Schelling

Schelling Nachlass-Edition


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Erwähnungen in Dokumenten

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter: Entwürfe und Fragmente zum Ersten Buch« (?). Text

    Nehmen und Geben sind Wechselbegriffe, deren keiner ohne den andern gemacht werden kann. Aber jenes Überseyende, das wir vor allem Seyenden setzen, hat Nichts, es hat nicht allein sich selbst nicht, sondern es hat auch äußerlich nichts, und ist auch in dieser Beziehung als der höchste Reichthum der höchsten Armuth gleich. Was also nichts hat, dem es sich gebe, das kann sich nicht geben, das kann sich nur selbst nehmen, damit es Etwas sey. Der höchste Reichthum wenn er nichts hat, dem er sich geben kann, wird der Armuth gleich, schlägt in sich selbst zurück und verzehrt sich selber. Wenn wir uns ein lauteres Feuer denken, das keinen Stoff hat, durch dessen Verzehrung es sich selbst sänftigen kann, wirkt nothwendig in sich zurück und wird sich selbst zur Pein. Ebenso ein Geist, der ganz nackt und bloß wäre und nichts außer sich hätte, womit er sich umhüllen oder bekleiden möchte, könnte nicht anders als selbst verzehrend in sich selber zurücktreten. Dieses stille keimende in sich selbst Gehen ist an sich noch kraftlos und ohne That; es ist am ehesten dem Hunger zu vergleichen, der nicht thut, ja gewissermaßen nichts ist und doch die größte Qual. Aber eben dieser Hunger des Nichts-seyns wird die Mutter der That und ist der ewige und eigentliche Anfang, der, wie schon das Wort andeutet, überhaupt nicht in einem Geben, Aussprechen oder sich Mittheilen, sondern nur in einem Nehmen, Berauben, Anziehen bestehen kann. Dieser Hunger ist der wahre alles ziehende Magnet, die erste, aber auch dauernde beständig fortwirkende Spannung des Bogens unter dessen Bild schon das hohe Alterthum das Leben sich vorgestellt.

    Der Mensch, seinem Geiste nach, ist nichts anderes als eine solche lautere Freyheit, ein an sich nackter und bloßer gegen alles freyer Wille. Aber dieser Wille wird auch in ihm selbst sich peinlich; es ist dem Menschen von Natur sozusagen unerträglich nichts zu wollen, und könnte der gewaltigst Strebende durch ein Wunder in den Zustand des Nichtwollens versetzt werden augenblicklich würde sich diese Bloßheit des Willens in eine brennende Sucht verwandeln, die ihm entweder durch ein überschwengliches Gut für immer erfüllt werden müßte, oder ihn wieder dahinrisse in den Kreislauf der nie ersättigten, nach immer neuen Stoff verlangenden Begierde.

    Unmöglich ist, daß jenes Überseyende, die verneinende Kraft in sich zurückdrängend und bewältigend, aussprechendes Wesen werde. Wir wollen nun nicht verbergen, daß noch ein drittes möglich wäre, ob wir es schon bis jetzt nicht angenommen, nämlich daß es eben überall nicht wollte, daß es der lautere Wille bliebe, der Wille der nicht will. Wenn nun die Frage ist, warum er deß ohnerachtet nicht in dieser Lauterkeit bleibt, so können wir nicht antworten als folgendes.

    Es wäre übernatürlich, wenn er schlechthin nicht wollte. Im Nichtwollen, können wir sagen, besteht alle Übernatürlichkeit. So wie umgekehrt zu wollen natürlich ist und alle Natürlichkeit eben durch das Wollen gesetzt wird. Das ist das Schwerste und über alle Natur, bloßer Wille zu seyn ohne zu wollen, nicht zu wollen, in der Gleichgültigkeit zu bleiben. Es heißt: Des Menschen Wille ist sein Himmel, aber es könnte auch heißen: des Menschen Wille ist seine Hölle. Zuerst sollte man wohl sagen, der gestillte Wille, der Wille der nichts will sey der Himmel. Jeder Mensch sucht diesen Himmel, nicht nur, der es erträgt nichts zu wollen, um vom höchsten erfüllt zu werden (denn nur den Willen der nichts will kann Gott erfüllen) sondern auch der sich wild allen Begehrungen überläßt, denn was ist die Hölle selbst, als das ewige suchen Müssen und nicht finden Können des Himmels. Es ist ein Gedanke, der sich wohl hören läßt, daß abgeschiedene Geister, die unfähig des Himmels in die Region desselben gerathen, sich von selbst von ihm wieder ausscheiden, weil ihnen jener erfüllte Zustand des ruhenden nichtwollenden Willens zur Pein zur verzehrenden Sucht wird, daß sie also freywillig sich wieder hinabstürzen in den Umtrieb der nie ersättigten, ewig ewig wieder hungernden Begierde.

    Schlußseite des Ms einer 29 Bogen umfassenden Umarbeitung des Druckes I, auf der dessen ausgeschnittene S. 183/184 eingeklebt war, worauf folgte:

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1811). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1811). Text

    Wodurch wurde diese Seligkeit bewogen, ihre Lauterkeit zu verlassen und herauszutreten in das Seyn? – Dieß ist der gewöhnliche Ausdruck der Frage über das Verhältniß der Ewigkeit zum Seyn, des Unendlichen zum Endlichen. Aber es ist schon oft bemerkt worden, es sey unmöglich, daß diese Lauterkeit je aus sich selbst heraustrete, unmöglich, daß sie etwas von sich absondere, ausstoße, oder daß sie überhaupt nach außen wirke. Sie kann ewig nur in sich selbst bleiben: nur innere Bewegungen lassen sich in solcher Innigkeit denken; ja auch dieses läßt sich nicht einmal sagen, daß in ihr etwas vorgehe; denn sie ist ganz Eins mit ihrem Thun, und es selber.

    Laßt es uns auch hier wieder menschlich nehmen; vielleicht daß es uns gelingt, jenes Verhältniß, das in der Abgezogenheit der Begriffe schwer zu fassen ist, anschaulicher zu erkennen. Wer vermag es, die Regungen einer Natur in ihren Uranfängen genau zu beschreiben, wer diese geheime Geburtsstätte des Wesens zu enthüllen? Doch läßt sich soviel einsehen, daß eine jede Natur im Zustande der ersten Innigkeit nichts sey als ein stilles Sinnen über sich selbst, das aber, weil sie es nicht von sich abzusondern vermag, seiner selbst nicht bewußt seyn kann; ein In-sich-gehen, ein Sich-suchen und Sich-finden, das je inniger desto wonnevoller ist, und die Lust erzeugt, sich zu haben und sich äußerlich zu erkennen, welche Lust sodann den Willen empfängt, der der Anfang zur Existenz ist.

    Nur empfangen wird dieser Wille, nicht gezeugt, denn in dem lauteren Wesen ist keine zeugende, nach außen wirkende also auch keine außer sich zeugende Kraft. Also zeugt jener andre Wille, der der Wille zur Existenz ist, sich selbst, und ist darum der ewige Wille zu nennen. da der erste mehr das Wollen der Ewigkeit selber war. Denn es ist hier auch an kein Werden oder Anfangen aus dem Vorhergehenden zu denken; denn vor dem andern Willen war die Ewigkeit als ein Nichts; sie war, was wie dein Ich war, ehe es sich selbst gefunden und empfunden; sie war, aber sie war als wäre sie nicht, und konnte darum auch nichts anderem thätig vorausgehen, noch der Anfang zu Etwas etwas seyn. Aller Anfang ist erst von Alle Wirkung kommt nur von und mit dem andern Willen, der, weil ihm der erste nicht reell vorausgehen kann, in seiner Art eben so absolut seyn muß, als der Wille der nichts will.

    Allgemein angenommen ist, die Zeit sey der Ewigkeit Widerspiel und Gegensatz, doch zugleich in einem nothwendigen Verhältniß zu ihr. Dieses Verhältniß kann nicht so vorgestellt werden, als ob die Ewigkeit in der Zeit aufhörte und durch sie als Vergangenheit gesetzt würde. Denn die Ewigkeit ist ewig Ewigkeit; und alle Vergangenheit gehört selbst schon zu der Zeit. Wenn wir ein Samenkorn der Erde übergeben, so ist es als das Werk einer anderen Zeit unabhängig von der Zeit der zukünftigen Pflanze und könnte beziehungsweise auf diese wohl als ewig angesehen werden: aber kaum wirken die Kräfte der Erde und des Wassers in ihm, so greift es in die Zeit der werdenden Pflanze ein, nicht dadurch, daß es in ihr fortbesteht, sondern daß es als Samenkorn aufhört zu seyn und als Vergangenheit gesetzt wird. Beweis genug, daß es die Zeit schon als Möglichkeit enthielt.

    Aber ebensowenig läßt sich denken, die Ewigkeit sey das unmittelbar Setzende der Zeit: denn weder, wie sie überhaupt wirkend werde, ist zu begreifen, noch wie sie als das absolut sich selbst Gleiche das ihr Ungleiche hervorbringen sollte.

    Nur ein von der Ewigkeit als solcher verschiedenes, ja nur ein ihr thätig entgegengesetztes Princip kann das erste Setzende der Zeit seyn. Aber doch kann dieses Princip von der Ewigkeit nicht absolut getrennt; es muß, schon des Gegensatzes wegen, auf andere Weise wieder Eins mit ihr seyn.

    Wenn jener zweyte, in der Lauterkeit des Wesens sich selbst erzeugende, Wille der Wille zur Existenz ist, und wenn mit dem Seyn Streben zur Offenbarung und zur Entwicklung kommt: so ist dieser andre Wille das erste Setzende der Möglichkeit einer Zeit; denn von der Wirklichkeit ist noch überall nicht die Frage.

    Dieser andre Wille aber ist in der Ewigkeit und schon darum ein seiner Natur nach ewiger Wille. Er ist, wie wir uns ausdrücken können, der Ewigkeit gleich der Existenz nach.

    Aber er ist verschieden von ihr ja ihr entgegengesetzt durch die völlig andre Natur, schon darum, weil jene der Wille ist, der nichts will, dieser aber der bestimmte Wille, der Etwas will. Wenn die Ewigkeit in sich selbst nichts anderes ist, denn unendliches Ausquellen und Bejahen ihrer selbst; so muß jener andre Wille beziehungsweise auf sie einschränkender, zusammenziehender, verneinender Natur seyn.

    Also erkennen wir zwey gleich ewige Willen, die der Natur nach verschieden ja entgegengesetzt sind, aber der Existenz nach Ein Wesen ausmachen.

    Alle sind darinn einstimmig, daß die Gottheit ein Wesen aller Wesen, die reinste Liebe, unendliche Ausfließlichkeit und Mittheilsamkeit ist. Aber sie behaupten doch zugleich, daß die Gottheit als solche existire. Aber von sich selbst gelangt die Liebe nicht zum Seyn. Existenz ist Eigenheit, ist Absonderung; die Liebe aber ist das Nichts der Eigenheit, sie sucht nicht das ihre und kann darum auch von sich selbst nicht existirend seyn. Ebenso ein Wesen aller Wesen hat nichts, das es trägt und da es nicht an sich persönlich ist, so muß das besondere, persönliche Wesen, das wir Gott nennen, ihm erst einen Grund machen. Nur das Etwas ist der Träger des Nichts, das selbst nicht seyn kann. Wollten wir auch einen persönlichen Gott als etwas sich von selbst verstehendes annehmen: so würde er doch so wenig als irgend ein persönliches Wesen, der Mensch z.B., aus bloßer Liebe bestehen können. Denn diese, die ihrer Natur nach unendlich ausbreitend ist, würde zerfließen und sich selbst verlieren ohne eine zusammenhaltende Kraft, die ihr Bestand gibt. Aber so wenig die Liebe existiren könnte ohne eine ihr widerstehende Kraft: so wenig diese ohne die Liebe. Wäre die Kraft der Eigenheit allein oder hätte sie auch nur das Übergewicht: so wäre entweder Nichts oder es wäre nur das ewig sich Verschließende und Verschlossene, in welchem nichts leben könnte, womit also der Begriff eines Wesens aller Wesen verloren und die Kreatur ausgeschlossen wäre. Denn gegen das Geschöpf wäre jene Kraft der Selbstheit in Gott vernichtendes und verzehrendes Feuer, ewiger Zorn, der nichts duldete, wenn ihm die Liebe nicht wehrte, tödtliche Zusammenziehung wie von der Kälte in unsrer Planetenwelt, wenn die Sonne aus ihr hinweggenommen wäre.

    Wir sehen jedoch in der gegenwärtigen Entwicklung diesen zweyten Willen, den wir auch wohl den eigenen der Gottheit nennen könnten, gleich im Beginne dem ersten, wenigstens dem Begriff nach, untergeordnet. Die Liebe erscheint als das wahre Wesen; obgleich von sich selbst nicht seyend, ist sie doch im Gegensatz mit der andern Kraft das allein eigentlich Seyende, diese dagegen verhält sich nur als Grund ihrer Existenz, als das, was nicht selber noch um sein selbst willen ist, sondern nur ist, damit die Liebe als das wahre Wesen seyn könne; also als ein beziehungsweise Nichtseyendes.

    Dieses Verhältniß des andern Willens, wornach er sich zu dem Wesen als Nichtseyendes verhält, hat die Betrachter auf mancherley Art irregeführt. Einige dadurch, daß sie glaubten, diese als Nichtseyendes sich verhaltende Kraft sey auch in sich selber nichtseyend, also ein Nichts. Weßhalb die Idealisten sie kurzweg als eine gar nicht und auf keine Weise vorhandene zu behandeln pflegen. Aber schon der göttliche Platon hat in der höchsten Allgemeinheit gezeigt, wie nothwendig auch das Nichtseyende sey und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum nicht unterscheidbar seyn würde. Hier, wo dieses Princip gleich in seinem lebendigen Verhältniß zu dem höheren dargestellt worden, wird es genug seyn, an folgendes zu erinnern.

    Das Seyn kann als solches allerdings nie das Seyende seyn; aber es gibt eben kein bloßes Seyn, kein reines, leeres Objektives, in welchem gar nichts Subjektives wäre. Das Nichtseyende ist nicht absoluter Mangel an Wesen, es ist nur das dem eigentlichen Wesen entgegengesetzte, aber darum in seiner Art nicht minder positive Wesen; es ist, wenn jenes die Einheit ist, der Gegensatz und zwar der Gegensatz schlechthin oder an sich. Schon darum ist eine ewige Kraft, ja wir würden richtiger sagen, es sey die ewige Kraft schlechthin, die Stärke Gottes, wodurch vor allem andern Er Selbst als Er Selbst ist, der einzige, von allem abgeschnittene, der zuerst und allein seyn muß, damit anderes seyn könne. Ohne dieses wirkende Princip wäre der Begriff der Einzigkeit Gottes ein leerer, ein gemeinverneinender Begriff. Wenn auch Gott gewollt hat, daß dieses Princip dem Wesen als der eigentlichen Gottheit in ihm unterworfen sey: so ist es darum doch in sich nicht weniger ein Lebendiges. Gott der eigentlich seyende ist über seinem Seyn; der Himmel ist sein Thron und die Erde sein Fußschemel; aber auch das in Bezug auf sein höchstes Wesen Nichtseyende ist so voll von Kraft, daß es in ein eignes Leben ausbricht. So erscheint in der Vision des Propheten, wie sie Raphael dargestellt hat, der Ewige nicht von dem Nichts, sondern von lebendigen Thiergestalten getragen. Nicht minder groß hat der hellenische Künstler das Aeußerste menschlicher Schicksale, den Tod der Kinder der Niobe am Fuße des Thrones gebildet, auf welchem sein olympischer Zeus ruht, und selbst den Schemel des Gottes durch die Vorstellung der Amazonenkämpfe mit kräftigem Leben geschmückt.

    Auf andere Weise aber hat dieser Begriff Andere befangen, deren blindem Gefühl die Kraft der Existenz das Höchste ja das Göttliche selber zu seyn scheint. Diese haben wohl eine Empfindung vom Ewigen oder von Gott, aber die zarte Gottheit, die in Gott selber über Gott ist, haben sie nicht empfunden. Weil nun die Kraft der Existenz auf der Dunkelheit oder ihrem thätigen Gegensatz gegen das Wesen und das ihm Verwandte beruht: so scheint sie unaussprechlich und unerkenntlich, oder, wie ein Alter, obwohl in anderer Beziehung, sich ausdrückt, nur dem Nichterkennenden erkennbar zu seyn. Daher dann eben jene, welche auf diese Kraft das größte ja das einzige Gewicht legen, auf die Meynung gerathen sind, das Wissen bestehe im Nichtwissen, alles wissende Wissen löse das Seyn auf und vernichte es.

    Allein abgesehen davon, daß die Kraft des Seyns in dieser Vorstellung überhaupt zu hoch, nämlich als das einzig zu Erkennende, genommen worden: so ist auch die Folge nicht richtig, daß darum alles Wissen seiner Natur nach ein Nichtwissen sey. Denn unfaßlich ist das Seyn soweit und inwiefern es Nichtseyendes ist; soweit es aber als Nichtseyendes dennoch ein Seyendes ist, soweit ist es allerdings faßlich und erkennbar. Das Seyende und das Nichtseyende in ihm sind nämlich nicht zwey, sondern einerley Wesen nur von verschiedenen Seiten betrachtet. Das, wodurch es Nichtseyendes ist, ist dasselbe, wodurch es Seyendes ist. Denn Nichtseyendes ist es nicht wegen Mangel an Licht oder Wesen, sondern als aktive Verschlossenheit, thätiges Zurückstreben in die Tiefe und Verborgenheit, also als wirkende Kraft, die in ihrer Art ebenfalls ein Wille, also nothwendig ein seyendes und in so fern erkennbares ist.

    Von jetzt beginnt eine neue Epoche der Betrachtung.

    In dem Willen, der nichts will, war keine Unterscheidung, weder Subjekt noch Objekt, sondern höchste Einfalt. Der zusammenziehende Wille aber, der der Wille zur Existenz ist, scheidet beydes in ihr. Denn er erzeugt sich in dem Willen, der nichts will, nicht anders, als wie sich ein Wille im Gemüth des Menschen erzeugt, und ist in so fern von ihm umfangen und gehalten, so daß er, obschon ein eigner von ihm verschiedener Wille, doch der That nach von ihm nicht zu trennen ist. Wie aber der Wille des Gemüths das Gemüth selbst fesselt und bindet: so hält der eigne oder zusammenziehende Wille auch die Liebe fest; denn nur von ihr, die in sich wirkungslos ist, kommt alle Kraft, und ohne sie vermöchte er nicht schaffender noch wirkender Wille zu seyn. Also will er nicht von ihr lassen und macht sich selbst zum Objekt oder Wirkenden von ihr, sie aber zum Subjekt, Innern, Latenten von sich und setzt die, die zuvor nicht seyend war, dadurch als seyend. In der Zusammenziehung aber kehrt sich dieß in so fern um, als hier das bejahende Princip in Bezug auf die contrahirende Urkraft zwar Objektives, aber nicht Wirkendes noch frey Ausfließendes, sondern Leidendes, Eingeschlossenes, Latentes wird.

    Die Mitte aber, oder das Band zwischen Subjekt und Objekt ist eben der zusammenziehende Wille selber, inwiefern er sich nach oben zum Objekt macht und dadurch die Liebe festhält, daß sie seyend wird; nach unten aber sich selbst zum Subjekt macht und mit der von oben genommnen Kraft das Wesen zum Seyn zusammenzieht.

    Also haben wir von nun an nicht mehr zwey Willen, sondern den Einen aus beyden zusammengewachsnen Willen zu betrachten, den ich den ersten wirkenden Willen, oder seiner Ganzheit nach auch schlechtweg das erste Wirkliche nennen werde.

    Die Menschen sind gewohnt, das Seyn als etwas ganz Willenloses und gleichsam nur als eine Zugabe zum Wesen anzusehen. Gleichwohl, wenn sie auf die innere Existenz Acht geben wollten, würden sie das Gegentheil finden und z.B. bemerken, daß ohne Antheil ihres eignen Selbst auch das Beste, das in ihnen der Anlage nach seyn mag, zu keiner Wirklichkeit gedeiht. Denn bey den ihnen bequemen und besonders vortheilhaften Eigenschaften wissen sie wohl, sie durch sorgfältige Pflege zu erhöhen und in’s Licht zu stellen; eben so, wenn es ein guter oder böser Zweck fordert, ganze Seiten ihrer Existenz aufzugeben und wenn nicht zur Vernichtung doch zur Latenz zu bringen. Ein Wesen, das sich seiner selbst nicht annimmt, ist, als wäre es nicht. Sich selber wollen, sich seiner annehmen, sich zusammenfassen, sich in seiner Ganzheit setzen, ist alles Eins, ist allein die thätige, die wahre Existenz.

    Wir sind jetzt angekommen auf dem Punkt, von welchem alle Entwicklung und somit unser eigentliches Geschäft erst beginnt.

    Dunkel ist aber selbst dieses noch, wie sich die contrahirende Kraft gleichsam zum Mittelpunkt der Existenz, zum Herrschenden und in so weit zum Existirenden machen könne, da doch ausdrücklich erklärt worden, daß sie sich zum Wesen oder eigentlich Seyenden nur als untergeordnetes, nicht seyendes verhalten könne.

    Zur Erklärung sey also dieses gesagt. Vorerst wurde die contrahirende Kraft keineswegs als das schlechthin Nichtseyende, sondern als ein auch in sich Seyendes erklärt. Sodann wird nicht der eigne Wille als solcher für das Existirende erklärt, sondern das Ganze, was daraus entsteht, daß er das Wesen von der einen Seite als das Seyende von der andern als das Seyn setzt. Ferner wurde der einschließende Wille nicht als das Existirende schlechthin, sondern nur als das erste Existirende erklärt. Ob er nun nicht auch als das Band von Subjekt und Objekt einst noch ein beziehungsweise nicht seyendes werde, wissen wir nicht. Daraus aber, daß das zuletzt allein Existirende und durch die Entwicklung sich Offenbarende die Liebe ist, folgt nicht, daß die ihr entgegengesetzte Urkraft nicht einst herrschend war und die Liebe ebenso verschlossen in sich enthielt, wie sie jetzt vielleicht der Liebe untergeordnet erscheint.

    Alle Entwickelung setzt Einwickelung zum voraus. Warum schreitet alles vom Kleinen ins Große fort, da es ja sonst wohl, wenn es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre, auch umgekehrt seyn könnte? In der Anziehung liegt der Anfang. Alles Seyn ist Contraction und die zusammenziehende Grundkraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft der Natur.

    Dunkelheit und Verschlossenheit ist der Charakter der Urzeit. Alles Leben wird zuerst und bildet sich in der Nacht; darum wurde diese von den Alten die fruchtbare Mutter der Dinge, ja nebst dem Chaos das älteste der Wesen genannt. Je höher wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto mehr finden wir unbewegliche Ruhe, Ungeschiedenheit und gleichgültiges Zusammenseyn derselben Kräfte, die sich erst leise, dann zu immer wilderem Kampf entzünden. So in den Gebirgen der Urwelt, die mit ewig stummer Gleichgültigkeit herabzusehen scheinen auf das bewegliche Leben zu ihren Füßen; so in den ältesten Bildungen auch des Menschengeistes. Derselbe Charakter von Verschlossenheit kommt uns in dem stummen Ernst des Aegyptiers, in den Riesendenkmälern Indiens, die für keine Zeit, sondern für die Ewigkeit gebaut scheinen, ja selbst noch in der stillen Größe, der erhabenen Ruhe der ältesten Werke hellenischer Kunst entgegen, die gleichsam unmittelbar vor der Entzündung des Streits entstanden noch die letzte Blüthe der Kraft jenes ruhigeren Weltalters scheinen.

    Sollte der Urzustand des Wesens, dessen Entwickelungen wir im vielgestaltigen Leben der Welt zu sehen glauben, nicht ein ähnlicher gewesen seyn, und sollten wir nicht ebendarum das Recht haben, an eine Vergangenheit in viel höherem als dem gewöhnlichen Sinne zu glauben? Alle Lehren der ältesten Zeit stimmen darinn überein, den dem jetzigen vorausgegangenen Zustand als den einer unendlichen Verschlossenheit, einer unerforschlichen Stille und Verborgenheit zu schildern. Alle Entwickelung setzt ein Daseyn schon zum voraus, aber ist nicht der Charakter des reinen für sich genommenen Seyns eben der eines stummen, in sich selbst verschlossenen und sich nicht kund gebenden Lebens?

    Sprechen wir hier gleich das Gesetz aus, das wir zwar sonst schon erkannt, das sich aber in der gegenwärtigen Darstellung durch eine Menge wiederkehrender Fälle bestätigen wird! Dieselben Kräfte, deren Zumalseyn und Zusammenwirken das innere Leben ausmacht, sind es auch, welche nach einander hervortretend als die Principien des äußerlich sich entwickelnden Lebens und seiner auf einanderfolgenden Perioden erscheinen. Dieselben Stufen, die sich in der Simultaneität als Potenzen des Seyns betrachten lassen, erscheinen in der Succession als die Perioden des Werdens und der Entwicklung. So pflegt man zu sagen, die erste Lebensepoche der Erde sey die magnetische gewesen, von welcher sie in die elektrische hinübergetreten, ohne zu läugnen, daß während jener Urperiode bereits alle Kräfte, die magnetische nicht ausgenommen, als besondere in der Erde gelegen haben, nur untergeordnet dieser einen. Gleichwie also hier einer stets im Ganzen begriffenen Kraft doch auch wieder eine gewisse Unabhängigkeit von demselben zugestanden wird, so daß sie begriffen von ihm es auch selbst wieder zu begreifen fähig ist: eben so muß es als erlaubt erscheinen, jenen aller Entwicklung vorausgehenden Urzustand als die Periode des göttlichen Lebens anzusehen, in welcher das Seyn oder die späterhin als untergeordnet sich zeigende, verneinende Urkraft als allgemeines, das Leben selbst bestimmendes Princip herrschend war.

    Hier stellt sich erst die rechte Hoheit des Gegensatzes dar und seine der Einheit gleiche Unbedingtheit. Die beyden Kräfte, wenn wir sie so nennen dürfen, die still ausfließende, sanft sich mittheilende der Liebe und die zusammenziehende, der Ausbreitung widerstrebende, sind die Kräfte Einer und der nämlichen Natur; in so fern sind sie der Einheit untergeordnet. Von der andern Seite erscheinen sie frey und unabhängig von der Einheit und ordnen sich diese selbst wieder unter. Nur kraft seines Willens ist der Ewige da, aber es hängt nicht von seiner Freyheit ab, sich eine andere Folge der Offenbarung zu erwählen, als diejenige, welche durch die Natur jener beyden Principien bestimmt ist. Dunkelheit geht vor ihm her und erst aus der Nacht seiner Natur kann die Klarheit seines Wesens hervorbrechen. Das Niedere ist in der Entwicklung nothwendig vor dem Höheren; die verneinende, einschließende Urkraft muß seyn, damit Etwas sey, das die Huld des göttlichen Wesens, die sich sonst nicht zu offenbaren vermöchte, trage und emporhalte. Also muß auch nothwendig der Zorn eher seyn, denn die Liebe, die Strenge eher, denn die Milde, die Stärke vor der Sanftmuth. Die Priorität steht im umgekehrten Verhältniß mit der Superiorität, Begriffe, welche zu verwechseln nur einer Parteiwuth möglich ist, wie die ist, die unsere Zeiten auszeichnet.

    Da wir hier des Begriffes der Einheit erwähnt haben, so wird es uns verstattet seyn, den verschiednen Sinn derselben, den sie nach den verschiednen Momenten der Betrachtung annimmt, genauer zu erklären.

    Denn gleich zu Anfang wurde die Lauterkeit als absolute Einheit von Subjekt und Objekt erklärt, da keine von beyden und doch beyde der Kraft nach sind. Das Letzte ist durch die bisherige Entwickelung deutlich geworden. Denn die Lauterkeit war schon ihrer Natur nach das Wesen oder das, was späterhin als das Seyende erschien; sie enthielt aber zugleich der Möglichkeit nach jenen andern Willen, der sich nur in ihr erzeugen kann und der die Kraft alles Seyns d.h. alles Objektiven ist.

    Eine andere Art der Einheit aber ist die, welche zugleich mit dem Gegensatz hervortritt, indem der zusammenziehende Wille sich zum Band von Subjekt und Objekt macht. Denn da er auf diese Art, als das erste Wirkende, die Mitte oder ein gemeinsames und zusammengewachsenes von beyden ist, so sind die beyden Entgegengesetzten beziehungsweise auf ihn die völlig gleichen Formen der Existenz und werden existentiell gleich, da sie wesentlich ungleich sind und sich wie Höheres und Niederes verhalten. Es ist diese existentielle Gleichheit, oder die Gleichheit beyder Principien in Bezug auf das Existirende, die wir durch die Gleich-Gültigkeit oder die Indifferenz beyder bezeichnet haben.

    Beurtheiler, die gewohnt sind, jeden Begriff oder Satz bloß äußerlich zu nehmen, indeß ihnen der innre Gang und Zusammenhang der Entwicklung verborgen bleibt, haben diese existentielle Gleichheit für eine Einerleyheit der Principien selber angesehen, eine Verwechslung, die selbst in dem nachläßigen Ausdruck, wornach gesagt wird, beyde seyen Eins, keine Entschuldigung findet. Denn um nicht zu erwähnen, daß dieser Ausdruck sehr oft durch den genaueren erklärt worden, in welchem jene Behauptung so lautet: dasselbe Existirende welches das eine ist, ist auch das, welches das andere ist: so scheinen die, welche auch den bequemen Ausdruck auf solche Art mißverstehen konnten, in der That unkundig der ersten Gesetze jedes Urtheils. Denn in keinerley Urtheil, selbst nicht in dem bloß wiederholenden Satz noch in der Erklärung wird eine Einerleyheit, sondern immer eine wirkliche Zweyheit verstanden, ohne welche die Einheit selbst keinen Sinn hätte. Wer etwa sagte: Gott und das All sey’n Eins, und dieß als Einerleyheit verstände, der hätte unversehens, da er zwey Begriffe zu haben meynte, nur Einen wirklich gehabt und also überall nicht geurtheilt. Eben so ist jene Einheit der beyden Principien nicht als Einerleyheit gemeynt; denn daß die Liebe je der Zorn, der Zorn die Liebe sey, ist ja allerdings unmöglich. Wohl möglich aber ist, daß Ein und dasselbe Existirende nach seiner einen Eigenschaft Zorn nach der andern Liebe sey.

    Gegen diese Einheit, welche eine Einerleyheit des Subjekts, nicht der Prädikate ist, findet keine dialektische Einwendung statt, man müßte denn behaupten wollen, eben dieses sey unmöglich und gegen den sogenannten Grundsatz des Widerspruchs. Allein wie falsch dieser verstanden worden, zeigt schon der gewöhnliche Ausdruck, daß dasselbe nicht zugleich seyn und nichtseyn könne, da aus dem oben Abgehandelten nothwendig folgt, daß ein jedes Seyende zugleich Seyendes und Nichtseyendes seyn müsse, indem das Seyn eben das Nichtseyende an ihm ist. Richtig verstanden sagt dieser Grundsatz nichts anderes, als daß entgegengesetzte Subjekte nicht als Subjekte Eins seyn können, was aber nicht verhindert, daß sie als Prädikate Eins seyen. Dann mögen die so Redenden auch zusehen, wie sie die Natur rechtfertigen wollen, die sich darinn zu gefallen scheint, gegen jenen sogenannten Grundsatz zu sündigen und sich auch dadurch nicht irre machen läßt in der existentiellen Gleichheit, die sie widerstreitenden Kräften zu ertheilen liebt, daß die eine der Natur nach schwächer ist als die andere; denn obwohl der Südpol des Magnets z.B. schwächer als der Nordpol, das weibliche Geschlecht schwächer als das männliche ist, wo weicht doch dem Seyn nach kein Princip dem andern; beyde behaupten vielmehr die entschiedendste Gleichheit.

    Schon die Scholastiker fanden bey Erklärung des Begriffs der Dreyeinigkeit in der göttlichen Natur für nöthig, den wahren Sinn des Bandes in jedem Urtheil schärfer, als es in der Logik unserer Zeiten geschieht, zu bestimmen. Noch Leibnitz, der ihnen hierinn folgte, bemerkt die Unwahrheit jener so oft wiederholten Regel: Disparate können weder von sich gegenseitig noch von einem Dritten ausgesagt werden. Es würde, meynt er, freylich schlecht gesagt seyn, Eisen sey Holz oder umgekehrt, und doch könne der Fall eintreten, wo mit Recht zu sagen sey: Etwas, das Eisen ist, (nämlich Einem Theil nach) dasselbe sey Holz, (einem andern Theil nach). Ebenso könne zwar nicht gut geradezu gesagt werden: die Seele sey Leib, der Leib Seele; wohl aber, dasselbe, was in dem einen Betracht Leib ist, sey in dem andern Seele. Wir würden allgemein sagen: das Band im Urtheil sey nie ein bloßer Theil von ihm, wenn auch, wie angenommen wird, der vorzüglichste, sondern sein ganzes Wesen, und das Urtheil sey eigentlich nur das entfaltete Band selber; der wahre Sinn eines jeden Urtheils, z.B. des einfachsten, A ist B, sey eigentlich der: das, was A ist, ist das, was auch B ist, wobey sich zeigt, wie das Band sowohl dem Subjekt als dem Prädikate zu Grunde liegt. Es ist hier keine einfache Einheit, sondern eine mit sich selbst verdoppelte oder eine Identität der Identität. In dem Satz, A ist B, ist enthalten, erstens der Satz A ist X, (jenes nicht immer genannte dasselbe, von dem Subjekt und Prädikat beyde Prädikate sind); zweytens der Satz, X ist B; und erst dadurch, daß diese beyden wieder verbunden werden, also durch Reduplikation des Bandes entsteht drittens der Satz, A ist B. Hieraus erhellt auch, wie im einfachen Begriff schon das Urtheil vorgebildet, im Urtheil der Schluß enthalten, der Begriff also nur das eingewickelte der Schluß nur das entfaltete Urtheil ist, Bemerkungen, die ich für eine künftige höchst wünschenswerthe Bearbeitung der edeln Vernunftkunst hier niederlegen will. Denn obgleich Dialektik für sich betrachtet keineswegs die höchste Wissenschaft ist: so muß diese doch ebenso von ihr wie die Rede vom Rhythmus begleitet seyn. Für Anfänger aber oder Unwissende in dieser Kunst wird nicht philosophirt, sondern diese sind in die Schulen zu verweisen, um die Regeln zu erlernen, wie es in anderen Künsten geschieht, da keiner leicht ein tonkünstlerisches Werk aufzustellen, oder zu beurtheilen wagen wird, der nicht die Regeln des Satzes erlernt hat.

    Einige aber haben geglaubt, jenem Begriff der Einheit den des Zusammenhangs entgegenstellen zu können, unstreitig in der Meynung, um die Differenz der Principien zu retten, müsse die Einheit aufgegeben werden. Von diesen ist nichts zu sagen, als daß sie bis zu dem Punkt der Betrachtung, auf welchem wir uns hier befinden, gar nicht gelangt sind. Denn wer möchte wohl in der urersten Lauterkeit des Wesens, da noch gar keine Zweyheit ist, einen Zusammenhang vermuthen, oder wer die Einheit des Existirenden in beyden Principien einen Zusammenhang nennen? Das letzte niemand, als wer etwa auch sagen wollte, in dem, der jetzt mild, jetzt zornig erscheint, hange der mild handelnde Mensch mit dem zornig handelnden zusammen, da beyde nur Ein und der nämliche Mensch sind.

    Auch wir werden vielleicht noch den Punkt angeben, wo die Einheit beyder Principien als Zusammenhang ausgesprochen werden kann. Aber dieser Zusammenhang setzt die weit höhere Einheit schon voraus.

    Nach diesen Erklärungen werden wir keinen Anstand nehmen, das erste Existirende als ein Doppelwesen auszusprechen, das gleichsam aus zwey Willen zusammengewachsen, nicht Liebe und nicht Zorn, sondern die wirkliche Indifferenz von beyden ist, so daß beyde gleicherweise zu seinem Daseyn gehören.

