Das Das Vergangenes allein wird ursprünglich gewußt; das Gegenwärtiges wird höchstens erkannt; das Zukünftiges wird nur geahndet. Wir wissen nur was geschehen, wir erkennen was ist, wir ahnden was seyn wird. Anders freylich, wenn das Gegenwärtige selbst von der Bewegung der Wissenschaft ergriffen, wenn es nicht als ein Seyendes, sondern als ein Werdendes betrachtet wird. Hier, wo es in seinem lebendigen Zusammenhang mit dem Vergangenen und der Mitte zwischen diesem und dem Zukünftigem erscheint, verliert es die dem Wissen widerstrebende Natur und wird in einen Vorwurf der Wissenschaft gleichsam verwandelt.
Und so verhält sich das Zukünftige, soweit es mit Sicherheit vorauszusehen ist, am entschiedensten als Gegenstand der Wissenschaft, weil es am wenigsten, so zu reden, von dem Seyendes und am meisten von dem Werdenden hat. Denn wenn das Vergangene schon darum vorzugsweise gewußt wird, weil es wenigstens als ein
Das Vergang˖[ene] meynen wir vorzugsweise am entschiedensten zu wissen, das Gegenwärtige nur zu erk˖[ennen], das Zukünftige zu ahnden.
Man mag sich diese Sicherheit des Wissens vom Verg˖[angenen] gern daraus erklären, daß es ein abgeschlossenes und nicht weiter veränderliches ist, dessen man eben darum gewiß seyn kann und das uns die betrachten nicht wieder zu entwerden vermag.
Allein die wahre Historie, deren Name eben Wissenschaft bedeutet, begehrt auch nicht das Vergangene nur als ein solches zu zeigen, vielmehr, wie es ein solches geworden ist, zu erklären. Wir verlangen das längst Entschwundene in seiner vollen Gegenwärtigkeit, als ein lebendig Wirkendes zu sehen, ja wir fodern noch mehr und lassen erst denj˖[enigen] Gesch˖[icht]sch˖[reiber] für einen
Wie also daher das Vergangene könne vorzugsweise gewußt werden, wenn es
Alles Gegenwärtige nun theilt als ein Gewordenes die Ruhe des Verg˖[angenen] und scheint sich in sofern zum Wissen wie Vergangenes verhalten zu können. Allein wir müßten
Stünde es aber in unsrer Macht, das Gegenw˖[ärtige] nicht erst jetzt, da es als ein Geword˖[enes] dasteht, sondern von seinem Anfang zu sehen und vom dem, wo es noch ein bloßes Zuk˖[ünftiges] ist, bis in die Gegenwart zu verfolgen, so wäre es in demselben Maß, wie wenn wir auch das Gegenw˖[ärtige] nicht als ein schon Gewordnes, sondern als ein Werdendes zu sehen vermöchten und zwar von da an, wo es noch ein rein Zukünftiges ist bis zu dem Punkt, an welchem es jetzt erscheint, so würde es dem Wissen gleich eine andre Gestalt
Wenn daher weder das jetzt Vergangene, noch das jetzt Gegenwärtige als ein solcher Vorwurf eigentlich nicht ist, sondern nur, sofern es von dem Punct fortgenommen wird, da es noch ein Zukünftiges ist: so leuchtet ein, daß das thätigste, lebendigste und zugleich reinste
Da jedoch das jetzt Zukünftige vom Vergang˖[enen] und Gegenw˖[ärtigen] bestimmt wird: so ist klar, daß es diejen˖[ige] Wiss˖[enschaft] die vom schlechthin Zuk˖[ünftigen], d.h. von demj˖[enigen] Punct ausginge, da noch alles zuk˖[ünftig] ist, die allerlauterste wäre, das reinste Erzeugniß des Geistes und bey der sich die Wiss˖[enschaft] am thätigsten verhielte. Es wäre klar, daß der wahrh˖[aft] Wiss˖[ende] immer der vorwärts nicht der rückw˖[ärts] schau˖[ende] Prophet und der Weg von vorn der allein
Die Weltalter.
Zueignung.
Vorrede (wenn sie nöthig befunden wird.)
Allgemeine Einleitung (unter bes˖[onderem] Titel.)
Das Verg˖[angene] wird gewußt pp
Das Gewußte wird erzählt pp
Dieses Werk zerfällt in 3 Bücher.
Im ersten – hier vielleicht das über
Im zweyten –
Im dritten – bloß
Weltalter genannt
Jeder dieser drey versch˖[iedenen] Theile eine versch˖[iedene]
Das Vergang˖[ene] wird gew˖[ußt] – das Gegenw˖[ärtige] wird erkannt; etc.: – – erzählt.
Um daher dem Leser einen vorl˖[äufigen] Begriff zu geben, was er zu erwarten habe, werden wir uns über jeden Theil desselben insbesondere erklären müssen.
Zuerst am nöthigsten über das erste der Wissensch˖[aft]
Der Wiss˖[enschaft] gehet daher die ganze Vergang˖[enheit] an und umgekehrt alle Wiss˖[enschaft] im eig˖[entlichen] Verstande bezieht sich auf Vergang˖[enheit]
Alles was uns umgibt p. 21–24 bis zum höchsten Gewußten
. Auch von diesem. Warum nicht erzählen? – Idee daß es Ein Wesen ist, das sich entw˖[ickelt] jetzt in der Philos˖[ophie] hergestellt. Warum nicht auch obj˖[ectiv] so – nämlich Historie.
Erklärung davon nach der ersten Einleitung bis p. 8. aber mit Umkehrung der Princ˖[ipien] und das Dunkle ist das sich erinnernde.
Nothwendig vorherg˖[ehend] der Berichtigung der Begr˖[iffe], weil sonst nicht fassen, nicht einmal den Eingang finden, wie in der gewöhnlichen Philosophie auch. Erst auf den Standpunkt bringen wo ihm leb˖[endig] werden kann. Es fehlt nicht an Denkmälern; es fehlt an Sinn dafür
Daher dem ersten Theil eine Einleitung vorauszuschicken; überhaupt aber durch Zwischenreden immer den Leser vorzuber˖[eiten] oder ihm nachzuhelfen gesucht ohne darum das
Hier von der Nothwendigkeit der Dial˖[ektik] pp.
Nun vom zweyten Theil. Hier schon ganz anders. – Entfaltung. – Hier also in der ganzen Weite und Breite. Auch
Doch nothwendiger Theil des wiss˖[enschaftlichen] Ganzen. Hier sehen, wie verkehrt, ein fertiges System. Die leeren Stellen selber bezeichnen. – hier durch Erfahrung – Philos˖[ophie] nimmt sie in sich auf. – Ja mit großer Enthaltung und da wo wir gewissen
Der Leser eine große Lücke finden wo von der Gesch˖[ichte] in specie die Rede ist. Nicht alles
Über den dritten Theil die Erkl˖[ärung] vorbeh˖[alten] wenn wir zu ihm kommen.
Und so denn versucht einen Umriß von der Gesch˖[ichte] im allg˖[emeinen] Sinn, inwiefern sie über den Weltanfang hinaussteigt und bis in die weite Ferne nachweltlicher Zuk˖[unft] – wäre dieß Buch
Erwähnung der Bibel; die einzige Urkunde die die Grundzüge davon, aber schwer erkennbar enthält.
Das Erste Buch. Die Vergangenheit (bes˖[onderer] Titel)
Einleitung. (ohne besondern Titel)
1. Der natürliche Eindruck der W˖[elt] – in Entwicklung – Mittleres – Einheit voraussetzend.
2. Was für Einheit? Reelle, lebendige.
3. Gegensatz – also negat˖[iv] und pos˖[itiv] durch die versch˖[iedenen] Ausdrücke sind gewöhnlich anziehend und ausbreitend – leiblich und geistig – real und ideal – Finstern˖[iß] und Licht. Gut und bös. – Einheit und Gegensatz.
4. Gleiche Real˖[ität] beyder; jede absol˖[ut], keine aus der anderen – Wenn überhaupt wird, so die eine hintanges˖[etzt] (Von Cartesius an bes˖[onders] aber Ideal˖[ismus] und Real[ismus].
5. Doch zu Einem Wesen gehörig A, B, X. Allgemeiner Beweis innere qual˖[itative] Einheit als Result˖[at] aus dieser; gegen den Dual˖[ismus] – Einwurf dagegen. Satz des Widerspruchs – aus diesem zu kommen
6. auf ihren Gegens˖[atz] als Chaos und Niederes – sie können nicht zumal wirken wie der Mensch nicht gut und bös und doch immer beydes. Der Natur nach Eines das H[ö]hre, Eins das Niedere (hier die höchste Erklärung von Liebe und Egoism˖[us])
7. Da aber doch gleiche Real˖[ität], so als Potenzen d.h. jedes wirkend; und da nicht zumal, so nach einander, und zwar im umgekehrten Verh˖[ältniß] ihrer Dignitätsfolge; so nämlich daß jedem das Ganze untergeordnet; und jede Potenz sich wieder verh˖[ält] wie Eines der Princ[ipien].
9. Bisher Gang bloß in Gedanken aber die wirkliche Einheit beyder – diese selber durch B bestimmt. Da nur erst mit nicht wirklicher Einheit beyder die Constr˖[uction] anfangen kann, so diese der Anfangsp˖[unct] aller Geschichte und aller leb˖[endigen] Entwicklung, inwiefern diese Entw˖[icklung] eines wirklichen Wesens seyn soll und wir uns nicht etwa begn˖[ügen] wollen, in der Wiss˖[enschaft] bloß unsre Gedanken zu entwickeln.
10. Es hat von jeher viele gelüstet die Vergang˖[enheit] das Vorweltliche zu begr˖[eifen] und so im eig˖[entlichen] Verstand hinter den großen Proz˖[eß] zu kommen, von dem sie theils die zuseh˖[enden], theils mithandelnde und leidende Glieder sind. Aber allen oder doch den bey weitem meisten fehlte die Demuth und die Selbstverl˖[eugnung] auf die erste Pot˖[enz] zurückzug[ehen]. Gleich mit den höchsten und geistigsten Begr˖[iffen] –
Wenn irgendetwas ist, was dieser Darstellung den Eingang versagt, so dieses voreilige Wesen – lieber mit schönen Redensarten blenden.
Dieß ohngef˖[ähr] was zu wissen nöthig und nachdem ich diese Einleit˖[ung] gemacht, so wird es verstattet seyn, soviel möglich frey erzählend zu Werke zu gehen und die bereits erklärten oder auch bewiesnen Princ˖[ipien] auch als ber˖[eits] erkl˖[ärt] und bew˖[iesen] vorauszusetzen.
Begriffe: Verstand, Vorstand, Fürstand. understand, Gemüth
Mehrere Auflistungen 1-11
Begriffe: Das Vergangene, zufälliges Wissen, Abgrund
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Wissenschaft ist schon der Wortbedeutung nach Historie (ἱστορία). Uralter Lehre zufolge besteht alles Wissen in Erinnerung
und bezieht sich daher unmittelbar auf Vergangenheit. Wäre jedoch das Gegenwärtige aus dem Vergangenen, das Zukünftige aus beyden in geschichtlicher Folge herzuleiten, dann würden auch Erkenntniß und Ahndung zur Wissenschaft gesteigert. Umfassende Wissenschaft also ist, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aber in einer Verkettung und Folge begreift. Vollendete Wissenschaft muß bis zum Anfang aufsteigen und bis zum Ende hinausgehn. Denn ohne den Anfang läßt sich Mittel und Ende nicht begreifen und was ein Beginn und Fortgang eigentlich war, wird erst im Ziel erkannt.
Seit längerer Zeit liegt kein Begriff in größerer Geringschätzung als der der Zeit und bemerkenswerth ist, wie eben in der gewaltigsten Zeit die schwächsten Ansichten von der Zeit entstanden. Aber ohne Aufhellung dieses Begriffs wird sich nie eine verständliche Entwickelung der Wissenschaft denken lassen, und es liegt der Grund des allgemeinen Mißverstehens und der in allen Begriffen fühlbaren Stockung eben in nichts anderem, als den ungewissen, schwankenden oder irrigen Begriffen von der Zeit. Auch die Wissenschaft kann die freye Bewegung nicht wieder finden, ehe die Pulse der Zeit wieder lebendig schlagen.
Der jetzt herrschende Begriff kennt keine Zeiten sondern nur ein leres abgezogenes Bild von Zeit, eine gewisse allgemeine Zeit, die er die Zeit schlechthin nennt. Von dieser ist es richtig geredet, daß sie nur eine Form unsrer Vorstellungen ist; richtiger wäre, zu sagen, daß sie ein bloßes Gedankending ist.
Schon längst wäre nicht auch für solche abgezogene Untersuchungen die Zeit vorübergeeilt, könnte verdienstlich scheinen, Wesen und Schein in der Zeit zu scheiden, das Unwahre abzuthun, damit das Wahre hervortrete. Bey dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft verlangen wir alles gleich in Leben und That zu sehen und handeln die großen Gegenstände nicht mehr einzeln, capitelweis’ ab. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis ins Kleinste gehenden Organismus. Wir sind überzeugt (oder wer ist es nicht?), daß jedem Ereigniß, jeder That ihr Tag ihre Stunde ja ihr Augenblick bestimmt ist und daß sie kein Nu früher ans Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche die Zeiten anhält und mäßigt. Diese Tiefen der Zeit zu durchschauen ist freylich nicht Sache des Menschen; wohl aber ist die Zeit gekommen, das System der Zeiten im weitesten Umfang zu enthüllen.
Vergangenheit, ein ernster Begriff, allen gemein doch wenigen verstanden. Die Meisten wissen von keiner, als die in jedem verfließenden Augenblick durch eben diesen sich vergrößert, selbst noch wird, nicht ist. Ohne bestimmte, entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch, der sich nicht scheiden kann von sich selbst, sich lossagen von allem was ihm geworden und ihm sich entgegensetzen, hat keine Vergangenheit oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Ebenso jene welche immer das Dahingeschwundene zurückwünschen, die sich selbst nicht steigern wollen, indeß Alles (auch das Schlechte) sich steigert und die durch ohnmächtiges Lob voriger Zeiten, wie durch kraftloses Schelten der Gegenwart beweisen, daß sie in ihr nichts zu wirken vermögen. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen das Bewußtseyn, etwas wie man sagt hinter sich gebracht d.h. als Vergangenheit gesetzt zu habe. Heiter wird ihm nur dadurch die Zukunft und leichter nur unter dieser Bedingung auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat, sich über sich selbst zu erheben, ist fähig eine wahre Vergangenheit sich zu erschaffen, ebendieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart wie er allein einer eigentlichen Zukunft entgegensieht und schon aus diesen sittlichen Betrachtungen würde hervorleuchten, daß Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht bloße Verhältnißbegriffe einer und der nämlichen Zeit, daß sie Begriffe wirklich verschiedner Zeiten sind.
Wäre zwischen den Zeiten keine Steigerung, ginge dieselbe Zeit, welche wir die gegenwärtige nennen, in’s Unbestimmte fort; so müßten wir der Meynung beypflichten, nach welcher die Welt eine in’s Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen ist ohne wahren Anfang und eigentliches Ende ein Ungedanke der mit dem todten Ganzen, zu dem er gehört, zugleich verschwinden muß.
Wäre jedoch bewährt in jedem Sinn die alte Rede: Nichts Neues ereignet sich unter der Sonne
; wäre auf die Frage: Was ist’s das geschehen ist? noch immer jene Antwort die richtige: Eben das, was hernach geschehen wird
, und auf die: Was ist’s das man thun wird? Ebendas man zuvor auch gethan
, so würde daraus nur dieses folgen, daß die Welt in sich keine wahre Vergangenheit hat und keine eigentliche Zukunft; daß alles was in ihr von Anbeginn geschehen ist und was bis zum Ende geschehen wird, nur zu Einer großen Zeit gehört, daß also die Zeit dieser Welt überhaupt nur eine bestimmte Zeit ist. Aber eben weil nur Eine setzt sie die zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraus. Die wahre Vergangenheit ist die Zeit, die vor der Welt war, die eigentliche Zukunft die nach dieser Welt seyn wird, und so würde sich uns ein System von Zeiten entfalten, von dem unsre gewöhnliche menschliche Zeitrechnung nur ein Schatten wäre.
Aber auch jene unmittelbar vorweltliche, der Gegenwart zu Grunde gelegte Zeit ist doch nur eine Zeit, die wieder andre Zeiten vor und außer sich voraussetzen kann, und so ist, wollen wir einmal auf den Grund kommen, kein Stillstand der Forschung, bevor wir bis zum schlechthin ersten Anfang gelangt sind.
Alle Zeit ist ihrer Natur nach anfänglich, und umgekehrt, wo Anfang ist, da ist auch Mittel und End’, also eine vom Anfang in’s Ende fortschreitende Bewegung d.h. Zeit. Zu jeder Bewegung sind drey Unterschiede ein Ort, den sie verläßt, einen nach dem sie hingeht, und einen der beyde vermittelt. Der Anfangspunct (terminus a quo) ist nicht die bloße leere Stätte des Ausgangs, im Gegentheil er muß gedacht werden als Verneinung der Bewegung; die wirklich geschehende als Überwindung dieser Verneinung. Ist sie noch im Geschehen, so ist der Anfangspunct als Vergangenheit gesetzt nicht schlechthin zwar aber sofern er die Verneinung der Bewegung war, der Punct auf den sie hinstrebt erscheint als Zukunft, der beyde vermittelnde als Gegenwart.
Der schlechthin erste Anfang ist darum auch nothwendig Anfang aller Zeit. Begreiflich nun, da in ihm erst Zeit beginnt, kann er selbst nicht wieder ein zeitlicher, nur ein an sich ewiger Anfang seyn; ein Anfang der heute nicht weniger ewig seyn würde als vor undenklichen Zeiten und in unermeßliche Ferne zurückgesetzt nicht ewiger wäre als er auch heute seyn würde.
Vor dem Anfang läßt sich aber auch schlechthin kein Wirken, also keine Wirklichkeit denken. Ein Wirken, das weder etwas Festes hätte von dem es ausginge noch ein bestimmtes Ziel und Ende, deß es begehrte, wäre ein völlig unendliches, unbestimmtes, also kein wirkliches und als solches zu unterscheidendes Wirken. Daher selbst der lebendige (wirkliche) Gott von sich redet, nicht wie die allgemeine Lehre lautet: Ich bin Anfang und Ende, sondern Ich selbst bin der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte
.
Dennoch um den Anfang denken zu können müssen wir etwas vor dem Anfang denken. Natürlich nun kann es nicht Wirkendes, also auch kein wirklich (actu) Seyendes seyn. Doch ebenso wenig ein Nichtseyendes. Was denn also? Die Gedankenlosigkeit antwortet: das Nichts, und wenn sie unter diesem nicht eben das Nichtseyende verstünde, träfe sie es besser in der Rede als sie weiß. Wohl ist es das Nichts, aber wie die lautere Freyheit das Nichts ist, wie der nackte bloße Wille, der Wille sofern er nicht wirklich will sondern schlechthin gleichgültig (in Indifferenz) ist. Freyheit ist der bejahende Begriff dessen, was allein außer und über aller Zeit, also auch allein außer und über allem Anfang ist. Aber
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Vergangenheit ist ein Abgrund, dessen Tiefen der Verstand
Die Meisten wissen von keiner als die in jedem Augenblick sich durch eben diesen vergrößert, selbst noch wird nicht ist. Ohne entschiedene Gegenwart gibt es keine, wie viele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch, der sich nicht scheiden kann von sich selbst hat keine Vergangenheit oder kommt vielmehr nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen, etwas, wie man sagt, hinter sich gebracht d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben, heiter wird ihm nur dadurch die Gegenwart und leicht nur unter dieser Bedingung, auch etwas vor sich zu bringen. Im Leben des Menschen, der sich selbst nicht zu steigern vermag, ist nur Eine Zeit; nur wer die Kraft hat, sich sich selbst zu unterwerfen und ebendarum sich über sich selbst zu erheben, erschafft sich wahre Vergangenheit, eben dieser genießt allein der Gegenwart, wie er allein eine eigentliche Zukunft vor sich sieht. Diese sittlichen Betrachtungen schon würden hinreichen zum Beweis, daß wahre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht nothwendig bloße Verhältnißbegriffe einer und derselben Zeit sind, sondern ihrem wahren Begriff nach wirklich verschiedne Zeiten, da die folgende nicht die bloße Wiederholung oder Fortsetzung, sondern Überwindung und Unterwerfung der vorhergehenden ist.
Diesem Begriff gemäß wird der welcher die nächste und somit eigenste Vergangenheit, nämlich die des eigenen Geschlechts in’s Auge faßt, sogleich erkennen, daß die ganze so genannte geschichtliche nur Eine Zeit ist, die in sich keine wahre Vergangenheit und keine eigentliche Zukunft hat. Ihre wahre Vergangenheit ist die ihr zu Grunde gelegte, die vorgeschichtliche Zeit, ihre wahre Zukunft ist die sie selbst als Vergangenheit setzende, überwindende, die nachgeschichtliche Zeit. In diesem Sinn ist der alte Spruch geredet mit dem die Meisten sich über die eigne Lebensleerheit und Gleichgültigkeit trösten: Es geschieht nichts Neues unter der Sonne
; was ist’s das geschehen ist? Ebendas hernach auch geschehen wird
; was ist’s das man thun wird? Eben das man zuvor auch gethan
. Es ist alles nur Eine Zeit, ob vergangen, ob gegenwärtig ob zukünftig ist gleichviel, denn nichts geht über diese Eine Zeit, die gegenwärtige, hinaus.
Gehen wir über diese nächste Vergangenheit hinaus, so deutet die allgemeine Dau’rbarkeit der Erde, die starre Fertigkeit ihrer leblosen Bildungen, die Unveränderlichkeit der stets wiederkehrenden Formen, in der lebendigen Natur, der regelmäßige Cirkel allgemeiner Erscheinungen, der gleichförmige Lauf der Gestirne selbst, dieß alles deutet auf ein stillstehendes Ganzes; aber eben, weil nur auf Stillstand, weist es auf eine frühere Bewegung zurück, durch die alles erst geworden; auf eine Folge von Zeiten, die nur durch irgend einen Zauber angehalten oder in den eigenen Netzen gefangen, jetzt in diese Eine Zeit festgebannt ist, deren Kreis nichts zu überschreiten vermag. Der Erde selbst und dem mächtigsten Theil ihrer Bildungen muß ein unbestimmbar höheres Alter zugeschrieben werden, als dem Geschlecht der Pflanzen und der Thiere, diesen wieder ein höheres, als dem Geschlecht der Menschen. Wir sehen eine Reihe von Zeiten, da je die folgende die vorhergehende zudeckte, eines ist immer auf das andre gesetzt, eins dem andern zu Grunde gelegt, nicht ohne in dieser Unterwerfung selbst verwandelt zu werden, nirgends zeigt sich etwas, das man als ein ursprüngliches entdecken könnte.
Und diese Folge von Veränderungen, deren Spuren und Denkmäler die Erde selbst aufbewahrt, hat sie nicht allein oder für sich, sondern als Glied eines höheren Ganzen und im Zusammenhange mit demselben erlitten, woraus folgt, daß nicht die Erde allein sondern die ganze sichtbare Welt ein Werk aufeinanderfolgender Zeiten ist.
Auflistung II-III
Begriffe: Ursprünglich Seyendes, Einheit, Zweyheit; Können/Müssen
Inhalt: »Nur durch + -«
Inhalt: »die vollkommne Lauterkeit wird gesucht«
Inhalt: »der Unterschied zwischen künstlicher und gemachter, und zwischen der wirklichen, lebendigen Wiss.«
Sonstiges: vgl. NL 79
Dem ältesten Denken, ja dem ersten, ebendarum lautersten Gefühl des Menschen, konnte in Ansehung der Wirkungen des Seyns nicht entgehen, zuerst, daß alles Seyn beschränkend ist
Begriffe: Gebrechlichkeit des Seyns, Trauer
Auflistung 1-10
Begriffe: Schlechthin voraussetzen, Subject des Seyns, A0
Soviel also von dem Unterschied der wahren und der scheinbaren, der wesentlichen und der nichtwesentlichen Zeit im allgemeinen.
Über die Welt kennt man die alte Rede: nichts Neues begibt sich unter der Sonne
. Was ist’s das geschehen ist? Eben das hernach geschehen wird
. Was ist’s das man gethan hat? Eben das man zuvor auch gethan
. Was heißt dieß anders, als: die Welt (diese versteht sich) ist nur die beständige Wiederholung Einer und der selben Zeit; ob vergangen, ob gegenwärtig, ob zukünftig alles ist gleichgültig in ihr und doch nur Eine Zeit, in die sie eingeschlossen oder vielmehr sie selbst ist. Welt und Zeit ist in den morgenländischen und der nach ihnen geformten griechischen, vielleicht auch im deutschen Ein Wort.
Ist nun die Welt (diese versteht sich) eine solche einzelne Zeit, deren Dauer bloß in dem beständigen Wiedersetzen ihrer selbst besteht, und versteht man unter Zeit überhaupt nur die durch eben diese beständige Wiederholung entstehende Zeit: so ist ganz richtig geredet, daß die Zeit nicht über die Welt hinausreiche. Denn gegen diese Zeit verhält sich die Welt als das Bleibende, als eine Ewigkeit; diese Zeit kann die Welt nicht begreifen, denn die Welt ist vielmehr ihr Vorausgesetztes (Prius) und frey gegen sie.
Aber der tiefer sieht kehrt den Schluß um. Eben weil diese Welt nur die beständige Wiederholung Einer und der selben Zeit ist, in ihr also nur eine scheinbare Zeit ist: eben weil die wahre Zeit, die Zeit selbst in ihr nicht fortschreitet, vielmehr still liegt, angehalten, und wie im eignen Netz gefangen ist: eben darum muß die wahre Zeit über die Welt hinausreichen, eben darum ist diese Welt selbst nur ein Glied der wahren, wirklich fortschreitenden Zeit; ebendarum kann diese Zeit, welche wir die gegenwärtige nennen nicht in’s Endlose zurück und in’s Unbestimmte fort gehen. Eben weil diese Welt ein bloßer Zeit-Umlauf (περίοδος) ist, ohne wahrhaft von der Stelle zu rücken; eben, weil nur Eine Zeit, setzt sie andere Zeiten außer sich voraus; die wahre Vergangenheit sind die Zeiten vor der Welt, die wahre Zukunft die nach der Welt seyn werden, und so erheben wir uns endlich zum Begriff von Welt-Zeiten, Welt-Alter, oder wie sie die Schrift nennt χρόνοις αἰωνίοις
, ein Ausdruck der sich durch Zeiten der Welt mit Luther, oder mit einer auch sonst nicht ungebräuchlichen Wortverbindung durch ewige Zeiten ausdrücken läßt. Denn ewig sind sie als die zu der Zeit innerhalb der Welt nicht gehören sondern diese weit übertreffen; ewig aber in diesem Gegensatz hören sie darum nicht auf, an sich selbst auch Zeiten zu seyn.
Dieser Welt-Zeiten, welche eigentlich allein die wahren Zeiten sind, gleichsam die Urzahlen, durch deren Wiederholung im Einzelnen die scheinbare Zeit, durch deren Bewegung im Ganzen die unbedingte (absolute) Zeit gesetzt ist, kann nothwendig nur eine bestimmte und endliche Zahl seyn. Denn indeß die bloß zählende Zeit ihrer Natur nach gränzenlos ist (nicht, daß nicht in jedem Zeit-Raum, den die bestimmte Zeit =A einnimmt, auch eine bestimmte Zahl von Wiederholungen derselben wäre, sondern weil die Beschränkung dieser Wiederholungen ohne inneren Grund, als bloß zufällig erscheint wie die Reihe |+|+| ihrer Natur nach in’s Endlose gehen könnte) so muß dagegen die wahre, die vollkommene Zeit in einer bestimmten Zahl von Zeiten gefaßt seyn, weil diese Zeiten nicht gleichgültige, sondern von einander wesentlich verschiedene sind und nothwendig auf ein letztes Ziel der Vollkommenheit hinauslaufen. Das Vollkommene ist überall, das Maß und Zahl in sich selbst hat, dagegen, wie dasselbe alte Buch sich ausdrückt, kann krumm nicht schlecht (gerad’) werden, noch der Fehl (das an sich Fehlende) seinem Wesen nach Mangelhafte gezählt werden
.
Niemand wird läugnen, daß der wissenschaftlichen Erkenntniß der Erde ein großes Licht aufgegangen, seit man sie als ein Werk verschiedener und von einander abgesetzter Zeiten betrachtet, und angefangen hat, diese Zeiten zu unterscheiden. Mögen auch diese Unterscheidungen, bis jetzt noch, sehr im Allgemeinen geblieben und unsere Kenntniße ja Begriffe, von den Vorgängen oder Processen, welche eine jede dieser Zeiten unterscheiden noch so unbestimmt und schwankend seyn, der Weg ist doch gebrochen und die Möglichkeit gegeben, das was als ein Todtes, Stillstehendes vor uns lag in ein Bewegliches und Lebendiges zu verwandeln. Ja diese, jetzt nur in Andeutungen vorhandene Geschichte der Erde wird noch zum Strom anschwellen, der alles in sich aufnimmt; auch die bis jetzt nur vorausgesetzten und gleichsam als ewig angenommenen Kräfte müssen noch in die Zeit lebendig eintreten, da sie den nicht gleichen, so auch nicht gleichzeitigen Theil an der Bildung des Ganzen genommen. Da, wo in einer undenklichen Folge von Zeiten je die spätere die frühere zugedeckt hat, eins immer auf das andre gesetzt, eins dem andern zu Grunde gelegt worden, nicht ohne in dieser Unterwerfung selbst verwandelt zu werden; in einem Ganzen, darinn alles und jedes den Abdruck rhythmisch sich folgender Zeiten zeigt, kann nichts einzeln, nichts für sich genommen werden; auch das Kleinste muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Alles ist nur Werk der Zeit und nur die Zeit, zu der jedes gehört, ertheilt ihm Eigenthümlichkeit und Bedeutung.
