Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Thema Zeugung – erste Krisis

Erwähnungen in Dokumenten

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1811). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1811). Text

    Wodurch ist dieser Zustand zur Vergangenheit geworden? denn daß er vergangen ist, davon überzeugt uns die Aeußerlichkeit und das beruhigte Ansehen der Natur, ihr organisches Verhältnis im Gegensatz jener wilden unorganischen Zeit.

    Durch keine Macht außer dem Urwesen, wenn auch eine solche denkbar wäre. Denn seine Kraft kann nichts beugen; nichts vermag diese unverbrüchliche Einheit seines Wesens zu brechen, die Simultaneität und Aequipollenz der Kräfte in ihm aufzuheben.

    Aber auch er selbst, der im Seyn eingeschloßne Gott, vermag es nicht von sich selbst. Denn von sich selbst ist er ein untrennbares Ganzes, und jener höhere Wille, der zugleich sein Wille ist, die Liebe, kann ihn wohl in den Zustand des Widerspruchs und des Streits versetzen, aber nicht ihn aus demselben herausführen; auch durch keines der in ihm eingeschlossenen Principien ist dieser Zustand zu ändern, weil nichts von ihm zu trennen ist.

    Also wären überhaupt nur folgende Fälle denkbar:

    Entweder müßte das Urwesen in diesem Zustande des Widerspruchs verharren, da es weder zur Scheidung noch zur Einung käme. Oder es müßte wirklich die Scheidung geschehen; entweder durch Uebermacht des höheren Willens, oder indem der wirkende Wille sein eigen Leben aufgäbe. Oder endlich es müßte jenem auf Scheidung dringenden höheren Willen sein Verlangen auf andre Weise und so erfüllt werden, daß der andere Wille dabey in seiner Kraft und Wirksamkeit bestünde.

    Das Erste ist gegen die Voraussetzung, ist auch an sich undenkbar. Denn ewige Zerrüttung, ewiges Chaos, ewige Qual und Angst ist unmöglich; aller Widerspruch findet durch sich selbst sein Ende. Das andere aber, daß die Scheidung über die Einung absolut siegte, ist wieder unmöglich. Denn damit würde das zusammenziehende Princip gar vernichtet; es wäre zwar wieder die anfängliche Lauterkeit, aber ohne Offenbarung. Das will sie aber nicht; denn so oft sie auch entfliehen möchte aus der Macht des Umtriebs, bleibt sie doch wieder, weil sie ihr Sehnen nach Offenbarung nicht lassen kann; sie will, daß der Gegensatz sey, damit sie aus ihm als Einheit aufgehen könne. Wer zweifelt, daß jenes übergöttliche Wesen der Lauterkeit, wenn es nur von der Existenz frey seyn wollte, alle Widerwärtigkeit in sich verzehren und so als vernichtendes Feuer von ihr ausgehen könnte? Aber dieß leidet die Liebe, leidet die Absicht der Offenbarung nicht. Im beständigen Daseyn und beständig gehemmten Ausbruch des Feuers liegt das höchste Geheimniß. Das dritte endlich, daß der existirende Wille sein eigenes Leben (den Eigenwillen) ganz aufgäbe, ist nicht weniger unmöglich, denn er würde damit alles zurücknehmen und auch den Anfang aufheben. Es wäre ein völlig rückgängiger Prozeß. Aber alles Rückschreitende ist vom Argen, und nicht die Freyheit, zurückzunehmen, sondern die Kraft, das Angefangene durchzusetzen und bis zum Ende hinauszuführen, ist göttlicher Art. Auch ist es an sich undenkbar. Der eigne oder zusammenziehende Wille müßte entweder durch den höheren Willen aufgehoben werden, was schon bewiesnermaßen unmöglich ist. Oder der contrahirende Wille als solcher müßte sich selber aufheben. Aber dieser ist ein an sich blinder Wille, der gegen sich selbst keine Freyheit hat, und unmöglich ist, daß dasselbe durch dasselbe überwunden werde. Also bleibt nur das Letzte übrig, daß nämlich dem Wesen und somit auch dem Existirenden seine Sehnsucht nach Freyheit und Offenbarung auf andre Weise gestillt werde.

    Der unauflöslich scheinende Widerspruch, welcher hier statt findet, ist, wie sich immer klarer gezeigt, daß das Existirende sich scheiden und doch zugleich existirend, d.i. Eins bleiben sollte. Durfte die Einheit sterben, so war der Widerspruch gar nicht vorhanden: aber im Allervollkommensten darf nichts verloren gehen; auch der sanfteste Uebergang aus der Einheit in die Zweyheit, wobey jene aufhörte, stritte gegen die Vollkommenheit und Unveränderlichkeit der göttlichen Natur, in der keine Verwandlung des Wesens, kein Wechsel von Finsterniß und Licht seyn kann. Bewegte sich das Eine selber aus der Einheit in die Zweyheit, so ginge die Einheit verloren. Aber die Zweyheit soll seyn, und die Einheit nichtsdestoweniger bestehen. Dieß wäre nun schlechterdings nur möglich, wenn das einende Princip eben dadurch, daß es in sich bliebe, das scheidende Princip setzte, und eben dadurch, daß es das aufschließende Princip setzte, in sich selbst als zusammenziehendes bestünde. Aber nur dann bliebe es als solches in sich selbst, wenn es durch sein Zusammennehmen das scheidende Princip außer sich setzte. Aber nichts vermag außer dem wenn gleich nur noch im Keim vorhandenen Gotte zu seyn, denn er ist das Wesen aller Wesen, in ihm liegt der Same und die Möglichkeit alles Wirklichen. Also müßte jenes außer dem Existirenden gesetzte Princip doch zugleich in Gott, und nur außer dem Existirenden seyn, d.h. Gott müßte sich in ihm nur verdoppeln, es müßte nur eine andere, zwar von der des Existirenden, aber nicht von ihm selbst verschiedene Persönlichkeit Gottes seyn. Dennoch aber müßte es von Gott seyn, so fern er das Existirende oder im Seyn Eingeschloßne ist; denn außer diesem war zuvor nichts, auch Gott nicht. Dieses selber aber, das Existirende, ist ein untrennbares Ganzes und wie es ist, so soll es nach der Voraussetzung bleiben. Nicht durch Theilung, nicht durch Lostrennung oder Absonderung irgend eines der in ihm enthaltenen Principien kann also der im Seyn eingeschloßne Gott die andre Persönlichkeit setzen, sondern nur so, daß er selbst dabey in seiner Integrität und Geschlossenheit bleibt. Ein solches Setzen eines andern außer sich, wobey das Setzende in seiner Ganzheit bleibt, ist aber Zeugung. Also Zeugung, Selbstverdoppelung des im Seyn eingeschloßnen Wesens wäre die endliche, wäre die einzig mögliche Auflösung des höchsten Widerstreits.

    Der Begriff der Zeugung wird zwar auch im weiteren Sinne genommen und überall angewendet, wo in einem lebendigen Wesen die erst innerlich schaffende Kraft nach außen zu wirken beginnt, gleichviel, ob sie das ihm Gleiche, oder ob sie überhaupt nur ein von ihm Unabhängiges und Selbständiges hervorbringt. So wird auch den Dichtern und Künstlern in ihren Hervorbringungen eine zeugende Kraft zugeschrieben, und zwar in dem Verhältniß, als das Hervorgebrachte von ihnen unabhängig erscheint. Die Pflanze, in welcher sich die Urform der Zeugung am reinsten darstellt, ist nicht erst in der wirklichen Befruchtung, sondern gewissermaßen schon im Uebergang zum Blüthenstande zeugend, indem sie auch hier bereits ein von ihr Verschiedenes hervorbringt, wodurch sie die bloße Fortsetzung ihrer selbst aufhebt. Aber überhaupt nicht bloß das organische Wesen im Ganzen, auch die einzelnen, besonders die Sinnesorgane, sind beständig Zeugungslustig. Das Ohr will immer hören, wie man daraus sieht, daß manche ohne Schall oder Ton oder Wort gleichsam nicht leben können, die sie sich daher selbst erregen, wenn es außer ihnen stille ist, wie Viele auch mit sich selbst zu reden pflegen. So ist das Auge in einer beständigen Neigung zum Sehen, welches ein wahres außer-sich-Schaffen, Zusammenziehen d.i. Zeugen ist, und wird ihm nicht von außen Veranlassung gegeben, so entschließt es sich, im besonders reizbaren Zustande, zu Zeugungen auf eigne Hand. Allgemein scheint ein jedes Wesen, das sich in seiner eignen Fülle nicht mehr enthalten oder zusammenziehen kann, außer sich zusammenzuziehen, wohin z.B. das hohe Wunder der Bildung des Worts im Munde gehört, welches eine wahre Zeugung des vollen Innern ist, wenn es nicht mehr in sich selbst bleiben kann.