    Der erste wirkende Wille ist daher nicht die unthätige, sondern die thätige Mitte, das zusammenziehende Band von Subjekt und Objekt, die er wenn auch als opponirte doch als ungetrennte und in ihm ununterscheidbare setzt. Es entsteht daher die völligste Einheit, die zwar von jener lauteren des Wesens verschieden ist, inwiefern diese ohne alle Zweyheit war, aber ihr doch nichts in der Innigkeit nachgibt. Die zuvor fühllose Einheit ist zwar hier fühlend geworden, aber darum nichtsdestoweniger die wonnigste Einheit. Es ist dieser Moment des ersten Sich-Zusammennehmens, Sich-selbst-Fassens nur mit dem Moment des kräftigsten Bewußtseyns zu vergleichen, wo Subjekt und Objekt sich gegenseitig fühlend und gegenseitig in einander wirkend nur Ein untheilbares Wesen ausmachen; oder, weil diese Innigkeit des Bewußtseyns im gewöhnlichen Leben so selten ist, jenen außerordentlichen Zuständen, wo ein menschliches Wesen ganz in sich selber und in der höchsten innern Klarheit, von der Außenwelt aber völlig abgeschnitten ist. Denn obschon in diesem Moment das erst wirkungslose Wesen wirkend geworden, ist es doch nur in sich, nicht nach außen wirkend; dem Keime gleich, der ein noch unentfaltetes Leben in sich verbirgt.

    Hier ist noch weder an einen Streit zwischen Subjekt und Objekt, noch an eine Zwietracht der Kräfte im Seyn zu denken; vielmehr in holdem Wechselspiel erfreuen sie sich des gegenseitigen Findens und Gefundenseyns. Die Lauterkeit empfindet nicht ohne Wonne ihre erste und reinste Realität; die zusammenziehende Kraft aber freut sich der Milderung ihrer Strenge und Herbheit, des gestillten Hungers ihrer anziehenden Begierde. Und da es kein nothwendiges Band ist, was die beyden Kräfte im Seyn zusammenkettet, sondern nur die freye, jeden Augenblick sich wiederholende, mit sich selbst gleichsam spielende Thätigkeit des contrahirenden Princips: so ist auch die freye Bewegung der beyden Kräfte keineswegs aufgehoben, sondern in jedem Augenblick frey hervorstrebend und in jedem wieder sanft geeint erzeugen sie in dem Existirenden die reinste Wonne stiller Beschaulichkeit, worinn ihm die Wunder seines eignen Wesens offenbar werden.

    Diese spielende Lust im anfänglichen Leben Gottes scheinen die Alten wohl erkannt zu haben, welche sie ausdrucksvoll die Weisheit nennen, einen unbefleckten Spiegel der göttlichen Kraft und, (der leidenden Eigenschaften wegen, die das Wesen im Seyn angenommen), ein Bild seiner Gütigkeit. In einem mit Recht heilig geachteten Buch wird sie so redend eingeführt: Der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege; ehe er was machte, war ich da. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde: als die Berge noch nicht eingesenkt waren, noch die Bronnquellen Wasser quollen, da war ich der Werkmeister bey ihm und hatte meine Lust täglich und spielete vor ihm allezeit.

    Es ist eine Lehre, die so alt ist als die Wissenschaft selbst, daß die Wesenheiten der Dinge von einem ewigen Herkommen, und bevor sie äußerlich sichtbar geworden, in ewigen Ur-Bildern vorhanden gewesen seyn. Diese Lehre würde schon längst lebendiger aufgefaßt seyn, wenn man sich nicht begnügt hätte, sie auf allgemeine Gründe zu stützen. Die Erzeugung solcher Ur-Bilder ist ein nothwendiges Moment in der Lebensentwicklung des Urwesens. Sie gehört dem Zustand der ersten wirkenden Innigkeit an. Hier ging alles, was einst seyn sollte, an dem innern Blick des still anschauenden Wesens vorüber. In dem Spiel der Zweyheit, die doch immer wieder sich in Einheit auflöste, entstand je nach der verschiednen Stellung der Kräfte gegen einander ein Blick oder Gesicht des ihr angemeßnen Geschöpfs; ein Blick, weil es in dem zarten Mittel gleichsam nur aufblickte; ein Gesicht, weil es im Aufsteigen wieder verging, so daß nichts Bleibendes und Festes, sondern alles in unaufhörlicher Bildung war.

    Das schöne Wort Idea sagt seiner Urbedeutung nach dasselbe, was das deutsche Wort Gesicht. Wenn daher auch jene vorbildlichen Erscheinungen der Dinge nicht grade als physische Naturen im gewöhnlichen Sinn des Wortes anzusehen sind: so sind sie doch auch keine bloße Verstandeswesen, wie die Platonischen Urbilder verstanden worden und können nicht ohne alles Physische gedacht werden.

    Unläugbar ist, daß in den Zuständen innrer Begeisterung, welche allein sich mit dem gegenwärtigen Moment des Urwesens vergleichen lassen, immer auch das Physische in ein eignes Verhältniß zum Geistigen trete. Nun ist der gegenwärtige Lebensmoment schon mit der ersten, zartesten Leiblichkeit verbunden, mit der sich das Geistige unmittelbar gleichsam überzieht. Denn in dem Seyn, wo die zusammenziehende Urkraft die einschließende, die bejahende aber die eingeschloßne ist, nimmt das Wesen der Lauterkeit die ersten leidenden Eigenschaften an. Es entsteht ein schon gemildertes Lichtwesen, das von jenem ersten unerträglichen Glanz der Lauterkeit dadurch verschieden ist, daß er hier bereits durch das entgegengesetzte Princip gemäßigt ist. Es ist aber diese zarteste Leiblichkeit von dem Seyenden selber so wenig verschieden, als im Sich-zusammennehmen, das der Anfang zu aller inneren Produktion seyn muß, das Zusammennehmende von dem Zusammengenommnen verschieden ist. Also fallen Seyn und Seyendes, Leibliches und Geistiges hier ganz in Eins. Sie verhalten sich nicht wie zwey Wesenheiten, sondern nur wie die zwey verschiednen Ansichten Einer und derselben Wesenheit.

    So früh finden sich Geistiges und Leibliches als die zwey Seiten derselben Existenz ein, und wir können wohl sagen, daß der gegenwärtige Moment ihrer höchsten Innigkeit die gemeinschaftliche Geburtsstätte dessen ist, was sich späterhin als Materie und Geist entschieden entgegensteht.

    Denn es kann die im gegenwärtigen Augenblick sich erzeugende erste Materie noch keine dem Geist entgegengesetzte, sondern nur selbst eine geistige Materie seyn, die, wenn sie auch in Bezug auf das Seyende leidende Eigenschaften hat, doch in sich und in Bezug auf alles Untergeordnete eitel Kraft und Leben ist. Gäbe es nicht einen solchen Punkt wo Geistiges und Physisches ganz in einander sind, so würde die Materie nicht, wie es unläugbar der Fall ist, der Wiedererhöhung in dasselbe fähig seyn. In der Materie auch der rein körperlichen Dinge liegt ein innrer Verklärungspunkt, der bey der organischen Materie nur wirklich entfalteter und

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    gen. Wer sein Aug’ einigermaßen für die freye Betrachtung der Dinge geübt hat, weiß, daß sie nicht durch dasjenige allein schon vollendet erscheinen, was zu ihrem Daseyn schlechthin nothwendig gehört; es ist noch ein Anderes um sie oder in ihnen, das ihnen erst den vollen Glanz und Schein des Lebens ertheilt: ein Ueberflüssiges spielt gleichsam um sie und umströmt sie als ein zwar unfaßliches doch nicht unbemerkliches Wesen. Sollte dieses durchblickende, durchscheinende Wesen nicht eben jene innere geistige Materie seyn, die noch immer in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt und nur auf ihre Befreyung wartet? Unter den körperlichsten Dingen wurde es vorzugsweise in den Metallen gesucht, deren eigenthümlicher Glanz von jeher den Blick der Menschen bezauberte, aber wie durch einen allgemeinen Instinkt im Golde geahndet, das durch die Weichheit und Fleischähnliche Zartheit, die es mit der größten Gediegenheit verbindet, das dem geistig-leiblichen Wesen verwandteste schien, und das sogar durch eines jener scheinbar zufälligen Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben, von allen Völkern zur Bezeichnung des glücklichen Weltalters der Unschuld und ruhigen Eintracht aller Dinge gebracht wurde; gleich als wär’ es allein noch ein Zeichen aus jener seligen Urzeit.

    Doch am meisten scheint dieses Princip seiner Palingenesie in der organischen Natur sich zu nähern. Es ist das Oel, wovon das Grün der Pflanzen gesättiget wird, der Balsam des Lebens, wovon die Gesundheit ihren Ursprung hat; es ist erkennbar im Durchscheinenden des Fleisches und der Augen, in jenem unläugbaren physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig, befreyend auf uns wirkt; ja unstreitig selbst in dem geistigen Wesen, das in der höchsten Verklärung menschlicher Leiblichkeit als Anmuth überströmt. Denn da der Anmuth selbst die Rohheit nicht widersteht, oder sie, wenn nicht anerkennt, doch fühlt: so läßt sie sich schon darum kaum ohne die Gegenwart eines wirkenden physischen Wesens denken; oder besteht ihre wunderähnliche und selbst im Barbaren wenigstens Erstaunen erregende Wirkung allein darinn, daß sie uns die Materie in ihrem göttlichen und gleichsam ihrem Urzustand vor augen bringt?

    Es wird also wohl nicht mehr zu voreilig seyn, wenn wir den gegenwärtigen Moment als

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    klären, in welchem das Wesen sich bloß noch als daseyend empfindet. Es ist hier im genauesten Verstande nur Ein Wesen, das Existirende, zu dem das Seyende als Subjekt, das Seyn als Objekt gehört; und diese drey sind ineinander und schlechthin ununterscheidbar.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1813). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1813). Text

    Nun entstehet eben hier das große Räthsel aller Zeiten, wie doch etwas ausgehen könne, von dem, was weder nach außen wirkend, noch auch in sich selber etwas ist. Und dennoch ist das Leben nicht bey jener Unbeweglichkeit geblieben und die Zeit ist so gewiß, als die Ewigkeit, ja dem gewöhnlichen Blick ist diese sogar verdrungen vor jener; eine Welt voll Bewegung, voll Widerstreit und Anstrengung aller Kräfte scheint an die Stelle getreten, wo zuvor die höchste Gleichgültigkeit, die ewige Ruhe und Allgenügsamkeit wohnte.

    Von jeher gab es welche, die dieses Räthsel leicht aufzulösen meynten. Das Unbedingte, sagen sie, ist erst rein in sich, äußerungslos und verborgen: aber nun tritt es hervor, äußert sich und hebt seine ewige Gleichgültigkeit selber auf. Dieses nun sind Worte ohne Sinn. Es ist eine Grund- und Hauptregel der Wissenschaft (wenn auch wenige sie kennen): Was einmal gesetzt ist, das ist einmal für immer gesetzt und kann nicht wieder aufgehoben werden, indem es sonst lieber gleich gar nicht gesetzt worden wäre. Wer nicht bey dem, was er einmal gesetzt, fest beharrt, dem wird alles im Fortschreiten flüssig und alles vergeht wieder, so daß am Ende eigentlich nichts gesetzt worden. Wahres Fortschreiten, das mit Erhebung einerley ist, findet nur Statt, wo etwas fest und unveränderlich gesetzt worden, das zum Grund des Erhebens und Fortschreitens wird. Entweder also, es ist das Höchste nicht ein solcher ruhender Wille, als wir angenommen, oder es ist ein solcher. Ist es ein solcher, so muß es auch ewig von sich selbst ein solcher bleiben. Denn es ist gar nicht einzusehen, wie es von der Ruhe zur Bewegung übergehen solle. Also kann es weder heraustreten aus sich, noch etwas von sich absondern, ausstoßen oder außer sich hervorbringen.

    Leicht ist es nun auf keinen Fall, das Wahre recht und gehörig auszusprechen. Doch werden wir auch hier am besten thun, alles so menschlich und natürlich zu nehmen als möglich. Denn es kann der Hergang, den wir zu beschreiben unternehmen, doch kein anderer seyn, als durch welchen eine jede erst ruhende und ihr selbst unbewußte Natur an und zu sich selber kommt.

    Die Ewigkeit, worunter wir das Ganze verstehen, das ewige Seyende und das Seyn, wie das (obwohl noch verborgene) Aussprechende beyder – die Ewigkeit also ist sich ihrer nicht bewußt. Die Entgegengesetzten können nicht aus- und darum auch nicht an einander kommen. Das Seyende setzt sich dem Seyn nicht entgegen, und erkennt sich nicht in ihm. So ist auch das Seyn vollkommen gleichgültig gegen das Seyende. Aber je inniger und an sich wonnevoller diese Gelassenheit ist, desto eher muß sich in der Ewigkeit, ohne ihr Zuthun und ohne daß sie es weiß, ein stilles Sehnen erzeugen, an sich selbst zu kommen, sich selbst zu finden und zu genießen, ein Drang zum Bewußtwerden, dessen sie doch sich selbst nicht wieder bewußt wird. Wie wir uns vorstellen können, daß die getrennten Pole eines Magnetes in einer beständigen, unbewußten Sehnsucht sind, kraft der sie an einander zu kommen streben, und begierig das dargebotene Mittel ergreifen würden, sich gegenseitig zu erlangen; so mögen wir die ewigen Entgegengesetzten, obwohl sie sich nicht erkennen, doch in einem gegenseitigen unbewußten Sehnen und Verlangen nach einander uns vorstellen, das jedoch nicht zur Handlung, zur Bewegung wird. Ein vollkommenes Gleichniß würde nur die menschliche Natur in ihrem ersten Werden und Fortgang zum wirkenden Daseyn abgeben. Doch wer vermag die ersten Regungen einer bewußtlosen, sich selbst nicht kennenden Natur zu beschreiben, wer diese geheime Geburtsstätte des Daseyns zu enthüllen? Denke dir also, wenn du je solcher genossen, jene seltnen Augenblicke einer seligen und vollkommenen Genüge, da das Herz nichts verlangt, da du wünschen könntest, daß sie ewig blieben wie sie sind, und die dir wirklich als Ewigkeit sind; denke dir solche Augenblicke und suche dich zu erinnern wie in eben diesen, dir unbewußt, ohne daß du etwas dazu thun oder dich dessen erwehren kannst, schon wieder ein Wille sich erzeugt, der in kurzem dich wieder an sich zieht und in’s wirkende Leben fortreißt; erinnere dich dessen, und du wirst darinn ein ohngefähres Bild dessen haben, was wir hier zu beschreiben unternehmen.

    Alles, das Etwas ist, ohne es doch noch wirklich zu seyn, muß, seiner Natur nach, sich selber suchen, womit jedoch noch nicht gesagt ist, daß es sich selber finde, noch vielweniger aber, daß eine Bewegung oder ein aus-sich-Herausgehen stattfinde. Es ist ein stillschweigendes und völlig bewußtloses Suchen, wobey das Wesen in sich selber bleibt, und das um so inniger, tiefer und unbewußter, ist, je größer die Fülle, die es in sich enthält. Konnten wir also sagen, der ruhende Wille sey das Erste, so können wir sagen, ein unbewußtes stilles Sich-selber-suchen sey das Zweyte.

    Indem nun die Ewigkeit sich selbst bewußtlos zu suchen gedrungen ist, erzeugt sich in ihr, unabhängig von ihr, und ohne daß sie auch dessen sich bewußt ist, auf eine für sie unbegreifliche Weise, ein selbständiger Wille, ein Wille, der sie noch nicht kennt, der die Ewigkeit nur ahndet und blindlings ohne ihr Zuthun das Wesen sucht, nicht als ein bewußter, sondern als ein in seinem Anfang unbewußter Wille.

    Dieser Wille erzeugt sich selbst und ist daher ein unbedingter, in sich allmächtiger Wille. Er erzeugt sich schlechthin d.i. aus sich selbst und von sich selbst. Die unbewußte Sehnsucht ist seine Mutter, aber sie hat ihn nur empfangen und er selbst hat sich erzeugt. Er erzeugt sich nicht aus der Ewigkeit, sondern in der Ewigkeit (nicht anders, als wie sich ein Wille im Gemüth des Menschen, bewußtlos, ohne sein Zuthun erzeugt, den er nur findet, nicht macht, und der ihm, gefunden, erst zum Mittel der Aeußerung seines Innersten wird). Also weil er sich nicht aus der Ewigkeit erzeugt, obwohl in ihr, ist er selbst ein ewiger Wille, ja der ewige Wille schlechthin zu nennen, da der Wille der nichts will nur das reine Wollen der Ewigkeit selber war. (Denn dem was nicht thätig existirt, können nach einer alten Regel keine Prädicate beygelegt werden.) An ein Werden oder Anfangen aus dem Vorhergehenden ist hier schlechterdings nicht zu denken: denn vor dem sich erzeugenden Willen war die Ewigkeit als ein Nichts und konnte daher auch nichts anderem thätig vorausgehen, noch der Anfang zu etwas seyn. Sie war, aber was dein Ich war, eh’ es sich selbst gefunden und empfunden; sie war, aber als wäre sie nicht. Aller Anfang, der selber anfängt, ist nur von dem wirkenden Willen, welcher auf die Art, wie wir es zeigen werden, sich selber Anfang ist.

    Er erzeugt sich in der Ewigkeit ohne ihr Wissen, und bleibt ihr selbst, seinem Grunde nach verborgen. So ist sie aber auch ihm verborgen und wie er in der Bewußtlosigkeit des Sehnens sich erzeugt, so weiß er eigentlich nicht was er thut, ob er schon auch nicht schlechthin blind ist, denn er sucht die Ewigkeit, nicht von Erkenntniß, wohl aber von Ahndung und unaussprechlicher Sehnsucht getrieben.

    Ebendarum, obwohl ein von der Ewigkeit unabhängiger, ja ihr gewissermaßen entgegengesetzter Wille, hebt er die Ewigkeit nicht auf; wie manche sich dieß vorstellen möchten: denn er ist eben der Wille der die Ewigkeit will; der will, daß der Wille der nichts will als solcher wirkend und sich selber fühlbar werde. So muß also die Ewigkeit bleiben, weil er sie sucht, und weil er sie sonst nicht finden könnte. Auch kann ebendarum, weil er sie sucht, dieser Wille niemals sie selbst werden, sondern er ist ewig nur ein sie wollender, ihrer begehrender Wille.

    Aber er ist doch nur der Wille dazu, noch nicht daß er sie wirklich gefunden hätte: Also ist etwas Verneintes in ihm; aber auch nur in der Verneinung liegt der Anfang. In dem, was alles ist, ist kein Anfang, darum konnte in der Ewigkeit kein Anfang seyn.

    Der ewige Wille allein gibt den ersten Punct her, an dem sich der große Proceß des Ganzen anknüpft. Er setzt sich selbst als bloßen Willen der Ewigkeit und insofern als verneint. Aber sich selber setzend als verneint, ist er zugleich der sich selbst verneinende Wille. Er kann sich aber nicht so verneinen, daß er sich setzte als überall nicht seyend, sondern nur als nicht das Wesen seyend, das Bejahende, das eigentlich und der Natur nach Seyende. Er kann sich ferner nicht verneinen als das Wesen seyend, ohne sich als Mangel und, inwiefern er doch zugleich wirkend ist, als Hunger, als Sucht, als Begierde nach Wesen zu setzen. Also findet er nothwendig, auf sich selbst zurückgehend, sich leer und bedürftig, ist aber darum nur um so begieriger sich zu erfüllen, sich zu sättigen mit Wesen. Aber er findet das Wesen weder in sich noch außer sich; denn er erkennt die Ewigkeit nicht, und ist dadurch, daß er in sich geht, ihr vielmehr ab- als zugewandt. Also bleibt nichts, als daß er das Wesen oder Bejahende schlechthin außer sich setze durch eine unbedingte und vollkommen zeugende Kraft.

    Er zeugt das Wesen im eigentlichen Verstande, weil es als solches vor ihm nicht war und weil er es nicht in sich sondern außer sich setzt, als ein von ihm verschiedenes, von ihm freyes, ja seiner Natur fremdes und entgegengesetztes Wesen. Da er nämlich sich selber erkennt, als nicht das Seyende seyend und insofern als das Nichtseyende, so erkennt er im Gegentheil das Wesen, das Bejahende als das eigentlich und in sich selbst Seyende.

    Als ein solcher seiner Natur nach verneinter und sich selbst verneinender Wille, der aber in dieser Verneinung ein ewig Begehren und Setzendes von Wesen und wahrhaft Seyendem wird, stellt sich nun bloß die Natur dar, und schon als zeugende Kraft können wir den ersten verneinenden Willen nicht wohl anders aussprechen. Ein jeder erinnert sich jener den Alten gewöhnlichen Ausdrücke, nach welchen die Natur (oder, wie sie auch sagen, die Materie) ihrem Grund nach Armuth, Mangel an Wesen und die höchste Bedürftigkeit ist, aber auch immerfort begierig nach Form, nach Geist, nach Wesen, nach eigentlich Seyendem; wogegen das eigentliche Wesen, mit dem die Armuth sich zu vermählen trachtet, als der Reichthum, der Ueberfluß selbst, als das überschwenglich und unerschöpflich Mittheilsame dargestellt wird.

    Betrachten wir die Natur in ihren ersten Anfängen, so findet sich in allem Körperlichen eine anziehende nach innen zurückgehende Kraft, die sich aber nie für sich allein zeigt, sondern immer nur als Träger und gleichsam als das festmachende, an sich haltende eines andern, seiner Natur nach ausbreitenden und darum auch verflüchtigenden, vergeistigenden Wesens. Wäre nicht die verneinende Kraft, so hätte dieses Wesen nichts, wogegen es sich äußern und wodurch es in Wirkung gesetzt werden könnte. Wäre aber auch nicht dieses überfließende und sich mittheilende Wesen, so wäre die anziehende Kraft leer und eigentlich wirkungslos, unerfüllt und sich selbst unleidlich. Da wo die Natur sich gegen unsere Empfindungswerkzeuge aufschließt, fühlen wir eben diese verneinende, zusammenziehende Kraft als Kälte, die aber scharfe oder wirkliche und empfindliche Kälte ist nur inwiefern sie ein in sich ziehender Hunger ist nach jenem frey ausfließenden, wohlthätig sich mittheilenden, alles befreyenden Wesen der Wärme. Wäre die Kälte nicht, so würde die Wärme nicht empfindlich, die ohne eine zusammenhaltende und einengende Kraft sich selbst verlöre in ihrer unendlichen Ausbreitung. Wäre aber auch die Wärme nicht, so wäre die Kälte gleichsam umsonst, indem sie nur ist, damit die Wärme gezeugt und fühlbar werden könne. Und so sehen wir die Natur, von der tiefsten Stufe an, ihrem Allerinnersten und Verborgensten nach begehrend und immer aufsteigend und weiter schreitend in ihrer Sucht, bis sie endlich das höchste Wesentliche, das rein Geistige selbst an sich gezogen, sich zu eigen gemacht hat.

    Hieraus erkennen wir, daß jener in der stillen Ewigkeit aus sich selbst erzeugte Wille der ewige Wille zur Natur war, wenn wie unter dieser nicht das bloß verneinte und sich selbst verneinende Princip, sondern das geoffenbarte und durch dasselbe äußerlich gewordene Wesen verstehen. Denn mit der Natur erst fängt Gegensatz, fängt Unterscheidung und gegenseitige Aeußerlichkeit und Empfindlichkeit der Kräfte an.

    Aber dieß alles, die ganze Fülle und künftige Herrlichkeit der Natur baut sich nur auf über dem Grund eines ewigen, sich selbst verneinenden und auf sich selbst zurückgehenden Willens, ohne welchen überall nichts offenbar werden könnte.

    Die Menschen sind im Allgemeinen gegen das Verneinende, und zeigen eine natürliche Vorliebe für das Bejahende. Das Seyende, das sich mittheilt und frey ausquillt, leuchtet ihnen ein; aber was sich versagt, sich verneint, ob es gleich ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet, können sie nicht so geradezu begreifen. Den Meisten, wie sie sind, würde nichts einfacher vorkommen, als wenn alles aus lauter Liebe und Güte bestünde; wovon sie doch bald das Gegentheil gewahr werden müssen. Ein Widerstrebendes dringt sich überall auf; jedermann fühlt dieses Andere, das so zu sagen nicht seyn sollte und doch ist, ja seyn muß; dieses Nein, das sich dem Ja, dieß Verfinsternde, das sich dem Licht, dieß Krumme, das sich dem Geraden, dieß Linke, das sich dem Rechten entgegenstellt, und wie man sonst diesen ewigen Gegensatz in Bildern auszudrücken gesucht hat; aber nicht leicht ist einer im Stande, es auszusprechen oder gar es wissenschaftlich zu begreifen.

    Insbesondere aber ist es der Begriff des Nichtseyenden, der von jeher als ein wahrer Proteus die Betrachter verwirrt und vielfältig irre geführt hat.

    Daß dieser Begriff, wie er hier aufgefunden worden, nicht verwechselt werden dürfe, mit dem früheren, welchem zufolge behauptet wurde: das Höchste lasse sich nicht als ein Seyendes aussprechen, bedarf wohl kaum der Erinnerung. Denn das Höchste war nicht seyend, weil es über dem Seyenden ist, wie es auch von Aelteren schon als ein solches (als ein ὑπερόν) ausgesprochen worden. Das Nichtseyende dagegen, von welchem hier die Rede ist, ist unter dem Seyenden.

    Wie es aber den Wenigsten einleuchtet, daß die wahre Kraft in der Beschränkung und nicht in der Ausbreitung liegt, und daß mehr Stärke gehört zum sich-Versagen als zum sich-Geben: so ist es auch natürlich, daß sie jenes durch sich selbst Nichtseyende, wenn es ihnen in irgend einer Gestalt vorkommt, als Beraubung alles Wesens, als ein völliges Nichts ansehen, und demgemäß behaupten, daß es überall und auf keine Weise sey, und es als den größten Widerspruch ausschreyen, wenn jemand lehrt, daß es eben als das Nichtseyende sey.

    Mit diesen nun wollen wir uns nicht aufhalten; denn ihre Meynung ist schon durch unsre Herleitung des Nichtseyenden zerstreut. Wir haben gezeigt, daß es sich selbst als Nichtseyendes setzt. Nothwendig aber zeigt es in eben dem, daß es sich versagt, Seyendes zu seyn, seine höchste Kraft, ja wir würden richtiger sagen, ebendarin bewähre es sich als die Kraft, als die Stärke selber. Bekanntlich hat jedoch schon der göttliche Platon in der höchsten Allgemeinheit gelehrt, wie nothwendig auch das Nichtseyende sey, und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum nicht unterscheidbar seyn würde. Wir nun könnten uns nach unserer Weise so darüber ausdrücken. Die verneinende Kraft ist dem wahren Wesen oder Seyenden das Seyn; das Seyn kann aber schon dem Begriff nach nicht einerley mit dem Seyenden seyn, und ist (weil dessen Gegensatz) seiner Natur nach das Nichtseyende, darum aber keineswegs das Nichts (wie nach der falschen Uebersetzung des griechischen οὐκ ὄν, aus welcher auch der Begriff der Schöpfung aus Nichts entstanden scheint): denn wie sollte das das Nichts seyn, was doch das Seyn und die Kraft des Seyn’s selber ist? Das Seyn muß selber auch wieder seyn. Es gibt eben kein bloßes Seyn, kein reines leeres Objectives, in dem nichts Subjectives wäre. Das Nichtseyende ist nur nicht ein subjectiv Seyendes, wohl aber ist es ein nichtsubjectiv Seyendes. Es ist nur gegen jenes als das vorzugsweise Seyende ein Nichtseyendes, auf sich selbst bezogen aber ebenfalls ein Seyendes. Das Nichtseyende ist an ihm nur das Aeußere, gegen Andres Offenbare; das Seyende nur das Innerliche, Verborgene. Umgekehrt und einstweilen aus dem Gegensatz zu schließen, wird in dem Seyenden das Seyn oder Negative nur latent, das Seyende oder positive Princip offenbar und wirkend seyn. Es würde sich hierinn zugleich eine innre, qualitative Einheit beyder hervorthun, auf die wir hier nur hindeuten, weil sie für die Folge wichtig werden kann.

    Einen andern Mißbrauch dieses Begriffs macht aber auch eine andre Art von Sophistik. Dieser soll er zum Erweis dienen, daß das Seyn nicht erkennbar sey, woraus sie weiter schließt, daß überhaupt nichts erkennbar sey. Denn das blinde Gefühl, über das sie sich nicht zu erheben weiß, hat wirklich nur ein unmittelbares Verhältniß zu dem Seyn. Weil also dieses seiner Kraft nach auf der Dunkelheit beruht, oder auf dem thätigen Gegensatz gegen das Wesen und alles ihm Verwandte, so scheint es unaussprechlich und unerkenntlich, oder, wie sich ein Alter, wiewohl in anderer Beziehung, ausdrückt, nur dem Nichterkennenden erkennbar. Woraus dann jene die Meynung gezogen, alles wirklich wissende Wissen löse das Seyn auf, und vernichte es; das wahre Wissen könne nur im Nichtwissen bestehen. Ein unvergleichliches Auskunftsmittel der Bequemlichkeit; denn eben das Reale ist jener Verwandtschaft wegen weniger leicht zu erkennen und schwerer durchdringlich, und erfordert Fleiß und geistige Anstrengung um erkannt zu werden; das Ideale dagegen ist seiner dem Erkennenden verwandten Natur wegen viel leichter und unmittelbarer zu erkennen. Was nun aber jenen Schluß betrifft, den sie aus dem Begriff gegen die Möglichkeit der Erkenntniß ziehen, so verhält es sich damit so.

    An sich ist allerdings nur das Seyende auch das Erkennbare, und das Nichtseyende ist auch das Nichterkennbare. Aber es ist doch nur unfaßlich so weit und in dem, inwieweit und worinn es Nichtseyendes ist; so weit es aber als Nichtseyendes dennoch ein Seyendes ist, so weit ist es ja wohl faßlich und erkennbar. Das Seyende und das Nichtseyende in ihm sind nicht zweyerley sondern einerley Wesen, nur von verschiedenen Seiten betrachtet; das, wodurch es Nichtseyendes ist, ist eben das, wodurch es Seyendes ist; denn Nichtseyendes ist es nicht wegen Mangel an Licht und Wesen, sondern als aktive Verschlossenheit, thätiges Zurückstreben in die Tiefe und Verborgenheit, also als wirkende Kraft, die in ihrer Art ebenfalls ein seyendes – also erkennbares seyn muß.

    Soviel nun zur dialektischen Verständigung über diese für die ganze Folge der Wissenschaft höchst wichtigen Begriffe des Seyenden und des Nichtseyenden.

    Ohne Wissen der Ewigkeit also erzeugt sich, durch sich selbst, der Wille, der der erste ferne Anfang zur Offenbarung ist, und ohne Ueberlegung, durch dunkle Ahndung und Sehnsucht getrieben, setzt er sich selbst als verneint, als nichtseyend das Seyende. Aber er verneint sich doch nur, um an das Wesen zu kommen, und ist also unmittelbar durch jenes Verneinen ein ewiges Suchen und Begehren des Wesens, und setzt durch eben dieses Begehren das Wesen als ein von ihm unabhängig in sich seyendes, als das ewige Gute selbst, dem es allein gebührt, das Seyn in sich selbst zu haben.

    Aber er selbst der verneinende Wille findet sich durch dieses Verneinen im Gegensatz mit dem frey ausquellenden Wesen; er findet sich als Strenge im Gegensatz mit der Milde, als Finsterniß im Gegensatz mit dem Licht, als ein ewig Nein, das dem Ja widerstreitet.

    Er sucht aber, oder sehnt sich ahndungsvoll und ohne es zu wissen nach der Indifferenz der Ewigkeit; also setzt er durch eine fortschreitende Wirkung seiner begehrenden Kraft auch für sich die Indifferenz, oder die ihn vom Widerstreit erlösende Einheit, in der er selbst mit seinem Gegentheil als Eins sich erkennen kann. Diese Einheit aber ist Geist, wenn auch weil von unten aufsteigender Geist einer tieferen Stufe; denn das, worinn Seyn und Seyendes – (so verhalten sich, wie gezeigt, der verneinende Wille, und das bejahende Wesen, das auch ein Wille ist) – das also, worinn Seyn und Seyendes, zwey entgegengesetzte Willen, Ja und Nein sich gegenseitig unterscheiden und erkennen als zu einem Wesen gehörig, ist Geist.

    Mit der Zeugung des Geistes ist aber nothwendig das Ziel erreicht; denn nichts Höheres ist zu erzeugen. So also durch eine fortschreitende Zeugung des ersten begehrenden Willens wirkt sich die Totalität der Principien aus; denn in der verneinenden, nach innen zurückgehenden Kraft, dem bejahenden sich ausbreitenden Wesen und der thätigen, freyen, lebendigen Einheit beyder, die Geist ist, sind alle Principien beschlossen. Ueber den Geist hinaus geht keine Zeugung; er ist das, worinn sie ruht, worinn sie sich selbst faßt und zur Ewigkeit gelangt, und ebendarum stillsteht.

    Diese fortschreitende Zeugung läßt sich auch als eine Steigerung vorstellen. Setzt man das bejahende Princip als solches =A, das verneinende als solches =B, so ist der erste wirkende Wille zwar in sich ein Seyendes, aber ein Seyendes, das sich als solches verneint, also ein A, das sich als solches =B verhält =(A=B). Dieses ist der Anfang, also die erste Potenz. Dieses A aber setzt sich selber als verneintes, nur um das wahre Wesen als ein von ihm unabhängiges, freyes, wirkliches zu setzen; inwiefern nun dieses sich als das Seyende eines Seyenden (A=B) verhält, kann es als ein Seyendes der zweyten Potenz =A2 betrachtet werden. Endlich läßt sich die Einheit, der Geist, als das gemeinschaftlich bejahende beyder, nur als Bejahendes der dritten Potenz =A3 ansehen. In drey Potenzen also ist alle Zeugung geendet, und durch drey Stufen gelangt die erzeugende Kraft bis zu dem Geiste.

    Betrachten wir die sämtlichen Principien in ihrem Verhältniß: so ist klar, daß der Grund ihrer Verwirklichung, ihrer Unterscheidbarkeit und gegenseitigen Aeußerlichkeit allein in dem Willen des Anfangs liegt. Könnte der ewige Wille, jene ursprüngliche Kraft der Verneinung je aufhören zu wirken, so giengen alle zurück in das Nichts, und es wäre wieder Nichts die wirkungslose Ewigkeit wie zuvor. Aber nachdem sie zur Totalität gelangt, und in der Einheit des Geistes sich erkannt, hebt sich dieß einseitige Verhältniß wieder auf. Denn so fordert zwar das bejahende Wesen ewig den verneinenden Willen, um ewig von ihm gezeugt zu werden und über ihm aufzugehen als das Wesen. Dagegen auch die anziehende Kraft fordert ewig den frey ausquellenden, bejahenden Willen, um durch denselben ihre Begierde nach Wesen zu erfüllen. So fordert zwar die Einheit oder der Geist ewig die Entgegengesetzten, weil er nur durch fortschreitende Steigerung mittelst des Gegensatzes gezeugt werden kann. Aber so fordert auch hinwiederum der Gegensatz ewig die Einheit oder den Geist, weil er nur in ihm seiner selbst bewußt werden, sich selber fassen, sich als Ewigkeit ergreifen kann. Also ist hier der höchste innere Einklang, die freywilligste Einstimmigkeit der Principien. Sie sind sich alle gegenseitig äußerlich und frey von einander, ein jedes ein eignes Princip, das seine eigne Wurzel in sich hat; und doch hangen sie zusammen, nicht durch ein äußeres Band, sondern durch eine innere Nothwendigkeit an einander geknüpft. Es ist eben eine solche freye Zusammengehörigkeit und bloß innre, nicht äußere Untrennlichkeit, die im genauen wissenschaftlichen Ausdruck als Totalität bezeichnet wird.

