, ist nur von dem wirkenden Willen, welcher auf die Art, wie wir es zeigen werden, sich selber Anfang ist.
Er erzeugt sich in der Ewigkeit ohne ihr Wissen, und bleibt ihr selbst, seinem Grunde nach verborgen. So ist sie aber auch ihm verborgen und wie er in der Bewußtlosigkeit des Sehnens sich erzeugt, so weiß er eigentlich nicht was er thut, ob er schon auch nicht schlechthin blind ist, denn er sucht die Ewigkeit, nicht von Erkenntniß, wohl aber von Ahndung und unaussprechlicher Sehnsucht getrieben.
Ebendarum, obwohl ein von der Ewigkeit unabhängiger, ja ihr gewissermaßen entgegengesetzter Wille, hebt er die Ewigkeit nicht auf; wie manche sich dieß vorstellen möchten: denn er ist eben der Wille der die Ewigkeit will; der will, daß der Wille der nichts will als solcher wirkend und sich selber fühlbar werde. So muß also die Ewigkeit bleiben, weil er sie sucht, und weil er sie sonst nicht finden könnte. Auch kann ebendarum, weil er sie sucht, dieser Wille niemals sie selbst werden, sondern er ist ewig nur ein sie wollender, ihrer begehrender Wille.
Aber er ist doch nur der Wille dazu, noch nicht daß er sie wirklich gefunden hätte: Also ist etwas Verneintes in ihm; aber auch nur in der Verneinung liegt der Anfang. In dem, was alles ist, ist kein Anfang, darum konnte in der Ewigkeit kein Anfang seyn.
Der ewige Wille allein gibt den ersten Punct her, an dem sich der große Proceß des Ganzen anknüpft. Er setzt sich selbst als bloßen Willen der Ewigkeit und insofern als verneint. Aber sich selber setzend als verneint, ist er zugleich der sich selbst verneinende Wille. Er kann sich aber nicht so verneinen, daß er sich setzte als überall nicht seyend, sondern nur als nicht das Wesen seyend, das Bejahende, das eigentlich und der Natur nach Seyende. Er kann sich ferner nicht verneinen als das Wesen seyend, ohne sich als Mangel und, inwiefern er doch zugleich wirkend ist, als Hunger, als Sucht, als Begierde nach Wesen zu setzen. Also findet er nothwendig, auf sich selbst zurückgehend, sich leer und bedürftig, ist aber darum nur um so begieriger sich zu erfüllen, sich zu sättigen mit Wesen. Aber er findet das Wesen weder in sich noch außer sich; denn er erkennt die Ewigkeit nicht, und ist dadurch, daß er in sich geht, ihr vielmehr ab- als zugewandt. Also bleibt nichts, als daß er das Wesen oder Bejahende schlechthin außer sich setze durch eine unbedingte und vollkommen zeugende Kraft.
Er zeugt das Wesen im eigentlichen Verstande, weil es als solches vor ihm nicht war und weil er es nicht in sich sondern außer sich setzt, als ein von ihm verschiedenes, von ihm freyes, ja seiner Natur fremdes und entgegengesetztes Wesen. Da er nämlich sich selber erkennt, als nicht das Seyende seyend und insofern als das Nichtseyende, so erkennt er im Gegentheil das Wesen, das Bejahende als das eigentlich und in sich selbst Seyende.
Als ein solcher seiner Natur nach verneinter und sich selbst verneinender Wille, der aber in dieser Verneinung ein ewig Begehren und Setzendes von Wesen und wahrhaft Seyendem wird, stellt sich nun bloß die Natur dar, und schon als zeugende Kraft können wir den ersten verneinenden Willen nicht wohl anders aussprechen. Ein jeder erinnert sich jener den Alten gewöhnlichen Ausdrücke, nach welchen die Natur (oder, wie sie auch sagen, die Materie) ihrem Grund nach Armuth, Mangel an Wesen und die höchste Bedürftigkeit ist, aber auch immerfort begierig nach Form, nach Geist, nach Wesen, nach eigentlich Seyendem; wogegen das eigentliche Wesen, mit dem die Armuth sich zu vermählen trachtet, als der Reichthum, der Ueberfluß selbst, als das überschwenglich und unerschöpflich Mittheilsame dargestellt wird
.
Betrachten wir die Natur in ihren ersten Anfängen, so findet sich in allem Körperlichen eine anziehende nach innen zurückgehende Kraft, die sich aber nie für sich allein zeigt, sondern immer nur als Träger und gleichsam als das festmachende, an sich haltende eines andern, seiner Natur nach ausbreitenden und darum auch verflüchtigenden, vergeistigenden Wesens. Wäre nicht die verneinende Kraft, so hätte dieses Wesen nichts, wogegen es sich äußern und wodurch es in Wirkung gesetzt werden könnte. Wäre aber auch nicht dieses überfließende und sich mittheilende Wesen, so wäre die anziehende Kraft leer und eigentlich wirkungslos, unerfüllt und sich selbst unleidlich. Da wo die Natur sich gegen unsere Empfindungswerkzeuge aufschließt, fühlen wir eben diese verneinende, zusammenziehende Kraft als Kälte, die aber scharfe oder wirkliche und empfindliche Kälte ist nur inwiefern sie ein in sich ziehender Hunger ist nach jenem frey ausfließenden, wohlthätig sich mittheilenden, alles befreyenden Wesen der Wärme. Wäre die Kälte nicht, so würde die Wärme nicht empfindlich, die ohne eine zusammenhaltende und einengende Kraft sich selbst verlöre in ihrer unendlichen Ausbreitung. Wäre aber auch die Wärme nicht, so wäre die Kälte gleichsam umsonst, indem sie nur ist, damit die Wärme gezeugt und fühlbar werden könne. Und so sehen wir die Natur, von der tiefsten Stufe an, ihrem Allerinnersten und Verborgensten nach begehrend und immer aufsteigend und weiter schreitend in ihrer Sucht, bis sie endlich das höchste Wesentliche, das rein Geistige selbst an sich gezogen, sich zu eigen gemacht hat.
Hieraus erkennen wir, daß jener in der stillen Ewigkeit aus sich selbst erzeugte Wille der ewige Wille zur Natur war, wenn wie unter dieser nicht das bloß verneinte und sich selbst verneinende Princip, sondern das geoffenbarte und durch dasselbe äußerlich gewordene Wesen verstehen. Denn mit der Natur erst fängt Gegensatz, fängt Unterscheidung und gegenseitige Aeußerlichkeit und Empfindlichkeit der Kräfte an.
Aber dieß alles, die ganze Fülle und künftige Herrlichkeit der Natur baut sich nur auf über dem Grund eines ewigen, sich selbst verneinenden und auf sich selbst zurückgehenden Willens, ohne welchen überall nichts offenbar werden könnte.
Die Menschen sind im Allgemeinen gegen das Verneinende, und zeigen eine natürliche Vorliebe für das Bejahende. Das Seyende, das sich mittheilt und frey ausquillt, leuchtet ihnen ein; aber was sich versagt, sich verneint, ob es gleich ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet, können sie nicht so geradezu begreifen. Den Meisten, wie sie sind, würde nichts einfacher vorkommen, als wenn alles aus lauter Liebe und Güte bestünde; wovon sie doch bald das Gegentheil gewahr werden müssen. Ein Widerstrebendes dringt sich überall auf; jedermann fühlt dieses Andere, das so zu sagen nicht seyn sollte und doch ist, ja seyn muß; dieses Nein, das sich dem Ja, dieß Verfinsternde, das sich dem Licht, dieß Krumme, das sich dem Geraden, dieß Linke, das sich dem Rechten entgegenstellt, und wie man sonst diesen ewigen Gegensatz in Bildern auszudrücken gesucht hat; aber nicht leicht ist einer im Stande, es auszusprechen oder gar es wissenschaftlich zu begreifen.
Insbesondere aber ist es der Begriff des Nichtseyenden, der von jeher als ein wahrer Proteus die Betrachter verwirrt und vielfältig irre geführt hat.
Daß dieser Begriff, wie er hier aufgefunden worden, nicht verwechselt werden dürfe, mit dem früheren, welchem zufolge behauptet wurde: das Höchste lasse sich nicht als ein Seyendes aussprechen, bedarf wohl kaum der Erinnerung. Denn das Höchste war nicht seyend, weil es über dem Seyenden ist, wie es auch von Aelteren schon als ein solches (als ein ὑπερόν) ausgesprochen worden. Das Nichtseyende dagegen, von welchem hier die Rede ist, ist unter dem Seyenden.
Wie es aber den Wenigsten einleuchtet, daß die wahre Kraft in der Beschränkung und nicht in der Ausbreitung liegt, und daß mehr Stärke gehört zum sich-Versagen als zum sich-Geben: so ist es auch natürlich, daß sie jenes durch sich selbst Nichtseyende, wenn es ihnen in irgend einer Gestalt vorkommt, als Beraubung alles Wesens, als ein völliges Nichts ansehen, und demgemäß behaupten, daß es überall und auf keine Weise sey, und es als den größten Widerspruch ausschreyen, wenn jemand lehrt, daß es eben als das Nichtseyende sey.
Mit diesen nun wollen wir uns nicht aufhalten; denn ihre Meynung ist schon durch unsre Herleitung des Nichtseyenden zerstreut. Wir haben gezeigt, daß es sich selbst als Nichtseyendes setzt. Nothwendig aber zeigt es in eben dem, daß es sich versagt, Seyendes zu seyn, seine höchste Kraft, ja wir würden richtiger sagen, ebendarin bewähre es sich als die Kraft, als die Stärke selber. Bekanntlich hat jedoch schon der göttliche Platon in der höchsten Allgemeinheit gelehrt, wie nothwendig auch das Nichtseyende sey, und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum nicht unterscheidbar seyn würde
. Wir nun könnten uns nach unserer Weise so darüber ausdrücken. Die verneinende Kraft ist dem wahren Wesen oder Seyenden das Seyn; das Seyn kann aber schon dem Begriff nach nicht einerley mit dem Seyenden seyn, und ist (weil dessen Gegensatz) seiner Natur nach das Nichtseyende, darum aber keineswegs das Nichts (wie nach der falschen Uebersetzung des griechischen οὐκ ὄν, aus welcher auch der Begriff der Schöpfung aus Nichts entstanden scheint
): denn wie sollte das das Nichts seyn, was doch das Seyn und die Kraft des Seyn’s selber ist? Das Seyn muß selber auch wieder seyn. Es gibt eben kein bloßes Seyn, kein reines leeres Objectives, in dem nichts Subjectives wäre. Das Nichtseyende ist nur nicht ein subjectiv Seyendes, wohl aber ist es ein nichtsubjectiv Seyendes. Es ist nur gegen jenes als das vorzugsweise Seyende ein Nichtseyendes, auf sich selbst bezogen aber ebenfalls ein Seyendes. Das Nichtseyende ist an ihm nur das Aeußere, gegen Andres Offenbare; das Seyende nur das Innerliche, Verborgene. Umgekehrt und einstweilen aus dem Gegensatz zu schließen, wird in dem Seyenden das Seyn oder Negative nur latent, das Seyende oder positive Princip offenbar und wirkend seyn. Es würde sich hierinn zugleich eine innre, qualitative Einheit beyder hervorthun, auf die wir hier nur hindeuten, weil sie für die Folge wichtig werden kann.
Einen andern Mißbrauch dieses Begriffs macht aber auch eine andre Art von Sophistik. Dieser soll er zum Erweis dienen, daß das Seyn nicht erkennbar sey, woraus sie weiter schließt, daß überhaupt nichts erkennbar sey. Denn das blinde Gefühl, über das sie sich nicht zu erheben weiß, hat wirklich nur ein unmittelbares Verhältniß zu dem Seyn. Weil also dieses seiner Kraft nach auf der Dunkelheit beruht, oder auf dem thätigen Gegensatz gegen das Wesen und alles ihm Verwandte, so scheint es unaussprechlich und unerkenntlich, oder, wie sich ein Alter, wiewohl in anderer Beziehung, ausdrückt, nur dem Nichterkennenden erkennbar
. Woraus dann jene die Meynung gezogen, alles wirklich wissende Wissen löse das Seyn auf, und vernichte es; das wahre Wissen könne nur im Nichtwissen bestehen. Ein unvergleichliches Auskunftsmittel der Bequemlichkeit; denn eben das Reale ist jener Verwandtschaft wegen weniger leicht zu erkennen und schwerer durchdringlich, und erfordert Fleiß und geistige Anstrengung um erkannt zu werden; das Ideale dagegen ist seiner dem Erkennenden verwandten Natur wegen viel leichter und unmittelbarer zu erkennen. Was nun aber jenen Schluß betrifft, den sie aus dem Begriff gegen die Möglichkeit der Erkenntniß ziehen, so verhält es sich damit so.
An sich ist allerdings nur das Seyende auch das Erkennbare, und das Nichtseyende ist auch das Nichterkennbare. Aber es ist doch nur unfaßlich so weit und in dem, inwieweit und worinn es Nichtseyendes ist; so weit es aber als Nichtseyendes dennoch ein Seyendes ist, so weit ist es ja wohl faßlich und erkennbar. Das Seyende und das Nichtseyende in ihm sind nicht zweyerley sondern einerley Wesen, nur von verschiedenen Seiten betrachtet; das, wodurch es Nichtseyendes ist, ist eben das, wodurch es Seyendes ist; denn Nichtseyendes ist es nicht wegen Mangel an Licht und Wesen, sondern als aktive Verschlossenheit, thätiges Zurückstreben in die Tiefe und Verborgenheit, also als wirkende Kraft, die in ihrer Art ebenfalls ein seyendes – also erkennbares seyn muß.