    Auch das Existirende sucht ja in der zunehmenden Fülle seines Innern nichts anders als das Wort, durch das es ausgesprochen, befreyt, entfaltet werden könne, und überall löst nur das gezeugte oder gefundne Wort die innere Zwietracht.

    Auch der Mensch, wenn seine erste Persönlichkeit anfängt, die Angst und jene tiefen inneren Schmerzen alles Lebens zu empfinden, muß, will er anders nicht im chaotischen Zustand bleiben oder einem innern verzehrenden Feuer anheimfallen, sich den Erretter, die andere höhere und bessere Persönlichkeit zeugen, welche die erste zur Entscheidung, zur Aufschließung, zur Besonnenheit bringt.

    Liebe ist der Antrieb zu aller Entwickelung. Liebe bewegt das Urwesen zur Aufgebung der Verschlossenheit. Denn nicht äußerlich bloß, innerlich wird die zusammenziehende Kraft überwunden. Je mehr ihr durch fortgehende Scheidung das Wesen der Lauterkeit geoffenbart und innerlich empfindlich wird, desto mehr fühlt sie, daß dieß ihr eignes wahres ursprüngliches Wesen ist, und welch’ eine strenge, harte und blinde Natur sie sey gegen die Sanftmuth, den Verstand und das Licht jenes höheren Wesens, und verliert immer mehr den Muth, ihm zu widerstehen, kann aber als die ewige Kraft und Stärke doch nicht aufhören, zusammenziehend zu seyn. Je mehr sie nun der Scheidung nachgibt, ohne doch die Contraction lassen zu können, desto mehr schwillt ihr das Herz; ihr Wesen wird zugleich sehnsuchtsvoller, ahndender; ihre Bewegungen sind nicht mehr wie die tobenden Stürme des Winters, sondern wie die Wehen des kommenden Frühlings, wenn ein schmerzlich süßer Hauch durch die ganze Natur zittert und alle Wesen von innerer Wonne wie aufgelöst scheinen, indeß sie zu ihrer höchsten Lebensenergie sich vorbereiten. Denn indem nun die zusammenziehende Kraft ihr Leben innerlich freygibt, der Zorn ohnmächtig wird und allen Willen und mit ihm das Vermögen zur Contraction verliert, äußerlich aber, oder der That nach, als die ewige Kraft des allein von Natur unsterblichen Wesens doch nicht aufhören kann, schaffend, contrahirend zu seyn: so ist jetzt auch in Ansehung des Urwesens jener Moment des höchsten Drangs der Kräfte erreicht, da es unvermögend in sich zusammenzuziehen oder zu zeugen, außer sich das ihm ähnliche, damit aber ein von ihm Unabhängiges, Selbständiges erzeugt.

    Was könnte aber die zusammenziehende Urkraft anders aus sich zeugen, als das, dessen die Wesenheit begehrt, durch deren Verlangen sie allein in jenen Widerstreit versetzt wurde, das ihr ähnliche, die reinste Liebe! Wie im Herzen die Liebe, so wird aus dem Mittelpunkt der Contraction des ewigen Vaters der ewige Sohn geboren.

    Nun ist der Wunsch der Liebe erfüllt. Zum erstenmal erkennt sie die zusammenziehende Kraft als einig mit ihr selbst. Denn sie selbst, die reine Lauterkeit für sich, vermag weder zu zeugen noch zu schaffen; dazu bedurfte sie der zusammenziehenden als der allein wirkenden und zeugenden Kraft, die darum in sich eben so ewig ist wie sie. Aber sie sollte doch nur zeugende Kraft, also, in dem Existirenden selbst, nicht um ihrer selbst willen seyn. Darum stritt die Liebe gegen sie, bis sie innerlich überwunden sich wirklich zur Zeugung entschloß. Jetzt ist das Verlangen der innern Liebe gestillt; von nun an läßt sie die zusammenziehende Kraft ruhig gewähren. Denn es darf die zusammenziehende Kraft nicht aufhören, sondern muß ewig fortwirken, damit ewig der Sohn aus dem Vater gezeugt und ewig die väterliche Kraft durch den Sohn entfaltet werde, und aus dieser Zusammenwirkung die ewige Wonne des Ueberwindens und des Ueberwundenwerdens entstehe. Der Sohn ist nicht des Vaters Gegensatz, sondern seine Lust und Liebe, wie, um ein schwaches Gleichniß zu geben, es uns Wonne ist, den Freund zu finden, der unser für sich verschlossenes Inneres zum Aufschließen, zum Sich-Aussprechen bringt, oder der uns endlich das Wort gibt, das alle Widersprüche unseres Lebens löst. Denn nur mit dem Sohn fängt das Selbstverstehen und die Unterscheidung in dem Vater an, wie schon ein älterer Schriftsteller sich ausdrückt: Der Sohn ist die Gränze der väterlichen Tiefe und der Quellbronn der verständlichen Dinge.

    Unmittelbar nämlich, durch das bloße Daseyn des Sohns, wird nicht der Vater zwar, aber die väterliche auf Indifferenz der Kräfte und Verschlossenheit gehende Einheit als nichtseyend, zwar nicht in sich selbst, aber doch in Bezug auf den Sohn, gesetzt. Was aber seyend in sich beziehungsweise auf Anderes als nichtseyend gesetzt ist, ist als vergangen gesetzt. Also durch die Zeugung des Sohns tritt die dunkle Urkraft des Vaters selbst in die Vergangenheit zurück und erkennt sich als vergangen in Bezug auf ihn. Aber so wie die zusammenziehende Kraft in die Potentialität, Vergangenheit, Innerlichkeit zurückgetreten (als erste Potenz wirklich gesetzt) ist, hört der Widerspruch der Liebe gegen sie auf, denn sie ist in ihrem wahren Verhältniß. Nun kann sie immerfort innerlich wirken und die Liebe erfreuet sich ihres Wirkens: denn nur durch ihr Wirken ist der ewige Sohn, in welchem jetzt die Liebe des Vaters ruht, nicht mehr anfachend den Streit der vorigen Zeiten. Die beyden Principien sind nun zuerst in Freyheit gegeneinander gesetzt; und erfreuen sich der gegenseitigen Unabhängigkeit, da sie doch zusammen nur Eine Natur ausmachen.

    Der Sohn ist der Versöhner, der Befreyer und Erlöser des Vaters, und wenn die väterliche Kraft vor dem Sohne war, so war sie nicht weniger auch vor dem Vater; denn der Vater selbst ist nur in dem Sohn und durch den Sohn Vater. Daher der Sohn auch wieder Ursache von dem Seyn des Vaters ist und hier vorzugsweise gilt jene den Alchemisten bekannte Rede: des Sohnes Sohn ist der des Sohnes Vater war.

    Es beginnt mit dem Sohn die zweyte Epoche, die Zeit der Gegenwart, der herrschenden Liebe. Jenes oben ausgesprochene Gesetz, daß dieselben Kräfte, welche innerlich zusammenwirken, äußerlich unabhängig von einander werden und als herrschende Mächte jede ihre eigne Zeit haben, dieses große Gesetz alles Lebens ist hier in dem höchsten der Fälle bestätigt.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1813). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1813). Text

    Wie ist hier Entscheidung möglich? Vielleicht möchte man sagen, einer der Willen sey von Natur dem andern Unterthan; nothwendig also sey, daß der eine siege, der andre überwunden werde. Aber diese Voraussetzung ist falsch. Von Natur sind sich beyde vollkommen gleichwichtig; jeder hat gleiches Recht wirkend zu seyn, und nothwendiger Weise weicht keiner dem andern. Dieß alles aber mußte so seyn, damit Gott als das allerfreyeste Wesen erscheine, daß nie ein nothwendiger Ursprung der Welt gefunden, sondern offenbar werde, daß alles was ist, nur durch den freyen göttlichen Willen sey.

    Wäre nicht Widerspruch, so wäre nicht Freyheit. In dem Drang der Kräfte, da das Leben gleichsam auf der Spitze steht, kann nur die That entscheiden, denn durch die Nothwendigkeit der Natur sind die beyden Willen nicht auseinander zu bringen; vermöge dieser werden sie vielmehr ewig in jenem intentionellen Zustande bleiben, da keiner vor dem andern hervortreten kann. Sind sie nun nicht auseinander zu bringen durch Nothwendigkeit, so müssen sie auseinandergebracht werden durch freyen Willen. Aber wie ist nun wirkende Freyheit, wie ist Entschluß möglich?

    Zwar die streitenden Willen sind keiner an den andern gebunden. Ist eine innre Nothwendigkeit, Eins zu seyn, das Verhältniß der Entgegengesetzten im Aussprechlichen (weil jedes gleicherweise zum Ganzen nothwendig ist), so ist die innre Freyheit, nicht Eins sondern für sich zu seyn, das Verhältniß der Kräfte im Aussprechenden. Jeder der beyden Willen ist ein eigner und selbständiger Wille und hat die volle Freyheit sich zu setzen und den andern zu verneinen. Aber ebendarum weil jeder gleich unbedingt, kann keiner von beyden den andern verneinen, ohne wiederum von ihm verneint zu werden, und daher umgekehrt keiner sich setzen, er setze denn auch den andern.