    Hier ist also nicht die stille, sich unfühlbare Einheit, die in der Ewigkeit; hier ist wirklicher Gegensatz, aber obwohl kein zum Streit entzündeter; die Kräfte sind in Wirkung gegeneinander, aber sie wirken nur inwiefern sie Kräfte, d.h. ihrer Natur nach wirkend sind,jedes in s. (fr.?) Potenz nicht aber durch eine äußere Ursache in Spannung gesetzt; sie werden sich gegenseitig fühlbar, aber ohne sich gegenseitig zu bekämpfen. Es ist die erste reine Freude des gegenseitigen Findens und Gefundenseyns. Das Wesen, dem es nur zukommt seyend in sich zu seyn, empfindet nicht ohne Wonne seine erste und reinste Realität; die verneinende Kraft aber freut sich der Milderung ihrer Strenge und Herbheit, des gestillten Hungers ihrer anziehenden Begierde. Der Einheit aber, dem Geist, da er nur in den Entgegengesetzten sich selbst empfindbar wird, dient der Gegensatz zur ewigen Lust und, weit entfernt ihn aufzuheben, sucht er ihn vielmehr beständig zu setzen und zu bestätigen. Jene aber freuen sich eben so sehr der gefundenen Einheit, in der auch sie sich bewußt und vom blinden Wesen erlöst worden, und halten sie mit allen Kräften fest. Weil es nun kein nothwendiges Band ist, das die Entgegengesetzten unter sich und an die Einheit bindet, sondern nur die unermüdliche Lust, sich gegenseitig zu haben und einander zu fühlen, so ist hier das freyeste, mit sich gleichsam spielende Leben, das unaufhörlich sich selbst erregt und immer neu aus sich hervorquillt.

    Wollen wir diese Einheit, zu welcher die Principien gelangt sind, auch dialektisch betrachten, so ist in ihr ein Fall, da Entgegengesetzte gleichwirkend und doch als Eins gesetzt sind ohne Widerspruch. Der Widerspruch löst sich nämlich hier so auf: die Entgegengesetzten sind eins, d.h. es ist eine Einheit beyder gesetzt; hier =A3. Aber sie sollen dessen ohngeachtet thätig entgegengesetzt, oder als entgegengesetzte gleichwirkend seyn. Da sie nun dieses nicht seyn könnten, sofern sie in der Einheit wären, so müssen sie zugleich außer der Einheit, d.h. geschieden und jedes für sich seyn. Mit andern Worten, sowohl der Gegensatz soll seyn, als die Einheit; der Gegensatz soll frey seyn gegen die Einheit, und diese gegen ihn; oder Einheit und Gegensatz sollen selbst im Gegensatz seyn. Hierinn nun liegt nichts Widersprechendes, denn der Gegensatz an und für sich ist kein Widerspruch. Wäre aber die Einheit der Einheit und des Gegensatzes gesetzt; dann unstreitig fände sich Widerspruch.

    Dieses nun wäre wohl die schönste und vollkommenste Einheit, da die Widerstreitenden frey und doch zugleich Eins sind, wo die freye Bewegung nicht die Einheit, noch die Einheit die freye Bewegung aufhebt. Wenn also auch diese Art der Einheit hier vielleicht auf einer tieferen Stufe sich darstellt, so verdient sie doch in’s Auge gefaßt und wohl begriffen zu werden. Wollten wir uns für sie nach einem Gleichniß umsehen, so wäre sie wohl am schicklichsten jener Einheit der Kräfte zu vergleichen, welche man in schuldloser Kindheit gewahr wird, da zwar alle Kräfte vorhanden und in naturgemäßer Wirkung in holdem Wechsel-Spiel sich untereinander erregen, aber noch kein Charakter, keine Ichheit, kein sie beherrschendes Eins hervortritt. Wie man aber zu sagen pflegt, daß jener Zustand der Unschuld ein Vorbild desjenigen sey, zu dem wir durch den höchsten Streit aller Kräfte, nach endlicher Versöhnung, wieder gelangen sollen, so wäre es nicht unmöglich, daß diese Art der Einheit, wie sie uns hier noch auf einer tieferen Stufe erscheint, das Vorbild wäre einer zukünftigen, welche das Leben nach bestandenem Kampf und in der höchsten Verklärung wieder gewinnen soll.

    Doch jetzt ist es Zeit zu fragen, in welchem Verhältniß dieß ganze von unten aufgekommene Leben zu der Ewigkeit oder zu jener unbeweglichen Gleichgültigkeit stehe. Erst der Bezug zu dieser kann jenem seine vollkommene Bestimmung geben.

    Denn dieses ganze Leben entstand zuerst aus der Sehnsucht der Ewigkeit nach sich selber, in welchem sich-Suchen und doch sich nicht finden-Können auf eine drangvolle Art sich der Wille erzeugte, der der Ewigkeit begehrt und an sie zu kommen sucht. Jetzt hat dieser Wille durch fortschreitende Steigerung sich die Staffel erbaut, durch welche er bis in die Ewigkeit kommen kann. Denn der Geist oder die höchste durch seine Begierde erzeugte Einheit ist ihrer Natur nach eins mit der Indifferenz oder Ewigkeit und darum nicht nur, wie bisher angenommen worden, die Einheit der beyden Entgegengesetzten, sondern zugleich das Band zwischen der Ewigkeit und dem von unten aufgebauten Leben, das sich schon immer deutlicher als Werkzeug von ihr darstellt.

    Denn wenn die erzeugende Kraft nichts anderes als die Kraft, der erste Wille zur Natur ist, so ist die von ihm gezeugte Totalität schon jetzt das Aeußere, Sichtbare (wenn auch noch nicht Gesehene) des noch in der Ewigkeit verborgenen und (der Offenbarung nach) zukünftigen Gottes. Aber durch fortschreitende Steigerung bis zu jener freyen Einheit gekommen, die wir schon als Bewußtseyn und Geist aussprechen dürfen, ist das Wesen des erst blinden Willens nicht mehr bloße Ahndung, sondern nun fühlt und weiß er die gegenwärtige Gottheit. An’s Ziel seines Sehnens gelangt, zieht er die Ewigkeit an sich, und ruft sie an, daß sie dieses äußere (noch, wie gezeigt, selbstlose) Seyn erkenne und setze als ihr eignes Seyn.

    Aber der von unten aufsteigende Geist hat, weil aus dem beziehungsweise Objectiven kommend, selbst nur einen unmittelbaren Bezug zu dem Objectiven dem Seyn der Ewigkeit, nicht aber zu jenem Seyenden, das in der Ewigkeit ruht. Allein das, was in der Ewigkeit das Object ist, ist dem Wesen nach dem Subject gleich, und verhält sich zu dem Aeußeren oder Sichtbaren selber wieder als der lauterste Geist und demnach als Subject.

    Dadurch also, daß die Natur dieses ewigen Geistes begehrt und das Objective der Ewigkeit an sich zieht als ihr unmittelbares Subject, dadurch macht sie zuerst in der Ewigkeit eine Scheidung, daß das ewige Seyn dem ewigen Seyenden wirklich zum Object wird; aber nicht daß sie die Indifferenz aufhöbe: denn in sich oder abgesehen von der anziehenden Natur ist die Ewigkeit noch immer dieselbe Gleichgültigkeit gegen Subject und Object und muß sie auch immer bleiben, weil sonst die Natur selbst zurückgienge.

    Indem also die Natur jenen lautersten Geist, das Objective der Ewigkeit an sich zieht, nehmen alle Kräfte in Bezug auf diesen als ihr höheres, ihr eigentliches Subject leidende Eigenschaften an und ersinken und werden zu Materie für ihn. Es entsteht die erste zarteste Leiblichkeit; das bejahende, frey ausfließende Princip, durch das entgegengesetzte gebunden, wird zu einem gemilderten Lichtwesen, dieses aber, die strenge oder verneinende Kraft, wird durch das Licht und die Milde des andern gesänftigt und verklärt. Aber auch nur gegen das Obere nehmen die wirkenden und bis jetzt geistigen Kräfte leibliche Eigenschaften an; in sich betrachtet oder nach unten und im Vergleich mit der jetzigen körperlichen Materie sind sie lauter Geist und Leben.

    Dieses erste Leibliche hat aber in sich selbst wieder eine leibliche und eine geistige Seite; denn der eigentliche Leib ist der Gegensatz, mit dem sich der Geist unmittelbar als mit einer durchsichtigen Hülle überkleidet; die Einheit aber ist der Geist, der gegen oben leidend ist, um das Obere an sich zu ziehen, gegen unten aber und mit der von oben genommenen Kraft thätig und wirkend. Also ist das Ganze ein geistleibliches Wesen, und so früh finden sich Geistiges und Leibliches als die zwey Seiten einer und derselben Existenz.

    Es hat von jeher viele gelüstet, in dieß stille Reich der Vergangenheit einzudringen, und so im eigentlichen Verstand hinter den großen Proceß zu kommen, von dem sie theils Zuschauer, theils mithandelnde und mitleidende Theile sind. Aber den Meisten fehlte es an der gehörigen Demuth, indem sie alles gleich mit den höchsten Begriffen anfangen anfassen und die stummen Anfänge alles Lebens überspringen wollten. Und wenn auch jetzt dem Leser irgend etwas den Eingang in dieses Reich der vorweltlichen Zeit wehrt, so ist es eben dieses voreilige Wesen, das lieber gleich anfangs mit geistigen Begriffen und Redensarten blenden, als zu den natürlichen Anfängen jedes Lebens herabsteigen will.

    Wir haben es keinen Hehl, daß wir, obwohl die unanfängliche ewige Gottheit über alles Seyn setzend, doch eben so bestimmt die Priorität der Natur in Bezug auf die offenbare wirkende Existenz behaupten. So hoch wir in jedem andern Betracht die Actuosität stellen, müssen wir doch läugnen, daß sie das Erste der Offenb. nach sey. Denn selbst jenes Wesen, in dem sich zuerst der wirkende Wille erzeugte, hat – (wenn diese Begriffe hier überhaupt anwendbar sind) – mehr von der leidenden als thätigen Art an sich. Ueberhaupt geht ein bloß keimliches (potentielles) Leben dem wirkenden voraus. Nach vielen Gründen ist es mir glaublich, daß in der organischen Natur das empfangende Geschlecht zuerst und allein da ist, und daß darauf zum Theil die angebliche Geschlechtslosigkeit der untersten Thiergattungen beruht.

    Wird man diese Priorität im gegenwärtigen Fall mit den angenommenen allgemeinen Begriffen zu bestreiten suchen, z.B. dem bekannten, daß Gott von sich selbst das actuoseste Wesen sey? Freylich ist dieß kurz genug gesagt, und überhebt aller weiteren Untersuchungen. Allein dieser Begriff ist kein nothwendig gefundener, sondern ein willkührlich, ohne vorhergegangene Erforschung, aufgefaßter Begriff, ein wahrer Begriff a priori im schlechten Sinne des Worts. Noch weniger aber bedeuten andere Gegenreden, z.B. daß auf diese Art das Physische mit Gott vermengt werde. Denn in dem Sinn, in welchem dieß wahr seyn könnte, vermeiden auch die andern diese Vermischung nicht, wenn sie nur überall behaupten, daß Gott ein Herr und Schöpfer der Natur sey. Auch haben sie lange genug den Ausdruck gebraucht, Gott sey der Grund seiner eignen Existenz. War dieser Grund ein bloßes Wort, oder wurde darunter etwas Reelles verstanden? Das Erste, so nehmen wir es genauer und erlauben uns nicht, Worte ohne wirklichen Sinn zu gebrauchen; das Andere, so müssen sie selber anerkennen, daß vor dem existirenden Gott als solchem Etwas war, das nicht selber existirte, das nur Grund von Existenz war. Nun kann das, was nur Grund von Existenz ist, nicht mit dem Existirenden einerley Wesen und Eigenschaften haben, und wenn dieses als ein freyes bewußtes, im höchsten Sinn intelligentes Wesen anzusehen ist, so kann das, was bloß Grund seiner Existenz ist, nicht in dem nämlichen Sinn bewußt, frey und intelligent seyn. Da nun die Meisten das diesen Eigenschaften Entgegengesetzte physisch nennen, so mögen sie selbst zusehen, ob sie nicht jene Priorität des Physischen in Gott trotz ihres Abscheues gegen dasselbe unwissender Weise selbst zugeben.

    Wollten sie also überall keine Natur, nichts Physisches in Gott erkennen, so müßten sie nichts anerkennen wollen, außer jener absoluten Lauterkeit oder Indifferenz; denn nur diese oder die reinste Gottheit ist Naturlos, weil sie über allem Seyn und die ewige Freyheit selber ist; und doch erklären sie in ihrer Rohheit eben diese für das Nichts, worunter sie das eigentlich so zu nennende verstehen. Wo ist denn also ihr Gott?

    Was mag es übrigens seyn, das die Meisten an der Materie so beleidigt? Am Ende ist es doch nur die Demuth der Materie, die ihnen so anstößig ist. Aber eben diese Gelassenheit beweist, daß ihr noch etwas von jenem ursprünglichen Wesen, dem Keim und ersten Urstoff des Daseyns, inwohnt, das nach außen leidend, obwohl in sich reinste Geistigkeit ist.

    Es ist leicht, die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen der jetzigen Art zu philosophiren in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wornach z.B. was nicht frey im moralischen Verstande alsogleich mechanisch, was nicht geistig im höchsten Sinne, körperlich, was nicht intelligent verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber gerade die wichtigsten, ja die einzigen eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nur nach dem sogenannten Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles, den Sophisten gleich, zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreyenden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.

    So wird also auch vielen der Begriff einer Materie, die an oder in sich geistig und unkörperlich ist, ein ganz unfaßlicher Begriff scheinen. Diese also wollen wir erinnern, wie es im Grunde schon die bekannte Construction aus Kräften mit sich bringt, daß das innere Wesen aller Materie geistig im weiteren Sinne ist, da Kräfte unläugbar etwas Unkörperliches, in sofern Geistiges sind. Eine Bemerkung, die zugleich den Beweis enthält, daß die Art der gegenwärtigen, körperlichen Materie nicht, wie gemeynt worden, aus jenen innern, geistigen Kräften allein und für sich erklärbar ist. Das innere, oder reine Wesen der Materie, inwiefern es nur von diesen erzeugt wird, muß vielmehr selbst geistig seyn, und wenn die Körperlichkeit kein auf dem Innern beruhender Zustand ist, so muß er die Folge einer äußern von der Materie verschiedenen Kraft seyn, die auf sie als eine zusammenziehende, coagulirende Potenz gewirkt hat.

    Muß daher jeder, der auch nur eine dynamische Construction der Materie versucht, auf einen geistigen Zustand derselben, als den ursprünglichen geführt werden, so können wir noch weiter gehen und behaupten, was nothwendig folgt, daß jene geistige Materie noch jetzt der innere Urstoff alles Körperlichen ist, der überall hervortreten müßte wenn nur jene äußere Potenz hinweggenommen werden könnte.

    Auch in den körperlichsten Dingen liegt, oft beynah sinnlich wahrnehmbar, ein solcher Verklärungspunct, ohne dessen Gegenwart ja schon ein Fortschritt vom Unorganischen ins Organische undenkbar wäre. Wer sein Aug’ einigermaßen für die freye Betrachtung der Dinge geübt hat, weiß, daß sie nicht durch dasjenige allein schon vollendet erscheinen, was ihr Dasein im strengsten Sinne ausmacht; es ist noch ein Anderes in ihnen und um sie, das ihnen erst den vollen Glanz und Schein des Lebens ertheilt: ein Ueberfließendes spielt gleichsam um sie und umströmt sie als ein zwar ungreifliches doch nicht unbemerkliches Wesen. Sollte dieses durchblickende, durchscheinende Wesen nicht eben jene innere geistige Materie seyn, die noch immer in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt, und nur auf ihre Befreyung wartet? Unter den körperlichsten Dingen wurden vorzugsweise und von jeher die Metalle als einzelne in der verfinsterten Materie aufglimmende Lichtfunken dieses Wesens betrachtet, und ein allgemeiner Instinct ahndete seine Gegenwart im Golde, das durch die mehr leidenden Eigenschaften, die fast unendliche Ausdehnsamkeit und die Weichheit und Fleischähnliche Zartheit, die es mit der größten Unzerstörlichkeit verbindet, das dem geistig-leiblichen Wesen verwandteste schien, und sogar durch eines jener scheinbar zufälligen Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben, von allen Völkern zur Bezeichnung des glücklichen Weltalters der Unschuld und der Eintracht aller Dinge gebraucht wurde; gleich als wär’ es allein noch ein Zeichen aus jener seligen Urzeit.

    Der unwiderstehliche in keinem Zeitalter ganz unterdrückte Trieb, Meister jenes innern Wesens zu werden, dient zum Erweis, wie nahe sein Begriff allem natürlichen Denken liegt. Die gewöhnliche Vorstellung der Alchemie muß man dem Pöbel überlassen; die verstanden, was sie wollten, suchten nie das Gold, sondern, so zu sagen, das Gold des Goldes, oder was das Gold zu Golde macht. Wenn es nämlich nur eine äußere Potenz ist, durch deren Wirkung die Materie zu dem finstern Wesen zusammengezogen wird, so muß es auch eine derselben entgegengesetzte Potenz geben, durch welche, wenn sie in der Hand des Menschen wäre, die Wirkung der äußern Kraft entweder aufgehoben oder doch bis zu einem gewissen Grade überwunden werden könnte. Da nun alle Materie dem innern Wesen nach nur Eine seyn kann, und die Verschiedenheit zwischen körperlichen Dingen derselben Stufe vielleicht nur auf der größeren oder geringern Einwirkung jener coagulirenden Potenz beruht, so wäre es unter jener Voraussetzung ja wohl möglich, durch eine allmählige Ueberwindung dieser Kraft die weniger edlen Metalle stufenweise in die edleren und zuletzt in das edelste zu verwandeln (obgleich dieß nur die sehr untergeordnete Anwendung eines weit allgemeineren Vermögens seyn würde). Wir untersuchen hier nicht, welches jene andere Potenz seyn könnte, ob das ursprünglich-geistige Wesen der Materie selbst oder ein von ihr noch verschiedenes, wiewohl es ein bekanntes Gesetz ist, daß nur das Befreyte fähig ist, auch anderes zu befreyen. Soviel aber ist klar, daß eine Metamorphose der Art, sie möchte nun geschehen wodurch sie wollte, immer auf der Möglichkeit beruhen würde, den innern Kräften der Materie mehr oder weniger jene gegenseitige Freyheit und Unabhängigkeit voneinander wiederzugeben, die ihnen durch die äußere Potenz entzogen ist, und die wir als ihren ursprünglichen Zustand erkannt haben.

    Darum scheint dieses Wesen in der organischen, besonders der thierischen Natur seiner Wiederherstellung so nahe. Ist irgendwo jener Verklärungspunct, der in aller Materie liegt, wirklich aufgegangen, so ist es in der organischen Schöpfung, die sich vor der unorganischen offenbar nur durch die höhere Aufschließung desselben unterscheidet. Hier ist denn auch jenes unkörperliche Wesen fast sinnlich sichtbar. Es ist das Oel, wovon das Grün der Pflanzen gesättigt wird, es ist erkennbar in jenem Durchscheinenden des Fleisches und der Augen, in jenem unläugbar physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig, befreyend auf uns wirkt. Ja selbst das allgemein für geistig geachtete Wesen, das in der höchsten Verklärung menschlicher Leiblichkeit als Anmuth überströmt, möchten wir uns nicht ohne die Gegenwart eines physisch wirkenden Etwas denken, wodurch allein das unwillkührliche Entzücken oder Erstaunen, womit der Anblick davon erfüllt, und dessen selbst der Barbar sich nicht erwehrt, erklärbar seyn würde.

    Es läßt sich also demnach die stetige Folge von Gliedern, die aus der Natur in die Ewigkeit geht, also angeben: Nach unten die Materie, nach oben oder der Ewigkeit zugewandt, der Geist. Dieser ist ein gegen die Ewigkeit freyes Wesen, weil er seine eigne von ihr unabhängige Wurzel hat. Also wendet er sich frey gegen die Ewigkeit und setzt sich mit dem ewigen Seyn in unmittelbaren Bezug und erhebt sich dadurch über die Materie, daß er auch gegen diese freyer, in ihr freyschaffender und wirkender Geist wird.

    Er kann dieses Seyn der Ewigkeit nicht an sich ziehen, ohne es dadurch als wirkliches Seyn als Object in Bezug auf das ewige Seyende zu setzen, dadurch eine Scheidung in der Ewigkeit zu machen, und endlich auch jenes Allerinnerste, das noch verborgene Aussprechende der Ewigkeit zur That zu bewegen.

    Dieses nun haben wir alles einzeln zu betrachten und zu erklären.

    Der Geist, sagten wir, werde durch den Bezug mit dem Ewigen freyschaffend in der Materie. Damit verhält es sich so. Die Materie oder der gegen den Geist leidsame Stoff ist ein Erzeugniß der sich entgegengesetzten Kräfte, die vermöge einer natürlichen Zuneigung zusammenstreben, um sich gegenseitig zu mäßigen. Diese also vermöge der natürlichen Sucht Eins zu seyn streben immerfort den Gegensatz unter sich aufzuheben. Der freye Geist aber als die lebendige Einheit kann nur aufgehen, indem die Kräfte geschieden und auseinander gebracht werden. Also dringt der Geist schon seiner Natur nach immerfort auf die Scheidung. Weil aber diese niemals eine gänzliche seyn kann, und im Auseinandergehen der Kräfte immer eine gewisse Einheit bleibt, so gehet in der Scheidung ein Blick der Einheit auf, welcher Blick seiner Lauterkeit wegen bis in die Ewigkeit geht und in dieser als ein umschriebenes, begränztes, gleichsam geistiges Bild von einem Geschöpfe erscheinet.

    Weil aber der Geist mit dem ewigen Seyn im Bezug steht, so wirkt er als ein gegen die Materie freyer nicht als ein blinder und besinnungsloser Geist jenes Auseinandergehen der Kräfte.

    Das ewige Seyn ist nichts anders, als das ewige Gegenbildliche oder Objective von Gott, in welchem daher auf ewige Weise alles enthalten ist, was einst vermöge des Seyns Gottes objectiv wirklich seyn soll. Aber es ist in ihm nur unausgesprochner Weise oder der Möglichkeit nach enthalten. Nun will der Geist der Natur das Band seyn zwischen der Ewigkeit und der Natur, also strebt er das, was in dem ewigen Seyn nur der Möglichkeit nach enthalten ist, in der Materie als dem ihm untergeordneten Stoff, wirklich auszusprechen, um es dem ewigen Seyn, welches an sich lauterer Geist ist, als in einem Spiegel vorzuhalten und es dadurch an sich und aus seiner ewigen Gleichgültigkeit zu ziehen.

    Aber durch eben jenes Anziehen wird das ewige Seyn zugleich vom ewigen Seyenden abgezogen, und ihm zum wirklichen Gegenwurf, in welchem es alles erblicken kann. Da also das ewige Seyende in das ewige Seyn sieht, so werden ihm auch die in demselben aufsteigenden Bilder der künftigen Dinge offenbar, und diese gelangen so mittelbar bis in das höchste Subject. In diesem Zustand also gieng alles, was einst in der Natur wirklich werden sollte, vor dem Seyenden der Ewigkeit vorüber; denn der schöpferische Geist durchlief die ganze Leiter der Bildungen bis zur holdseligen Menschengestalt, die Materie den Gegensatz behandelnd als einen Stoff seiner freyen Lust, nicht in blindem Wirken, sondern die Möglichkeiten oder Geister der Dinge, die er in dem ewigen Seyn ersehen, als Vorbilder nehmend, um sie zu verleiblichen und so das ganze Bild zu entfalten der zukünftigen Welt. Es gieng aber vor dem Auge des Ewigen alles nur als ein Blick oder Gesicht vorüber, als ein Blick, weil es in dem zarten Mittel gleichsam nur aufblickte, als ein Gesicht, weil es im Aufsteigen wieder vergieng und nichts Bleibendes, nichts Festes, sondern alles in unaufhörlicher Bildung war. Denn noch fehlte das bestätigende, das eigentlich aussprechende Wort.

    In diesem Zustande hatte das Objective der Ewigkeit überhaupt ein doppeltes Verhältniß. Denn gegen die Natur wurde es gezogen als ihr unmittelbares Seyendes, als ihr Geist, ihr Subject. Noch oben aber oder gegen das ewige Seyende verhielt es sich wieder als Gegenwurf und gleichsam als seine unmittelbare Natur. Wie nun das ewige Seyn von der Natur angezogen wird; so zieht auch es selbst wieder, als dessen unmittelbare Natur, das ewige Seyende an, und will nichts anders, als daß es von diesem wirklich gesetzt werde, als sein eignes Seyn. Auch das ewige Seyn macht sich zum Stoff in Bezug auf das ewige Seyende. Auch in ihm werden durch die Anziehung des Unteren die innern Kräfte erweckt, auch in ihm erzeugt sich ein Geist, der in das Seyende der Ewigkeit sieht, wie der Geist der Natur in das ewige Seyn. – Durch diesen Geist erkennt es auch die im Innersten, im eigentlichen Subject Gottes enthaltenen Möglichkeiten. Und da es dieß ewige Seyende an sich ziehen und es bewegen will, sich zu setzen als sein unmittelbares, wirkliches Seyendes: so sucht es auch jene in ihm unausgesprochener Weise enthaltenen Möglichkeiten in sich als wirklich darzustellen, und dem Ewigen die verborgensten Gedanken seines eignen Innersten, die es selbst nicht kannte, wie in einem Spiegel zu zeigen.

    So also erblickte der Ewige in dem unmittelbaren Gegenbildlichen seines Wesens zuerst alles, was einst in der Natur seyn sollte, sodann ersah er in eben diesem die tiefsten Gedanken seines eignen Innersten; denn diese im ewigen Seyn, als in einem Stoff ausgedrückt und verwirklicht, stiegen aus ihm als Geister auf, deren Blick seiner Lauterkeit wegen bis in das höchste Subject gieng.

    Die Gesichte dieser allerinnersten Gedanken Gottes, die aus dem ewigen Seyn verwirklicht aufsteigen, waren nichts andres als die Gesichte der zukünftigen, zugleich mit den Naturwesen zur Erschaffung bestimmten Geister; das ewige Seyn selber, inwiefern es gegen das ewige Seyende leidende Eigenschaften annahm oder Stoff wurde, war nichts anders als der Stoff, die Unterlage der zukünftigen Geisterwelt. Denn wie sich überhaupt kein Erschaffen ohne bestimmte Unterlage denken läßt, so war auch keine Erschaffung der Geister möglich als aus einem wirklich vorhandenen Stoff, und wenn es etwas den gewöhnlichen Gedanken Unerhörtes seyn mag, so ist es darum doch nicht weniger gegründet, daß eben jenes Objective der Ewigkeit, das zum unmittelbaren Subject der Natur bestimmt ist, zugleich der Stoff, die Materie der (vom gegenwärtigen Standpunct) noch zukünftigen Geisterwelt war.

    Die Sprache unterscheidet sehr bestimmt die Natur von der Geisterwelt, indem sie diese schlechthin die Ewigkeit nennt; wie von einem, der in die Geisterwelt übergeht, gesagt wird, er sey in die Ewigkeit gegangen. Sie bezeichnet durch diesen Ausdruck die Natur als ein gewissermaßen anfängliches Wesen, wie sie es auch, verglichen mit der Ewigkeit, in gewissem Verstande ist. Denn sie war nicht in der ursprünglichen Ewigkeit, sondern wurde ihr erst zugesellt, durch eine, obwohl ewige, erzeugende Kraft. Das hingegen, was wir als die Unterlage (das Substrat) der Geisterwelt ersehen, war schon in der unanfänglichen Ewigkeit; es war ewig bey Gott und mit Gott (dem ewig Seyenden), daher auch der Ausdruck erklärbar ist, dessen sich die Frömmigkeit bedient, der Fromme gehe im Tode zu Gott. Denn würde unter diesem Gott das ewige Seyende verstanden, so wäre ein solcher Uebergang ohne Vernichtung der Eigenheit (Individualität) nicht denkbar. Wie denn überhaupt, wenn die Geister aus dem Seyenden Gottes erschaffen oder bloße Formen desselben wären, zwischen Gott und den Geistern nichts wäre, wodurch sie unterschieden würden. Unmöglich wäre alsdann, daß die Geister eine Freyheit gegen Gott hätten. Alles, was eine Freyheit gegen Gott hat, muß aus einem von ihm unabhängigen Grunde kommen, und wann es auch ursprünglich und im engeren Sinn in Gott ist, so muß es aus Etwas kommen, (etwas zur Unterlage, zum Unterscheidenden haben) das in Gott selbst nicht Er selber ist. Also setzt die Existenz einer Geisterwelt etwas voraus, das von Ewigkeit in oder bey Gott ist, ohne doch selbst Gott zu seyn.

    So also bildet sich jene stetige Folge von Gliedern, die von dem Obersten in das Unterste reicht, und wodurch das Tiefste mit dem Höchsten in Verbindung kommt.

    Von selbst leuchtet hervor, daß dieser ganze, innerlich höchst lebensvolle Zustand auf der gegenseitigen Freyheit und Unabhängigkeit der Glieder gegen einander beruht.beruht vorzugsweise darauf, daß A3 x noch frey ist gegen A2. Wäre nicht jenes Mittelwesen, der von unten aufsteigende Geist, frey gegen die Ewigkeit, so könnte er nicht in freyen wirkenden Bezug mit dem ewigen Seyn treten, noch diesem die in ihm enthaltenen Möglichkeiten wie in einem Widerschein vorhalten. Würde nicht ebenso das ewige Seyn durch das Anziehen der Natur frey und wirkend gegen das Seyende, so könnte es diesem weder die Bilder der Dinge, die einst in der Natur wirklich werden sollen, noch die Wunder seines eignen Wesens, die Gedanken seines Innersten, die zukünftigen Geister, wie in einem Gesicht zeigen: Dieses beschauliche Leben, diese innere Klarheit würde sofort aufgehoben, wenn jene gegenseitige Freyheit der Glieder gegeneinander aufgehoben wäre.

    Wir versuchen es, auch diesen Zustand durch die Aehnlichkeit der menschlichen Natur zu erläutern. Alles Göttliche ist menschlich nach Hippokrates und alles Menschliche ist göttlich. Also können wir hoffen, uns der Wahrheit in eben dem Verhältniß anzunähern, in welchem wir alles menschlich nehmen.

    In der organischen Natur tritt zuerst mit der gegenseitigen Entfaltung und Unabhängigkeit der Kräfte auch wieder der unmittelbare Verkehr zwischen Physischem und Geistigem hervor.Es gibt Zust. d. menschl. Natur, wo jenes Höchste frey wird. Schlaf. Aber i. d. Regel beim Vision. ebens. in d. außerord. Zust. Dieser Verkehr, an dem sich der menschliche Scharfsinn so oft geübt, ist doch nicht anders befriedigend zu erklären, als durch jene Einsicht, daß die Materie, wenn nach außen oder unten leidender und selbst körperlicher Eigenschaften fähig, doch in sich selbst und nach oben geistig ist. So ist offenbar dasselbe, was sich im Menschen nach unten körperlich erweist, nach oben oder auf seiner dem Geist zugekehrten Seite geistig und geht in ein geistiges Wesen aus, das auch hier sich darstellt als das Band zwischen Ewigkeit und Zeit. Durch den Lebensproceß selbst steigt aus dem Körperlichen beständig ein Bild und innrer Lebensgeist auf, der durch eben diesen Proceß auch beständig wieder verleiblicht wird. Auch hier ist es ein von unten aufsteigender Geist, ein Mittelwesen, wodurch das Unterste mit dem Obersten, das Tiefste mit dem Höchsten in Bezug zu treten fähig ist.

    Wie wir aber den gegenwärtigen körperlichen Zustand der Materie nicht aus ihrem Innern, sondern nur aus der Wirkung einer äußern Potenz erklären können, so scheint auch der Mensch, wie alles Organische zum Theil wenigstens einer solchen äußern Potenz unterworfen, die in ihm das freye Verhältniß der Kräfte aufhebt und in ein nothwendiges verwandelt.Die Gewalt jener äußeren Potenz zeigt sich nicht allein, inwiefern sie das Organische überhaupt als ein Körperliches festhält, sondern in einer noch höheren Potenz durch jene Veräußerlichung des inneren Lebens, welche im wachenden Zustand geschieht.

    Der wachende Mensch und der schlafende sind ihrem Innern nach ganz der nämliche Mensch. Keine der innern Kräfte, die im wachenden Zustande wirksam sind, geht im Schlafe verloren. Schon hieraus erhellt, daß es nicht eine im Innern des Organismus liegende Bestimmung, daß es eine im Bezug auf ihn äußere Potenz ist, deren jetzt anziehende jetzt nachlassende Wirkung die Verschiedenheit und die Abwechslung jener Zustände bestimmt. Offenbar sind im wachenden Zustand alle Kräfte des Menschen von einer sie zusammenhaltenden Einheit, gleichsam als von einem gemeinschaftlichen Exponenten (oder Aussprechenden) beherrscht; im Gegentheil scheint während des Schlafs jede Kraft und jedes Werkzeug für sich zu wirken,auch jenes Eines erhebt sich wieder. eine freywillige Sympathie tritt an die Stelle der äußerlich bestimmenden Einheit, und indeß das Ganze nach außen wie todt und wirkungslos ist, scheint sich nach innen das freyeste Spiel und Verkehr der Kräfte unter einander zu entfalten.

    Wenn im gewöhnlichen Lauf des Lebens die Wirkung jener äußern Anziehung in regelmäßiger Abwechslung jetzt nachläßt, jetzt störender hervortritt; so scheint nach den bekannten Phänomenen des sogenannten thierischen Magnetismus, eine außerordentliche Aufhebung oder Schwächung derselben möglich, ja einem Menschen in Bezug auf den andern wirklich die Macht gegeben, jene äußere Potenz zu überwinden, und ihn dem freyen innern Lebensverhältniß zurückzugeben, wobey zwar nach außen wie todt erscheint, nach innen aber ein stetigerer freyer Zusammenhang aller Kräfte vom Tiefsten bis in’s höchste entsteht.

    Nach vielen Gründen kommt es mir jedoch vor, als würde der magnetische Schlaf viel zu bestimmt von dem gewöhnlichen unterschieden. Denn da wir von den innern Vorgängen bey diesem nur sehr entfernte Kunde haben, so beweist nichts, daß sie nicht denen beym magnetischen Schlaf ähnlich und gleich seyn, von denen wir ohne den besonderen Bezug der magnetisch-Schlafenden zu denen, die sie in diesen Zustand versetzen, auch keine Erfahrungen hätten. Bekanntlich sind jene inneren Ereignisse des magnetischen Schlafs sich auch nicht immer ähnlich; es gibt Gradationen desselben; es gibt einen Grad, bey welchem er sich von dem gewöhnlichen in nichts unterscheidet, und es gibt einen, bey welchem der Mensch ganz von der Sinnenwelt abgeschnitten und völlig in’s Geistige versetzt scheint. Da wir nun auch in dem gewöhnlichen Schlaf Grade der Tiefe so wie der Innigkeit unterscheiden, so können wir nicht wissen, bis zu welchen Gradationen des magnetischen Schlafs sich auch der gewöhnliche erhebt.

    Schon die Alten unterschieden bekanntlich zweyerley Arten von Träumen, wovon nur die eine ihnen göttlich galt. Wir wollen unterscheiden zwischen Träumen, die aus jener gegenseitigen Unabhängigkeit der innern Kräfte entstehen, und zwischen solchen, die aus dem Gegentheil. Von diesen sehen wir jetzt ab. Unter denen der andern Art aber könnten wir drey Gradationen annehmen. Die tiefste wäre die, wo der Lebensgeist, oder jenes Mittelwesen zwischen Körper und Geist, das Objective der Seele anzöge, und mittelst desselben frey würde gegen den Leib, um entweder als heilende Kraft die vorhandenen Unordnungen in diesem zu beseitigen, oder der Seele die Verborgenheiten des Körpers zu offenbaren. Eine höhere wäre die, woA2 u. A3 eben dieser Lebensgeist das Objective der Seele anzieht, aber um diesem sein eignes Inneres wie im Gegenwurf zu zeigen, es zur Erkenntniß zu bringen von dem, was in ihm selbst noch eingewickelt und zukünftig ist. Auf dieser Stufe wäre schon ein freyes Verhältniß zwischen dem Ewigen der Seele und dem von unten aufsteigenden Geist; wobey dieser dem höheren zum Werkzeug und gleichsam zur Tafel wird, in der er die Verborgenheiten seines eignen Innern zu lesen vermag. Die höchste Stufe endlich wäre die, A3 u. x wo die Befreyung sich bis in das Ewige der Seele selbst fortpflanzt; und der freye Verkehr rein in diesem, zwischen dem ewigen Objectiven der Seele und dem ewigen Subjectiven derselben statt findet. Hier würde das Seyende der Seele sogar von seinem eigenen ewigen Seyn frey, und in einen solchen Bezug zu diesem gesetzt, daß es seine tiefsten Gedanken in ihm gleichsam lesen und unterscheiden könnte; die das Ewige an das Untere und an die Sinnenwelt fesselnde Potenz wäre überwunden; die Seele wäre in’s Außenweltliche und gewissermaßen ganz in die Geisterwelt versetzt.