Soviel nun zur dialektischen Verständigung über diese für die ganze Folge der Wissenschaft höchst wichtigen Begriffe des Seyenden und des Nichtseyenden.
Ohne Wissen der Ewigkeit also erzeugt sich, durch sich selbst, der Wille, der der erste ferne Anfang zur Offenbarung ist, und ohne Ueberlegung, durch dunkle Ahndung und Sehnsucht getrieben, setzt er sich selbst als verneint, als nichtseyend das Seyende. Aber er verneint sich doch nur, um an das Wesen zu kommen, und ist also unmittelbar durch jenes Verneinen ein ewiges Suchen und Begehren des Wesens, und setzt durch eben dieses Begehren das Wesen als ein von ihm unabhängig in sich seyendes, als das ewige Gute selbst, dem es allein gebührt, das Seyn in sich selbst zu haben.
Aber er selbst der verneinende Wille findet sich durch dieses Verneinen im Gegensatz mit dem frey ausquellenden Wesen; er findet sich als Strenge im Gegensatz mit der Milde, als Finsterniß im Gegensatz mit dem Licht, als ein ewig Nein, das dem Ja widerstreitet.
Er sucht aber, oder sehnt sich ahndungsvoll und ohne es zu wissen nach der Indifferenz der Ewigkeit; also setzt er durch eine fortschreitende Wirkung seiner begehrenden Kraft auch für sich die Indifferenz, oder die ihn vom Widerstreit erlösende Einheit, in der er selbst mit seinem Gegentheil als Eins sich erkennen kann. Diese Einheit aber ist Geist, wenn auch weil von unten aufsteigender Geist einer tieferen Stufe; denn das, worinn Seyn und Seyendes – (so verhalten sich, wie gezeigt, der verneinende Wille, und das bejahende Wesen, das auch ein Wille ist) – das also, worinn Seyn und Seyendes, zwey entgegengesetzte Willen, Ja und Nein sich gegenseitig unterscheiden und erkennen als zu einem Wesen gehörig, ist Geist.
Mit der Zeugung des Geistes ist aber nothwendig das Ziel erreicht; denn nichts Höheres ist zu erzeugen. So also durch eine fortschreitende Zeugung des ersten begehrenden Willens wirkt sich die Totalität der Principien aus; denn in der verneinenden, nach innen zurückgehenden Kraft, dem bejahenden sich ausbreitenden Wesen und der thätigen, freyen, lebendigen Einheit beyder, die Geist ist, sind alle Principien beschlossen. Ueber den Geist hinaus geht keine Zeugung; er ist das, worinn sie ruht, worinn sie sich selbst faßt und zur Ewigkeit gelangt, und ebendarum stillsteht.
Diese fortschreitende Zeugung läßt sich auch als eine Steigerung vorstellen. Setzt man das bejahende Princip als solches =A, das verneinende als solches =B, so ist der erste wirkende Wille zwar in sich ein Seyendes, aber ein Seyendes, das sich als solches verneint, also ein A, das sich als solches =B verhält =(A=B). Dieses ist der Anfang, also die erste Potenz. Dieses A aber setzt sich selber als verneintes, nur um das wahre Wesen als ein von ihm unabhängiges, freyes, wirkliches zu setzen; inwiefern nun dieses sich als das Seyende eines Seyenden (A=B) verhält, kann es als ein Seyendes der zweyten Potenz =A2 betrachtet werden. Endlich läßt sich die Einheit, der Geist, als das gemeinschaftlich bejahende beyder, nur als Bejahendes der dritten Potenz =A3 ansehen. In drey Potenzen also ist alle Zeugung geendet, und durch drey Stufen gelangt die erzeugende Kraft bis zu dem Geiste.
Betrachten wir die sämtlichen Principien in ihrem Verhältniß: so ist klar, daß der Grund ihrer Verwirklichung, ihrer Unterscheidbarkeit und gegenseitigen Aeußerlichkeit allein in dem Willen des Anfangs liegt. Könnte der ewige Wille, jene ursprüngliche Kraft der Verneinung je aufhören zu wirken, so giengen alle zurück in das Nichts, und es wäre wieder Nichts die wirkungslose Ewigkeit wie zuvor. Aber nachdem sie zur Totalität gelangt, und in der Einheit des Geistes sich erkannt, hebt sich dieß einseitige Verhältniß wieder auf. Denn so fordert zwar das bejahende Wesen ewig den verneinenden Willen, um ewig von ihm gezeugt zu werden und über ihm aufzugehen als das Wesen. Dagegen auch die anziehende Kraft fordert ewig den frey ausquellenden, bejahenden Willen, um durch denselben ihre Begierde nach Wesen zu erfüllen. So fordert zwar die Einheit oder der Geist ewig die Entgegengesetzten, weil er nur durch fortschreitende Steigerung mittelst des Gegensatzes gezeugt werden kann. Aber so fordert auch hinwiederum der Gegensatz ewig die Einheit oder den Geist, weil er nur in ihm seiner selbst bewußt werden, sich selber fassen, sich als Ewigkeit ergreifen kann. Also ist hier der höchste innere Einklang, die freywilligste Einstimmigkeit der Principien. Sie sind sich alle gegenseitig äußerlich und frey von einander, ein jedes ein eignes Princip, das seine eigne Wurzel in sich hat; und doch hangen sie zusammen, nicht durch ein äußeres Band, sondern durch eine innere Nothwendigkeit an einander geknüpft. Es ist eben eine solche freye Zusammengehörigkeit und bloß innre, nicht äußere Untrennlichkeit, die im genauen wissenschaftlichen Ausdruck als Totalität bezeichnet wird.
Hier ist also nicht die stille, sich unfühlbare Einheit, die in der Ewigkeit; hier ist wirklicher Gegensatz, aber obwohl kein zum Streit entzündeter; die Kräfte sind in Wirkung gegeneinander, aber sie wirken nur inwiefern sie Kräfte, d.h. ihrer Natur nach wirkend sind,
Wollen wir diese Einheit, zu welcher die Principien gelangt sind, auch dialektisch betrachten, so ist in ihr ein Fall, da Entgegengesetzte gleichwirkend und doch als Eins gesetzt sind ohne Widerspruch. Der Widerspruch löst sich nämlich hier so auf: die Entgegengesetzten sind eins, d.h. es ist eine Einheit beyder gesetzt; hier =A3. Aber sie sollen dessen ohngeachtet thätig entgegengesetzt, oder als entgegengesetzte gleichwirkend seyn. Da sie nun dieses nicht seyn könnten, sofern sie in der Einheit wären, so müssen sie zugleich außer der Einheit, d.h. geschieden und jedes für sich seyn. Mit andern Worten, sowohl der Gegensatz soll seyn, als die Einheit; der Gegensatz soll frey seyn gegen die Einheit, und diese gegen ihn; oder Einheit und Gegensatz sollen selbst im Gegensatz seyn. Hierinn nun liegt nichts Widersprechendes, denn der Gegensatz an und für sich ist kein Widerspruch. Wäre aber die Einheit der Einheit und des Gegensatzes gesetzt; dann unstreitig fände sich Widerspruch.
Dieses nun wäre wohl die schönste und vollkommenste Einheit, da die Widerstreitenden frey und doch zugleich Eins sind, wo die freye Bewegung nicht die Einheit, noch die Einheit die freye Bewegung aufhebt. Wenn also auch diese Art der Einheit hier vielleicht auf einer tieferen Stufe sich darstellt, so verdient sie doch in’s Auge gefaßt und wohl begriffen zu werden. Wollten wir uns für sie nach einem Gleichniß umsehen, so wäre sie wohl am schicklichsten jener Einheit der Kräfte zu vergleichen, welche man in schuldloser Kindheit gewahr wird, da zwar alle Kräfte vorhanden und in naturgemäßer Wirkung in holdem Wechsel-Spiel sich untereinander erregen, aber noch kein Charakter, keine Ichheit, kein sie beherrschendes Eins hervortritt. Wie man aber zu sagen pflegt, daß jener Zustand der Unschuld ein Vorbild desjenigen sey, zu dem wir durch den höchsten Streit aller Kräfte, nach endlicher Versöhnung, wieder gelangen sollen, so wäre es nicht unmöglich, daß diese Art der Einheit, wie sie uns hier noch auf einer tieferen Stufe erscheint, das Vorbild wäre einer zukünftigen, welche das Leben nach bestandenem Kampf und in der höchsten Verklärung wieder gewinnen soll.
Doch jetzt ist es Zeit zu fragen, in welchem Verhältniß dieß ganze von unten aufgekommene Leben zu der Ewigkeit oder zu jener unbeweglichen Gleichgültigkeit stehe. Erst der Bezug zu dieser kann jenem seine vollkommene Bestimmung geben.
Denn dieses ganze Leben entstand zuerst aus der Sehnsucht der Ewigkeit nach sich selber, in welchem sich-Suchen und doch sich nicht finden-Können auf eine drangvolle Art sich der Wille erzeugte, der der Ewigkeit begehrt und an sie zu kommen sucht. Jetzt hat dieser Wille durch fortschreitende Steigerung sich die Staffel erbaut, durch welche er bis in die Ewigkeit kommen kann. Denn der Geist oder die höchste durch seine Begierde erzeugte Einheit ist ihrer Natur nach eins mit der Indifferenz oder Ewigkeit und darum nicht nur, wie bisher angenommen worden, die Einheit der beyden Entgegengesetzten, sondern zugleich das Band zwischen der Ewigkeit und dem von unten aufgebauten Leben, das sich schon immer deutlicher als Werkzeug von ihr darstellt.
Denn wenn die erzeugende Kraft nichts anderes als die Kraft, der erste Wille zur Natur ist, so ist die von ihm gezeugte Totalität schon jetzt das Aeußere, Sichtbare (wenn auch noch nicht Gesehene) des noch in der Ewigkeit verborgenen und (der Offenbarung nach) zukünftigen Gottes. Aber durch fortschreitende Steigerung bis zu jener freyen Einheit gekommen, die wir schon als Bewußtseyn und Geist aussprechen dürfen, ist das Wesen des erst blinden Willens nicht mehr bloße Ahndung, sondern nun fühlt und weiß er die gegenwärtige Gottheit. An’s Ziel seines Sehnens gelangt, zieht er die Ewigkeit an sich, und ruft sie an, daß sie dieses äußere (noch, wie gezeigt, selbstlose) Seyn erkenne und setze als ihr eignes Seyn.
Aber der von unten aufsteigende Geist hat, weil aus dem beziehungsweise Objectiven kommend, selbst nur einen unmittelbaren Bezug zu dem Objectiven dem Seyn der Ewigkeit, nicht aber zu jenem Seyenden, das in der Ewigkeit ruht. Allein das, was in der Ewigkeit das Object ist, ist dem Wesen nach dem Subject gleich, und verhält sich zu dem Aeußeren oder Sichtbaren selber wieder als der lauterste Geist und demnach als Subject.
Dadurch also, daß die Natur dieses ewigen Geistes begehrt und das Objective der Ewigkeit an sich zieht als ihr unmittelbares Subject, dadurch macht sie zuerst in der Ewigkeit eine Scheidung, daß das ewige Seyn dem ewigen Seyenden wirklich zum Object wird; aber nicht daß sie die Indifferenz aufhöbe: denn in sich oder abgesehen von der anziehenden Natur ist die Ewigkeit noch immer dieselbe Gleichgültigkeit gegen Subject und Object und muß sie auch immer bleiben, weil sonst die Natur selbst zurückgienge.
Indem also die Natur jenen lautersten Geist, das Objective der Ewigkeit an sich zieht, nehmen alle Kräfte in Bezug auf diesen als ihr höheres, ihr eigentliches Subject leidende Eigenschaften an und ersinken und werden zu Materie für ihn. Es entsteht die erste zarteste Leiblichkeit; das bejahende, frey ausfließende Princip, durch das entgegengesetzte gebunden, wird zu einem gemilderten Lichtwesen, dieses aber, die strenge oder verneinende Kraft, wird durch das Licht und die Milde des andern gesänftigt und verklärt. Aber auch nur gegen das Obere nehmen die wirkenden und bis jetzt geistigen Kräfte leibliche Eigenschaften an; in sich betrachtet oder nach unten und im Vergleich mit der jetzigen körperlichen Materie sind sie lauter Geist und Leben.
Dieses erste Leibliche hat aber in sich selbst wieder eine leibliche und eine geistige Seite; denn der eigentliche Leib ist der Gegensatz, mit dem sich der Geist unmittelbar als mit einer durchsichtigen Hülle überkleidet; die Einheit aber ist der Geist, der gegen oben leidend ist, um das Obere an sich zu ziehen, gegen unten aber und mit der von oben genommenen Kraft thätig und wirkend. Also ist das Ganze ein geistleibliches Wesen, und so früh finden sich Geistiges und Leibliches als die zwey Seiten einer und derselben Existenz.
Es hat von jeher viele gelüstet, in dieß stille Reich der Vergangenheit einzudringen, und so im eigentlichen Verstand hinter den großen Proceß zu kommen, von dem sie theils Zuschauer, theils mithandelnde und mitleidende Theile sind. Aber den Meisten fehlte es an der gehörigen Demuth, indem sie alles gleich mit den höchsten Begriffen anfangen anfassen und die stummen Anfänge alles Lebens überspringen wollten. Und wenn auch jetzt dem Leser irgend etwas den Eingang in dieses Reich der vorweltlichen Zeit wehrt, so ist es eben dieses voreilige Wesen, das lieber gleich anfangs mit geistigen Begriffen und Redensarten blenden, als zu den natürlichen Anfängen jedes Lebens herabsteigen will.