    Wie ist hier Entscheidung möglich, auch nur in Ansehung des Was? – Der Grund, der die Entscheidung hindert, ist die vollkommene Gleichwichtigkeit (Äquipollenz) der beyden Willen, oder daß keiner mehr Anspruch hat, wirkend zu seyn, als der andere. Wenn der eine wäre, dann könnte der andere wohl seyn. Nur daß der eine ist, wenn der andere nicht ist, das ist unmöglich, dem widerstreitet die Gleichwichtigkeit. Also wenn der eine ist, so kann er nicht in so ferne seyn, daß der andre nicht ist, sondern im Gegentheil, daß wenn er ist, auch der andre ist. Dieß ist die aus der Gleichwichtigkeit beyder hervorgehende Forderung. Aber nach dem Verhältniß des Widerspruchs, in dem wir sie bisher erblickten, ist gerade das Gegentheil der Fall; nämlich daß wenn der eine ist, dann der andere nicht ist. Da sie nun aber nach der Voraussetzung doch und zwar ein jedes seyn sollen, so muß dieses Verhältniß des Widerspruchs gebrochen werden, und ein anderes, das Verhältnis des Grundes an die Stelle treten, daß nämlich wann der eine ist, dann eben und darum auch der andere ist, d.h. daß der eine nur als Grund, als Vorausgehendes des andern sich verhält. Die Entscheidung könnte also in Ansehung des Was nur bestehen in einer Aufhebung der Simultanität oder darinn, daß beyde in einer Folge gesetzt würden.

    Dieses Verhältniß dürfte jedoch nicht von der Art seyn, daß wenn der folgende gesetzt, dann der vorangehende aufgehoben würde, vielmehr so, daß jener gesetzt, dieser ebenfalls, nur als vorangehender bestünde, und daß sie auf diese Art nur in verschiedenen Potenzen, die sich auch als verschiedene Zeiten ansehen ließen, dennoch zumal wären. Es würde sich nämlich der vorausgehende Wille zu dem folgenden als dessen Grund, somit als erste Potenz verhalten. Nun könnte er freilich in der Potenz, worinn der andere, nicht ebenfalls wirkend seyn, welches aber nicht verhindert, daß er in seiner Potenz immerfort und ebenso wirkend sey, als es der andere in der seinen ist.

    Dem Grundsatz des Widerspruchs wurde bekanntlich sonst die Bestimmung beygefügt, dasselbe könne nicht zumal Etwas und auch das Gegentheil davon seyn. Dieser Ausdruck ist wegen der schon früher aufgezeigten Unbestimmtheit überhaupt nicht zu billigen, jener Zusatz aber insbesondere ist aus mehreren Gründen unstatthaft. Denn zuvörderst sollte der Grundsatz des Widerspruchs in seiner Strenge erhalten werden, und was in jenem Ausdruck verneinend ausgesprochen worden, das mußte vielmehr gleich bejahend, als Satz des Grundes behauptet werden, nämlich, daß Ein und dasselbe Etwas und auch das Gegentheil davon seyn kann, wenn es als das eine Grund von sich selbst, als dem andern ist. Aber auch davon abgesehen wäre der Ausdruck ‚zumal‘ unzulänglich, denn das, was in verschiedenen Zeiten ist, ist noch immer zumal. Nach einander ist nur, was in verschiedenen Momenten derselben Zeit gedacht wird; oder, verschiedene Momente derselben Zeit können, als solche gedacht, nicht gleichzeitig seyn. Aber als verschiedene Zeiten angesehen können sie zumal seyn, ja sie sind es nothwendig zumal. Das Vergangene kann mit dem Gegenwärtigen freylich nicht als ein Gegenwärtiges zugleich seyn, als Vergangenes aber ist es ihm allerdings gleichzeitig, und ebendieses gilt, wie leicht einzusehen von der Zukunft.

    So ist es also nur der Widerspruch in der höchsten Steigerung, der die Ewigkeit bricht und das Ganze der Zeiten aufschließt. Soviel also von dem, was geschehen müßte, wenn Entscheidung erfolgte. Aber das Wie? ist damit noch nicht erklärt.

    Zwar welcher von beyden Willen der vorausgehende seyn soll, welcher der folgende, darüber kann selbst vorläufig und noch ohne die tieferen Gründe entwickelt zu haben, kaum ein Zweifel obwalten. Gienge nämlich der bejahende, auf die Auseinandersetzung dringende voraus und der verneinende folgte, so wäre es ein rückgängiger Proceß, der undenkbar ist. Dargethan ist sodann ferner, daß der verneinende Wille, wenn als das Aussprechende des Wesens gesetzt, sich nur als Grund und Vorausgehendes des andern setzen könnte. Aber will er sich denn überhaupt setzen? Dieß ist durch das Bisherige nicht gesagt. Denn er kann sich ja schlechthin versagen, das Aussprechliche ganz aufgeben, und selber in der Verborgenheit bleiben. Und eben dieses ist ja der Sinn, in welchem allein er als bestimmt nichts wollender, verneinender Wille gedacht werden kann. Will er nichts, so muß er in der Verborgenheit bleiben, überall keine Offenbarung, auch nicht seiner selber wollen. Denn nur wenn er sich nicht setzt, setzt er auch den andern nicht, und im Gegentheil setzt er sich zuerst, so kann er sich (vermöge der Gleich Wichtigkeit beyder Willen) nur setzen als Grund des andern. So ist auch der andere, der wollende oder bejahende Wille, eigentlich nur der auf Offenbarung dringende Wille. Nicht daß er unmittelbar sich wollte, sondern er will nur, daß überhaupt ein Aussprechen sey. Denn kommt es zur Offenbarung, so gelangt nothwendig auch er dazu, Aussprechendes zu seyn.

    Wenn demzufolge auch hier nur der alte, wie es scheint, nicht unterdrückbare Gegensatz stattfindet zwischen einem verneinenden, an sich haltenden, und einem bejahenden, ausbreitenden Willen, so kann doch der erste von dem andern nicht bewältiget, er kann nur sanft überredet und in Güte überwunden werden, daß er der Liebe nachgibt. So müssen wir uns den Hergang vorstellen, und doch läßt sich dieß alles nicht als wirklich vorgegangen denken. Denn wahrhaft sind sie ja nicht einmal, daß sie gleichsam untereinander rathschlagen und in Überlegung treten könnten, also kann das alles nur wie ein Blitz geschehen, da es als ein Geschehenes inbegriffen, und doch nicht wirklich (explicite) geschehen ist; es ist eine Handlung, die von keinem beschlossen ist (denn wie kann das beschließen, das nicht seyn kann?), indeß doch der Wille aller dabey ist, weil keines gezwungen werden kann, eine Handlung also, die sich nur denken läßt – vermöge einer unbegreiflichen gegenseitigen Erkenntniß und Verständigung in jenem Unaussprechlichen, das ihre unbedingte Einheit ist. Denke dir, um doch ein schwaches, fernes Bild zu haben, was geschieht, wenn du in Augenblicken einer plötzlichen Noth, einer unversehens einbrechenden Gefahr, da kein Verstand und keine Überlegung ist, wie durch eine göttliche Eingebung das Rechte ergreifst, das einzige Rettende thust. Oder um es an ein Höheres, das einzige wahrhaft Vergleichbare anzuschließen, so frage dich, ob du mit dir zu Rath gegangen, Überlegung gepflogen und eine Wahl getroffen, als du dich zuerst selbst ergriffen und ausgesprochen als der, der du bist.

    Man versteht unter dem Charakter des Menschen das Gepräge, die Eigenthümlichkeit seines Thuns und Seyns, welche ihm durch das Aussprechende seines Wesens ertheilt wird. Von dem Menschen, der zweifelt, eins oder das andere ganz zu seyn, sagen wir, daß er charakterlos ist; von dem Entschiedenen, in dem sich ein bestimmtes Aussprechendes des ganzen Wesens kundgibt, sagen wir, daß er Charakter hat. Und doch ist bekannt, daß sich niemand Charakter geben kann, und daß sich keiner den bestimmten Charakter gewählt hat, den er trägt. Überlegung, Wahl, dieß alles fehlt, und doch erkennt und beurtheilt jeder den Charakter als eine ewige (nie aufhörende, beständige) That und rechnet ihn selbst und die aus ihm folgende Handlung dem Menschen zu. Also erkennt das allgemeine sittliche Urtheil in jedem Menschen eine Freyheit an, bey der (explicite) keine Überlegung, keine Wahl stattfindet, eine Freyheit, die sich selbst Schicksal, sich selbst Nothwendigkeit ist. Aber vor eben dieser abgründlichen Freyheit scheuen sich die meisten, wie sie erschrecken, wann die Nothwendigkeit vor sie tritt, ein oder das andere ganz zu seyn; sie scheuen sich vor ihr wie vor allem, was aus jenem Unaussprechlichen kommt, und wo sie einen Strahl von ihr sehen wenden sie sich ab, wie vor einem alles sehrenden Blitz, und fühlen sich niedergeworfen von ihr, wie von der Erscheinung aus einer unbegreiflichen Welt, aus der Ewigkeit, aus dem, da gar kein Grund ist.