Sollte es nun mit dem Weltall anders seyn, und dieses von dem die Erde doch nur ein kleines Glied ist, nicht ebenso wie diese nur durch eine Folge von Umstürzen geworden seyn, das es ist? Die Welt hat wahrhaftig nicht das Ansehen eines Werks der reinen Vernunft oder eines Ausflusses ewiger Wahrheiten, oder einer friedlichen Auswickelung erster Begriffe. Wer auch nur die Beschaffenheit des Gegenwärtigen erkennt, muß eine Geschichte als Erklärung vermuthen, in der, wie in jeder, Scenen des Kriegs und des Friedens, Gefahr und Errettung wechseln, wo nicht reine Nothwendigkeit, sondern Freyheit, Willkühr und Zufall mit im Spiel waren. Davon kommt die alte Rede, die Vernunft könne die Geheimnisse Gottes nicht begreifen, weil sie nur das Nothwendige und Bleibende erkennt. Der Wahn, Völker und Staaten, Verfassungen aus dem Stegreif geben zu können, bleibt unsrer Zeit aufbehalten, wie der nur durch die Unwissenheit entschuldbare Hohn, Völker zu Verfassungen aufzufodern, denen man zugleich das Recht an ihrer Vergangenheit abgesprochen. Was könnte in der gepriesensten Verfassung neuerer Zeit jene wunderlich gemischten Elemente, jene nicht zu berechnenden Verwicklungen und zu Vorzügen gewordene Fehler anders hervorbringen als die Zeit? Und der allgemeinen Weltverfassung sollte man denken, mit reiner Vernunft, oder Allgemeinbegriffen auf den Grund zu sehen?
Auch nicht ein Räthsel ist die Welt, dessen Auflösung in einem einzigen Wort läge. Nur die vollständige Geschichte enthält auch die vollständige Erklärung. Die Wahrheit ist, wie in einem tiefen Brunnen begraben
, sagte jener Alte; aber um auch nur das geringste Stück aus dem gegenwärtigen Ganzen wissenschaftlich
Die Eine große Zeit zu der alles gehört, was von Anfang der Welt innerhalb ihr gesch˖[ieht] und gesch˖[ehen] wird, nennen wir als die noch jetzt daur˖[ende] Zeit die Gegenwart schlechthin, ohne uns darüber zu erkl˖[ären] ob in ihr eine wahrh˖[afte] eigentliche Gegenwart, Gegenwärtigkeit sey.
Die Zeit der fortd˖[aurenden] Entw˖[icklung] vom ersten Anbeg˖[inn] bis zum letzten Ziel, nennen wir die Zeit der Gegenwart, und zwar im einfachsten Verstande
Die Entw˖[icklung] der Gegenwart aber zwey Seiten; die Natur und die Geisterwelt. Aber auch sie beyde wieder eine große Vergangenheit.
Die Entwicklungen nicht nur in der Natur sondern auch in der Geisterwelt.
Da wir aber einmal an die Natur gebunden sind, so daß nur durch sie obj˖[ectiv] in die Geisterw˖[elt] gelangen, so auch Wissensch˖[aft] durch sie hindurchgehen.
Die Geschichte der Gegenw˖[art], unter welcher wir nichts anders verstehen als die jetzt noch daurende Zeit, fangen alle Erzählungen der Vorzeit, wie es dem menschlichen Standpunkt ganz gemäß ist, von der Erde an. (Denn obgleich diese ein kleiner Theil der ges˖[ammten] Natur, so wie diese nur die eine Seite des in der Gegenw˖[art] sich entw˖[ickelnden] Ganzen ist.) Sie
Der Anfang der Gegenw˖[art] ist mit dem Anfang der Zeit selbst Eins. Denn weil die Zeit nicht eher anfangen kann, als nachdem die Vergang˖[enheit] gesetzt wird, ebendamit aber auch die Gegenw˖[art] als der Überg˖[ang] von der Verg˖[angenheit] zur Zuk˖[unft] beginnt, so ist der Anfang der Gegenw˖[art] die Zeit s˖[elbst], so daß wir die Gegenw˖[art] auch wohl die Zeit überhaupt nennen könnten wie es häufig geschehen. Also fängt mit der Gesch˖[ichte] der Gegenw˖[art] eigentlich erst auch die Gesch[ichte] der Zeit als solcher an – wie sie mit ihr auch aufhört (wird keine Zeit mehr seyn). Die Gesch˖[ichte] der eig˖[entlichen] Zeit fangen alle Erz[äh]lungen an mit dem urersten Zustand der Erde. Dieß sie erst (weil Zeit immer aus d. Entg. und Auseinanderh˖[alten] von Verg˖[angenheit] und Zuk˖[unft] durch die Gegenwart besteht, so eig˖[entlich] die Gegenw˖[art] die leb˖[endige] Zeit. Wäre nicht das Auseinanderh˖[alten] so wäre nicht Gegenw˖[art] (in dem Sinne wie wir dieß Wort hier nehmen) und nicht Zeit also p.)
Briefentwurf vom 24.04.1811
Rechnungen, Zeichnungen, philosophische Notizen
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Wissenschaft ist schon der Wortbedeutung nach Historie (ἱστορία). Uralter Lehre zufolge besteht alles Wissen in Erinnerung und bezieht sich daher unmittelbar auf Vergangenheit. Wäre jedoch das Gegenwärtige aus dem Vergangenen, das Zukünftige aus beyden in geschichtlicher Folge herzuleiten: so würden auch Erkenntniß und Ahndung zu Wissenschaft sich je steigern.
Umfassende Wissenschaft also ist, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aber in einer Verkettung und Folge begreift. Vollendete Wissenschaft muß bis zum ersten Anfang aufsteigen und bis zum Ende hinausgehen. Denn ohne den Anfang läßt sich auch Mittel und Ende einer Sache nicht verstehen, und was im Beginn und Fortgang eigentlich war, wird erst im Ziel erkannt.
Kein Begriff liegt seit längerer Zeit in größerer Geringschätzung als der der Zeit und bemerkenswerth ist, wie eben in der gewaltigsten Zeit die schwächsten Ansichten von der Zeit aufgekommen. Aber ohne Aufhellung dieses Begriffs wird sich niemals eine verständliche Entwickelung der Wissenschaft denken lassen, und es liegt der Grund des allgemeinen Mißverstehens und der in allen Begriffen fühlbaren Stockung eben in nichts andrem, als den ungewissen, schwankenden oder irrigen Begriffen von der Zeit. Auch die Wissenschaft kann die freye Bewegung nicht wieder finden, ehe die Pulse der Zeit wieder lebendig schlagen. Der jetzt herrschende Begriff kennt keine Zeiten, sondern nur eine leere, abgezogene Form von Zeit, eine gewisse allgemeine Zeit, die er die Zeit schlechthin nennt. Von dieser ist es richtig geredet, daß sie nur eine Form unsrer Vorstellungen ist, richtiger wäre zu sagen, daß sie ein bloßes Gedankending ist. Schon längst wäre nicht für solche abgezogene Untersuchungen die Zeit vorübergeeilt, könnte verdienstlich scheinen, Wesen und Schein in der Zeit zu scheiden, das Unwahre abzuthun damit das Wahre erschiene. Bey dem jetzigen Stand der Wissenschaft verlangen wir alles gleich in Leben und That zu sehen und handeln die großen Gegenstände nicht mehr einzeln, capitelweis’ ab. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis in’s Kleinste gehenden Organismus. Wir sind überzeugt (oder wer ist es nicht?) daß jedem Ereigniß, jeder That ihr Tag ihre Stunde ja ihr Augenblick bestimmt ist und daß sie kein Nu früher an’s Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche die Zeiten anhält und mäßigt. Diese Tiefen der Zeiten zu durchschauen ist freylich nicht Sache des Menschen; wohl aber scheint die Zeit gekommen, das System der Zeiten in seinem weitesten Umfang zu enthüllen.
Vergangenheit, ein ernster Begriff, allen gemein und nur wenigen verstanden! Die Meisten wissen von keiner, als die sich in jedem verfließenden Augenblick durch eben diesen vergrößert, selbst noch wird nicht ist. Ohne bestimmte entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch, der sich nicht scheiden kann von sich selbst, sich lossagen von allem was ihm geworden und ihm sich entgegensetzen, hat keine Vergangenheit oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Ebenso jene, welche immer das Dahingeschwundene zurückwünschen, die sich selbst nicht steigern wollen, indeß Alles (auch das Schlechte) sich steigert und die durch ohnmächtiges Lob voriger Zeiten wie durch haltloses Schelten der Gegenwart zeigen, daß sie in dieser nichts zu wirken vermögen. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen das Bewußtseyn, Etwas wie man sagt hinter sich gebracht d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Zukunft und leicht nur unter dieser Bedingung auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat, sich über sich selbst zu erheben ist fähig eine wahre Vergangenheit sich zu erschaffen, eben dieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er allein einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen, sittlichen, Betrachtungen würde hervorleuchten, daß Vergangenheit Gegenwart und Zukunft nicht bloße Verhältnißbegriffe einer und der nämlichen Zeit, daß sie Begriffe wirklich verschiedener Zeiten sind.
Wäre zwischen den Zeiten keine Steigerung, ginge dieselbe Zeit, die wir die gegenwärtige nennen, bedeutungslos, in’s Unbestimmte fort: so müßten wir denen beypflichten, welche die Welt für eine in’s Unabsehliche auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen ansehen, ohne wahren Anfang und ohne eigentliches Ende; ein Ungedanke, der mit dem unlebendigen Ganzen, zu dem er gehört, zugleich verschwinden muß.
Wäre jedoch bewährt in jedem Sinn die alte Rede: Nichts Neues ereigne sich unter der Sonne
; wäre auf die Frage: Was ist’s das geschehen ist? noch immer jene Antwort die richtige: Eben das, was hernach geschehen wird
; und auf die: Was ist’s das man thun wird? Eben das man zuvor auch gethan
so würde daraus doch nur dieses folgen, daß die Welt an sich keine wahre Vergangenheit hat, und keine eigentliche Zukunft; daß alles was in ihr von Beginn geschehen ist und was bis zum Ende geschehen wird nur zu Einer großen Zeit gehört, daß also die Zeit dieser Welt überhaupt nur eine bestimmte Zeit ist. Aber eben weil nur Eine, setzt sie die zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraus. Die wahre Vergangenheit ist die Zeit die vor der Welt war, die wahre Zukunft die nach der Welt seyn wird; und so würde sich uns ein System von Zeiten entfalten, wovon das unsrer gewöhnlichen Zeitrechnung ein bloßer Schatten wäre.
Aber wollen wir einmal auf den Grund und bis auf die älteste Vergangenheit zurückgehn, können wir auch bey jener unmittelbar vorweltlichen Zeit nicht stillstehen. Denn jedes lebendige Daseyn ruht schon als solches wie jede Gegenwart auf einer überwundnen Vergangenheit.
Wer nach dem verlangt, was schlechthin und in jedem Betracht zeitlos ist, der muß das suchen, das außer und über allem Daseyn ist. Es ist nur Ein Laut in allen höheren und besseren Lehren, daß das schlechthin Höchste (was also auch das Höchste in Gott selbst ist, gleichsam die Gottheit in Gott) über allem Seyn ist. Einem jeden von uns wohnt das Gefühl bey, daß alles Seyn entweder unmittelbar mit der Nothwendigkeit verwickelt, oder doch in einem Verhältniß zu ihr ist. Nur, was auch nicht einmal als seyend ausgesprochen werden kann, lebt in übernatürlicher, ja wie wir fast sagen könnten übergöttlicher Freyheit.
Natürlich aber, wenn nicht als ein Seyendes (oder Subject in der gewöhnlichen Sprache) ist es ebenso wenig als ein nicht Seyendes (als bloß leidendes Seyn oder Object) auszusprechen; vielmehr als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende.
Den Meisten, die die Freyheit nie empfunden, scheint es das Höchste ein Seyendes zu seyn; daher fragen sie, was denn über allem Seyn, als weder Seyendes (Subj˖[ect]) noch nicht Seyendes (Object) gedacht werden könne? Die Unwissenheit antwortet das Nichts, worunter sie das gemeine versteht. Die Wahrheit aber ist, daß es weder Etwas (d.h. ein Seyendes) noch Nichts (so wenig ein Seyendes als ein Nichtseyendes) ist, oder in der umgekehrten, wie wohl minder guten Wendung daß es sowohl Nichts (nicht Etwas) als Etwas (nicht Nichts) ist.
Begriffe: das Seyende selbst, das Überseyende, lautere Freyheit zu seyn, Subject, Prädicat
Nun begreift sich von selbst, wie man eigentlich in diesem Ganzen nichts verstehen könne, ohne es als Glied jener großen Bewegung zu begreifen. Denn alles in demselben ist nur ein Werk der Zeit, und nur die Zeit zu der ein jedes gehört, ertheilt ihm seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung. In einem Ganzen, darinn alles und jedes den Abdruck rhythmisch folgender Zeiten trägt, kann nichts einzeln, nichts für sich genommen werden. Auch das Kleinste bis zum Sandkorn hinab muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Die Eigenheiten einer ausgezeichneten menschlichen Persönlichkeit sind uns oft unbegreiflich, bevor wir die besondren Umstände erfahren, unter denen sie geworden ist und sich gebildet hat. Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Entstehung auf die Spur gekommen sind. Wie vielmehr muß dieß bey einem so vielfach zusammengesetzten Individuum, als schon die Erde ist, der Fall seyn! Welche ganz andre Verwicklungen müssen hier stattfinden!
Aber auch diese Bewegung, und wenn sie in Gedanken auf das ganze sichtbare Weltall ausgedehnt wird, ist doch nur ein Theil einer weit größeren und allgemeineren Bewegung. Sey es, daß sie im Menschen ihr beruhigendes Ziel gefunden oder daß durch irgend einen von ihm ausgegangenen Zauber eine Stockung in sie gekommen: mit ihm trat der Stillstand ein; von nun an blieben die leblosen Gebilde wie von ewiger Vergangenheit festgehalten in starre Bande gefesselt; von nun an treibt die Pflanze immerfort Frucht und Samen, aber immer wieder nur um ihresgleichen zu erzeugen; ein Geschlecht vergeht, ein andres ihm völlig ähnliches kommt, und ob alles sich müht und regt wird doch nichts Neues und alles bleibt in dem einmal vorgeschriebenen Cirkel eingeschlossen. Anders der Mensch. In ihm treibt eine neue Welt; eine andre Bewegung beginnt, die ihr Ende noch lange nicht gefunden. Indeß alle die andren Werke der Erde ruhen und ohne Hoffnung oder Zukunft sind, lebt in ihm das Gefühl einer gewissen, wenn auch unbekannten Zukunft; und indeß er den einen Theil seines Wesens selbst der allgemeinen Vergangenheit preis gibt, regt sich in dem andern eine andre eine höhere Zeit; ja die Natur selbst, da sie doch nicht bleiben kann, scheint auf ihn zu blicken als den, durch welchen auch sie hinübergeführt werden soll in eine andre und höhere Zeit.
Der Mensch ist mit der Inbrunst einer allgemeinen Liebe geboren; und wie er liebend auch die Natur umfaßt, die ganze Schöpfung sichtbare und unsichtbare in ihren letzten Schicksalen verschwistert wünscht: so verlangt er auch Eine Kraft und Einen Willen, als Anheber und Vater des Lebens in beyden Welten. Konnte es ihm also wichtig seyn jene Naturbewegung zu begreifen, so muß es ihm noch wichtiger seyn, die allgemeine Bewegung zu verstehen, von der jene nur ein Theil ist die noch jetzt fortdauert und bald mehr bald weniger merklich aber immer unwiderstehlich alles nach einem bestimmten Ziel hinlenkt, also auch von einem bestimmten Punct ausgegangen seyn muß; jenen großen Hergang, in den er sich selbst verschlungen fühlt und der einem Strom gleich den Wollenden hebt und trägt, den Nichtwollenden fortreißt
. Denn so wenig es in seiner Macht steht, diesem Fortgang eine andre Richtung zu geben oder ihn aufzuhalten, so wenig kann es seine Bestimmung seyn, blind und besinnungslos wie ein todtes Stück Materie mit fortgetrieben zu werden; im Gegentheil ist er aufgefodert, diesen ungeheuren Hergang verstehen zu lernen, um so einestheils das Unvermeidliche willig zu tragen und sich vom Bösen das ihn als augenblickliche Hemmung begleitet, als ein freyes Wesen, das sich geben und sich nehmen kann, rein zu erhalten, anderntheils aber der erkannten Endabsicht dieser Bewegung förderlich zu seyn und so hinwiederum von ihr gefördert zu werden.
Was indeß den Engel des Angesichts oder den Engel Jehova insbesondre betrifft, unter dem unsre treuherzigen Alten, obwohl ebenfalls gegen alle Analogie die zweyte Person der Gottheit verstanden glauben wir, daß damit vorzugsweise jenes unmittelbare Werkzeug der Gottheit die Seele (A3) angedeutet werde. So erklärt ihn auch der Verfasser des Buchs der Weisheit, der in offenbarer Beziehung auf die Worte: Ich will meinen Engel vor dir hersenden
, die Erlösung des Volks aus Ägypten und seine Führung durch die Wüste der himmlischen Weisheit
(K. 10,15. s.) zuschreibt, welche wie wir bald sehen werden Eins ist mit jener allgemeinen Seele.
Diese kurze Darstellung mag denn wohl hinreichen, Philosophen sowohl als unsre, schon lange nach der Philosophie der Zeit denkenden Theologen zu überzeugen, daß nach den ältesten Urkunden unserer Religion in der göttlichen Individualität noch ganz andre Geheimnisse liegen, als sie in ihrem aufgeklärt sich nennenden, eigentlich aber völlig leeren Theismus wähnen; auch besonders zu zeigen, daß jene Vorstellung von einer noch jenseits der Dreyheit der Personen liegenden Zweyheit in der Einheit des göttlichen Wesens einer ewigen Gegenwart und einer ewigen (ewig dazu werdenden) Vergangenheit in die innersten Fasern der Sprache und der ganzen Vorstellungsweise der alttestamentlichen Schriften verwebt ist, und daß das Neue sie voraussetzt und nur in einzelnen Blicken darauf hindeutet.
Wir kehren jetzt von dieser Abschweifung zurück in den Zusammenhang der Geschichte. Wir verließen jenes uranfängliche Leben in dem Augenblick, da die Nothwendigkeit in ihm durch die Freyheit überwunden, seine erste Unaussprechlichkeit in die Aussprechlichkeit gelöst worden. Die Unaussprechlichkeit beruhte darauf, daß die verschiedenen Kräfte, sich gegenseitig ausschließend wie Glieder unabläßig sich wiederholender Bewegung aneinander hingen also nicht auseinandergebracht, nicht jedes einzelne frey und für sich seyn konnte. Im Augenblick der Geburt, gleichsam in der Berührung des Höchsten treten sie wie durch eine plötzliche Krise auseinander, eine jede an ihren Ort in ihre eigne Potenz. Aber die Nothwendigkeit ist durch die Freyheit besiegt nicht vernichtet. Der Trieb zu jener Bewegung dauert fort; nur als die blinde besinnungslose ist sie vergangen gesetzt, aber im Augenblick selbst, wo die Kräfte auseinandergesetzt und sich selbst fühlbar werden, empfinden sie auch das Bedürfniß Eins zu seyn und da sie nicht mehr durch eine äußerliche zwingende Nothwendigkeit Eins sind, durch freywillige innere Einheit ein Ganzes zu seyn. Also entsteht unmittelbar in der Scheidung eine neue der vorigen ähnliche Bewegung, die sich von dieser nur dadurch unterscheidet, daß sie freye Lust, Willkühr ist, indeß jene Zwang war und durchaus unwillkührliche Bewegung war.
Das Urbild dieser höchsten freywilligen Einheit ist der ewigen Natur in jener stillen Ewigkeit gegeben, die sie über sich erkennt, und in welcher sie unmittelbar die Seele (A3) mittelbar aber das Ganze durch sie beseelte Wesen ersieht. In Bestand und voller Wirklichkeit kann diese Einheit nur durch den Geist der Ewigkeit erhoben werden, aber noch ruht dieser in sich, als ein lauteres Wollen. Das hier entstehende Leben bleibt also immer noch ein bloß potentielles, keimliches, und vermöge der Unterordung, in die es getreten, innerhalb der bloßen Möglichkeit stehen. Aber eben darum will es jenen ewigen Willen bewegen, daß er sich seiner annehme, es wirklich erkenne und thätig ausspreche als sein eigenes Leben; und zeigt ihm darinn die Einheit im Bild, deren Urbild, aber noch unbewußter Weise in ihm selbst ist.
Es entsteht also auch hier ein bloß bildliches Leben, das zwischen dem Urbild und zwischen der Wirklichkeit in der Mitte schwebt. Doch bevor wir diese Bewegung beschreiben, muß Natur und Art jener innern Einheit und Verschmelzung der Kräfte erkannt seyn.
Jedes Niedere hat in dem zunächst Höheren, seine Einheit, sein Urbild oder daß wir es mit einem volksmäßigen Ausdruck sagen, seinen Himmel. Aber um desselben theilhaftig zu werden muß es den in ihm selbst verschlossenen himmlischen Keim erst enfalten. Dann wann es seinem Höheren entgegenbringt das was in ihm selber jenem ähnlich und himmlisch ist, dann entsteht zwischen beyden ein unmittelbarer Bezug, eine innere Verschmelzung. Das Höchste der untergeordneten Potenz geht unmittelbar in die höhere über, oder ist eigentlich das freywillige Band, das jene mit dieser verknüpft.
Nun haben wir schon im Vorhergehenden zwar nicht ausgesprochen, aber doch angedeutet, wie jedes der untergeordneten für sich wieder dem Ganzen ähnlich und fähig ist, Ganzes zu seyn. Denn in der ersten Potenz (A=B) z.B. ist zuvörderst die verneinende Kraft, die sich als das Vorausgehende (Prius) und in sofern wieder als erste Potenz des bejahenden Wesens verhält, wie denn dieses in der ersten Potenz wieder die zweyte darstellt. Nun sind die beyden Widerstrebenden nicht todt gegeneinander, sondern in einem lebendigen, beweglichen Gegensatz; je mehr sie aber (auf die Art wie es früher gezeigt worden) zu gegenseitiger Freyheit und Unabhängigkeit gelangen, desto mehr thut sich in ihnen ein Innerstes hervor, das schon immer nur stillschweigend und verborgen ihrer Einheit zu Grunde lag, und was in der ersten Potenz sich als die dritte verhält. Dieses Höchste (A3) der Potenz ist nun aber das lebendige Band zwischen ihr und der höheren; und in dem Verhältniß, als dieses in ihr entwickelt wird, gelangt sie zu einer freywilligen, inneren Einheit mit jener.
Dasselbe gilt nun wieder auf dieselbe Art von der höheren Potenz (A2). Denn auch in ihr ist ein beweglicher Gegensatz, auch in ihr ist ein Höchstes, das fähig ist wieder dem noch Höheren (A3) unmittelbares Subject oder Gegenbild zu werden, und so durch einen aus jedem der Untergeordneten für sich entwickelten Einklang kann die freyeste und doch innigste unmittelbare Verbindung zwischen ihnen entstehen, die von dem Untersten bis in’s Höchste geht und alle wahrhaft in Ein Wesen verschmilzt.
Diese Einheit ist es also, welche die ewige Natur in der ewigen Freyheit der Möglichkeit nach erblickt, und gleichwie der bloße Gedanke einer Sache wie sie selbst, der bloße Anblick eines ersehnten Guts wie der wirkliche Besitz zu wirken vermag, so beginnen sie unmittelbar jene freye Bewegung, durch welche diese zukünftige Einheit vorgebildet wird.
Auf’s neue und sich bewußt zieht also wieder die verneinende Kraft das Wesen in sich, um jenes aufschließende geistige Princip zu zeugen, dem sie sich unmittelbar als Stoff (Materie) hingibt. Dieses aber tritt hinwiederum mit ihr in Spannung und lebendigen Gegensatz, um den in ihr verborgenen geistigen Lebenskeim zu entfalten, und sie dadurch selbst in’s Geistige zu verklären.
Das innere geistige Wesen der Materie kann auch derjenige nicht verkennen, der sich mit der bloßen Construction der Materie aus Kräften begnügt, da Kräfte doch unläugbar Unkörperliches, insofern Geistiges sind; und also die dynamische Einsicht schon hinreicht jenen groben Gegensatz zwischen Materie und Geist zu zerstören, der eigentlich nur der mechanischen angehört. In sofern ist auch schon für sich klar, daß der gegenwärtige Zustand der jetzigen Materie nicht ihr ursprünglicher sey kann. Es wird sich vielleicht in der Folge noch zeigen, wie dieser Zustand eben eine Folge der Unterbrechung oder Aufhebung jener leitenden Verbindung mit dem Höheren ist, wo sie dann, wie durch eine isolirende Schicht getrennt von dem, was sie in’s Geistige erhebt, ihrem eignen verfinsternden und coagulirenden Princip anheimfallen mußte. Indeß wohnt auch der jetzigen Materie noch von ihrem Ursprung her die Fähigkeit bey in’s Geistige erhöht zu werden, nur daß dieses durch einen noch vermittelten viel verwickelteren und langsameren Proceß geschehen muß, und wo sie nur von jenem äußeren Druck einigermaßen erlöst, zeigt sich obwohl unter beständiger Veränderlichkeit jenes Innerste, das weder Leibliches noch Geistiges sondern zwischen beyden (A und B) in der Mitte stehend, als ein geistig-leibliches Wesen, erscheint.
Wer einigermaßen seyn Aug für die freye Betrachtung natürlicher Dinge geübt, weiß, daß sie nicht durch dasjenige allein ausgezeichnet sind, was zu ihrem Daseyn schlechthin nothwendig erfodert wird; es ist auch noch ein Anderes in ihnen und um sie, das ihnen erst den vollen Glanz und Schein des Lebens ertheilt: ein Überflüssiges spielt gleichsam um sie und umströmt sie als ein zwar ungreifliches aber doch nicht unmerkliches Wesen. Es ist zugleich das Offenbarste und Verborgenste. Sollte dieses durchblickende durchscheinende Wesen nicht eben jene innre geistige Materie seyn, die noch in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt und nur auf ihre Befreyung wartet. Unter den körperlichsten Dingen wurden vorzugsweise die Metalle deren eigenthümlicher Glanz von jeher den Blick der Menschen bezauberte als einzelne in der Materie aufglimmende Lichtfunken dieses Wesens betrachtet; aber wie ein allgemeiner Instinct ahndete es im Gold, das durch die mehr leidenden Eigenschaften, die fast unendliche Ausdehnsamkeit und die Weichheit und fleischähnliche Zartheit, dieses mit der größten Unzerstörlichkeit verbindet, das dem geistig-leiblichen Wesen verwandteste schien, und das sogar durch eines jener scheinbar zufälligen Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben von allen Völkern zur Bezeichnung des glücklichen Weltalters der ruhigen Eintracht aller Dinge gebraucht worden.
Doch natürlich am meisten in der organischen Schöpfung nähert sich dieß geistig-leibliche Wesen der Wiedergeburt. Es ist das Oel, wovon das Grün der Pflanzen gesättigt wird, der Balsam des Lebens, wovon die Gesundheit ihren Ursprung hat; es ist erkennbar im Durchscheinenden des Fleisches und der Augen in jenem unläugbar physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig, befreyend auf uns wirkt, ja unstreitig selbst in dem Unfaßlichen, das in der höchsten Verklärung menschlicher Leibhaftigkeit als Anmuth überströmt und von der Barbar selbst unwillkürlich gerührt wird, wie das Erstaunen, in welches vollendete Schönheit den Gebildeten setzt, großentheils in dem dunklen Gefühl liegt, daß sie uns die Materie in ihrem göttlichen und Urzustand vor Augen bringt. Ja als wäre es der Gegenstand der ursprünglichen Liebe, so zieht es auch jetzt eigentlich die Liebe an sich, und ist weil immer nur sich zeigend aber nie zu ergreifen noch zu besitzen, das eigentliche Ziel der nie gesättigten Neigung.
Nur ein solches, geist-leibliches Wesen kann es seyn, das zwischen Geist und Körper vermittelndes Glied, ewig lebendiges Band ist. Alle noch so künstlich ersonnene Systeme zwischen Geist und Körper lassen den Stachel des Zweifels zurück; das einzig dem natürlichen Denken gemäße bleibt jenes Verschmähte des sogenannten physischen Einflusses, das freylich verlassen werden mußte, nachdem Geist und Körper in einen unheilbaren, keine Annäherung zwischen beyden zulassenden, Gegensatz gebracht worden. Es ist wahrhaft Ein und dasselbe, das von der Einen Seite in’s Leibliche von der andern in ein geistiges Wesen ausgeht, und der ganze Lebensproceß scheint nur auf dieser Zweyseitigkeit dessen zu beruhen, was wir
Potenzenlehre, Briefentwurf
Das Erste Buch. Die Vergangenheit.
Schwer ist
, wie der Fürst der Geschichtschr˖[eibung] sagt, mit Maß reden und
. Denn die Kundigen oder der Sache Wohlwollenden werden leicht ein oder das andre schwächer, als sie wünschen oder meynen, ausgedrückt finden. Die andern aber, wenn ihnen etwas über ihre Natur zu hören angemuthet, finden gleich Übertreibung. So werden vielleicht einige den Begriff des Werks ausschweifend und unausführbar halten. Denn ich habe mir vorgesetzt, die Geschichte der Vergangenh[eit] zu beschr[eiben], nicht vom Ursprung der Menschheit auf die gegenw˖[ärtige] Zeit, welche der Umfang der insgemein sogen˖[annten] Historie ist, noch von den Anfängen der Erde bis auf die Entstehung der Menschen, welches die Aufg˖[abe] einer noch höher hinaufsteig˖[enden] Historie seyn würde, sondern von den Vorzeiten der Welt bis auf die Zeiten ders˖[elben], welche obwohl oftmals, doch nie so ausdrücklich versucht und auch noch nie geleistet worden ist. Sodann weiß ich wohl, daß wie es ja in irgend einem Sinne geleistet werden sollte dieß auf Wegen geschehen kann, die den Meisten fremd sind und die gegen ihre angenommene
Denke ich mir aber auch alle Gerechtigkeit von Seiten des Lesers erfüllt, so fühle ich, wie wohlthätig ja wie nöthig einem solchen Unternehmen das Anschließen an ein schon bekanntes Ehrwürdiges ist, an irgend eine höher beglaubigte Überlieferung, dergleichen an den höchsten Puncten und Gipfeln seiner Aussprüche auch Platon ja immer herbeyführt. Der Autor benimmt schon dadurch dem Leser die nachtheilige Meynung, als wollte er das alles nur aus dem eignen Kopf gesponnen haben, und nur eine selbsterfundene Weisheit ihm mittheilen; er versetzt ihn aus der Anstrengung und Spannung, die diese Meynung immer erzeugt, in die der Forschung so vortheilhafte Ruhe und Freyheit.