Wir haben es keinen Hehl, daß wir, obwohl die unanfängliche ewige Gottheit über alles Seyn setzend, doch eben so bestimmt die Priorität der Natur in Bezug auf die offenbare wirkende Existenz behaupten. So hoch wir in jedem andern Betracht die Actuosität stellen, müssen wir doch läugnen, daß sie das Erste der Offenb. nach sey. Denn selbst jenes Wesen, in dem sich zuerst der wirkende Wille erzeugte, hat – (wenn diese Begriffe hier überhaupt anwendbar sind) – mehr von der leidenden als thätigen Art an sich. Ueberhaupt geht ein bloß keimliches (potentielles) Leben dem wirkenden voraus. Nach vielen Gründen ist es mir glaublich, daß in der organischen Natur das empfangende Geschlecht zuerst und allein da ist, und daß darauf zum Theil die angebliche Geschlechtslosigkeit der untersten Thiergattungen beruht.
Wird man diese Priorität im gegenwärtigen Fall mit den angenommenen allgemeinen Begriffen zu bestreiten suchen, z.B. dem bekannten, daß Gott von sich selbst das actuoseste Wesen sey? Freylich ist dieß kurz genug gesagt, und überhebt aller weiteren Untersuchungen. Allein dieser Begriff ist kein nothwendig gefundener, sondern ein willkührlich, ohne vorhergegangene Erforschung, aufgefaßter Begriff, ein wahrer Begriff a priori im schlechten Sinne des Worts. Noch weniger aber bedeuten andere Gegenreden, z.B. daß auf diese Art das Physische mit Gott vermengt werde. Denn in dem Sinn, in welchem dieß wahr seyn könnte, vermeiden auch die andern diese Vermischung nicht, wenn sie nur überall behaupten, daß Gott ein Herr und Schöpfer der Natur sey. Auch haben sie lange genug den Ausdruck gebraucht, Gott sey der Grund seiner eignen Existenz. War dieser Grund ein bloßes Wort, oder wurde darunter etwas Reelles verstanden? Das Erste, so nehmen wir es genauer und erlauben uns nicht, Worte ohne wirklichen Sinn zu gebrauchen; das Andere, so müssen sie selber anerkennen, daß vor dem existirenden Gott als solchem Etwas war, das nicht selber existirte, das nur Grund von Existenz war. Nun kann das, was nur Grund von Existenz ist, nicht mit dem Existirenden einerley Wesen und Eigenschaften haben, und wenn dieses als ein freyes bewußtes, im höchsten Sinn intelligentes Wesen anzusehen ist, so kann das, was bloß Grund seiner Existenz ist, nicht in dem nämlichen Sinn bewußt, frey und intelligent seyn. Da nun die Meisten das diesen Eigenschaften Entgegengesetzte physisch nennen, so mögen sie selbst zusehen, ob sie nicht jene Priorität des Physischen in Gott trotz ihres Abscheues gegen dasselbe unwissender Weise selbst zugeben.
Wollten sie also überall keine Natur, nichts Physisches in Gott erkennen, so müßten sie nichts anerkennen wollen, außer jener absoluten Lauterkeit oder Indifferenz; denn nur diese oder die reinste Gottheit ist Naturlos, weil sie über allem Seyn und die ewige Freyheit selber ist; und doch erklären sie in ihrer Rohheit eben diese für das Nichts, worunter sie das eigentlich so zu nennende verstehen. Wo ist denn also ihr Gott?
Was mag es übrigens seyn, das die Meisten an der Materie so beleidigt? Am Ende ist es doch nur die Demuth der Materie, die ihnen so anstößig ist. Aber eben diese Gelassenheit beweist, daß ihr noch etwas von jenem ursprünglichen Wesen, dem Keim und ersten Urstoff des Daseyns, inwohnt, das nach außen leidend, obwohl in sich reinste Geistigkeit ist.
Es ist leicht, die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen der jetzigen Art zu philosophiren in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wornach z.B. was nicht frey im moralischen Verstande alsogleich mechanisch, was nicht geistig im höchsten Sinne, körperlich, was nicht intelligent verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber gerade die wichtigsten, ja die einzigen eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nur nach dem sogenannten Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles, den Sophisten gleich, zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreyenden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.
So wird also auch vielen der Begriff einer Materie, die an oder in sich geistig und unkörperlich ist, ein ganz unfaßlicher Begriff scheinen. Diese also wollen wir erinnern, wie es im Grunde schon die bekannte Construction aus Kräften mit sich bringt, daß das innere Wesen aller Materie geistig im weiteren Sinne ist, da Kräfte unläugbar etwas Unkörperliches, in sofern Geistiges sind. Eine Bemerkung, die zugleich den Beweis enthält, daß die Art der gegenwärtigen, körperlichen Materie nicht, wie gemeynt worden, aus jenen innern, geistigen Kräften allein und für sich erklärbar ist. Das innere, oder reine Wesen der Materie, inwiefern es nur von diesen erzeugt wird, muß vielmehr selbst geistig seyn, und wenn die Körperlichkeit kein auf dem Innern beruhender Zustand ist, so muß er die Folge einer äußern von der Materie verschiedenen Kraft seyn, die auf sie als eine zusammenziehende, coagulirende Potenz gewirkt hat.
Muß daher jeder, der auch nur eine dynamische Construction der Materie versucht, auf einen geistigen Zustand derselben, als den ursprünglichen geführt werden, so können wir noch weiter gehen und behaupten, was nothwendig folgt, daß jene geistige Materie noch jetzt der innere Urstoff alles Körperlichen ist, der überall hervortreten müßte wenn nur jene äußere Potenz hinweggenommen werden könnte.
Auch in den körperlichsten Dingen liegt, oft beynah sinnlich wahrnehmbar, ein solcher Verklärungspunct, ohne dessen Gegenwart ja schon ein Fortschritt vom Unorganischen ins Organische undenkbar wäre. Wer sein Aug’ einigermaßen für die freye Betrachtung der Dinge geübt hat, weiß, daß sie nicht durch dasjenige allein schon vollendet erscheinen, was ihr Dasein im strengsten Sinne ausmacht; es ist noch ein Anderes in ihnen und um sie, das ihnen erst den vollen Glanz und Schein des Lebens ertheilt: ein Ueberfließendes spielt gleichsam um sie und umströmt sie als ein zwar ungreifliches doch nicht unbemerkliches Wesen. Sollte dieses durchblickende, durchscheinende Wesen nicht eben jene innere geistige Materie seyn, die noch immer in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt, und nur auf ihre Befreyung wartet? Unter den körperlichsten Dingen wurden vorzugsweise und von jeher die Metalle als einzelne in der verfinsterten Materie aufglimmende Lichtfunken dieses Wesens betrachtet, und ein allgemeiner Instinct ahndete seine Gegenwart im Golde, das durch die mehr leidenden Eigenschaften, die fast unendliche Ausdehnsamkeit und die Weichheit und Fleischähnliche Zartheit, die es mit der größten Unzerstörlichkeit verbindet, das dem geistig-leiblichen Wesen verwandteste schien, und sogar durch eines jener scheinbar zufälligen Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben, von allen Völkern zur Bezeichnung des glücklichen Weltalters der Unschuld und der Eintracht aller Dinge gebraucht wurde; gleich als wär’ es allein noch ein Zeichen aus jener seligen Urzeit.
Der unwiderstehliche in keinem Zeitalter ganz unterdrückte Trieb, Meister jenes innern Wesens zu werden, dient zum Erweis, wie nahe sein Begriff allem natürlichen Denken liegt. Die gewöhnliche Vorstellung der Alchemie muß man dem Pöbel überlassen; die verstanden, was sie wollten, suchten nie das Gold, sondern, so zu sagen, das Gold des Goldes, oder was das Gold zu Golde macht. Wenn es nämlich nur eine äußere Potenz ist, durch deren Wirkung die Materie zu dem finstern Wesen zusammengezogen wird, so muß es auch eine derselben entgegengesetzte Potenz geben, durch welche, wenn sie in der Hand des Menschen wäre, die Wirkung der äußern Kraft entweder aufgehoben oder doch bis zu einem gewissen Grade überwunden werden könnte. Da nun alle Materie dem innern Wesen nach nur Eine seyn kann, und die Verschiedenheit zwischen körperlichen Dingen derselben Stufe vielleicht nur auf der größeren oder geringern Einwirkung jener coagulirenden Potenz beruht, so wäre es unter jener Voraussetzung ja wohl möglich, durch eine allmählige Ueberwindung dieser Kraft die weniger edlen Metalle stufenweise in die edleren und zuletzt in das edelste zu verwandeln (obgleich dieß nur die sehr untergeordnete Anwendung eines weit allgemeineren Vermögens seyn würde). Wir untersuchen hier nicht, welches jene andere Potenz seyn könnte, ob das ursprünglich-geistige Wesen der Materie selbst oder ein von ihr noch verschiedenes, wiewohl es ein bekanntes Gesetz ist, daß nur das Befreyte fähig ist, auch anderes zu befreyen. Soviel aber ist klar, daß eine Metamorphose der Art, sie möchte nun geschehen wodurch sie wollte, immer auf der Möglichkeit beruhen würde, den innern Kräften der Materie mehr oder weniger jene gegenseitige Freyheit und Unabhängigkeit voneinander wiederzugeben, die ihnen durch die äußere Potenz entzogen ist, und die wir als ihren ursprünglichen Zustand erkannt haben.
Darum scheint dieses Wesen in der organischen, besonders der thierischen Natur seiner Wiederherstellung so nahe. Ist irgendwo jener Verklärungspunct, der in aller Materie liegt, wirklich aufgegangen, so ist es in der organischen Schöpfung, die sich vor der unorganischen offenbar nur durch die höhere Aufschließung desselben unterscheidet. Hier ist denn auch jenes unkörperliche Wesen fast sinnlich sichtbar. Es ist das Oel, wovon das Grün der Pflanzen gesättigt wird, es ist erkennbar in jenem Durchscheinenden des Fleisches und der Augen, in jenem unläugbar physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig, befreyend auf uns wirkt. Ja selbst das allgemein für geistig geachtete Wesen, das in der höchsten Verklärung menschlicher Leiblichkeit als Anmuth überströmt, möchten wir uns nicht ohne die Gegenwart eines physisch wirkenden Etwas denken, wodurch allein das unwillkührliche Entzücken oder Erstaunen, womit der Anblick davon erfüllt, und dessen selbst der Barbar sich nicht erwehrt, erklärbar seyn würde.
Es läßt sich also demnach die stetige Folge von Gliedern, die aus der Natur in die Ewigkeit geht, also angeben: Nach unten die Materie, nach oben oder der Ewigkeit zugewandt, der Geist. Dieser ist ein gegen die Ewigkeit freyes Wesen, weil er seine eigne von ihr unabhängige Wurzel hat. Also wendet er sich frey gegen die Ewigkeit und setzt sich mit dem ewigen Seyn in unmittelbaren Bezug und erhebt sich dadurch über die Materie, daß er auch gegen diese freyer, in ihr freyschaffender und wirkender Geist wird.
Er kann dieses Seyn der Ewigkeit nicht an sich ziehen, ohne es dadurch als wirkliches Seyn als Object in Bezug auf das ewige Seyende zu setzen, dadurch eine Scheidung in der Ewigkeit zu machen, und endlich auch jenes Allerinnerste, das noch verborgene Aussprechende der Ewigkeit zur That zu bewegen.
Dieses nun haben wir alles einzeln zu betrachten und zu erklären.
Der Geist, sagten wir, werde durch den Bezug mit dem Ewigen freyschaffend in der Materie. Damit verhält es sich so. Die Materie oder der gegen den Geist leidsame Stoff ist ein Erzeugniß der sich entgegengesetzten Kräfte, die vermöge einer natürlichen Zuneigung zusammenstreben, um sich gegenseitig zu mäßigen. Diese also vermöge der natürlichen Sucht Eins zu seyn streben immerfort den Gegensatz unter sich aufzuheben. Der freye Geist aber als die lebendige Einheit kann nur aufgehen, indem die Kräfte geschieden und auseinander gebracht werden. Also dringt der Geist schon seiner Natur nach immerfort auf die Scheidung. Weil aber diese niemals eine gänzliche seyn kann, und im Auseinandergehen der Kräfte immer eine gewisse Einheit bleibt, so gehet in der Scheidung ein Blick der Einheit auf, welcher Blick seiner Lauterkeit wegen bis in die Ewigkeit geht und in dieser als ein umschriebenes, begränztes, gleichsam geistiges Bild von einem Geschöpfe erscheinet.
Weil aber der Geist mit dem ewigen Seyn im Bezug steht, so wirkt er als ein gegen die Materie freyer nicht als ein blinder und besinnungsloser Geist jenes Auseinandergehen der Kräfte.
Das ewige Seyn ist nichts anders, als das ewige Gegenbildliche oder Objective von Gott, in welchem daher auf ewige Weise alles enthalten ist, was einst vermöge des Seyns Gottes objectiv wirklich seyn soll. Aber es ist in ihm nur unausgesprochner Weise oder der Möglichkeit nach enthalten. Nun will der Geist der Natur das Band seyn zwischen der Ewigkeit und der Natur, also strebt er das, was in dem ewigen Seyn nur der Möglichkeit nach enthalten ist, in der Materie als dem ihm untergeordneten Stoff, wirklich auszusprechen, um es dem ewigen Seyn, welches an sich lauterer Geist ist, als in einem Spiegel vorzuhalten und es dadurch an sich und aus seiner ewigen Gleichgültigkeit zu ziehen.