    Da also keine Zeit bei Gott war, daß er mit sich hätte rathschlagen und handeln können, und da doch nur die höchste Freywilligkeit entscheiden konnte, so mußten die untereinander streitenden Willen, der auf dem Nein bestehende, wie der bejahende und jener nur der Möglichkeit nach vorhandene, der Wille des Geistes, durch eine urplötzliche, unüberlegte, aber doch begriffene, allen einleuchtende Handlung vereinigt werden, worinn alles wie im Blitz gefaßt und gethan war. Im Nu war erkannt, daß wenn das Leben nicht verloren seyn sollte, die Simultaneität der aussprechenden Kräfte aufgehoben werden mußte; in eben diesem untheilbaren Augenblick neigte die Liebe den ersten der offenstehenden Willen; und eben so schnell war erkannt, daß wenn einer der beyden Willen der vorangehende seyn sollte, nur eben der zum Anfang gesetzt werden könne, der keinen Anfang wollte, und der soeben überwunden worden; denn ohne Überwindung ist kein Anfang, und eben dieß Überwundenwerden des verneinenden Willens und sein Vorausgehen war eins; und dieß alles war enthalten in einer und derselben untheilbaren That, zugleich der freywilligsten und der nothwendigsten, durch eine Art von Wunder, wie bisweilen Handlungen geschehen, die, nachdem sie gethan, kein Verstand zu begreifen vermag.

    Dieses ist der Hergang der großen Entscheidung, wodurch der verneinende Wille des unbedingten Ichs der Ewigkeit, oder Stärke und Kraft aus der Verborgenheit herausgezogen und zum Anfang der Wege Gottes gesetzt wurden.

    Es ist schon bemerkt worden, und muß jedem von selbst auffallen, daß die aussprechenden Kräfte, deren Widerstreit soeben geschlichtet worden, unter sich dasselbe Verhältniß haben, welches die Principien im anfänglichen Seyn der Natur hatten. Ja wir können sagen, die im Aussprechlichen des Wesens begriffenen Kräfte verhalten sich genau so, wie sich die aussprechenden verhalten mit dem einzigen Unterschied, daß jene zumal und als Eins, diese in einer Folge und als nicht-Eins gesetzt werden.

    Indem wir nämlich die Natur mit dem ewigen Seyn und ewigen Seyenden jetzt wirklich in eins gebracht, so ist offenbar, daß die Natur sich im Ganzen wieder als die unterste Potenz des Wesens, als bloßer Grund der Existenz (A=B) verhält, denn sie hat zu dem Seyn der Ewigkeit das Verhältniß des Seyns, ob sie gleich in sich alle Potenzen enthält. Dieses hingegen verhält sich als das unmittelbar Seyende oder Bejahende der Natur und hat zu ihr das Verhältniß der zweyten Potenz (=A2). Endlich das Seyende der Ewigkeit, da es aufgefordert ist, sich als das gemeinschaftlich Bejahende von beyden zu setzen, würde sich als Bejahendes der dritten Potenz (=A3) verhalten.

    Aber eben dieß Verhältniß ist zwischen den aussprechenden Kräften. Denn der verneinende Wille ist, weil zum vorausgehenden, auch zum Grund der Existenz, zum Seyn, zum (A=B) des Höheren gesetzt, der bejahende Wille aber, von dem er der Grund ist, würde sich als A2 verhalten; die dritte endlich, ihre lebendige Einheit würde denen das seyn, was im Aussprechlichen das A3. Auffallend zwar kann im Allgemeinen diese Übereinstimmung nicht seyn; denn in Ja und Nein besteht einmal alles Leben; ausbreitende Thätigkeit und einschränkende Kraft sind die nothwendigen innern Principien alles Lebens. Was ein Wesen innerlich ist, dasselbe muß es auch äußerlich seyn; oder dieselben Kräfte, in welchen sein innres und ausgesprochenes Leben besteht, dieselben (der Natur nach) sind auch wieder die aussprechenden Kräfte seines Daseyns. Aber als diese können sie nur in einer Folge oder mit Entscheidung hervortreten. Also Principien des Seyns in der Simultaneität sind sie Potenzen des Werdens in der Succession. Eben an den aussprechenden Kräften bricht sich die Ewigkeit, daher freylich diejenigen, welche die Begriffe der Einheit und Allheit anwenden wollten, aber die Einheit nur wieder als Allheit setzten und nicht wagten, eine Entscheidung anzunehmen, niemals aus der Ewigkeit herauskommen konnten.

    Diese Einstimmigkeit des Aussprechenden und des Ausgesprochenen die zur Vollkommenheit und zur thätigen Existenz eines Wesens erfordert wird, findet sich in allem Leben. Im Ausgesprochenen, Inneren jedes organischen Wesens finden wir drey Hauptkräfte. Die erste, wodurch es in sich selbst ist, sich selbst beständig hervorbringt und erhält; die andere, durch die es nach außen strebt; die dritte welche gewissermaßen die Natur dieser beyden Kräfte in sich vereinigt. Jede derselben ist zum innern Seyn des Ganzen nothwendig; welche auch aus demselben hinweggenommen wird, immer wird das Ganze mit aufgehoben. Aber dieses Ganze ist kein ruhiges, stehenbleibendes Seyn; das Wesen als aussprechlich gesetzt, findet sich unmittelbar das Aussprechende ein. Die Kräfte, die im Innern wirken, dieselben (der Natur nach) treten äußerlich als Potenzen, aber mit Entscheidung hervor. Eine, die andere aufnehmend, setzt sich als herrschende, zum gemeinschaftlichen Exponenten des Ganzen, und so einander folgend werden sie die bestimmenden Potenzen seiner äußeren Lebensperioden, der Zeiten seines Werdens und seiner Entwicklung, wie sie zusammenwirkend die bestimmenden Principien seines inneren Lebens waren. Dieses ist der Sinn, wenn gesagt wird, in der ersten Zeit des Lebens herrsche die wachsthümliche, in der zweyten die bewegende, in der dritten die empfindliche Seele oder Potenz. Und dasselbe ist der Sinn, wenn z.B. gesagt wird, die Urzeit im Leben der Erde sey die magnetische gewesen, von der sie erst in die elektrische herübergetreten, und noch vieles dem Ähnliches.

    Alles Leben hat nur Ein Gesetz. Und so verhält es sich denn ebenso in Ansehung des höchsten Lebens. Dieselben Urkräfte (der Natur nach), welche in ihrem Zusammenseyn die Principien des inneren Lebens der Gottheit sind, dieselben äußerlich als Potenzen oder mit Entscheidung hervortretend, sind die herrschenden Mächte der verschiedenen Zeiten. Oder im allgemeinsten Ausdruck: Die Folge der Potenzen verhält sich als eine Folge von Zeiten und umgekehrt.

    Durch dieses Gesetz stellt sich erst die rechte Hoheit des Gegensatzes dar und seine mit der Einheit gleiche Unbedingtheit. Denn wie diese überall im Ausgesprochenen sich herrschend erweist, so erscheint dagegen im Aussprechenden die unüberwindliche Freyheit des Gegensatzes, und wie er die Einheit sich selbst wieder unterordnet.

    Unstreitig existirt der Ewige nur kraft seines freyen Willens; oder durch freye That setzt er sich als existirend. Aber dieß vorausgesetzt hängt es nicht von seiner Freyheit ab, welche Folge der Offenbarung er erwählen will, ob es gleich bey ihm stand, sich überhaupt nicht zu offenbaren. Wollte er Offenbarung seiner selbst als letztes Ziel, so war die angegebene Folge nothwendig. Gerade der Wille, der keine Offenbarung wollte, mußte zum Anfang gesetzt werden. Bey der umgekehrten Folge hätte alles in Nichtoffenbarung, oder in wieder aufgehobener Offenbarung geendigt. Das in der Offenbarung Vorausgehende ist dadurch nicht an sich selbst das Untergeordnete, aber als das Untergeordnete gesetzt, das ihm folgende als das beziehungsweise Höhere. Die Priorität steht im umgekehrten Verhältniß mit der Superiorität; Begriffe, welche zu verwechseln nur der Blindheit im Urtheilen möglich ist, die unsere Zeiten auszeichnet.