Wo hätte ich nun für dieses Werk jene Überlieferung eher finden können, als in den heilig genannten und wahrhaft heiligen Urkunden, den einzigen Urkunden, die einen vom Anfang bis zum Ende der Dinge hinausreichenden Plan der Welt- und Menschengeschichte eröffnen. Woraus sich erklären also wird, warum im ganzen Verlauf der Untersuchung jene Schriften gewissermaßen die Grundlage bilden auf die sie beständig zurückgeht. Denn wenn der Verfasser ebenso oft auf die Indischen Schriften,
Bemühungen Versuchen diesen Übergang zu erklären, sollte man jetzt wenigstens zu der Überzeugung gekommen seyn, daß es unmöglich ist, das Höchste auch zum Ersten, das Anfanglose zugleich zum Anfang zu machen.
Aber vielleicht ist jene Voraussetzung selbst falsch; das Ewige war nie in jener Verborgenheit sondern von Ewigkeit immer und nothwendig geoffenbart. Ob es schon dem natürlichen Gefühl widerstrebt, das was man von jeher als die freywilligste That zu betrachten gewohnt war, die Offenbarung, als etwas Nothwendiges zu denken, so hat doch diese Meynung einigen Schein vor sich, wenn man die alte Erklärung dazu nimmt, nach welcher alles Daseyn eigentlich nur eine Offenbarung seiner selbst ist. Hier kommt denn der der neueren Philosophie eigenthümliche Begriff hinzu: Gott sey ein nothwendig existirendes Wesen, also auch alles zumal, ohne Bewegung, Folge oder Werden.
Dieser Begriff nun läßt zwar, wie sich zeigen wird, einen doppelten Sinn zu; geht man aber seinem Herkommen nach, so findet man daß er von jener Einheit des Wesens und des Seyns abstammt, aus welcher man im sogenannten ontologischen Beweis das Daseyn Gottes erweisen wollte. Nimmt man aber diese Einheit in ihrem wahren Sinn, wie sie von der älteren Philosophie zuerst gedacht worden, so führt sie vielmehr auf jene ursprüngliche Lauterkeit zurück, die aber weil ihr das Seyn wesentlich ist, es nicht zugleich äußerlich haben kann. Vermöge dieser Einheit ist Gott gerade nicht als ein Existirendes zu denken; denn der Begriff des Seyenden schließt eine Unterscheidung von dem Seyn in sich, der aber in Ansehung der reinen Gottheit verneint wird, deren Wesen vielmehr selber das Seyn ist, wie auch die alten Theologen sich richtig ausgedrückt haben (Deus est ipse suum esse).
Weit entfernt also, daß aus jener Einheit Gott als ein nothwendig existirend Wesen dargethan werden könne, folgt vielmehr aus ihr der weit ältere und richtigere Begriff, nach welchem von Gott nicht gesagt werden kann, daß er ist, nämlich auf eine von seinem Wesen unterscheidbare Weise oder so daß ihm das Seyn als Prädikat (als etwas von ihm selbst Verschiedenes) beygelegt würde; und doch auch nicht gesagt werden kann, daß er nichtist, nämlich in dem Sinn daß ihm das Seyn überall abgesprochen würde, weil er eben das Seyn selbst ist. Ein dem Unkundigen wunderlich scheinender Satz, der jedoch nur in der anderen minder guten Wendung daß Gott ist und auch nicht ist
schon in Indischen Gedichten vorkommt. Daher gehört auch, was von den alten Theologen einstimmig gelehrt worden, daß Gott kein Prädicat oder Eigenschaft als ein von seinem Wesen Verschiedenes beygelegt werden könne; z.B. daß man streng genommen nicht sagen dürfe Gott sey ewig, sondern er sey seine Ewigkeit selber.
Nun stimmt dieß alles ganz überein mit dem was jene Andern von Gott als einer ewigen Stille und Verborgenheit sagen. Denn eben weil in ihm Seyn in Wesen verschlungen, ist es kein offenbares, kein als solches erkennbares Seyn. Sich offenbaren heißt sich aussprechen; aber alle Aussprechlichkeit beruht auf der Unterschiedenheit des Prädicats vom Subject, die in Gott undenkbar ist. Offenbarung, Äußerung ist ohne Wirkung, Bewegung nicht zu denken. Aber Bewegung ist von der Ewigkeit ausgeschlossen, als die ohne Anfang und Ende ist, das immer gleiche Bestehen ohne Fortschritt oder Veränderung. Gott weil die Ewigkeit selber ist auch die ewige Unbeweglichkeit. Also ist in ihm auch keine Art von Handlung denkbar, wodurch er einen Zustand verließe und in einen andern übergienge. Er von sich selbst bleibt wie Er ist.
Aber eben dieses, das an sich weder ist noch nicht ist, dieß nicht Auszusprechende, über den Gegensatz der Begriffe Erhabene soll und zwar als in seiner ganzen Überschwenglichkeit existiren, als das, dem es gleichsam allein gebührt zu seyn, und so wäre die Gottheit dennoch nur in einem andern Sinn – nicht vermöge ihres in das Wesen verschlungenen, sondern vermöge eines von dem Wesen unterscheidbaren und wirklich unterschiedenen Seyns – das nothwendig existirende Wesen.
Es bedarf der Erinnerung nicht, wie oft dieses zweyte Seyn mit jenem ersten im Wesen selbst bestehende verwechselt worden, und wie namentlich Spinoza dadurch, daß er das erste unmittelbar für das andere genommen, sich gleich im Beginn aller Mittel des Fortschreitens beraubt.
Denn es ist dieß eben die große ja mit Wahrheit zu sagen die einzige Aufgabe der Wissenschaft, zu zeigen wie jenes Unaussprechliche als solches dennoch ausgesprochen, die ewige Stille als solche laut kund und offenbar geworden.
Zuerst also möchte jemand dieses, wie schon erwähnt, durch eine freywillige Bewegung des an sich weder Seyenden noch Nichtseyenden in das Seyn erklären. Allein es ist nur Ein Gefühl, daß das Daseyn nichts Freywilliges, ja in manchem der Gegensatz der Freyheit ist. Aber verhüte dieß: nichts kann doch wirklich werden gleichsam auf Kosten und mit Verlust dessen was es ist. Sollte aber das Verborgene offenbar werden durch eigene Bewegung oder Wirkung, so käme es in dem Daseyn nicht mehr an als das was es ist, als das Verborgene, und als die ewige Stille. Denn es ist das Verborgene nicht zufälliger Weise weil es eben noch nicht offenbar ist sondern seiner Natur nach wegen der Verschlungenheit des Seyns im Wesen; ebenso die Stille nicht weil es eben noch nicht ausgesprochen ist, sondern wegen der seiner Natur anhangenden Unaussprechlichkeit.
Dasselbe aber wäre der Fall wenn es vermöge einer nothwendigen Bewegung sich selbst verwirklichte. Denn so erschien’ es ja nicht als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende sondern als das nothwendig Seyende. Ja in jener Bewegung wäre es eben schon selbst wirkend, d.i. wirklich und der Freyheit gegen das Seyn verlustig die sein Wesen ist.
Unmöglich also ist, daß die lautere Gottheit selbst verwirkliche, es sey durch eine freywillige oder nothwendige Bewegung. Da sie aber doch nach der Voraussetzung nothwendig existirt, so bleibt nichts übrig, als daß sie verwirklichet werde, durch eine von ihr unabhängige, bezogen auf sie äußere Bewegung. Oder um es gleich in einer anderen einleuchtenderen Wendung zu sagen: die lautere Gottheit hat kein Seyn, weil sie selbst ihr Seyn ist. Aber doch soll sie als Einheit von Wesen und Seyn noch überdem existiren d.h. muß eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise seyn, also ein Seyn haben. Da nun sie dieses Seyn nicht sich selber geben kann, so muß Etwas seyn, das sich zu ihrem Seyn macht, so daß sie ein Seyn hat und doch nicht aufhört, das an sich weder Seyende noch Nichtseyende zu seyn.
1. Sie wollen wieder Eins seyn – Das niedere zieht das Höhere an
2. Also zuerst A=B, A2 in ihm als das am
3. Durch diese Sehnsucht auch in sich s˖[elbst] in Krisis gesetzt.
4. Nämlich auch sie in sich A3, A2 und A=B.
5. Dieß A3 eben das ist, wodurch sie im unm˖[ittelbaren] Bezug zu der Geisterwelt steht. Also durch die Krisis, jenes das ein Seelenartiges Wesen ist, aus der Tiefe erwacht – in Thätigkeit gesetzt. Wie ein geistiges im Unterg[ehen] erst erwacht wenn das h[ö]here verstummt. Eigene Selbstbew˖[egungs]quelle in der Unterordnung
6. Aber die urspr˖[üngliche] Pot˖[enz] kann nicht aufgeh˖[oben] werden – die
7. Aber s. dann nur im Auseinanderg˖[ehen] der Kräfte so daß von der ersten Stufe bis zur höchsten immer nur ein bestimmtes Geschöpf.
8. Was leitet sie dabey? Das Vorbild das sie in A2 erst dunkler dann immer deutlicher sieht.
10. Aber in gleichem Verh˖[ältniß] als sie jene Gestalten entfaltet zieht sie das A2 gegen sich, dadurch aber abgezogen von A3 wird es diesem zum Gegenw˖[urf] und dadurch daß dieses in A=B, A3 aber in A2 zieht und A3 mit €יי \atopי€ Eins ist weil ihr alle jene Bilder offenbar.
11. Aber alle diese Bildungen haben für sich keine Wirklichkeit, weil A=B s˖[elbst] in die Potential˖[ität] zurückgetr˖[eten] ist, und auch darinn bleibt, sie steigen im Höchsten bloß auf wie Traumbilder – sind gegen ihn nur Träume die wohl wirklich werden k[ö]nnten, wenn er den nicht sey˖[enden] riefe, daß sie wären, aber noch in Gleichgültigkeit gegen das Seyn.
12. Also geht die Natur wieder zurück um wieder von vorne zu beginnen auf’s Neue sich zu erheben.
13. Aller Zustand der Natur nichts festens in best˖[ändiger] Entf[altung]. Von Anfang an schon A3 thätig also schon von Anfang an ein geistleibliches Wesen das nur d. höchste Expansion
14. Wodurch die jetzigen in diesen Zustand gekommen?
15. Aber indem die Natur A2 anzieht, also von A3 ab
Gradationen des magn˖[etischen] Schlafs. – wenn das A3 d. mat. Körperlichkeit erwacht und der Lebensgeist an sich und vom Höchsten von A3 abzieht, so gewöhnlicher wohlthätiger – körperlich heilender Schlaf! – Wird auch A2 (der Lebensgeist) thätig, so daß es A3 an und vom allerhöchsten abzieht, so daß es diesem Gegenwurf wird, dann die höchste Gradation, weil der höchste Verkehr
Verkehr zwischen A=B und A2
Verkehr zwischen A2 und A3
Verkehr zwischen A3 und dem
Dadurch daß ihm A3 entzogen wieder gegen die Nat˖[ur] gezogen wird, wird es dem Höchsten zuerst fühlbar als sein Seyn, das es nicht
und da wir sie hier eben in ihrer freyen, durch nichts gehemmten Entf[a]ltung sehen eben jene Glorie, gemildertes Licht-Wesen.
Die Mat˖[erie] gleich uranf˖[änglich] ein geist-leibliches Wesen und die Beschaff˖[enheit] der jetzigen Mat[erie].
Folgen.
1. Sie wollen wieder Eins seyn, und das Niedere zieht das Höhere an.
2. Nun kann das Niedere das Höhere nur dadurch anziehen, daß es das ihm Verwandte entfaltet.
4. Die Möglichkeit zu dieser Entfaltung ihr in sofern gegeben, als es frey ist und in seine eigne Potenz gesetzt – durchaus selbstst[ä]ndiges Wesen.
Gott oder, das Unaussprechliche, dem es allein gebührt zu seyn, ist über seinem Seyn; dieses als Seyn ist gegen ihn das nicht-Seyende (οὐκ ὄν) aber in sich selbst betrachtet ist es wohl ein Seyendes. Es ist nicht ein todtes, bloß bewirktes Seyn, sondern ein eigenthümliches, aus innern Kräften sich selbst hervorbringendes Leben. Der Himmel ist Gottes Thron die Erde sein Fußschemel; aber auch das in Bezug auf sein höchstes Wesen nicht-Seyende ist voll Kraft daß es in eigenes Leben ausbricht. So erscheint in dem Gesicht des Propheten, wie es Raphael dargestellt, der Ewige nicht von dem Nichts sondern von lebendigen Thiergestalten getragen und nicht minder groß hat der hellenische Künstler das äußerste menschlicher Schicksale, den Tod der Kinder der Niobe, am Fuße des Throns gebildet, auf welchem sein olympischer Zeus ruht und selbst den Schemel des Gottes durch die Vorstellung der Amazonenkämpfe mit kräftigem Leben geschmückt.
Wenn freylich (um das Unmögliche anzunehmen) Gott nicht nothwendig wäre, so wäre auch jenes Seyn nicht. Aber daraus folgt nicht, daß es von Gott bewirkt ist. Gott ist in der Sprache der Schule zu reden, wohl der Ideal-Grund dieses Seyns; aber es ist sein eigener Real-Grund. Es ist nur in der zweyten Ordnung, aber darum in seiner Art nicht weniger selbständig.
Dieses selbständige Leben also kann schon weil es ein von der Ewigkeit verschiednes und unabhängiges ist, nicht in demselben Sinn wie diese anfangslos seyn; auch ist alles Leben fortschreitend, eine Folge unter sich verketteter Zustände, und kann daher nicht ohne Anfang gedacht werden. Dennoch ist es auch undenkbar, daß das Seyn, welches wenigstens schon für uns das göttliche Seyn ist, irgendeinmal, d.h. zu irgend einer Zeit begonnen habe. Also bleibt nichts übrig, als daß es ewig begonnen, oder einen ewigen Anfang in sich selbst habe, der nicht einmal für immer Anfang war, sondern von aller Ewigkeit her Anfang war und noch immer Anfang ist, und nie aufhören wird, Anfang zu seyn.
Da dieß Leben ein ewig beginnendes ist, so kann es nicht mit Freyheit oder Bewußtseyn beginnen; sonst müßte die Vorstellung des Anfangs ihm selbst vorangehen. Es ist also ein ewig, so auch ein blindlings, besinnungslos beginnendes Leben. Der letzte Grund alles Seyns kann nicht ein bewußter seyn; und schon hier leuchtet hervor, wie das blinde Bewußtlose der Wirklichkeit nach vor dem Freyen und Bewußten ist.
Der Anfang ist nicht das Höchste, nicht das Unbedingte, und setzt sich doch selbst. Aber er setzt sich
Der Anfang ist nicht das Höchste, nicht das Unbedingte und setzt sich doch selber aber eben als das nicht-Wesentliche. Aller Anfang ist seiner Natur nach nur ein Begehren des Ziels oder dessen was zum Ziele führt, in sofern ist etwas Verneintes in ihm. Das was des Endes begehrt ist nicht selbst das Ende und verneint sich als das Ende; setzt sich selbst nur als erste Staffel zu dem das eigentlich werden soll; ist nur die erste Spannung des Bogens, in dessen, wie einer gestimmten Seite, abwechselnder An- und Abspannung
nach dem heraklitischen Bild des Lebens Einklang besteht
.
Umgekehrt nur in der Verneinung liegt der Anfang. Keine wirkliche Bewegung ohne Überwindung von Widerstand. Der Anfangspunct (Terminus a quo) jeder Bewegung ist eine Verneinung derselben, (Beweis schon die Keplersche Trägheit) die wirklich entstehende Bewegung eine Überwindung dieser Verneinung. War die Bewegung nicht verneint, so konnte sie nicht wirklich als solche (actu talis) gesetzt werden. Verneinung ist also das nothwendig Vorausgehende (prius) jeder Bewegung. Die Eins ist der Anfang aller Zahl und in sofern erste Zahl nicht weil selbst Zahl sondern im Gegentheil weil Verneinung aller Zahl; der Punct Anfang der Linie nicht weil selbst Bewegung sondern weil das Nein aller Bewegung. Was mit Kraft vorwärts gehen will muß erst zurückgehen, was empfänglich werden will für das Licht, wie wirklich der Anfang alles Sehens in einer Zusammenziehung der Pupille besteht, der eine thätige Verschließung für das Licht in der innern Sehkraft entspricht, das wirkliche Sehen in einer Erweiterung derselben. Was wachsen will muß sich erst verkürzen und wenn unter andern die Pflanze nach jeder Ausdehnung sich wieder zusammenzieht, so ist es nur um sich immer wieder ausdehnen zu können, und so faßt alles in der Welt nur durch Verneinung festen Fuß und Wurzel.
Wäre kein Unterschied der Zeiten, ginge dieselbe Zeit, welche die gegenwärtige ist, in’s Unbestimmte zurück, so wäre die Welt wofür einige sie ausgeben wollten eine rück- und vorwärts in’s Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen ohne einen eigentlichen Anfang und ohne wahrhaftes Ende. Aber dieser Ungedanke sollte mit der unlebendigen Ansicht, die sein Ursprung ist billig zugleich verschwunden seyn.
Ist aber auch bewährt in jedem Sinn die alte Rede: nichts Neues ereignet sich unter der Sonne
; ist auf die Frage: Was ist’s das geschehen ist noch immer die Frage die richtige: Ebendas, was hernach geschehen wird
, und auf die: Was ist’s das man thun wird? Ebendas was man zuvor auch gethan
: so folgt daraus doch nur daß die Welt (diese versteht sich) in sich keine wahre Vergangenheit hat und keine wahre Zukunft, daß alles was in ihr von Anbeginn geschehen ist, und was sich bis zum Ende begeben wird, nur zu Einer großen Zeit gehört, daß sie also selbst nur Eine bestimmte Zeit ist. Aber eben weil nur Eine setzt sie die zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraus. Die wahre Vergangenheit die Vergangenheit schlechthin ist die Zeit die vor der Welt war, die wahre Zukunft, die Zukunft schlechthin die Zeit, die nach der Welt seyn wird, und so schließt sich uns ein System von Zeiten auf, von dem die gewöhnliche menschliche Zeitrechnung nur eine unvollkommne Wiederholung ist.
Aber auch bey jener der Welt unmittelbar vorausgehenden Zeit kann der forschende Geist nicht stillstehen, wenn er sich einmal vorgesetzt, alles vom Anfang her zu begreifen. In jener Zeit ist schon die Welt, nur in einem Zustand, der jetzt als vergangen gesetzt ist. Auch dieser Zustand konnte nicht der ursprüngliche seyn; auch in ihn war die Welt erst gekommen durch eine fortschreitende Bewegung, die vollständige Genealogie des jetzigen Zustandes muß also auf den ersten Anfang aller Bewegung zurückgehen. Denn alles, was ist, ist nur Werk des Lebens, und alles Leben ist Eins; alles Geschehen nur Ein Geschehen; und in aller Bewegung will sich nur Eines offenbaren, das wir Gott nennen.
Die wahre Aufgabe der vollständigen, vom Anfang bis zum Ende hinausgehenden Wissenschaft, wäre also die Geschichte des göttlichen Lebens oder die Geschichte der Gott offenbarenden Bewegung.
Über diese Bewegung kann keine Wissenschaft hinausgehen. Zwar weiß ich, daß Viele Vieles von Gott reden außer und vor seiner Offenbarung; wo sie ihn als eine ewige Stille und Unbeweglichkeit beschreiben; allein es ist klar, daß von einem Wesen, das sich auf keine Art äußert oder offenbart, auch auf keinerley Weise zu reden schlechterdings keine Wissenschaft möglich ist. Zu dem aber kommt, daß Gott wesentlich lebendig, ja das Leben selber ist; daß Er keinen Augenblick außer dem Leben gedacht werden kann.
Der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer
; dieses dunkle unter den letzten Reden Mose’s hinterlassene Wort kann nicht wohl nur insgemein auf die bloße Eigenschaft des Zorns oder Grimms in Gott bezogen werden; es muß auf die ganze göttliche Natur gehen. Nach Zusammenhang und Gegensatz läßt es keinen andren Sinn zu, als den: der Herr, dein Gott, ist kein unbeweglich Standbild gleich der Heydengötter, sondern lauter Leben, eine unwiderstehliche alles in sich verschlingende Bewegung.
Unsinn ist
, sagt im Anfang seiner Erklärung des ersten mosaischen Buchs, der kräftige Dr. Martin Luther, Unsinn ist, viel von Gott außer und vor der Zeit streiten, weil dieß heißt die nackte Gottheit, das bloße göttliche Wesen begreifen zu wollen. Weil dieß unmöglich darum schließt sich Gott ein in seine Werke und gewisse Gestalten. Gehest du von diesen hinweg so gehst du hin außer Maß Zeit und Ort und in’s reinste Nichts, wovon nach Ausspruch des Philosophen, (Aristoteles) keine Wissenschaft möglich ist
. Denn allerdings wo keine Folge, da ist auch keine Wissenschaft.
Weil Gott alles was er ist nur lebendiger Weise seyn kann, oder nach einem wohlhergebrachten Ausdruck, nicht dem bloßen Vermögen (potentiâ) sondern der Wirklichkeit nach (actu), ja die lauterste Wirklichkeit selbst ist: so kann von Gott nichts erkannt werden vor und außer jener Bewegung. Was er auch sey, er ist es nur in seiner Offenbarung; und selbst jener verborgene Gott kann nur in dieser Bewegung erkannt werden. Sorge auch nicht, wie dieser verborgene Gott sich offenbar mache; denn Leben und Selbstoffenbarung ist eins, und er ist lebendig ohne sein Zuthun, seiner Natur nach, als der Einzige, dem unmöglich ist, nicht zu leben. Er ist gleich uranfänglich in jene Bewegung, als in ein unzugängliches Licht, gehüllt. Willst du erfahren was er ist, so mußt du seinen Wegen nachgehen.
In sofern oder in diesem Sinn ist Gott unfaßlich und unbegreiflich, nicht dogmatisch, mit Einem Wort stillstehender Weise auszusprechen, als ein Unbewegliches, ein für alle mal Dastehendes. Unbegreiflich, nicht daß kein Begriff von ihm möglich wäre; (ist ja doch dieß wirklich ein Begriff, daß er das ewig Lebendige ist!) sondern im wörtlichen Sinn, er ist incoercibel, indefinibel, in keine bestimmte Gränzen einzuschließen, weil er in ewiger Bewegung ist. Wir können nur diese Bewegung sehen, nicht ihn selbst; denn er ist von dieser Bewegung untrennlich.
Diese Unbegreiflichkeit Gottes beruht keineswegs darauf, daß Gott ein verborgenes Wesen ist, dessen Natur wir nach unsern Begriffen unmöglich finden müssen. Sie beruht vielmehr auf der höchsten Lebendigkeit Gottes. Da aber die, welche mit der
Begriffe: Wissen nur in 4
Inhalt: »Einziger Gegenst. der Wiss. die Zeit«
durchgestrichener Text
Auflistung (nur 1?)
Inhalt: »1. das Seyende«
Begriffe: Wissen, +A0, -A0
Fortsetzung
Auflistung 1-8
Begriffe: Überseyendes
Auflistung 14-
Begriffe: Wissen
Inhalt: »1. d. Verg. allein gew.«
Auflistung 1-16
Begriffe: Zeit, Subject, Prädikat, Copula, das Seyende, Ewigkeit, Bewegung, System des Idealismus
Inhalt: »1. d. Verg. gewußt«
Genannte Personen: Fichte
Begriffe: Schauen, Glauben, Bewußtseyn
Auflistung I.-V.
Begriffe: Wissen
Inhalt: »I. Die Voraussetzung und das Vorausgesetzte«
Auflistung I-VI
das Seyende selbst, Bewegung, Wissenschaft, Subject der Bewegung
Begriffe: das Erste, Älteste
Begriffe: der vollendete Begriff, -A0, +A, +A0, nur sukzessives Wissen
Seiten herausgerissen
Auflistung 1-4
Begriffe: (absolutes) Subject, Objekt, (A0)2
möglich ist, daß was irgend Etwas entschieden nichtist, Nichts sey; und ebenso unmöglich ist, daß was nichts ist, irgend Etwas mit Entschiedenheit nichtsey. Denn sollte es z.B. A nichtseyn, so müßte in ihm eine dem A entgegenwirkende Kraft oder Wesenheit seyn, d.h. es wäre eben darinn daß es A nichtist, nicht Nichts, sondern Etwas. Wenn daher alles das Etwas entschieden nichtist, nothwendigerweise selbst Etwas seyn muß, so folgt von selbst, daß auch das Nichtseyende (d.h. dasjenige, von dem das Seyn nicht bloß nicht bejaht, sondern von dem es verneint wird) ebenfalls Etwas und nicht Nichts sey. Es folgt, daß das seyend-Seyn nicht die einzige Art des Seyns ist, daß vielmehr sowohl das Seyende als das Nichtseyende Ist. Es folgt, daß das eigentliche Nichts zwar nicht seyend ist (was sich von selbst versteht) aber ebenso wenig nichtseyend; denn sollte es dieses seyn, so müßte es das Seyn von sich selbst verneinen, Sich
Allein es leuchtet unmittelbar ein, daß es als dieß lautere Wesen, als das weder Seyende noch nicht seyende, nur ein Gedanke des Augenblicks ist, daß es gleichsam kein Nu in dieser Abgezogenheit bleiben kann, daß in dem Augenblick da es gedacht wird, es auch sogleich sich bestimmen muß und zwar, da wir die Gleichmöglichkeit des seyend- und des nicht-Seyend-Seyns erkannt haben, schlechterdings Eines seyn muß, seyend oder nichtseyend.
Es ist aber ebenso einleuchtend daß es was es auch sey, nur durch sich selbst seyn könne. Denn weder ist Etwas, von dem es bestimmt werden könnte, da es das Seyende selbst ist, das allem allem, und dem nichts vorgesetzt ist, noch liegt in ihm selbst eine bestimmte Nothwendigkeit. Denn als das alles Seyns Lose und Ledige ist es in völliger Freyheit. Die Nothwendigkeit kommt nur mit dem Seyn und was über dem Seyn, ist doch über der Natur. Es kann also nur durch sich selbst bestimmt werden, d.h. entweder aus sich selbst ein Seyn annehmen, oder sich selbst verneinen als seyend, sich versagen, seyend zu seyn.
Es ist also, wie nun klar ist, die lautere Freyheit, zu seyn oder nicht zu seyn, sich in ein Seyendes zu verwandeln, oder sich zu setzen als nicht seyend.
Es ist die Freyheit, entweder zu seyn oder nicht zu seyn, aber nicht die Freyheit, weder zu seyn noch nicht zu seyn; denn es muß sich bestimmen; es ist also die Freyheit die selbst nicht frey, es ist Freyheit die zugleich Nothwendigkeit ist.
Wir halten hier einen Augenblick inne, um zu bemerken, was sich über die vorhergehende Natur dieses Ersten, über das An-sich desselben, sofern es das allem Vorausgesetzte ist, aus dem eben Gesagten ergibt. Denn in dieser Art von Betrachtung schließt jedes Folgende nicht weniger das Frühere auf, als umgekehrt das Spätere durch das Vorhergehende bestimmt wird. Wir behaupteten von diesem Vorausgesetzten es sey nicht seyend, allein wie sich nun zeigt, es war das nicht seyende nicht so, daß es nicht auch das Gegentheil seyn konnte. Genaugenommen kann man also auch nicht sagen, es ist das nicht Seyende; sondern es ist’s und ist’s auch nicht – es ist’s, nämlich jetzt, sofern es sich noch nicht bestimmt hat oder vielmehr sofern es noch als nicht bestimmt gedacht wird, und es ist’s nicht, weil es, sobald gedacht, auch gleich seyend seyn kann. Wir sagten: es sey ebenso wenig nichtseyend; allein, wie sich jetzt zeigt ist auch das nichtseyende Seyn von ihm nicht so verneint, daß es nicht eben dieses, nämlich nichtseyend, seyn könnte. Es ist also dieses (das Nichtseyende) nicht, so lang’ es sich nicht bestimmt hat, – noch nämlich und also zufälligerweise – und ist es auch nicht nicht, weil es sich augenblicks zum Nichtseyenden bestimmen kann.
Wir überlassen dem Leser, hier den Unterschied des bloß zufällig dem Nichts Ähnlichen und des wesentlichen, entschiedenen Nichts noch härter als vorhin geschehen, zu bestimmen. Es genüge hier zu bemerken, daß das Erste eigentlich weder Nichts noch Etwas, also in einem weit höheren Sinn Nichts ist, als das Nichts, nämlich in einem Sinn, der das (insgemein sogenannte) Nichts selbst wieder unter sich begreift, in dem es ebenso über dem Nichts, wie über dem Etwas steht. Es ist mit einem Wort das schlechthin Unbestimmte, aber darum auch schlechthin Bestimmbare, d.h. das bestimmt werden muß. Es ist die an sich zweifelhafte, und zweydeutige Natur (natura anceps), die Dyas der Pythagoräer, das zwischen einem Entweder-Oder Stehende, das eben darum auch eigentlich nicht zu Wissende, nur dem Wissen Vorauszusetzende.
Auflistung (Fortsetzung) 17-27
Begriffe: -A0, +A0, Übergottheit, Ewigkeit, Zeit
Inhalt: »Es ist ein Laut«
Genannte Personen: Lessing
Begriffe: Princip der Einerleyheit, Grund
Inhalt: »Natürlich was Anfang ist will nicht Anfang seyn«
Begriffe: Seyn können, absolutes Subject, bloßes Seyn
Begriffe: das Seyn selbst, Subject
Wie nun in dieser Wissenschaft zuerst Licht aufging, als man nur überhaupt anfing, Zeiten zu unterscheiden, ist noch vielmehr in der allgemeinen Wissenschaft die Wissens˖[chaft] der Dinge
Die Gedanken, welche über diese Folge von Zeiten mir vorlängst sich erzeugt, und durch oft wiederholter Betrachtung zur Gewißheit ausgebildet, habe ich mir vorgesetzt in diesem Werk schriftlich aufzuzeichnen, nicht ohne Hoffnung sowohl der Wissenschaft als unserer Zeit zu nutzen. Denn in größerer Geringschätzung liegt kein Begriff als der der Zeit; die gewaltigste Zeit fand die schwächsten Begriffe von der Zeit. Aber ohne gründliche Erkenntniß ihres Wesens, wird niemals eine verständliche Entwicklung der Wissenschaft möglich seyn, und es liegt der Grund des allgemeinen Mißverstehens und der in allen Begriffen fühlbaren Stockung eben in nichts Anderem, als in den schwankenden, zweifelhaften oder ganz irrigen Begriffen von der Zeit. Auch die Wissenschaft kann die freye Bewegung nicht wieder finden, ehe die Pulse der Zeit wieder lebendig schlagen.