Aber durch eben jenes Anziehen wird das ewige Seyn zugleich vom ewigen Seyenden abgezogen, und ihm zum wirklichen Gegenwurf, in welchem es alles erblicken kann. Da also das ewige Seyende in das ewige Seyn sieht, so werden ihm auch die in demselben aufsteigenden Bilder der künftigen Dinge offenbar, und diese gelangen so mittelbar bis in das höchste Subject. In diesem Zustand also gieng alles, was einst in der Natur wirklich werden sollte, vor dem Seyenden der Ewigkeit vorüber; denn der schöpferische Geist durchlief die ganze Leiter der Bildungen bis zur holdseligen Menschengestalt, die Materie den Gegensatz behandelnd als einen Stoff seiner freyen Lust, nicht in blindem Wirken, sondern die Möglichkeiten oder Geister der Dinge, die er in dem ewigen Seyn ersehen, als Vorbilder nehmend, um sie zu verleiblichen und so das ganze Bild zu entfalten der zukünftigen Welt. Es gieng aber vor dem Auge des Ewigen alles nur als ein Blick oder Gesicht vorüber, als ein Blick, weil es in dem zarten Mittel gleichsam nur aufblickte, als ein Gesicht, weil es im Aufsteigen wieder vergieng und nichts Bleibendes, nichts Festes, sondern alles in unaufhörlicher Bildung war. Denn noch fehlte das bestätigende, das eigentlich aussprechende Wort.
In diesem Zustande hatte das Objective der Ewigkeit überhaupt ein doppeltes Verhältniß. Denn gegen die Natur wurde es gezogen als ihr unmittelbares Seyendes, als ihr Geist, ihr Subject. Noch oben aber oder gegen das ewige Seyende verhielt es sich wieder als Gegenwurf und gleichsam als seine unmittelbare Natur. Wie nun das ewige Seyn von der Natur angezogen wird; so zieht auch es selbst wieder, als dessen unmittelbare Natur, das ewige Seyende an, und will nichts anders, als daß es von diesem wirklich gesetzt werde, als sein eignes Seyn. Auch das ewige Seyn macht sich zum Stoff in Bezug auf das ewige Seyende. Auch in ihm werden durch die Anziehung des Unteren die innern Kräfte erweckt, auch in ihm erzeugt sich ein Geist, der in das Seyende der Ewigkeit sieht, wie der Geist der Natur in das ewige Seyn. – Durch diesen Geist erkennt es auch die im Innersten, im eigentlichen Subject Gottes enthaltenen Möglichkeiten. Und da es dieß ewige Seyende an sich ziehen und es bewegen will, sich zu setzen als sein unmittelbares, wirkliches Seyendes: so sucht es auch jene in ihm unausgesprochener Weise enthaltenen Möglichkeiten in sich als wirklich darzustellen, und dem Ewigen die verborgensten Gedanken seines eignen Innersten, die es selbst nicht kannte, wie in einem Spiegel zu zeigen.
So also erblickte der Ewige in dem unmittelbaren Gegenbildlichen seines Wesens zuerst alles, was einst in der Natur seyn sollte, sodann ersah er in eben diesem die tiefsten Gedanken seines eignen Innersten; denn diese im ewigen Seyn, als in einem Stoff ausgedrückt und verwirklicht, stiegen aus ihm als Geister auf, deren Blick seiner Lauterkeit wegen bis in das höchste Subject gieng.
Die Gesichte dieser allerinnersten Gedanken Gottes, die aus dem ewigen Seyn verwirklicht aufsteigen, waren nichts andres als die Gesichte der zukünftigen, zugleich mit den Naturwesen zur Erschaffung bestimmten Geister; das ewige Seyn selber, inwiefern es gegen das ewige Seyende leidende Eigenschaften annahm oder Stoff wurde, war nichts anders als der Stoff, die Unterlage der zukünftigen Geisterwelt. Denn wie sich überhaupt kein Erschaffen ohne bestimmte Unterlage denken läßt, so war auch keine Erschaffung der Geister möglich als aus einem wirklich vorhandenen Stoff, und wenn es etwas den gewöhnlichen Gedanken Unerhörtes seyn mag, so ist es darum doch nicht weniger gegründet, daß eben jenes Objective der Ewigkeit, das zum unmittelbaren Subject der Natur bestimmt ist, zugleich der Stoff, die Materie der (vom gegenwärtigen Standpunct) noch zukünftigen Geisterwelt war.
Die Sprache unterscheidet sehr bestimmt die Natur von der Geisterwelt, indem sie diese schlechthin die Ewigkeit nennt; wie von einem, der in die Geisterwelt übergeht, gesagt wird, er sey in die Ewigkeit gegangen. Sie bezeichnet durch diesen Ausdruck die Natur als ein gewissermaßen anfängliches Wesen, wie sie es auch, verglichen mit der Ewigkeit, in gewissem Verstande ist. Denn sie war nicht in der ursprünglichen Ewigkeit, sondern wurde ihr erst zugesellt, durch eine, obwohl ewige, erzeugende Kraft. Das hingegen, was wir als die Unterlage (das Substrat) der Geisterwelt ersehen, war schon in der unanfänglichen Ewigkeit; es war ewig bey Gott und mit Gott (dem ewig Seyenden), daher auch der Ausdruck erklärbar ist, dessen sich die Frömmigkeit bedient, der Fromme gehe im Tode zu Gott. Denn würde unter diesem Gott das ewige Seyende verstanden, so wäre ein solcher Uebergang ohne Vernichtung der Eigenheit (Individualität) nicht denkbar. Wie denn überhaupt, wenn die Geister aus dem Seyenden Gottes erschaffen oder bloße Formen desselben wären, zwischen Gott und den Geistern nichts wäre, wodurch sie unterschieden würden. Unmöglich wäre alsdann, daß die Geister eine Freyheit gegen Gott hätten. Alles, was eine Freyheit gegen Gott hat, muß aus einem von ihm unabhängigen Grunde kommen, und wann es auch ursprünglich und im engeren Sinn in Gott ist, so muß es aus Etwas kommen, (etwas zur Unterlage, zum Unterscheidenden haben) das in Gott selbst nicht Er selber ist. Also setzt die Existenz einer Geisterwelt etwas voraus, das von Ewigkeit in oder bey Gott ist, ohne doch selbst Gott zu seyn.
So also bildet sich jene stetige Folge von Gliedern, die von dem Obersten in das Unterste reicht, und wodurch das Tiefste mit dem Höchsten in Verbindung kommt.
Von selbst leuchtet hervor, daß dieser ganze, innerlich höchst lebensvolle Zustand auf der gegenseitigen Freyheit und Unabhängigkeit der Glieder gegen einander beruht.beruht vorzugsweise darauf, daß .A3 x noch frey ist gegen A2
Wir versuchen es, auch diesen Zustand durch die Aehnlichkeit der menschlichen Natur zu erläutern. Alles Göttliche ist menschlich
nach Hippokrates und alles Menschliche ist göttlich
. Also können wir hoffen, uns der Wahrheit in eben dem Verhältniß anzunähern, in welchem wir alles menschlich nehmen.
In der organischen Natur tritt zuerst mit der gegenseitigen Entfaltung und Unabhängigkeit der Kräfte auch wieder der unmittelbare Verkehr zwischen Physischem und Geistigem hervor.Es gibt Zust. d. menschl. Natur, wo jenes Höchste frey wird. Schlaf. Aber i. d. Regel beim Vision. ebens. in d. außerord. Zust.
Wie wir aber den gegenwärtigen körperlichen Zustand der Materie nicht aus ihrem Innern, sondern nur aus der Wirkung einer äußern Potenz erklären können, so scheint auch der Mensch, wie alles Organische zum Theil wenigstens einer solchen äußern Potenz unterworfen, die in ihm das freye Verhältniß der Kräfte aufhebt und in ein nothwendiges verwandelt.Die Gewalt jener äußeren Potenz zeigt sich nicht allein, inwiefern sie das Organische überhaupt als ein Körperliches festhält, sondern in einer noch höheren Potenz durch jene Veräußerlichung des inneren Lebens, welche im wachenden Zustand geschieht.
Der wachende Mensch und der schlafende sind ihrem Innern nach ganz der nämliche Mensch. Keine der innern Kräfte, die im wachenden Zustande wirksam sind, geht im Schlafe verloren. Schon hieraus erhellt, daß es nicht eine im Innern des Organismus liegende Bestimmung, daß es eine im Bezug auf ihn äußere Potenz ist, deren jetzt anziehende jetzt nachlassende Wirkung die Verschiedenheit und die Abwechslung jener Zustände bestimmt. Offenbar sind im wachenden Zustand alle Kräfte des Menschen von einer sie zusammenhaltenden Einheit, gleichsam als von einem gemeinschaftlichen Exponenten (oder Aussprechenden) beherrscht; im Gegentheil scheint während des Schlafs jede Kraft und jedes Werkzeug für sich zu wirken,auch jenes Eines erhebt sich wieder.
Wenn im gewöhnlichen Lauf des Lebens die Wirkung jener äußern Anziehung in regelmäßiger Abwechslung jetzt nachläßt, jetzt störender hervortritt; so scheint nach den bekannten Phänomenen des sogenannten thierischen Magnetismus, eine außerordentliche Aufhebung oder Schwächung derselben möglich, ja einem Menschen in Bezug auf den andern wirklich die Macht gegeben, jene äußere Potenz zu überwinden, und ihn dem freyen innern Lebensverhältniß zurückzugeben, wobey zwar nach außen wie todt erscheint, nach innen aber ein stetigerer freyer Zusammenhang aller Kräfte vom Tiefsten bis in’s höchste entsteht.
Nach vielen Gründen kommt es mir jedoch vor, als würde der magnetische Schlaf viel zu bestimmt von dem gewöhnlichen unterschieden. Denn da wir von den innern Vorgängen bey diesem nur sehr entfernte Kunde haben, so beweist nichts, daß sie nicht denen beym magnetischen Schlaf ähnlich und gleich seyn, von denen wir ohne den besonderen Bezug der magnetisch-Schlafenden zu denen, die sie in diesen Zustand versetzen, auch keine Erfahrungen hätten. Bekanntlich sind jene inneren Ereignisse des magnetischen Schlafs sich auch nicht immer ähnlich; es gibt Gradationen desselben; es gibt einen Grad, bey welchem er sich von dem gewöhnlichen in nichts unterscheidet, und es gibt einen, bey welchem der Mensch ganz von der Sinnenwelt abgeschnitten und völlig in’s Geistige versetzt scheint. Da wir nun auch in dem gewöhnlichen Schlaf Grade der Tiefe so wie der Innigkeit unterscheiden, so können wir nicht wissen, bis zu welchen Gradationen des magnetischen Schlafs sich auch der gewöhnliche erhebt.
Schon die Alten unterschieden bekanntlich zweyerley Arten von Träumen, wovon nur die eine ihnen göttlich galt. Wir wollen unterscheiden zwischen Träumen, die aus jener gegenseitigen Unabhängigkeit der innern Kräfte entstehen, und zwischen solchen, die aus dem Gegentheil. Von diesen sehen wir jetzt ab. Unter denen der andern Art aber könnten wir drey Gradationen annehmen. Die tiefste wäre die, wo der Lebensgeist, oder jenes Mittelwesen zwischen Körper und Geist, das Objective der Seele anzöge, und mittelst desselben frey würde gegen den Leib, um entweder als heilende Kraft die vorhandenen Unordnungen in diesem zu beseitigen, oder der Seele die Verborgenheiten des Körpers zu offenbaren. Eine höhere wäre die, wo
Im magnetischen Schlaf lassen sich diese Gradationen vielleicht wirklich nachweisen. Der gewöhnliche mag freylich nach Personen und Umständen sehr verschieden seyn. Aber solche Träume, die den höheren Graden der Innigkeit entsprächen, würden sich unstreitig ganz wie Visionen des magnetischen Schlafs verhalten, von denen keine Erinnerung in den wachenden Zustand übergeht und von denen wir nur durch das schon erwähnte Verhältniß Kunde erhalten. Daß wir uns vieler Träume im wachenden Zustand gar nicht erinnern, kann wohl eben so bestimmt angenommen werden, als es durch Erfahrung gewiß ist, daß uns von vielen nur die allgemeine Erinnerung des Dagewesenseyns bleibt, daß andre gleich nach dem Erwachen verfliegen und oft nur noch im Augenblick desselben (manchmal auch dann nicht bleibend), festgehalten werden können. Nur ist wahrscheinlich, daß die mehr äußerlichen Träume oft Abspiegelungen von mehr innerlichen sind, und daß auf solche Art diese, wenn gleich verworren und nicht in ihrer Reinheit und Vollständigkeit, unmittelbar zum Bewußtseyn gelangen. Dem sey, wie ihm wolle, so haben wir im magnetischen Schlaf das Beispiel eines Zustandes, wo nach außen gar kein Subject ist, und doch ein inneres Subject, das urtheilt, schließt und oft weit über sein gewöhnliches Vermögen denkt und erkennt, in voller Wirkung und Leben ist. Dieser Zustand ist ein lebendiger Beweiß, dessen Folge, wie es die ersten Beobachter grob aber nicht unrichtig ausdrücken, ein Entorganisiren
, d.h. ein Aufheben der äußern Einheit des Organismus ist, wogegen die innere in ihrer vollen Freyheit aufgeht. Da Krankheit nur insofern möglich ist, als alle Kräfte und Organe des Lebens einem gemeinschaftlichen Exponenten unterworfen sind, wodurch es geschieht, daß das Einzelne zum Opfer des Ganzen wird und einer Richtung folgen muß, die ihm für sich nicht zukommt oder die seiner Natur zuwider ist, so begreift ich hieraus die Heilkraft jenes Zustandes, in dem die einzelne Kraft einstweilen frey gesprochen von der Verkettung mit dem Ganzen Zeit gewinnt, sich wieder in ihrer Integrität und Ursprünglichkeit herzustellen.