    Der verneinende einschließende Wille muß in der Offenbarung vorausgehen, damit etwas sey, das die Huld des göttlichen Wesens, die sich sonst nicht zu offenbaren vermöchte, halte und emportrage. Der Zorn muß eher seyn als die Liebe, die Stärke eher als die Milde, die Strenge vor der Sanftmuth. Wie in dem nächtlichen Gesicht, da der Herr vor dem Propheten vorüberging, erst ein mächtiger Sturm kam, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, nach diesem ein Erdbeben, endlich ein Feuer, der Herr Selbst aber in keinem von den allen war, sondern ein stillsanftes Sausen folgte, darinn er war, so muß in der Offenbarung des Ewigen die Gewalt, die Strenge, die Macht vorausgehen bis im leisen Wehen der Liebe Er selbst erscheinen kann.

    Alle Entwickelung setzt Einwickelung zum voraus, in der Anziehung ist der Anfang und die zusammenziehende Grundkraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft der Natur. Alles Leben fängt von Zusammenziehung an, denn warum schreitet alles vom Kleinen ins Große, vom Engen ins Weite fort, da es auch umgekehrt seyn könnte, wann es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre?

    Dunkelheit und Verschlossenheit ist der Charakter der Urzeit. Alles Leben wird zuerst und bildet sich in der Nacht; darum wurde diese von den Alten die fruchtbare Mutter der Dinge, ja nebst dem Chaos das älteste der Wesen genannt. Je höher wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto mehr finden wir unbewegliche Ruhe, Ungeschiedenheit und gleichgültiges Zusammenseyn derselben Kräfte, die sich erst leise, dann zu immer wilderem Kampf entzünden. So in den Gebirgen der Urwelt, die mit ewig stummer Gleichgültigkeit herabzusehen scheinen auf das bewegliche Leben zu ihren Füßen; so in den ältesten Bildungen auch des Menschengeistes. Derselbe Charakter von Verschlossenheit kommt uns in dem stummen Ernst des Aegyptiers, in den Riesendenkmälern Indiens, die für keine Zeit, sondern für die Ewigkeit gebaut scheinen, ja selbst noch in der stillen Größe, der erhabenen Ruhe der ältesten Werke hellenischer Kunst entgegen, die, wenn auch gemildert, noch die Kraft jenes gediegenen Weltalters an sich tragen. Nur so ist Fortschritt, nur so unsterbliches Leben. Wäre keine Entscheidung, so wäre nur die stumme Ewigkeit und Gott ohne Offenbarung. Darum ist es wesentlich, auf der Gleichwichtigkeit der Kräfte zu bestehen. Es ist dieser oft genug entgegengesetzt worden, nothwendig sey das Ideale höher als das Reale, beyde können nicht gleich seyn. Freylich war dieß Verhältniß wohl am bestimmtesten dadurch anerkannt, daß das Reale immer als erste Potenz, das Ideale als höhere, zweyte gesetzt wurde. Dieß konnte aber die ursprüngliche Äquipollenz nicht aufheben.

    Wäre das eine von beyden schon von Natur also nothwendig untergeordnet, so wäre in Gott keine Freyheit. Ebensowenig fortschreitendes Leben. Denn es nehme nun einer jene Unterordnung als eine nothwendige, also ursprüngliche an, und ordne gleich im Anfang, was zum Grunde bestimmt ist, dem höheren unter! Was hat er nun? Er ist fertig; es bedarf nichts mehr, es gibt weiter kein Fortschreiten, keine Entwickelung. Nur weil keine nothwendige Unterordnung ist, ist Widerspruch, und nur weil Widerspruch ist, ist Entschluß, ist Freyheit.

    Von jetzt also betreten wir den Weg der Zeiten, und beginnen die Beschreibung der ersten Zeit, des herausgesetzten verneinenden Willens.

    Dieser Wille war in der Ewigkeit, da er ruhete, weder bejahend noch verneinend. Angezogen vom Äußeren und zur That geweckt, wurde er gegen dieses ein verneinender Wille. Aber nach außen verneinender würde notwendig nach innen oder in sich bejahender Wille, ein Wille der die Offenbarung wollte. Dieser Widerspruch forderte Entscheidung. Er ist entschieden, durch überschwengliche That. Es sind nicht mehr zwey, es ist nur Ein Wille, und dieser eine Wille ist der ganze unbedingte, der nie sich entschieden hat, das eine zu seyn und das andre nicht zu seyn. Nicht daß er den andern Willen nur ins Verborgne setzte, im Gegentheil er ist eine thätige Verneinung desselben. Wo getheilter oder zweifelnder Wille ist, ist keine Entscheidung. Also kann er den andern Willen nicht nur nicht setzen, er muß ihn schlechthin verneinen, ihn setzen als nichtseyend.

    Der Wille, der ursprünglich weder bejahete noch verneinte, aber als solcher schlechthin innerlich war, ist jetzt äußerlich und herausgesetzt als wirklicher Wille; aber eben weil das Äußerliche, hört er auf bewußter Wille zu seyn, er wird ein völlig blinder, sich selbst nicht kennender Wille.

    Hier ist der Punct, wo sich auch die gewohnten Begriffe an unsre Darstellung anschließen. Die Offenbarung Gottes oder die Schöpfung als Entäußerung, als Herablassung des Ewigen vorzustellen, ist eine gewöhnliche Rede. So erscheint sie denn auch hier. Die Kraft der Gottheit, wodurch sie eigentlich in sich selbst ist, wird durch die Offenbarung zum Anfang gesetzt. Unüberwindlich, wenn sie sich versagte und im Verborgenen blieb, macht sie sich überwindlich dadurch, daß sie sich offenbart, äußerlich wird. Der Ewige macht nicht das Geringere seines Wesens, sondern was er freywillig und durch Liebe überredet als das Geringere seines Wesens ansieht, die allerinnerste und stärkste Kraft, zum Anfang des Daseyns. Er führt das, was die Kraft des höchsten Bewußtseyns ist, in die Bewußtlosigkeit aus, und gibt es ins Äußere hin, damit Leben und Wirklichkeit sey.

    So mußte es auch seyn, wenn ein ewiger Anfang, ein ewiger Grund seyn sollte. So versinkt jene allen einzelnen Handlungen vorausgehende Urthat, wodurch der Mensch eigentlich Er Selber ist, unmittelbar, nachdem in überschwenglicher Freyheit gethan, in die Nacht der Bewußtlosigkeit. Sie ist keine That, die einmal geschehen wieder aufhören könnte, sie ist eine beständige eine nie aufhörende That und kann darum nie wieder vors Bewußtseyn gebracht werden. Sollte der Mensch um sie wissen, so müßte das Bewußtseyn selbst in das Nichts, in die unumschränkte Freyheit zurückkehren und wieder aufhören als Bewußtseyn. Wie also diese, einmal geschehen, unmittelbar in unergründliche Tiefe hinabsinkt, und ebendadurch die Natur der Beständigkeit annimmt, so muß jener Wille, einmal zum Anfang gesetzt und ins Äußere geführt, unmittelbar in Bewußtlosigkeit versinken. Nur so ist ein Anfang möglich, ein Anfang der nicht wieder aufhört Anfang zu seyn, ein wahrhaft ewiger Anfang. Denn auch hier gilt es: der Anfang darf sich selbst nicht kennen. Jene That, einmal gethan, ist ewig gethan. Der Entschluß, der in irgend einer Art einen wahren Anfang machen soll, darf nicht wieder vors Bewußtseyn gebracht, nicht zurückgerufen werden, welches darum schon ebensoviel als zurückgenommen bedeutet. Wer beym Entschluß sich vorbehält ihn wieder ans Licht zu ziehen, macht nie einen Anfang.

    Jene That, sagten wir, ist ewig gethan, d.h. sie ist ewig ein Gethanes, somit Vergangenes. Also sehen wir, daß der verneinende Wille, indem er ins Bewußtlose versinkt, sich wirklich schon als Vergangenes verhält – für uns nämlich. Er wirkt schon jetzt wie ein Verborgenes wirkt, wie in uns jene immer fortdauernde, ewige Urthat, ob er gleich noch nicht als ein solches wirklich erklärt ist und noch weniger sich selbst dafür erkennt. Einmal ins Äußere gezogen, in die Bewußtlosigkeit geführt, weiß er sein eigen Verhältniß nicht, nicht, daß er der vorausgehende Wille ist, der Grund der künftigen Wirklichkeit eines anderen Willens. Sondern er ist wie der eifrige Gott des alten Bundes, der keine anderen Götter neben sich duldet, und sein Aussprechen oder Wort ist dieß: Ich bin der Einzige, und ist kein anderer neben mir.Hier geht zwar das zum Druck ausgearbeitete Manuskript noch 5-6 Bogen weit fort, aber es ist am Rande die Bemerkung beigesetzt, die Abhandlung gerate von hier an ganz ins Falsche, eine Selbstkritik, welche die Nichtherausgabe auch des Vorstehenden von seiten des Verf. erklärt. D. H.Eine gleichlautende Randbemerkung von Schellings Sohn fand sich auch nach dem Schlußsatz obiger S. 182. Die demselben im Manuskript noch folgenden beiden Seiten (hier S. 183) waren durchstrichen. Undurchstrichen folgten noch zwei Schlußseiten, an deren Ende Schellings Sohn die Schlußzeilen abgeschrieben angefügt hatte, nebst obiger Randbemerkung. Weitere Blätter des abbrechenden Manuskripts waren nicht erhalten, auch nicht das Blatt mit der vom Sohn erwähnten Original-Randbemerkung Schellings.