Der jetzt herrschende Begriff kennt keine Zeiten, nur ein gewisses Abgezogenes einer Zeit überhaupt, die er die Zeit schlechthin nennt und von welcher ganz recht gesagt wird, sie sey nichts außer unsern Vorstellungen. Längst konnte verdienstlich scheinen, den Begriff der Zeit zu berichtigen, das Scheinbare und Falsche abzuthun, damit das Wesentliche und Wahre erschiene, wenn überhaupt noch die Zeit wäre, die großen Gegenstände einzeln, Capitelweis’ abzuhandeln. Erwünschter ist, gleich alles in Leben und That zu sehen. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis in’s Kleinste gehenden Organismus. Wir sind überzeugt, daß jedem Ereigniß, jeder That, ihr Tag, ihre Stunde, ja ihr Augenblick bestimmt ist und daß sie kein Nu früher an’s Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche Zeiten anhält und mäßigt. Ist es freylich nicht Sache des Menschen, die Tiefen der Zeit im Einzelnen zu durchschauen, so ist ihm doch vielleicht gegeben, das System der Zeiten im weitesten Umfange zu erkennen.
Wir sehen alle zeitliche Wesen mit großer Begierde ihr Daseyn festhalten und wie sie suchen es unabläßig zu bethätigen, gleichsam im Gefühl, daß sie nicht an sich selbst seyen, daß ihr Daseyn nur in ihrem Thun besteht. Jedes sucht von dem allgemeinen Seyn soviel an sich zu reißen und sich zuzueignen als es vermag und die anderen ihm verstatten; schon hieraus würde erhellen, daß das Innerste aller Creaturen in einer Leere besteht, die unaufhörlich bestrebt ist sich zu erfüllen.
In diesem allgemeinen Kämpfen und Ringen um das Seyn geht aber nie die Vorstellung unter von Etwas, dessen Seyn nicht bloß in seinem Thun besteht, dessen Seyn wesentlich ja das Wesen selbst ist. Vergleichen wir dieses mit allem andern, das nur in seinem Thun Thun, also wirklicher Weise, da ist: so erscheint es gewissermaßen, als nicht seyend; und doch ist es nicht Nichts, sondern das lautere Seyn selbst, das doch als solches auch das Wesen, oder das lautere Wesen das sich selber auch das Seyn ist. In wiefern es nicht wirkend ist in sofern kann es als das Gegentheil des Wirkens, als reines Leiden angesehen werden; aber das Wahre ist, daß es vom Wirken so viel als vom Leiden hat, daß sein Leiden, seine Nichtwirklichkeit gleich ist seinem Thun, seiner Wirklichkeit; von ihm gelten alle die Gleichungen, mit denen wir das auszudrücken suchen, was eigentlich weder seyend noch nicht seyend ist, sondern das Überseyende Überwirkliche und so von allen möglichen Gegensätzen, weder das eine noch das andre sondern über allen erhaben, allen entnommen. Es ist das, was an sich keiner Sache gleich und doch auch keiner ungleich (entgegengesetzt ist.) Und hinwiederum es ist allein und gegen alles, und ist doch auch nichts gleich. Es ist Nichts, das es nicht wäre, und ist doch auch Nichts das es wäre.
Menschen ohne wissenschaftliche Erfahrung, wenn sie hören, wie von demselben Wesen alles bejaht und sogleich auch wieder verneint wird oder umgekehrt verneint und sogleich auch bejaht wird, muß von diesem Verfahren der Kopf schwindeln; daher sie meynen, was so beschrieben werde möge wohl gar das lautere Nichts seyn. Ja wohl ist es das Nichts, aber wie die lautere Freyheit das Nichts ist, wie der Wille, der nichts will, der keiner Sache begehrt, keine anzieht und keine abstößt, dem alle Dinge gleichgültig sind und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist Nichts und ist Alles. Er ist Nichts, weil er keiner Sache sich gleich stellt, weder gut noch bös, streng noch sanft, und ist doch alles, weil er auch Nichts nicht, keiner Sache ungleich oder entgegengesetzt ist. Er ist nicht seyend, weil nicht wirkend, und doch darum nicht nichtseiend, er ist dem reinsten Leiden gleich, und in dem die höchste Wirksamkeit, weil von ihm als der ewigen Freyheit doch allein alle Kraft kommt.
In diesem nun haben wir den Begriff des rein Un-Endlichen aufgestellt, von dem leicht einzusehen, daß es auch allein das an sich Ewige, nämlich das schlechthin Anfang- und Endlose sey. Denn es läßt sich einmal kein Wirken ohne einen Ansatz oder Anfang denken. Nehmen wir auch das Wirken als ein Ewiges an, so folgt nur, daß der Anfang ein ewiger ist, nicht daß es ohne Anfang ist. Alles dessen Seyn wirklich ist oder im Thun besteht, ist anfänglich, denn vor diesem Thun (wenn es auch ein ewiges ist) war es doch nicht. Wir müssen unterscheiden zwischen wirklicher (existentieller) und wesentlicher Ewigkeit. Wirkliche Ewigkeit verträgt sich auch mit einem Anfang, ja sie fodert einen solchen. Wesentliche allein ist nie Anfang – so Endlos.
Aber bis jetzt nun haben wir dieses Unendliche, nur nach dem betrachtet, was es der That nach ist, hier nämlich stellt es sich dar als das nicht Seyende. Aber eben dieses, dem das Seyn gleichgültig scheint, ist doch an sich eben das, dem allein zukommt und gleichsam gebührt zu seyn, das dessen Seyn, durch alles gefordert und gesucht wird. Wir können sagen: es sey das an sich selbst Seyende τὸ ὄντων ΟΝ das nur nicht ist; oder dem Wesen nach sey es das Seyende, wenn es gleich nicht ist.
Diese Bemerkung dringt uns, näher zu untersuchen, worauf sein gegenwärtiges, bis jetzt angenommenes nicht Seyn beruht. Alles vom Wesen verschiedene Seyn (von diesem ist hier die Rede) beruht auf der
Auflistung 1-4
Begriffe: Alles in Entwicklung, Bedingung der Entwicklung
Und durch ein Verhängniß mußte ja auch dieser Übergang noch in andrer Hinsicht geschehen, ist anders dieses Absinken der ewigen Freyheit in das Seyn der Anfang der ganzen großen Bewegung. Denn in jedem Anfang auch an sich betrachtet ist etwas Verhängnißmäßiges. Der Anfang darf sich selbst nicht wissen als Anfang, sonst wäre er nicht Anfang. Nicht um seiner selbst, sondern um dessen Willen seyend zu dem er Anfang ist, geht er doch diesem nicht dieser ihm voraus. Er ist also Mittel zu Etwas, das er nicht weiß und das er nicht beabsichtet. Und auch hier schon können wir sehen, wozu, zu welchem Zweck und Ende jene Herleitung und Heraus
Nehmen wir an, gleich zuerst habe, statt selbst Seyendes zu seyn, das Andre sich dem Seyenden als Seyn unterworfen, so war alles erreicht, was erreicht werden sollte. Der Anfang war dem Ende und das Ende dem Anfang gleich. Es war ein völliger, ewiger Stillstand und kein Leben, denn ein Leben ohne Folge ist undenkbar. Das was Seyendes seyn soll, war gleich seyend, aber unlebendiger, stiller Weise; sollte es mit Bewegung, kräftig in der That (actu) seyend seyn, so mußte ein Widerstand seyn, den es überwand. Es ist eine allgemeine Rede, die Welt und alles was in ihr von Anbeginn sich ereignet, sey nur die Offenbarung Eines Höchsten. Aber eben so allgemein wird übersehen, daß alle Offenbarung einen Zustand wirklicher Verborgenheit voraussetzt. Dieser Zustand konnte nicht seyn, wenn das Andere gleich zuerst sich dem Höchsten hingab als Seyn. In diesem Verhältniß war nämlich eben dieses (das Andere) das Verborgene, das Höchste aber das Offenbare, das in sofern sich nicht mehr zu offenbaren brauchte. Wirkliche Offenbarung, nicht Offenbarung mit Einem Schlag sondern die in einer wirklichen und unterscheidbaren Bewegung geschah, ist nur denkbar, wenn das was das nicht Seyende seyn sollte aus dem verneinten Zustand (-A) in den bejahten (+A) sich erhebt, dann entsteht Gegensatz und Spannung, dann ist Etwas, durch dessen Überwindung sich das wahre Seyende bewähren kundgeben offenbaren kann als das Seyende.
Wie nun dieser Widerstand nöthig ist zur Verherrlichung des Seyenden selbst, zu seiner Erhöhung in Kraft und That: so ist dem Anderen, das über Einen Sünder der umkehrt mehr Freude ist im Himmel als über neun und neunzig Gerechte
, so ist mehr Freude und Wonne im göttlichen Leben, wenn das was bestimmt war, in ihm zu bleiben von ihm ausgeht aber, als ein Ausgegangenes freywillig wiedereinkehrt. Die Sünde kann nie um ihrer selbst willen seyn, in sofern war in ihrem Ursprung etwas Verhängnißartiges, durch welches aber die innerste Freyheit des Geschöpfes nicht aufgehoben wird. So mußte das Andre ausgehen von dem Einen damit das Leben zu seiner höchsten Entfaltung und Steigerung gebracht werde, aber die Freyheit im Uranfänglichen ist dadurch nicht aufgehoben, daß es ohne zu wissen und zu wollen einem Höheren diente.
Begriffe: Seyendes, Subject, seyn als Prädicat
Begriffe: Begriff der Philosophie, Wollen
NB. Diese beyden Bogen liegen nur hierin, weil dem Context nach das ausgestrichene vom XXXIIa) zu ihm gehört. Sie liegen da zum Gebrauch, wenn die Rede auf Geologie – auf a priori und a posteriori kommt.
Wie oft erscheinen die Eigenheiten einer ausgezeichneten menschlichen Individualität unbegreiflich, ehe wir die besondern Umstände erfahren, unter welchen sie geworden ist und sich gebildet hat! Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Altertums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Ausbildung auf die Spur gekommen sind. Wie viel mehr muß dieß bey einem so vielfach zusammengesetzten Individuum als schon die Erde ist der Fall seyn? Welche ganz andre Verwicklungen und Verschränkungen müssen hier stattfinden!
Also führt uns grade unsre Aufgabe auf den Weg der allein wenn irgendeiner zur Erkenntniß leitet. Wenn also irgend ein Weg zur Erkenntniß führen kann, so ist der durch unsre Aufgabe vorgeschrieben. Es könnte anders wäre das Wort nicht zu verrufen, der Weg a priori heißen da man den Gegenstand nicht als ein schon gegebenes oder in seinem Gewordenseyn, also hintennach (a posteriori) sondern in seinem Werden also von Anfang oder von vorn zu erkennen trachtet. Jeder andre mit diesem Wort
Jede wahre Erkenntniß kann nur dem lebendigen Gegenstand selbst entquellen; nie aus dem betrachtenden Subjekt als solchen folgen, da vielmehr jede Einmischung desselben eine Trübung der Erkenntniß ist. So kann auch die wahre Erkenntniß der Natur aus nichts andrem als eben der Natur selbst geschöpft werden. Es ist nicht ein Unterschied der Quelle, sondern gewissermaßen des Gegenstandes der Erkenntniß selbst oder dessen was man an ihm erkennen will, der durch jene Begriffe bezeichnet wird. Der Zoolog, der die Thiere nimmt wie sie vorhanden sind und nach ihren auffallendsten Eigenschaften in gewisse Klassen und Ordnungen bringt, von denen ihm selber zweifelhaft bleibt, ob sie die Abtheilungen der Natur sind, begnügt sich mit einer bloßen Kenntniß a posteriori, die als Erkenntniß ganz unkräftig und eigentlich gar nicht so zu nennen ist. Der nämliche, wenn er die Reihe der Thiere im Werden auffaßt und den Prozeß ihrer successiven Bildung von vorne durch alle Mittelglieder hindurch in rhythmischer Folge darstellt, hat oder sucht wenigstens eine Erkenntniß der Thiere nicht a priori. Aber woran oder woraus will er diese Erkenntniß entwickeln, als eben an und aus den Thieren selber? Zu dem Ende ist das ganze Geschäft des Beobachtens, Zergliederns und Vergleichens nöthig, das insgemein ausschließlich für Empirie oder gar die Wissenschaft gehalten wird, da es doch nur die nothwendige unerlaßliche Vorarbeit zu derselben ist und sich zu ihr verhält, wie die Arbeit der Geschichtsforschung zur wirklichen Geschichtschreibung.
Daß unter solchen Voraussetzungen dieser Weg von vorne der einzige zu eigentlicher Erkenntniß führende sey, ist leicht einzusehen. Denn er ist der Weg der Natur selbst, von der wir hier wohl unsern Glauben aussprechen dürfen der unsres Erachtens der Glauben jedes wahren Forschers seyn sollte, daß sie überall Fußtapfen zurückgelassen, die der Mensch bloß aufzusuchen und zu erkennen hat um ihr folgen zu können. Geschichte und Denkmal der Geschichte fällt hier in Eins. Es ist natürlich, daß der, welcher von vorn anfängt die Anfänge in ihrer größten Lauterkeit sehe; derjenige aber, der von hinten, entweder gar nie zu ihnen gelangt, oder, wenn er der Lust zur Erkenntniß doch nicht entsagen kann, sie wenigstens nie an sich erkennt, und da er den entgegengesetzten Weg der Natur selbst geht wobey er weder das erste noch das letzte kennt, mit unendlichen Zweifeln, Ungewißheiten und der größten Verworrenheit zu kämpfen hat. Denn wie will der, welcher von hinten anfängt sich aller Mittelglieder versichern? (Der erste, wenn er seine Sache versteht wird keinen Schritt vom Vorhergehenden zum Folgenden thun, wozu ihm nicht die Natur Veranlassung gibt. Der andre wird beym Zurückgehen von der Folge auf die Ursache oder das Vorhergehende nie ohne Voraussetzungen auskommen, welche die Erfahrung nie gerechtfertigt hat, auch bey der größten Wahrscheinlichkeit nie sicher seyn, das Rechte getroffen zu haben.) So bleiben viele Ereignisse der Geschichte bleiben ewig unerklärbar, von denen doch alle äußeren Umstände bekannt sind, wenn nicht diejenigen die an der Quelle standen Aufschluß darüber geben. Was auch ersonnen werden möge, es bleibt immer der Zweifel, ob die Sache nicht anders zusammengehangen habe. Alles Gewordene so wie es geworden ist, tritt in die Unbegreiflichkeit zurück. Will einer die Thiere erklären, so muß er die Ursachen oder Principien dazu schon bereit haben, eh’ er an sie kommt, denn hintennach ist es zu spät und möchten sie wohl nicht mehr zu finden seyn.
Nun ist es wahr, daß die letzten Punkte, an die der große Proceß des Ganzen angeknüpft ist, sich in eine Zeit verlieren, von deren Ereignissen uns keine äußere Denkmäler belehren können; wahr also, daß es unmöglich ist, durch bloße Erfahrung hinter den Proceß des Ganzen zu kommen. Hieraus kann für ein oberflächliches Urtheil der Schein entstehen, als beruhe die ganze Naturwissenschaft auf bloßer Spekulation mit Ausschließung der Erfahrung, ein Schein der durch die Ungeschicklichkeit derjenigen vermehrt wird, die anstatt die allgemeinen Ideen immer mehr zu verkörpern und jede so gewonnene wieder zum Entwicklungsgrund einer folgenden noch bestimmteren zu machen, bey jeder nur einzelnen Erscheinung, etwa wenn sie das Fieber, oder den Gesichtssinn erklären wollen, wieder auf das allgemeine, ja auf’s allgemeinste z.B. die Einheit des Idealen und Realen zurückgehen und dem Wirklichen mit solchen hier in der That hohlen Formeln beyzukommen glauben. Allein keine Art von Kunst oder Wissenschaft wird nach dem Pfuscher oder Stümper, sondern nur nach dem Verständigen beurtheilt.
Aber auch die Spekulation wird fälschlich für ein aus dem bloßen Subjekt geschöpftes Wissen genommen. Sie hat nur ein andres Objekt als die Erfahrung, das nur mit sinnlichen Augen nicht gesehen wird, (wie das was am Empirischen erkannt werden soll, am Ende auch nicht mit den äußeren sondern mit geistigen Augen gesehen wird); auch dieses Objekt ist ein Lebendiges, ja dasselbe Lebendige, das sie nur in seinen ersten, nicht willkührlichen sondern nothwendigen, nicht regellosen sondern gesetzmäßigen Entwicklungen bis dahin verfolgt, wo es durch Umtrieb und Bewegung seiner eigenen Kraft ein äußeres geworden ist.
Diese Betrachtungen setzen zwar außer Zweifel, daß dar geschichtliche Weg der einzige ist, auf dem sich zum Ziel wahrer Erkenntniß gelangen läßt. Aber wer wagt es, die unermeßliche lange Bahn von der fernsten Nacht der Vergangenheit bis in die Gegenwart zurückzulegen? Wer die unabsehliche Folge der Momente zu bezeichnen, durch welche die Erde von ihren ersten Anfängen bis zu ihrer jetzigen Gestalt fortgeschritten ist? Unerschöpflich und unaussprechlich ist nicht nur die äußere auch die innere Fülle jedes Lebens. Aber hieraus folgt nicht, daß eine Geschichte desselben unmöglich sey. Alle Stufen und Momente eines menschlichen aus großer Tiefe sich entwickelten Lebens, vermöchte der selbst vielleicht, der sie durchlaufen, nicht anzugeben. Ist es darum unmöglich, dieses Leben zu beschreiben? Die großen Epochen leuchten in seinen Thaten und Werken deutlich genug hervor; auch die Natur verhüllt die großen Momente nicht. Aber alle Mittelglieder zu finden das ist die Aufgabe der Zeiten, das ist die Arbeit und der Fleiß von Jahrhunderten. Hat die Natur selbst Jahrtausende nicht geachtet, um von dem ältesten Granit bey dem ersten Pflanzenthier anzukommen: sollte der
Begriffe: Untersuchung von A an sich, Subject, Seyn, Nichts, das Seyende selbst, unbedingte Freyheit, lauterer Wille
Inhalt: »Wenn ich A=B sage, so eben damit nicht, was A an sich ist.«
Die gewöhnliche Lehre von Gott ist: er sey das, was weder Anfang noch Ende hat, die aber nur dann nicht völlig leer wäre, wenn sie den Sinn hätte: Gott sey das, das weder einen Anfang seines Anfangs noch ein Ende seines Endes habe, das ewig anfange und ewig ende (nämlich in der vollendeten Erzeugung seiner selbst), das nie aufhöre anzufangen, und nie aufhöre zu enden. Jenem leeren Begriff ganz entgegen sagt die Schrift von Gott selbst er sey das A und das O, der Anfang und das Ende
. Kein Wirken ohne Anfang. Es läßt sich also wohl ein unwirkliches Ewiges ohne allen Anfang denken; nimmer aber ein wirkliches. Ohne Anfang und Ende seyn ist keine Vollkommenheit, wäre höchste Unvollkommenheit. Ewig und unbedingt ist, was die Ursache seiner Nichtwirklichkeit als seiner Wirklichkeit in sich selber hat oder selber ist. Und bedingt, was weder die Ursache seiner Wirklichkeit noch die seiner Nichtwirklichkeit in sich hat. Unvollkommenheit ferner ist nur ein Anfang, den das Gewordene verläßt, dem es entfremdet wird, aus dem es bewegt und gegen andres geführt werden kann. Vollkommenheit aber ist der Anfang, in dem ein Wesen ewig ist. Erster Punct von dem alle Bewegung ausgehen könnte und mit ihr zugleich sänke alles zurück in das Nichts. (Natur des Ewigen – immer zu bleiben – dagegen scheint Anfang zu streiten)
Es ist allen Menschen tief eingeprägt, daß in der Existenz Gottes etwas Unwiderstehliches, eine ursprünglich durch nichts gemäßigte Gewalt liege. Gott sey eine nothwendige Natur, ein nothwendig existirendes Wesen (natura necessaria, ens necessario existens), ist die allgemein angenommene, aber in dieser Unbestimmtheit durchaus verwerfliche Erklärung. Gott ist kein nothwendig wirkliches Wesen in dem Sinn, daß er ohne sein Thun existirte. Wir schränken sie vorerst dahin ein, daß Gott in einem ewigen, nothwendigen Beginn seiner Erzeugung ist. Wäre dieser Anfang ein freywilliger, so müßte ihm die Vorstellung seiner Möglichkeit vorangehen, welches an sich ungereimt ist und wenn denkbar ganz gegen die Unbedingtheit der göttlichen Natur stritte. Also kann dieser Anfang nur ein nothwendiger unwillkührlicher, schlechthin blinder seyn.
Begriffe: Subject des Seyns, Seynkönnen
Begriffe: Wesen an sich, lautere Freyheit zu sein, A 0, als solches +A0
Begriffe: Identität, Seynkönnen
Inhalt: »Deduction des A0 oder der Indifferenz von S. und O.«
Auflistung 1-6
Begriffe: eigentliches Subject der Zeit, Zeit, Ewigkeit, sich seiner selbst annehmen können
Inhalt: »Natürlich von dem was der Anfang, oder das Erste in der Zeit ist«
Auflistung 1-6
Begriffe: Macht, Können, Wollen
Inhalt: »Über das Seyn hinaus«
Auflistung: 1-15 (nochmals unterteilt in I-III)
Begriffe: Anfang, lautere Freyheit, seyn können, Ich/Nicht-Ich, Copula/Band
Inhalt: »1. Zeitlichkeit hat einen innerlichen Ursprung«
Auflistung 1-11
Begriffe: Seyn Können, Prototyp aller Existenz, absolutes Subject
Inhalt: »1. Auszugehn von der Idee des nothw. Seyenden«
Genannte Personen: Nemesis
Auflistung 1-5
Bis jetzt aber wurde dieses Verhältniß nur einseitig betrachtet, daß es also kein gegenseitig unauflösliches heißen konnte. Hiedurch also werden wir zur Betrachtung der zweyten Potenz (a2) geführt, von der jetzt die Frage ist, ob sie für sich allein seyn könnte.
Diese also ist nur die höhere =a2, sofern das Wesen in ihr nun vielmehr jene verneinende Kraft in sich zurückgedrängt als Mittelpunct enthält, die in der ersten vorangehend, wirkend und in sofern peripherisch war. Mit andern Worten: sie ist =a2, nur in wiefern sie das bloß sich gebende Wesen ist. Aber alles Geben setzt ein Empfangen ein Aufnehmen voraus. Wenn eins sich geben soll muß ein anders bereit seyn es zu empfangen. Dieses Empfangen ist auch ein sich Geben (Hingeben); das Geben kann also nur wechselseitig seyn. Das ausquellende Wesen (a2) kann nur soweit sich geben, als das andre es annimmt, d.h. nur soweit als dieses sich auch gibt. Gibt sich dieses nicht, so bleibt jenes verschlossen. Wie soll es sich aber geben, da es doch kein ursprüngliches Geben ist, wenn es sich nicht zuvor genommen. Also fordert das sich Gebende selber das ursprünglich sich Nehmende, Versagende, wie ja zum Voraus zu erwarten und auch sonst schon erkannt war. Aber nicht genug, sondern wie zwey Seiten zueinander gestimmt seyn müssen, und keine allein einen Einklang hervorbringt, so ist jeder von diesen Potenzen zu ihrem vollen Seyn die andere nöthig. Denn jeder Sache ist es nur wohl an ihrem Ort, der anziehenden Potenz nur sofern sie das Untergeordnete und also der Anfang und das Erste ist, der ausfließenden nur sofern sie das Höhere ist. Diese kann nur soviel sich geben als jene sich aufschließt (oder auch ein sich Geben ist), diese nur soweit sich aufschließen, als jene sich gibt.
Hieraus folgt nun aber ferner dieses: da beyde einander
Auflistungen (drei): 1-5 (3,4)
Begriffe: Potenz, Steigerung, lautere Freyheit
Auflistung 1-11
Begriffe: Gegenwärtiger Zustand, Unterwerfung, Wissen, Gewusstes
Randzählung I
Begriffe: das Erste, Subject, das Vorauszusetzende, Prädicat
Genannte Personen: Thales
Auflistung 1-14
Begriffe: Zeit, Seyendes, Wille
Begriffe: Subject, Anfang, Anfang der Zeit, Indifferenz, Ungrund
Nun ist das vor jedem möglichen Vorausgesetzten Ausgesprochende nichts anders als entweder daß es Ist, d.h. daß es seyend, oder, daß es ein auf gewisse, bestimmte Weise Seyendes ist. Wie wenn man von ihm sagt, es sey geistig oder körperlich, und in diesem Fall, es sey eine Pflanze oder ein Thier, immer mit gesagt wird, es sey ein Seyendes von gewisser Art, woraus demnach erhellt daß nie und auf keine Weise etwas ausgesagt wird, als entweder das Seyn oder die Art des Seyns.
Nichts verhindert indeß, daß das Vorausgesetzte oder wie wir
Hiedurch werden wir geführt auf den Begriff dessen was nicht bloß beziehungsweise sondern an sich Subject ist, auf den Begriff des unbedingten Subjects, das nicht bloß dieser oder jener, das schlechthin jeder Rede und allen Aussagen vorausgesetzt werden muß.
Daß aber dieses auch als das Vorausgesetzte alles Seyns gedacht werden müsse, leuchtet aus dem zuvor Bemerkten von selbst hervor.
Wenn wir nun fragen, was dieses unbedingt und allem Vorauszusetzende sey, von welchem allein anheben kann jede vom Anfang in geordneter Folge fortschreitende Rede: so wollen wir natürlich nicht wissen, was es sey, in wiefern schon seyend, sondern natürlich in wiefern noch nicht seyend – ohne das Seyn und an sich.
Das Nächste ist natürlich zu sagen: es sey nicht seyend*)
Außer dem Seyn bleibt aber nichts, das nicht völliges Nichtseyn wäre, als das Können. Wir müssen also sagen: das lautre Subject, das allem Vorausgesetzte, ist lautres Können.
Indem wir aber wieder dieses aussprechen, müssen wir uns sogleich erinnern, daß dieses Können ihm nicht zugeschrieben werden kann, als etwas von seinem Wesen Verschiedenes, daß es nicht eigentlich von ihm ausgesagt wird, denn wir wollen damit ausdrücken, was es ist nicht inwiefern schon seyend, sondern inwiefern Vorausgesetztes, inwiefern bloß Es selbst. Dieses Können ist also hier das Wesen selbst, nicht ein äußerliches sondern eben das An sich oder Innerliche des Wesens selbst, so daß: lautres Subject und lautres Können nur Ein Begriff ist.
Alles lautre und ursprüngliche Können aber ist Wille, nicht Wille der schon will, sondern der eben wollen kann, der also noch weder will noch nicht will, sondern in völliger Gelassenheit ist.
Nun haben wir schon geäußert, daß dieses Können oder nicht-Seyn nicht gleich seyn könne dem völligen Nichtseyn, sondern das Können ist eben auch ein Seyn, obgleich nicht das Seyn, vermöge dessen Etwas ein Seyendes ist, wie der Wille der nicht will, darum nicht nichts, obwohl nicht wirkend, wirklich, d.h. seyend ist.
Indem wir also sagen, das lautre Subject ist lautres Können, ist nicht seyend, und doch auch nicht nichtseyend oder wie besser gesagt wurde, unseyend lassen wir ihm ein Seyn, nur nicht ein solches, vermöge dessen es als seyend anzusprechen wäre oder als ein Seyendes. Die Frage also ist jetzt, was das für ein Seyn wäre, vermöge dessen es anzusehen wäre als ein Seyendes?
Offenbar nur ein Seyn, das es sich zueignete, das es sich anzöge, oder deß es sich annähme. Denn ein Seyendes ist nur das an dem Seyn theilhat. Nun ist es ein an sich unmöglicher Gedanke, daß irgendeinem nicht Seyenden das Seyn ohne seinen Willen zugeeignet werde, zumal aber ist unmöglich, daß dieses dem lauteren Subject geschehe, als welches unbedingtes Können, bloßer nackter Wille, lautre Macht und Freyheit ist. Dieser also wenigstens könnte nur seyend seyn durch Aneignung oder Anziehung des Seyns. Indem wir es daher setzen als nicht seyend und doch auch nicht als unseyend (mithin in gewissem Betracht als seyend) lassen wir ihm ein Seyn, aber nur ein solches, das es sich nicht annimmt, das es sich nicht zum Vorwurf macht, das es nicht weiß noch will, mit Einem Wort wir lassen ihm dasjenige Seyn, welchem das Wesen nicht entgegensteht (es anziehend) sondern welches Eines ist mit dem Wesen.
Nämlich: es hat kein vom Können verschiednes Seyn, sondern das Können ist ihm auch das Seyn, und umgekehrt das Seyn ist ihm eben das Können. Es ist insofern nicht bloß Können, sondern Können das gleich Seyn ist, so wie nicht bloß Seyn sondern Seyn das gleich Können ist, oder wie wir mit Einem Wort dieß ausdrücken mögen, es ist lautres Seyn=Können. Nun ist dieß nicht nur an sich die höchste Lebendigkeit. Denn bloßes Seyn ist Tod, Leben ist Seyn mit unendlichem Können verbunden, das also in welchem das Seyn ganz Können und das Können ganz Seyn ist das Urlebendige selbst wie es das Ursubject ist.
Ferner: es ist wie wir gezeigt haben das allein allem voraus, d.h. das allein unbedingt zu setzende, das Unbedingte selbst; und nimmt also auch gleich ursprünglich den Ort der Unbedingtheit ein.
Nun ist es nicht seyend, also das Seyende selbst, das Urlebendige und Unbedingte nur sofern es sich das Seyn nicht anzieht, denn zöge es sich das Seyn an, so wäre es eben damit seyend oder ein Seyendes.
Inwiefern aber zieht es sich das Seyn nicht an? Etwa daß es sich desselben nicht annehmen könnte? Wodurch sollte es daran verhindert seyn, da nichts vor ihm ist? Auch haben wir nur gesagt, es sey nicht seyend, welches nicht ausschließt, daß es seyend seyn könnte.
Also wir können es nicht setzen ohne in ihm zugleich die Möglichkeit zu setzen sich das Seyn anzuziehen, d.h. die Möglichkeit seyend zu seyn, also nicht ohne es noch
Also das wir allem voraussetzen müssen ist das Unbedingte zwar, aber nur zweifelhafter Weise, als die zweydeutige Natur (natura anceps), fortuna, Janus oder der Zweyheit der Pythagoreer gleich.