Dürften wir hier zugleich eine Rückanwendung auf etwas früheres machen, so könnte man sich wenigstens als möglich vorstellen, daß dem Menschen auch gegen andere irdische Dinge eine ähnliche Gewalt zustände, wie sie ihm zum Theil gegen andere Menschen verstattet scheint. Dann würde er durch eine ganz ähnliche Wirkung auch das Innre anderer körperlicher Dinge bis zu einem gewissen Grade in Freyheit zu setzen im Stande seyn, und damit wahre Verwandlungen einleiten, durch die eine Reihe ganz anderer Phänomene entstände, als jener des gewöhnlichen Versuchs, der, so tief er dringen mag, noch immer nur auf der Oberfläche spielt.
Soviel dieses nur zur Erläuterung jenes inneren Zustandes reiner Beschaulichkeit in welchem der Ewige die ewige Zeit die Wunder der zukünftigen Zeit und der Ewigkeit wie in einem Gesichte erblickt.
Das schöne an uns gekommene Wort Idea sagt, seiner Urbedeutung nach, wirklich nichts anders als das deutsche Wort Gesicht, und zwar in beyderley Sinn, da es sowohl den Blick, als was im Blick vorübergeht, bezeichnet.
Die Lehre von diesen Urbildungen der Dinge verliert sich in das höchste Alterthum und wird schon von den Griechen als eine heilige Ueberlieferung betrachtet. Welches wohl zu zweifeln erlaubte, ob sie nicht schon bey diesen einen Theil des ursprünglichen Sinnes verloren. Denn schon Platon ist nur Ausleger, Deuter desselben. Späterhin gieng der wahre Sinn auf zweyerley Art verloren, indem sie erst viel zu übernatürlich, in der Folge aber ganz gemein verstanden worden. Die Erzeugung solcher Urbilder oder Gesichte der noch künftigen Dinge ist ein nothwendiger Moment in der großen Entwicklung des Lebens und wenn diese Ur-Bilder nicht gerade als physische Naturen im gewöhnlichen Sinn zu nehmen sind, so können sie gewiß auch nicht ohne alles Physische gedacht werden. Sie sind weder bloß allgemeine Verstandes-Begriffe noch feststehende Modelle; denn eben darum sind sie Ideen, daß sie ein ewig lebendiges und in unaufhörlicher Bewegung und Erzeugung sind.
Wir sagten, die Erzeugung solcher Urbilder sey ein nothwendiger Moment; aber weder vergehen sie nach diesem Moment, noch bleiben sie stehen, sondern der Moment selbst bleibt ewig, weil jeder folgende den vorhergehenden festhält und so entquellen dem Innersten der schöpferischen Natur diese Urbilder noch immer eben so frisch und lebendig als vor der Zeit. Noch immer zeigt sich die in gewissem Verstand blind handelnde Natur als Visionär; denn, wenn auch geleitet von dem Licht eines höheren Verstandes, wie könnte sie diesen fassen und begreifen? Ohne jene Eigenschaft wäre so vieles unläugbar Zweckmäßige und Absichtsvolle im Ganzen und Einzelnen, das sich schon in der ersten Anlage findet, ihr allgemeiner und besondrer Technicismus unbegreiflich. Keines Wesens Schöpfung geschieht noch diesen Tag ohne die wiederholte Erzeugung seines Urbildes. Ja wir wagen es auszusprechen, daß jede Zeugung in der Natur eine Wiederkehr jenes Moments der Vergangenheit ist, dem für einen Augenblick verstattet ist, in die gegenwärtige Zeit als eine fremde Erscheinung hereinzutreten. Denn da in jedem lebenden Wesen die Zeit schlechthin anhebt, durch jedes anfangende Leben aufs neue die Zeit an die Ewigkeit geknüpft wird, so muß jedem Leben unmittelbar eine Ewigkeit vorausgehen. Die Wiederkehr jenes Moments in der Zeugung könnte schon die physischen Erscheinungen glaublich machen, die Erschütterung der Kräfte, das Nachlassen aller Bande und das außer-sich-gesetzt Seyn; es ist nämlich als ob jenes äußere Band, vielleicht aber weil es den höchsten Grad der Anziehung Negation gehabt für einen Augenblick aufgehoben und als ob auch hier jene leitende Verbindung und Kette von einander unabhängiger Glieder hergestellt wäre, wodurch das Erste fähig wird, in das Letzte zu wirken, wie unläugbar der Vater dem Kinde Geistes- und Gemüthsart einzeugt. Daher auch die Aehnlichkeit mit dem Tode, wie mit den Erscheinungen des magnetischen Schlafs. Und wenn ein organisches oder menschliches Wesen dem Schmerz im physischen, wie im psychischen Verstande nur durch die Herrschaft jenes äußern Lebens-Exponenten unterworfen seyn kann, so ist wohl begreiflich, wie mit der Aufhebung desselben die gänzliche Schmerzlosigkeit und jenes Wonnegefühl entstehen kann, von dem die vorhin erwähnten Zustände erfüllt sind, und begreiflich, wie eine plötzliche und augenblickliche Aufhebung desselben mit der höchsten Wollust überschüttet.
Doch kaum wagen wir den Schleyer zu berühren, der über diese großen Geheimnisse gezogen ist und fürchten, daß wir nicht entweder mißdeutet werden oder uns auch selber im Einzelnen irren und falsch ausdrücken, da alle die nahmhaft gemachten Erscheinungen so sehr nach allen Seiten und in so verschiedene Zweige auslaufen. Gelingt uns einst diese Geschichte bis zu der Zeit und zu den mannigfachen Bedingungen fortzuführen, in und unter welchen das menschliche Leben besteht; gewiß werden wir dann auch manches zu berichtigen finden, oder in einem höheren Lichte darzustellen.
Es sey uns daher nur noch eine Frage erlaubt, durch welche unser Gedanke an Deutlichkeit gewinnen mag. Warum rufen dem Menschen alle höheren Lehren so einstimmig zu, sich von sich selbst zu scheiden und geben ihm zu verstehen, daß er alles vermögen und in alle Dinge wirken würde, wenn er nur sein höheres Selbst zu befreyen wüßte von dem untergeordneten? Den Menschen hindert das In-sich-gesetzt seyn; höheres vermag er nur in dem Maß, als er sich außer sich zu setzen – außer-sich-gesetzt zu werden vermag, wie es unsre Sprache treflich bezeichnet; und so sehen wir denn auch, um nur bey geistigen Hervorbringungen stehen zu bleiben, wohl ein, wie nach den verschiedenen Gradationen derselben ein immer höherer freyer innerer Verkehr stattfindet und überall das nämliche gefordert wird, es sey nun, daß das Ewige der Seele unmittelbar mit ihrem eigenen Seyn verkehre, also sich ganz in sich selbst enthalte; oder es sey ein Verkehr zwischen dem Ewigen und jenem es begleitenden Dämon, dem uns von der Natur zugesellten Genius, der allein in dem Maß, als sich der bewußte Geist über ihn erhebt, auch wieder fähig ist, ihm dienendes Werkzeug zu sein. Und wie die innre Freyheit des Gemüths alle geistige Production bedingt, so sehen wir dagegen auch befangene Menschen im Verhältniß, als sie dieß sind oder werden, zur wahrhaft geistigen Hervorbringung immer untüchtiger.
Jene spielende Lust im anfänglichen Leben Gottes haben die Morgenländer wohl erkannt, welche sie ausdrucksvoll die Weisheit
nennen,einen Glanz des ewigen Lichts
einen fleckenlosen Spiegel der göttlichen Kraft und (der leidenden Eigenschaften wegen) ein Bild seiner Gütigkeit
. Es ist verwunderungswerth, mit welcher Genauigkeit sie diesem Wesen überall mehr eine leidsame als thätige Natur zuschreiben; weßhalb sie es nicht , wie wir im Vorhergehenden den Geist, auch nicht das Wort (oder den Logos) nennen, (mit welchem die Weisheit später oftmals aber unrichtig verwechselt worden), sondern ihm einen weiblichen Namen beylegen, durch alles dieß andeutend, daß es gegen das Höhere nur ein leidsames, empfangendes Wesen sey.
Wie frischer Morgenhauch aus heiliger Frühe der Welt weht uns jene Rede an, in der ein mit recht göttlich geachtetes Buch die Weisheit redend einführt. Der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege; ehe er was machte, war ich da. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde. Da die Tiefen noch nicht waren, da war ich schon bereitet; da die Bronnen noch nicht mit Wasser quollen. Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln bin ich bereitet. Da er die Himmel droben bereitete, war ich daselbst; da er die Tiefen mit seinem Ziel ver fassete, da er den Grund der Erde legte, da war ich
, der Werkmeister bey ihm und hatte meine Lust täglich und spielete bey vor ihm alle Zeit. ; ich spielete auf seinem Erdboden und meine Lust war bey den Menschenkindern.
Die Weisheit wird in dieser Rede sehr bestimmt von dem Herrn unterschieden. Der Herr hatte sie, aber sie selbst war nicht der Herr.vor dem im Anfang,sagen wir sagt jetzt die deutsche Sprache, er macht nichts. Die Weisheit wird einem Kinde verglichen. Denn wie ein Kind Selbstlos zu nennen ist, wenn in der frühesten Zeit zwar alle innern Kräfte in Wirkung gegen einander sind und in holdem Wechselspiel sich gegenseitig erregen, aber ohne daß sich ein Willen eingefunden, der sie zusammenhielte, sich zur Kraft und zur Einheit von ihnen machte: so ist die Weisheit zusammt dem ersten Leiblichen, von dem sie bekleidet ist, wie eine stille gleichsam leidende Einheit, die nicht für sich selbst aus dem bloß keimlichen Zustand in den wirkenden sich erheben konnte.
Aber wie die Zeiten der Unschuld nicht bleiben, die Spiele der Kindheit, in denen das künftige Leben sich vorbildet, vergänglich sind, so konnt’ auch jener sel’ge Göttertraum nicht dauren. Alles bloß keimliche Leben ist von sich selbst voller Sehnsucht und verlangt mehr und mehr aus der stummen wirkungslosen Einheit herauszutreten und in eine wirkende erhoben zu werden. So sehnsüchtig sehen wir die ganze Natur; so saugt die Erde durch zahllose Mündungen Himmelskraft in sich; so strebt das Samenkorn zu Licht und Luft um sich ein Bild, einen Geist zu ersehen; so wiegt sich die Blume im Sonnenstrahl um ihn als Farbe in sich zu ziehen. Eben also auch jenes leidende spielende Leben, und je mehr es sich in sich entfaltet, desto mehr ruft es das Unsichtbare an, daß es sich seiner annehme, es sich anziehe und erkenne als sein eigen; und die Weisheit klagt verlassen das Loos ihrer Geschöpfe und daß die Kinder ihrer Lust nicht bleiben, sondern in immerwährendem Ringen stehen sind und im Ringen wieder vergehen. Sehnsucht aber zieht herbey und so wird durch eben diese auch das Unsichtbare zum Sichtbaren gezogen.
Die Weisheit war bey dem Herrn. Aber wer ist denn der Herr? Unstreitig jener in dem Seyn und dem Seyenden selbst ruhende Wille, der Wille durch den allein das Seyn wirklich Seyn, das Seyende wirklich Seyendes seyn kann, der zuvor nichts wollende Wille. Dieser ist der Herr, denn von ihm kommt alle Macht und alle Kraft oder er ist das Aussprechende alles Wesens. Er ist von dem Seyn und dem Seyenden verschieden, aber nicht von ihnen getrennt, der nun noch unthätige Wille, durch den allein sie beyde bethätigt werden können. Er zog sich beyde nicht an, bethätigte sie nicht wirklich, weil in ihm als dem reinen lautern Wollen kein Grund zur Handlung lag, und auch die beyden Entgegengesetzten konnten ihn nicht erwecken, weil sie selbst ruheten. Er ist das Seyn und das Seyende, und ist untrennbar von beyden. Was daher in diesen vorgeht, das geht auch ihn an, und werden diese aus der Gleichgültigkeit gezogen, so kann auch Er selbst nicht gleichgültig bleiben. Er zog sich beyde nur nicht an, weil sie selbst ruheten. Jetzt da beyde in Bewegung gesetzt sind, ist nothwendig auch Er zur Wirkung aufgefordert. Wird das Seyn zur Natur gezogen, so ist es sein eignes Seyn, das gezogen wird, oder vielmehr, in diesem Angezogenwerden erkennt er es zuerst als sein eigenes. Ist das Seyende aufgefordert, sich als solches wirklich, in Bezug auf das Seyn, zu setzen, so ist Er selbst aus der Gleichgültigkeit gezogen; denn Er ist das Aussprechende des Seyenden. Also in eben diesem Aufgefordertseyn erkennt er das Seyende als sein eignes, als das, von dem er das Aussprechende ist.
Jene alte Rede kann daher wohl sagen: der Herr hatte die Weisheit, sie spielte vor Ihm, in ihr ersah er, was einst seyn sollte
; denn was von dem Seyn und dem Seyenden gilt, gilt auch von dem Herrn. Denn das Seyn und das Seyende ist das Seyn und das Seyende von dem Herrn, oder genau gesprochen und eben in diesem Moment, in dieser durch das Anziehen der Natur gesetzten Bewegung wird es erkennt er sie als das Seyende und das Seyn von ihm, sich selber aber als den Herrn, als das Aussprechende von beyden.