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (SW). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1815). Text

    Dieser Eintritt der Sehnsucht in der ewigen Natur bezeichnet einen neuen Moment, den wir darum in der Betrachtung festhalten müssen. Es ist jener Moment, den die ahndende Vorwelt durch das Auseinandergehen des Welteis bezeichnete, unter welchem sie eben jenes geschlossene Rad, jene undurchdringliche, nirgends festzuhaltende Bewegung andeutete; jener Moment, da zuerst Irdisches und Himmlisches sich schied.

    Die Ursache dieser Krisis ist ohne Wollen oder Thun jenes allerlautersten Wesens: zuerst indem die ewige Natur dasjenige in ihm erblickt, gegen das sie zum Seyn, zum bloß Aussprechlichen werden, und also zugleich in allen ihren Kräften aufgeben kann, das Aussprechende, Seyende zu seyn; sodann weil dieses ihm die Sehnsucht erweckt, aus dem ewigen Umtrieb zu entkommen und zu Bestand und Ruhe zu gelangen; ferner weil jenes Höchste das Maß ist, an dem das niederere Princip seine Niederkeit, das höhere seine Würde erkennt. Aber die Sehnsucht macht den bloßen Anfang und nur die erste innere Bemühung (nisus) zur Scheidung; bestätigt wird sie erst, indem durch diesen inneren Anfang nun wirklich der Bezug zu jenem Höchsten entsteht; und bleibend wird sie erst, indem die ewige Natur, durch die bestätigte Scheidung selbst in Freiheit gesetzt, sich zu entscheiden vermag, und nun, kraft eines ewigen Willens oder Entschlusses, sich ewig und untrennbar jenem Höchsten als sein unmittelbares Subjekt verbündet und ihm zum beharrlichen Seyn, zur bleibenden Unterlage wird, darum in sich nicht weniger lebendig oder seyend, vielmehr erst dadurch zum wahren, seligen, geordneten Leben erhoben, daß sie gegen das Höchste zum Seyn wird.

    Denn jeder Sache ist nur wohl, indem sie an ihrem Ort ist. Das Untere, wenn es das Obere frei läßt, wird auch von ihm frei, und nimmt so die ihm eigne und gebührende Selbständigkeit an. Hinwiederum aber kann sich das Höhere nun frei entfalten, indem es sich über das Geringere erhebt und den ihm zukommenden Ort einnimmt.

    Die Scheidung beruht zunächst darauf, daß das Verhältniß jener unverbrüchlichen aber unaussprechlichen Einheit, da ein jedes das Seyende, d.h. dasselbe also gleichsam an Einem Ort und in Einem Punkt seyn sollte, in das der Totalität verwandelt, also jenes blind nothwendige Wesen, welches das Eins zu seyn trachtete und es doch nicht seyn konnte, zum All herabgesetzt wird.

    Also wird in jener, nicht ein für allemal geschehenen, sondern ewig und immer und noch jeden Augenblick geschehenden Unterwerfung und Scheidung jenes dunkle undurchdringliche und unaussprechliche Wesen zum All.

    Um aber vom Besonderen zu reden, so wird das Höchste der ewigen Natur, was in ihr selbst frei und Geist-ähnlich ist (A3), zum unmittelbaren Subjekt der lauteren Gottheit erhoben; die beiden andern Potenzen aber, die gleich uranfänglich nur Bedingung und gleichsam der Weg zu diesem Höchsten (zum A3), und insofern ein von diesem Verschiedenes waren, setzen sich durch ihr Ersinken selbst, und indem das Höhere aufsteigt, in ihrer Freiheit und Unabhängigkeit fest, als Grundlage und gleichsam ersten Stoff alles von dem göttlichen Subjekt Verschiedenen, als die Bleib- und Wohnstätte (Mayon, Psalm 90, 1) der Kreatur von Ewigkeit, als das, was ewig zwischen Gott und den erschaffenen Wesen in der Mitte ist; andererseits aber als das Aeußere, das erste Sichtbare von Gott, als jene Glorie und Herrlichkeit, mit der sich zunächst das göttliche Subjekt (A3), mittelbar aber die unsichtbare Gottheit selbst gegen die Kreatur umkleidet.

    Dieß ist das Erbtheil der Kreatur von Ewigkeit, daß sie, die in dem lauteren Feuer des Geistes nicht leben könnte, eine gegen dieses leidende Unterlage hat, die jedoch nach innen voll Kraft und Leben ist. Ein solcher erster, von Gott in gewissem Betracht unabhängiger Urstoff ist nothwendig zu denken, wenn nicht die Kreatur aus dem Wesen der freien lauteren Gottheit ausgeflossen oder erschaffen seyn soll, eine schon an sich, jedoch auch darum unzulässige Meinung, weil sie alle Freiheit der Kreatur gegen Gott aufhebt. Nur muß dieser Urstoff nicht als ein von Ewigkeit gewesener, sondern als ein in der ewigen Bewegung durch Unterwerfung oder Herabsetzung dazu gewordener (wie wir eben gezeigt) begriffen werden, wodurch, wenn der Fortgang nur richtig gefaßt worden, sogleich die Schwierigkeiten verschwinden, welche der Vorstellung einer ewigen Materie in andern Systemen, wo das Successive der Ideen verloren gegangen, sich entgegenstellen.

    Aber obwohl gegen das Höchste (A3) beide nur Stoff und Unterlage, nehmen doch die beiden ersten Potenzen unter sich das ihnen zukommende Verhältniß an, so daß die erste (die ewige Kraft der Verneinung) zum Untersten, die entgegengesetzte aber (in der das Geistige offenbar und die verneinende Kraft zurückgedrängt ist) zum beziehungsweise Höheren wird.

    Es ist zwar der Sache angemessen, daß eben das, was Verneinung aller Offenbarung schien, jene Kraft Gottes, durch die er sich selbst versagte und in sich abschloß, daß eben dieses zum Grund aller Offenbarung gelegt wird, und nun fortan wirklich als der ewige Anfang, als die erste Staffel und Unterlage des unsterblichen Lebens bestätigt wird.

    Das Tiefste und Unterste also, das aus jener Unaussprechlichkeit herausgesetzt und offenbar wird, ist jene Kraft des Anfangs, die das Wesen an- oder in sich zieht und ins Verborgene zurückdrängt. Der Grundtext der Schrift nennt Himmel und Erde die Ausbreitung der göttlichen Stärke, andeutend damit, die ganze sichtbare Welt habe einst in jener Verneinung gelegen, und sey nur durch eine spätere Entfaltung aus ihr hervorgehoben worden. Aber eben darum liegt sie noch immer in ihr, noch jetzt ist jene ursprüngliche Verneinung die Mutter und Säugamme der ganzen uns sichtbaren Welt.

    Jene Kraft des Anfangs also ins Aussprechliche und Aeußere gesetzt, ist der Urkeim der sichtbaren Natur, aus dem sie in der Folge der Zeiten entfaltet worden. Die Natur ist ein Abgrund von Vergangenheit, aber das ist das Aelteste in ihr, was auch jetzt das Tiefste, das bleibt, wenn auch alles Zufällige und Gewordene hinweggenommen wird. Aber dieß ist eben jene beständige Neigung, das Wesen zu verschließen und ins Dunkel zu setzen.

    Die wahre Ur- und Grundkraft alles Körperlichen ist das anziehende Wesen, das ihm Gestalt gibt, es auf den Ort einschränkt und ein an sich Geistiges und Unfaßliches verkörpert. Dieses zwar widerspricht ihm beständig und gibt sich als ein verflüchtigendes, vergeistigendes, allen Schranken feindseliges Wesen kund, aber überall erscheint es nur als ein aus ursprünglicher Verneinung Hervortretendes, jene anziehende Kraft dagegen als das Festmachende von ihm, als sein eigentlicher Grund.

    Jene Neigung (das Wesen zu verschließen) ist sogar in den gewöhnlichen Ausdrücken anerkannt, die Natur entziehe sich dem Anblick und verberge ihre Geheimnisse; nur durch eine höhere Macht gedrungen entlasse sie alles, was wird, aus der ursprünglichen Verborgenheit. In der That wird alles in ihr nur durch Entwickelung, d.h. unter dem beständigen Widerspruch einer einhüllenden, einschließenden Kraft, und sich selbst überlassen würde sie noch jetzt alles in jenen Zustand einer gänzlichen Verneinung zurückführen.