    Im magnetischen Schlaf lassen sich diese Gradationen vielleicht wirklich nachweisen. Der gewöhnliche mag freylich nach Personen und Umständen sehr verschieden seyn. Aber solche Träume, die den höheren Graden der Innigkeit entsprächen, würden sich unstreitig ganz wie Visionen des magnetischen Schlafs verhalten, von denen keine Erinnerung in den wachenden Zustand übergeht und von denen wir nur durch das schon erwähnte Verhältniß Kunde erhalten. Daß wir uns vieler Träume im wachenden Zustand gar nicht erinnern, kann wohl eben so bestimmt angenommen werden, als es durch Erfahrung gewiß ist, daß uns von vielen nur die allgemeine Erinnerung des Dagewesenseyns bleibt, daß andre gleich nach dem Erwachen verfliegen und oft nur noch im Augenblick desselben (manchmal auch dann nicht bleibend), festgehalten werden können. Nur ist wahrscheinlich, daß die mehr äußerlichen Träume oft Abspiegelungen von mehr innerlichen sind, und daß auf solche Art diese, wenn gleich verworren und nicht in ihrer Reinheit und Vollständigkeit, unmittelbar zum Bewußtseyn gelangen. Dem sey, wie ihm wolle, so haben wir im magnetischen Schlaf das Beispiel eines Zustandes, wo nach außen gar kein Subject ist, und doch ein inneres Subject, das urtheilt, schließt und oft weit über sein gewöhnliches Vermögen denkt und erkennt, in voller Wirkung und Leben ist. Dieser Zustand ist ein lebendiger Beweiß, dessen Folge, wie es die ersten Beobachter grob aber nicht unrichtig ausdrücken, ein Entorganisiren, d.h. ein Aufheben der äußern Einheit des Organismus ist, wogegen die innere in ihrer vollen Freyheit aufgeht. Da Krankheit nur insofern möglich ist, als alle Kräfte und Organe des Lebens einem gemeinschaftlichen Exponenten unterworfen sind, wodurch es geschieht, daß das Einzelne zum Opfer des Ganzen wird und einer Richtung folgen muß, die ihm für sich nicht zukommt oder die seiner Natur zuwider ist, so begreift ich hieraus die Heilkraft jenes Zustandes, in dem die einzelne Kraft einstweilen frey gesprochen von der Verkettung mit dem Ganzen Zeit gewinnt, sich wieder in ihrer Integrität und Ursprünglichkeit herzustellen.

    Dürften wir hier zugleich eine Rückanwendung auf etwas früheres machen, so könnte man sich wenigstens als möglich vorstellen, daß dem Menschen auch gegen andere irdische Dinge eine ähnliche Gewalt zustände, wie sie ihm zum Theil gegen andere Menschen verstattet scheint. Dann würde er durch eine ganz ähnliche Wirkung auch das Innre anderer körperlicher Dinge bis zu einem gewissen Grade in Freyheit zu setzen im Stande seyn, und damit wahre Verwandlungen einleiten, durch die eine Reihe ganz anderer Phänomene entstände, als jener des gewöhnlichen Versuchs, der, so tief er dringen mag, noch immer nur auf der Oberfläche spielt.

    Soviel dieses nur zur Erläuterung jenes inneren Zustandes reiner Beschaulichkeit in welchem der Ewige die ewige Zeit die Wunder der zukünftigen Zeit und der Ewigkeit wie in einem Gesichte erblickt.

    Das schöne an uns gekommene Wort Idea sagt, seiner Urbedeutung nach, wirklich nichts anders als das deutsche Wort Gesicht, und zwar in beyderley Sinn, da es sowohl den Blick, als was im Blick vorübergeht, bezeichnet.

    Die Lehre von diesen Urbildungen der Dinge verliert sich in das höchste Alterthum und wird schon von den Griechen als eine heilige Ueberlieferung betrachtet. Welches wohl zu zweifeln erlaubte, ob sie nicht schon bey diesen einen Theil des ursprünglichen Sinnes verloren. Denn schon Platon ist nur Ausleger, Deuter desselben. Späterhin gieng der wahre Sinn auf zweyerley Art verloren, indem sie erst viel zu übernatürlich, in der Folge aber ganz gemein verstanden worden. Die Erzeugung solcher Urbilder oder Gesichte der noch künftigen Dinge ist ein nothwendiger Moment in der großen Entwicklung des Lebens und wenn diese Ur-Bilder nicht gerade als physische Naturen im gewöhnlichen Sinn zu nehmen sind, so können sie gewiß auch nicht ohne alles Physische gedacht werden. Sie sind weder bloß allgemeine Verstandes-Begriffe noch feststehende Modelle; denn eben darum sind sie Ideen, daß sie ein ewig lebendiges und in unaufhörlicher Bewegung und Erzeugung sind.

    Wir sagten, die Erzeugung solcher Urbilder sey ein nothwendiger Moment; aber weder vergehen sie nach diesem Moment, noch bleiben sie stehen, sondern der Moment selbst bleibt ewig, weil jeder folgende den vorhergehenden festhält und so entquellen dem Innersten der schöpferischen Natur diese Urbilder noch immer eben so frisch und lebendig als vor der Zeit. Noch immer zeigt sich die in gewissem Verstand blind handelnde Natur als Visionär; denn, wenn auch geleitet von dem Licht eines höheren Verstandes, wie könnte sie diesen fassen und begreifen? Ohne jene Eigenschaft wäre so vieles unläugbar Zweckmäßige und Absichtsvolle im Ganzen und Einzelnen, das sich schon in der ersten Anlage findet, ihr allgemeiner und besondrer Technicismus unbegreiflich. Keines Wesens Schöpfung geschieht noch diesen Tag ohne die wiederholte Erzeugung seines Urbildes. Ja wir wagen es auszusprechen, daß jede Zeugung in der Natur eine Wiederkehr jenes Moments der Vergangenheit ist, dem für einen Augenblick verstattet ist, in die gegenwärtige Zeit als eine fremde Erscheinung hereinzutreten. Denn da in jedem lebenden Wesen die Zeit schlechthin anhebt, durch jedes anfangende Leben aufs neue die Zeit an die Ewigkeit geknüpft wird, so muß jedem Leben unmittelbar eine Ewigkeit vorausgehen. Die Wiederkehr jenes Moments in der Zeugung könnte schon die physischen Erscheinungen glaublich machen, die Erschütterung der Kräfte, das Nachlassen aller Bande und das außer-sich-gesetzt Seyn; es ist nämlich als ob jenes äußere Band, vielleicht aber weil es den höchsten Grad der Anziehung Negation gehabt für einen Augenblick aufgehoben und als ob auch hier jene leitende Verbindung und Kette von einander unabhängiger Glieder hergestellt wäre, wodurch das Erste fähig wird, in das Letzte zu wirken, wie unläugbar der Vater dem Kinde Geistes- und Gemüthsart einzeugt. Daher auch die Aehnlichkeit mit dem Tode, wie mit den Erscheinungen des magnetischen Schlafs. Und wenn ein organisches oder menschliches Wesen dem Schmerz im physischen, wie im psychischen Verstande nur durch die Herrschaft jenes äußern Lebens-Exponenten unterworfen seyn kann, so ist wohl begreiflich, wie mit der Aufhebung desselben die gänzliche Schmerzlosigkeit und jenes Wonnegefühl entstehen kann, von dem die vorhin erwähnten Zustände erfüllt sind, und begreiflich, wie eine plötzliche und augenblickliche Aufhebung desselben mit der höchsten Wollust überschüttet.

    Doch kaum wagen wir den Schleyer zu berühren, der über diese großen Geheimnisse gezogen ist und fürchten, daß wir nicht entweder mißdeutet werden oder uns auch selber im Einzelnen irren und falsch ausdrücken, da alle die nahmhaft gemachten Erscheinungen so sehr nach allen Seiten und in so verschiedene Zweige auslaufen. Gelingt uns einst diese Geschichte bis zu der Zeit und zu den mannigfachen Bedingungen fortzuführen, in und unter welchen das menschliche Leben besteht; gewiß werden wir dann auch manches zu berichtigen finden, oder in einem höheren Lichte darzustellen.

    Es sey uns daher nur noch eine Frage erlaubt, durch welche unser Gedanke an Deutlichkeit gewinnen mag. Warum rufen dem Menschen alle höheren Lehren so einstimmig zu, sich von sich selbst zu scheiden und geben ihm zu verstehen, daß er alles vermögen und in alle Dinge wirken würde, wenn er nur sein höheres Selbst zu befreyen wüßte von dem untergeordneten? Den Menschen hindert das In-sich-gesetzt seyn; höheres vermag er nur in dem Maß, als er sich außer sich zu setzen – außer-sich-gesetzt zu werden vermag, wie es unsre Sprache treflich bezeichnet; und so sehen wir denn auch, um nur bey geistigen Hervorbringungen stehen zu bleiben, wohl ein, wie nach den verschiedenen Gradationen derselben ein immer höherer freyer innerer Verkehr stattfindet und überall das nämliche gefordert wird, es sey nun, daß das Ewige der Seele unmittelbar mit ihrem eigenen Seyn verkehre, also sich ganz in sich selbst enthalte; oder es sey ein Verkehr zwischen dem Ewigen und jenem es begleitenden Dämon, dem uns von der Natur zugesellten Genius, der allein in dem Maß, als sich der bewußte Geist über ihn erhebt, auch wieder fähig ist, ihm dienendes Werkzeug zu sein. Und wie die innre Freyheit des Gemüths alle geistige Production bedingt, so sehen wir dagegen auch befangene Menschen im Verhältniß, als sie dieß sind oder werden, zur wahrhaft geistigen Hervorbringung immer untüchtiger.

    Jene spielende Lust im anfänglichen Leben Gottes haben die Morgenländer wohl erkannt, welche sie ausdrucksvoll die Weisheit nennen,wie sie diese darstellen als einen Glanz des ewigen Lichts einen fleckenlosen Spiegel der göttlichen Kraft und (der leidenden Eigenschaften wegen) ein Bild seiner Gütigkeit. Es ist verwunderungswerth, mit welcher Genauigkeit sie diesem Wesen überall mehr eine leidsame als thätige Natur zuschreiben; weßhalb sie es nicht , wie wir im Vorhergehenden den Geist, auch nicht das Wort (oder den Logos) nennen, (mit welchem die Weisheit später oftmals aber unrichtig verwechselt worden), sondern ihm einen weiblichen Namen beylegen, durch alles dieß andeutend, daß es gegen das Höhere nur ein leidsames, empfangendes Wesen sey.

    Wie frischer Morgenhauch aus heiliger Frühe der Welt weht uns jene Rede an, in der ein mit recht göttlich geachtetes Buch die Weisheit redend einführt. Der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege; ehe er was machte, war ich da. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde. Da die Tiefen noch nicht waren, da war ich schon bereitet; da die Bronnen noch nicht mit Wasser quollen. Ehe denn die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln bin ich bereitet. Da er die Himmel droben bereitete, war ich daselbst; da er die Tiefen mit seinem Ziel ver fassete, da er den Grund der Erde legte, da war ich , der Werkmeister bey ihm und hatte meine Lust täglich und spielete bey vor ihm alle Zeit. ; ich spielete auf seinem Erdboden und meine Lust war bey den Menschenkindern.

    Die Weisheit wird in dieser Rede sehr bestimmt von dem Herrn unterschieden. Der Herr hatte sie, aber sie selbst war nicht der Herr.Der Herr war der, bey dem alle Macht und alle Kraft war, jener ruhende Wille, der noch nicht wollte; der eben darum unaussprechliche Geist, den die Ursprache hier wie anderwärts bey jenem unaussprechlichen Namen (Jehovah) nennt, das was schlechthin und immer Eins ist, indeß sie das eine Mehrheit von Kräften in sich begreifende göttliche Wesen (das unmittelbare Subject jenes Eins) durch Elohim bezeichnet. Sie war bey ihm vor dem im Anfang,oder als Anfang seiner Wege, d.h. als Anfang seiner immer vorschreitenden (nie rückgehenden) Wirkungen, eh’ er aus sich selbst gleichsam heraustrat. Wichtiger Begriff Platon IV ehe er was machte. Von einem der schläft, oder todt ist, oder verzückt, mit einem Wort, der sich nicht als Seyendes äußert, sagen wir sagt jetzt die deutsche Sprache, er macht nichts. Die Weisheit wird einem Kinde verglichen. Denn wie ein Kind Selbstlos zu nennen ist, wenn in der frühesten Zeit zwar alle innern Kräfte in Wirkung gegen einander sind und in holdem Wechselspiel sich gegenseitig erregen, aber ohne daß sich ein Willen eingefunden, der sie zusammenhielte, sich zur Kraft und zur Einheit von ihnen machte: so ist die Weisheit zusammt dem ersten Leiblichen, von dem sie bekleidet ist, wie eine stille gleichsam leidende Einheit, die nicht für sich selbst aus dem bloß keimlichen Zustand in den wirkenden sich erheben konnte.So ist auch jenes erste Wesen noch Selbst- und Willenlos und alle Einheit, alles Zueinanderneigen der Kräfte nur Lust nicht Ernst, nur Spiel nicht That, durch die es allein zu etwas festem und bleibendem kommen könnte. Die Weisheit spielte vor dem Angesicht des Herrn, auf seinem Erdboden, auf dem was ihm Grund und Boden ist, jener ersten Wohn- und Bleibstätte aller Creatur, und ihre Lust schon in dieser frühen Zeit war jenes Geschöpf, das einst bestimmt war, das Band zwischen Materie und Geisterwelt herzustellen und unmittelbar der Weisheit, mittelbar aber der lichten Gottheit empfänglich zu seyn. So kindlicher Ahndung voll spielte die Weisheit vor dem Herrn und er ersah in ihr was einst seyn sollte, wie in einem Jugendtraume goldne Zukunft.

    Aber wie die Zeiten der Unschuld nicht bleiben, die Spiele der Kindheit, in denen das künftige Leben sich vorbildet, vergänglich sind, so konnt’ auch jener sel’ge Göttertraum nicht dauren. Alles bloß keimliche Leben ist von sich selbst voller Sehnsucht und verlangt mehr und mehr aus der stummen wirkungslosen Einheit herauszutreten und in eine wirkende erhoben zu werden. So sehnsüchtig sehen wir die ganze Natur; so saugt die Erde durch zahllose Mündungen Himmelskraft in sich; so strebt das Samenkorn zu Licht und Luft um sich ein Bild, einen Geist zu ersehen; so wiegt sich die Blume im Sonnenstrahl um ihn als Farbe in sich zu ziehen. Eben also auch jenes leidende spielende Leben, und je mehr es sich in sich entfaltet, desto mehr ruft es das Unsichtbare an, daß es sich seiner annehme, es sich anziehe und erkenne als sein eigen; und die Weisheit klagt verlassen das Loos ihrer Geschöpfe und daß die Kinder ihrer Lust nicht bleiben, sondern in immerwährendem Ringen stehen sind und im Ringen wieder vergehen. Sehnsucht aber zieht herbey und so wird durch eben diese auch das Unsichtbare zum Sichtbaren gezogen.

    Die Weisheit war bey dem Herrn. Aber wer ist denn der Herr? Unstreitig jener in dem Seyn und dem Seyenden selbst ruhende Wille, der Wille durch den allein das Seyn wirklich Seyn, das Seyende wirklich Seyendes seyn kann, der zuvor nichts wollende Wille. Dieser ist der Herr, denn von ihm kommt alle Macht und alle Kraft oder er ist das Aussprechende alles Wesens. Er ist von dem Seyn und dem Seyenden verschieden, aber nicht von ihnen getrennt, der nun noch unthätige Wille, durch den allein sie beyde bethätigt werden können. Er zog sich beyde nicht an, bethätigte sie nicht wirklich, weil in ihm als dem reinen lautern Wollen kein Grund zur Handlung lag, und auch die beyden Entgegengesetzten konnten ihn nicht erwecken, weil sie selbst ruheten. Er ist das Seyn und das Seyende, und ist untrennbar von beyden. Was daher in diesen vorgeht, das geht auch ihn an, und werden diese aus der Gleichgültigkeit gezogen, so kann auch Er selbst nicht gleichgültig bleiben. Er zog sich beyde nur nicht an, weil sie selbst ruheten. Jetzt da beyde in Bewegung gesetzt sind, ist nothwendig auch Er zur Wirkung aufgefordert. Wird das Seyn zur Natur gezogen, so ist es sein eignes Seyn, das gezogen wird, oder vielmehr, in diesem Angezogenwerden erkennt er es zuerst als sein eigenes. Ist das Seyende aufgefordert, sich als solches wirklich, in Bezug auf das Seyn, zu setzen, so ist Er selbst aus der Gleichgültigkeit gezogen; denn Er ist das Aussprechende des Seyenden. Also in eben diesem Aufgefordertseyn erkennt er das Seyende als sein eignes, als das, von dem er das Aussprechende ist.

    Jene alte Rede kann daher wohl sagen: der Herr hatte die Weisheit, sie spielte vor Ihm, in ihr ersah er, was einst seyn sollte; denn was von dem Seyn und dem Seyenden gilt, gilt auch von dem Herrn. Denn das Seyn und das Seyende ist das Seyn und das Seyende von dem Herrn, oder genau gesprochen und eben in diesem Moment, in dieser durch das Anziehen der Natur gesetzten Bewegung wird es erkennt er sie als das Seyende und das Seyn von ihm, sich selber aber als den Herrn, als das Aussprechende von beyden.

    Wir können im Menschen leicht bemerken, wie es zu seiner vollkommenen Wirklichkeit nicht genug ist, etwas zu seyn, oder in sich zu haben. Es gehört noch dazu, daß er gewahr werde, was er ist, und was er hat. Er ist ein Seyendes, und er hat ein Seyn von Natur, ohne sein Zuthun, schon als Kind; aber dieses Seyende, wie dies Seyn ist wirkungslos, bis sich etwas, eine von beyden noch unabhängige Kraft findet, die sie gewahr wird, und die sie nun erst bethätigt. Es ist nicht genug, daß im Menschen Kräfte und Fähigkeiten vorhanden sind, er muß sie erkennen als die seinigen und nun erst ist es möglich, daß er sie ergreife, sie zur That und Wirkung bringe.

    Ebenso also können wir sagen, in Ansehung des Willens der Ewigkeit, der bis jetzt ruhete, sey dieser Moment, der Moment des Gewahrwerdens, dessen was er ist, der Moment des Erwachens, des Zu-Sich-Selber-Kommens im eigentlichen Verstande. Es ist nicht ein dem Seyn oder Seyenden fremder Wille, der erst zu ihnen hinzukommt, es ist ein Wille, der von Ewigkeit in ihnen selbst war und nur nicht sich äußerte. So kommt auch er zu nichts Fremdem, er kommt zu Sich selber, zu dem was er vor Ewigkeit war, und das er nur nicht gewahrte.

    Dieß war das höchste Ziel der von unten Mit diesem Wort endete auf Zeile 17 der Druck mitten auf dem weiterhin leerbleibenden Blatt der Seite 109. Hier folgt die Variante der S. 109 und die weitere Fortsetzung vom nicht mehr gedruckten Setzermanuskript:

    sind; er muß sie gewahr werden, muß sie erkennen als die seinigen, und nun erst ist es möglich, daß er sie ergreife und so ganz er selbst werde.

    So also können wir sagen: in Ansehung des Aussprechenden, welches zuvor ein gleichgültiger Wille war, sey dieser Moment, der Moment des Gewahrwerdens dessen, was er ist, der Moment des Erwachens, des Zu-Sich-Selber-Kommens im eigentlichen Verstande. Dieses ist denn auch das höchste Ziel jener von unten aufgekommenen Thätigkeit in welchem sie still steht; dieß die letzte Wirkung des ganzen bisher beschriebenen Processes, zu welcher sich alles andre, und selbst jene Gesichte der zukünftigen Dinge nur als Mittel verhielten.

    Alles war nur darum, damit jenes Verborgene, welches das Aussprechende ist des Seyenden und des Seyns, ebendieses Seyende und Seyn gewahr werde als Sich Selbst; es kann aber nicht sich selbst erkennen als das Seyende und als das Seyn, ohne zugleich die Natur zu erkennen, als seine eigene nur zuvor unbewußte Sehnsucht nach sich selber die es zuvor nicht kannte.

    So sehen wir denn alles bereit zur Entscheidung und dieses Letzte das Gewahrwerden seiner selbst, ist für das Ewige die Gränze des vergangenen und des folgenden Zustandes.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (SW). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1815). Text

    Der Widerspruch allein bringt Leben schon in die erste nothwendige Natur, die wir bis jetzt bloß im Begriff betrachteten. Denn da von den drei Principien, deren unauflösliche Verkettung sie ist, jedes seiner Natur nach das Seyende, aber wenn das eine seyend, dann nothwendig die andern nicht seyend sind, und ihr doch zugleich keine Freiheit zukommt zu seyn oder nicht zu seyn, so ist gleich in der ersten Natur eine wenn auch nur blindlings geschehende Entscheidung nöthig. Ist das eine seyend, so das andere nicht seyend, doch soll und muß jedes gleicherweise das Seyende seyn; somit bleibt nichts übrig als ein alternirendes Setzen, da abwechselnd jetzt das eine seyend ist, die andern nicht seyend, und dann hinwiederum eines von diesen seyend und die andern nicht seyend. Doch damit es in jenem Urdrang zum Seyn auch nur zu diesem alternirenden Setzen komme, ist nöthig, daß eines der Anfang oder das erste Seyende sey, und nach diesem das zweite und eines das dritte, und von diesem wieder die Bewegung auf das erste zurückgehe, und so ein ewig endendes und ewig wieder beginnendes Leben sey.

    Aber eben daß eines anfange, eines das Erste sey, muß eine Entscheidung erfolgen, die freilich nicht mit Bewußtseyn, nicht durch Ueberlegung, sondern nur im Gedräng zwischen der Nothwendigkeit und der Unmöglichkeit zu seyn, durch eine blindlings die Einheit brechende Gewalt geschehen kann. Das Einzige aber, worin ein Bestimmungsgrund für das Vorausgehen des einen und die Folge des andern gesucht werden kann, ist die besondere Natur eines jeden der Principien, welche von der allgemeinen unterschieden ist, die darin besteht, daß jedes gleich ursprünglich, gleich selbständig ist, und jedes gleichen Anspruch hat das Seyende zu seyn. Nicht etwa, daß eines der Principien schlechthin das Vorausgehende oder das Folgende seyn müßte, sondern nur, daß ihm durch seine besondere Natur verstattet, die Möglichkeit gegeben ist, das Erste, das Zweite oder das Dritte zu seyn.

    Einleuchtend ist nun, daß das, was zum Anfang gesetzt wird, eben dasselbe ist, das in der Folge untergeordnet wird. Der Anfang ist nur Anfang, inwiefern er nicht das ist, das eigentlich seyn soll, das wahrhaft und an sich Seyende. Wenn also Entscheidung ist, so kann nur das zum Anfang gesetzt werden, das durch seine besondere Art sich am meisten zur Natur des nicht Seyenden neigt.

    In der ursprünglichen Verneinung wird nun eben das bejahende Princip, das eigentliche Wesen oder Seyende (A) als nicht wirkend, d.h. als nicht seyend, gesetzt. Nicht daß es als das Seyende überhaupt verneint würde (dieß ist unmöglich), im Gegentheil, es wird gesetzt als das Seyende, aber nicht als seyend das Seyende, mit andern Worten als nicht offenbares, wirkliches Seyendes. Das allein Wirkende dagegen in dieser Einheit ist die verneinende Potenz (B), welche als die dem Wesen oder eigentlich Seyenden entgegengesetzte Potenz nicht das Seyende heißen kann, obwohl sie darum keineswegs das nicht Seyende oder Nichts ist.

    Wir mögen also in jener ursprünglichen Verneinung auf das Wirkende sehen, oder auf das, was in ihr unwirkend und leidend gesetzt ist, in jedem Fall werden wir sagen, daß sie am meisten von der Natur des nicht Seyenden hat, oder selbst als das nicht Seyende erscheint.

    Der Begriff des nicht Seyenden, vorzüglich aber das in so vielen Gestalten überall vorkommende nicht Seyende selbst hat von jeher die Betrachter geirrt und vielfach als ein wahrer Proteus in Verwirrung gebracht; denn gleichwie es den wenigsten einleuchtet, daß die eigentliche Kraft mehr in der Beschränkung als in der Ausbreitung liegt, und mehr Stärke dazu gehört, sich zu nehmen als sich zu geben, so ist es natürlich, wenn sie jenes durch sich selbst nicht Seyende, wo es ihnen begegnet, eher für das Nichts ansehen und es für den größten Widerspruch erklären, wenn behauptet wird, daß es eben als das nicht Seyende sey.

    Von diesem bloß grammatischen Mißverstand, der auch manche Ausleger griechischer Philosophen befing, und welchem unter andern auch der Begriff der Schöpfung aus Nichts seinen Ursprung zu verdanken scheint, konnte sie jedoch schon die ganz einfache, wenn auch sonst nirgendher doch aus Plutarch zu lernende Unterscheidung befreien zwischen dem nicht Seyn (μὴ εἶναι) und dem nicht seyend Seyn (μὴ Ὄν εἶναι). Hiedurch läßt sich auch der Ausdruck Beraubung (στέρησις), mit dem Aristoteles das andere, Entgegengesetzte (τοὐναντίον) bezeichnet, vertheidigen, inwiefern nämlich die verneinende, das Wesen einziehende Kraft es nicht setzt, daß es nicht-ist, sondern nur, daß es nicht das Seyende ist.

    Auf den Begriff des nicht Seyenden muß übrigens schon die allgemeinste Betrachtung führen. Denn das, was an jedem Ding das eigentliche Seyn ist, kann schon des Gegensatzes wegen nicht einerlei mit dem Seyenden seyn, sondern ist seiner Natur nach das nicht Seyende, darum aber keineswegs das Nichts; denn wie sollte das das Nichts seyn, das doch das Seyn selber ist? Das Seyn muß eben auch wieder seyn. Es gibt kein bloßes Seyn, in dem gar nichts Seyendes wäre (kein A ohne B). Das nicht Seyende ist nur nicht ein gegen anderes (objektiv) Seyendes, wohl aber ist es ein in sich (subjektiv) Seyendes. Es ist nur gegen jenes als das vorzugsweise Seyende ein nicht Seyendes, auf sich selbst bezogen aber wohl ein Seyendes. Alles Seyende eines geringeren Grades verhält sich gegen das eines höheren als ein nicht Seyendes, und dasselbe A, das gegen ein anderes ein Seyendes ist, kann gegen das A einer noch höheren Ordnung als ein nicht Seyendes erscheinen.

    So ohngefähr ließe sich auf unsere Art ausdrücken, was schon Platon in dem herrlichen Gespräch von dem nicht Seyenden gezeigt, wie es nämlich nothwendig sey, und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum ununterscheidbar seyn würde.

    Dasjenige ist immer dem Begriff nach das Seyende, in welchem das bejahende Princip wirkend, äußerlich offenbar ist. Aber es folgt nicht immer, daß, was dem Begriff nach, darum auch der That nach sich als das Seyende verhalte; denn bei verkehrter Ordnung, oder wo noch keine Ordnung, Besonnenheit und Gliederung ist, kann ebenso das an sich selbst oder wesentlich Seyende gegen das, was eigentlich seinem Wesen nach nicht seyend ist, zum nicht Seyenden werden. Wie der Gute das Böse in sich niederhält, so bringt umgekehrt der Böse das Gute in sich zum Schweigen, und setzt das, was seinem Wesen nach das Seyende ist, der That nach als nicht Seyendes.

    Des Mißbrauchs, den eine andere Art der Sophistik von dem Begriff des nicht Seyenden macht, wollen wir noch gedenken. Weil nämlich dem blinden Gefühl das Seyn als das Höchste erscheint, alles Seyn aber auf Verschlossenheit des Wesens beruht, so schließt sie (wird ihr anders durch diese Erklärung nicht zu viel geliehen), das Seyn sey unerkennbar, und weil ihr alles Seyn ist, nichts sey erkennbar, alles wissende Wissen löse das Seyn auf, und nur der Nichterkennende erkenne. An sich ist allerdings nur das Seyende auch das Erkennbare, das nicht Seyende das nicht Erkennbare. Aber es ist doch nur unfaßlich so weit und in dem, wieweit und worin es nicht Seyendes ist; soweit es aber als solches zugleich ein Seyendes ist, ist es ja wohl faßlich und erkennbar. Denn das, wodurch es nicht Seyendes ist, ist eben das, wodurch es Seyendes ist. Denn nicht Seyendes ist es nicht wegen gänzlichen Mangels an Licht und Wesen, sondern wegen thätiger Verschließung des Wesens, also durch wirkende Kraft. Wir mögen daher auf das sehen, was in ihm innerlich und verborgen, oder auf das, was an ihm äußerlich und offenbar ist: so ist jenes eben die Wesenheit selbst, dieses aber eine wirkende Kraft, ja wir würden richtiger sagen, die Kraft, die Stärke schlechthin, die als solche doch ebenfalls ein Seyendes, also Erkennbares seyn muß.

    Dieß ist die ewige Kraft und Stärke Gottes, daß er sich selbst verneint, sein Wesen verschließt und in sich selbst zurücknimmt. In diesem Akt ist die verneinende Kraft das einzige Offenbare von Gott, das eigentliche Wesen aber das Verborgene; das Ganze verhält sich daher als A, das nach außen B ist = (A=B). Dieses also, weil Gott in ihm der nicht seyende (nicht offenbare) ist, neigt sich seiner Wesenheit nach am meisten dazu, gegen anderes nicht seyend zu seyn. Dieses also ist der Anfang, oder wie wir es auch sonst schon ausgedrückt, die erste Potenz.

    So ist nach den ältesten Lehren allgemein die Nacht nicht das oberste Wesen (wie diese Lehren heutzutage mißverstanden werden), sondern das erste, das eben darum im Fortgang der Bewegung das unterste wird, und gerade das muß zum Grund der Offenbarung gemacht werden, was alle Offenbarung verneint.

    Dasselbe läßt sich nun auch von anderer Seite her darthun. Ein Wesen kann nicht sich verneinen, ohne eben damit Sich sich selbst innerlich, also zum Objekt seines eignen Wollens und Begehrens zu machen. Der Anfang aller Wissenschaft liegt in der Erkenntniß seiner Unwissenheit; aber unmöglich ist, daß der Mensch sich selbst als unwissend setze, ohne sich dadurch die Wissenschaft innerlich, zu einem Gegenstand seines Begehrens zu machen. Sich selbst setzen als nicht seyend und sich selber Wollen ist daher eins und dasselbe. Das Erste jedes Wesens ist, daß es sich selber will, dieses sich-Wollen ist eben nachher die Grundlage der Egoität, das, wodurch ein Wesen sich abzieht oder abschneidet von andern Dingen, wodurch es nur Es Selbst ist, und also nach außen oder gegen alles andere verneinend.

    Aber im Wollen überhaupt liegt auch allein die Kraft eines Anfangs. Denn das, was gewollt wird, was also der Intention nach eigentlich seyn soll, wird eben in dem, daß es gewollt wird, als nicht seyend gesetzt. Aber aller Anfang beruht darauf, daß das nicht sey, das eigentlich seyn soll (das an sich Seyende). Da nun ein Wesen, das nichts außer sich hat, nichts wollen kann als eben sich selbst, so kann der unbedingte, der schlechthin erste Anfang nur im sich-Wollen liegen. Aber Sich wollen und Sich verneinen als seyend ist eins und dasselbe. Also kann auch nur im sich Verneinen als seyend der erste Anfang seyn.

    Denn überhaupt nur in der Verneinung liegt der Anfang. Aller Anfang ist seiner Natur nach nur ein Begehren des Endes oder dessen, was zum Ende führt, und verneint sich also als das Ende. Es ist nur erste Spannung des Bogens, nicht sowohl selbst seyend als der Grund, daß etwas sey. Daß eine Bewegung jetzt anfange oder werde, ist nicht genug, daß sie nur nicht sey; sie muß ausdrücklich gesetzt werden als nicht seyend; damit ist ein Grund gegeben, daß sie sey. Der Anfangspunkt (terminus a quo) keiner Bewegung ist ein leerer, unthätiger Ausgangspunkt, sondern eine Verneinung derselben, die wirklich entstehende Bewegung eine Ueberwindung dieser Verneinung. War sie nicht verneint, so konnte sie nicht ausdrücklich gesetzt werden. Verneinung ist also das nothwendig Vorausgehende (prius) jeder Bewegung. Der Linie Anfang ist der geometrische Punkt, nicht weil selbst ausgedehnt, sondern weil Verneinung aller Ausdehnung; die Eins Anfang aller Zahl, nicht sowohl weil selbst Zahl, als weil Verneinung aller Zahl, aller Vielheit. Was sich steigern soll, muß sich erst zusammennehmen, in Wurzelzustand versetzen, was wachsen will, sich verkürzen; und so ist Verneinung überall der erste Uebergang von Nichts in Etwas.

    Es leidet daher keinen Zweifel, daß, wenn unter den Urmächten des Lebens eine Folge stattfindet, nur die, welche das Wesen einschließt und zurückdrängt, die anfangende seyn kann. Das Erste in Gott nach der Entscheidung, oder, da wir diese von aller Ewigkeit her als geschehen (wie noch immer geschehend) annehmen müssen, das Erste in Gott überhaupt, im lebendigen Gott, der ewige Anfang seiner selbst in ihm selbst, ist, daß er Sich verschließt, versagt, sein Wesen von außen abzieht und in sich selbst zurücknimmt.

    Die jetzt angenommene Lehre von Gott ist, daß er ohne allen Anfang sey. Dagegen die Schrift: Gott sey der Anfang und das Ende. Ein in jedem Betracht anfangloses Wesen müßten wir uns als die ewige Unbeweglichkeit, die reinste Wirkungslosigkeit denken. Denn kein Wirken ist ohne einen Punkt, von dem es aus- und nach dem es hingeht. Ein Wirken, das weder etwas Festes hätte, auf das es sich gründete, noch ein bestimmtes Ziel und Ende, das es begehrte, wäre ein völlig unbestimmtes, kein wirkliches und als solches unterscheidbares Wirken. Es läßt sich also wohl ein nicht wirkliches, nimmer aber ein wirkliches Ewiges ohne Anfang denken. Nun aber reden wir von dem nothwendig Wirklichen Gottes. Dieser also hat nur insofern keinen Anfang, als er keinen Anfang seines Anfangs hat. Der Anfang in ihm ist ewiger Anfang, d.h. ein solcher, der von aller Ewigkeit her Anfang war, und noch immer ist, und auch nie aufhört Anfang zu seyn. Ein anderes ist auch der Anfang, den ein Wesen außer sich, und den es in sich selbst hat; ein anderes ein Anfang, dem es entfremdet werden und von dem es sich entfernen kann, und ein Anfang, in dem es ewig bleibt, weil es Sich selbst Anfang ist.

    Aber die göttliche Natur leidet es nicht, daß er bloß ewiges Nein ist, ewige Versagung seiner selbst; es ist ebenso gut seine Natur, daß er ein Wesen aller Wesen sey, das unendlich sich Gebende und Mittheilende. Indem er also sein Wesen verbirgt, in dem tritt kraft der ewigen Nothwendigkeit seiner Natur jener (nicht etwa aufzuhebenden, sondern bleibenden, obwohl jetzt ins Negative zurücktretenden) Verneinung das ewig Bejahende seines Wesens entgegen, das nun im Gegentheil die verneinende Kraft in sich zurückdrängt und eben damit zum selbständigen Wesen sich steigert.

    Wie der Körper unmittelbar, indem er sich zusammenzieht und erkaltet, fühlbare Wärme um sich verbreitet, also die zuvor unwirksame Wärme in Wirkung erhöht: so und mit ganz gleicher Nothwendigkeit wird jene ursprüngliche Verneinung der unmittelbare Grund, die zeugende Potenz des eigentlichen Wesens, und setzt dieses außer sich, unabhängig von sich als ein von ihm ab-, ja ihm entgegengesetztes Wesen, als das ewige in sich selbst Seyende.