Hinwiederum, wenn das allem Vorauszusetzende oder Erste zwar das Unbedingte ist, aber nur bedingter Weise (hypothetisch) und nicht ohne Gefahr des Gegentheils, so folgt umgekehrt daß wir das wahre Unbedingte, das Unbedingte, das es ist nicht unmittelbar, nicht gradezu, nicht allem voraus setzen können.
Dieses Zweydeutige zu setzen ist nicht etwas Willkührliches sondern völlig Unwillkührliches; wir setzen dieses nicht, weil wir es wollen, sondern weil wir anders nicht können, nicht daß wir ein Andres (das Unbedingte, das es ist) nicht setzen möchten, sondern weil wir dieß nicht setzen können, wir setzen also auch jenes (das es ist und nicht ist) nicht, um seiner selbst willen, noch ist es auch um seiner selbst willen, sondern nur weil wir ein anderes nicht setzen – ein andres nicht seyn kann:
Begriffe: Wissenschaft
Inhalt: »das Gebäude der Zeiten in Gedanken abzutragen«
Auflistung 1-6
Begriffe: lauteres Selbst, Freyheit zu seyn
Begriffe: Ist, Band/copula verbalis, Urtheil
Begriffe: A1, Können, Wille, Ist
Begriffe: Philosophie, Seyn-Können
Inhalt: »daß man eine Philosophie annimmt heißt, daß man kein Wissen als vorhanden und seyend setzt«
Begriffe: Subject, Philosophie, Wissen, Weisheit
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Uralter Lehre gemäß ist alles Wissen Erinnerung
und bezieht sich unmittelbar auf Vergangenheit; wie das Wort Historie nichts anderes bedeutet als eben Wissenschaft.
Doch ist Gegenwärtiges auch geschichtlich d.h wissenschaftlich erkennbar durch Herleitung aus der Vergangenheit; so gewissermaßen selbst Zukünftiges, durch Folgerung aus Gegenwärtigem und Vergangenem.
Umfassende Wissenschaft ist also, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aber in einer Verkettungsfolge begreift, ja streng genommen muß wahre Wissenschaft vom Anfang bis zum Ende hinausreichen, denn die Absicht jeder fortschreitenden Bewegung wird nur in ihrem Ziel erkannt, und was im Beginn und Mittel eigentlich war zeigt erst das Ende.
Daß alles, was jetzt ist nur das Werk einer fortschreitenden Bewegung ist, in der je das Vorhergehende dem Folgenden zu Grund gelegt wurde, davon überzeugt schon die bloße Betrachtung der Natur. Alles was uns umgibt weist an eine unglaublich hohe Vergangenheit zurück. Die Zeiträume der vormenschlichen Zeit der Erde dehnen sich vor der Einbildungskraft in dem Maß aus, als sie die Abstufungen, die gemessene Folge, die langsamen Übergänge zwischen den verschiednen Arten von Bildungen kennen lernt. In einer undenklichen Reihe von Zeiten hat je die folgende die vorhergehende zugedeckt und der höchst verwickelte Zustand der Gegenwart ist nur zu begreifen, indem man in Gedanken allmälig das Gebäude der Zeiten abträgt um so auf den Grund zu kommen.
Wenn die Erde durch so viele Zeiten gegangen, um endlich diese zu werden, wie vermöchten wir vom Gegenwärtigen auch nur das Geringste zu begreifen ohne Herleitung aus der Vergangenheit? Eine ausgezeichnete Persönlichkeit ist uns erst unbegreiflich, bevor wir die besondern Umstände erfahren, unter denen sie geworden, und sich gebildet hat. Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen! Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums, seiner allmäligen Entstehung auf die Spur gekommen.
Welche ganz andre Verwicklungen müssen in einem so vielfach zusammengesetzten Ganzen, als schon die Erde ist, sich finden. Alles, bis zum Sandkorn herab muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. In einem Ganzen, darinn alles und jedes den Abdruck rhythmisch folgender Zeiten zeigt kann nichts einzeln, nichts für sich genommen werden. Alles ist nur Werk der Zeit; jedes Geschöpf der Zeiger eines Tags, einer Stunde eines Augenblicks in dem großen Uhrwerk der Schöpfung, nur die Zeit zu der jedes gehört ertheilt ihm seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung.
Daß nun dieses auch mit dem Weltall sich so verhalte, daß auch in seinem Werden eine Folge von Zeiten war, da je eine der anderen Grund wurde, bis endlich dieß wunderbare und unbegreifliche Gewächs zu Stande gekommen, dieses muß vernünftiger Weise jeder nachdenkliche Betrachter voraussetzen. Also ist kein auch nur allgemeines Begreifen desselben zu denken, es sey denn daß man vom letzten Grund, von der ältesten Vergangenheit so die Genealogie des jetzigen Zustandes in gesetzlicher Folge hergeleitet. Nicht daß auf der unausmeßlichen Bahn jeder einzelne Durchgangspunct bemerkt würde; aber doch daß das Gesetz der Bewegung, die allgemeine Folge der Zeiten, gleichsam die ewigen Zahlen jener großen Fortschreitung erkannt werden.
Ich hab gewagt, die Gedanken, die sich mir über diese Folge der Zeiten von Anbeginn durch wiederholte Forschung erzeugt und allmälig ausgebildet haben, schriftlich aufzuzeichnen, doch nicht in äußerlich strenger nur in leicht mittheilender Form. Denn ein andres ist das innre Gedankenwerk, ein andres die äußere Darlegung. Vieles mußt’ ergründet, manches versucht werden, ehe diese einfache und lautere Darstellung möglich war, die nur soviel von der dialektischen Form, beybehält, als zum Erfassen der Sache schlechterdings nothwendig ist. Jene künstlichen Formen sind unentbehrlich in Erzeugung der Wissenschaft, aber so wie sie in die zweyte Hand übergehen, oder gar der Fleiß sich in ihnen verstrickt, dienen sie nur zum Verderb der Sache, zur Erzeugung verwirrender Dunkelheit oder zum Deckmantel des Unvermögens, wie es ja auch in der bildenden Kunst nicht jedem gegeben ist die Hüllen abzustreifen und die Natur wie sie ist zu zeigen. Einfalt des Ausdrucks dient in gewisser Art als Probe der Wahrheit, von welcher wohl gilt, was vom Erhabenen
längst bemerkt worden, daß es die einfältigsten und schlichtesten Worte liebt, ja fordert
. Die Sprache der Systeme ist von gestern, die Sprache des Volks wie die Wahrheit selbst von Ewigkeit.
Umsonst ist alles Bemühn um volksmäßige Darstellung, solange die Begriffe von der Art sind, daß sie das Maß der allgemeinmenschlichen Begreiflichkeit übersteigen. Ist es aber der Wissenschaft möglich, statt des Begriffs die Sache, statt der Vorstellung des Lebens den wirklichen Hergang zu geben, und mit einem Worte das wirklich zu seyn, was sie der Wortbedeutung nach ist, (ἱστορία), so wird sich die Allgemeinverständlichkeit von selbst ergeben. Nicht daß jeder zu höherem Begreifen Fähige sie verstehen müsse, wohl aber, daß sie jeder verstehen könne.
Es ist also nicht die Rede von einer willkührlichen Anwendung des geschichtlichen Gangs auf einen übrigens ungeschichtlichen Stoff, sondern davon, daß der Stoff selbst historisch, und beweglich, fortschreitend und im eigentlichen Verstand lebendig sey. Das erste Beyspiel einer solchen geschichtlichen Entwicklung habe ich in einem beschränkteren Kreise früh schon (im System des Idealismus) gegeben. Aber auch für das höhere umfassende Ganze war die Möglichkeit derselben längst in den Grundbegriffen vorbereitet. Das Gesetz der Steigerung, das ich, als einer der so wenig erfunden, wohl als meine Erfindung in der Philosophie ansprechen darf, dieses Gesetz enthält zugleich den Schlüssel zum System der Zeiten.
Kein Begriff liegt seit längerer Zeit in so großer Geringschätzung, als eben der der Zeit, wie es bemerkenswerth ist, daß eben in der gewaltigsten Zeit die schwächsten Begriffe von der Zeit aufgekommen. Schon immer war sie gleichsam das böse Gewissen der Philosophen. Aber ohne Aufhellung dieses Begriffs wird sich nie eine verständliche Entwickelung der Wissenschaft denken lassen, und es liegt der Grund des allgemeinen Mißverstehens und der in allen Begriffen fühlbaren Stockung eben in nichts anderem, als in den ungewissen, zweifelhaften oder völlig unwahren Begriffen von der Zeit. Auch die Wissenschaft kann die freye Bewegung nicht wiederfinden, ehe die Pulse der Zeit wieder lebendig schlagen.
Der jetzt herrschende Begriff kennt überhaupt keine Zeiten, sondern nur ein gewisses Abgezogenes von Zeit, eine allgemeine Zeit, die er die Zeit schlechthin nennt. Von dieser ist ganz richtig geredet, sie sey eine bloße Form unsrer Vorstellungen
, ja richtiger wäre, sie sey ein bloßer Begriff. Es könnte längst verdienstlich scheinen, diese Vorstellung der Zeit zu berichtigen, das Scheinbare und Unwahre, das in ihn gekommen, abzuthun, daß das Wahre und Wesentliche erschiene; wenn überhaupt noch die Zeit war, die großen Gegenstände einzeln, capitelweis abzuhandeln. Erwünschter ist, alles in Leben und That zu sehen. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis ins Kleinste gehenden Organismus. Wir
Vergangenheit, ein ernster Begriff, allen gemein und Wenigen verstanden! Die Meisten wissen von keiner, als der welche sich in jedem Augenblick durch eben diesen vergrößert, selbst noch wird nicht ist. Ohne bestimmte entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch der sich nicht scheiden kann von sich selbst, sich lossagen von allem was ihm geworden und sich ihm entgegensetzen, hat keine Vergangenheit oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Ebenso jene, welche immer die Vergangenheit zurückwünschen, die sich selbst nicht steigern wollen, da alles (auch das Schlechte) sich steigert, und die durch ohnmächtiges Lob der vorigen Zeiten, wie durch kraftloses Schelten der Gegenwart beweisen, daß sie in dieser nichts zu wirken vermögen. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen das Bewußtseyn, etwas wie man sagt hinter sich gebracht, d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Gegenwart und leicht nur unter dieser Bedingung auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat, sich über sich selbst zu erheben ist fähig, eine wahre Vergangenheit sich zu erschaffen; eben dieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er allein einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen bloß sittlichen Betrachtungen würde erhellen, daß Vergangenheit Gegenwart und Zukunft nicht bloße Verhältnißbegriffe einer und der selben Zeit, sondern Begriffe wirklich verschiedner Zeiten sind.
Wäre zwischen Zeiten keine Steigerung, ginge die selbe Zeit, die wir die gegenwärtige nennen, bedeutungslos in’s Unbestimmte fort, so müßte die Rede davon gelten, welche die Welt für eine in’s Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen ausgebe; ein Ungedanke, der mit dem unlebendigen Ganzen zu dem er gehört von selbst verschwindet.
Wäre jedoch bewährt in jedem Sinn die alte Rede: Nichts Neues ereigne sich unter der Sonne
; wäre auf die Frage: Was ist’s das geschehen ist? noch immer jene Antwort die richtige, Ebendas was hernach geschehen wird
, und auf die was ists das man thun wird? Ebendas was man zuvor auch gethan
: so würde daraus doch nie dieses folgen, daß die Welt in sich keine wahre Vergangenheit hat und keine eigentliche Zukunft; daß alles was in ihr von Anfang geschehen ist und was bis zum Ende geschehen wird, nur zu Einer großen Zeit gehört, also die Zeit dieser Welt überhaupt nur Eine bestimmte Zeit ist. Aber eben weil nur Eine, setzt sie die zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraus. Die wahre Vergangenheit ist die Zeit die vor der Welt war, die wahre Zukunft, die Zukunft, die nach der Welt seyn wird, und so würde sich uns ein System von Zeiten entfalten, das unsre gewöhnliche Rechnung mit jenen Begriffen tief unter sich zurückläßt.
Aber auch jener unmittelbare vorweltliche, der Welt zu Grunde liegende, Zustand war ja wohl noch nicht die letzte Vergangenheit; auch er konnte noch andere Zeiten voraussetzen, und so findet sich denn kein Stillstand der Forschung, eh’ wir bis zum wahrhaft ältesten Grunde, zur letzten Vergangenheit gelangt sind.
Der älteste oder was dasselbe ist tiefste Grund kann, wie von selbst klar, nur der seyn, der allem Wirklichen zu Grunde liegt; der Grund aller Gründe, der als derselbe keinen Grund mehr hat; der grundlose Grund oder wie man ihn mit einem von den theosophischen Systemen entlehnten, jedoch anders gebrauchten Ausdruck nennen könnte, der Ungrund. Da er allem Wirklichen zu Grunde liegt, muß er selbst vor und außer allem Wirklichen seyn, auch kann er nie in die Wirklichkeit hereintreten, weil er von jedem, also schon von dem ersten Wirklichen zugedeckt und in’s Verborgene gesetzt wird.
Er ist nicht erkennbar ohne das Wirkliche, denn nur das Wirkliche ist seine Offenbarung, und nicht mit dem Wirklichen, denn eben durchs Wirkliche wird er verborgen. Er ist daher überhaupt nur offenbar als ein verborgener, nur erkennbar als ein nicht erkennbarer; welches auch so ausgedrückt werden kann: du erkennst ihn nicht als ein Erkennender sondern nur als ein nicht Erkennender; du siehst ihn gerade inwiefern du ihn nicht siehst, je mehr du aber nach ihm greifst, desto mehr entflieht er.
Er ist kann man sagen das ewig Vorausgesetzte, das nie in’s Wissen hereingezogen werden kann. Denn alles Wissen ist ein Wissen von Wirklichem, aber durchs erste Wirkliche, also auch durchs erste Wissen ist er schon ausgeschloßen, und als das erste Unterworfene (subjectum primum) gesetzt.
Hier, in der Anerkennung des schon dem ersten Wirklichen, also auch dem ersten Wissen zu Grunde Liegenden, setzt sich das Wissen selber seine Gränze und weiß dann mit Entschiedenheit, daß es nur von diesem anfangen kann.
Wer ein Wissen annimmt, behauptet in dem auch ein Nichtwissen; wie wer ein Sichtbares behauptet in dem ein Unsichtbares voraussetzt. Doch ist dieß Nichtwissen weit verschieden von dem, was von Verschiedenen die letzten Zeiten gelehrt worden. Der Unterschied ist der, daß sie in dem nicht zu Wissenden Eigenschaften eines Erkennbaren und Wirklichen voraussetzen, die nur nicht erkannt werden; aber jenes Vorausgesetzte ist ein Abgrund, der jeden Gedanken verschlingt, kein Vorwurf eines wirklichen sondern auch nicht einmal eines möglichen Wissens. Wenn sie so dann grade das, was ein Wesen nicht in seinem Ungrund sondern in seiner Offenbarung und Wirklichkeit ist, Leben, Verstand, Persönlichkeit Wille usw. zum Gegenstand des Nichtwissens machen, so ist offenbar, daß sie von diesem selber nur als nicht Wissende oder wie im Traume reden.
Offenbar ist also auch, daß jener ein schlechthin erster und tiefster Grund etwas an sich selbst ganz Unaussprechliches sey. Denn in allem Ausgesprochnen wie in allem Wirklichen ist eine Unterscheidung von Eigenschaften der Kräfte, jener aber ist das Nichts alles wirklichen Wesens und aller Eigenschaften, und doch nicht Nichts sondern eine Gleichheit oder Gleichgültigkeit (Indifferenz) alles dessen, was im Wirklichen entschieden und auseinander gesetzt ist. Es selbst (das ewig Vorausgesetzte) ist keine bestimmte Zahl oder Potenz, sondern außer aller Zahl und Potenz, und kann daher auch nie mit hereingezogen werden in den Kreis des Wissens, indem es da unmittelbar aufhörte zu seyn was es ist. Wenn man also davon reden will, so kann man nur in Worten davon reden, die eine Beraubung ausdrücken. Es ist in Ansehung jedes Wesens das Nichts, das es immer zu suchen gedrungen ist; die ewige Ruhe in die es zurückverlangt, oder die Ur-Nacht, was nie an den Tag hervortritt sondern immer im Grund bleibt.
In solch’ hohem Sinne hat wirklich schon das höchste Alterthum einmüthig gelehrt, das erste und älteste der Wesen, der Grund und Anfang alles Daseyns sey die Nacht
; nur daß man ihm nicht andichte, es zugleich als oberstes Wesen gedacht zu haben.
Wir nun schweigen hiermit von ihm; – das Nöthige, was von ihm zu sagen
Nun ist einleuchtend, daß dieses Nichts alles wirklichen Wesens (daß wir es so nennen) zwar außer (praeter) aber doch nicht außerhalb (extra) des Wirklichen seyn kann, sondern eben in ihm ist, als das von ihm Zugedeckte, ihm verborgener Weise stets zu Grunde Liegende.
Doch kann es eben darum auch nicht etwa ein Theil (ein Factor) des Wirk
Der Mensch findet sich im Beginn seines Daseyns in einem allgemeinen Fortgang verflochten, der bald mehr bald weniger merklich immer aber unwiderstehlich, einem Strom gleich, alles nach einem unbekannten, aber doch bestimmten Ziel hinführt. Es kann nicht seine Bestimmung seyn, blind und besinnungslos wie ein Stück todten Stoffs fortgetrieben zu werden, er ist aufgefodert, den ungeheuren Hergang verstehen zu lernen, um als ein freyes Wesen, das sich geben und sich nehmen kann, von allem, was dem Strom nur zur nothwendigen Hemmung und endlichen Überwindung dient, soviel möglich sich rein zu halten, dagegen der erkannten Endabsicht der Bewegung förderlich zu seyn, um so auch hinwiederum von ihr gefördert zu werden.
Aber es ist eine bewährte Regel, daß wer einer Sache Anfang nicht weiß auch unfähig ist, deren Fortgang und Ende zu beurtheilen. Also muß, er wolle oder nicht, der Mensch zum Beginn jener Bewegung aufsteigen; und die Geschichte dieses Ganzen von seiner ersten Herkunft zu wissen, ist, was man auch sagen möge, ein gerechtes ja ein nothwendiges Verlangen, das dem Menschen auf irgend eine Weise gestillt werden muß.
Darum ist ihm die Offenbarung so erwünscht, ja so unentbehrlich, weil sie allein eine Welt- und Menschengeschichte enthält, die vom Anfang nicht bloß bis zur Gegenwart, sondern bis zum Ende hinausgeht. Denn was im Beginn und Mittel war, wird erst durch das Ende klar, und da in der Gegenwart
Nicht daß es überall keine Dinge gäbe, die ihrer Natur nach nur geglaubt werden können; aber diese können doch nur glaubhaft werden dadurch daß sie mit andern in Verbindung stehen, deren Natürlichkeit, Wahrheit und Nothwendigkeit uns auf eine über allen Zweifel erhabene Art einleuchtet.
Eine ganz andre Frage und deren Beantwortung vielleicht in den Verlauf dieses Werkes, aber nicht in dessen Anfang gehört ist, ob der Mensch je aus eigenen Kräften zu einer Wissenschaft jenes Hergangs gelangen könne? Gewisse Sätze machen sich schon durch ihre Unbestimmtheit unwiderleglich. Denn was kann der Mensch überhaupt oder der Einzelne je sein eigen nennen, da Er Selbst nicht von sich selbst ist? Und wenn jedem Einzelnen nach Abzug dessen, was Vor- und Mitwelt zu seiner Erscheinung beygetragen, so gut als nichts übrig bliebe, nämlich sein reines d.h. leeres Selbst, wie sollte wohl die Gattung, die doch nur aus Einzelnen besteht, selbstständiger seyn? So daß es also mir abgeschmackt erschiene, wenn behauptet würde, der Mensch vermöge ursprünglich irgend etwas aus eigenen Kräften.
Auch kann ich nicht umhin, gleich hier zu bemerken, wie wenig förderlich auch dem Glauben an Offenbarung die unbedingte Herabsetzung des menschlichen Vermögens ist. Wie da unsres Gedenkens eine neue Lehre aufgebracht, daß auf Gott und göttliche Dinge kein Begriff des menschlichen Verstandes anwendbar sey
, welcher Satz (unbegreiflich!) selbst von wohlmeynenden ja für die Offenbarung eingenommenen Männern ergriffen worden, ohne zu bedenken, daß eben diese, daß der allgemein menschliche Glaube Gott unter lauter menschlichen oder Verstandesbegriffen darstellt und daß jener Satz in solcher Allgemeinheit zugegeben mit dem Vermögen zugleich die Empfänglichkeit für jedes höhere Wissen auch das mitgetheilte und geoffenbarte hinwegnehmen müße. Wie denn die Erfahrung gezeigt, da die welche jene Unfähigkeit des Wissens in sich wirklich gefunden, gleich unwissend, gleich zeit- und erkenntnißleer die Tempel der Offenbarung, wie die Helle der Wissenschaft verlassen.
Also muß, auch die Offenbarung vorausgesetzt, doch der Mensch Mittel und Kräfte in sich selbst haben, sie sich anzueignen; auch diese mögen zu einem Grad gesunken seyn, daß sie höherer
Denn Anfang, Mittel und Ende kennen, das überhaupt ist Weisheit und Anfang Mittel und Ende nicht irgend einer besondern Sache sondern der Dinge überhaupt oder dieser ganzen Bewegung kennen das ist allgemein menschliche Weisheit.
Das Streben nach dieser gemein menschlichen Weisheit heißt seit Jahrtausenden Philosophie. Aber die Namen bleiben, der Geist verfliegt im Lauf der Zeiten. Die Geschichte der Verirrungen dieses Strebens hier zu berühren wäre Abschweifung und unnütz. Denn da wir selbst den Weg vom Ersten bis zum Letzten durchwandeln wollen, müssen sich schon von selbst, verfehlen wir nicht des rechten, die Ab- und Seitenwege überall zeigen, auf welchen der menschliche Verstand sich verirrt hat. Die wahre und vollständige Philosophie ist auch die wahre und vollständige Geschichte der Philosophie.
Nur der beyden äußersten Endpuncte wollen wir gedenken, die sich in der letzten Zeit gegenüberstanden. Zuerst der Vor˖[stellung], welche zwar einen wirklichen, vom Suchenden unabhängigen, Gegenstand, diesen aber als einen stillstehenden annimmt, von dem man, wie von einer Tafel, gewisse Eigenschaften ablesen kann, dessen Seyn und Wesen durch allgemeine, starre unbewegliche Sätze bestimmbar ist. Der andern, welche zwar das Wesen der Wissenschaft in Bewegung setzt, aber in eine, die bloß im Denkenden selbst oder dem die Wissenschaft Erzeugenden vorgeht, so daß sie im Grunde bloß eine Folge von Begriffen oder Entwickelung eigner Gedanken ist.
Alle diese Systeme legen dem natürlichen Gefühl eine unerträgliche Last auf. Was der Mensch von der Wissenschaft verlangt ist klar, nämlich Einsicht in den wirklichen Hergang, wodurch vom ersten Beginn alles bis in den gegenwärtigen Stand entwickelt worden. Ein System das den Ursprung der Dinge als bloßen Folgesatz aus allgemeinen Vernunftwahrheiten abziehen will, thut dem natürlichen Verstand kein Genüge; so wenig Genüge als er sich den Beweis, daß wir uns eine Welt wie die gegenwärtige vorstellen müssen, für eine wirkliche Erklärung derselben aufreden läßt. Eine Zeit lang mag ihm wohl Gewalt geschehen; über Kurz oder Lang wird er das Joch abwerfen.
Das Absehen dieses Werks gehet auf nichts anderes als jene allgemeine Wissenschaft. In diesem ersten Buch wollen wir die Geschichte der Vergangenheit beschreiben; nicht vom Ursprung der Menschheit bis auf die gegenwärtige Zeit, welches der Anfang der insgemein so genannten Historie ist (obwohl Dunkel auf den Anfängen liegt und der eigentliche Schlüssel des Ganzen noch fehlt); nicht vom Anfang der Erde bis auf die Entstehung des Menschen, welches die Aufgabe einer vollendeten Erdgeschichte wäre (obgleich der Proceß der Erde, wenigstens mit den letzten Gliedern, in einem weit Höheren sich verliert), sondern von den Vorzeiten der Welt bis auf die Zeiten derselben; nicht in der Meynung, daß auf der unermeßlichen Bahn jeder einzelne Durchgangspunct bemerkt werde, sondern nur daß das Gesetz der Bewegung, die allgemeine Folge der Zeiten, gleichsam die ewigen Zahlen jener großen Fortschreitung enthüllt werden. Denn gleichwie der Geschichte der Erde schon dadurch ein unbeschreibliches Licht aufgegangen, daß man angefangen, die Zeiten im allgemeinen zu unterscheiden: So ist anzunehmen, daß der Stoff der höchsten Wissenschaft, der theilweis’ oft vorhanden aber weil ungeordnet unverständlich blieb, geschichtlich geordnet und gleichsam gegliedert, jene allgemeine Anerkennung finden werde, die der einzelnen Ansicht die sich aufdrängen wollte noch immer und mit Recht verweigert worden.
Philosophisch ist also die Absicht dieses Werks, und zwar in vorzüglichem Verstand philosophisch. Aber dieses will kein System aufstellen, das seiner Entfernung von allem Menschlichen wegen nur der Schule angehören kann; es will ein der Menschheit erträgliches Ganzes von Wissenschaft aufstellen, das, was die Stimme des Volkes, die hier wahrhaft Gottes Stimme ist, immer im Grunde gefodert hat und auch jetzt noch fodert. Umsonst sind alle Versuche volksmäßiger Darstellung, so lange die Begriffe selber von der Art sind, daß sie daß Maß allgemeinmenschlicher Begreiflichkeit überschreiten. Ist es aber der Wissenschaft möglich, statt des Begriffs die Sache, statt der Vorstellung des Lebens den wirklichen Hergang zu geben, und um es auf’s Kürzeste zu sagen, das wirklich zu seyn, was sie der Wortbedeutung nach ist, Historie (ἱστορία): so wird sich die Allgemeinverständlichkeit wohl von selbst ergeben. Nicht, daß sie jeder zu höheren Dingen Befähigte verstehen müsse; wohl aber daß sie jeder verstehen könne.
Es ist also nicht die Rede von einer willkührlichen Anwendung irgend einer geschichtlichen Methode auf einen übrigens ungeschichtlichen Stoff; es ist davon die Rede, daß der Stoff selbst historisch sey, nämlich ein Lebendiges, in steter Bewegung Fortschreitendes. Das erste Beyspiel einer solchen geschichtlichen Entwickelung wurde in einem engeren Kreise früh schon (im System des Idealismus) gegeben. Aber die Möglichkeit einer solchen Entwicklung war auch für das höhere Ganze schon in seinen Grundbegriffen vorbereitet. Das Gesetz der Steigerung ist zugleich der Schlüssel zum System der Zeiten. Ja als ein von der Zeit dringend gefordertes Werk, müßte die vollständige geschichtliche Entwickelung besonders unter den gegenwärtigen Umständen erscheinen.
Daß die Verwirrung in der Philosophie auf’s Höchste gestiegen ist, wird allgemein erkannt und beklagt; das Chaos von Vorstellungen, in dem sich die Welt jetzt herumtreibt, zeigt deutlich genug an, daß die Zeit vorbey ist, wo irgend ein beschränktes System auch nur augenblicklich sich geltend machen könnte. Die Welt will eine Wahrheit, bey der sie sich beruhigen und die auch wieder Stoff, Anfang und Mittel einer gesetzlich fortschreitenden Bildung werden kann. Woher aber jene Auflösung aller Begriffe, in der sich nichts mehr unterscheiden läßt? Man kann wohl annehmen, daß seit Beginn der Philosophie nichts namhaftes behauptet worden, was nicht wahr und unbestreitbar gewesen an seiner Stelle, aber auch nichts, das nicht hinweggerückt von dieser und unbedingt behauptet, falsch und der gehäßigsten oder ungereimtesten Folge überweislich. Dieses nun ist der Ursprung der Systeme oder Secten, daß jeder ein Stück hat vom Ganzen und dieß Stück für das Ganze will geltend machen. Dem Schwächeren gereicht dieser Streit zur nothwendigen Verwirrung; dem Verständigen ist er ein unleidliches Schauspiel. Wäre alles nur gradezu falsch und schlechthin verwerflich, so wäre leicht fertig zu werden; aber grade daß es mehr ist nämlich mit der gehörigen Einschränkung, an seinem bestimmten Ort und gleichsam zu seiner Zeit; dieß ist das Widerwärtige. Die gegenwärtige Zeit nun kann man freylich nicht der Einseitigkeit anklagen; das Gefühl, daß in allem etwas Wahres sey, hat selbst unsre Jugend mit der wunderlichsten Vielseitigkeit auf einmal beseligt; man sieht freylich kein System mehr, aber lauter Trümmer von Systemen, die in der seltsamsten, buntesten Mischung durcheinander schwimmen, und was haben nicht selbst ernsthafte Männer in unsern Zeiten nicht alles für vereinbar gehalten und wirklich zu vereinen gesucht! – Widerwärtige – Zur Odnung zu bringen.
Dieß Chaos ist indeß wie immer so hier das natürlich Vorausgehende der Scheidung und läßt als Mittel zur Klarheit nur eben jene Auseinandersetzung nach Momenten und Zeiten übrig.
das Erhabene in der Dichtkunst die schlichtesten und einfältigsten Worte liebt
, so muß auch die Wahrheit welche Frucht der höchsten Forschung ist, sich in die einfachsten und allgemein verständlichen Worte kleiden lassen ja gewissermaßen sie fodern. Die Sprache der Systeme ist von gestern, die Sprache des Volks wie die Wahrheit gleichsam von Ewigkeit.