    Für sich selbst gleicht die Natur jener bei Zeus Gastmahl erscheinenden Penia; nach außen Armuth und äußerste Bedürftigkeit, verschließt sie nach innen göttliche Fülle, die sie aber nicht offenbaren kann, bevor sie mit dem Reichthum, mit dem Ueberfluß selbst, jenem überschwenglich und unerschöpflich mittheilsamen Wesen (A2) sich vermählt hat. Aber auch dann erscheint, was ihrem Schoß sich entwindet, unter der Form und gleichsam dem Druck jener ursprünglichen Verneinung, ein Bastardkind des Bedürfnisses und des Ueberflusses.

    Ihrem Grunde nach ist also die Natur aus dem Blinden, Finstern und Unaussprechlichen Gottes. Sie ist das Erste, der Anfang in dem Nothwendigen Gottes. Die anziehende Kraft, die Mutter und das Behältniß aller sichtbaren Dinge, ist die ewige Kraft und Stärke selber, die herausgesetzt ersehen wird an den Werken der Schöpfung. Die Natur ist nicht Gott; denn sie gehört nur zum Nothwendigen Gottes, da streng genommen Gott nur nach seiner Freiheit Gott heißt; und auch von diesem Nothwendigen ist sie nur ein Theil, eine Potenz; Gott aber kann nur das Ganze genannt werden, und auch dieses nicht, nachdem es aus dem Eins All geworden und aus der Gottheit sich gleichsam begeben.

    Die Systeme, die von oben herabsteigend den Ursprung der Dinge erklären wollen, kommen fast nothwendig auf den Gedanken, daß die Ausflüsse der höchsten Urkraft irgend einmal ein Aeußerstes erreichen, unter dem nichts ist, und das, selbst nur noch ein Schatten von Wesen, ein Geringstes von Realität, nur gewissermaßen noch seyend heißen kann, eigentlich aber nicht ist. Dieß ist der Sinn des nicht Seyenden bei den Neuplatonikern, die das wahre aus Platon nicht mehr verstanden. Wir, der entgegengesetzten Richtung folgend, erkennen auch ein Aeußerstes, unter dem nichts ist, aber es ist uns nicht ein Letztes, sondern ein Erstes, von dem alles beginnt, ein ewiger Anfang, und nicht bloß Schwäche oder Mangel an Wesen, sondern thätige Verneinung.

    Aber nicht bloß insofern, als sie in ihre eigne Potenz tritt, gelangt die Natur in jener großen Entscheidung zur Aussprechlichkeit, sondern auch insofern, als allein durch das Verhältniß, in welches sie jetzt tritt, der innere Widerspruch in ihr selber besänftigt wird, der bis jetzt nur darum nicht bemerkt worden, weil wir immer das Ganze vor Augen hatten.

    Denn nicht in dem Maß stillschweigend und todt, als wir bis jetzt anzunehmen schienen, ist jenes von der verneinenden Kraft zurückgedrängte Wesen. Sich selbst für sich unfühlbar, aber geengt und ergriffen von der anziehenden Kraft, empfindet es sich als geistiges, bejahendes Wesen, und dringt seiner Natur gemäß um so mächtiger hervor, je mehr es in die Enge gebracht worden. Aber die verneinende Kraft läßt nicht aus; könnte sie auslassen, so ginge alles zurück; denn sie ist die Kraft des Anfangs.

    Also ist jene erste Potenz nicht bloß in jenen allgemeinen Zustand des Widerspruchs verwickelt, worin wir das Ganze erblickt haben, sondern auch in ihr selbst ist der Widerspruch, und in ihr für sich betrachtet liegt der Grund einer rotatorischen Bewegung. Sie fühlt in sich das widerstrebende Wesen und kann es doch nicht gebären, denn sie ist ihm noch äquipotent; es ist ihr Gesetz zu bleiben, das Geistige immer wieder fest zu machen und so den Grund zu erhalten des ewigen Fortschritts. Aber je stärker sie zieht, um das Wesen in die Tiefe zu bringen, desto mehr widerstreitet dieses, wie alles, was ausbreitsamer Natur ist, nur um so gewaltsamer sich auszudehnen strebt, je mehr es zusammengedrückt worden.

    Da sie also in sich widerstreitende Kräfte vereint, wovon die eine immer nach außen verlangt, die andere nach innen zurückdrängt, so ist auch ihr Leben ein Leben der Widerwärtigkeit und der Angst, da sie nicht aus noch ein weiß und ebenfalls einer unwillkürlichen umdrehenden Bewegung anheimfällt.

    Aber alles sehnt sich nach beharrlichem Seyn; nichts will im Widerspruch verharren. So auch jene Potenz des Anfangs. Aber sie für sich kann nicht aus dem Widerspruch herauskommen; denn es ist ihre Natur, im Widerspruch zu seyn. Nur Eine Hülfe könnte ihr werden, nämlich, wenn sie mit dem höheren Princip (dem A2) aus jenem alternirenden, gegenseitig ausschließenden Verhältniß in ein organisches träte, welches in jener anfänglichen Gleichwichtigkeit unmöglich ist, da beide so zu sagen in Einem Punkte seyn wollen, weil beide gleichen Anspruch machen das Seyende zu seyn. Wenn aber das verneinende Princip (A=B) sich nur als Potenz des Wesens erkennt und damit dem andern ihm entgegengesetzten (dem A2) Raum macht, dann kann dieses ihr hülfreich werden und ihr Befreiendes vom Widerspruch, denn jenes andere ist das seiner Natur nach aufschließende und befreiende. Ist also dieses andere, so muß eben darum auch das erste bleiben, damit etwas sey, das es aufschließen und befreien könne; und jenes Verhältniß einer erst ausschließenden Gleichwichtigkeit verwandelt sich in das einer nothwendigen Verkettung, da, wenn das eine, dann und eben darum auch das andere ist.

    Wäre nicht eine Potenz der Verneinung, so wäre kein Grund, daß die bejahende, aufschließende wäre. Hinwiederum aber kommt jene nur durch diese zum Bestand. Denn nun kann die verneinende Kraft ruhig wirken und immerfort das Wesen zurückdrängen; vorangehender Weise (antecendenter) ist das Seyende noch immer gefesselt, und nur folgender Weise, durch eine höhere Potenz, wird es befreit. Es ist kein Widerspruch, daß, was in einem vorhergehenden Moment eingeschlossen war, in einem folgenden frei werde: vielmehr mußte es eingeschlossen seyn, um befreit werden zu können. Die einschließende Kraft wird dadurch nicht aufgehoben, vielmehr bestätigt, daß eine andere ihr folgende Kraft das Eingeschlossene in Freiheit setzt. Es entsteht hier zuerst ein Vor und Nach, eine eigentliche Articulation und damit Beruhigung. Die an- oder in sich ziehende Kraft wird sich erst als Kraft des Anfangs fühlbar, indem sie durch das ihr folgende Princip überwunden wird, und auch das jetzt Befreite erkennt sie jetzt erst als sein nothwendig Vorausgehendes (Prius), als seinen ersten Grund und Halt, und liebt sie als Bedingung, gleichsam als Gefäß, in dem es aufgeht.

    Zur Erläuterung dieses Verhältnisses mag ein ähnliches dienen, das jedoch dem letzten Grunde nach eigentlich nur dasselbe ist. Vorlängst wurde versucht, die Materie als Erzeugniß zweier Kräfte darzustellen, derselben, die sich uns bisher als die Urkräfte alles Lebens gezeigt haben, der anziehenden und der ausbreitenden. Aber noch nie wurde begreiflich, wie, die beiden Kräfte als äquipotent (von gleicher Potenz) angenommen, aus ihrem Zusammenstoß etwas Greifliches und Bestandhaltendes hervorgehen könne. Denn man mag nun annehmen, daß die zwei Kräfte gleich stark oder die eine überwiegend sey, immer müßten sie unter jener Voraussetzung sich wechselseitig (wie die zwei gleichen Gewichte am Hebel), oder die stärkere müßte die schwächere aufheben; in jenem Fall bliebe überall nichts Fühlbares übrig, in diesem bliebe die stärkere Kraft mit ihrem Ueberschuß allein stehen, ohne daß auch hier etwas Körperliches entstünde. Dieses ist auf keine Weise zu ändern, wenn man nicht auch hier jenes Vorangehen und Folgen (ein Prius und Posterius, einen Potenzunterschied) zwischen den Kräften annehmen will. Ist aber der Zustand der Einwickelung, des Verschlungenseyns der ausbreitenden Kraft durch die anziehende der erste, der sodann erst nachfolgender Weise durch eine andere von der ersten unabhängige Potenz überwunden wird: dann erst, weil jede Kraft in ihrem Seyn und Wesen bleibt, muß ein Erzeugniß hervorgehen, das wie die Materie zwischen gänzlicher Verschließung und völliger Ausbreitung gleichsam angehalten in der Mitte steht.