    Es fällt dadurch ein neues Licht auf jene ursprüngliche Verneinung. Ein Wesen kann nicht sich selbst verneinen als wirklich, ohne zugleich sich zu setzen als die verwirklichende zeugende Potenz von sich selbst. So wie umgekehrt sich setzen als die verwirklichende Potenz von sich selbst und sich setzen als nicht seyend wiederum eins und dasselbe ist.

    In der ersten Potenz (in A=B) war auch ein Seyendes (A); aber dieses war hier als nicht seyend (als leidend, als Objekt) gesetzt. In dem von ihm Gezeugten aber ist der Voraussetzung nach das Seyende als Seyendes gesetzt. Es kann insofern das Seyende der zweiten Potenz heißen (wir bezeichnen es als das, in dem nun vielmehr das Verneinende, B, verschwindet, durch A2); und schon hieraus würde erhellen, daß, wenn jenes ursprüngliche Nein der Anfang und das Erste, das ihm entgegengesetzte Wesen das Zweite und Folgende sey.

    Daß jenes nur vorausgehen, dieses nur folgen könne, läßt sich jedoch noch auf andere Art so einsehen. Daß die verneinende Kraft das Wesen zurückdrängt, ist ihr natürlich; und eine verneinende Kraft einmal gesetzt, wird sie nicht anders wirken können als auf Verschlossenheit des Wesens. Aber dem bejahenden Princip an sich selbst ist die verneinende Kraft völlig fremd; und doch ist es als das Seyende nur dadurch seyend und wirklich, daß es die verneinende Kraft in sich zurückdrängt. Dazu nun würde es von sich selbst nie kommen, also auch nie in Wirkung erhöht, wenn nicht die Verneinung des Wesens vorausgegangen wäre. Denn daß es Seyendes ist, dieses freilich hat es von sich selbst; daß es aber als das Seyende wieder ist, sich werkthätig erweist, sich offenbart als das Seyende, davon liegt der Grund in der verneinenden Potenz. Wäre das Nein nicht, so wäre das Ja ohne Kraft. Kein Ich ohne Nicht-Ich, und insofern ist das Nicht-Ich vor dem Ich. Das Seyende hat eben darum, weil von sich selbst Seyendes, keinen Grund zu begehren, daß es sey. Aber verneint zu seyn widerstrebt seiner Natur. Ist es also irgend verneint, so folgt, daß es außer dem, worin es verneint ist, an sich selbst, unverneint und in seiner eignen Lauterkeit sey.

    Mit diesen beiden Potenzen ist der Urgegensatz gegeben; doch kein solcher, der auf einer gänzlichen wechselseitigen Ausschließung, nur ein solcher, der auf einem entgegengesetzten Verhältniß, gleichsam einer umgekehrten Stellung jener ersten Lebenskräfte, beruht. Was in der vorausgehenden Potenz das Aeußere, Einschließende, Verneinende war, ist in der folgenden selbst das Innere, Eingeschlossene, selbst Verneinte; und umgekehrt, was dort das Gehemmte war, ist hier das Freie. Unendlich fern, sind sie einander unendlich nah. Fern, weil, was in dem einen bejaht und offenbar, in dem andern verneint und ins Dunkel gesetzt ist. Nah, weil es nur einer Umkehrung bedarf, einer Herauswendung dessen was verborgen und einer Hineinwendung dessen was offenbar ist, um das eine in das andere zu versetzen und gleichsam zu verwandeln.

    So sehen wir schon hier die Anlage zu einer künftigen inneren, aus jedem für sich kommenden Einheit. So liegt der Tag in der Nacht verborgen, nur überwältigt durch die Nacht, so die Nacht im Tag, nur niedergehalten vom Tag, doch daß sie sich alsbald herstellen kann, wie die zurückdrängende Potenz verschwindet. So das Gute im Bösen, nur unkenntlich gemacht vom Bösen, so das Böse im Guten, nur beherrscht von ihm und zur Unwirksamkeit gebracht.

    Aber so scheint nun die Einheit des Wesens zerrissen, da jedes der Entgegengesetzten für sich und in sich selbst steht als ein eignes Wesen; aber sie selbst neigen sich zur Einheit, oder daß sie in einem und demselben zusammenkommen, denn es kann sich die verneinende Kraft nur als verneinende empfinden, wenn ein aufschließendes Wesen ist, und dieses kann als das bejahende nur wirken, indem es das verneinte, zurückgedrängte befreit. Auch ist unmöglich, daß die Einheit des Wesens aufgehoben werde; vermöge der ewigen Nothwendigkeit also, durch die Kraft des unauflöslichen Lebens, setzen sie außer und über sich ein Drittes, welches die Einheit ist.

    Dieses Dritte muß an sich selbst außer und über allem Gegensatz seyn; die lauterste Potenz, das gegen beide Gleichgültige, von beiden Freie und am meisten Wesentliche.

    Daß dieses nicht das Erste, nicht das Zweite, nur das Dritte seyn könne, und sich nur verhalten als Seyendes der dritten Potenz =A3, ist nach dem Vorhergehenden von selbst klar.

    Wie die ursprüngliche Verneinung der ewige Anfang, so ist dieses Dritte das ewige Ende. Es ist von der ersten Potenz bis zur dritten eine unaufhaltsame Fortschreitung, eine nothwendige Verkettung. Die erste Potenz gesetzt, ist nothwendig auch die zweite, und diese beiden erzeugen ebenso nothwendig die dritte. Damit sodann ist das Ziel erreicht; nichts Höheres ist in demselben Fortgang zu erzeugen.

    Aber in ihrem Gipfel angekommen, geht die Bewegung von selbst zurück auf ihren Anfang. Denn jedes von den Dreien hat gleiches Recht das Seyende zu seyn; jener Unterschied und die daraus hervorgehende Unterordnung ist nur ein Unterschied des Wesens, der aber die Gleichwichtigkeit in Ansehung des seyend-Seyns, oder wie wir es kürzer ausdrücken, die existentielle Gleichheit nicht aufzuheben vermag.

    Es kann hier noch überall von keinem sittlichen Verhältniß die Rede seyn; denn noch haben wir überall nichts gesetzt als blinde Natur, aber kein sittliches Princip. Oft genug sind wir belehrt worden, das Ideale stehe über dem Realen, das Physische sey dem Geistigen untergeordnet und Aehnliches, gleichwie es uns nie an solcher Belehrung gefehlt. Zwar diese Unterordnung schien aufs bestimmteste ausgesprochen, indem wir immer das dem Realen Verwandte als erste Potenz, das dem Idealen als zweite gesetzt. Allein es fange nur einer damit an, das, was untergeordnet seyn soll, als wirklich untergeordnet zu setzen: was hat er dann? Er ist fertig gleich im Anfang; alles ist geschehen, und es gibt weiter keinen Fortgang.

  • in: Jahreskalender Schelling »Jahreskalender 1817-1« (1817). Text

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  • in: Jahreskalender Schelling »Jahreskalender 1817-2« (1817). Text

    Das Erste, Sehnen

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  • in: Jahreskalender Schelling »Jahreskalender 1818« (1818). Text

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  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 79)« (?). Text

    XVIII)andern Er Selbst als Er Selbst ist, der einzige, von allem abgeschnittne der zuerst und allein seyn muß, damit anderes seyn könne.

    Alles Leben bestehet in Entwicklung. Entwicklung aber Alle Entwickelung setzt Einwickelung zum voraus. Warum schreitet alles vom Kleinen ins Große fort, da es ja sonst wohl, wenn es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre, auch umgekehrt seyn könnte? In der Anziehung liegt der Anfang. Alles Seyn ist Contraction und die zusammenziehende Grundkraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft der Natur. Dunkelheit und Verschlossenheit ist der Charakter der Urzeit. Alles Leben wird zuerst und bildet sich in der Nacht; darum wurde diese von den Alten die fruchtbare Mutter der Dinge, ja nebst dem Chaos das älteste der Wesen genannt. Je höher wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto mehr finden wir unbewegliche Ruhe, Ungeschiedenheit und gleichgültiges Zusammenseyn derselben Kräfte, die sich erst leise, dann zu immer wilderem Kampf entzünden. So in den Gebirgen der Urwelt, die mit ewig stummer Gleichgültigkeit herabzusehen scheinen auf das bewegliche Leben zu ihren Füßen; so in den ältesten Bildungen auch des Menschengeistes. Derselbe Charakter von Verschlossenheit kommt uns in dem stummen Ernst des Aegyptiers, in den Riesendenkmälern Indiens, die für keine Zeit, sondern für die Ewigkeit gebaut scheinen, ja selbst noch in der stillen Größe, der erhabenen Ruhe der ältesten Werke hellenischer Kunst entgegen, die gleichsam unmittelbar vor Entzündung des Streits entstanden noch wenn auch gemildert die Kraft jenes gediegenen Zeitalters an sich tragen. Alle Sagen und Lehren der ältesten Zeit stimmen darinn überein, den ersten Zustand des Urwesens als den einer unendlichen Verschlossenheit einer unerforschlichen Stille und Verborgenheit zu schildern.

    Wie in dem nächtlichen Gesicht, da der Herr vor dem Propheten vorüberging, erst ein mächtiger Sturm kam, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, nach diesem ein Erdbeben, endlich ein Feuer, der Herr selbst aber in keinem von dem allen war, sondern ein stillsanftes Sausen folgte darinn er war: so muß in der Offenbarung Gottes die Stärke, die Macht und die Gewalt vorausgehen, bis im leisen Wehen der Liebe sein eigentliches Wesen erscheinen kann.

    Ebendarum ist dieses Vorausgehen der Stärke selbst das Werk der höchsten Liebe. Liebe ist’s, wodurch diese Verschlossenheit im Subjekt des Urwesens überwunden worden. Durch Liebe bewogen, macht sich die ewige Kraft zum Subjekt des Seyns, und tritt dadurch in ihre eigne finstre Natur, da sie in der Einheit bleibend, durch Liebe gemildert, durch die Weisheit gemäßigt seyn konnte. So verläugnet auch das andre Princip das seiner Natur nach Liebe und Güte ist, sich selbst, indem es nur das erste für sich wirken läßt, also der Kraft sich begibt, da diese doch zu ihm gehörte. Die Einheit aber versagt sich durch die beyden Principien als Einheit offenbar zu werden, und tritt in das Unsichtbare zurück.

    Es läßt sich diese That, wodurch die zuvor unverbrüchliche Einheit der Principien gebrochen wird, auch als eine Selbsteinschränkung des Urwesens anziehen. Eingeschränktwerden ist Unvollkommenheit, aber sich selbst einschränken, sich einschließen in einem einzigen Punkt, aber den nun auch festhalten mit allen Kräften des Geistes und des Herzens und nicht ruhen, bis er zu einer Welt entfaltet ist, das ist göttliche Kraft. So oft der Mensch etwas wirken oder hervorbringen will, muß er aus der Unentschiedenheit heraustreten, sich irgendeines zum Princip machen und diesem gemäß sich selbst zusammennehmen. Auch als Herablassung ist jene That anzusehen: Alles fängt von Contraction, d.i. vom Kleinen an und schreitet zur Entfaltung, d.i. zum Großen fort. Warum könnte das nicht auch umgekehrt seyn, wenn es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre. Der Ewige folgt dem nämlichen Gesetz; nur Er freywillig, alles andre Lebendige gezwungen. Aber es kommt noch ein anderes in Betracht. Denn an sich selbst ist jede aus der Vielheit gewordene Einheit vergänglich, wenn das zusammenhaltende Princip nicht mächtiger ist als jenes. Hier aber ist das Subjekt oder zusammenhaltende Wesen nur Eines, indeß die Vielheit, die dadurch zusammengehalten werden soll die Allheit der Principien ist. Also ist schon hieraus offenbar, daß die Einheit, in die sich hier das Ewige einschließt, eine wenigstens im gewissen Sinn sterbliche Einheit seyn müsse. Demnach ist dieses Zusammenziehen und sich-Setzen im Zusammengezognen schon der erste Grad der Inkarnation des Göttlichen, indem es sich in ein Wirkliches einschließt, das als ein solches nicht bleiben kann.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 82)« (?). Text

    Begriffe: Anfang aller Wissenschaft, das Seyende, Etwas, Einheit und Zweyheit

    Genannte Personen: milesischer Thales

    Begriffe: Seyendes, Wesen

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 87)« (?). Text

    Laut diesen Betrachtungen ist uns also erst der Begriff des eigentlichen Gegenstandes der Philosophie, nämlich des absoluten Subjects, des Prototyps aller Existenz gegeben, welches nämlich besteht in dem Veräußerlichen- (sich äußerlich Machen-)Können des eignen inneren Wesens, in dem Subject und Object von sich selbst seyn Können, womit von selbst auch gegeben ist die innre, lebendige Möglichkeit, jenes als Seyn, (d.h. als Äußerliches) gesetzte Wesen sich anziehen, und in der Beziehung erst zum wirklichen Seyn machen können.

    Es ist allerdings nicht zu läugnen, daß das Seyn, welches das reine Können sich anzieht, und durch dessen Anziehung es sich seyend macht oder existirt, daß dieses Seyn auch ein ursprünglich äußeres von ihm seyn könnte; d.h. es ist nicht überall unmöglich, daß auch auf solche Art, durch Anziehung eines solchen Seyns, Existenz gesetzt werde. Aber soviel ist zugleich klar, daß diese Existenz keine ursprüng-

    am Rand (auch Seite davor): Überlegungen zu Können, Müssen, Sollen

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 91)« (?). Text

    Begriffe: »Ein Laut«, vom Seyn befangen, ursprüngliche Freyheit, unfürdenkliche Schuld, Können, Anziehen, Gleichgültigkeit, Subject, Nichts/Überseyendes, Einheit in Zweyheit, Seyn Sollendes, Seyn Müssendes, Selbstannehmlichkeit, Rotation, Krisis, Sohn als abgesonderte Persönlichkeit erst in 6, vollendete Universio

    Genannte Personen: Janus

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 92)« (?). Text

    Die erste Frage ist also natürlich die: Wie kann ein an sich selbst Seynloses überhaupt seyend werden? Es gibt nur Eine Antwort auf diese Frage, da es in sich selbst weder seyend noch nichtseyend ist und in sich selbst auch nie seyend werden kann (denn nichts kann seyend werden auf Kosten und gleichsam mit Verlust dessen was es ist). So kann es überhaupt nur gegen ein Anderes seyend werden, und zwar nur gegen ein Solches, das ihm das Seyn ist. Es sey das an sich Seynlose seinem Wesen nach =A, so ist die Bestimmung des seyend Seyns etwas über sein Wesen zu ihm Hinzukommendes, das seyende Seynlose also =+A. Da aber dieses Plus nicht durch eine Veränderung seines Wesens entstehen kann, da es an sich immer das Seynlose bleiben muß, so ist offenbar daß es nur durch etwas außer ihm zu ihm hinzukommen kann, daß es nur im Verhältniß gegen ein Anderes in’s seyend Seyn, in +A, erhöht werden kann. Dieses Andere dann, gegen welches sie seyend ist muß sich natürlich zu ihm als das Seyn und in sofern als das nicht Seyende verhalten. (-A)

    Wir nehmen sogleich diesen Begriff (des nicht Seyenden) auf, und bemerken vorerst nur, daß es in ganz anderm Sinne das nicht Seyende ist als jenes an sich Seynlose. Denn diesem war es keine Beraubung, nicht seyend zu seyn, denn es war überhaupt außer allem Seyn. Das nicht Seyende, dessen Begriff sich hier eingefunden, liegt aber schon in der Sphäre des Seyns, da auch ein Seyendes ist, und verhält sich da als das, das nicht das Seyende ist. Doch ist das nicht-das-Seyende-Seyn an ihm auch nicht mehr als bloße Beraubung, nicht Verneinung. Es ist nur das was nicht das Seyende ist, aber darum keineswegs das Nichtseyende.

    Die deutsche Sprache bietet für die Bezeichnung der hier stattfindenden Unterschiede bequeme Mittel dar. Wenn wir von einer Sache sagen, sie ist nicht glaublich, so drücken wir damit nicht mehr aus als daß ein bestimmter Grund mangelt sie zu glauben. Hier ist eitel Mangel und Beraubung, keine Verneinung. Sagen wir aber »sie ist nichtglaublich« so ist der Sinn, daß ein bestimmter Grund vorhanden ist sie nicht zu glauben. Hier ist entschiedene Verneinung. Sprechen wir dagegen: sie ist unglaublich, so heißt dieß, sie ist über allen Glauben hinaus, es ist bey ihr weder von Glauben noch Nichtglauben die Rede, es bedarf weder der Bejahung noch Verneinung. Demgemäß werden wir künftig jenes nackte Seynlose Wesen das Un- oder vielmehr Ohnseyende nennen, (denn eben dieses ohne drückt seine gänzliche Entfernung von allem Seyn aus); das nicht Seyende aber jenes, das dem Seyenden das Seyn ist.

    Inwiefern wir nun sagen, daß dieses das nicht das Seyende ist darum nicht das Nichtseyende ist, sagen wir, daß es doch in gewissem Betracht ein Seyendes ist, welches denn den Unerfahrenen und Unwissenden ein heller Widerspruch denkt. Von diesem Mißverstand der auch bey den Erklärungen des μὴ ὄν der Alten viel eingewirkt könnte jedoch schon die einfache, wenn sonst nirgendsher, aus Plutarch zu lernende Unterscheidung befreyen zwischen dem nicht Seyn und dem nicht das Seyende seyn (μὴ εἶναι und μὴ ὄν εἶναι). Aber von jeher hat dieser Begriff als ein wahrer Proteus die Unvorsichtigen geirrt und vielfach in Verwirrung gebracht. Es gibt gar zu Vieles von dem nicht zu sagen ist, es sey wahrhaft Seyendes und von dem doch auch nicht zu läugnen steht, daß es auf gewisse Weise ist. Aber alle Sophisten haben von jeher bequem gefunden, nur kurzweg zu sagen daß das alles gar nicht ist, wie wir denn zu unsrer Zeit erlebt haben, daß von der Natur, weil sie nicht das Seyende ist, ### dargethan worden, sie sey das überall und auf jede Weise Nichtseyende.

    Im Allgemeinen kann, was als Seyn angesehen oder zum Seyn gerechnet wird, schon des Gegensatzes wegen nicht einerley mit dem Seyenden seyn, sondern ist nothwendig das nicht Seyende, darum aber nicht das Nichts. Denn wie sollte das das Nichts seyn, das doch das Seyn selber ist? Das Seyn muß eben auch wieder seyn, es gibt kein leeres bloßes Seyn, in dem 3)gar nichts Seyendes wäre. Es ist nur das gegen ein Anderes nicht Seyende, in sich selbst aber wohl ein Seyendes. Sonst vermöcht es ja auch nicht als das nicht Seyende, also auch nicht dem Seyenden das Seyn, zu seyn. So ohngefähr ließe sich auf unsere Art ausdrücken, was schon Platon in dem herrlichen Gespräch gezeigt, wie nothwendig auch das nicht Seyende sey. Lese dieß Gespräch vom nicht Seyenden, wenn der Begriff nicht klar ist; das ist ein Werk, von dem er die Weihe empfangen kann, denn ohne die Einsicht, daß und wie, nothwendig, das nicht Seyende sey, ist nicht einmal ein Anfang der Wissenschaft.

    Soviel im Allgemeinen und ein für alle mal von dem nicht Seyenden, das uns vielleicht noch in mancherley Gestalten begegnen wird. Wir kehren zu dem zurück, das nächster Vorwurf unsrer Betrachtung ist: das an sich Seynlose und Ohnseyende kann nur seyend seyn gegen eines, das ihm das Seyn ist. Also eines, das schlechthin Eins wär’ und nichts außer sich hätte, könnte überall nicht seyend seyn. Dazu daß Eines seyend sey, gehören durchaus Zwey.

    Woher nun jener uranfänglichen Lauterkeit das Andre? Es kann Nichts außer ihr vorhanden gedacht werden, sie ist das schlechthin Erste und Älteste das selbst Gott muß vorausgesetzt werden. Also es ist das allem Voraus-Gesetzte. Sind also zwey nothwendig, soweit jene Lauterkeit seyend sey, so muß sie selbst Zwey werden, sie muß sich selbst das Seyn oder das nicht Seyende seyn.

    Dieses möchte nun zuvörderst gedacht werden durch Theilung. Aber unmöglich! Würde das lautere A durch Theilung nicht Seyendes und Seyendes dergestalt daß es einem Stück nach das, dem andern nach jenes wäre so wär es als das Seyende (+A) nicht mehr das ganze lautere A, welches gegen die Voraussetzung ist. Daß man die Theilung nicht mechanisch sondern dynamisch denkt macht keinen Unterschied. Dynamisch, d.h. Entzweyung wäre Theilung, wenn +A und -A gedacht würden, als Kräfte die durch Vereinigung, gegenseitige Aufhebung das lautere A ausmachten. Dann wäre eben das hervortretende +A nicht mehr das lautere A, das nur im Hervortreten unter dieser Bestimmung gesetzt ist, es wäre schon vorher, wenn auch unmerklich +A, sein wirkliches +A oder seyend Werden bestünde in einem bloßen Merklich- oder Offenbarwerden dieser schon vorher, auch im lautern A, dagewesenen Bestimmung.

    Also überhaupt weder durch Theilung noch durch Entzweyung könnte das lautere Eine Zwey werden, sondern nur durch Zweyung, oder Doppelung, dergestalt nämlich daß es als das Seyende und als das nicht Seyende dasselbe ungetheilte Ganze wäre.

    Dagegen (wenn es recht gedacht wird) erhebt sich nun sogleich der Einwurf daß es unmöglich. Denn ist A das nicht Seyende, so ist es eben darum nicht das Seyende seyn, und ist es das Seyende so ist es ja in ebendem nicht das nicht Seyende: denn unmöglich ist daß dasselbe zumal das Seyende und nicht Seyende sey.

    Du redest ganz richtig, würde ich dem so Einwendenden antworten, aber merke nur auf das Wörtlein zumal, das du dabey gesetzt hast. Zumal freylich ist es unmöglich, aber eben darum möglich wenn es das eine zuerst und das andre hernach ist. Das Vorausgehen (die Priorität) des einen vor dem andern hebt hier allen Widerspruch. An jener Unmöglichkeit eben bricht sich gleich die zeitlose Ewigkeit, die nur in dem lauteren A gesetzt ist, da schlechthin weder Anfang ist noch Ende. Darum wird gleich alles in Bewegung und in Aufeinanderfolge gesetzt.

    Darinn nämlich liegt erstens nicht Widersprechendes daß Ein und dasselbe vorangehender Weise das nicht Seyende sey und folgender Weise das Seyende. Es kann der Mensch, ja er soll, zuerst einen strengen Willen fassen, als ohne den er nichts wäre, als ein stetes Zerfließen und er kann doch nachfolgender Weise in sich einen sanften Willen erzeugen, so daß er beyde doch immer in der Tiefe oder im Grunde bleibt, und die zwey entgegengesetzten Willen sich in dem Einen vertragen. Unmöglich wäre dieß nur in einem todten, stillstehenden starren schlechthin endlichen und unfreyen Wesen, aber in einem freyen, steigerungsfähigen, das eine innere Unendlichkeit ist, hindert nichts, daß es erst dieß und hernach das grad’ Entgegengesetzte sey, ja es muß vielleicht erst jenes seyn damit es dieses seyn könne. Insofern ist vielleicht nicht einmal nöthig, daß eine Zeit dazwischen verfließe, und daß es je und irgend eine Zeit das Erste allein sey, sondern gleich so wie es das Erste ist kann es das andre seyn, nur daß es nicht umgekehrt dieses seyn kann und dann nothwendig das andre. Daher in dem obigen Ausspruch das Wörtlein Zumal nicht einmal streng richtig heißen kann, da ein solches Vorn und Nach, wie es beschrieben worden gar wohl ein Zumal zuläßt, und umgekehrt mit dem Zumal dennoch ein Verhältniß des Bedingens und Bedingtseyns bestehen kann. Es sollte heißen dasselbe kann nicht in derselben Ordnung (Würde, oder wie wir bald auch sagen werden: Potenz) dieses also das nicht Seyende und auch das Entgegengesetzte, also das Seyende seyn.

    Es ist zweytens ebenso wenig nöthig, daß es, wenn es das andre, etwa das Seyende wird, dann aufhöre das Erste, also das nicht Seyende zu seyn, sondern wenn beyde so weit einander ### sind daß es das Andre nur seyn kann, wenn das Erste ist, so muß es ja nothwendig das Erste bleiben um das Andre zu seyn, und eben in dem daß es als das Andre ist ist es auch erst wahrhaft als das Erste, denn die Bedingung erlangt erst dadurch daß ihr Bedingtes ist auch ihre volle Wesentlichkeit.

    Wir haben von dem Allem ein deutliches Beyspiel an den Zahlen. Jedwede Zahl auf ihr eines Wesen zurückgebracht ist wieder eine lautere Einheit aller aus ihr durch Fortschreitung erzeugten: a0 bekanntlich =1. Nun denke man sich eine beliebige Zahl z.B. 20 nicht als todt, sondern als ein wirkliches lebendiges Wesen, als eine Entelechie im Aristotelischen Sinn oder wie die Pythagoreer die Seele als eine sich selbst bewegliche Zahl beschrieben. So unmöglich ist daß sie die Zahlen, in denen sie, die an sich unsichtbare, sichtbar wird (2, 4, 8 u.s.w.), anders, als die eine zuerst und die andre hernach sey, so daß die vorhergehende immer den folgenden zum Grund wird. Denn unmöglich ist, daß 4 sey, ohne daß 2 oder daß 8, ohne daß 4 und 2 seyn. Ebenso unmöglich aber ist, daß indem 4 ist darum 2 aufhöre zu seyn, könnte es aufhören, so sänke die ganze Reihe in 20 zurück; daß also die eine und ungetheilte Zahl (20) alle diese Zahlen zumal, doch in verschiedenen Stufen, Ordnungen, Potenzen als 21, 22, 23 ... 2n ist.

    Merke also genau, lieber Leser: daß jenes Nichts das doch nicht Nichts ist, seyend werde dieß beweisen wir nicht, dieß setzen wir voraus, da wir von ihm ja nur wissen, in wiefern es das An sich, das Verborgene des Seyenden ist und es außer dem Seyenden nur noch irgend eine Zeit da ist, daß es aber seyend wird durch Bewegung und Fortschreitung und auch auf keine andere Weise seyend werden kann, dieses haben wir so eben bewiesen.

    Der erste Anfang dieser Bewegung demnach ist, daß es das nicht Seyende wird, obgleich es dieses keinen Augenblick allein seyn kann und auch dieses nur entschieden (definitiv) wird, indem es zugleich das Seyende ist, daß es also auch nicht so wohl den Anfang macht mit dem nicht seyend Seyn als mit dem nicht seyend Werden.

    Nun entsteht die Frage: wie kann es nicht seyend werden? Ich erwiedere die Frage mit einer noch allgemeineren: Wie kommt irgend Etwas ursprünglich dazu irgend Etwas z.B. a nicht und insofern Etwas zu seyn? Denn alles dasjenige ist Etwas, das auch Etwas nicht, nämlich nicht Alles ist. Ich antworte: ebendadurch daß es sich a an- oder wie die deutsche Sprache vortrefflich sagt zu Gemüthe zieht; das ist der bejahende Begriff von seinem a nicht Seyn. Wem der Reichthum gleichgültig ist, dem ist es keine Beraubung nicht reich zu seyn, der ist wie man zu reden pflegt in seiner Armuth reich. Was nichts will ist Alles, darum ist der Wille, der nichts will, Nichts aber als Nichts Alles. Aus dem Alles-Seyn tritt alles nur heraus, dadurch daß es will gleichviel was es will. So mithin auch jenes, das jetzt das nicht Seyende wird. Es ist (und dieß muß wohl bemerkt werden) nicht etwa vorher das Nichtseyende also durch irgendeine unbedingte Eigenschaft, daß es sich denn erst etwa besönne und 4)des Seyenden begehrte, nicht das Seyn und nicht die Vorstellung geht voraus (genug der Menschen gibt es, die gern alles, auch das Tiefste in Vorstellung auflösen möchten) das Wollen, das Suchen ist das Erste.

    Der Anfang ist also ein Suchen, ja ein Versuchen ob es das Seyende finde und in diesem ein sich Lassen, sich zum Seyn oder nicht Seyenden Hingeben (denn alles, das Etwas will oder sucht, ist in dem nicht das das gesucht oder gewollt wird und setzt sich als nicht es Seyend) aber in diesem, in dem sich Lassen sich Hingeben findet es das Seyende, nämlich Sich als Seyendes, und nun erst nach gefundenem Wesen, da es bisher bloß ein Suchen und Versuchen war, unterzieht oder unterwirft es sich ihm als das, welches nicht selber seyn, nicht sich selbst als das Seyende will, sondern nur Hunger und Begehren nach Wesen ist. Es ist also in dem Hergang dieser Zweyung alles nur bedingungsweise, das was in der Folge als das nicht Seyende bleibt gibt sich schon nur hin auf die Hoffnung und also unter der Bedingung, daß es dadurch an das Seyende komme, und es wird das Nicht-Seyende wirklich und bleibend, nur in dem es das Seyende trifft; so kann auch das was das Seyende ist nur das Seyende seyn auf Bedingung, daß eines sey das es suche; die wirkliche Zweyung ist also doch nur wie ein Glück, da vorher alles gleichsam in Zweifel stand und nun auf einmal zur Gewißheit wird, darum auch eine Freude, aber nicht eine vorübergehende sondern eine ewige Freude des Findens und des Gefundenseyns, die ewige Freude des zu sich selber Kommens; da das das zuerst als Nichts war und Nichts hatte, nun sich selbst hat, und sich nicht mehr meynt verlieren zu können.

    Ob nun aber gleich zum finden nichts mehr gehört denn eben das Suchen, und in sofern mit dem erstlichen Wollen das Erlangen zumal ist: so bleibt doch in dieser nun bestehenden Zweyheit immer jenes das Vorausgehende, das sich zum Grund oder nicht Seyenden hingibt; es ist nicht das einmal, sondern das ewig Vorausgehende (Prius) des Seyenden und dadurch der Zweyheit und ein wahrhaft unvergänglicher Anfang des Lebens. Wie das nothwendig Vorausgehende alles Wissens das tiefe Gefühl der Unwissenheit ist, und wie ich immer und zu jeder Zeit nur in dem Maß wirklich weiß oder wissend werde, als ich mich jederzeit wieder in den Zustand der Nichtwissenheit setze; wie die Demuth nicht die vorübergehende sondern die bleibende Bedingung der Selbstvervollkommnung ist, wie es nicht möglich ist daß der Mensch gleichsam ein für alle mal demüthig sey und dann nicht wieder, wie er vielmehr immer wieder sich in diese Demuth versetzen muß um sich selbst über sich selbst zu steigern, so ist jenes sich Hingeben, sich Herabsetzen zum Grund, zu dem das nicht selbst ist sondern nur Hunger ist nach Wesen, die ewige, immer gleich gefoderte unaufhörliche Bedingung der wirklichen Erlangung und des Besitzes des Wesens, d.h. der Zweyheit und des in ihr zuerst gefundenen Lebens.

    Denn daß es das nicht Seyende ist, ist wie schon gezeigt nichts Wesenhaftes (Substantielles) an ihm sondern ein bloßes Wollen. In diesem Wollen hat es nicht sich selbst zum Gegenstand, sondern ist ein ewig Vergessen seiner selbst, dagegen Begehren des Seyenden außer sich. Aber eben in diesem nicht seyend Seyn ist es die allerstärkste Kraft, nämlich der erste Zauber durch den das Nichts in Etwas tritt, die allgemeine Anziehungskraft, durch die Außerwirkliches in Wirklichkeit kommt, der alles bewegende, alles an sich reißende Magnet. Das ist der Hunger der selig gepriesen wird, das die Armuth von der geschrieben steht: Selig sind die arm sind im Geist denn das Himmelreich ist ihr, es wird ihnen nicht erst, sie besitzen es schon durch ihre anziehende Kraft. Dieser Hunger, der sich nur mit dem lautersten Willen verträgt ja der der lautere Wille selbst ist, ist die verborgene Kraft jener Magie, durch welche oft unscheinbare Menschen unglaubliches zu wirken vermögen, dieser stille in sich gehende Brand (Inbrunst nennt ihn herrlich die deutsche Sprache) die Kraft durch die der Himmel ja Gott selbst Gewalt erleidet. Kein Wunder darum, wenn schon in der aus dem frühesten Alterthum überlieferten Lehre der Hunger, das Sehnen, die Sucht als die erste und älteste Kraft erscheint, als die Mutter und Säugamme der Welt ja der Götter selbst.

    Weil das Sehnen und Begehren nicht der vorübergehende sondern ein ewiger Anfang, so ist auch die Zweyung nichts Stillstehendes oder ein für allemal Geschehenes, vielmehr, sie ist in einem ewigen Werden, sie ist so ursprünglich in diesem Augenblick als von Ewigkeit, sie ist das, was immer geschehen, was jeden Augenblick geschieht und nie aufhören wird zu geschehen. Darum ist dieses Werden auch für uns einem Seyn gleich; so weit wir zurückgehen sind sie schon, die zwey alles anfangenden Potenzen, die sich sehnende und das was dieß Sehnen stillt.

    Dieses also ist der lebendige Hergang jenes Processes, der neueren Zeit in einem barbarischen Ausdruck das erste Subject-Objectiviren genannt, aber nicht wenig mißverstanden worden. Denn nicht, wie insgemein vorgestellt, das Seyende oder +A, sondern -A, das nicht Seyende ist das Subject (subjectum) im eigentlichen Verstande, nämlich das Unterworfene oder wie es in der älteren nicht so ganz verwerflichen Sprache ebenfalls genannt wurde das Voraus-Gesetzte (suppositum) darum nicht eigentlich Gesetzte, das nur ist um des höheren willen; dagegen ist +A, das Seyende, das wahre Object, das eigentlich Gesetzte. Denn -A ist das Suchende, +A das Gesuchte und Gefundene, also der ewige Vorwurf und Gegenstand.

    Dieses also ist die Entstehung des Urgegensatzes von dem alle Lehren und die ältesten Erzählungen voll sind, unter welchen sie oder er auch erscheine, es sey als Himmel und Erde, als Männliches und Weibliches, oder Licht und Finsterniß.

    Aber die Bewegung kann in ihm nicht stillstehn. Denn die Zwey sind nur Eins, das nur Sich selbst hat in den beyden Gestalten, aber an sich weder das eine noch das andre ist. Nun es das eine und das andere ist, jetzt ist möglich daß es auch sey als das was weder das eine noch das andre ist, als die Einheit von beyden.

    Nothwendig also ist die Fortschreitung von der Zweyheit zu der Einheit, wobey nämlich jene nicht aufgehoben wird, sondern als Vorangehendes der Einheit mit dieser besteht.

    Die Einheit kann nämlich nicht eine solche seyn, welche die Zweyheit wieder aufhöbe oder die freye Bewegung und gegenseitige Unabhängigkeit der Entgegengesetzten hemmte. Vielmehr: die Zweyheit sowohl, d.h. jeder der zweye als die Einheit der zweye, soll für sich seyn. Wir gehen also zwar zur Einheit fort, aber zur Einheit, die selbst wieder im Gegensatz mit der Zweyheit ist, also zum Gegensatz der Einheit und des Gegensatzes.

    Hieraus erhellt aber von selbst, daß auch jenes dritte nicht das lautere Wesen an sich, sondern auch nur eine Gestalt des Wesens obwohl die der uranfänglichen Lauterkeit ähnlichste ist, und daß nur das Ganze, d.h. die Zwey und das Eine zusammen und in ihrer gegenseitigen Freyheit und Unabhängigkeit jenem lauteren Eins gleich sind.

    Das Erste, alles Anfangenden, sagten wir sey das nicht Seyende (-A) aber in dem doch auch ein Seyendes, nur der tiefsten Ordnung. Wir bezeichnen es durch A1. Das Zweyte, da es sich zu dem Ersten als Seyendes verhält, und in sofern das Seyende eines Seyenden ist, können wir das Seyende der zweyten Ordnung oder Potenz nennen =A2. Das Dritte, da es wieder über beyden steht und beyden gemeinschaftliches Wesen ist mögen wir durch A3 ausdrücken.