Wir können im Menschen leicht bemerken, wie es zu seiner vollkommenen Wirklichkeit nicht genug ist, etwas zu seyn, oder in sich zu haben. Es gehört noch dazu, daß er gewahr werde, was er ist, und was er hat. Er ist ein Seyendes, und er hat ein Seyn von Natur, ohne sein Zuthun, schon als Kind; aber dieses Seyende, wie dies Seyn ist wirkungslos, bis sich etwas, eine von beyden noch unabhängige Kraft findet, die sie gewahr wird, und die sie nun erst bethätigt. Es ist nicht genug, daß im Menschen Kräfte und Fähigkeiten vorhanden sind, er muß sie erkennen als die seinigen und nun erst ist es möglich, daß er sie ergreife, sie zur That und Wirkung bringe.
Ebenso also können wir sagen, in Ansehung des Willens der Ewigkeit, der bis jetzt ruhete, sey dieser Moment, der Moment des Gewahrwerdens, dessen was er ist, der Moment des Erwachens, des Zu-Sich-Selber-Kommens im eigentlichen Verstande. Es ist nicht ein dem Seyn oder Seyenden fremder Wille, der erst zu ihnen hinzukommt, es ist ein Wille, der von Ewigkeit in ihnen selbst war und nur nicht sich äußerte. So kommt auch er zu nichts Fremdem, er kommt zu Sich selber, zu dem was er vor Ewigkeit war, und das er nur nicht gewahrte.
Dieß war das höchste Ziel der von unten Mit diesem Wort endete auf Zeile 17 der Druck mitten auf dem weiterhin leerbleibenden Blatt der Seite 109. Hier folgt die Variante der S. 109 und die weitere Fortsetzung vom nicht mehr gedruckten Setzermanuskript:
sind; er muß sie gewahr werden, muß sie erkennen als die seinigen, und nun erst ist es möglich, daß er sie ergreife und so ganz er selbst werde.
So also können wir sagen: in Ansehung des Aussprechenden, welches zuvor ein gleichgültiger Wille war, sey dieser Moment, der Moment des Gewahrwerdens dessen, was er ist, der Moment des Erwachens, des Zu-Sich-Selber-Kommens im eigentlichen Verstande. Dieses ist denn auch das höchste Ziel jener von unten aufgekommenen Thätigkeit in welchem sie still steht; dieß die letzte Wirkung des ganzen bisher beschriebenen Processes, zu welcher sich alles andre, und selbst jene Gesichte der zukünftigen Dinge nur als Mittel verhielten.
Alles war nur darum, damit jenes Verborgene, welches das Aussprechende ist des Seyenden und des Seyns, ebendieses Seyende und Seyn gewahr werde als Sich Selbst; es kann aber nicht sich selbst erkennen als das Seyende und als das Seyn, ohne zugleich die Natur zu erkennen, als seine eigene nur zuvor unbewußte Sehnsucht nach sich selber die es zuvor nicht kannte.
So sehen wir denn alles bereit zur Entscheidung und dieses Letzte das Gewahrwerden seiner selbst, ist für das Ewige die Gränze des vergangenen und des folgenden Zustandes.
Die Einheit, die wir bisher betrachtet, war eine stumme, wirkungslose. Zwar alle Kräfte waren in wonnevollem Wirken gegeneinander. Zuerst die Kräfte der Natur: aber dieses Wirken war nicht selbst wieder ausgesprochen und als wirkend gesetzt. Die Kräfte waren bloß in jenem Wirken, aber sie waren nicht als seyend. Es war ein bloßes Wirken in der Anlage, wie wenn die Kräfte unseres Innern zu irgend einer Handlung oder Hervorbringung sich regen, aber der Entschluß nicht da ist, der ihr Wirken geltend macht. Ebenso verhielt es sich auch mit dem Seyenden und dem Seyn der Ewigkeit, dieses war zwar aufgefordert und bereit, sich als das unmittelbar Bejahende der Natur zu setzen; es war dieses schon innerlich – aber nicht äußerlich, nur der Absicht, nicht der That nach. So das Seyende, es war schon das Seyende, inwiefern es aufgefordert war, sich als solches zu setzen, und war es auch nicht, weil es sich nicht wirklich als solches gesetzt hatte.
Das ewige Seyn fühlt sich also zum anfänglichen gezogen, und will wohl das unmittelbar Bejahende von ihm seyn, so das Seyende zu beyden und verlangt das gemeinschaftlich Bejahende beyder zu seyn. Aber in eben diesem Gezogenwerden wird ihnen der Wille der nichts will, als ihre Kraft, als ihr Aussprechendes empfindlich. Also wollen sie und wollen auch nicht. Sie wollen, in wiefern sie gezogen und aufgefordert sind, und sie wollen nicht, weil sie den Willen, der nichts will, nicht lassen wollen, der ihnen in eben diesem Moment fühlbar geworden, als der Herr, als der, bey dem alle Kraft ist.
Aber ob sie gleich sich nicht entscheiden können noch wollen, sind sie doch gezogen. Dadurch ist wirklicher Gegensatz und dadurch werden sie auch dem Willen, der nichts will, empfindlich. So lange der Gegensatz unangeregt ruhete, blieb dieser in seiner Gleichgültigkeit und wußte ihn nicht. Nun der Gegensatz in Wirkung gebracht und dem Willen der nichts will fühlbar geworden, jetzt ist dieser zum Actus gebracht, und wird ein wirklicher Wille, da er zuvor ein bloß möglicher war. Aber er kann doch nur wirklich werden, als der, der er ist. Unmöglich ist ein für allemal, daß irgend Etwas aufgehoben werde. Also er kann nur wirklich werden als der Wille der nichts will. Aber da er zuvor ein ruhender Wille war, der nur nicht positiv Etwas wollte, so wird er jetzt, aufgefordert das Seyende und das Seyn auszusprechen als das Seyende und das Seyn, vor sich zum Willen der positiv nichts will, auch sich selber nicht als Seyendes und als Seyn d.h. zum Willen, der sich der Sonderheit, dem Auseinandergehen, der gegenseitigen Freyheit der Principien widersetzt.
Inzwischen war in dem Willen, der nichts wollte, gleich anfangs, obwohl nicht zu scheiden, zweyerley. Es war erstens lauterer Wille an sich, als solcher aber außerdem Wille der nichts wollte. Nun ist nur dieses Letzte an ihm zum positiv verneinenden Willen geworden, außerdem aber bleibt er noch lauterer Wille, und diese Eigenschaft Wille zu seyn, kann in ihm nicht aufgehoben werden. Unmöglich ist eben, daß nicht in Ihm, sofern er Wille bleibt und gerade darum, weil er zum positiv verneinenden geworden, sich ein andrer entgegengesetzter Wille erzeuge, ein Wille, der sich als das Seyende und als das Seyn wirklich will, mit Einem Wort, ein bejahender Wille, ein Wille der Liebe, der nicht Nichts, sondern Etwas alles will.
Also ist jetzt ein und derselbe Wille =x zwey Willen, ein bestimmt verneinender und ein bejahender. Diese zwey Willen können sich nicht als Theile des Einen Willens verhalten; denn er ist positiv nichtswollender Wille ganz und ungetheilt. Also kann er auch nur ganz und ungetheilt der wollende Wille seyn.
Hiemit thut sich endlich der höchste Widerspruch auf. Denn es sind hier nicht zwey unwirkende Willen noch einer von beyden unwirkend, sondern beyde sind wirkend. Der eine und selbe Wille ist als der nichtswollende Wille activirt, und als der Wille der etwas (Leben und Wirklichkeit) will, ist er auch activirt. Also ist hier, weil der höchste Widerspruch nothwendig auch die höchste Bewegung des Lebens, und zum voraus ist einzusehen, daß hier ohne eine absolute Entscheidung nicht abzukommen ist.
Sind aber zwey streitende Willen da, ein bejahender und ein verneinender, so wird auch schon der Geist gefordert, oder er ist der Möglichkeit nach da, und sollte hervortreten, kann aber nicht, weil er die freye Einheit von beyden, eine Einheit aber unmöglich ist.
Also sehen wir, daß das Höchste gleichsam in dem Augenblick selbst, da es sich aussprechen sollte, ein Unaussprechliches wird. Dieses lasse sich niemand irren, noch widerstreite es, wenn jemand es verwerfen sollte, sondern an eben dieser Unaussprechlichkeit halte er fest; denn sie ist nothwendig zum höchsten Leben. Wäre nicht das, was in allem Leben sich aussprechen will, ein seiner Natur nach Unaussprechliches, wie wäre dann Lebensbewegung, wie Drang zur Aussprechlichkeit, zur Articulation, zum organischen Verhältniß? Aber noch mehr, wie wäre ohne dieß ein schlechthin Höchstes, das nie zum Aussprechlichen wird, sondern ewig nur das Aussprechende bleibt? Denn eben in dieser Unaussprechlichkeit, da nicht zu sagen ist, das Ewige ist der nichtswollende Wille, und nicht: es ist der wollende, und nicht: es ist die Einheit beyder, eben in dieser Unaussprechlichkeit wird das, das keines von ihnen ist, das lautere Ich der Gottheit wirklich und geht auf in dem unzugänglichen und der Creatur unnahbaren Glanz seiner Lauterkeit. Ein jeder sieht, wie wir nur allmälich zu dem Punct gekommen, wo wir dieses Ich der Gottheit in seiner ganzen Lauterkeit Unaussprechlichkeit erkennen mögen; wie wollt ihr es denn fühlen oder erkennen, ohne stufenweise zu ihm aufzusteigen?
Es ist offenbar, daß keines von allen, weder der verneinende Wille, noch der bejahende, noch der bloß potentiell vorhandene, ihre Einheit, jenes absolute Ich der Gottheit ist, wie es vor der Activirung war; aber ebendarinn, daß keines von diesen es ist und es doch die Drey ist, ebendarinn erscheint es als ein wirklich, als ein an sich Unaussprechliches ersch. das an sich unausspr. Wesen der Gottheit.
Wenn keines von den dreyen das lautere Ich der Gottheit ist, was sind sie denn? Offenbar können sie sich zu ihm nur als eben so viel einzelne Ichheiten verhalten. Alle nennen einstimmig die Gottheit ein Wesen aller Wesen. Dieses nun kann sie nur nach dem bejahenden Willen seyn. Aber ohne den verneinenden könnte der bejahende selbst nicht seyn. Er ist der Wille der Liebe; aber von sich selbst gelangt die Liebe nicht zum Seyn. Seyn (Existenz) ist Eigenheit, ist Absonderung; die Liebe aber ist das Nichts der Eigenheit, sie sucht nicht das Ihre, und kann darum, obwohl in sich das Seyende, doch nicht wieder von sich selbst als dieses seyn (existiren). Ebenso ein Wesen aller Wesen hat nichts, das es trägt; es ist an sich selbst der Gegensatz der Persönlichkeit; so muß ihm also die persönliche (dem Aeußeren sich versagende) Ichheit erst einen Grund machen. Nur das Etwas ist der Träger des Nichts, oder dessen, was von sich selbst nicht seyn kann. Aber so wenig ein Wesen aller Wesen seyn (existiren) könnte, ohne eine der Liebe widerstehende Kraft, so wenig könnte es als ein Wesen der Wesen seyn, ohne einen Willen, der der Verneinung wehrte. Wäre die Kraft der Eigenheit allein, so wäre nichts als das ewig sich Verschließende und Verschlossene, in dem nichts leben könnte, womit also die Creatur ausgeschlossen und der Begriff eines Wesens aller Wesen verloren wäre; denn jene Kraft der Selbstheit oder Eigenheit in Gott ist, was im barbarischen Ausdruck die Aseität Gottes genannt worden; die verzehrende Schärfe der Reinheit, die durch die Anziehung der Natur zu einem der Creatur unnahbaren, unerträglichen Feuersglanz erhöht wird, und wäre gegen das Geschöpf wie sehrendes Feuer, ewiger Zorn, der nichts duldete; tödtliche Zusammenziehung, wenn ihr die Liebe nicht wehrte.
Wer aber die Zweyheit erkennt, gibt auch die Dreyheit zu. Das lautere Ich der Gottheit ist diese drey, aber nicht in sich, sondern nur in wiefern es bewogen ist und ewig bewogen wird, sich wirklich auszusprechen.
Aber im gegenwärtigen Augenblick halten die beyden streitenden Willen sich die Waage, und zwar so, daß der Wille, der sie beyde ist, schlechterdings entweder ganz der eine oder ganz der andere seyn muß; entweder ganz Bejahung, oder ganz Verneinung, ganz Liebe oder Zorn. Eben darinn thut sich die allerhöchste Freyheit auf. Unbedingte Freyheit ist nicht für die einzelne Handlung; sie ist das Vermögen, von Widersprechenden das eine oder das andre ganz zu seyn.
Um den Widerstreit beyder aufs bestimmteste auszudrücken, so ist das Verhältniß dieses. Der eine will, daß das Wesen (Seyendes und Seyn) in der Verflossenheit und dadurch in der Verborgenheit bleibe, darinn es zuvor war. Der andere will, daß es sich aufschließe, die Verborgenheit aufgebe.
Wie ist hier Entscheidung möglich? Vielleicht möchte man sagen, einer der Willen sey von Natur dem andern Unterthan; nothwendig also sey, daß der eine siege, der andre überwunden werde. Aber diese Voraussetzung ist falsch. Von Natur sind sich beyde vollkommen gleichwichtig; jeder hat gleiches Recht wirkend zu seyn, und nothwendiger Weise weicht keiner dem andern. Dieß alles aber mußte so seyn, damit Gott als das allerfreyeste Wesen erscheine, daß nie ein nothwendiger Ursprung der Welt gefunden, sondern offenbar werde, daß alles was ist, nur durch den freyen göttlichen Willen sey.