Schwer indeß ist immer reden von Dingen, wo mit Mühe selbst die Erforschlichkeit glaublich gemacht wird. Hiebey konnte ich nicht umhin, die Wohlthätigkeit ja die Nothwendigkeit der Anschließung zu empfinden an ein schon bekanntes Ehrwürdiges, an irgend eine höher beglaubigte Überlieferung auf der die Gedanken der Menschen ruhen. Ruft doch selbst Platon an den höchsten Puncten und Gipfeln seiner Aussprüche meist nur von altersher überlieferte Rede oder ein heiliges Wort herbey! Das Geschaute ist nicht die der Forschung vortheilhafte Stimmung. Aber es bringt immer Anstrengung und Spannung hervor, wenn Hörer oder Leser in der Meynung sind, der Autor wolle das alles aus dem eignen Kopf gesponnen haben und nun eine selbst erfundene Weisheit mittheilen. Eine solche Überlieferung nun konnte ich wohl nirgends anders finden, als in jenen unerschütterlichen Urkunden, den einzigen Geschichtsbüchern der Welt von Anfang bis zu Ende. Dieß mag zur Erklärung einer Eigenthümlichkeit dieses Werks dienen, das gar oft und nicht bloß in den Beyspielen an die Aussprüche unsrer heiligen Bücher erinnert. Denn wenn ich mich ebenso oft auf die orphischen Bruchstücke, oder die Zendbücher oder die indischen Schriften berufe, so konnte dieß als gelehrte Schwäche gelten und weniger wunderlich erscheinen, als die Beziehung auf jene Schriften, zu deren vollständigen Erklärung in Absicht auf Sprache Geschichte und Lehre doch alle Weisheit und Gelehrsamkeit der Welt zusammen wirken müßten.
Aber diese Schriften enthalten keine wissenschaftlichen Bestimmungen; und auch sonst sind durch die Meynung, daß eben jedermann philosophire, aber im Grunde niemand etwas wissen könne, fast alle bestimmte doctrinelle Begriffe in unserer Zeit verschwunden. In wiefern es nun erwünscht war, auch für diese in irgend etwas zugestandenem einen Anhaltungs- oder Anknüpfungspunct, zu finden, konnte ich nicht umhin, mich nach den Theologen zu wenden, welche wenigstens berufshalber, die eigentlichen Stammhalter fester Lehr-Bestimmungen seyn sollten, und die auf jeden Fall den höchsten Maßstab alles Wissens und Denkens in Händen zu haben glauben.
Schon daraus also würde es sich erklären, wenn dieses Werk fast eben so sehr das Ansehen eines theologischen als eines philosophischen gewinnen sollte; gesetzt auch man wollte den alten Begriff nicht mehr gelten lassen, nach welchem ohne dieß das eine das andere nothwendig einschließt.
Dieses also schien nöthig, um Art und Weise dieses Buchs dem Leser voraus begreiflich zu machen. Hat der Verfasser nun erklärt, was von ihm zu erwarten: so ist natürlich, daß er nun auch erkläre, was er von dem Leser erwarten zu dürfen glaube.
Das Allgemeine und was man jedem schuldig ist, der die Frucht selbstständiger Forschungen treuherzig und aufrichtig mittheilt, übergehe ich; so nöthig oft scheinen könnte, es in Erinnerung zu bringen. Schon von selbst also wird der Leser gewahr werden, daß hier nicht eine Folge von Satzungen oder unbedingten Behauptungen aufgestellt wird; alles vielmehr Ton und Art einer freyen, allmälig fortschreitenden Untersuchung hat. Dieses liegt schon in dem Gegenstand, der ein lebendiger, beweglicher, ja die ewige Bewegung selber ist. Der Leser erwarte also in der ganzen Untersuchung auch nicht einen wie für immer feststehenden (dogmatischen) Satz. Was auch immer ausgesprochen werden möge, es gilt nur für diesen Ort; hinweg gerückt von dieser Stelle verliert es Sinn und Bedeutung. Hier kommt also alles darauf an, die bestimmte Gränze der Gültigkeit einer jeden Aussage scharf zu unterscheiden und wohl zu bedenken; denn wenn er das letzte zum ersten machen oder was nur für diesen Moment behauptet wird in einen allgemeinen unbedingten Satz umprägen will, so kann nichts als Verwirrung und Widerspruch entstehen. Wie vielmehr nach dem alten Spruch nur der gut lehrt der gut unterscheidet (qui bene distinguit bene docet), so kann auch nur der wohl lernen, der auf die Unterscheidungen wohl achtet.
Darum denke sich auch keiner etwas damit gethan, daß er der einzelnen Behauptung eine andere, als Widerspruch, entgegensetzt. Ich gebe zum Voraus und freywillig zu, daß jeder einzelne Satz widerleglich, d.h daß jedem ein gleicher mit gleicher Kraft entgegen gestellt werden kann. Aber damit ist gegen das Ganze schlechterdings nichts ausgerichtet; indem jeder Satz, einzeln, für sich, unbedingt genommen falsch und durch das Ganze wahr und unwiderleglich seyn kann. Weil nun dieß den Meisten wunderlich ja ganz unbegreiflich scheinen wird, will ich es auf ganz einfache Art zu erklären suchen. Es heiße der Gegenstand der Untersuchung A und der erste Satz der behauptet wird, sey daß A=X ist. Wäre nun dieser Satz ein unbedingter, d.h wäre A immer und überall nur X, so wäre mit dem ersten Satz die Untersuchung fertig und nichts hinzu zu thun. So gewiß sie fortschreitend ist, so gewiß ist A=X nur ein beschränkt gültiger Satz. Er gilt vielleicht für den Anfang, aber im Fortschreiten findet sich, daß A auch =Y ist. Nun hat einer vielleicht früher in Erfahrung gebracht oder es leuchtet ihm überhaupt mehr ein, daß A=Y als daß es =X sey. Indem er also den Satz A=X hört und diesen für einen unbeschränkten nimmt, setzt er ihm den Satz A=Y entgegen, der freylich auch falsch ist, in wiefern er ihn für einen unbeschränkten gibt, aber doch den ersten widerlegt, sofern dieser ebenfalls ein unbeschränkter ist. Hört oder liest er nun weiter fort, daß A=Y ist, so hat er immer in dem Maße, daß A=X ein unbedingter Satz sey, vollends den entschiedenen Widerspruch entdeckt; denn ist A schlechthin und unbeschränkt =X, so kann es nicht auch =Y sein, so gewiß X nicht =Y ist. Hier geht er nun von dannen und freut sich sehr und rühmt sich, das System widerlegt zu haben, indeß er dem Verstehenden nichts weiter bewiesen, als daß er von wissenschaftlicher Methode gar keinen Begriff hat. Setzen wir nun jene Reihe weiter fort, so ist in ihr jeder Satz A=X, A=Y, A=Z u.s.w falsch und widerleglich; es ist falsch, daß A=X ist (nämlich unbedingt) denn es ist auch Y und Z; falsch
Eben daraus ist auch einleuchtend, daß der Inhalt einer solchen Untersuchung nicht als ein paar allgemeine kurze Sätze, gleichsam wie einige verlangen auf ein Blatt Papier bringen kann. Denn die Sätze an und für sich oder abgesehen von der Bewegung, durch die sie erzeugt werden, sind ohne allen Werth; und sterben, ihrem Lebenselement entnommen, in Kürze wie Früchte vom Baum getrennt ab. Die Fortschreitung aber ist das Wesentliche der Wissenschaft. Wer die Frucht will, muß den Proceß durchmachen, mittels dessen sie zu Stande kommt. Die Welt ist nicht ein Räthsel, dessen Auflösung in einem einzigen Wort läge. Alle Geschichte, nicht in der Wirklichkeit bloß auch in der Erzählung, kann nur erlebt, nicht mit Einem Begriff gleichsam auf Ein Mal mitgetheilt werden.
Wie die Wissenschaft äußerlich nur erzeugt, in einer Folge zu Stande gebracht werden kann, so auch innerlich nur durch allmälige Überwindung der entgegen stehenden Dunkelheit. Aus Finsterniß in Licht geht auch der Wissenschaft Weg. Dazu gehört nicht wenig Ergebung, Geduld und anhaltender Wille. Wie das Geschöpf, das durch Verwandlungen zu seiner letzten Gestalt gelangt, viele Hüllen ablegen, die beybehaltnen Theile durch eine wundersame Umschaffung in andere Werkzeuge wandeln muß: so und durch keinen andern Hergang kann der Mensch jene höhere geistige Lebensgestalt erlangen, die er in der Wissenschaft doch eigentlich sucht. Allmäligkeit, Stufenmäßigkeit, Ungestörtheit sind die Hauptbedingungen jeder wie vielmehr der geistigen Lebensannahme. Diese zu erhalten mochte in der ältesten Schule der Weisheitsforschung jenes langwierige unsrer Zeit so fremde Stillschweigen eingeführt seyn. Handhaben kann es der Lehrer nicht in der gegenwärtigen Öffentlichkeit der Wissenschaft; um so mehr sollte er sich, der von ihm lernen will, es selber und freywillig auferlegen, und nicht reden, eh’ er das Ganze gehört und das Ganze verstanden.
Daß das Gegenwärtige nur durch Herleitung aus der Vergangenheit begreiflich ist wird allgemein anerkannt. Schon was uns zunächst umgibt die Erde weist an unglaublich hohe Vergangenheit zurück. Wir sehen daß in einer undenklichen Reihe von Zeiten eine der andern folge und je die folgende die vorhergehende zudeckt; nirgends zeigt sich das Ursprüngliche, eine Menge nach und nach angelegter Schichten muß so zu reden hinweggenommen werden um endlich auf den Grund zu kommen. In einem Ganzen, darinn alles und jedes den Abdruck rhythmisch folgender Zeiten zeigt, kann nichts einzeln nichts für sich genommen werden. Auch das Kleinste muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Alles ist nur Werk der Zeit und nur die Zeit zu der jedes gehört ertheilt ihm seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung.
Die Eigenheiten einer ausgezeichneten Individualität sind uns oft unbegreiflich, bis wir die besondern Umstände erfahren, unter denen sie geworden ist und sich gebildet hat. Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Entstehung auf die Spur gekommen. Sollte es nun mit dem Weltall anders seyn, dessen gegenwärtiger Zustand kein ewiger nur eine bestimmte Zeit ist aus der großen Folge der Zeiten, der andre vorangegangen seyn andere folgen können.
So gibt es keinen Stillstand der Forschung ohne eine vollständige Genealogie des jetzigen Zustandes der Dinge, aber diese müßte schlechterdings bis in die Zeiten jenes
Aber noch nie so oft es versucht worden gelang es, das Endliche aus dem Unendlichen abzuleiten, eine stetige Folge oder Verkettung zu finden vom Gott bis zum Geschöpf. So wenig ich geneigt bin dieser Einwendung gerade zu widersprechen, so wenig kann ich sie in dieser Unbestimmtheit gelten lassen. Denn am Ende ruht doch dieses historische Urtheil auf den Begriffen unserer Zeit, von denen nachgerade klar genug seyn sollte, daß sie kein hinreichender Schlüssel sind zum Verständniß des Alterthums. Was wir unsere Philosophie nennen ist wahrhaft erst von gestern; denn durch Descartes welcher revolutionistisch (um für die schlechte Sache das schlechte Wort zu brauchen), allen Zusammenhang mit der früheren Bildung abbrechen und die Wissenschaft ganz von vorn, als wäre nie vor ihm gedacht oder philosophirt worden, aufbauen wollte, durch Descartes ist die Philosophie wahrhaft in einen Zustand von Kindheit zurückgesetzt worden, daß es fast zweifelhaft ist, ob sie durch ihn nun den Punct gehoben worden, den sie in Griechenland schon durch Anaxagoras erreicht hatte. Alle Systeme aber, die seit Descartes zum Vorschein gekommen sind wie Schwestern einer Mutter; vom wahren Standpunct ist, das Spinozische vielleicht ausgenommen, der Unterschied zwischen ihnen nicht größer, als ob man (mit dem Sprüchwort zu reden) die Hand umdrehte. Nach dieser
Auf dem Weg, auf dem es seit jener Zeit versucht worden, nach der jetzt gewöhnlichen Art zu denken ist es freylich ganz unmöglich. Aber die Frage ist eben, ob dieser Weg, ob diese Denkart ewig bleiben sollte; da sie unstreitig nicht ewig so wie jetzt für die allein richtigen gegolten haben.
Ich behaupte insbesondere, daß die Welt aus Gott allein, sofern er bloß reiner lauterer Geist ist, nicht zu begreifen ist. Ich läugne damit nicht etwa, daß Gott Geist sey; ich läugne nur, daß man damit allein auskomme, wenn von Erklärung der Welt die Rede ist.
Die große Wahrheit: Gott ist Geist
, so allgemein auch gelehrt, wird doch schwerlich von allen in der ganzen Reinheit gedacht.
Denn natürlich ist, wenn alle ein solches Beginnen sich nach der Art vorstellen, wie sie es ergreifen würden. Dieser zufolge nun würde bey den Meisten der Anfang ohngefähr so lauten: Das älteste der Wesen
, wie schon der milesische Thales gelehrt, ist Gott
, denn er ist allein ohne Anfang, eine ewige Unbeweglichkeit und Stille; von hier an aber würden sie sich trennen, einer nämlich würde lehren, daß aus dem göttlichen Wesen von Ewigkeit etwas ausgeflossen, ein andrer daß Gott von Ewigkeit etwas aus sich ausgesprochen, ein Dritter gar daß er Sich selber aus Sich selbst herausgesetzt, ein Vierter würde uns den vorweltlichen Gott wie Leibnitz vorstellen rathschlagend mit sich selbst über die bestmögliche Welt
; und so möchten wir zwar der verschiedenen Ansichten kein Ende finden; alle aber würden darinn einstimmen, eine Her- oder Ableitung der Welt aus Gott zu versuchen.
Von dem allen nun bin ich weit entfernt und die Gedanken dieses Werks sind ganz andre Gedanken. Gott ist kein stillstehendes Seyn, sondern in eine ewige Bewegung, als in ein unzugängliches Licht gehüllt, dergestalt daß zwar diese Bewegung, Er Selbst aber als solcher und ohne diese Bewegung weder gesetzt – noch gewußt noch selbst gedacht werden kann. Alles was wir von Gott zu wissen vermögen wissen wir nur inwiefern wir von dieser Bewegung wissen. Er war nicht etwa irgend einmal, wenn auch nur einen Augenblick, außer dieser Bewegung, sondern ist schon immer und von je in ihr, so daß kein Übergang und so weit wir zurückgehen immer schon diese Bewegung ist. Daher denn, auch die höchste Wissenschaft nie unmittelbar Gott sondern nur diese Bewegung zum Vorwurf hat; wie es auch die allgemeine Natur der Wissenschaft mit sich bringt, die nur in Bewegung ihr Wesen hat, ja selbst nur Bewegung ist.
Derweil nun dieses Vielen unannehmlich, den Meisten dunkel und unverständlich vorkommen mag, und das volle Licht nur eben durch Darstellung jener Bewegung selbst entstehen kann, so wird es verstattet seyn, in diesen vorläufigen Erklärungen sich einstweilen auf andere beglaubigte Aussprüche zu beziehen.
So spricht unter andern kraftvoll Dr. Martin Luther im Anfang seiner Erklärung der Genesis. Unsinn ist’s, viel von Gott außer und vor der Zeit (außer und vor der Bewegung) zu streiten weil dieß heißt, die nackte Gottheit, das bloße göttliche Wesen begreifen wollen. Weil dieß unmöglich, darum hüllt sich Gott in seine Werke (Merkmale seines Wegs) und gewisse Gestalten; gehest du von diesen hinweg, so gehst du hin außer Maß Zeit und Ort und in’s reinste Nichts, wovon nach dem Ausspruch des Philosophen (des Aristoteles) keine Wissenschaft ist
.« Denn allerdings wo keine Folge ist, da ist auch keine Wissenschaft.
Der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer
, dieß sinndunkle von dem jüdischen Gesetzgeber unter seinen letzten Reden hinterlassene Wort wird gewöhnlich auf die bloße Eigenschaft des Zorns oder Grimms in Gott bezogen. Allein der Zusammenhang zeigt den weit allgemeineren Sinn, der kein anderer seyn kann als dieser: der Herr dein Gott ist kein unbeweglich Standbild, wie der Heyden Götter, sondern lauter Leben, eine unwiderstehliche alles in sich verschlingende Bewegung, ein unaufhörlich sich selbst Stoff gebendes und ihn wieder verzehrendes Feuer. Dieser verzehrliche und wirklich immer verzehrte Stoff (der Widerstand der Bewegung) kann dann freylich nicht Gott heißen, aber da er durch eben die Bewegung hervorgebracht wird, in der Gott ist, gehört er doch mit zu diesem Seyn, und in sofern zu dem seyenden lebendigen Gott.
Gegen diese Bewegung gilt keine Einwendung, die von irgend einer so genannten Eigenschaft Gottes hergenommen wäre. Wir geben überall keinen Begriff von Gott zu außer jener Bewegung. Nach alter wohlhergebrachter Lehre kann Gott nichts der bloßen Möglichkeit nach seyn, nichts stillstehender Weise. Was auch Gott seyn möge, was sich endlich als sein Wesen erzeigen möge, er ist es nicht außer jener Bewegung. In jeder Bewegung müssen einzelne Puncte oder Momente erkannt werden; also auch in jener alles begreifenden. In wiefern nun jeder dieser Puncte zu der unzertrennlichen und unauflöslich verketteten Bewegung gehört, in sofern ist Gott Alles und Jedes in jener Fortschreitung und ist doch auch nichts davon, nämlich nichts einzeln, stillstehend, insbesondre, sondern nur in der unaufhaltsamen Bewegung (in actu purissimo). Wenn auch in dieser Bewegung Gott sich insbesondre als das Seyende derselben offenbart, so ist er doch dieses Seyende nicht getrennt von der Bewegung; und außer ihr, somit gehört doch alles, was zu der Bewegung gehört, mit zu dem seyenden Gott.
Gott ist unfaßlich und unbegreiflich, nicht wie dieses insgemein genommen wird, daß gar kein Begriff (conceptus) von ihm möglich wäre, sondern nur daß kein stillstehender; er ist unbegreiflich im wörtlichen Verstand, incoercibel, indefinibel, in keine bestimmte Grenzen einzuschließen; wie der Wind, der wehet wo er will und du hörest sein Sausen wohl aber du wißest nicht von wannen er kömmt und wohin er führet
; er ist wie der Geist dieses unendlichen Lebens und wohin du kommst findest du schon nur seine Fußstapfen Gott ist Geist
; dieses ist die neutestamentliche Auslegung jenes uralten: Gott ist Feuer
. Denn die Geistvollsten haben längst bemerkt, daß Gott in ganz andrem Sinn Geist genannt werde, als etwa die Engel oder Menschen.
Diese Unbegreiflichkeit ist völlig verschieden von jener, die gewöhnlich, und mit so viel Anmaßung von Erbaulichkeit, gelehrt wird; und die im Grunde ein bloß verneinender Begriff ist, der nicht so wohl in der Gottheit selbst seinen Grund hat als in dem Nichterkennen der höchsten Lebendigkeit. Da Gott alles was er ist nur in jener ewigen Bewegung ist, so muß er natürlich außer oder getrennt von jener Bewegung ganz in jenem verneinenden Sinne unbegreiflich seyn. Denn auch das Bestimmteste, das er in dieser Bewegung ist, ist er nicht ohne sie, und auch wir können nur durch sie dazu gelangen, nicht unmittelbar durch ein unbedingtes (dogmatisches) Aussprechen oder Festsetzen. So wie der Weg verloren ist, ist auch die Idee selbst verloren oder sie bleibt wie in den dogmatischen Systemen nur noch übrig als der todte Rest eines ehemaligen nicht mehr verständlichen Lebens. Aus diesen todten Resten aber das Leben wieder zusammensetzen oder anfachen wollen ist ein ebenso peinliches als vergebliches Bemühen.
Erklärt ist also, so weit es nöthig seyn mochte, daß und inwiefern es keineswegs unsre Meynung seyn kann, hier etwas von Gott an sich zu lehren; ja genau gesprochen reden wir überhaupt nicht von Gott, sondern nur von jenen ewigen Bewegungen, die ja auch diejenigen anerkennen müssen, welche nur überhaupt einen lebendigen Gott annehmen. Den Weg dieser großen Bewegung zu beschreiben ist unsre einzige Absicht. Ob wir in dieser Bewegung den Gott wirklich finden, den alle suchen, dieß kann nur der Erfolg zeigen.
Eine ewige Bewegung ist nicht, wie die Meisten denken, eine anfanglose; alle Bewegung ist anfänglich, eine Bewegung ohne Anfang keine Bewegung. Eine ewige Bewegung also nenne ich die, die einen ewigen Anfang hat, einen Anfang der nicht irgendwann oder vor undenklichen Zeiten, sondern immer und von aller Ewigkeit her Anfang war, und auch jetzt noch (weil er sonst doch einmal angefangen hätte) Anfang ist und nie aufhören wird Anfang zu seyn.
Die Beschreibung jeder Bewegung kann nur vom Anfang selber anfangen. Aller Anfang sey schwer, ist eine alte Rede, aber man kann wohl sagen, daß er das Schwerste und doch in manchem Betracht auch wieder etwas ungemein Zartes und überhaupt von wunderlicher Natur sey, die sich nicht leicht als dem Wohlaufmerkenden begreiflich machen läßt.
Schon gleich zuerst zeigt sich, daß wir den Anfang, oder da in jedem Anfang doch ein Wesen anzunehmen ist, daß wir das Wesen im Anfang nicht wohl anders denn als ein zugleich Seyendes und nicht Seyendes aussprechen können. Es ist ein nicht Seyendes, denn seyend wär’ es nicht mehr im Anfang; doch auch kein nichtseyendes, denn nichtseyend wäre es auch nicht einmal Anfang. Wie läßt sich dieß scheinbar Widerstreitende vereinen? Nur im Begriff des Willens. Ein Wesen im Anfang will seyend seyn; ist also und ist nicht; ist dem Willen und ist nicht der That nach. Es muß seyn, um wollen zu können, doch kann es in anderm Betracht nicht seyn, weil es sonst nicht wollen könnte, daß es sey.
Nur im Willen liegt die Kraft des Anfangs. Ein Wesen im Anfang ist nicht wirklich, doch im Zustand der beabsichteten, der gewollten Wirklichkeit. Also ist um so mehr das Wesen des ersten Anfangs das Wollende und das Gewollte (Subject und Object) von sich selbst.
Es will sich als Wirkliches oder Seyendes. In wiefern es nun das Wollende ist, in sofern ist es offenbar nicht das Seyende, (denn dieses ist das Gewollte) doch indem es wirklich will, ist es in dem Wollen Wirkliches, Seyendes. In sofern ist also im Anfang ein nicht Seyendes, das doch jetzt (ad hunc actum) seyend ist.
Das Gewollte eben ist das Wesen als seyend, also das Seyende des Wesens selber, von dem es nur will daß es seyend sey. Aber indem es sich als Seyendes will, macht es sich ja zum nicht Seyenden. Denn alles Gewollte ist eben darinn daß es ein Gewolltes ist ein nicht Seyendes. Man kann daher sagen: das das Gewollte im Anfang sey ein Seyendes, das sich als nicht Seyendes verhält.
Hiemit stellt sich als allgemeine Erklärung der Natur des Anfangs, wunderlich genug, dieses fest: im Anfang sey das nicht Seyende seyend, und das Seyende dagegen nicht seyend.
Wie läßt sich so Widersprechendes vereinen? Vorerst daß nicht Seyendes seyend sey. Widersprechend möchte dieß den Fragenden nur scheinen, in wiefern sie das nicht Seyende mit dem Nichtseyenden oder Nichts verwechseln. Von diesem zunächst bloß grammatischen Mißverstand, der wie es scheint auch der Schöpfung aus Nichts ihren Ursprung gegeben, konnte sie schon die einfache, wenn sonst nirgendsher doch aus Plutarch zu lernende Unterscheidung befreyen zwischen dem nicht-Seyn (μὴ εἶναι) und dem nicht seyend seyn, (μὴ ὄν εἶναι)
. Das Wollende im Anfang kann aber weil es das Seyende will, nicht selber dieses Seyende seyn und ist in sofern nicht das Seyende, darum aber doch nicht Nichts, sondern eine innerlich machende, verneinende Kraft, die weil wirkend doch in ihrer Art auch seyend seyn muß. Allein die Menschen sind im Allgemeinen gegen das Verneinende, wie sie eine natürliche Vorliebe für das Bejahende zeigen. Was sich mittheilt, frey ausquillt leuchtet ihnen unmittelbar ein; was sich versagt, vertieft, nach innen zurückgeht, ob es gleich in seiner Art ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet, können sie nicht so geradezu begreifen. Wie es den Wenigsten einleuchtet, daß mehr Kraft gehört zum an sich Halten, sich Einschließen, als zum sich Ausbreiten, sich Öffnen, so ist es auch natürlich, wenn sie das im nicht Seyenden Seyende nicht begreifen, wir nannten es eine wirkende Kraft genannt, richtiger aber wäre, es die Kraft, die Stärke selbst zu nennen.
Wichtig aber ist auch zu begreifen, wie das an sich Seyende ein nicht Seyendes seyn könne. Offenbar sowohl wenn es ein zukünftig Seyendes als wenn es ein seyend Gewesenes ist. In dieser Beziehung
So ohngefähr ließe sich auf unsre Art ausdrücken, was schon Platon in dem herrlichen Gespräch vom nicht Seyenden gezeigt, wie es nämlich nothwendig sey, und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum ununterscheinbar seyn würde
. Auch zu unserer Zeit wie zu Platons ist das Merkzeichen aller Sophistik, daß sie das Seyn des nicht Seyenden läugnet. Die Erkenntniß dagegen, daß und wie das nicht Seyende sey, ist der erste Schritt zur wahren Wissenschaft.
Das Wollende im Anfang macht sich das eigene Wesen oder Seyende innerlich, als einen Vorwurf des Begehrens, und ist daher eine verneinende (nach innen gehende), in sich ziehende Kraft. Ist nun diese Kraft das Wirkende, Herrschende, Äußerliche, Offenbare des Anfangs, so das Seyende dagegen das Leidende, Eingeschloßne, Innere, Verborgene. Nennen wir jenes b, das Seyende a, so verhält sich also der Anfang als a, das durch b bewältigt, innerlich gesetzt ist =(a=b).
Die verneinende Kraft setzt aber das Seyende nicht schlechthin als nichtseyend, sondern, nur als nicht Seyendes seyend, welches daher auch so ausgedrückt werden kann, sie setzt es nur nicht als gegenwärtiges, als wirkliches, offenbares Seyendes. Wenn daher Aristoteles den Gegensatz (τοὐνάντιον), als bloße Beraubung (στέρησις) oder als das Beraubende erklärt
, so ist dieß in Bezug auf das Seyende wohl zu rechtfertigen, weil es nämlich durch den Gegensatz wirklich nicht als Nichtseyendes, sondern nur als nicht Seyendes gesetzt wird.
Der Anfang besteht darum nicht in einem Mangel aller Wesenheit; im Gegentheil setzt er ja in sich Wesenheit und Seyendes, nur im bloßen Potential- oder Wurzel-Zustand. Jede Natur um wahrhaft zu beginnen muß erst in diesen verneinten Zustand treten. Überall nur in der Verneinung liegt der Anfang. Was mit Macht vorwärts gehen will, muß zurückgehn, was sich steigern zur Wurzel werden, was wachsen sich verkürzen, und wenn unter anderm die Pflanze nach jeder Ausdehnung sich wieder zusammenzieht, so ist es nur, um zu einer gesteigerten Ausbreitung Kraft zu sammeln. Daß eine Bewegung jetzt anfange oder werde, ist nicht genug, daß sie nur nicht sey, sie muß ausdrücklich gesetzt werden als nicht seyend, damit ist ein Grund gegeben daß sie sey. War sie nicht verneint so konnte sie nicht ausdrücklich gesetzt werden. Verneinung ist also das nothwendig Vorausgehende (Prius) jeder Bewegung. Der Linie Anfang ist der geometrische Punct, nicht weil selbst ausgedehnt, sondern weil Verneinung aller Ausdehnung, die Eins Anfang aller Zahl, und in sofern erste Zahl nicht sowohl weil selbst Zahl als weil Verneinung aller Zahl aller Vielheit. Der Anfangspunct (terminus a quo) keiner Bewegung ist eine bloße leere Stätte des Ausgangs, er muß gedacht werden als Verneinung derselben, die wirklich geschehende Bewegung als Überwindung dieser Verneinung.
Erklärt ist nun aus der Natur des Anfangs wie in ihm nicht Seyendes, Verneinendes herrschen müsse; das eigentlich zu Bejahende verneint seyn und Seyendes dagegen leiden und als nicht seyend gesetzt werden. So muß es aber auch seyn in anderem Betracht. Wäre im Anfang das rechte Verhältniß, so wäre er nicht Anfang, sondern schon Ende. Das Leben muß von einer Widrigkeit oder Feindseligkeit der Kräfte anfangen. Ohne dieß wäre kein Grund des Fortschreitens. Gewöhnlich sagt man: von Gegensatz und begnügt sich damit. Aber von zwey streitenden Kräften, muß immer die eine der andern unterthan seyn weil sie nur so zusammen und in Einem seyn können. Ist nun die zur Überwindung bestimmte gleich unterworfen ist, so sind sie ja nicht im Gegensatz sondern im Frieden. Wirklicher Gegensatz ist nur wo Widerspruch ist. Wäre im 1 das Ja über dem Nein, nicht das Nein über dem Ja: so würde natürlich das Leben im 1 bleiben und wir kämen nie heraus zum 2. Nur Widerspruch ist das Treibende jeder Bewegung; alles andre läßt sie frey.
Es ist gewiß eine recht löbliche Gesinnung, die sich in den oft wiederholten allgemeinen Reden ausdrückt, das Ideale sey doch über dem Realen, das Geistige über dem Natürlichen, das Verständige über dem Verstandlosen, obwohl im Grunde niemand an ihnen zweifelt. Aber angenommen, dem sey nun auch so von je und von immer, wo bleibt dann das Leben, wo die Nothwendigkeit und der Trieb der Bewegung. Es wäre auch schön, wenn in der Welt alles aus lauter Frieden und Liebe bestünde, wovon doch jeder nur zu oft das Gegentheil gewahr werden muß. Ein Hemmendes, Widerstrebendes dringt sich überall auf; jedermann fühlt dieses Andere, das so zu sagen nicht seyn sollte und doch ist ja seyn muß; dieß Nein das sich dem Ja, dieß Verfinsternde das sich dem Licht, dieß Linke das sich dem Rechten, dieß Krumme das sich dem Geraden entgegenstellt und wie man sonst diesen Gegensatz in Bildern auszudrücken gesucht hat; aber selten ist einer im Stande es zu begreifen oder gar wissenschaftlich auszusprechen.
In dem was der Anbeginn ist kann nicht das Licht Herrscher über die Finsterniß seyn; Finsterniß muß wirken, Licht leiden, in bloßem Wurzel-Zustand seyn sonst wäre kein Anfang. daß Nacht das Älteste der Wesen
, nur muß man nicht, wie jetzt gewöhnlich, denken, daß die Alten diese Nacht als oberstes Wesen gedacht haben.