    Über dem Dritten aber läßt sich nichts Höheres in derselben Fortschreitung denken. So bewegt sich also das Eine in dem ewigen Übergang aus nicht Seyn in Seyn unmittelbar in jenes Ganze, das wir durch €\frac{A^3}{A^2=A^1}€ ausdrücken mögen. Dieses Ganze ist nicht das Eine selbst, aber die Figur des Einen. Das Eine ist in ihm, ist das Innre und Verborgene von ihm, es selbst aber das Äußere und gleichsam Sichtbare des Einen.

    Dieses Ganze, weil es ganz und geschlossen ist, weil nichts außer ihm gesetzt werden kann, das noch zum ihm gehörte, mögen wir das All nennen. Nur daß hier nicht an Welt und Weltall gedacht werde. Es ist das All schlechthin und im höchsten Sinne.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 93)« (?). Text

    VI. Selbstanziehung und

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 95)« (?). Text

    Aber eben dieses, das an sich weder ist noch nicht ist, dieß nicht Auszusprechende, über den Gegensatz der Begriffe Erhabene soll und zwar als in seiner ganzen Überschwenglichkeit existiren, als das, dem es gleichsam allein gebührt zu seyn, und so wäre die Gottheit dennoch nur in einem andern Sinn – nicht vermöge ihres in das Wesen verschlungenen, sondern vermöge eines von dem Wesen unterscheidbaren und wirklich unterschiedenen Seyns – das nothwendig existirende Wesen.

    Es bedarf der Erinnerung nicht, wie oft dieses zweyte Seyn mit jenem ersten im Wesen selbst bestehende verwechselt worden, und wie namentlich Spinoza dadurch, daß er das erste unmittelbar für das andere genommen, sich gleich im Beginn aller Mittel des Fortschreitens beraubt.

    Denn es ist dieß eben die große ja mit Wahrheit zu sagen die einzige Aufgabe der Wissenschaft, zu zeigen wie jenes Unaussprechliche als solches dennoch ausgesprochen, die ewige Stille als solche laut kund und offenbar geworden.

    Zuerst also möchte jemand dieses, wie schon erwähnt, durch eine freywillige Bewegung des an sich weder Seyenden noch Nichtseyenden in das Seyn erklären. Allein es ist nur Ein Gefühl, daß das Daseyn nichts Freywilliges, ja in manchem der Gegensatz der Freyheit ist. Aber verhüte dieß: nichts kann doch wirklich werden gleichsam auf Kosten und mit Verlust dessen was es ist. Sollte aber das Verborgene offenbar werden durch eigene Bewegung oder Wirkung, so käme es in dem Daseyn nicht mehr an als das was es ist, als das Verborgene, und als die ewige Stille. Denn es ist das Verborgene nicht zufälliger Weise weil es eben noch nicht offenbar ist sondern seiner Natur nach wegen der Verschlungenheit des Seyns im Wesen; ebenso die Stille nicht weil es eben noch nicht ausgesprochen ist, sondern wegen der seiner Natur anhangenden Unaussprechlichkeit.

    Dasselbe aber wäre der Fall wenn es vermöge einer nothwendigen Bewegung sich selbst verwirklichte. Denn so erschien’ es ja nicht als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende sondern als das nothwendig Seyende. Ja in jener Bewegung wäre es eben schon selbst wirkend, d.i. wirklich und der Freyheit gegen das Seyn verlustig die sein Wesen ist.

    Unmöglich also ist, daß die lautere Gottheit selbst verwirkliche, es sey durch eine freywillige oder nothwendige Bewegung. Da sie aber doch nach der Voraussetzung nothwendig existirt, so bleibt nichts übrig, als daß sie verwirklichet werde, durch eine von ihr unabhängige, bezogen auf sie äußere Bewegung. Oder um es gleich in einer anderen einleuchtenderen Wendung zu sagen: die lautere Gottheit hat kein Seyn, weil sie selbst ihr Seyn ist. Aber doch soll sie als Einheit von Wesen und Seyn noch überdem existiren d.h. muß eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise seyn, also ein Seyn haben. Da nun sie dieses Seyn nicht sich selber geben kann, so muß Etwas seyn, das sich zu ihrem Seyn macht, so daß sie ein Seyn hat und doch nicht aufhört, das an sich weder Seyende noch Nichtseyende zu seyn.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 96)« (?). Text

    Diese also von ihr untrennliche Sucht ist dem Willen der nichts will die erste Veranlasserin zum Hervortreten in die Wirklichkeit. Wie dieß geschehe, dieß muß zunächst erforscht werden. Der Weg dazu aber möchte ergo dieser seyn, daß zuerst gefragt würde, worauf die Überwirklichkeit beruht, worinn also die Wirklichkeit bestehe. Ich sage also, daß die Überwirklichkeit bloß darauf beruhe, daß er sich seiner selbst nicht annehme; wie dagegen der letzte Grund jedes möglichen Seyns nur in einem sich selber Festhalten, sich selber Anziehen, sich sich selbst zum Vorwurf oder Gegenstand Machen, zu suchen ist. Ein Wesen das sich seiner selbst nicht annimmt ist, als wäre es nicht; oder gibt es sich auf und läßt sich selbst aus so geht es zurück in’s Nichts. Sich selber wollen, sich ergreifen, anhalten, zusammenfassen, darinn allein besteht das wahre, das thätige Daseyn.

    Der durch die Sucht gegebene Anlaß kann daher nur darinn bestehen, daß sie jene lautere Freyheit zur Annehmung ihrer selbst bewegt, daß sie also in ihr, dem an sich freyen Gemüth, ein auf sich selbst zurückgehendes Wollen erweckt, ein Wollen, durch das sie sich selber nimmt, sich sich verschließt, und in’s Innere zieht. Dieses Wollen ist nicht das Wesen selbst, nicht das, wenn wirklich doch seinem Begriff nach, Seyende, denn dieses ist ja vielmehr das Angezogne; insofern kann man sagen, jenes Wollen verhalte sich als das an sich nicht Seyende (τὸ οὐκ ΟΝ), so wie allgemein einleuchtet, daß jedes Wesen nur dadurch etwas z.B. a ist, daß es sich dieses a an oder wie die deutsche Sprache treffend sagt zu Gemüthe zieht. Wem der Reichthum gleichgültig ist kann nicht arm heißen; was nichts will ist alles, und aus dem alles Seyn tritt ein Wesen allein dadurch heraus, daß es will gleichviel was es will. Dieses angewendet auf den vorliegenden Fall, so war das Anziehende nicht vorher etwa das nicht Seyende, sondern in dem es Sich als das Seyende begehrt oder anzieht, in dem macht es sich zum nicht Seyenden. Es war also zuvor Nichts, wie der lautere Wille selbst ein Nichts ist, es war verborgen in diesem Nichts, und wird erst im Anziehen des Wesens Etwas (nämlich das nicht Seyende). Es ist also etwas dem an und für sich, d.h. abgesehen von dem Wollen überall nichts Wesenhaftes inwohnt, es ist ein bloßer erweckter Geist oder Wille, Nichts wenn man will und doch die allerstärkste Kraft, wie eine Begierde im Gemüth auch Nichts ist und doch eine magische Kraft, die alles zu bewirken, alles Widerstehende zu verzehren vermag.

    Dieses anziehende Wesen hat etwas mit der Sucht allerdings gemein, oder beyde gehören gewissermaßen unter Einen Gattungsbegriff, nämlich den der nach innen oder in Sich gehenden Bewegung. Aber wie schon gesagt ist das wir die Sucht genannt, ein mehr leidendes in sich Gehen und verhält sich zu der erweckten Begierde (wir nennen sie b, die Verwandtschaft und den Unterschied von der Sucht oder B anzudeuten) wie sich der bloße Hunger zu dem thätigen Ergreifen, an sich Ziehen und Verzehren des dargebotenen Stoffs verhält. Auch ist der Unterschied, daß die Sucht mit dem Wesen Eins, die erweckte anziehende Begierde aber mit ihm in Gegensatz ist.

    Dieses jetzt hervortretende anziehende Wesen (=b) hat in der ersten Lauterkeit nicht anders gelegen, als wie überhaupt etwas in einem leeren Willen liegen kann, der in seiner Unbeweglichkeit und Stille als ein Nichts ist und doch wenn er erregt wird als ein verzehrendes Feuer wirken kann. Auch in dem lautersten Seyn, dem das selbst kein Seyn hat, das also Seyn und Wesen in Eins ist, muß eine verborgene Kraft des Bestehens, eine dem Zerfließen dem Auseinandergehen wehrende Potenz angenommen werden; in dem wesentlichsten Seyn nothwendig die wesentlichste, schärfste verzehrendste. Aber noch ruhte diese Kraft in jenem lauteren Willen, der sich seiner selbst nicht annahm; und eben darauf beruhte seine Überwirklichkeit.

    Aber so wenig er sich nahm oder einschloß so wenig konnte er sich geben oder ausfließen. Denn es kann nichts sich geben es habe und nehme sich denn zuvor, eine Wahrheit die schon allein die gewöhnliche Emanationslehre widerlegen würde. Auch hier ist nicht Geben sondern Nehmen das Erste, und der erste innere Anfang.

    Im weder sich Nehmen noch sich Geben und doch der Kraft zu beyden besteht also die ewige Freyheit. Es kann aber zuvörderst die sich nehmende Kraft nicht abgezogen von dem das sie nimmt, d.h. von dem eigentlichen Wesen gedacht werden, in ihrer Wirklichkeit also ist sie nicht anziehende Potenz, b allein, sondern b welches das Wesen (wir bezeichnen es durch a) in sich verschließt. Demnach ist im sich Nehmen das ganze Wesen; und der lautere Wille ist frey sich zu nehmen heißt: er ist frey, ganz sich-nehmendes Wesen zu seyn. Eben derselbe ist aber auch frey, sich zu geben; das Nehmen muß zwar vorausgehen aber dieß hebt die ganz gleiche Ursprünglichkeit und Unbedingtheit des sich Nehmens und sich Gebens nicht auf. Es ist durch das Wesen der Freyheit nur gesetzt, daß wenn es sich nimmt, dann auch nothwendig sich geben muß. Schon hieraus erhellt aber, daß es auch als ausfließende Kraft nicht bloß Wesen, reines a seyn kann, denn es wird zur ausfließenden Kraft nur erhöht durch die widerstehende, und ist das wirklich sich Gebende nicht, ohne eben jene Kraft durch die es sich nimmt in sich zurückzudrängen, innerlich verborgen unwirkend zu setzen. Also auch im sich Geben und Ausfließen ist es das ganze Wesen, nämlich a das b sich verschließt, gleichsam als Ausstrahlen der Mittelpunct, als Träger und Halt, der dem gänzlichen Auseinandergehen wehrend ein eigentliches Ausfließen (Effulguriren) möglich macht. Wir bezeichnen diese Einheit, das Wesen sofern es sich nimmt, also die nehmende Kraft (b); das offenbare in sofern wirkende, die ausfließende (a) Potenz das Innerliche und Unwirkende ist, durch (a=b). Nun ist dieß der Anfang, also die erste Zahl. Das Wesen also, sofern es sich nimmt, auch das Wesen oder Seyende

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 112)« (?). Text

    Gleich zuerst fand sich: das Können an sich sey nicht der Gegensatz oder die unbedingte Verneinung des Seyns, vielmehr selber das Seyn. Nun aber dieses Seyns, das es nicht sowohl hat als selbst ist, dieses wesentlichen, ungegenständlichen inwohnenden Seyns, kann der Wille sich unterfangen, es sich anziehen, zum Gegenstande machen, um so mit demselben zusammen seyend, d.h. ein Seyendes zu seyn. Natürlich denn, daß dieses Seyn, das dem Wollen oder Können entgegensteht, nicht mehr dasselbe Seyn ist, das zuvor mit dem Willen oder Können Eins war; es ist nur noch ein Seyn gegen oder für den Willen, nicht mehr ein Seyn an sich; gleichwie auch das Seyende, welches in dieser Anziehung des Seyns durch den Willen entsteht kein Seyendes das es an sich nur ein solches das es für sich selbst ist, ein bloß geistiges Seyendes. Gleichwie sich nun das lautere Können oder der lautere Willen nicht anders denken läßt, als so daß es sich selbst Seyn ist; so läßt sich das lautere Seyn nicht anders denken, als so daß es das Seyn des lauteren Selbst’s oder Subjects des Seyns ist, welches Selbst eben bloßes Können, oder reiner, bloßer (noch nicht wollender) Wille ist. Kein lautres Seyn, das nicht ein lautres Können wäre; kein lautres Können, das nicht in ebendieser Bloßheit das lautre Seyn selbst wäre.

    Gleichwie nun dieses Seyn nur so lange lautres unbedingtes, unergründliches Seyn ist, als es der Wille nicht anzieht, aber sobald der Wille sich seiner annimmt, ein in seinem Wesen Unsicheres, Zweifelhaftes wird, das nicht mehr an sich sondern nur noch gegen ein andres (eben jenes Anziehende) ist, so verhält es sich auch mit dem Können, wenn es zum Wirken, d.h. zum wirklichen Anziehn oder Wollen übergeht. Denn auch dieses ist nicht mehr das Können, welches das Seyn selbst, sondern der Gegensatz des Seyns und das seiner Natur nach nicht Seyende ist, das also auch nicht frey ist gegen das Seyn, sondern mit ihm behaftet und beladen, wie das Seyn durch den Willen getrübt wird, ebenso der Wille durch das Seyn, nicht durch das Seyn an sich sondern das er sich anzieht oder sich (hier im recht eigentlichen Sinn) zum Vorwurf macht. Denn wenn der einmal mit dem Seyn behaftete Wille dieses nicht lassen kann, so das einmal durch den Willen aus seiner Lauterkeit gesetzte seiner Freyheit verlustige Seyn auch nicht den Willen, als an dem es allein hängt, so daß es, ließe dieser es aus, unmittelbar in’s Nichts zurückgienge. Lasse mich, so laß ich auch dich heißt es hier. Aber die beyden sind also aneinander gekettet, daß sie sich nicht ertragen mögen und doch auch nicht lassen.

    Die gemeinsame Folge aber dieser Anziehung des Seyns durch den Willen ist, daß die beyden sich durchkreuzend sich wechselseitig trüben, da das Seyn nicht frey ist von dem Willen und der Wille nicht frey von dem Seyn da Anziehendes und Angezognes (Subject und Object) in Einem und demselben sich gegenseitig beschränkend ein Drittes erzeugen, in dem sie, die zuvor jedes an sich unendlich waren, endlich werden.

    Dieses also von dem Grund und der Entstehung der Unlauterkeit des Seyns, die uns nahe genug liegen. Denn wer einigermaßen untersuchte, worauf das Gefühl der Unlauterkeit des eigenen Seyns beruht, der wird finden, daß allein auf der Theilnahme und gleichsam der Mitschuld des Willens an dem Seyn, darauf daß der Wille das Seyn nicht läßt, sondern es sich anzieht. Darum wo wir immer etwas Lautres zu sehen glauben, findet es sich nur lauter der Einfalt wegen, sowie alles sich unlauter zeigt, nur weil es in sich gezweyet ist. So meynen wir das lauterste Seyn zu sehen in der Unschuld des Kindes, das in sich ist ohne Unterscheidung und ohne Annehmlichkeit seiner selbst, in der reinen Frohheit, die sich selbst nicht kennt, der gelassenen Wonne die ganz erfüllt ist von sich s˖[elbst] und an nichts denkt, der stillen Innigkeit, die sich freut ihres nicht Seyns. Ja selbst der besondre Reiz mit dem die stille Schöhnheit mancher Gegenstände der Natur, einer Blume uns anzieht, beruht eigentlich darauf, daß wir uns denken, sie sey schön, ohne es selbst zu wissen, ohne dieser Schönheit sich anzumassen. Denn der Wille ist gegen das Seyn, und das Seyn ist gegen den Willen. Das völlig lautere Seyn also wäre in einem völlig willenlosen Wesen, welches aber nicht so gemeynt seyn kann, daß überall kein Wille vorhanden sey, sondern nur daß kein Wille, der will. Denn das, so zwar Wille ist aber der nicht will ist gleich dem Willenlosen, und darum gleich dem völlig lauteren Seyn ja es selbst. Hinwiederum der Wille, so sich des Seyns nicht annimmt, ist darum nicht schlechthin ohne Seyn, sondern selber, und zwar das völlig lautere Seyn also hat er ein Seyn, aber als das er nicht hat; er ist seyend, aber als wär’ ers nicht, nämlich ohne Theilnahme, wie in der Einfalt ohne Verdoppelung (reduplicative), nämlich daß er sich selbst wüßte als seyend. Er ist also seyend nur insofern er es nicht ist, und er würde es, auf die Art die er es ist, unbedingt nämlich, nicht seyn, wenn ers wäre. Seyn aber als wäre man nicht, haben aber als hätte man nicht, das ist überall das Höchste. Also ist auch der Wille, der sich das Seyn nicht anzieht, darum nicht ohne Seyn und ist doch frey von dem Seyn und in völliger Lauterkeit.

    Ehe wir weiter gehen, sey hier folgendes bemerkt. Wir sind ausgegangen von der Unlauterkeit des Seyns, aber wie nun klar ist, konnten wir ebenso gut ausgehen von der Unlauterkeit des Gegentheils vom Seyn, das wir das Können und den Willen genannt

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 81)« (1813 - 1815). Text

    Also es ist eine ewige Freyheit, die nichts anders seyn kann, als eine ewige Kraft zu wollen, und zwar da sie nichts außer sich hat, das sie wollen könnte, eine ewige Kraft sich selbst zu wollen, nur daß sie als solche noch (d.h. indem wir von ihr als der lauteren Freyheit reden) verborgen ist.

    Alles kommt also aus der ewigen Freyheit her; aber jene Kraft war immer im Wirken, es läßt sich keine Zeit denken, da sie nicht im Wirken war; und sie macht eigentlich einen ewigen Anfang.

    Denn aller Anfang, wie schon das Wort andeutet, kann nicht in einem Geben, Mittheilen, Ausbreiten, nur in einem Nehmen, Ergreifen, an sich Ziehen, Festhalten bestehen. Aber was schlechthin und zuerst anfängt hat nichts das es nehmen könnte. Also kann auch der Anfang, der Anfang alles Anfangs ist, nur im sich selbst Nehmen, sich selber Anziehen, Sich sich selber zum Vorwurf machen (im Subject-Objectiviren) bestehen.

    Jene Kraft sich selbst zu wollen, in Wirkung gedacht ist also der eigentliche Vater und ewige Anfang, mit dem erst Etwas und vor dem (in sofern) Nichts ist. Nun kann nicht wieder gefragt werden, wie sie in Wirkung komme. Denn sie tritt durch einen ewigen Entschluß (Aufschluß) aus dem hervor, da zuvor Nichts war, aus der ewigen Freyheit. Jede That aber, die aus unbedingter Freyheit erfolgt, ist schlechthin; ist weil sie ist, es läßt sich kein Grund von ihr angeben; sie ist nur sich selbst Grund, insofern schlechthin frey, aber ebendarum auch wieder nothwendig, denn wie alles Unbedingte hat die Art, daß es mit der Gewalt eines Schicksals wirkt. Darum scheuen sich die Menschen vor dieser grundlosen Freyheit, die sich selbst Schicksal, sich selbst Nothwendigkeit ist, und wo sie einen Strahl von ihr sehen, wenden sie sich ab, wie von einem alles sehrenden Blitz und fühlen sich niedergeworfen von ihr, wie von einer unbegreiflichen Erscheinung und fühlen die Kraft nicht ihr zu widerstehen.

    Aber die ewige Freyheit bewegt sich in dieser That nicht von ihrer Stelle; sie geht nicht aus sich heraus, wie man gewöhnlich sich denkt, sondern in sich hinein; sie setzt nichts außer sich hinaus oder stößt etwas von sich ab, sondern im Gegentheil sie zieht sich etwas an oder zu; die That ist nicht ein sich Offenbaren und gleichsam bloß Machen, sondern im Gegentheil ein sich Bedecken, sich Verhüllen des zuvor nackten und bloßen Willen.

    In der Selbstanziehung nämlich (dieser zugleich freyen und einer blinden ähnlichen That) ist die ewige Freyheit zugleich das Anziehende und das Angezogne von sich selbst. Aber in dem Blitz dieser That schließt sie zugleich sich selbst mit ein, als die an sich weder das Anziehende ist noch das Angezogne, als die ewige Freyheit.

    Als das Anziehende nun (wir bezeichnen dieses durch B) steht sie dem Angezognen = (A) entgegen und umgekehrt und es ist insofern die Zweyheit gesetzt; und doch ist es kein Gegensatz an sich, weil Anziehendes und Angezogenes beyde dasselbe sind, nämlich die ewige Freyheit. Sie will Sich, natürlich als seyend, oder als das Seyende, als dem, welchem allein und vorzugsweise gebührt Seyendes zu seyn. Aber alles Gewollte ist eben darinn, daß nur Gewolltes, als nicht seyend gesetzt. Als das Angezogne ist es also das dem Willen (der Absicht, dem Begriff nach) Seyende, das doch jetzt nicht seyend ist. Nicht daß es überall als Seyendes aufgehoben wäre, es ist nur gesetzt als nicht Seyendes seyend, welches auch so ausgedrückt werden kann: es ist gesetzt als nicht offenbares wirkliches Seyendes. Insofern ist Aristoteles zu vertheidigen, wenn er die Wirkung des Gegensatzes (was wir das Anziehende nennen) in eine bloße Beraubung setzt und ihn daher auch nur das Beraubende nennt.

    So wird also die ewige Freyheit als das Angezogne aus dem Überseyenden unmittelbar zum nicht Seyenden, das doch nicht Nichts sondern in andrem Betracht auch wieder seyend ist, aus dem Nichts zu Etwas, denn die Natur des Etwas ist aus dem Seyenden und nicht Seyenden gemischt aus dem Unfaßlichen und Unbegreiflichen (incoercibili) zuerst in Faßlichkeit und Begrifflichkeit eingeschlossen, aus lauterem Geist ein Gebundenes, in leidenden Zustand Versetztes; erstes Beyspiel der großen, ihrem geheimsten Grund nach hier sich aufschließenden Lehre: Wer oder was sein Leben sucht wird es verlieren, d.h. es wird aus dem freyen Zustand, da es als Nichts war und an nichts gebunden, in den unfreyen, mängelhaften (potentiellen) gebundenen Zustand fallen.

    Wir verweilen einen Augenblick bey dem Begriff des nicht Seyenden, (der von jeher die Betrachter 2.getäuscht und als ein wahrer Proteus in die Irre geführt hat.) 1.Eins ist nicht seyend, weil es über allem Seyn, oder wie wir auch sagen können das Unseyende selbst ist (die lautere Freyheit). Ein andres ist das Nichtseyende, oder dasjenige, welches auf keine Weise ist. Ein andres, das zwar ist, aber nur nicht das Seyende ist. Von diesem reden wir hier, oder in diesem Sinn sagen wir von dem Angezognen, es sey zum nicht Seyenden3. geworden. So vieles bietet sich dar, das man als kein eigentlich Seyendes anerkennen, doch auch für kein schlechthin Nichtseyendes ausgeben kann. Von der Art ist alles, was man insgemein zum bloßen Seyn rechnet. Denn das Seyn kann schon des Gegensatzes wegen nicht einerley mit dem Seyenden seyn und ist nothwendig das nicht Seyende, darum aber keineswegs nichts, III)denn wie sollte das nichts seyn, das doch das Seyn selber ist? Das Seyn muß eben auch wieder seyn. Es gibt kein bloßes Seyn, in dem nichts Seyendes wäre; so wie kein Seyendes, das nicht gegen ein höheres zum Seyn d.h. zum nicht Seyenden werden könnte. Also es ist nicht an sich selbst, es ist nur gegen ein Andres das nicht Seyende, in sich selbst aber wohl auch ein Seyendes. Statt dieser Begriffe fand jedoch die Sophistik aller Zeiten bequemer, das nicht Seyende als gar nichts zu behandeln. Vielfach irrte dieser Mißverstand auch die Erklärer des nicht Seyenden (τοῡ μὴ ὄντος) bey den Alten, von dem doch sofern es bloß grammatisch war schon die einfache wenn sonst nirgendsher aus Plutarch zu lernende Unterscheidung befreyen konnte zwischen dem nicht Seyn (μὴ εἶναι) und dem nicht seyend Seyn.

    Das Anziehende nun dagegen will 2.das Seyende. In wiefern es das Seyende will, in sofern ist es nothwendig selber nicht das Seyende, und doch indem es wirklich will, in sofern will es nicht erst Sey˖[endes] seyn 1.sondern ist seyend. Hier begegnet uns also ein anderer Begriff von nicht Seyendem, (nicht einem an sich Seyenden, das nur nicht als solches ist, sondern) eines dem Seyenden entgegengesetzten, das doch als solches ist.Woher denn dieser plötzliche Zweifel. Was war denn dieses Sey˖[ende] das doch ein dem Seyn Entg[egengesetztes] ist, vorher p. i. s. 2 Vorzüglich ist es dieser Begriff des seiner Natur nach nicht Seyenden, das doch ist, in dessen Dunkel, wie Plato sagt, der Sophist entflieht, um zu behaupten, daß der Irrthum, das Böse und anderes Ähnliches, das ein dem Seyenden entgegengesetztes Wesen hat, nichts sey. Aber die Menschen sind im Allgemeinen gegen das Verneinende, wie sie eine natürliche Vorliebe für das Bejahende zeigen. Was frey ausquillt, sich gibt, mittheilt leuchtet ihnen ein; was sich nimmt, versagt, nach innen zurückgeht, ob es gleich ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet können sie nicht so geradezu begreifen. Den Meisten wäre nichts erwünschter, als wenn alles aus lauter Wesen bestünde, wovon sie doch bald das Gegentheil gewahr werden. Ein Anhaltendes, Hemmendes dringt sich überall auf, jeder fühlt dieses Andre das so zu sagen nicht seyn sollte und doch ist ja seyn muß; dieß Nein das sich dem Ja, dieß Linke, das sich dem Rechten, dieß Krumme das sich dem Geraden entgegen stellt und wie man diesen ewigen Gegensatz sonst in Bildern auszudrücken gesucht hat, aber nicht leicht ist einer im Stande, es zu begreifen, noch weniger es wissenschaftlich auszusprechen.

    Nun ist schon an sich klar, daß jedes Wesen nur in sofern irgend Etwas wirklich (actu) nicht ist, als es sich dieses Etwas an- oder wie die deutsche Sprache sehr gut sagt zu Gemüthe zieht. Wem der Reichthum gleichgültig ist, kann nicht arm heißen oder er ist wie man zu reden pflegt in seiner Armuth reich. Man kann daher sagen, daß jedes Wesen nur durch Wollen Etwas nicht und darum auch Etwas sey, weil alles was Etwas ist nothwendig auch Etwas nicht ist, durch bloßes nicht Wollen sey ein Wesen dem das Alles ist gleich, aus dem Alles Seyn trete irgend Etwas nur heraus dadurch daß es will, gleichviel was es will. Dieses nun angewendet auf den gegenwärtigen Fall, so war das Anziehende (B) nicht vorher etwa das nicht Seyende, sondern indem es das Seyende begehrt oder anzieht, indem ist oder wird es das nicht Seyende. Genug der Menschen gibt es, die gern Alles, auch das Tiefste in Vorstellung auflösen möchten. Aber nicht die Vorstellung, das Begehren geht voran. Das Wollen ist das Erste, das nur darum ein unbedingtes ist und in der höchsten Freyheit wieder als ein blindes, nothwendiges, schicksalsmäßiges erscheint.

    Was war es denn also zuvor, dieses, das jetzt als das dem Angezognen Entgegengesetzte erscheint? Antwort: Es war was das Angezogene ist, es war Nichts wie aller nackte bloße Wille Nichts ist und erst im Anziehen von Wesen etwas ist. Bloß das Wollen macht den Unterschied; und alles besteht daher auch nur im Wollen. (Das Anziehende ist nicht an sich selbst nur im Wollen das nicht Seyende;) könnte das Wollen aufhören, so träte alles wieder zurück in die eine, schlechthin nur sich selbst gleiche, (nur durch A=A auszudrückende) Lauterkeit.Aber namentlich und insbes˖[ondere] hat B nur s[ei]n˖ Wesen im Wollen – und ohne Wollen wär es gar nicht. Es ist dieses nicht Sey˖[ende] welches Plato Dunkel

    Hier wird denn klar, wie diese Lauterkeit beschrieben werden konnte, als die völlige Gleichgültigkeit von Subject und Object (Anziehendem und Angezognem), wo keins von beyden und doch die Kraft zu beyden ist; nur im Willen läßt sich dieses denken. Auch leuchtet ein, wie sie von nun auch betrachtet werden kann, als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende.

    So ist es auch offenbar, wie durch den bloßen Zauber des Willens aus dem, das zuvor lautere Einheit war, Zweyheit entspringt, und die lautere Freyheit, wie von sich selbst gefangen, zuerst sich selbst endlich, sich selbst Etwas wird. Der Zweyheit nach oder als Etwas verhält sich die jetzt einges[ch]lossene Freyheit als A=B, da sie an sich selbst und außer dem Willen A=A ist.

    Nun ist doch aber wie schon bemerkt eben diese lautere Freyheit, als die Einheit mit eingeschlossen in der Zweyheit. Sie ist darinn, wie auch im verzogenen Bild noch das Urbild ist. Sie ist mit drinn, als das, welches das Etwas (A=B), als das, eig˖[entliche] Subj˖[ect] dieses Etwas zu welchem sich dieses wie Prädicat zu Subject, Form zu Wesen verhält. In sofern stellt sie sich nun dar, als jenes Unerkennbare von dem schon die Alten sagten, daß es weder mit der Form erkennbar sey noch ohne die Form. Denn sofern es außer der Form ist, ist es über aller Erkenntniß, weil ohne alle Äußerung und Offenbarung. Sobald es aber mit der Form ist, ist es es von dieser zugedeckt, gleichsam überzogen, das Innere und Verborgene. Nun ist aber eben die Form oder Zweyheit ihre Offenbarung. Also kann man auch sagen, nur als ein Verborgenes sey es offenbar, nur als ein Nichterkennbares werde es erkannt, es werde nur gewußt indem es eigentlich nicht gewußt werde (ignorando cognoscitur). Und in solch’ hohem, keinem geringeren Sinne war es, daß eine von den frühesten Zeiten unter allen Völkern verbreitete Lehre, die Nacht als das erste und älteste der Wesen setzte; nun muß man sich vor zweyerley hüten, einmal dieses erste Wesen der Alten zugleich als oberstes zu denken, was Mißverständnisse IV)veranlaßt, dann die Nacht, als die eigentlich das lautere Nichts (Nυξ), die ewige Freyheit und Gleichgültigkeit ist, mit der Finsterniß zu verwechseln.

    Also die Freyheit ist drinn, in der Form, die Einheit in der Zweyheit, aber nicht als Ursache der Zweyheit, denn die Ursache von dieser ist das Wollen, das die Freyheit einschließt; sie ist das Eingeschlossene und doch gibt sie allein die Kraft her zu dem Wollen, von dem sie eingeschlossen wird, sie allein ist das An sich oder Wesen von B wie von A; es ist nur ihr eigenes Wollen, das sie einschließt, aber gegen das sie keine Freyheit hat; es ist nur das Gespinnst ihres eignen Willens mit dem sie überkleidet ist, und doch kann sie es nicht los werden, denn sie ist einmal drinn wie im Selbstanblick gefangen und von sich selbst verzaubert; die Form ist für sie gleichsam der magische Kreis, den sie nicht mehr durchbrechen kann. Aber eben darum ist sie drinn, als die nicht weiß wie ihr geschehen; ebendarum ist die Zweyheit oder Form für sie das Ohngefähre, das nicht Erwartete, nicht Gewollte, das sie nur als etwas ihr Zugestoßnes, nur als eine Schickung empfinden kann.

    Nun ist aber das Verhältniß dieses, daß doch wieder sie selber das Etwas (die Form) oder umgekehrt, daß das Etwas (A=B) unmittelbar sie selbst (ganz mit ihr Eins) ist. Dieses nun daß sie selbst das Etwas ist, das sie doch nur als ein ihr Fremdes und gleichsam Zufälliges empfinden kann, ist ihr unleidlich; doch kann sie das Etwas, die Zweyheit nicht aufheben. Also bleibt ihr nur Eines, nämlich das, daß sie Etwas ist, (die Angezogenheit, die Endlichkeit, die Form) sich äußerlich zu machen und (nicht als Sich, wie zuerst, sondern) als das bloße Etwas von Sich zu setzen, Sich dagegen als das Seyende dieses Etwas. Beydes ist Eins und gleichzeitig. Indem sie das Etwas (die Zweyheit) setzt als das Etwas von Sich, in dem steigert sie sich selbst zum Seyenden, doch natürlich immer gebunden – und nur innerhalb der Schranke von A=B welches sie ohne das Etwas nicht konnte, und hinwiederum kann sie die Form nicht als das Äußerliche von sich setzen ohne in dem sich selbst zu steigern zum Seyenden. Doch ist dieß nicht die Endabsicht, sondern auch dieß, daß sie die Form oder Zweyheit zum Etwas (gleichsam zum Weiblichen) von sich selbst, Sich aber zum Seyenden, Männlichen steigert, auch dieß geschieht nur um mittelst derselben sich zu zeigen und über beyden aufzugehen als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende, als das lautere (geschlechtslose) Wesen, das doch als solches ist.

    Also Sich zum Wesen schlechthin – zur Gottheit zu machen – in Sich alle die Pot˖[enzen] die in dem Wesen schlechth˖[in] sind.

    Mit Einem Wort, nachdem sie gleichsam unversehens sich vom eignen Willen gefangen fühlt, aber die Beschränkung nicht los werden kann, sucht sie sich innerhalb derselben als die ewige Freyheit zu gebären, so daß sie in eine Gestalt eingeschlossen und doch frey wäre, gefaßt und doch unfaßlich, und so als die lautere Freyheit wirklich.

    Diese Geburt kann nur durch Steigerung geschehen. Zuerst, indem die den lauteren Willen befangende Zweyheit gleichsam niedergeworfen und herabgesetzt wird zur bloßen Form, zum Seyn, zum Äußeren von ihr selbst. Wir bezeichnen diese vom Wesen gleichsam abgestreifte Form, durch (a=b) Gegen diese steigert sich das Wesen unmittelbar zum Seyenden und zwar zum wirklich (oder seyend-) Seyenden, daher es als Seyendes der zweyten Potenz =a2 betrachtet werden kann. Aber über beyden, so daß ihr beyde zum Seyn, zur Unterlage werden, will sie sich zum an sich weder Seyende noch nicht Seyende, steigern das doch als solches ist; in sofern kann es als a3 betrachtet werden.

    Diese Potenzen sind also die ersten Zahlen, von denen die an sich seynlose Einheit (Monas), die außer aller Zahl und Potenz (=A0) ist gleichsam als der Vater, die erste lautere, ebenfalls noch über aller Zahl liegende Zweyheit (Dyas), die Mutter ist. Nur sind diese Zahlen bis jetzt nichts Stillstehendes, sondern in einen beständigen Werden. Das in die Form eingeschloßene Wesen nämlich sucht sich unaufhörlich in diese drey Gestalten zu gebärenist schwanger von diesen Gestalten und möchte sie gern gebären, versucht es auch beständig; aber, und ist daher selbst nichts andres als eine beständige Geburt dieser drey Gestalten. Nun muß es aber diese drey Gestalten ineinander haben wollen – denn nur so besteht es s˖[elbst] (A=B) als Sey˖[endes]. Es will nicht auseinandergehen; es will bleiben was es ist und doch in dem a=b, a2 a3 seyn. Nothwendig aber will es diese Gestalten in einander (in intenso) haben; denn nur dann, wenn es gleichsam in Einem Puncte, das Einschließende oder die Form, das Eingeschlossene oder Gefaßte eben an sich Freye (a2) und das Unfaßliche, lauterer Geist seyn könnte, nur dann wär’ es ganz Seyendes oder Wesen und zwar der allergeistigsten Art.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 113)« (1813 - 1815). Text

    Hieraus erhellt denn wohl zur Genüge, daß jener rein ontologische Begriff von Gott nicht zureicht, auch nur die Lebendigkeit, das außer sich Wirken Gottes zu erklären. Und wie läßt sich ein Übergang denken, von jenem ganz in sich verschlungenen Wesen, das zu rein ist, als daß ihm auch nur ein Seyn zugeschrieben werden könnte, zu dem das wirklich da ist und sich offenbart. Bekannt sind die Ausdrücke von einem ursprünglichen Herausgehen der Gottheit aus sich selbst und ähnliche; aber es ist ebenso bekannt, daß mit diesen Ausdrücken noch nie ein verständlicher Sinn verbunden worden.