Wäre nicht Widerspruch, so wäre nicht Freyheit. In dem Drang der Kräfte, da das Leben gleichsam auf der Spitze steht, kann nur die That entscheiden, denn durch die Nothwendigkeit der Natur sind die beyden Willen nicht auseinander zu bringen; vermöge dieser werden sie vielmehr ewig in jenem intentionellen Zustande bleiben, da keiner vor dem andern hervortreten kann. Sind sie nun nicht auseinander zu bringen durch Nothwendigkeit, so müssen sie auseinandergebracht werden durch freyen Willen. Aber wie ist nun wirkende Freyheit, wie ist Entschluß möglich?
Zwar die streitenden Willen sind keiner an den andern gebunden. Ist eine innre Nothwendigkeit, Eins zu seyn, das Verhältniß der Entgegengesetzten im Aussprechlichen (weil jedes gleicherweise zum Ganzen nothwendig ist), so ist die innre Freyheit, nicht Eins sondern für sich zu seyn, das Verhältniß der Kräfte im Aussprechenden. Jeder der beyden Willen ist ein eigner und selbständiger Wille und hat die volle Freyheit sich zu setzen und den andern zu verneinen. Aber ebendarum weil jeder gleich unbedingt, kann keiner von beyden den andern verneinen, ohne wiederum von ihm verneint zu werden, und daher umgekehrt keiner sich setzen, er setze denn auch den andern.
Wie ist hier Entscheidung möglich, auch nur in Ansehung des Was? – Der Grund, der die Entscheidung hindert, ist die vollkommene Gleichwichtigkeit (Äquipollenz) der beyden Willen, oder daß keiner mehr Anspruch hat, wirkend zu seyn, als der andere. Wenn der eine wäre, dann könnte der andere wohl seyn. Nur daß der eine ist, wenn der andere nicht ist, das ist unmöglich, dem widerstreitet die Gleichwichtigkeit. Also wenn der eine ist, so kann er nicht in so ferne seyn, daß der andre nicht ist, sondern im Gegentheil, daß wenn er ist, auch der andre ist. Dieß ist die aus der Gleichwichtigkeit beyder hervorgehende Forderung. Aber nach dem Verhältniß des Widerspruchs, in dem wir sie bisher erblickten, ist gerade das Gegentheil der Fall; nämlich daß wenn der eine ist, dann der andere nicht ist. Da sie nun aber nach der Voraussetzung doch und zwar ein jedes seyn sollen, so muß dieses Verhältniß des Widerspruchs gebrochen werden, und ein anderes, das Verhältnis des Grundes an die Stelle treten, daß nämlich wann der eine ist, dann eben und darum auch der andere ist, d.h. daß der eine nur als Grund, als Vorausgehendes des andern sich verhält. Die Entscheidung könnte also in Ansehung des Was nur bestehen in einer Aufhebung der Simultanität oder darinn, daß beyde in einer Folge gesetzt würden.
Dieses Verhältniß dürfte jedoch nicht von der Art seyn, daß wenn der folgende gesetzt, dann der vorangehende aufgehoben würde, vielmehr so, daß jener gesetzt, dieser ebenfalls, nur als vorangehender bestünde, und daß sie auf diese Art nur in verschiedenen Potenzen, die sich auch als verschiedene Zeiten ansehen ließen, dennoch zumal wären. Es würde sich nämlich der vorausgehende Wille zu dem folgenden als dessen Grund, somit als erste Potenz verhalten. Nun könnte er freilich in der Potenz, worinn der andere, nicht ebenfalls wirkend seyn, welches aber nicht verhindert, daß er in seiner Potenz immerfort und ebenso wirkend sey, als es der andere in der seinen ist.
Dem Grundsatz des Widerspruchs wurde bekanntlich sonst die Bestimmung beygefügt, dasselbe könne nicht zumal Etwas und auch das Gegentheil davon seyn. Dieser Ausdruck ist wegen der schon früher aufgezeigten Unbestimmtheit überhaupt nicht zu billigen, jener Zusatz aber insbesondere ist aus mehreren Gründen unstatthaft. Denn zuvörderst sollte der Grundsatz des Widerspruchs in seiner Strenge erhalten werden, und was in jenem Ausdruck verneinend ausgesprochen worden, das mußte vielmehr gleich bejahend, als Satz des Grundes behauptet werden, nämlich, daß Ein und dasselbe Etwas und auch das Gegentheil davon seyn kann, wenn es als das eine Grund von sich selbst, als dem andern ist. Aber auch davon abgesehen wäre der Ausdruck ‚zumal‘ unzulänglich, denn das, was in verschiedenen Zeiten ist, ist noch immer zumal. Nach einander ist nur, was in verschiedenen Momenten derselben Zeit gedacht wird; oder, verschiedene Momente derselben Zeit können, als solche gedacht, nicht gleichzeitig seyn. Aber als verschiedene Zeiten angesehen können sie zumal seyn, ja sie sind es nothwendig zumal. Das Vergangene kann mit dem Gegenwärtigen freylich nicht als ein Gegenwärtiges zugleich seyn, als Vergangenes aber ist es ihm allerdings gleichzeitig, und ebendieses gilt, wie leicht einzusehen von der Zukunft.
So ist es also nur der Widerspruch in der höchsten Steigerung, der die Ewigkeit bricht und das Ganze der Zeiten aufschließt. Soviel also von dem, was geschehen müßte, wenn Entscheidung erfolgte. Aber das Wie? ist damit noch nicht erklärt.
Zwar welcher von beyden Willen der vorausgehende seyn soll, welcher der folgende, darüber kann selbst vorläufig und noch ohne die tieferen Gründe entwickelt zu haben, kaum ein Zweifel obwalten. Gienge nämlich der bejahende, auf die Auseinandersetzung dringende voraus und der verneinende folgte, so wäre es ein rückgängiger Proceß, der undenkbar ist. Dargethan ist sodann ferner, daß der verneinende Wille, wenn als das Aussprechende des Wesens gesetzt, sich nur als Grund und Vorausgehendes des andern setzen könnte. Aber will er sich denn überhaupt setzen? Dieß ist durch das Bisherige nicht gesagt. Denn er kann sich ja schlechthin versagen, das Aussprechliche ganz aufgeben, und selber in der Verborgenheit bleiben. Und eben dieses ist ja der Sinn, in welchem allein er als bestimmt nichts wollender, verneinender Wille gedacht werden kann. Will er nichts, so muß er in der Verborgenheit bleiben, überall keine Offenbarung, auch nicht seiner selber wollen. Denn nur wenn er sich nicht setzt, setzt er auch den andern nicht, und im Gegentheil setzt er sich zuerst, so kann er sich (vermöge der Gleich Wichtigkeit beyder Willen) nur setzen als Grund des andern. So ist auch der andere, der wollende oder bejahende Wille, eigentlich nur der auf Offenbarung dringende Wille. Nicht daß er unmittelbar sich wollte, sondern er will nur, daß überhaupt ein Aussprechen sey. Denn kommt es zur Offenbarung, so gelangt nothwendig auch er dazu, Aussprechendes zu seyn.
Wenn demzufolge auch hier nur der alte, wie es scheint, nicht unterdrückbare Gegensatz stattfindet zwischen einem verneinenden, an sich haltenden, und einem bejahenden, ausbreitenden Willen, so kann doch der erste von dem andern nicht bewältiget, er kann nur sanft überredet und in Güte überwunden werden, daß er der Liebe nachgibt. So müssen wir uns den Hergang vorstellen, und doch läßt sich dieß alles nicht als wirklich vorgegangen denken. Denn wahrhaft sind sie ja nicht einmal, daß sie gleichsam untereinander rathschlagen und in Überlegung treten könnten, also kann das alles nur wie ein Blitz geschehen, da es als ein Geschehenes inbegriffen, und doch nicht wirklich (explicite) geschehen ist; es ist eine Handlung, die von keinem beschlossen ist (denn wie kann das beschließen, das nicht seyn kann?), indeß doch der Wille aller dabey ist, weil keines gezwungen werden kann, eine Handlung also, die sich nur denken läßt – vermöge einer unbegreiflichen gegenseitigen Erkenntniß und Verständigung in jenem Unaussprechlichen, das ihre unbedingte Einheit ist. Denke dir, um doch ein schwaches, fernes Bild zu haben, was geschieht, wenn du in Augenblicken einer plötzlichen Noth, einer unversehens einbrechenden Gefahr, da kein Verstand und keine Überlegung ist, wie durch eine göttliche Eingebung das Rechte ergreifst, das einzige Rettende thust. Oder um es an ein Höheres, das einzige wahrhaft Vergleichbare anzuschließen, so frage dich, ob du mit dir zu Rath gegangen, Überlegung gepflogen und eine Wahl getroffen, als du dich zuerst selbst ergriffen und ausgesprochen als der, der du bist.
Man versteht unter dem Charakter des Menschen das Gepräge, die Eigenthümlichkeit seines Thuns und Seyns, welche ihm durch das Aussprechende seines Wesens ertheilt wird. Von dem Menschen, der zweifelt, eins oder das andere ganz zu seyn, sagen wir, daß er charakterlos ist; von dem Entschiedenen, in dem sich ein bestimmtes Aussprechendes des ganzen Wesens kundgibt, sagen wir, daß er Charakter hat. Und doch ist bekannt, daß sich niemand Charakter geben kann, und daß sich keiner den bestimmten Charakter gewählt hat, den er trägt. Überlegung, Wahl, dieß alles fehlt, und doch erkennt und beurtheilt jeder den Charakter als eine ewige (nie aufhörende, beständige) That und rechnet ihn selbst und die aus ihm folgende Handlung dem Menschen zu. Also erkennt das allgemeine sittliche Urtheil in jedem Menschen eine Freyheit an, bey der (explicite) keine Überlegung, keine Wahl stattfindet, eine Freyheit, die sich selbst Schicksal, sich selbst Nothwendigkeit ist. Aber vor eben dieser abgründlichen Freyheit scheuen sich die meisten, wie sie erschrecken, wann die Nothwendigkeit vor sie tritt, ein oder das andere ganz zu seyn; sie scheuen sich vor ihr wie vor allem, was aus jenem Unaussprechlichen kommt, und wo sie einen Strahl von ihr sehen wenden sie sich ab, wie vor einem alles sehrenden Blitz, und fühlen sich niedergeworfen von ihr, wie von der Erscheinung aus einer unbegreiflichen Welt, aus der Ewigkeit, aus dem, da gar kein Grund ist.
Da also keine Zeit bei Gott war, daß er mit sich hätte rathschlagen und handeln können, und da doch nur die höchste Freywilligkeit entscheiden konnte, so mußten die untereinander streitenden Willen, der auf dem Nein bestehende, wie der bejahende und jener nur der Möglichkeit nach vorhandene, der Wille des Geistes, durch eine urplötzliche, unüberlegte, aber doch begriffene, allen einleuchtende Handlung vereinigt werden, worinn alles wie im Blitz gefaßt und gethan war. Im Nu war erkannt, daß wenn das Leben nicht verloren seyn sollte, die Simultaneität der aussprechenden Kräfte aufgehoben werden mußte; in eben diesem untheilbaren Augenblick neigte die Liebe den ersten der offenstehenden Willen; und eben so schnell war erkannt, daß wenn einer der beyden Willen der vorangehende seyn sollte, nur eben der zum Anfang gesetzt werden könne, der keinen Anfang wollte, und der soeben überwunden worden; denn ohne Überwindung ist kein Anfang, und eben dieß Überwundenwerden des verneinenden Willens und sein Vorausgehen war eins; und dieß alles war enthalten in einer und derselben untheilbaren That, zugleich der freywilligsten und der nothwendigsten, durch eine Art von Wunder, wie bisweilen Handlungen geschehen, die, nachdem sie gethan, kein Verstand zu begreifen vermag.
Dieses ist der Hergang der großen Entscheidung, wodurch der verneinende Wille des unbedingten Ichs der Ewigkeit, oder Stärke und Kraft aus der Verborgenheit herausgezogen und zum Anfang der Wege Gottes gesetzt wurden.
Es ist schon bemerkt worden, und muß jedem von selbst auffallen, daß die aussprechenden Kräfte, deren Widerstreit soeben geschlichtet worden, unter sich dasselbe Verhältniß haben, welches die Principien im anfänglichen Seyn der Natur hatten. Ja wir können sagen, die im Aussprechlichen des Wesens begriffenen Kräfte verhalten sich genau so, wie sich die aussprechenden verhalten mit dem einzigen Unterschied, daß jene zumal und als Eins, diese in einer Folge und als nicht-Eins gesetzt werden.
Indem wir nämlich die Natur mit dem ewigen Seyn und ewigen Seyenden jetzt wirklich in eins gebracht, so ist offenbar, daß die Natur sich im Ganzen wieder als die unterste Potenz des Wesens, als bloßer Grund der Existenz (A=B) verhält, denn sie hat zu dem Seyn der Ewigkeit das Verhältniß des Seyns, ob sie gleich in sich alle Potenzen enthält. Dieses hingegen verhält sich als das unmittelbar Seyende oder Bejahende der Natur und hat zu ihr das Verhältniß der zweyten Potenz (=A2). Endlich das Seyende der Ewigkeit, da es aufgefordert ist, sich als das gemeinschaftlich Bejahende von beyden zu setzen, würde sich als Bejahendes der dritten Potenz (=A3) verhalten.