Die Systeme, die von oben herabsteigend der Dinge Ursprung erklären wollen, kommen fast nothwendig auf den Gedanken, daß die Ausflüsse der höchsten Urkraft zuletzt ein Äußerstes erreichen, unter dem nichts ist und das nur noch ein Schatten von Realität, nur gewissermaßen noch seyend, eigentlich aber nicht seyend ist. Dieß ist der Sinn des nicht Seyenden bey den Neuplatonikern, die das Rechte aus Platon nicht mehr verstanden. Allein Etwas der Art läßt sich wohl als ein Anfang, aber nicht als ein letzter Ausfluß denken; auch kann dieses Äußerste, unter dem nichts ist, nicht bloß als Mangel oder Schwäche sondern nur als thätige Verneinung Zurückdrängung des Wesens gedacht werden.
Jedoch um die ganze Strenge des Anfangs zu begreifen, müssen wir auch fragen: Wie er ist? Ich erwarte nicht, daß jemand mich frage: wie kommst du aber dazu den Anfang zu setzen? Ich setze ihn weil ich die ewige Bewegung setze und weil ohne Anfang keine Bewegung ist. Ich setze ihn freylich nicht um seiner selbst willen oder freywillig, sondern vermöge des strengsten wissenschaftlichen Müssens.
Dieses nämlich ist das Eigenthümliche des Anfangs, in Ansehung seines Seyns, daß er nicht um seiner selbst willen ist sondern nur um dessen willen wozu er der Anfang ist, und daß doch dieses nicht ihm sondern er diesem vorausgeht. Ginge es ihm voraus, so hätte er noch einen Verstand von seinem eigenen Seyn; nun er vorausgeht und doch nur ist um des andern willen, kann er nur vermöge der blindesten Nothwendigkeit seyn, als etwas das im eigentlichen Sinne seyn muß, als die höchste Natur, bey dessen Seyn gar kein Verstand ist. Dieses seyn Müssen ist etwas ganz Verschiednes von jener Nothwendigkeit des Daseyns, die wir dem beylegen, was das an sich selbst und um seiner selbst willen Seyende ist; und auch der gemeine Metaphysiker, wenn er noch so unbestimmt von der Nothwendigkeit der Existenz Gottes redet, denkt dabey doch an kein seyn Müssen, sondern an ein Daseyn, worinn Freyheit und Nothwendigkeit in gleichem Gewicht stehen. Jenes eine Müssen anerkennen und ihm selbst den Anfang seiner Gedanken unterwerfen, das ist die erste Staffel zur Wissenschaft.
Wundersam ist aber auch noch dieß. Der Anfang ist nicht um seiner selbst, sondern um eines andern willen. Dieses also =X ist das eigentlich Seyende, er verhält sich zu ihm als das nicht Seyende. Allein so kann es sich doch nur gegen das wirklich Seyende verhalten; aber noch ist es ja nicht, also muß der Anfang im Anfang ein Seyendes seyn, da er doch ein seinem Begriff nach nicht Seyendes ist. Ja weil er, bedingt durch das um dessen willen er ist, doch nicht durch es gesetzt ist, sondern sich selber und zwar schlechthin setzen muß, so ist er also ein der Natur nach Bedingtes das doch der That nach unbedingt ist. Welches denn alles nur zurückführt auf jenes gleich zuerst erkannte, daß der Anfang sowohl ein Seyendes sey als ein nicht Seyendes; zum Beweis daß erschöpft ist, was von der Natur des Anfangs zu sagen war.
Jetzt haben wir ihn in seinem wirklichen Wirken zu betrachten. Aus Widerspruch der Natur kann auch nur Widerspruch des Wirkens folgen. Dieses nun kann dem Verstehenden nicht auffallen; wäre der Anfang nicht im Widerspruch so wäre er nicht Anfang sondern selbst Wesen, darum ist er Anfang, weil er nicht bleiben kann, weil er Widerspruch ist. Dieser Widerspruch selbst aber ist so klar und einfach, daß es vielleicht nur darum Mühe kostet, ihn sich zu verdeutlichen.
Das Wesen im Anfang will sich als wirklich und zieht doch eben in diesem Wollen sich in sich hinein. Es begehrt seyend zu seyn und macht sich doch eben in diesem Begehren nicht seyend, und dreht sich so in einem ewigen Cirkel um sich selbst herum. Es will Sich und indem es sich will, wird es sich nicht seyend, und indem es sich nun als nicht seyend empfindet, begehrt es nur um so mehr seyend zu seyn, zieht also nur um so mehr Sich in sich hinein, und kommt nie aus sich heraus, kann nie mit sich selbst fertig werden. Auch dieser Cirkel kann und darf nicht befremden vom Anfang; dafür aber ist er Anfang (d.h. für sich nichts) daß er ein solcher Cirkel ist.
Beyspiele bieten sich zwar genug dar, diesen Cirkel zu erläutern. Nur zuviele gibt es der Fälle wo der Mensch durch zu große Heftigkeit der Begierde sich selbst im Weg ist, zu erlangen was er sucht oder zu vollbringen was er beabsichtet. Man dürfte ja nur an jene Unseligen erinnern, die aus lauter erschrecklicher Sorge und Furcht für ihr Selbst, nie zu einem eigentlichen Genuß desselben gelangen, es immer so festhaltend in sich ziehen, daß sie es nie mit ihm zu einem freyen Daseyn bringen. Ihre einziehende Begierde sieht das eigene Selbst als einen Raub an, als eine Speise mit der sie sich füllt und nährt. Daher wir sie in einer ewigen Selbstverzehrung begriffen sehen, und auch sagen können, am Anfang sey ein sich selbst verzehrendes Wesen und in sofern auch ein Feuer. In jenem sich Einziehen besteht wesentlich alle Ichheit und Selbstheit; daher eigentlich der Anfang der nichts als solches Einziehen, die lautre, nackte Ichheit. Hier schließt sich eigentlich der tiefste Sinn des großen Wortes auf: wer sein Leben sucht wird es verlieren
; wie überhaupt die höchsten Lehren des Christenthums immer von gleich tiefer natürlicher und sittlicher Bedeutung sind. Was sucht, treibt das Gesuchte, wenn es mit ihm in Eins geschlossen ist, nothwendig vor sich her und kann es daher nicht finden, bleibt ewiges Suchen, ewige Sucht. Einige erheiternde Beyspiele werden nach diesen nicht an unrechter Stelle seyn. Jemand will sich eines Namens erinnern und besinnt sich heftig auf ihn; aber ebendadurch zieht er ihn gleichsam in sich und hindert ihn ihm zu erscheinen; nicht lang’ aber daß er aufgibt ihn zu suchen, stellt er sich von selbst dar. Oder es schwebt uns irgend ein, wissenschaftlicher oder dichterischer, Gedanke vor, den wir uns lebhaft bemühen fest zu halten; aber eben in diesem Festhalten entwird er uns, weil wir durch die Spannung der Begierde selbst ihn hindert, uns äußerlich zu werden. Wir geben es auf ihn zu halten und siehe er nimmt freywillig Gestalt an. In Sprachen haben vielleicht auch andere die Erfahrung gemacht, daß man sie besser versteht und leichter spricht eine Zeitlang nachdem man aufgehört, sich eifrig mit ihnen zu beschäftigen; wenn es sonst auch bekannt ist, daß wer für seine Worte zu viele Sorge hat, meist schlecht spricht. Etwas der Art mag auch der Grund seyn, warum in geistigen und sittlichen Dingen Erfahrene nicht leicht das Rechte erwarten, wo sie großer Spannung gewahr werden; dagegen ein ungespanntes und gelassenes Wesen alles Rechte und Gute hoffen läßt.
Unleidlich nun ist nothwendig der Anfang der Widerspruch, alles sehnt sich nach beharrlichen Seyn; unmöglich aber ist auch, daß er für sich selbst aus diesem Umtrieb entkomme. Denn unmöglich ist daß er aufhöre zu begehren und das eigene Wesen in sich zu ziehen, unmöglich schon weil er selbst ein getriebener ist, weil er Anfang seyn muß. Ließe er aber
Der Anfang also muss bleiben; doch kann er nicht bleiben. Wie ist hier Hülfe möglich? Zu bleiben ist ihm auf jedem Fall bestimmt; die Frage kann nur seyn, wie ihm das Bleiben erträglich werde? Unstreitig dadurch, daß ihm die Begierde gestillt werde. Darum würde sie nicht aufhören, vielmehr ewig wirken und ewig gestillt, um im Wirken unwirkend, und gleichsam als Vergangenheit gesetzt zu werden. Wie aber könnte sie gestillt werden? Sie ist eine Begierde des Wesens, Seyendes zu seyn; also nur zu stillen dadurch, daß es Sich Seyendes wird. Aber doch nicht in dem, worinn es nicht Seyendes ist d.h. bloße Begierde, könnte es sich Seyendes werden (es soll vielmehr in sich ewig als bloße Begierde bleiben), also nur außer Sich Selber, sofern es Anfang ist, gleichsam in einer andern Gestalt Seiner Selbst. Woher aber soll diese ihm kommen? Sie kann nicht sich selbst setzen, (sonst hätte sie gleich und ursprünglich sich gesetzt), nur gesetzt werden, und durch welch’ andre Kraft, da nichts außer ihr ist, als eben durch die Kraft des Anfangs? Nun soll dieser in dem Setzen nicht selbst aufhören, sondern bleibt in seiner Geschlossenheit und Ganzheit bestehen. Ein solches Setzen eines andern aber, wobey das Setzende in seiner Ganzheit bleibt, ist Zeugung. Nur dadurch also daß er das wahrhaft Seyende außer Sich, gleichsam als ein anderes und höheres Selbst von Sich selber zeugt, kann der Anfang beruhiget werden.
Kaum nun ist die Frage zu gewärtigen: woher dem Anfang diese zeugende Kraft? Diese muß ihm schon als Anfang zukommen. Denn er muß doch Anfang von Etwas und zu Etwas seyn, um wirklicher Anfang zu seyn. Daher die natürliche Kraft alles Anfangs, denn weil er nicht um sein selbst Willen ist sondern nur um eines andern willen, so kann er gleichsam keinen Augenblick seyn und kann sich selbst kein Seyn zuschreiben und kommt sich selbst als Nichts vor, bis er jenes gezeugt, um dessen Willen er ist. Daher in jedem Betracht der Anfang nur durch Zeugung beruhiget wird.
Aber es kommt noch eine andre Betrachtung hinzu. Unmöglich ist, daß irgend ein Wesen sich schlechthin verneine als seyend, selber sich in Wurzelzustand setze, unmöglich wenn es nicht geschieht, um in einer höheren Potenz sich zu verwirklichen. Auch blindlings und ohne es zu wissen konnte doch der Anfang Sich als das Seyende verneinen, nur um sich als Seyendes auf einer höheren Stufe und in gesteigerter Gestalt zu besitzen. Sich setzen als nicht das Wirkliche seyend, und sich setzen als die zeugende Potenz dieses Wirklichen muß im Anfang Eines seyn. Wie hinwiederum sich setzen als erste zeugende Potenz und sich setzen als nicht das eigentlich Seyende seyend, auch nur Eines ist.
Man könnte sich über dieses Verhältniß auch so ausdrücken, daß das Seyende Seyendes ist dieses hat es von sich selbst, es ist der Natur nach Seyendes; aber daß es als dieß Seyende wieder ist, dieses kann ihm nicht
Über den Hergang dieser Zeugung wenn man ihn ausführlich sich denken wollte, genüge hier Folgendes, zumal wahrscheinlich dasselbe Verhältniß in größeren und sprechenderen Umrissen in der Folge wiederkehrt.
Der Bestimmung nach war, wie so eben gezeigt worden, der Anfang gleich anfangs nur Grund von Seyn, zeugende Potenz, schon dadurch, daß das Seyende in ihm nicht seyend, das nicht Seyende seyend war. Aber es gehört auch zur Natur des Anfangs, daß er sich als Anfang nicht weiß. Wenn er also mit dem Nein in sich herrscht über das Ja, so thut er es als ein solcher der es nicht anders weiß, und ahnend, daß dieß Nein eigentlich nicht Seyendes seyn sollte. Aber durch die Widerwärtigkeit des ersten Zustandes wird in ihm eine Geneigtheit erzeugt, sich selbst als sich selbst aufzugeben, obwohl es nie dazu kommen kann noch darf. Indem nun zugleich eine ähnliche Bereitschaft, sich als Solches zu offenbaren, in dem Seyenden erweckt ist, so entsteht hiedurch ein stiller Bezug zwischen ihm und dem Anfang, wodurch diesem, wenn auch ein dunkles Bewußtseyn wird, daß es nur der Anfang, das Vorausgehende (Prius) des eigentlich Seyenden sey, und ihm neben der Nothwendigkeit und ohne sie aufzuheben ein erster Grad von Freyheit wird und so außer der immer wachsenden Noth seines Zustandes kann ihm endlich ein Wille werden, sich nur als Anfang, als Vorausgehendes des eigentlichen Wesens zu erkennen, jedoch ohne als solches, als Vorausgehendes nämlich, die Verschlossenheit und die Macht der Begierde aufzugeben, denn daran wird er durch die Strenge der Nothwendigkeit verhindert. Indem er nun aber sich nur als Anfang, und also nicht mehr als alleiniges Wesen kennt, macht er dem Seyenden Raum, daß es über ihm aufgehen und sich offenbaren kann als Seyendes.
Aber nicht bloß als einfaches Seyendes geht es auf, sondern als gesteigertes; nicht bloß als mögliches, sondern als wirkliches
Das gesteigerte Seyende, in wiefern es das seyende (wirkliche) Seyende ist, kann das Seyende der zweyten Potenz genannt werden. Wir bezeichnen es durch a2. Wogegen (a=b) von nun an das Seyende der ersten bezeichnet. Auch werden wir uns erlauben, jeden Moment durch seine bloße Zahl zu bezeichnen, also z.B. (a=b) durch 1, a2 durch 2 u.s.f.
Mit diesen beyden ersten Potenzen ist der Urgegensatz gegeben, der jedoch wie von selbst einleuchtet nicht auf gänzlicher wechselseitiger Ausschließung, nur auf einem entgegengesetzen Verhältniß und
Nun war der Anfang nicht bloß Begierde nach Seyendem, sondern Begierde, selbst Seyendes zu seyn. Also genügt ihm nicht, das Seyende zu zeugen und zu haben; es verlangt es ausdrücklich zu haben als Sich selber, als nur sein anderes Ich oder Selbst. So verlangt aber auch das Andere mit dem ersten Eins zu seyn, denn nur im Gegensatz mit ihm ist es gesteigertes Seyendes, das die verneinende Kraft in sich selbst hat; nur sofern es mit ihm Eins ist, kann es sich im Gegensatz also in Wirkung erhöht fühlen.
Der Sinn kann nicht der seyn, daß das Erste als das Erste das Zweyte, das Zweyte als das Zweyte das Erste sey; denn damit wäre der Gegensatz unmittelbar
Unbegreiflich schiene, wenn eine solche Einheit als Einerleyheit gedeutet würde; doch ist es vielmals geschehen. Selbst der nachläßigste Ausdruck: die Finsterniß sey auch das Licht und das Licht die Finsterniß würde solchen Blödsinn nicht entschuldigen. Denn in keinerley Urtheil, selbst nicht in dem bloß wiederholenden (tautologischen) Satz wird eine Einerleyheit der Verbundenen (des Subjects und Prädicats), als solchen gemeynt, sondern nur eine Einerleyheit des Bandes. Der wahre Sinn jedes Urtheils z.B des, A ist B kann nur dieser seyn: Das, welches A ist, ist das, welches B ist, oder: das, welches A ist und das, welches B ist, ist einerley. Also liegt schon dem einfachen Begriff eine Doppelheit zu Grunde, A in diesem Urtheil ist nicht A, sondern Etwas =X das A ist, so B nicht B sondern Etwas =X, das B ist; und nicht diese (nicht A und B für sich) sondern das X das A und das X das B ist, ist einerley, nämlich ein und dasselbe X. In dem angenommenen Satz sind eigentlich drey Sätze enthalten, erstens A ist =X, zweytens B ist =X und erst hieraus folgend der dritte, A und B sind Eins und dasselbe, beyde nämlich X.
Da wir uns ohnedieß hier noch in den Vorhöfen der Wissenschaft befinden, so wird man auch den weiteren Bemerkungen ihren Platz vergönnen, daß im Urteil das Band (die Copula) das Wesentliche, allen Theilen zu Grunde liegende ist, daß Subject und Prädicat jedes für sich schon eine Einheit sind und was man insgemein das Band nennt nur die Einheit dieser Einheiten anzeigt. Wie denn weiter klar ist, daß im einfachen Begriff schon das Urtheil vorgebildet, im Urtheil der Schluß enthalten, der Begriff also nur das eingewickelte, der Schluß das entfaltete Urtheil ist; Bemerkungen, die ich für eine künftige höchst wünschenswerthe Bearbeitung der edeln Vernunft-Kunst
Unmöglich also ist, daß das Erste und das Zweyte (Finsterniß und Licht) an sich Eins seyen, doch müssen beyde Eines seyn, jenes um sich als Anfang, dieses um sich als das eigentlich Seyende zu empfinden. Also bleibt nichts, als daß sie mit gemeinschaftlicher Kraft, in einer neuen Progression ein Drittes =X setzen, das ihre gemeinschaftliche Einheit sey.
Auch von dieser Fortschreitung gilt was von der früheren; wie das Erste nicht seyn konnte ohne das Zweyte, so können Erstes und Zweytes zusammen nicht seyn, ohne das Dritte zu setzen. Es ist also von 1 bis 3 eine unaufhaltsame Fortschreitung, da keines seyn kann, es werden denn alle zumal oder das Ganze gesetzt. Die drey Principien sind vereinigt nicht durch ein stehendes und festes sondern durch ein lebendiges stets bewegliches Band; 1 ist in einem steten Erzeugen von 2, dieses im beständigen Erzeugtwerden von 1, 3 in Einem unaufhörlichen Ausgang aus beyden.
Dieses Dritte, unstreitig als Seyendes der dritten Potenz =A3 anzusehen, ist nothwendig über dem Gegensatz, (denn alle in dem Urzwist der ausbreitenden und anziehenden Grundkraft liegenden Möglichkeiten sind durch die beyden ersten erschöpft), lauteres Wesen, frey gegen beyde darum auch ihr gemeinschaftlich Beseelendes. Dieses ist das Kind der Ewigkeit, das die nie rastende Zeit, jenes des Seyns
Mit der dritten Potenz ist das Ziel erreicht. Höheres ist in demselben Fortgange nicht zu erzeugen. Denn außer der verwirklichenden Kraft (a=b), dem Verwirklichten (a2) und der Einheit beyder (a3) läßt sich nichts denken.
Nun ist uns wohl offenbar daß in der ganzen bisher beschriebenen Bewegung nur Ein Wesen oder Eine Natur ist, die von 1 bis 3 fortschreitend sich in 3 ganz vollendet. Wären das Erste, Zweyte und Dritte zusammen und gleichsam mit Einem Schlag das Ganze gesetzt, so wäre es ein vollendetes Wesen, durch 1 Grund von sich selbst, durch 2 Seyendes von sich selbst, und durch 3 sich besitzend als das Verwirklichende und das Verwirklichte von sich selbst.
Aber es selber, im Gipfel angekommen, findet und wird gewahr, daß es doch 1, 2 und 3 nur in einer Folge (successiv) ist, indeß es selbst – das in jener Fortschreitung nach Verwirklichung strebende also potentiell vorhandene Wesen – sich gern als Ganzes mit Einem Mal setzen, als das Erste, Zweyte und Dritte zumal Seyendes seyn möchte. Denn nur alsdann wäre es aus der Begierde der Verwirklichung gesetzt und in der That Verwirklichtes.
Dieses nun ist unmöglich. Denn schon indem das Erste das Zweyte zeugte trat es gegen dieses und da sie beyde das Dritte zeugten, traten beyde gegen dieses in die Tiefe und Vergangenheit zurück.
Um sich dieß räumlich zu versinnlichen, kann es so gedacht werden. Das Erste, da es das allein Seyende war, befand sich freylich weder oben noch unten, es war eben das Einzige; aber beziehungsweise auf die Stelle, die es hernach annimmt wenn das Zweyte aufgegangen, war es das Obere. Nun rückt es schon gegen das Zweyte herab in die Tiefe; dagegen ist nun dieses das Oberste. Aber indem sie gemeinschaftlich das Dritte zeugen, traten beyde gegen dieses in die Tiefe. Diese Steigerung oder Zeugung, dieser erste Prozess, kann also schon für sich als eine halbe Umdrehung betrachtet werden, aber, wie sich deutlich zeigt und der Folge wegen zu bemerken ist, als abwärts gehende (verneinende) Bewegung, da was das Oberste war das Unterste geworden ist. Nichts ist ursprünglich Unteres, es gibt keinen ursprünglichen Act, wodurch etwas als Unterstes oder Grund gesetzt würde; das Untere wird dazu nur in einer fortschreitenden Bewegung und mußte ursprünglich selbst Oberes seyn.
Aber indem so die Beg˖[ierde] ihr Ziel in 3 verfehlt sieht, zieht sie nothwendig auf’s Neue so wie jene Begierde das Höchste, dessen sie verlangte, gezeugt hat, zieht sie auf’s Neue, oder was dasselbe ist, sie erhebt sich wieder in Gegenwart, immer in der Meynung das Ganze simultan zu machen, weil nur so alle zu Wesen wesentlich werden k[ö]nnen, weil sie das Ganze nicht in einer Folge sondern simultan will und auch die andern Potenzen fodern sie wieder als gegenwärtige, weil sie sich mit ihr zumal und in Einem empfinden wollen, und nur so alle wesentlich werden können. Aber in dem Augenblick ihres Erhebens gehen die andern wieder in die Tiefe oder in’s nicht Seyende zurück. Also bewirkt die Begierde zunächst nichts anderes, als daß aus der halben Umdrehung eine ganze wird, d.h. das Erste kommt wieder zu oberst, an die Stelle da es zuerst war. Eins treibt das andere und der ganze Prozeß beginnt von Neuem.
Also schlägt dieser in der Begierde angefangene Proceß in eine rotatorische Bewegung aus, in welche zwar eine beständige, erschreckliche Begierde ist, das Ganze zusammenzubringen und simultan zu setzen, aber ohne je dazu gelangen zu können.
Gewaltiges aber vergebliches Bemühen, aus dem Successiven in’s Simultane zu kommen, ist das nothwendig Erste in allem (auch dem ewig) Anfänglichen.
Die Begierde muß auf dem Zugleichseyn bestehen, weil die ganze Bewegung nichts ist, als die Sucht des Anfänglichen sich zu verwirklichen, welches aber nur geschähe, wenn es mit allen Potenzen zumal und Eines wäre. Da dieß aber, ihrer Natur nach, unmöglich ist, weil schlechterdings die eine nur die vorausgehende der andern, diese nur die folgende von jener seyn kann, und sie sich als seyend nothwendig wechselseitig ausschließen, die Einheit (a3) den Gegensatz und der Gegensatz (a2 und a=b) als solcher die Einheit, so geschieht es, wenn die Begierde sich erhebt, daß eine die andere treibt und umgekehrt eins immer dem anderen ausweicht, und in einer beständigen Umdrehung die Einheit, welche die anziehende Begierde beabsichtet, stets wieder zunichte wird.
Aber die Begierde kann nicht aufhören zu verlangen gleich unmöglich ist aber, daß es je mit dem Wesen zum Seyn komme. Das ganze Wesen bleibt innerhalb der bloßen beständigen Intention, wirklich zu werden, innerhalb der leeren Möglichkeit stehen, es ist gleichsam der bloße Stoff eines Wesens, es ist wohl ein Wesen der Sucht aber nicht der That nach, ein Wesen das unabläßig arbeitet sich zu verwirklichen, aber sich nie zu Stande (zum Stehen) bringt, wie die deutsche Sprache das vollendete Verwirklichen treffend bezeichnet.
Auch als Ringen nach Bewußtseyn kann diese Bewegung betrachtet werden, nämlich als Verlangen Sich selbst zu haben, wozu es aber nie kommt, weil die Möglichkeit des Festhaltens fehlt, die zum Bewußtseyn gehört; geht das auf, welches, so geht das unter, dessen es sich bewußt seyn könnte und umgekehrt.
Also das Anfängliche für sich selbst ist nothwendig bewußtlos, obwohl ein unabläßig nach Bewußtseyn ringendes.
Von dieser ersten Natur scheint das alte Wort geredet: Es sucht sich die Natur und findet sich nicht ( quaerit se natura non invenit
).
Wie nun in dieser beständigen Umdrehung der Unterschied des Höheren und des Niederen (der Potenz-Unterschied) sich wieder aufhebt, wie eigentlich festgestellt wird; so verliert sich in ihm auch wieder der Begriff von Anfang und Ende. Es ist wohl ein Anfang der Möglichkeit nach darinn, etwas das Anfang werden könnte, aber nie wirklich wird. Wahrer Anfang ist nur, der nicht immer wieder anfängt sondern beharrlich feststeht, der Grund eines
Da es nun nicht irgendwann sondern von aller Ewigkeit her angefangen hat um nie wahrhaft zu enden, und von aller Ewigkeit her geendet, um immer wieder anzufangen: so ist klar, daß die erste Natur von Ewigkeit her eine solche in sich selbst laufende Bewegung und dieses ihr wahrer lebendiger Begriff sey.
Dieses also sind die Kräfte jenes innern, unaufhörlich sich selbst gebärenden und wieder verzehrenden Lebens, das der Mensch als das in dieser ganzen äußeren Natur Verborgene ahnden muß, obgleich es jetzt zugedeckt ist und es nach außen ruhige Eigenschaften angenommen hat; dieß das beständige innere Trieb- und Uhrwerk, das durch das stete Zurückgehen auf den Anfang sich zur Substanz macht im augenblicklichen Sinn (id quod substat), die ewig beginnende ewig endende, immer sich selbst umschlingende und immer wieder gebärende Zeit.
Man kann diese Bewegung auch als abwechselnde Systole und Diastole ansehen. Überhaupt ist es eine unwillkührliche Bewegung schon darum, weil sie vom Ende immer wieder in den Anfang geht, also sich immer von selber macht. Wenn jene sich selbst einziehende oder verzehrende Potenz aufsteigt, so ist dieß Spannung, Systole; wenn sie ersinkt, gegen die höhere zurücktritt, so ist dieß Erschlaffung, Diastole.
Die äußere Natur ist noch jetzt im Ganzen wie im Einzelnen ein Gleichniß dieser unabläßig vor- und zurückgehenden Bewegung. Der Baum treibt immerfort von der Wurzel bis zur Frucht und wenn er im Gipfel angekommen wirft er alles wieder ab, geht zurück in den Stand der Unfruchtbarkeit und macht sich selbst wieder zur Wurzel. Nur um immer wieder aufzusteigen. Die ganze Thätigkeit der Pflanze geht auf Erzeugung des Samens nur um in diesem wieder von vorn anzufangen und durch einen fortschreitenden Proceß wieder nur Samen zu erzeugen und wieder zu beginnen. Aber die ganze äußere Natur scheint
, wie schon ein altes Buch klagt, in einem ähnlichen Cirkel unermüdlich umzuwandeln
.
Daß das Unterste dieser ersten Natur ein sich selbst verzehrendes Wesen in sofern Feuer ist, wurde schon bemerkt. So oft es sich also wieder erhebt ist ein neuer Ausbruch dieses Feuers, wie in organischen Körpern, wenn das Untergeordnete so gesteigert wird, daß sein Gegensatz mit dem es dämpfenden Höheren auf hört, freywillige Selbstverbrennung eintritt; nur daß dieß Feuer als das wahrhaft Unsterbliche immer auch ersunken, aus der Asche wieder auflebt; jenem sich unabläßig wiederholenden ähnlich, das einem der Propheten im Gesicht gezeigt worden, oder dem unermüdlichen Feuer der Alten (ακαματον πυρ) dem Gegenstand des uralten Magismus und der in öffentlichen und Geheimlehren fortgepflanzten Feuer Theorie, nach welcher auch noch Heraklit lehrte, durch Dämpfung des Feuers sey die Welt erschaffen
.
Zugleich möchte dieß der wissenschaftliche Begriff von jenem Rad der Geburt (τροχὸς γενέσεως
), welches mit einem aus der Schrift () genommenen Ausdruck die theosophischen Systeme als den ursprünglichen Begriff der Natur annahmen, obwohl die Construction die sie von demselben geben, von der hier vorgetragnen ganz verschieden ist und zuletzt auf die bloßen Begriffe von Attraction und Expansion zurückkommt.
Wie oder wodurch wurde das Leben von diesem Umtrieb erlöst und in die Freyheit geführt?
Es ist schon bemerkt worden, daß in dieser Bewegung ein Wesen ist, das zwar nie zur vollendeten Verwirklichung kommt aber doch der Möglichkeit nach darinn ist. Nun ist es darum, weil innerhalb der bloßen Möglichkeit stehen bleibend kein nichtwirkliches. Wenn das was nach dem bloßen Keim oder der bloßen Intention nach da ist, nicht Etwas sondern Nichts wäre, wie könnte es je aus jener zur Wirklichkeit hinübertreten, wie könnten sich Anlagen entwickeln?
Diesem dem Trieb nach vorhandenen Wesen muß also auch eine Empfindung seines Zustandes beygelegt werden. Diese Empfindung nun kann keine andre seyn als die der Angst. Man denke sich dieß zu fühlen, wie bey einer großen Veranstaltung oder Handlung um darin Erfolg zu sichern eine Menge von Bewegungen in Einen Punct zusammentreffen und genau in demselben Augenblick vollzogen seyn müssen, unstreitig wird mit der Annäherung des entscheidenden Augenblicks die Empfindung dessen, der das Ganze angeordnet und zu leiten hat, immer steigende Angst seyn, von der er nicht erlöst wird, als nachdem wirklich alles glücklich in Eines getroffen. Vergleichungen mit Natur-Vorgängen möchten passende seyn. So scheint das erste Zusammenbringen des Ganzen bey’m Embryo, die Noth des ersten Übergangs aus dem Successiven in’s Simultane die eigentliche Ursache jener unerklärlichen und ganz eigenthümlichen Angst, in der sich die Mutter in den Zeiträumen der ersten Ausbildung der Frucht befindet. Etwas ähnliches geschieht in Gedanken-Geburten, wenn der lebhaft Strebende das Vorgefühl hat, daß Gedanken sich zusammenfügen müssen, aber noch hat er Art und Ort nicht gefunden, daß die Gedanken also sich treiben und der eine immer von dem andern entflieht.