    Wenden wir aber vollends unser Auge auf das was außer Gott in der That da ist, auf das so ganz Verschiedne und Andere das der Welt und dem Geschöpf zu Grunde liegt, wie hängt dieses mit jener Lauterkeit zusammen, oder wie ist es aus ihr zu erklären?

    Der älteste Versuch, die Annahme daß der Urstoff der Welt aus Gott ausgeflossen ist, hat wenigstens dieß für sich, daß er die Gottheit in jener Lauterkeit und Unbeweglichkeit bestehen läßt, die als ihr reines Wesen gedacht werden muß. Übrigens erklärt er gar nichts; denn es bleibt unerklärt, wie Etwas in Gott anfangen könne von ihm sich zu entfernen; und wenn es nur ausgeflossen, warum es nicht eben das bleibt, das es zuvor war, nämlich ein Stück oder Theil aus dem lauteren Wesen der Gottheit; ob es durch die bloße Entfernung als solches ein innerlich anderes wird, sich trübt, sich verfinstert? Man kann die Emanationslehre wirklich nur als die erste falsche Richtung ansehen, die die Forschung über diese Gegenstände genommen; obwohl vielleicht manches unter den Begriff der Emanation aufgenommen worden, was an sich einen ganz andern Sinn hatte.

    Die Meynung daß Gott vor dem Beginn der Dinge etwas aus sich selbst herausgesetzt habe, das die Anlage zur künftigen Schöpfung enthalte, ist ein unglücklich Mittelding zwischen der Emanationslehre und der gewöhnlichen. War dem also, so war jene höchste Geistigkeit gleich uranfänglich und von Ewigkeit gleichsam belastet mit der Welt. Nach einigen soll noch abentheuerlicher Gott gar sich selbst aus Sich herausgesetzt und damit den Grund der Welt gelegt haben. Nach einigen ist in jener lautersten Einheit der Gegensatz verborgen; dieser springt, wie und auf welche Art ist nicht zu sagen? – gleichsam schlechthin oder von selbst auf, und so ist nun Leben und Bewegung; aber wo bleibt dann die Einheit, wo jene ursprüngliche Freyheit und Stille des göttlichen Wesens, die schlechthin nicht aufgegeben werden darf?

    VI)Die reinste Vorstellung bleibt immer noch die der öffentlich geltenden Theologie. Die erhält die Gottheit in jener lautern Geistigkeit; und läßt sie das Andere, außer ihr Befindliche, durch ihren bloßen Willen setzen, ohne eigentliche äußere Handlung und Bewegung, so daß auf diese Art die Gottheit wenigstens im lauteren Wollen bleibt, wenn auch nicht im ruhenden Wollen.

    Sie denkt diesen Willen natürlich nicht als einen bewußtlosen, blinden sondern als einen freyen, bewußten Willen. Aber eben hier geräth sie in den Fall, diesen Willen entweder als entstanden in der ewigen Gottheit oder als selbst ewig anzunehmen. Ein Mittleres ist nicht denkbar. Ist der Wille ewig, so ist also die Gottheit nicht jenes lautere Wollen, sondern schon von Ewigkeit ein bestimmter Wille; es ging jenem Wollen, daß eine Welt seyn sollte, keine Indifferenz vorher, welches doch so erst zu einem freyen Willen erfodert wird; nun läßt sich auch kein Entschluß bey diesem Willen denken (wie doch angenommen wird) denn sonst müßte Überlegung vorhergehen eine Wahl stattfinden zwischen den zwey streitenden Gedanken, daß eine Welt seyn sollte und daß keine seyn sollte. Doch gesetzt diese Schwierigkeit ließe sich beseitigen durch eine Unterscheidung zwischen ewig im strengsten Sinn (dem schlechthin nichts vorhergeht) und ewig im weiteren Sinn (dem keine Zeit vorangeht) und man könnte den Hergang etwa so vorstellen: Von Ewigkeit war in jenem lautern Geist die Vorstellung einer durch seinen bloßen Willen möglichen Welt, mit dieser Vorstellung ohne Zwischenzeit auch der Entschluß, d.h. der wirkliche Wille, daß diese Welt seyn sollte – dieß alles also zugegeben entsteht ein neues Dilemm. Bey dieser Erklärung ist jener Wille (nun auch durch Vorstellung vermittelt) doch in der That gleichewig mit dem göttlichen Wesen; entweder war nun der Effect dieses Willens auch ewig, oder nicht. Im ersten Fall ist die Substanz der Welt Welt wenn auch dem Begriff nach eine Folge von Gott, doch der That nach gleich ewig mit ihm; wo bleibt dann aber die Lehre von der Zeitlichkeit der Welt. Oder der Effect war nicht gleichewig mit dem Willen, was konnte, da nach der Voraussetzung nichts außer Gott ist, zwischen Willen und seinem Erfolg treten (Gott gebeut und es steht da).

    Der letzte Fall scheint der zu seyn, den die älteren Theologen wirklich angenommen, die neueren gehen über diese Schwierigkeiten ohne sie zu berühren leichten Fußes hinweg. Und doch sind es eben diese Fragen, die schon die Kindheit aufwirft, welche unbeantwortet einen unabläßigen Stachel des Zweifels zurücklassen.

    Nach dieser Annahme also hatte Gott von Ewigkeit den Willen die Welt zu schaffen, aber der Erfolg dieses Willens konnte nicht gleich ewig mit ihm selbst seyn. Schon daß diese Annahme vorgezogen worden ist Beweis genug, daß die Theologen jenen andern Fall, wo nämlich der Wille zur Welt als ein in der lauteren Gottheit entstandener gedacht würde, als einen ganz unannehmlichen erkannten. Wäre jener Wille entstanden so wäre in der ewigen Gottheit ein Übergang von Nichtwollen zu wollen, es wäre etwas Zeitliches in sie selbst gesetzt. Abgesehen davon, daß ein Wille, der in der zuvor gleichgültigen Gottheit ohne alle veranlassende Ursache gleichsam von selbst entstände, gerade so unbegreiflich und ungereimt wäre, als eine in der zuvor gleichgültigen Materie von selbst entstehende Bewegung.

    Da aber auch jene Annahme (von der Ewigkeit des Willens und der Zeitlichkeit des Effects) wenigstens aus den sonst bekannten Lehrsätzen der Theologie nicht zu erklären ist, ja einigen zu widersprechen scheint: so ist wohl klar genug, daß die HauptLehre dadurch wenigstens nicht begründet ist.

    VII)Ich ziehe nun den Schluß, daß nämlich aus jener höchsten Geistigkeit für sich so wenig eine eigentliche Lebendigkeit Gottes als das Daseyn der Welt begriffen werden kann. Die mislungenen Versuche aller bisherigen Theorien sollten wenigstens dazu dienen zu beweisen, daß in jener lautern Wesentlichkeit für sich noch kein Anfang, noch Grund zu einem Anfang liegen kann; daß also außer jener höchsten Gottheit noch andere Kräfte angenommen werden müssen, die die Veranlassung und den Grund der Schöpfung enthalten, und die dann freylich nicht in jenem hohen Sinn geistig seyn können.

    Aber was vermag denn außer dieser höchsten Gottheit zu seyn das nicht von ihr ist? Alles das wahrhaft ist kann nur in Gott oder von Gott seyn. Zugestanden; aber es folgt nicht, daß das was nicht wahrhaft oder im höchsten Sinne ist darum in keinem Betracht und auf keine Weise sey.

    Die Theologen (wir halten uns in diesen einleitenden Betrachtungen an sie, da an die bisherigen Lehren der Philosophen ohnehin niemand glaubt), die Theologen also sagen Gott habe die Welt aus Nichts geschaffen. Sie haben für diesen Ausdruck nur zwey Stellen der Schrift anzuführen; obgleich über diese Materie ganz andre Äußerungen da sind. Die erste aus einem nicht von allen Parteyen gleich geachteten (2. Macc. 7,28), die inzwischen doch als historisches Zeugniß für die rechtgläubige Ansicht jener Zeit gilt, wo es heißt, daß Gott Himmel und Erde und was darinn ist aus dem das nicht ist (ἐξ οὐκ ὄντων) geschaffen haben. Eine andre des Neuen Testaments (Rom. 4,17) Gott ruft das nicht Seyende als Seyendes (τὰ μὴ οντα ὡς ὄντα). Wenn sie nun unter diesem nicht Seyenden das überall und auf jede Weise Nichtseyende mit einem Wort das völlige Nichts verstehen: so theilen sie dieß Verständniß freylich mit manchen andern, die das nicht Seyende (οὐκ ὄν) wie es bey griechischen Philosophen oder auch in der Wirklichkeit selbst vorkommt, ebenso für das baare Nichts ansehen.

    Von diesem bloß grammatischen Mißverstand konnte sie indeß die wenn auch sonst nirgendsher doch wenigstens aus Plutarch zu lernende Unterscheidung befreyen, zwischen dem Nicht-seyn (μὴ εἶναι) und zwischen dem nicht das Seyende seyn (μὴ ὄν εἶναι).

    Aber das nicht Seyende selbst, das in so vielen Gestalten uns überall begegnet und in andrer Beziehung sich wieder als ein Seyendes aufdringt hat von jeher als ein wahrer Proteus die Betrachter geirrt und vielfach in Verwirrung geführt. Denn wie Etwas ist, das über dem Seyenden ist und das darum auch schon vor Alters ein Überseyendes (ὑπερόν) genannt worden, so gibt es ein anderes, das unter dem Seyenden, in sofern kein Seyendes ist und doch ist. Von dieser Art sind alle Naturdinge ja die Natur selbst, inwiefern in ihnen kein eigentliches Seyendes (oder Subject) ist, sondern inwiefern sie ein bloß objectives Leben haben. Daraus also daß die Natur kein eigentlich Seyendes (ὄν) ist, sondern mehr von der Art des Seyns an sich hat, hat von jeher eine Art der Sophistik den Schluß ziehen wollen, sie sey ein völliges Nichts Etwas das auf keine Weise ist. So könnte man auch darthun, daß alles was sich als Seyn darstellt, nichts sey. Denn das was Seyn ist kann schon des Gegensatzes wegen nicht einerley mit dem Seyenden seyn, sondern ist nothwendig das nicht Seyende. Aber darum doch nicht das Nichts. Denn wie sollte das das Nichts seyn, das das Seyn selber ist. Das Seyn muß eben auch wieder seyn. Es gibt kein bloßes Seyn, oder wie man sonst sagt kein reines lautres Objectives, in dem gar nichts Subjectives wäre. Was als das nicht Seyende erscheint, (wie die Natur) ist nur nicht ein subjectiv Seyendes, wohl aber ist es ein nichtsubjectiv Seyendes. Es ist nur gegen jenes als das vorzugsweise Seyende ein nicht Seyendes, auf sich selbst bezogen aber wohl ein Seyendes. Alles Seyende einer geringern Art verhält sich gegen das

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 85)« (1816 - 1820). Text

    Begriffe: -A0 und +A0, durch Zweyung entstanden, Subject, Potenz/Actus, Selbstheit, Subject-Object, Elohim-Jehova

    Inhalt: »+A0 an sich die Lust im J.B. Sinn«

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 90)« (1816 - 1820). Text

    I)Dem zufällig Seyenden scheint zunächst nur das nothwendig Seyende entgegenstehen zu können; daher, der vom Zufälligen sich abwendet, gleichsam blindlings und unwillkührlich diesen Begriff erfaßt, den Begriff des schlechterdings nicht nicht seyn könnenden seyn Müssenden. Allein, was in andern Fällen wahrzunehmen ist, zeigt sich auch hier, nämlich daß es eine andre Ordnung der Begriffe ist, nach welcher sie im Bewußtseyn hervortreten und eine andere, welche durch ihre Natur bestimmt wird.

    Denn, wenn ich den Begriff des nothwendig Seyenden setze, so ist mir damit weiter nichts gegeben, als der Begriff von einem, das nothwendig seyend ist; aber dieses ist eine bloße Bestimmung desselben in Ansehung des Seyns, eine bloß objective, aber was es an sich ist, dieses nothwendig Seyende, oder was das Subject ist dieses nothwendig Seyenden ist mir damit nicht gegeben.

    Frage ich nun, nicht was das nothwendig seyende, sondern was das ist, welches das nothwendig Seyende ist, so leuchtet gleich ein, daß dieses nicht wieder das nothwendig Seyende, das seyn Müssende seyn kann, und da ebensowenig das Zufällige, nur das seyn Könnende oder das eine lautere Freyheit ist zu seyn.

    Wenn aber das, was das nothwendig Seyende ist, nur das seyn Könnende seyn kann, so ist freylich klar, daß dieses Subject des nothwendigen Seyns, wenn es erst seyend gesetzt wird, nicht als das zufällig seyende, sondern nur als das an sich, wesentlich und nothwendig seyende gesetzt werden kann.

    Aber wie komme ich denn dazu, es seyend, d.h. objectiv zu setzen, da es an sich nur seyn könnend nur Subject ist?

    Denn wenn gefragt wird, was das Subject des Seyns ist – nicht aber des nothwendigen oder zufälligen – sondern des Seyns schlechthin, so kann dieses, wie von selbst einleuchtet, als solches nicht schon seyend seyn (in diesem, so eben bestimmten Sinn, werden wir es das nicht Seyende nennen können); es ist so zu sagen vorerst der bloße Titel zu einem Seyn, oder angemeßner ausgedrückt, die innre, ursprüngliche, lebendige Möglichkeit des Seyns.

    Nun ist der schlechthin erste oder vielmehr absolute Begriff unstreitig eben der des lautern Subjects, nicht insofern es dieses oder jenes, (z.B. nothwendig seyend) sondern sofern es eben Subject d.h. lautres Seyn-Können ist.

    Dieses Subject ist denn freylich – wir halten uns bis jetzt an den bloßen reinen Begriff desselben – das Subject also ist, diesem Begriff nach, nicht nur das seyn Könnende, sondern eben dieses ist auch das, was seyn muß, und damit wir gleich den dritten möglichen hinzusetzen, das was seyn soll. Denn was in aller Welt kann seyn, das seyn soll oder dem gebührt zu seyn, als dieses lautre Subject alles Seyns, das nicht sowohl seyend, als das Seyende selbst (αὐτὸ τὸ ὌΝ) ist und allein sofern es das seyn Könnende ist*)*) NB. eigenschaftlich, kann es nicht das Seyn Müssende seyn, wie von selbst einleuchtet und nicht das seyn Sollende. *)) Könnte man nicht davon anfangen, daß das nicht nicht seyn Kön˖[nende] (von dem allerdings anzufangen) nur das seyn Kön˖[nende] seyn kann (incoercibler Geist, Freyheit zu seyn) – also: das seyn Müss[ende]. Aber nicht als s˖[olches] sondern als das seyn K˖[önnende] – oder das seyn Müss˖[ende] das es ist und nicht ist. Damit es das seyn Müss˖[ende] sey, muß es objectiv (secundo loco) gesetzt werden.Denn es sey – das seyn Könnende, so kann es also seyn (es versteht sich daß auch nichtseyn), Seyend aber, ist es nicht mehr das seyn kann und nicht seyn kann d.h. das lautre Subject, sondern das seyn und nicht seyn konnte, d.h. das zufällig Seyende (ein größerer Umsturz läßt sich nicht denken). Nun ist es aber das seyn Sollende nicht unbeschränkter Weise, sondern nur als das lautere Subject. Offenbar also, sofern das seyn Könnende, ist es vielmehr das nicht seyn Sollende. Und dasselbe gilt auch umgekehrt; nämlich inwiefern das seyn Müssende kann es nicht das seyn Könnende seyn und inwiefern das seyn Sollende, kann es weder das seyn Könnende noch das seyn Müssende seyn.

    Wir können auch jenes Erste, was vom bloßen Begriff des Subjects gesagt worden umkehren; nämlich Alles, was es nur sey, seyn Könnendes oder seyn Müssendes oder seyn Sollendes, kann an sich nur das Seyn-Könnende seyn, denn es kann Einmal nichts Anderes seyn, als das Subject des Seyns, d.h. das Seynkönnende. Wenn nun alles (auch das seyn Müssende und das seyn Sollende) an sich nur das Seynkönnende seyn kann, so folgt, daß dieses an sich, d.h. gradezu, unbedingt, grundlos nur Eines seyn könne – nämlich eben das seyn Könnende; wie es aber das seyn Müssende sey, von welchem (dem seyn Müssenden) daß es sey gar keine Frage seyn kann, da es seyn muß, sondern nur, wie das, was es allein seyn kann, das seyn Könnende es seyn könne – ferner wie es das seyn Sollende sey, von dem, daß es sey ebenfalls unzweifelhaft ist und nur gefragt wird, wie das, was es allein seyn kann, das Seynkönnende, es seyn könne – wie es also das seyn Müssende und das seyn Sollende sey, davon ist einleuchtend, daß erst Grund gegeben werden muß.

    Hieraus folgt also auch, daß wir als schlechthin Erstes nicht das seyn Müssende noch das seyn Sollende sondern eben nur das seyn Könnende setzen können. Denn es ist alles an sich = dem seyn Könnenden. Daß also das Erste das bloß seyn Könnende, das in seiner Bloßheit gesetze Subject selbst sey bedarf keines Grundes, versteht sich von selbst, gilt unbedingt nach dem bloßen Gesetz der Identität (A=A), von dem Fichte schon, im Anfang der Wissenschaftslehre scharfsinnig bemerkt, daß es kein Seyn aussage, oder nach dem des Widerspruchs. Denn da das Subject des Seyns d.h. eben das Seynkönnende an sich auch das seyn Müssende und das seyn Sollende ist,

    Und so geben wir denn im Anfang wohl das seyn Müssende auf, indem wir nur das Seynkönnende d.h. das allgemeine Subject setzen, sofern es das seyn Könnende ist. Allein indem wir so das bloße nackte Seynkönnende oder Subject setzen, machen wir II)ebendadurch möglich, daß das seyn Müssende sey. Denn an sich freylich kann dieses auch nur das Seynkönnende seyn, aber gegen das Subject, das ihm vorgesetzt ist, wird es zum nothwendig Seyenden, weil nichts das nothwendig Seyende seyn kann, als eben das lautre Subject des Seyns, d.h. das seyn Könnende selbst, nicht an sich, aber sofern es objectiv, d.h. seyend gesetzt ist. Denn das seyn Könnende kann als dieses nicht wieder bloß seyn Könnendes seyn, es muß das schlechterdings nicht nicht seyn Könnende das seyn müßende seyn. Nun ist aber das seyn Könnende, das vor allem, schlechthin, gesetzt wird zwar das seyn Könnende, aber nicht als das seyn Könnende. Es ist das seyn Könnende, aber das ganz in sich selbst zurückfallende, es ist’s, aber nicht übergehender Weise oder so daß es sich selbst wieder als solches zurückgestrahlt wird, sondern schlechthin innerlich und irreflexiver Weise; in der Einfalt nicht in der Verdoppelung (reduplicative) es ist das seyn Könnende an sich im eigentlichen Sinn (wie man von einem Menschen sagt, daß er einen Fehler oder eine Untugend an sich hat, die er nicht los werden kann, die er nicht gewahr wird). Ebendarum weil nicht als das seyn Könnende ist es wahrhaft seyn Könnendes, Freyheit zu seyn; denn wär’ es als das seyn Könnende, so wär’ ihm eben dadurch ### seyend zu werden, da es als solches seyend aufhörte das seyn Könnende zu seyn. Um also das Seynkönnende (### ### allgemeine Subject) als das seyn Müssende zu setzen kommt es bloß darauf an, es völlig objectiv zu setzen, losgerissen und befreyt von aller Subjectivität. Dieß kann es aber nicht an sich seyn, denn an sich ist es eben Subject, also nur Bejahung ###, nur dadurch, daß es ausgeschlossen ist von dem Ort des Subjects d.h. des Seynkönnens, also dadurch daß ein andres ihm vorgesetzt ist, das das seyn Könnende Seynkönnende ist.

    Eben dasselbe läßt sich auch daraus einsehen, daß das entschiedne Seyn nur im Gegensatz des Könnens d.h. als Nichtkönnen gedacht werden kann. Wollte man nun aber das Seyn (das entschiedne lautre) als Nichtkönnen erklären, so wäre damit nichts gesagt, wenn es nicht an sich Können wäre; der positive Begriff des Seyns ist selbst nur Seyn-Können, es ist ein ruhendes Seyn-Können, Seyn-Können, das nicht Seynkönnen ist. Wie kann es aber Nicht-seyn-Können seyn, da an sich Seynkönnen, wenn es nicht gehindert, wenn ihm nicht unmöglich gemacht ist, dieß zu seyn. Wodurch aber unmöglich, wenn nicht durch ein ihm Vorausgesetztes.

    Fragt man also nach dem Grund des Unterschieds zwischen dem seyn Könnenden und dem seyn Müssenden, so ist klar, daß dieser Unterschied bloß auf dem Verhältniß beruht, das Aristoteles schon als das der bloßen Beraubung (στέρησις) bezeichnet hat. Nämlich das seyn Könnende ist an sich das seyn Müssende und das seyn Müssende ist das das seyn Könnende, und doch ist jenes nicht dieses und dieses nicht jenes, wodurch keine Verneinung oder Verminderung der Wesentlichkeit in dem einen oder andern gesetzt wird, wohl aber macht dieses an sich unwesentliche, auf das Wesen keinen Bezug habende, Verhältniß den in andrer Hinsicht himmelweiten Unterschied, daß das eine das seyn Könnende das andre das Seyn Müssende ist.

    Nun läßt sich auch wohl zum Voraus absehen daß das ### dessen, was das seyn Könnende und dessen was das seyn M˖[üssende] ist ein sehr verschiednes seyn werde. Man könnte daher versucht seyn zu fragen: warum, da jenes doch eben das (dasselbe Subject) ist, was dieses, warum muß jenes das Erste und darum das bloß seyn Könnende seyn, dieses das Zweyte und dadurch das schlechthin Seyende? Allein hievon läßt sich wie leicht einzusehen kein Grund angeben. Nämlich: nachdem das erste ist, so ist freylich Grund daß das zweyte das schlechthin Seyende sey; denn es kann nur dieses seyn, daß aber das Erste das erste, und also das lautre seyn Könnende ist, davon läßt sich kein Grund angeben, hier ist der Ungrund, das ist so weil es so ist, als ein ewig Vorausgesetztes, gleichsam als eine ewige Vergangenheit, denn irgendwo muß der Grund aufhören, nämlich eben bey dem, was der Grund von allem ist. Auch wäre ja damit nichts gewonnen, wenn das, was jetzt das Zweyte ist das Erste, und was das Erste, das Zweyte wäre, sondern es würde nur dieselbe Frage wieder zurückkehren. Es ist mit dem gegenwärtigen Verhältniß wie mit dem des Linken und Rechten im thierischen Körper. Denn nachdem das, was jetzt das Herz ist, Herz ist, kann das, was die Lunge ist nur Lunge seyn; aber es wird niemand fragen, warum ist das, was das Herz ist, Herz und nicht Lunge und was die Lunge ist, Lunge und nicht Herz? Hier, im Innern des Organismus zeigt sich das Linke und das Rechte wirklich verschieden; auf der Oberfläche ist auch diese Verschiedenheit wieder ausgeglichen; das linke Auge ist was das rechte und das rechte was das linke, und doch ist jenes nicht dieses und dieses nicht jenes, und beyde sind dadurch, daß sie sich wie das linke und rechte verhalten, entschiedner auseinandergehalten als selbst durch einen Unterschied des Wesens und der Form geschehen könnte, da das rechte nie das linke, das linke nie das rechte werden kann; dennoch wird niemand fragen, warum ist dieses das linke jenes das rechte, denn würde dieß auch umgekehrt so wäre damit nichts gewonnen, und dieselbe Frage würde zurückkehren.

    Was für unsern Zweck das Wesentliche in diesem Verhältniß ist, ist daß das Erste Seynkönnende, welches das bloße seyn Könnende ist, dem, welches das seyn Müssende ist, möglich macht, dieß zu seyn. Indem es nämlich das Können auf sich nimmt, entbindet es das andere des Könnens, d.h. seiner selbst, hebt es über sich, und setzt es aus sich selbst hinaus und macht es zum Gegensatz von s˖[ich] s˖[elbst], als das nicht seyn Könnende sondern schlechthin nicht nicht seyn Könnende, seyn Müssende. Das seyn Könnende also ist das Vorausgesetzte (suppositum) oder, da die Begriffe hier, wie die Worte völlig übereintreffen, das Subject (subjectum) des seyn Müssenden, und inwiefern man von A, das Subject von B ist, sagt: A ist B, so müssen wir also auch sagen: das seyn Könnende ist das seyn Müssende. Jenes ist das Innere, dieses das Äußere, jenes ist von diesem gleichsam bedeckt und überkleidet, dieses kommt über jenes. Aber eben, weil das seyn Könnende dem seyn Müssenden das Seyn ist, ist dieses durch ein unzerstörliches und unauflösliches Band an jenes geknüpft. Denn es kann das seyn Müssende nur in diesem Verhältniß seyn, nur sofern es das seyn Könnende in sich, als Träger, Unterstand oder Subject voraussetzt.

    Nun wollten wir aber doch im Grunde keines von diesen beyden. Wir wollten nicht das Subject, die Freyheit zu seyn, bloß als das Subject und insofern als das nicht Seyende. Wir wollten ebensowenig das Subject als das bloß Seyende, da es aufhört Subject zu seyn, Object wird, Nichtfreyheit zu seyn. Sondern wir wollten das als solches seyende Subject. Dieses ist was seyn soll, denn nur dem Subject als solchem gebührt es zu seyn. Dadurch daß es das als solches seyende, nicht nicht seyende, ist unterscheidet sich das seyn Sollende von dem Ersten, dadurch daß das als solches seyende von dem zweyten. Inwiefern das als solches seyende Seynkönnende, ist es natürlich weder das seyn Könnende im Sinn des Ersten, d.h. das seyn Könnende, das das nicht Seyende ist, noch das Seyende im Sinn des Zweyten, d.h. das Seyende, das das nicht seyn Könnende ist, sondern es ist das seyn Könnende nur als das seyn Müssende, und das seyn Müssende nur als das seyn Könnende, d.h. es ist auf dieselbe Art seyend wie das seyn Müssende ist, aber so, daß es in diesem Seyn Freyheit zu seyn ist, und hinwiederum, es ist Freyheit zu seyn, wie das Erste, aber so, daß es in diesem Seyn seyend ist wie das zweyte – nicht zufällig seyend, wie das bloße seyn Können, wenn es zum Seyn übergeht, sondern wesentlich seyend und in diesem Wesen ### Seyn, doch nicht unfrey wie das Zweyte sondern frey wie das Erste, und umgekehrt frey, zu seyn, wie das Erste und doch in der Unmöglichkeit in diesem Seyn das unwesentliche Seyende zu werden.

    III)Nun ist für sich klar, daß das Subject dieses seyn Sollenden auch wieder nur dasselbe seyn kann, das auch das seyn Könnende und das seyn Müssende ist, denn wenn das seyn Sollende ist, so ist ja nur das als solches seyende Subject, die als solche seyende Freyheit zu seyn. Es ist aber ferner klar, daß diese Freyheit zu seyn, wenn Freyheit zu seyn, nothwendig nicht das Seyende, wenn das Seyende nicht Freyheit zu seyn ist. Um also als diese auch jenes, als jenes diese zu seyn muß es weder diese noch jenes insbesondere seyn. Allein damit dieses Weder-Noch kein leeres sey, oder anders ausgedrückt, daß es weder jenes noch diese, und doch nicht Nichts sey, muß es an sich seyn, was diese sind; es muß ihm nicht an sich selbst unmöglich seyn, sowohl das seyn Könnende, als das seyn Müssende zu seyn? Wodurch also kann es zu jener Untrennlichkeit, zu der Unmöglichkeit das seyn Könnende anders zu seyn, denn als das seyn Müssende, und das seyn Müssende anders denn als das seyn Könnende, gebracht werden, als dadurch, daß es sowohl vom Ort des seyn Könnenden als von dem des seyn Müssenden ausgeschlossen ist. Es muß also erstens abgehalten seyn vom Ort des seyn Könnens, daß es nicht in die Tiefe kann. Könnt’ es in die Tiefe, so wär’ es das Seynkönnende aber das nur das seyn Könnende, d.h. das nicht als solches ist, das ebendarum auch aufhören kann, es zu seyn und das zufällig Seyende werden. Daß es nun nicht in die Tiefe kann ist ihm nicht durch sich selbst unmöglich, denn es ist an sich eben das, was das Erste und Innerste ist. Wäre, um so ungereimt zu reden, das Erste nicht, so wäre das Zweyte an der Stelle da das Erste ist, und wäre das Erste und das Zweyte nicht, so wäre das Dritte die Tiefe. Denn alles ist seiner Natur nach (nisu suo) Tiefe, Abgrund, denn alles ist an sich nur Es Selbst (A=A), nichts ist an sich erhöht, über Sich (jene Tiefe) gehoben, es sey denn ein es Erhöhendes, es Emportragendes. Aber noch könnte es, vom Centro abgehalten, in der unmittelbaren Beziehung zu diesem, das schlechthin Seyende seyn, Nichtfreyheit zu seyn. Es muß also noch überdieß vor jeder unmittelbaren Beziehung zu dem Centro bewahrt seyn, d.h. es muß ihm ebenso unmöglich seyn, das Objective, als ihm unmöglich war, das Subjective zu seyn. Es muß daher zwischen ihm und der Tiefe ein Mittleres seyn, das es sowohl von dieser abhalte als mit ihr verbinde. An den beyden Stellen, an der des seyn Könnenden, wie an der des seyn Müssenden, muß schon ein andres seyn, d.h. eines das nicht Es ist, mit dem es in jenem ausschließenden Verhältniß steht, das als Verhältniß der Beraubung beschrieben worden. Da es weder an dieser noch an jener Stelle, also weder das seyn Könnende noch das seyn Müssende seyn kann, so bleibt ihm nichts, als das seyn Könnende so zu seyn, daß es als dieses auch das seyn Müssende ist, und das seyn Müssende so, daß als dieses auch das seyn Könnende, d.h. es ist genöthigt, als das Weder-Noch, als die Gleichgültigkeit (Indifferenz) von beyden, als das lautre Subject oder seyn Könnende zu seyn, zugleich dasselbe mit sich und der Gegensatz von sich, dasselbe weil die lautre Freyheit zu seyn, den Gegensatz von sich weil als solches seyend.

    Es ist mit Einem Wort nur als das ausgeschloßne Dritte (exclusum tertium) wie wir uns nach dem bekannten logischen Grundsatz ausdrücken können. Denn auch der weniger Scharfsichtige sieht, wie die sogenannten drey Urgesetze alles Denkens in der That nichts anders als die Gesetze des Ur-Seyns des absoluten Subjects in seinen drey Gestalten sind. Denn das seyn Könnende ist es schlechthin, an sich, vermöge des bloßen Gesetzes absoluter Sich-Selbst-Gleichheit (A=A), trägt aber eben als solches auch den Keim der höchsten Sich-Selbst-Ungleichheit, des Widerspruchs in sich. Daß es aber das seyn Müssende, Nichtfreyheit zu seyn ist, dieses fodert Grund, und es ist dieses nur nach dem Gesetze des Grundes (principium rationis sufficientis), das man auch Gesetz des ausgeschlossenen Zweyten nennen könnte. Endlich das Dritte das als solches seyende – seyn Könnende ist es nur zufolge des Gesetzes des ausgeschlossenen Dritten (principium excl˖[usi] tertii). Wenn übrigens demzufolge das Erste bloße seyn Könnende das Vorausgesetzte und unmittelbare Subject des seyn Müssenden ist, das es sich anzieht und mit dem es sich gleichsam selbst überkleidet, so sind wieder beyde zusammen das Subject des Dritten und so das Seynkönnen (Nichts) das Subj˖[ect] der allg˖[emeinen] Magie

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 88)« (1817). Text

    Begriffe: A0=B, Hypothesis, Antithesis, Nichtseyn, Vorwurf (Object), lauterer Wille, seyn Müssendes

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 83)« (1817 - 1820). Text






    Soll es Nicht-Ich werden, so kommt es also darauf an, jene an sich unbesiegbare Kraft der Selbstheit, die in ihm oder die es vielmehr selbst ist herauszulocken aus ihrer Innerlichkeit daß sie wirkend, und dadurch selbst objectiv wird. Wie nun dieses möglich sey oder geschehen könne, dieses bedarf zunächst der Erklärung.

    II)Wir haben bis jetzt nichts vor uns, als das lautres Selbst, absolutes Ich ist. Als dieses nun ist es eigentlich ein unendliches Können; oder wie sich ebenfalls sagen läßt, es ist nicht so wohl könnend, als das Könnende selbst. Dieß kann zur früheren Erläuterung dienen. In Bezug auf die Selbstanziehung bedarf es deß nicht – denn da sucht es als die Freyheit (sich s˖[elbst]) als Seyn zu haben.Aber das Können das nicht wirkend ist, nicht dem Seyn entgegensetzt, ist selbst als Seyn, und was nicht könnend, sondern das Könnende selbst ist eben darum nicht zwar seyend, aber das Seyende selbst. Ebenso können wir sagen: Es ist ein unendlich Wollen aber das nicht will; oder es ist, eben weil nicht wollend, das Wollende selbst. Nun ist das Wollen freylich der Gegensatz des Seyns; aber der Wille der nicht will ist auch selbst nicht Wille sondern Seyn und zwar das lauterste Seyn. Also ist auch das das Wollende selbst ist: eben weil es dieß ist, nicht seyend aber das Seyende selbst. Der Hergang ist:
    a. Durch die Nemesis sieht es s˖[ich] s˖[elbst] wird s˖[ich] s˖[elbst] inne.
    b. Es wird von Begierde entzündet gegen s˖[ich] s[elbst].
    c. Was ist denn diese Begierde, die in ihm oder die es s˖[elbst] und die doch auch nicht es s˖[elbst] ist – diese Zweyheit*) – ℟ an sich Eins – nur durch einen bösen Zauber getrennt – Es ist auch keines mehr das Ganze oder Rechte so wie es zur That kommt. s. IV, 2. tot.
    *) Im Werden selbst entsteht die Zweyheit, die an sich nichts ist, sie ist etwas bloß Spiegelhaftes s. VI, 2 (Einheit von Wille und Seyn, jeder Wille auch ein Seyn s. VI,3
    Dasselbe ließe sich auf dieselbe Art vom Begriff des Wissens zeigen. Denn Wissen und Können sind auch in viel späteren Begriffen noch gleichbedeutend; und alles Wissen ist ursprünglich ein Wollen; denn das ich nicht will, das ich mir nicht anziehe das weiß ich nicht. Also jenes lautre Selbst ist an sich ein unendliches Wissen, oder, es ist nicht wissend eben das Wissende selbst. Nun ist das Wissen, das sich das Seyn anzieht, es sich zum Vorwurf macht, ebendarum der Gegensatz des Seyns: Läßt es aber das Seyn, ist es nicht wissend sondern das Wissende selbst, so ist es ebendarum nicht im Gegensatz des Seyns, sondern das Seyende selbst.

    Aus allem diesem erhellt, daß jenes absolute Können, Wollen oder Wissen das Seyende selbst, gleichsam das lautre Wesen des Seyns ist, aber nur sofern es sich eben diesem Seyn nicht entgegenstellt, es nicht anzieht, nicht sich zum Vorwurf macht es nicht ergründen oder erkunden will, im gänzlichen sich Lassen, oder, was dasselbe sagt, in der vollkommnen Gelassenheit oder um einen veralteten aber treffenden Ausdruck zurückzurufen in der völligen Selbstunannehmlichkeit.

    Hier ist also gleichsam die bloße oder offne Stelle, wo es der Lockung zugänglich ist, indem es nämlich seiner selbst inne wird, als das das Seyende selbst, die Macht alles Seyns ist.