Aber eben dieß Verhältniß ist zwischen den aussprechenden Kräften. Denn der verneinende Wille ist, weil zum vorausgehenden, auch zum Grund der Existenz, zum Seyn, zum (A=B) des Höheren gesetzt, der bejahende Wille aber, von dem er der Grund ist, würde sich als A2 verhalten; die dritte endlich, ihre lebendige Einheit würde denen das seyn, was im Aussprechlichen das A3. Auffallend zwar kann im Allgemeinen diese Übereinstimmung nicht seyn; denn in Ja und Nein besteht einmal alles Leben; ausbreitende Thätigkeit und einschränkende Kraft sind die nothwendigen innern Principien alles Lebens. Was ein Wesen innerlich ist, dasselbe muß es auch äußerlich seyn; oder dieselben Kräfte, in welchen sein innres und ausgesprochenes Leben besteht, dieselben (der Natur nach) sind auch wieder die aussprechenden Kräfte seines Daseyns. Aber als diese können sie nur in einer Folge oder mit Entscheidung hervortreten. Also Principien des Seyns in der Simultaneität sind sie Potenzen des Werdens in der Succession. Eben an den aussprechenden Kräften bricht sich die Ewigkeit, daher freylich diejenigen, welche die Begriffe der Einheit und Allheit anwenden wollten, aber die Einheit nur wieder als Allheit setzten und nicht wagten, eine Entscheidung anzunehmen, niemals aus der Ewigkeit herauskommen konnten.
Diese Einstimmigkeit des Aussprechenden und des Ausgesprochenen die zur Vollkommenheit und zur thätigen Existenz eines Wesens erfordert wird, findet sich in allem Leben. Im Ausgesprochenen, Inneren jedes organischen Wesens finden wir drey Hauptkräfte. Die erste, wodurch es in sich selbst ist, sich selbst beständig hervorbringt und erhält; die andere, durch die es nach außen strebt; die dritte welche gewissermaßen die Natur dieser beyden Kräfte in sich vereinigt. Jede derselben ist zum innern Seyn des Ganzen nothwendig; welche auch aus demselben hinweggenommen wird, immer wird das Ganze mit aufgehoben. Aber dieses Ganze ist kein ruhiges, stehenbleibendes Seyn; das Wesen als aussprechlich gesetzt, findet sich unmittelbar das Aussprechende ein. Die Kräfte, die im Innern wirken, dieselben (der Natur nach) treten äußerlich als Potenzen, aber mit Entscheidung hervor. Eine, die andere aufnehmend, setzt sich als herrschende, zum gemeinschaftlichen Exponenten des Ganzen, und so einander folgend werden sie die bestimmenden Potenzen seiner äußeren Lebensperioden, der Zeiten seines Werdens und seiner Entwicklung, wie sie zusammenwirkend die bestimmenden Principien seines inneren Lebens waren. Dieses ist der Sinn, wenn gesagt wird, in der ersten Zeit des Lebens herrsche die wachsthümliche, in der zweyten die bewegende, in der dritten die empfindliche Seele oder Potenz. Und dasselbe ist der Sinn, wenn z.B. gesagt wird, die Urzeit im Leben der Erde sey die magnetische gewesen, von der sie erst in die elektrische herübergetreten, und noch vieles dem Ähnliches.
Alles Leben hat nur Ein Gesetz. Und so verhält es sich denn ebenso in Ansehung des höchsten Lebens. Dieselben Urkräfte (der Natur nach), welche in ihrem Zusammenseyn die Principien des inneren Lebens der Gottheit sind, dieselben äußerlich als Potenzen oder mit Entscheidung hervortretend, sind die herrschenden Mächte der verschiedenen Zeiten. Oder im allgemeinsten Ausdruck: Die Folge der Potenzen verhält sich als eine Folge von Zeiten und umgekehrt.
Durch dieses Gesetz stellt sich erst die rechte Hoheit des Gegensatzes dar und seine mit der Einheit gleiche Unbedingtheit. Denn wie diese überall im Ausgesprochenen sich herrschend erweist, so erscheint dagegen im Aussprechenden die unüberwindliche Freyheit des Gegensatzes, und wie er die Einheit sich selbst wieder unterordnet.
Unstreitig existirt der Ewige nur kraft seines freyen Willens; oder durch freye That setzt er sich als existirend. Aber dieß vorausgesetzt hängt es nicht von seiner Freyheit ab, welche Folge der Offenbarung er erwählen will, ob es gleich bey ihm stand, sich überhaupt nicht zu offenbaren. Wollte er Offenbarung seiner selbst als letztes Ziel, so war die angegebene Folge nothwendig. Gerade der Wille, der keine Offenbarung wollte, mußte zum Anfang gesetzt werden. Bey der umgekehrten Folge hätte alles in Nichtoffenbarung, oder in wieder aufgehobener Offenbarung geendigt. Das in der Offenbarung Vorausgehende ist dadurch nicht an sich selbst das Untergeordnete, aber als das Untergeordnete gesetzt, das ihm folgende als das beziehungsweise Höhere. Die Priorität steht im umgekehrten Verhältniß mit der Superiorität; Begriffe, welche zu verwechseln nur der Blindheit im Urtheilen möglich ist, die unsere Zeiten auszeichnet.
Der verneinende einschließende Wille muß in der Offenbarung vorausgehen, damit etwas sey, das die Huld des göttlichen Wesens, die sich sonst nicht zu offenbaren vermöchte, halte und emportrage. Der Zorn muß eher seyn als die Liebe, die Stärke eher als die Milde, die Strenge vor der Sanftmuth. Wie in dem nächtlichen Gesicht, da der Herr vor dem Propheten vorüberging, erst ein mächtiger Sturm kam, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, nach diesem ein Erdbeben, endlich ein Feuer, der Herr Selbst aber in keinem von den allen war, sondern ein stillsanftes Sausen folgte, darinn er war
, so muß in der Offenbarung des Ewigen die Gewalt, die Strenge, die Macht vorausgehen bis im leisen Wehen der Liebe Er selbst erscheinen kann.
Alle Entwickelung setzt Einwickelung zum voraus, in der Anziehung ist der Anfang und die zusammenziehende Grundkraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft der Natur. Alles Leben fängt von Zusammenziehung an, denn warum schreitet alles vom Kleinen ins Große, vom Engen ins Weite fort, da es auch umgekehrt seyn könnte, wann es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre?
Dunkelheit und Verschlossenheit ist der Charakter der Urzeit. Alles Leben wird zuerst und bildet sich in der Nacht; darum wurde diese von den Alten die fruchtbare Mutter der Dinge
, ja nebst dem Chaos das älteste der Wesen
genannt. Je höher wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto mehr finden wir unbewegliche Ruhe, Ungeschiedenheit und gleichgültiges Zusammenseyn derselben Kräfte, die sich erst leise, dann zu immer wilderem Kampf entzünden. So in den Gebirgen der Urwelt, die mit ewig stummer Gleichgültigkeit herabzusehen scheinen auf das bewegliche Leben zu ihren Füßen; so in den ältesten Bildungen auch des Menschengeistes. Derselbe Charakter von Verschlossenheit kommt uns in dem stummen Ernst des Aegyptiers, in den Riesendenkmälern Indiens, die für keine Zeit, sondern für die Ewigkeit gebaut scheinen, ja selbst noch in der stillen Größe, der erhabenen Ruhe der ältesten Werke hellenischer Kunst entgegen, die, wenn auch gemildert, noch die Kraft jenes gediegenen Weltalters an sich tragen. Nur so ist Fortschritt, nur so unsterbliches Leben. Wäre keine Entscheidung, so wäre nur die stumme Ewigkeit und Gott ohne Offenbarung. Darum ist es wesentlich, auf der Gleichwichtigkeit der Kräfte zu bestehen. Es ist dieser oft genug entgegengesetzt worden, nothwendig sey das Ideale höher als das Reale, beyde können nicht gleich seyn. Freylich war dieß Verhältniß wohl am bestimmtesten dadurch anerkannt, daß das Reale immer als erste Potenz, das Ideale als höhere, zweyte gesetzt wurde. Dieß konnte aber die ursprüngliche Äquipollenz nicht aufheben.
Wäre das eine von beyden schon von Natur also nothwendig untergeordnet, so wäre in Gott keine Freyheit. Ebensowenig fortschreitendes Leben. Denn es nehme nun einer jene Unterordnung als eine nothwendige, also ursprüngliche an, und ordne gleich im Anfang, was zum Grunde bestimmt ist, dem höheren unter! Was hat er nun? Er ist fertig; es bedarf nichts mehr, es gibt weiter kein Fortschreiten, keine Entwickelung. Nur weil keine nothwendige Unterordnung ist, ist Widerspruch, und nur weil Widerspruch ist, ist Entschluß, ist Freyheit.
Von jetzt also betreten wir den Weg der Zeiten, und beginnen die Beschreibung der ersten Zeit, des herausgesetzten verneinenden Willens.
Dieser Wille war in der Ewigkeit, da er ruhete, weder bejahend noch verneinend. Angezogen vom Äußeren und zur That geweckt, wurde er gegen dieses ein verneinender Wille. Aber nach außen verneinender würde notwendig nach innen oder in sich bejahender Wille, ein Wille der die Offenbarung wollte. Dieser Widerspruch forderte Entscheidung. Er ist entschieden, durch überschwengliche That. Es sind nicht mehr zwey, es ist nur Ein Wille, und dieser eine Wille ist der ganze unbedingte, der nie sich entschieden hat, das eine zu seyn und das andre nicht zu seyn. Nicht daß er den andern Willen nur ins Verborgne setzte, im Gegentheil er ist eine thätige Verneinung desselben. Wo getheilter oder zweifelnder Wille ist, ist keine Entscheidung. Also kann er den andern Willen nicht nur nicht setzen, er muß ihn schlechthin verneinen, ihn setzen als nichtseyend.
Der Wille, der ursprünglich weder bejahete noch verneinte, aber als solcher schlechthin innerlich war, ist jetzt äußerlich und herausgesetzt als wirklicher Wille; aber eben weil das Äußerliche, hört er auf bewußter Wille zu seyn, er wird ein völlig blinder, sich selbst nicht kennender Wille.
Hier ist der Punct, wo sich auch die gewohnten Begriffe an unsre Darstellung anschließen. Die Offenbarung Gottes oder die Schöpfung als Entäußerung, als Herablassung des Ewigen vorzustellen, ist eine gewöhnliche Rede. So erscheint sie denn auch hier. Die Kraft der Gottheit, wodurch sie eigentlich in sich selbst ist, wird durch die Offenbarung zum Anfang gesetzt. Unüberwindlich, wenn sie sich versagte und im Verborgenen blieb, macht sie sich überwindlich dadurch, daß sie sich offenbart, äußerlich wird. Der Ewige macht nicht das Geringere seines Wesens, sondern was er freywillig und durch Liebe überredet als das Geringere seines Wesens ansieht, die allerinnerste und stärkste Kraft, zum Anfang des Daseyns. Er führt das, was die Kraft des höchsten Bewußtseyns ist, in die Bewußtlosigkeit aus, und gibt es ins Äußere hin, damit Leben und Wirklichkeit sey.
So mußte es auch seyn, wenn ein ewiger Anfang, ein ewiger Grund seyn sollte. So versinkt jene allen einzelnen Handlungen vorausgehende Urthat, wodurch der Mensch eigentlich Er Selber ist, unmittelbar, nachdem in überschwenglicher Freyheit gethan, in die Nacht der Bewußtlosigkeit. Sie ist keine That, die einmal geschehen wieder aufhören könnte, sie ist eine beständige eine nie aufhörende That und kann darum nie wieder vors Bewußtseyn gebracht werden. Sollte der Mensch um sie wissen, so müßte das Bewußtseyn selbst in das Nichts, in die unumschränkte Freyheit zurückkehren und wieder aufhören als Bewußtseyn. Wie also diese, einmal geschehen, unmittelbar in unergründliche Tiefe hinabsinkt, und ebendadurch die Natur der Beständigkeit annimmt, so muß jener Wille, einmal zum Anfang gesetzt und ins Äußere geführt, unmittelbar in Bewußtlosigkeit versinken. Nur so ist ein Anfang möglich, ein Anfang der nicht wieder aufhört Anfang zu seyn, ein wahrhaft ewiger Anfang. Denn auch hier gilt es: der Anfang darf sich selbst nicht kennen. Jene That, einmal gethan, ist ewig gethan. Der Entschluß, der in irgend einer Art einen wahren Anfang machen soll, darf nicht wieder vors Bewußtseyn gebracht, nicht zurückgerufen werden, welches darum schon ebensoviel als zurückgenommen bedeutet. Wer beym Entschluß sich vorbehält ihn wieder ans Licht zu ziehen, macht nie einen Anfang.
Jene That, sagten wir, ist ewig gethan, d.h. sie ist ewig ein Gethanes, somit Vergangenes. Also sehen wir, daß der verneinende Wille, indem er ins Bewußtlose versinkt, sich wirklich schon als Vergangenes verhält – für uns nämlich. Er wirkt schon jetzt wie ein Verborgenes wirkt, wie in uns jene immer fortdauernde, ewige Urthat, ob er gleich noch nicht als ein solches wirklich erklärt ist und noch weniger sich selbst dafür erkennt. Einmal ins Äußere gezogen, in die Bewußtlosigkeit geführt, weiß er sein eigen Verhältniß nicht, nicht, daß er der vorausgehende Wille ist, der Grund der künftigen Wirklichkeit eines anderen Willens. Sondern er ist wie der eifrige Gott des alten Bundes, der keine anderen Götter neben sich duldet, und sein Aussprechen oder Wort ist dieß: Ich bin der Einzige, und ist kein anderer neben mir
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