Nun hört die Begierde nicht auf zu wirken; also ist auch jene Empfindung der Angst in einem beständigen Zunehmen. Das anfängliche, jenes dem Wollen nach vorhandene insofern schon lebende aber noch nicht geborene Wesen, fühlt nun wohl,
Doch erwacht ihm die Sehnsucht, dieses aufgeben zu können, die Sehnsucht nach dem Tod; es wollte gern sterben (alles Anfängliche muß sterben), aber es kann nicht sterben, ist zwischen Leben und Tod in der Mitte; der schrecklichste Zustand sterben wollen und nicht können.
Inzwischen mögen wir untersuchen, wie, auf welche Art es die gesuchte Einheit aufgeben könnte?
Die Einheit oder vielmehr die Sucht nach Einheit beruhte darauf, daß es Seyendes seyn wollte und zwar in allen seinen Kräften zumal Seyendes. Es könnte also zuerst sich theilen, so daß es nur mit der einen Kraft seyend wäre, mit der andern aber nicht seyend. Allein damit wäre nichts anderes gesetzt, als was schon gleich zuerst gesetzt war. Denn indem das Zweyte aufging trat das Erste in die Vergangenheit zurück, und war in sofern gegen jenes nicht seyend, obwohl als Vorangehendes, in seiner Zeit, immer noch seyend. Aber eben diese Folge, dieses Seyend seyn in verschiednen Zeiten will das Wesen nicht und daraus eben entstand die rotatorische Bewegung; verlangte es nicht die Gleichgegenwärtigkeit in allen Potenzen, so war überall der Widerspruch nicht. Aber es muß aus ihr bestehen, weil es eine blinde Natur ist, in der keine Unterscheidung noch Freyheit wohnt und die nur sich will. Entweder also sie muß mit allen ihren Potenzen zumal gegenwärtig seyn oder mit allen zumal in die Vergangenheit zurücktreten, wo sie dann doch, eben als vergangene simultan seyn könnten. Dieses also ist das zweyte Mögliche, daß keine Potenz seyend sey, das ganze Wesen zum nicht Seyenden, zum bloßen Seyn werde und ersinke. Und dieses zweyte Mögliche ist dann auch das einzige Mögliche. Denn indem das Ganze zum Seyn wird kann es die Simultaneität der Potenzen behaupten; Entgegengesetzte schließen sich nur als Seyende aus, aber im Seyn können auch Widersprechende nebeneinander bestehen. Daß dieses zum Seyn- oder nicht seyend Werden kein Zunichtswerden ist, brauchen wir nach früherer Bemerkung nicht zu wiederholen.
Nun entsteht aber eine ganz neue Untersuchung, wie denn das was erst Seyendes war, das Begierde, der Sucht nach zum nicht Seyenden werden könne?
Offenbar ist gleich zuerst und würde schon aus den früher aufgestellten allgemeinen Begriffen von Seyendem und nicht Seyendem folgen, daß das Seyende irgend einer Art nur gegen ein Höheres zum nicht Seyenden werden könne. Wie im Herzen des Menschen die selbstische Begierde sich setzt und stillt nur sofern sie ein Höheres über sich erkennt, von dem als einem überschwenglichen Gut sie erfüllt wird, so kann auch jene Sucht und Begierde der anfänglichen Natur nur gegen ein Höheres verstummen, in Bezug auf welches sie gern und willig sich als das nicht Seyende, als bloßes Seyn erkennt.
In wiefern nun zunächst die Frage eintritt, von welcher Art jenes Höhere seyn müsse, treten wir damit gleichsam in eine andre Welt über und verlassen einstweilen jene ringende Natur in ihrem widerspruchvollen Zustande.
Auflistung 1-12
Begriffe: ältester Grund, Widerspruch, Rotation
Sonstiges: Unterschrift Paul
Begriffe: Ungrund
Inhalt: »Du nimmst einen Grund a, der allem Daseyn zu Grunde liegt«
Nach uralter Lehre besteht alles Wissen in Erinnerung
und bezieht sich daher unmittelbar auf Vergangenheit. Wie denn auch Historie ihrer Herkunft nach nichts anders bedeutet als eben Wissenschaft, (ἱστορία).
Doch kann auch Gegenwärtiges wissenschaftlich d.h. geschichtlich durch Herleitung aus Vergangenheit erkannt; so gewissermaßen selbst Zukünftiges gewußt werden, durch Folgerung aus Vergangenem und Gegenwärtigem.
Umfassende Wissenschaft ist daher, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aber in einer Verkettung und Folge begreift.
In jeder fortschreitenden Bewegung sind drey Unterschiede, ein Ort von dem sie ausgeht, einer nach dem sie hinstrebt und ein dritter der beyde verbindet. Der Anfangspunct (terminus a quo) ist nicht die bloße leere Stätte des Ausgangs dieser Bewegung, es ist auch nicht ges˖[etzt] daß in ihm nur nicht Bew˖[egung] und also keine Zeit sey: also auch nicht als bloße Nichtzeit er muß gedacht werden als Verneinung derselben; die wirklich geschehende Bewegung als Überwindung dieser Verneinung. Die Bewegung im Geschehen betrachtet, ist der Anfangspunct durch sie als Vergangenheit gesetzt nicht schlechthin zwar aber sofern er die Verneinung dieser Bewegung war*)
Wenn nach ebenso alter Lehre die Seele eine sich selbst bewegende Zahl ist, so hat Wissenschaft ihr Wesen nur in der fortschreitenden Bewegung, ja sie ist selbst und wesentlich Bewegung. Vom Unbeweglichen als solchen und für sich betrachtet gibt es daher keine Wissenschaft.
Wo Bewegung ist da ist auch Anfang Mittel und Ende. Vom Uranfänglichen gilt daher dasselbe, was vom Unbeweglichen; daß es unmittelbar wenigstens und für sich kein Vorwurf der Wissenschaft ist.
Wer also immer sich anschickt, Wissenschaft zu erzeugen, der setzt Bewegung schon voraus, und, da Wissenschaft nur von etwas Anfänglichem ausgehen kann, erkennt er auch unmittelbar im Wollen der Wissenschaften ein Anfängliches.
Er kann dieses Anfängliche nicht wieder aus einem andern ableiten, da wäre er nicht zum wirklichen Anfang gekommen, nicht aus dem Unanfänglichen, denn da würde er die Schranken der Wissenschaft überfliegen. Er kann also dieses Anfängliche nur setzen, als ein von und aus sich selbst Anfängliches, von dem eben darum nicht zu sagen ist, daß es irgendwann angefangen, sondern das als ein seiner Natur nach Anfängliches natürlich immer und ewig angefangen hat, und noch immer anfängt und auch nie aufhören wird anzufangen.
Das von sich selbst, also ewig Anfangende ist darum die erste Setzung (Thesis) der Wissenschaft; nur indem sie dieses erkennt erkennt sie sich selbst. Diese Thesis kann außer und vor der Wissenschaft nicht eigentlich erwiesen werden, wie ja auch die Wissenschaft nicht vor oder außer ihr selbst sich erweisen kann, sondern nur indem sie sich erzeugt, sich verwirklichet. Alle Einwürfe gegen jene Annahme können daher auch nur von Gründen hergenommen seyn, die außer aller Wissenschaft liegen, wie es denn von jeher das Geschäft und die Art aller Sophistik war, durch ein nie zu Ende führendes Geschwätz zu verhindern, daß es nie zur Wissenschaft selber komme, sondern vor und außer ihr mit allgemeinen Begriffen herumschweifend bestimmen zu wollen, was in ihr möglich sey was nicht.
Ein mittelbarer (indirecter) Beweis derselben kann allerdings mit aller Schärfe der Dialektik geführt werden, indem die Unmöglichkeit, ja die äußerste Ungereimtheit erwiesen wird,
Wie aber dieser Selbstursprung des Anfänglichen sich mit anderen wohl erkannten Grundsätzen sich schicken und in’s Gleiche setzen möge, dieß ist wieder eine Frage die nur in der Wissenschaft selber und durch sie sich beantwortet.
Die Natur alles Anfangs ist, wie von selbst klar, daß er nicht das ist, das eigentlich werden soll, das zum Seyn bestimmte, das an sich selbst und seiner Natur nach Seyende. Allein es ist nicht genug, daß er nur dieß Seyende oder eigentliche Wesen nicht ist, er muß auch gesetzt seyn als es nicht seyend. Denn überall nur in der Verneinung liegt der Anfang.
Daß eine Bewegung jetzt anfange oder werde ist nicht genug, daß sie nur nicht ist, denn von allen Zeiten her war sie nicht und mußte also von jeher anfangen, wenn das Nichtseyn zum Anfang zureicht. Sie muß also ausdrücklich gesetzt werden als nichtseyend, damit ist ein Grund gegeben, daß sie sey. War sie nicht verneint, so konnte sie nicht ausdrücklich gesetzt werden. Verneinung ist also das nothwendige Vorausgehende (Prius) jeder Bewegung. Der Linie Anfang ist der geometrische Punct nicht weil selbst ausgedehnt sondern weil Verneinung aller Ausdehnung, die Eins Anfang aller Zahl und in sofern erste Zahl, nicht sowohl weil selbst Zahl als weil Verneinung aller Zahl, aller Vielheit. Was mit Macht vorwärts gehen will, muß zurückgehen, was sich steigern zur Wurzel werden, was wachsen sich verkürzen und wenn unter anderm die Pflanze nach jeder Ausdehnung sich wieder zusammenzieht, so ist es nur um zu einer gesteigerten Ausbreitung gleichsam Kraft zu sammeln. Wenn auch irgend ein Anfang, könnte wenigstens der schlechthin erste, der nichts vor noch außer sich hat, nicht gesetzt werden, er könnte nur sich selbst setzen als nicht seyend das eigentlich Seyende, und schon hieraus ist klar, daß das Innerste des Anfangs im sich selbst Setzen (Subject und Object von Sich seyn) besteht.
Wiederum aber wie sollte der Anfang sich verneinen als das Seyende, sich setzen als nicht es seyend, wenn er es sich nicht anzöge. Man kann wohl sagen, daß kein Wesen irgend Etwas nichtist, als nur inwiefern es sich dieses Etwas an oder wie die deutsche Sprache ebenfalls ganz gut sagt zu Gemüthe zieht. Wer des Reichthums nicht begehrt kann nicht arm heißen, auch wenn er nicht reich ist; oder er ist wie man zu reden pflegt in seiner Armuth reich. Wie man also irgend Etwas nur durch sein Wollen nicht ist, so kann umgekehrt das was alles ist es nur durch sein nicht Wollen seyn. Aus dem alles Seyn tritt etwas nur heraus dadurch daß es will. Was es wolle ist gleichgültig, schon dadurch daß es will ist es etwas nicht, und schon hieraus würde erhellen, daß in allem Wollen eine verneinende Kraft liegt, ja daß das Wollen die ursprünglich verneinende Kraft selbst ist.
Der Anfang liegt also nicht in einem bloßen nicht Seyn des eigentlich Seyenden, sondern darinn, daß der Anfang seyn will, nur dadurch ist er es nicht, nur dadurch setzt er sich als es nicht seyend. Die ganze Kraft des Anfangs liegt also nur im Willen, darinn daß er verlangt, begehrt Seyendes zu seyn, oder da dieses das Ur- und Grundbegehren ist, darinn daß es überhaupt begehrt. Hier wird es nun erlaubt,
Jener Wille, da er der Grund zu allem ist, kann natürlicher Weise nur selbst ein völlig grundloser, unbedingter Wille seyn, dem auch keine Vorstellung von sich selbst vorangeht. Denn wie schon angedeutet nicht weil der Anfang nicht das Seyende ist begehrt er es, sondern weil er begehrt es zu seyn, darum ist er es nicht. Es gibt Menschen genug, die gern alles, auch das Tiefste und Innerste in bloße Vorstellung auflösen möchten. Darum ist nöthig zu bemerken, daß das Erste etwas ist, dem gar keine Vorstellung von sich selbst vorausgeht. Das ist der tiefe, durch keinen Begriff erreichbare darum unüberwindliche Grund und Halt, ohne den wie kein Leben und Daseyn, so keine Wissenschaft ist. Ginge ihm die Vorstellung von ihm selbst voraus, so wäre dieser Anfang und das Erste, nicht der Wille.
Der Wille selber, die Kraft des Wollens ist also eine blinde Kraft; aber auch dieß frommt zu betrachten. Der Wille oder das was eigentlich begehrt, Seyendes zu seyn, kann eben darum nicht das Seyende seyn, ist vielmehr die dem Seyenden entgegengesetzte, es anziehende Kraft. Und doch indem es wirklich begehrt, ist es das Begehrende wirklich d.h seyend. Hier, gleich im Anfang, ist also der erste Fall, wo erkannt werden muß, daß ein seiner Natur nach nicht Seyendes seyend seyn kann
; eine Möglichkeit, deren nicht Einsicht und nicht Erkenntniß Platon bereits als das Merkmal aller Sophistik aufgestellt.
Aber auch indem
Es ist gewiß eine recht löbliche Gesinnung, die sich in den oft wiederholten Gemeinsprüchen ausdrückt, das Bejahende müsse
Anfang kann nur seyn, dadurch daß was seyn sollte nicht ist und was gewissermaßen nicht seyn sollte, ist. Dieß Verhältniß ist dem Anfang nicht zufällig, sondern eben der Anfang selbst. In allem was der Anbeginn ist muß eine Finsterniß wirken, Licht im bloßen Wurzelzustand seyn; wo bliebe sonst das Leben, wo die Nothwendigkeit und der Trieb der Bewegung. Darinn sah also die früheste Lehre weit tiefer, die einmüthig sagt: Nacht sey das älteste der Wesen
; nur geschieht den Alten Unrecht, wenn man ihnen zuschreibt, daß sie diese Nacht als das oberste Wesen gedacht haben.
Die Systeme die von oben herabsteigend der Dinge Ursprung erklären wollen, kommen fast nothwendig auf den Gedanken, daß die Ausflüsse der höchsten Urkraft zuletzt ein Äußerstes erreichen, unter dem nichts ist und das selbst nur noch ein Schatten von Realität ist, nur gewissermaßen noch seyend eigentlich aber nicht seyend. Dieß ist der Sinn des nicht Seyenden bey den Neuplatonikern, die das Rechte aus Platon nicht mehr verstanden. Allein Etwas der Art läßt sich recht wohl und leicht als ein Anfang nicht aber als ein letzter Ausfluß denken; auch kann dieß Äußerste, unter dem Nichts ist, nicht bloß als Mangel oder Schwäche, es muß als thätige Verneinung, Zurückdrängung des Wesens gedacht werden.
Weil aber auch diese Begriffe (des Seyenden und des nicht Seyenden) gleich für den Anfang aber auch für die ganze Folge der Untersuchung höchst bedeutend sind: so wird es nicht unrecht seyn, sich noch etwas ausdrücklicher über sie zu erklären. Denn auch zu unserer Zeit ist es das Merkzeichen aller Sophistik, das nicht Seyende gleich als das überall Nichtseyende zu behandeln und es als den größten Widerspruch auszuschreyen, wenn behauptet wird, daß es eben als das nicht Seyende sey. Von diesem zunächst bloß grammatischen Mißverstand konnte sie jedoch schon die einfache, wenn sonst nirgendsher, aus Plutarch zu kennende Unterscheidung befreyen zwischen dem nicht Seyn (μὴ εἶναι) und dem nicht seyend Seyn (μὴ ὂν εἶναι)
. Allein die Menschen sind im allgemeinen gegen das Verneinende, wie sie eine natürliche Vorliebe für das Bejahende zeigen. Was frey ausquillt und sich mittheilt leuchtet ihnen ein; was sich von selbst versagt vertieft, ob es gleich ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet können sie nicht so geradezu begreifen.
Die Kraft jenes ersten Wollens ist dem Seyenden oder Wesen entgegengesetzt und kann daher nicht das Seyende seyn, es ist das seiner Natur nach nicht Seyende (oὐκ ΟΝ) darum aber keineswegs das Nichtseyende oder nichts; denn es ist wirkende Kraft, die in ihrer Art doch wohl auch ein Seyendes seyn muß. Wir nannten es eine Kraft, aber richtiger wäre es die Kraft, die Stärke schlechthin zu nennen. Denn es ist das, was die ungeheure Bewegung, die wir darzustellen unternehmen, trägt und hält; könnte sie nachlassen oder auslassen, so stürzte diese ganze Bewegung in’s Nichts. Oder in einer andern bekannten Wendung, sie ist die erste Spannung jenes Bogens, der ewig gespannt bleiben muß
, wenn nicht das Leben selbst in’s Nichts zurückgehen soll. Aber gleichwie den wenigsten einleuchtet, daß mehr Kraft gehört zum an sich Halten, sich Einschließen, als zum sich Ausbreiten, sich Öffnen, so ist es auch natürlich, wenn sie das dem Wesen entgegengesetzte Princip für Nichts ansehen, da es die Ur- und Grundkraft der Natur ist.
Ebendieses im Beginn aber wirkende und seyende Princip kann in der Folge der Bewegung in’s Unwirkende oder als das, was es ist, als das nicht Seyende
So ohngefähr ließe sich auf unsre Art dasjenige ausdrücken, was schon Platon in dem herrlichen Gespräch von dem nicht Seyenden gezeigt, wie es nämlich nothwendig sey, und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel Wahrheit von Irrthum ununterscheidbar seyn würde
.
Es kann aber auch das wahrhaft Seyende als (jetzt) nicht seyend gesetzt seyn, indem es im Zustand der Einwickelung der bloßen Möglichkeit ist. Es ist nicht gesetzt als nichtseyend, sondern nur als nicht Seyendes seyend, als nicht gegenwärtiges offenbares Seyendes. Wenn daher Aristoteles den Gegensatz (τοὐνάντιον), die dem Wesen entgegengesetzte Kraft als die bloße Beraubung (στέρησις) oder als das Beraubende erklärt
, so ist dieß in Bezug auf das Seyende wohl zu rechtfertigen, weil es wirklich nicht als Nichtseyendes sondern nur als nicht Seyendes gesetzt wird.
Soviel nun zur dialektischen Verständigung über diese zu den Grundfragen der Wissenschaft gehörigen Begriffe.
Das Wollende im Anfang begehrt seyend zu seyn und macht sich doch eben in diesem Begehren nicht seyend. Es will sich als wirklich und zieht doch eben in diesem Wollen sich in sich hinein und dreht sich gleichsam in einem ewigen Cirkel um sich selbst. Dieser Cirkel und der Widerspruch von dem er nur der Ausdruck ist darf nicht befremden vom Anfang. Darum allein ist er Anfang weil er nicht bleiben kann, weil er Widerspruch ist. Dafür ist er eben Anfang (d.h. für sich Nichts) daß er ein solcher Cirkel ist. Der Widerspruch selbst aber ist so einfach, daß es vielleicht nur darum einige Mühe kostet ihn sich zu verdeutlichen.
Beyspiele bieten sich genug dar, diesen nothwendigen Cirkel zu erläutern. Nur zu viele gibt es der Fälle, wo der Mensch durch Heftigkeit der Begierde sich selbst im Weg ist zu erlangen was er sucht oder zu vollbringen was er beabsichtet. Man dürfte nun an jene Unseligen erinnern, die aus lauter erschrecklicher Sorge und Furcht für ihr Selbst es nie zu einem freyen Daseyn gelangen lassen. Ihrer in sich ziehenden Begierde wird ihr eigenes Selbst beständig zum Raub, zur Speise mit der er sich nährt ohne je ersättigt zu seyn, daher wir sie in einer beständigen Selbstverzehrung begriffen sehen. Hienach wagen wir uns kühner auszudrücken: aller Anfang sey ein sich selbst verzehrendes Wesen, in sofern auch ein Feuer.
In jenem sich Einziehn besteht wesentlich alle Ichheit und Selbstheit, daher der Anfang, weiter nichts ist als ein solches Einziehen, eigentlich nichts ist als die bloße, nackte Ichheit in ihrer lauteren Schärfe. Hier schließt sich eigentlich der geheimste Sinn jenes großen Wortes auf: Wer sein Leben sucht der wird es verlieren
, wie überhaupt die höchsten Lehren des Christenthums immer von gleich tiefer natürlicher und sittlicher Bedeutung sind. Was sucht treibt das Gesuchte, wenn es mit ihm in Eins geschlossen ist, nothwenig vor sich her und kann es daher nicht finden, bleibt immerfort Suchen, ewige Sucht. Es will Sich und indem es sich will wird es sich nicht seyend, und indem es nun doch sich als nicht seyend empfindet, begehrt es nur umso mehr nach Sich, zieht also nur um so mehr Sich in sich hinein, kommt nie aus sich heraus kann nie mit sich selbst fertig werden.
Einige erheiternde Beyspiele werden nach diesen nicht am unrechten Orte seyn. Jemand will sich eines Namens erinnern und besinnt sich mit Heftigkeit auf ihn; aber ebendadurch zieht er ihn gleichsam in sich herein und hindert ihn zu erscheinen; nicht lang’ aber daß er aufgibt ihn zu finden stellt er sich von selbst dar. Vielleicht haben in Sprachen auch andre die Bemerkung gemacht daß man sie besser versteht oder spricht eine Zeitlang nachdem man aufgehört hat, sich eifrig mit ihnen zu beschäftigen; wie es auch sonst geschieht, daß wer sich seiner Worte zu sehr annimmt, meist schlecht spricht. Aber auch ein Gedanke, wissenschaftlicher oder dichterischer, kann uns vorschweben, den wir uns lebhaft bemühen festzuhalten, aber in diesem Festhalten entwird er uns, weil er durch die Spannung der Begierde selbst gehindert ist, uns äußerlich zu werden; wir geben es auf ihn zu halten und siehe er nimmt freywillig Gestalt an. Etwas der Art mag auch der Grund seyn, warum in geistigen und sittlichen Dingen Erfahrene nicht leicht das Rechte erwarten, wo sie große Spannung gewahr werden; dagegen ein ungespanntes und gelassenes Wesen alles Rechte und Gute hoffen läßt.
Der Anfang kann also gleichsam keinen Augenblick seyn, ohne etwas anderes zu setzen. Er kann nämlich jenem Umtrieb nicht etwa dadurch entkommen, daß er aufhört zu begehren und das eigene Wesen in sich zu ziehen. Unmöglich ist dieß schon weil er eine blinde Kraft ist die gegen sich selbst keine Freyheit hat; aber auch hörte er auf und ließe das Gefaßte wieder aus, so würde alles rückgängig und es wäre wieder Nichts wie zuvor. Aber in der großen Bewegung des Lebens gibt es keinen Rückgang.
Es ist ihm also nur dadurch zu helfen, daß er zwar in sich Anfang bleibe, und doch zugleich sich als Seyendes setze. Aber nicht in sich sofern er Anfang ist kann er sich Seyendes werden, also nur außer Sich sofern er Anfang (nicht aber sofern er Wesen) ist, gleichsam in einer andern Gestalt seiner selbst. Diese kann nicht sich selber setzen wie der Anfang (sonst setzte sie sich gleich ursprünglich), also nur gesetzt werden, und da nichts wirkliches ist außer dem Anfang nur vom Anfang selber gesetzt werden, der aber dabey in seiner Geschlossenheit und Ganzheit besteht. Ein solches Setzen eines andern, wobey das Folgende in seiner Ganzheit bleibt ist Zeugung. Also muß der Anfang das Seyende, das er zu seyn begehrt, außer Sich als Anfang, gleichsam als ein anderes und höheres Ich von sich selber zeugen.
Diese zeugende Kraft des Anfangs kommt ihm schon als Anfang zu, da er doch Anfang von Etwas oder zu Etwas seyn muß. Er ist ja viel
Sich setzen als nicht das Wirkliche seyend und sich setzen als die zeugende Potenz dieses Wirklichen muß im ersten Anfang Eines seyn. Wie hinwiederum sich setzen als zeugende Potenz und sich setzen als nicht seyend das eigentlich Seyende Ein und dasselbe ist.
Man könnte sich über dieses Verhältniß auch so ausdrücken. Das Seyende ist freylich an sich selber Seyendes, daß es aber als dieß Seyende wieder ist (offenbar wird als solches) dieses kann ihm nicht von sich selbst kommen. Ohne den Anfang ist es als nichts, denn eben weil an sich Seyendes hat es keine Begierde Seyendes zu seyn. Hier erklärt sich auch, warum es nur gezeugt werden kann nicht sich selbst zeugen. Weil also in ihm keine Nothwendigkeit ist, als das Seyende zu seyn, so muß diese ihm gegeben werden. Zu geben ist sie ihm aber nur durch Verneinung. Möglich ist, daß das seiner Natur nach Seyende nicht wieder sey als solches, aber unmöglich ist, daß es überall und nur verneint sey. Dadurch also daß es verneint ist, ist ein Grund gegeben, daß es sey. Wie sich unmittelbar im Erkalten eines Körpers fühlbare Wärme verbreitet, also die zuvor unwirkliche durch die Verneinung selbst zur wirklichen gesteigert wird, so wird durch die im Anfang gesetzte Verneinung das Seyende =a zum Seyenden, das ist (zum seyenden Seyenden also zum Seyenden der zweyten Potenz) =a2 gesteigert. Woraus also erhellt, daß wir das Seyende im Anfang (in a=b) auch als Seyendes der ersten Potenz betrachten können.
Wirkliches Seyendes nämlich kann das Seyende nicht als bloßes a seyn, sondern nur als a, das die gestillte Begierde, die begehrende, einziehende, verneinende Kraft, überwunden in sich trägt; gleichwie es kein wirkliches Licht gibt, das reines Licht wäre, sondern nur solches das Finsterniß überwunden hat. Dazu nun aber, zu dieser Steigerung in sich selbst, würde das Seyende (dem an sich die verneinende Kraft fremd ist) nie gebracht werden, wenn nicht Verneinung vorausginge. Ohne das Nein hat das Ja keine Wirklichkeit; ohne Nicht-Ich wäre kein Ich; in sofern ist das Nicht-Ich vor dem Ich.
Dieses also sind die beyden Urmächte des Lebens, die Potenzen des ersten Gegensatzes, die man unsertwegen mit dem herkömmlichen Ausdruck als Finsterniß und Licht bezeichnen kann (richtiger jedoch als Finstres und Lichtes); nur ist zu erinnern, daß gleichwie sie sich äußerlich schon darstellen gleichsam nur als die zwey entgegengesetzten Seiten Eines und desselben Wesens, so auch in dem schärfsten Gegensatz eine innere Nähe und Verwandtschaft beyder nicht zu verkennen ist. Wie der Tag in der Nacht verborgen liegt nur überwältigt von der Nacht, die Nacht im Tage nur niedergehalten von ihm, so sind sich jene beyden Ur-Potenzen nur dadurch entgegengesetzt daß was das Wirkende und Offenbare in der einen in der andern verborgen, dagegen was in jener das Äußerliche Einschließende in dieser das Innerliche und Eingeschloßne ist. Unendlich fern sind sie sich unendlich nah. Fern, weil was in der einen bejaht in der andern verneint ist, nah, weil es nur einer Umkehrung bedarf einer Hineinwendung dessen was äußerlich und einer Herauswendung dessen was innerlich ist, um die eine in die andre zu versetzen und gleichsam zu verwandeln.
Doch die innere Natur einer jeden muß sich durch die Folge der Entwicklung von selbst aufschließen; hier genügt uns, ihr Daseyn und ihren allgemeinen Gegensatz zu erkennen.
Der Fortschritt von 1 zu 2 (denn verstattet wird seyn, die verschiedenen Momente auch wohl durch ihre bloße Zahl zu bezeichnen) ist wie dieß ganze anfängliche Leben ein blind nothwendiger. Aber auch hier ist noch ein Grund nothwendiger Fortschreitung. Das Wesen im Anfang wollte Sich; nun hat er Sich in der zweyten Gestalt, (als a2) aber es ist doch auch in der ersten Gestalt Es, in sofern hat es Sich nicht, wenn es sich nicht hat als seyend sowohl das Erste wie das Zweyte, welches nur von einer dritten Gestalt möglich ist. So sehnt sich auch das Zweyte, obwohl blindlings, sich mit dem Ersten als Ein Wesen zu empfinden. Wie also das Erste das Zweyte zeugte, so zeugen das Erste und das Zweyte (der Gegensatz) gemeinschaftlich das Dritte (die Einheit), und setzen es über Sich, als Seyendes der höchsten Potenz =a3.
Dieses Dritte muß an sich selber außer und über allem Gegensatz seyn, die lauterste Potenz, das gegen beyde Gleichgültige, von beyden Freye und am meisten Wesentliche.
Wie jene ursprüngliche Verneinung der ewige Anfang, so ist dieses Dritte seiner Natur nach das ewige Ende dieser Bewegung des Anlichen. Von 1 bis 3 war eine unaufhaltsame Fortschreitung, eine unauflösliche Verkettung; aber mit der dritten endigt die zeugende Kraft, nichts Höheres ist in demselben Fortgang zu erzeugen. Denn außer der verwirklichenden Potenz (a=b), dem ewig Verwirklichten (a2) und der Einheit beyder läßt sich nichts gedenken.
Offenbar ist nun, daß keine von diesen Potenzen für sich das Wesen ist, daß sie nur alle zusammen und zumal das eigentliche Wesen ausmachen. Wären das Erste, Zweyte und Dritte zusammen und gleichsam mit einem Schlag gesetzt, so wäre ein vollendetes Wesen geboren, durch 1 Grund von sich selbst, durch 2 Seyendes von sich selbst, durch 3 sich besitzend als das Verwirklichende und Verwirklichte von sich selber.
Nun ist diese ganze Fortschreitung nichts anders als die Sucht des Anfänglichen sich zu verwirklichen. Also verlangt das in jener Fortschreitung nach Daseyn ringende der Möglichkeit nach schon vorhandene Wesen, natürlich, sich als Ganzes mit Einem Mal zu setzen, als das Erste Zweyte und Dritte zumal Seyendes zu seyn, denn nur alsdann wäre es aus der Begierde nach Verwirklichung gesetzt und in der That Verwirklichtes.
Aber eben dieses ist unmöglich, wie schon aus dem Bisherigen einleuchtet, da 1, 2 und 3 nur in einer Folge seyn können. Schon indem das Erste das Zweyte zeugte trat es gegen dieses in die Vergan
Begriffe: ältester Grund, Gott, offenbar und wirklich
Inhalt: »das Verg. gew.«, »dieses Selbe das das Nichts ist muß auch das erste Wirkliche seyn«