    Wir sagen: indem es seiner inne wird; denn wir müssen annehmen, daß es das, was es ist, ist im gänzlichen Nichtwissen, in der völligen Bloßheit und Ledigkeit seiner selbst. Aber es kann auch seiner inne werden nicht durch sich selbst, denn dieses wäre schon ein sich selbst Anziehen, ein sich selbst wissen wollen. Also nur eine Macht außer ihm kann es dazu bringen – nicht daß es sich wirklich anzieht, sondern nur daß es sich inne wird, als das sich selbst nicht hat und sich haben kann. Wie stimmt dieß aber mit dem, was doch auch behauptet worden, daß nichts außer jenem lauteren Selbst sey? Wir sehen wohl, daß dieses Selbst zwar nicht seyend ist, aber das doch, eben durch die Anziehung des an sich unergründlichen und ungegenständlichen Seyns, seyend werden kann, daß es in sofern wie auf der Gränze von Seyn und Nichtseyn und also doch noch innerhalb der Sphäre des Seyns (wenigstens des möglichen) steht. Ein solches also ist nicht außer ihm, weder das seyend ist noch das seyend seyn kann, und jene oben angenommne Macht kann nur eine solche seyn, die ewig außer dem Seyn bleibt, selbst nie in das Seyn hereintritt, aber ebendarum die bewegende Macht alles Seyns ist.Überlegung verdient es doch noch, ob nicht die (unwillkührliche) Sucht (da Reichthum = Armuth) die erste Veranlassung ist? Wenigstens könnte diese einen Ansatzpunct für das Gesetz geben.

    Wir können sagen: es sey die Nemesis, die wie Aristoteles in der Redekunst sich ausdrückt, betrübt wird über unverdientes Glück (λυπουμένη ἐπὶ τῷ φαινομένῳ ἀναξιως εὐπραγεῖν) und die überall dem Blinden und Zufälligen abhold ist. Denn ein Zufälliges ist hier allerdings, weil jenes Ich das Seyende selbst ist, doch nicht so daß es nicht auch aufhören könnte dieß zu seyn. Es ist die zweydeutige Natur (natura anceps), Fortuna, die Zweyheit der Pythagoreer, das was es ist seyend und nicht seyend. Seyend jetzt nämlich und vor der Entscheidung, nicht seyend, nämlich nicht so, daß sie nicht auch das Gegentheil seyn könnte.

    Sagten wir aber, jene Macht sey das Gesetz (νόμος), so würden wir ja beynah’ dem Wort nach dasselbe sagen, wie ohnedieß der Sache nach. Denn das Gesetz ist das alles richtende (πάντα κρίνων), ur-theilende, in Scheidung oder Krisis ziehende. Darum also kann es auch jene Unbestimmtheit nicht dulden, denn es will daß alles klar lauter und entschieden sey und keine Möglichkeit verborgen bleibe.

    So also verhält sich das Gesetz, auch gegen jenes Überschwengliche. Dieses ist eine lautere Freyheit, aber die sich selbst nicht weiß. Ihr Wesen ist Einfalt und ohne alle Unterscheidung, es ist wie die reine Frohheit in sich selber, die sich selbst nicht kennt, die gelassene Wonne die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt. Indem aber das Gesetz ihm sagt: Laß dich nicht gelüsten deiner Freyheit, wird es sich eben dadurch inne als diese Freyheit, zuerst sich selbst gewahr und gleichsam ansichtig seiner selbst. Auch von ihm gilt: Ich wüßte nichts von der Lust, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: Laß dich nicht gelüsten.

    Eben damit nämlich daß es ihm sagt, sich der Freyheit nicht zu überheben, sich die Freyheit nicht anzumaßen, macht es diese zu etwas von ihm Verschiedenem, das sie doch nicht ist, noch seyn kann; d.h. es erweckt ihm ein bloßes Bild dieser Freyheit, durch welches der Wille angezogen und entzündet werden kann. Indem es diese Freyheit sieht, als etwas das gehabt werden kann, entstehet ihm nothwendiger Weise die Meynung, daß sie auch als Freyheit gehabt werden könne, d.h. daß sie, auch angezogen und zum Gegenstand gemacht, noch eben dieselbe Freyheit seyn würde, die sie doch nur ist in der Nichtangezogenheit. Es glaubt diese Freyheit sich zum Seyn machen zu können, das sie ihm zwar ist, aber doch nur ist im gänzlichen Lassen, oder sofern es sich ihrer nicht annimmt.(Nein Variatio ex remiss. Schlehd˖[orf] II, 4. ganz unten.

    NB. Vielleicht ist die lautere Freyheit im (ersten, imaginären) Gegensatz mit dem Willen, da ihr also der Wille fehlt s. die Lust – und das Erwerben der Lust bestehet eben in dieser ersten Zweyung in der Imagination. Aber die lautere Freyheit, indem sie so ganz objectiv Lust ist, ist dünner als ein Nichts. Der Wille erst coagulirt sie, zieht sie zusammen, da empfängt sie, wird voll und gleichsam dick und kann nun gebären. Die Lust ist gleichsam das erste – von dem Willen abgeschiedne Weibliche (wie Eva) und brachte die Lockspeise, den Köder des Willens. Vorher Gleichgültigkeit des einen gegen das andre.

    Diese erste Doppelheit indeß, die bloß in der Imagination noch stattfindet, würde nie zur Wirklichkeit kommen, wenn nicht die eigentliche Kraft jener Freyheit der Wille selbst, sich dran gäbe. Wie aber dieser dazu gebracht werde, möchte sich wohl nicht einleuchtender als mit den Begriffen beschreiben lassen, mit denen einer der Apostel, dem von allen der tiefste Blick in diese ersten Lebensanfänge geworden, den Ursprung der Sünde beschreibt. Nicht daß die Übertretung von der hier die Rede ist schon Sünde genannt werden könnte; denn wie Verschiedene, die dasselbe thun nicht dasselbe thun, so ist auch dasselbe in verschiedenen Zeiten gethan nicht dasselbe; aber der Hergang ist in dem ersten wie in dem letzten Fall der gleiche.

    Bis jezt also denken wir uns jenes lautere Selbst an nichts gebunden in übernatürlicher Freyheit; dieser Frieden III) stört die Macht, die allem Hohen feind das nicht als solches sich bewährt, eben jenes Selbst auf die Probe stellt, indem sie ihm das Unbewußtseyn, und die Unschuld über sich selbst, nimmt, und die Möglichkeit zeigt, sich die Freyheit die es ist anzuziehen. So nun, indem die Freyheit sich ihm vorstellt, wie im Bild einer grundlosen Tiefe und unendlichen Möglichkeit, ihm vorspiegelend, wie es ihrer sich bemächtigend, ganz auf sich selber stehen sich selbst Mittelpunct seyn könne, und mit ihr, die jetzt Nichts, aber wenn der Wille sich zu ihr geselle, allmächtig seyn werde über alles herrschen möge als eigenes, einziges, alles andere ausschließendes und auch nichts außer sich duldendes Wesen, erzeuget sich zwischen dem Bilde und dem noch verborgnen und innerlichen Willen die Lust, durch die er mehr und mehr entbrennet gegen dieses Bild und so durch eine Art von Verzauberung, sich dem eigentlichen Selbst immer vorstellend und zeigend, zieht sie das, was die lautere Kraft der Freyheit ist an sich und heraus aus der Stille seines nichtwollenden Willens, daß es wie durch Verblendung, Betrug und Überraschung (dieß alles liegt in dem Wort δελεαξομενον) zum wirklichen Wollen gebracht wird auf eine zwischen Freywilligkeit und Unfreywilligkeit zweifelhafte Weise, eine Art des Hergangs, die wohl nicht mit solcher Beständigkeit in so mancher sinnreichen Fabel alter und neuer Zeit wäre wiederholt worden ohne höheren Bezug ja ohne Bezug auf dieses höchste aller Ereignisse.

    Mehr läßt sich nicht antworten auf die Frage, wie der lautere Wille dazu gebracht werde, sich selbst zu nehmen, als: Es ist natürlich, daß er sich nehme. Es wäre übernatürlich, wenn er sich schlechterdings nicht wollte.*)*) Im Sich nicht wollen. Im nicht Wollen besteht alle Übernatürlichkeit, wie umgekehrt dadurch daß was an sich lautres Können ist, wirkend wird alle Natur entsteht. Das ist das schwerste und über alle Natur bloßer Wille zu bleiben, ohne zu wollen. Man sagt, des Menschen Wille sey sein Himmel. Aber nur, wenn er innerlich bleibt, oder in’s Innre wieder geführt wird und zur Ruhe kommt. Man könnte aber eben so gut sagen, des Menschen Wille sey seine Hölle, denn was ist die Hölle als das ewige Suchenmüssen und nicht Findenkönnen des Himmels. Der Himmel kann man sagen besteht im Nichtwollen. Jeder Mensch sucht diesen Himmel, nicht der allein, der es erträgt nicht zu wollen, gleichsam auszudauren in der reinen Gluth des lauteren Willens, auch der welcher sich allen Begehrungen überläßt, denn auch dieser sucht ja nur den Zustand wo er nicht mehr zu wollen hat, ob dieser gleich vor ihm flieht, und je eifriger verfolgt desto weiter sich entfernt. Der Wille wenn er zur Wirkung kommt ist die unerfüllbare Leere, die stets offen stehende Tiefe, unersättlich wie die Hölle. Es ist dem Menschen, wie er ist, gleichsam unleidlich nicht zu wollen. Es gibt Augenblicke vielleicht, seltene, einer seligen und vollkommnen Genüge da das Herz nichts verlangt, da wir wünschen könnten, daß sie blieben wie sie sind und die uns wirklich als Ewigkeit sind; aber eben in diesen, ohne unser Zuthun, ja ohne uns dessen erwehren zu können, öffnet sich das Herz wieder der Begierde,*)*) d.h. wir suchen wieder jenen Genuß zu genießen, ziehen ihn an, und machen ihn eben damit zu nichte weil ihm unerträglich ist zu ruhen und wird wieder fortgerissen in das ringende Leben. Es ist kein unebner Gedanke, daß abgeschiedne Geister die unfähig des Himmels in die Region des Himmels gerathen, sich freywillig wieder von ihr ausscheiden, weil ihnen der Zustand des ruhenden, nichts wollenden Willens zur Pein wird, daß sie also sich selber wieder hinabstürzen in den Umtrieb der nie ersättigten, stets nach Wesen hungernden Begierde.

    Also jenes lautre Selbst konnte nicht wollen, bloßer Wille bleiben. Aber es war übernatürlich wenn es nicht wollte, natürlich also daß es wollte. Das Schicksalmäßige in diesem Vorgang ist auch sonst nicht zu verkennen. Denn schicksalgemäß (fatalis) heißt ja eben diejenige Nothwendigkeit, welche die Freyheit nicht aufhebt sondern voraussetzt (nur für freye Wesen ist ein Schicksal), die nicht sowohl in einer Vernichtung als in einer Verleitung oder Bestrickung der Freyheit besteht. Schicksal nennen wir noch insbesondere die Nothwendigkeit, die aus Handlungen, zu welchen freye Wesen durch ihre Schickung verleitet werden, von ihnen nicht gewollten ja nicht geahndeten Erfolg hervorbringt.

    Verhängnißmäßig auch in andrer Hinsicht ist jenes Herausgezogen werden des Willens. Denn dieses ist klar, daß das dadurch Gesetzte der Anfang ist aller Bewegung und des ganzen Lebens. Aber nichts will Anfang seyn, und was auch Anfang seyn möge ist es zwar nicht ohne seinen Willen aber doch nicht mit seinem Willen. Der Anfang ist das nicht um seiner Selbst willen Seyende, denn es ist das eigentlich nicht seyn Soll. Aber alles was ist muß glauben um seiner selbst willen zu seyn. Nicht ohne Verlockung, nicht ohne ### von Überlistung und Täuschung kann also der Anfang seyn.

    Das Täuschende kann nichts Wirkliches seyn, denn vor ihm ist nichts, als nur ein Bild, nämlich eben die ihm gezeigte unendliche Freyheit, welche sich ihm als Seyn vorstellt, das es haben kann, gleichsam als die Fülle, als der Reichthum selbst, wogegen er, der Wille, wenn er sich nicht von dieser Vorstellung abzieht, sich als nicht seyend, als bloß und arm erscheint, und nun natürlich, überwältigt von der Lust, zur Begierde nach diesem Seyn wird, da er doch nur nicht seyend ist, weil das Seyende selbst, nur arm und bloß, weil er der Reichthum selbst ist und ihn also nicht zugleich haben kann.

    Herausgezogen also von der eignen Lust (ἐξελκόμενον ὑπὸ τῆς ἰδίας ἐπιθυμίας) findet sich das lautre Selbst auch im Erfolge getäuscht. Es meynte sich zu finden als die ewige Freyheit, aber als das, was es zuvor war kann es sich nie bekommen. Es will sich verwirklichen und will doch dabey lautere Freyheit bleiben. Es denkt als die ewige Freyheit sich zu finden, und macht doch in eben diesem Wollen sich selbst als Freyheit zu nichte. Es ist ewige Freyheit eben in dem weder-Subject-noch-Object-Seyn. Aber als dieses Einfache, dem das Können auch das Seyn und das Seyn Können ist, kann sie sich nicht finden, da sie ja eben um sich zu finden sich gezweyt hat. Die an sich unbesiegbare Kraft der Selbstheit und der Geistigkeit, ist in’s Wirken, und ebendadurch herausgezogen, und macht sich, die zuvor das Innre war, zum Anziehenden und Umschließenden; dagegen eben diese Freyheit deren Kraft und Innres sie war und die in diesem Verhältniß frey war von aller Anziehung, wird jetzt zum Angezognen, Inneren, ebendadurch aber eingeschlossen und gleichsam comprimirt zur Nicht-Freyheit.

    Um noch mehr in’s Einzelne zu gehen, so sagen wir zuerst von jener Kraft der Selbstheit: diese Kraft, der Wille, der in der Innerlichkeit selbst als Seyn ist, und sobald er nur äußerlich und wirkend wird zum Gegensatz des Seyns, zum nicht Seyenden: denn außer dem das wir das nicht Seyende nennen können, nicht weil es nicht seyend sondern nur weil es nicht das Seyende selbst ist müssen wir auch eines erkennen, das eigentlich nicht seyend, nämlich der Gegensatz alles Seyns, und eben als solcher wirkend ist. Ein Princip das uns in gar vielen Gestalten überall begegnet, obwohl die Meisten es zu erkennen sich sträuben. Denn die Menschen sind im Allgemeinen gegen das Verneinende, wie sie eine natürliche Vorliebe für das Bejahende zeigen. Was frey ausquillt und sich mittheilt leuchtet ihnen ein; nicht so was abziehender, nehmender, nach innen gehender Natur ist. Den Meisten, wie sie sind, schiene nichts natürlicher als wenn alles in der Welt aus lauter Liebe, Güte und Sanftmuth bestünde, wovon sie doch so offenbar das Widerspiel wahrnehmen. Ein Hemmendes, Gegenstrebendes dringt sich überall auf, vor dem das Wesen oft kaum und nur mit Mühe zur Erscheinung gelangt, jedermann fühlt dieses Andre, das sozusagen nicht seyn sollte und doch ist ja seyn muß; dieß Nein das sich dem Ja, dieß Verfinsternde das sich dem Licht, dieß Linke das sich dem Rechten, dieß Krumme das sich dem Graden entgegenstellt und wie man sonst IV)diesen ewigen Gegensatz in Bildern auszudrücken gesucht hat, aber nicht leicht ist einer im Stande es auszusprechen, noch viel weniger es festzuhalten und zum Verst[än]dniß zu bringen.

    Von allem wirklich (actu) Seyenden ist gleich offenbar, daß es nur Ist in seinem Thun und daß es dieß Thun hinweggenommen alsbald in Nichts zerstieben würde. Wir sehen wie alle zeitliche Wesen mit großer Begierde ihr Daseyn festhalten und es unabläßig zu bethätigen suchen, im Gefühl daß sie nicht an sich selbst sind, daß ihr Daseyn nur in ihrem Thun besteht. Hier ist offenbar Etwas, das an sich Nichts ist, weil es unabläßig Wesen anzieht um Etwas zu seyn und das doch nicht Nichts sondern eine wirkende Kraft ist, weil es Wesen anzieht, ja wir würden richtiger sagen: es sey die Kraft schlechthin, die Kraft und die Stärke selber, denn darinn wird eben Kraft erkannt,das erste spannende des Bogens als an der Gewalt mit der sie das Daseyn festhält. Dieses ist die innre Leere, die unaufhörlich bestrebt ist sich zu erfüllen, dieß das verborgne, an jeder Creatur zehrende Feuer.Das Anzieh˖[ende] war was das Angezogene übrigens nichts Wesenhaftes bloßer Geist Eine Begierde ist auch nichts. Sophisten Die Frage ist nur, wie etwas, das offenbar Mangel allen Wesens und insofern ein an sich nicht Seyendes ist, wirkend seyn könne.

    Wir antworten zunächst durch die noch allgemeinere Frage: Wie überhaupt ist es möglich, daß irgend ein Princip irgend Etwas z.B. a wirklicher Weise nicht sey.Wir können sagen: Alles trete nur dadurch in Gegens˖[atz] mit Etwas, daß es sich dieses zu Gemüthe zieht. Was sich nichts anzieht ist außer allem Streite.
    Mit der ersten Begierde setzt es, daß es das nicht ist, das es ist (Es Selbst)
    Ich antworte nur dadurch daß es a sich an oder zu Gemüthe zieht ist es wirklicher Weise nicht a, daß es a will oder begehrt ist der bejahende Begriff von seinem nicht a Seyn. Wem der Reichthum gleichgültig ist, der ist, obwohl nicht reich, darum nicht nichtreich, oder arm: was Nichts will, ist Alles, aus dem alles-Seyn tritt alles nur heraus, dadurch daß es will; denn alles das nur will, gleichviel was es will ist ebendarum dieses Etwas nicht,als Wille (wollender) war es vorher nichts – wird erst etwas indem es Wesen anzieht und darum selbst Etwas, denn alles das Etwas ist muß auch Etwas nicht seyn.

    Das was nun nicht diesem oder jenem, sondern schlechthin allem Wesen und Seyn entgegensteht, das an sich nicht Seyende, kann auch nur das Wollende schlechthin seyn oder der Wille selbst, nicht sofern er nichts will, sondern sofern er will. Eben dieser Wille aber, der in seinem Wirken allem Seyn entgegensteht, als das Anziehende des Seyns, ist in seinem Nichtwirken oder Innerlichseyn eben das Seyn und das Wesen selbst und von ihm nicht verschieden. Denn auch insgemein gilt, daß der Wille gegen das Seyn und in einem Wesen so viel nicht Seyn als Wille ist, also daß wir das lauterste Seyn nur in einem völlig willenlosen Wesen zu sehen glauben. Dieß kann aber nicht so gemeynt sind, daß in einem Wesen, in dem überall kein Wille, sondern nur in dem der Wille nicht wirkend ist, daher der lautre Wille selbst, aber der nicht will, eben das lauterste Seyn ist.

    Daher macht eben das bloße Wollen den Unterschied; die beyden Entgegengesetzten, die sich im Wollen als das anziehende und das angezogne, als das nicht Seyende und als das Seyn entgegenstehen, sind nur im Wollen selbst, gleichsam wie durch einen bösen Zauber, getrennt, da das Seyn, welches angezogen wird, als dieses ebensowenig unabhängig vom Wollen Etwas ist als das, von dem es angezogen wird das nicht Seyende.

    Denn gleichwie der Wille, sofern er nicht anzieht d.h. nicht wirkt selber das Seyn ist, so ist das Seyn, sofern es nicht angezogen wird, selber der Wille, d.h. die ewige Freyheit. Indem das lautre Selbst der Freyheit begehrt die es doch selber ist, so macht es sich in diesem Begehren zum Gegensatz derselben, und in eben diesem macht es die Freyheit zum Nicht-Subject d.h. zum nicht freyen. Es kann sich nicht finden, als Seyn, das gleich Können, gleich Wollen, gleich Wissen ist, denn eben diesem, dem Können, dem Wollen, dem Wissen wird es ja zum Gegenstand oder zum Angezognen. Es selbst, das diese Freyheit als Freyheit will, macht sie ja eben in diesem Wollen und Suchen zum Leidenden, zur Potentialität. So wie der Wille sich der Freyheit überhebt, d.h. sich als Subject dieser Freyheit geltend machen will, so ist ja eben das, was die Kraft der Freyheit war heraus denn eben das welches sich jetzt überhebt, macht in seinem Nichtüberheben das Seyn zur Freyheit, das er jetzt zurückläßt als Nichtfreyheit. So macht es also in seinem Suchen eben das zunichte das es sucht, das lautere Seyn ist da so wie er es nicht will, so wie er es aber anzieht, es zum Wissen bringen will verschwindet es oder vielmehr es ist wie ein bloß spiegelhaftes, sich selbst ungleiches Seyn, das er anzieht. Dieses ist das Seyn, von welchem das alte Wort redetNB.: nur nichtwissend könn’ es gewußt werden, nur wenn man es nicht suche stelle es sich dar, suche man es aber, so entziehe es sich dem Suchenden.

    Niemandem, dem nicht innre Erfahrung überhaupt fremd ist, kann es an Beyspielen fehlen, wodurch er sich diesen Cirkel verdeutlichet, in den der Suchende ebendadurch geräth, daß er im Suchen das Gesuchte entstellt oder von sich entfernt. Er dürfte sich nur der Menschen erinnern, die aus lauter Sorge und Furcht für das eigene Selbst es nie zu einem Genuß desselben, einem wahren und freyen Daseyn bringen. Genug auch sonst der Fälle gibt es, wo der Mensch durch Heftigkeit der Begierde sich selbst im Weg ist zu erlangen oder zu vollbringen was er beabsichtet. Auch ein heitres Beyspiel wird hier an seiner Stelle seyn. Es will sich jemand eines Namens erinnern und besinnt sich heftig auf ihn, ebendadurch zieht er ihn in sich hinein und hindert ihn ihm zu erscheinen so daß zwischen demselben und der besinnenden Kraft eine Art von rotatorischer Bewegung entsteht, da das Gesuchte stets vor dem Suchenden flieht und dieses jenes vor sich hertreibt. Auch hier stört nur der Wille, eben das Besinnen Wollen, denn kaum gibt er es auf den Namen zu suchen, so stellt er sich von selbst und gleichsam freywillig dar.

    Nun ist aber dieses Befangen und Gefangenseyn keineswegs das was die ewige Freyheit wollte. Sie wollte sich selbst haben, sich selbst faßlich seyn und doch dabey lautere Freyheit bleiben. Jene Form oder Gestalt ihres Wesens, die sie sich zugezogen, verhält sich daher überhaupt als das nicht Gewollte, nicht Beabsichtete, gleichsam Ohngefähre, ihr nur unversehens Zugestoßne und ist so in beyderley (doppeltem?) Verstand für sie ein Fall (casus).

    Die lautere Selbstheit und Geistigkeit dieses Anfänglichen beruht auf der absoluten Innerlichkeit des Willens; nachdem nun dieser herausgezogen und darüber daß er des Seyns begehrt selbst von dem Sitz seiner Macht gewichen,Sed revocare gradum. das Ganze also der That nach schon entselbstet und entgeistet ist, sollt’ es sich auch gleich als lauteres Selbst oder als das das Seyende selbst ist aufgeben,εκστασις sich erkennen als gefallen, als Nicht-Ich geworden, als das nicht mehr lautere Freyheit ist (denn weder als das Angezogne noch als das Anziehende ist es frey), nicht mehr das seyn kann und nicht seyn kann sondern das seyn konnte und nicht seyn konnte d.h. das zufällig seyende (ein größerer Unterschied läßt sich nicht denken als den der bloße Unterschied der Zeiten hier macht); aber eben das will es nicht, es will an derselben Stelle bleiben, da es zuvor war, von seinem Ort nicht weichen, obwohl herausgezogen sich noch als Centrum behaupten; zwar als Angezognes sich nicht lassen und doch dabey lautres Selbst bleiben.

    V)Durch den bloßen Zauber des Wollens ist die lautere Freyheit sich selbst Etwas aus Nichts, Umschriebenes und Gefaßtes aus Unendlichem und Unfaßlichem geworden; in sofern ist die Freyheit selbst eingeschlossen in der Form, die Einheit mit in der Zweyheit; sie allein ist das Ansich und die Kraft von dem Anziehenden sowohl als dem Angezognen, es ist in sofern ihr eignes Wollen, das sie einschließt und doch hat sie keine Freyheit gegen dasselbe. Es gilt auch hier, ich thue nicht das ich will, sondern das ich nicht will das thue ich. Aber eben weil jene Form das nicht Gewollte, nicht Beabsichtete ist, ist sie obwohl unvermögend diese Form wieder aufzuheben und wieder von ihr auszugehen als die lautere Freyheit, obwohl also gefangen von ihr, doch frey gegen sie, als die sie nicht für ein Werk ihres eigentlichen Willens, sondern für eine bloß zufällige Folge, für etwas durch Schickung Entstandenes ansieht und empfindet. Ebendarum aber weil frey gegen die Form, kann sie eben dieser sich selbst zum Gegensatz und dadurch zum Mittel machen sich zu dem zu steigern, das sie eigentlich seyn will. Denn sie selbst in ihrer Lauterkeit war als ein Nichts, und konnte darum auch für sich nichts zeugen, noch Anfang zu irgend Etwas seyn. Nun sie etwas sich zugezogen, das sie als nicht-sich-selbst empfindet, jetzt kann sie eben diesem sich entgegen setzen, und an diesem sich spannend zwar nicht unmittelbar wieder die lautre Freyheit, der völlig gleichgültige Wille werden, der Wille der nichts will, aber doch in einer zweyten Gestalt ihres Wesens eben jene verneinende anziehende Kraft, welche in der ersten das ewig freye Wesen unfrey, leidend und zum Seyn macht, ins Innere zurückdrängen, um nun vielmehr mit eben diesem Wesen frey auszugehen und auszustrahlen. In dieser zweyten Gestalt, ist sie noch nicht wieder was sie zuerst und vor aller Selbstanziehung war. Denn dort, in der urersten Lauterkeit war überhaupt kein Gegensatz zwischen Können und Seyn; nicht daß das Können, als anziehende verzehrende Kraft das Wesen einschloß und innerlich setzte, noch daß umgekehrt das Wesen jene verneinende Potenz in sich zurückdrängte; denn der Wille, der nur in seinem äußerlich Werden anziehend ist, konnte, da er schlechthin innerlich war, auch nicht in’s Innre zurückgesetzt werden.

    Nun ist aber auch diese zweyte Gestalt seines Wesens nicht die, die es eigentlich wollte; sie war nur Übergang und Staffel zur höheren, die es nicht unmittelbar seyn konnte; wie es aber sich nehmendes und sich gebendes Wesen ist, kann es über beyden sich setzen, als das weder sich nehmende noch sich gebende, als das völlig Gleichgültige, in dem Seyn und Können sich wieder wie im Anfang die Wage halten; so daß erst im dritten Glied, wie man auch in menschlichen Zeugungen wahrnehmen will die Natur des ersten Erzeugenden sich wieder in sich selbst herstellt.

    Dieses ist eine nothwendige innre Steigerung, die darauf beruht, daß die lautere Freyheit, obwohl befangen in der Selbstanziehung, doch frey bleibt, und obwohl durch die Sucht nach sich selbst aus sich selber gesetzt doch bleiben will das sie zuvor war, das Seyende selbst und das nichts außer sich erkennt. Aus dem stillen Nichts, das sie zuvor war, Etwas geworden, und unvermögend in das Nichts zurückzukehren, will sie doch nicht Etwas seyn, und strebt darum Alles zu seyn, auch so sich zu behaupten als das Eine und allem anderen den Ort des seyn Könnens zu verschließen. Sich selbst in sich selbst zu steigern ist das Wesen der Freyheit; an der Fähigkeit dazu wird das Lebendige, wie an der Unfähigkeit das Todte erkannt. Die lautere Freyheit will nicht Nichts, will nicht das Unfaßliche seyn das sie zuvor war, sie will faßlich seyn, in eine bestimmte Gestalt, und doch dabey ewige Freyheit bleiben. Sie war uranfänglich weder seyend noch nicht seyend, außer und über allem Seyn. Jetzt ist sie in der ersten Gestalt herabgesunken in das Seyn, und zwar verhält sie sich in diesem Seyn nicht als das seyende, sondern weil das Seyn gehemmt, innerlich und seiner Freyheit verlustig ist, vielmehr als das nicht seyende. Nun sie das nicht seyende ist, muß sie um sich selbst gleichzubleiben auch das seyende seyn, in der andern Gestalt, da nun vielmehr das Seyn oder Wesen äußerlich und offenbar, das Können oder der Gegensatz des Wesens innerlich bewältigt und verschlungen ist. Wenn aber das eine so auch das andre. Wenn aber das eine und das andre, so auch nothwendig die Einheit wieder, in welcher sie sich herstellt in jenes ursprüngliche Weder-Noch, da sie weder auf die eine noch auf die andre Art seyend ist, weder objectiv (als das nicht seyende) objectiv ist, noch subjectiv, als das im Gegensatz seyende. Obwohl sie nun so zu sagen keinen Augenblick das Erste seyn kann, ohne sofort das Zweyte und keinen Augenblick das Erste und Zweyte ohne sofort das Dritte zu seyn, so ist doch eben so klar, daß es das Zweyte nur seyn kann, wenn das Erste und das Dritte nur, wenn das Erste und das Zweyte, d.h. es ist klar, daß das Erste dem Zweyten und Dritten, das Zweyte dem Dritten, wenn nicht der Zeit, doch der Natur nach vorangeht.

    Außer dem ist hier zu bemerken der zuerst eingeführte, und für die ganze Folge wichtige Begriff der Steigerung und der sich daraus ergebende der Potenzen, die wir auf folgende Weise bezeichnen. Der Urzustand des lautern Selbst war auszudrücken durch A=A, da es schlechthin Es selbst, und sich selbst gleich war. Dort war das, was sich jetzt darstellt, als eine das Seyn in sich ziehende, verzehrende Kraft, das Können oder der Wille, noch dem Seyn oder A gleich, weil nicht wirkend. Herausgezogen und in Wirkung gebracht ist er der Gegensatz des Seyns und wird =-A, =B. Der allgemeine Ausdruck der Selbstanziehung oder auch der ersten Gestalt ist also (A=B) statt A=A, wodurch zugleich angedeutet wird, das Wesen oder Seyn (A) sey hier das Eingeschlossene Befangene, der Wille oder die Begierde aber (B) das Einschließende Umfangende. Aber dieses von der Sucht ergriffene Wesen ist doch nur die eine Gestalt von sich selbst, und das eigentlich nicht Gewollte. Wir bezeichnen diese Gestalt, inwiefern sie nur die eine, nämlich die erste oder anfängliche ist durch a=b, wodurch wieder angedeutet wird, die nehmende, anziehende Kraft (b) sey hier wirkend, das Wesen (a) aber leidend. In dieser Gestalt also verhält sich das erste Seyende ganz als nicht Seyendes, nicht als ein überall nicht seyendes, sondern als ein solches, in dem die Kraft der Selbstheit äußerlich objectiv geworden; wir können sagen als ein Seyendes der tiefsten Ordnung. Es konnte aber auch dieses nicht Seyende nicht einen Augenblick seyn, ohne in dem selben Thun (eodem actu) Seyendes, d.h. frey ausquellendes Wesen zu seyn, das eben durch die Bewältigung, durch das innerlich-Setzen und in sich Zurückdrängen der verneinenden Kraft sich selbst zum Seyenden erhebt – zum Seyenden dessen was in der ersten Gestalt seyend war, also zum Seyenden des Seyenden d.h. zum Seyenden der zweyten Ordnung. Wir bezeichnen diese Gestalt durch a2, womit also schon ausgedrückt ist, die verneinende Kraft sey hier unsichtbar und innerlich, das Wesen aber offenbar und ausgehend. Endlich in der dritten Gestalt, da es die Einheit beyder ist, wird es sich als Seyendes der dritten Ordnung verhalten. Wir bezeichnen dieses durch a3. Also (A=B) ist zwar der allgemeine Ausdruck des in diesem Moment Existirenden, inwiefern es a2 und a3 nicht unmittelbar sondern nur mittelbar ist, allein es leuchtet ein, daß dieses A=B in der Wirklichkeit, und sofern es sich als das Seyende selbst behaupten will, sofort = €\frac{a^3}{a^2=(a=b)}€ ist.

    Die Schwierigkeit nun, die es hat, dieses zu verstehen, liegt in der Sache selbst. Denn erstens mußte hier, in der Darstellung aus einander gezogen werden, VI)was mit Einem Schlag (uno eodemque actu) und wie im Blitz geschieht, so daß gleichsam kein Augenblick gedacht werden kann, da jene lautere aber in’s Seyn gelockte Freyheit nicht diese drey Gestalten wäre. Sodann muß als ein Seyn vorgestellt werden, was wie sich sogleich zeigen wird, nur ein ewiges Werden ist, ein ewig nur seyn Wollendes aber nie zu Stande Kommendes. Denn wie aus unsrer Darstellung von selbst erhellt, so kann das im gegenwärtigen Augenblick Seyende das Zweyte (a2) nicht so seyn, daß es dabey aufhörte das Erste (a=b) zu seyn, und das Dritte (a3) nicht so, daß es aufhörte, das Erste und Zweyte zu seyn. Es kann das sich gebende und ausstrahlende Wesen seyn, nur sofern das sich nehmende; und das gleichgültige nur sofern sowohl das sich nehmende als das sich gebende. Darum – und weil es das Seyende selbst, oder weil es schlechthin geistig und innerlich seyn will – nicht objectiv werden, nicht in’s Offenbare gehen, sondern vielmehr sich aller Offenbarung, allem äußerlich Werden widersetzt und darum kann es nicht etwa das Erste dem Zweyten, und beyde dem Dritten unterordnen, sondern es muß suchen, die drey daß wir so sagen in Einem Puncte, nicht außereinander (in extenso) sondern in einander (in intenso) zu seyn. Denn nur sofern es die drey wirklich in Einem Puncte seyn könnte, wär’ es zugleich verwirklicht und in der Verwirklichung noch die lautere Freyheit, oder das Seyende selbst, d.h. es wäre die ganz und gar verwirklichte absolute Innerlichkeit und lautere Freyheit. Könnte es die drey wirklich in Eins, zum Ineinander seyn (ad inexistentiam) bringen, so wär’ es die intensivste geistige Substanz, das wesentlichste, Mark und Knochen verzehrende Feuer – Es allein Wesen und das Leben stünde still in dieser Verwirklichung es wäre nichts außer dem Ersten.

    Aber so nothwendig es, um als die ewige Freyheit zu seyn, die drey in Einem seyn muß, so unmöglich ist, daß diese drey in Einem Puncte seyn können. Auch ist kein andrer Ausweg. Es kann nicht etwa keines von allen seyn, dann freylich wär’ es wieder in seiner Übernatürlichkeit und was es vor allem Seyn war. Aber unmöglich! Denn es will sich nicht lassen, und überhaupt in dieser ganzen Bewegung ist kein Zurücknehmen des Geschehnen. Was geschehen, ist ewig geschehen, und was gesetzt ist, ewig gesetzt. Unfähig also zurückzugehen, in jene Stille da es als Nichts war, könnt’ es das eine seyn und das andre lassen. Aber auch dieß ist unmöglich. Wollt’ es z.B. das erste allein seyn, so sänke es sogleich unter sich selbst herab, und würde zum nicht Seyenden (bloß objectiv) Seyenden. Die beyden andern aber kann es ohne das erste nicht seyn, denn nur an diesem und dem Widerstand, den ihm diese Form seines Wesens entgegensetzt kann es sich zum Höheren steigern. Und alle drey sind so untereinander verkettet, daß es ein jedes nur seyn kann, indem es die andern ist, vorausgesetzt daß es nicht sich selbst aufgeben wolle als Geistigkeit als das das Seyende selbst ist. Also bliebe nur das Dritte, daß sie sich in Einem vertrügen. Aber dieß eben ist ganz unmöglich.






  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 86)« (1817 - 1819). Text

    Auflistung 1-2

    Begriffe: Schönheit, Verwirklichungsprozeß, Fortschreiten der Bewegung, Sollen

    Inhalt: »alle Kreatur ihr Daseyn festhaltend«, »das Seyn, dem es allein gebührt zu seyn«

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 80)« (1820). Text

    2. Übergang, wodurch und wie?

    Als Freyheit zu seyn wird sich A0 erst inne im beweglichen (identischen) Gegensatz =A0=B, nur indem es inne wird des Seyns, also Seyn und Können beyde (beweglich oder möglich) in ihm sind.