    So also wird jene Potenz des Anfangs, die für sich unbeharrlich und bestandlos ist, erst durch das organische Verhältniß zu der höheren zu Bestand gebracht; in dieses organische Verhältniß selbst aber wird sie erst durch die Scheidung gesetzt, da das ursprüngliche Eins All wird, und ein jedes der Principien in seine eigne Potenz, in das seiner besondern Natur angemessene Verhältniß tritt.

    Jenes andere Princip also, das gleichsam der Natur Heiland und Befreier ist, muß auf jeden Fall außer und über dieser Natur seyn und sich schon darum zu ihr wie Geistiges zu Leiblichem verhalten. Doch nur als ein solches Geistiges, zu dem die Natur die nächste Staffel, und das auch wieder eines unmittelbaren Bezugs zu ihr fähig ist.

    Die Sprache des Volks sieht die Erde als den Ort an, wo das Wesenhafte unterdrückt und gefesselt ist, und nennt die Gegend, wo es frei und in seiner eignen Wesentlichkeit wohnt, den Himmel. Ist also jene Potenz des Anfangs herabgesetzt ins Seyn und zu Bestand gebracht, der Urkeim der künftigen sichtbaren Natur, so werden wir nicht irren, wenn wir behaupten, daß jene höhere Potenz, in der vielmehr das Wesen offenbar und die verneinende Kraft verborgen ist, ins Seyn herabgesetzt, nichts anderes als der Urstoff der reinen himmlischen Wesenheit und die Grundlage und gleichsam erste Materie der zukünftigen Geisterwelt sey. Denn auch jene höhere Potenz, obwohl gegen die niedere wie lauter Geist und Leben, ja die Eröffnerin aller ihrer Wunder, kann doch gegen eine höhere wieder ersinken, Stoff werden und leidende Eigenschaften annehmen, und so fremd der Ausdruck lauten mag, daß auch die Geisterwelt einen Stoff, eine Basis habe, auf der sie ruht, nichts kann außer Gott wahrhaft daseyn, das nicht aus einer von seinem höchsten Selbst verschiedenen Unterlage erschaffen worden.

    Daß es himmlische Einflüsse sind, durch welche alles irdische Leben besteht und regiert wird, und daß ohne diese Einflüsse bald eine Stockung aller Kräfte, eine rückgängige Bewegung alles Lebens entstehen würde, davon überzeugt die höchste Forschung wie die täglich wiederkehrende Beobachtung. Luft, Wasser und alle Elemente sind nur verstandlose Werkzeuge, deren Zusammenordnung und In-Eins-Stimmung nur durch eine von ihnen verschiedene und über sie erhabene Ur-Sache unterhalten werden muß, welche daher von den Alten die fünfte Wesenheit genannt wurde. Wie unvermögend für sich die untergeordneten Kräfte sind, erhellt aus jenen Jahren eines allgemeinen Mißwachses, der ohne besondere Vorgänge in der äußeren Natur bei nicht ungewöhnlicher Luft, Wärme, Regen, Witterung entsteht. Aber diese himmlischen Einflüsse, welche gleichsam die beständige Arzenei unserer Erde sind, von denen Leben und Gesundheit ausgeht, kommen, wenn auch durch noch so viele Mittelglieder, zuletzt aus jener Urquelle alles Lebens, und sind unmittelbare oder mittelbare Ausflüsse der Geisterwelt, deren Wesen allein der beseelende Hauch der ganzen Natur ist, ohne den sie bald in eine rückgängige Bewegung und dadurch in Zerrüttung gerathen, zuletzt jenem ursprünglichen Widerspruch und der anfänglichen Bestandlosigkeit wieder anheimfallen würde, aus der sie nur durch das organische Verhältniß zu der Geisterwelt gesetzt worden.

    Es ist allgemeiner Glaube, daß die Geisterwelt der Gottheit näher sey als die Natur, und wie der sterbende Sokrates sagt, er gehe zu Gott, bedient sich noch immer die Frömmigkeit von dem Frommen desselbigen Ausdrucks. Dieses nun möchte darauf beruhen. Jenes ganze Leben, das wir im Vorhergehenden beschrieben, ist nur der Weg zu Gott, die ewige Bewegung, von welcher Natur der Anfang ist, der Intention nach nur eine fortschreitende Verwirklichung des Höchsten, wo jede folgende Stufe der lautern Gottheit näher ist als die frühere. Insofern kann der Uebergang des Menschen in die Geisterwelt wohl ein Gehen zu Gott genannt werden, vorausgesetzt, daß er den Weg des Lebens (der darum so heißt) gewandelt, nicht durch eigne Schuld die Richtung verkehrt und aus der aufsteigenden in die herabsteigende umgewandelt hat.

    Gewöhnlich ist auch die Geisterwelt im Gegensatz der Natur die Ewigkeit zu nennen. Denn diese ist das zwar ewig aber doch Beginnende und behält die Natur des Anfänglichen. Das an sich selbst Seyende aber (A2) ist von der Natur des Ewigen. Der Ewigkeit widerspricht das Gezeugtwerden nicht, denn gleichwie nur das Beginnende zeugen kann, so das Ewige nur gezeugt werden.

    Aber hat nun auch diese höhere Potenz Bestand für sich? Ist nicht auch in ihr Gegensatz, damit ein Grund des Widerspruchs und jener unseligen Bewegung?

    Wir haben sie angenommen als Princip, in dem das Geistige nach außen gewendet, die dunkle Urkraft verneint innerlich gesetzt ist. Aber wie in jener Potenz des Anfangs das ausbreitsame Wesen der Verneinung entstrebte, so in dieser die verdunkelnde Urkraft. Die zweite Potenz ist unabhängiges, selbständiges Wesen für sich; auch in ihr liegt der Stoff, zu einer eignen Welt entfaltet zu werden. Aber es ist ihr Gesetz, die verneinende Urkraft zurückzudrängen; also ist auch ihr ein Widerstreit der Richtungen nothwendig, auch sie für sich selbst fällt jener wirbelnden Bewegung anheim, welche überall der Anfang und die erste Erscheinung schöpferischer Kräfte zu seyn scheint.

    Auch sie kann nicht sich selbst helfen; auch ihr kann nur durch ein Höheres geholfen werden. Aber in jenem ersten ausschließenden Streben, da ein jedes für sich das Seyende seyn wollte, erkennt sie kein Verhältniß zu einem andern außer ihr. Auch sie also wird in der großen Scheidung nicht bloß vom allgemeinen Widerspruch losgewickelt, auch von dem inneren befreit und zu Bestand gebracht. Denn indem sie an die ihr zukommende Stelle tritt, sich selbst nur als Potenz, und ein Höheres über sich erkennt, wird sie gegen dieses Höhere zum Seyn, so daß es in ihr als in seinem Stoff oder unmittelbaren Element wirken kann. Indem nun sie selbst in sich immer bleibt, was sie ist, nämlich ewiges, die verneinende Kraft in sich haltendes und verbergendes Ja, ist es kein Widerspruch, wenn jenes Höhere (A3) die verneinende Kraft in ihr befreit und so mit Besonnenheit und Absicht zu einer andern Welt sie entfaltet. Denn ihre Natur ist nur, daß sie ursprünglich bejahendes Princip sey, das die dunkle Urkraft einschließt; es wird nur gefordert, daß dieß ihr Grund oder Anfang sey: was aber nachfolgender Weise geschieht, hebt jenen ersten Grund nicht auf, bestätigt ihn vielmehr, weil es ihn voraussetzt.

    Solange jenes geistige Wesen mit der verneinenden Urkraft im Streit lag, war es, gegen seine Natur, welche ausfließender, ausquellender Art ist, gezwungen nach innen zu wirken, und konnte so auch der ihrer Hülfe bedürftigen Natur nicht helfen. Nun durch eine höhere Potenz das bejahende Wesen gegen die verneinende Kraft in Freiheit gesetzt ist, kann die Geisterwelt frei ausfließen und nach unten oder in die Natur wirken. Dergestalt, indem das Dritte dem Zweiten eben das ist, was es selbst dem Ersten, entsteht endlich der vollkommenste Einklang, und erst durch das Dritte ist wie mit Einem Hauch zumal das Ganze beseelt.

    Aber auch dieses Dritte ist für sich des Bestands unfähig. Denn solang blinde Nothwendigkeit herrschte, da keine Auseinandersetzung der Kräfte war, und jenes reine gegensatzlose Wesen (A3) nur im Streit gegen die anderen Seyendes seyn konnte, mußte es sich gegen diese als verzehrendes Feuer zurückwenden; wie den Gegensatz die Einheit, so schloß die Einheit der Gegensatz aus; aber eben damit war der Grund zu jener alternirenden Bewegung, zu dem beständigen Wiederaufleben des Gegensatzes, dem beständigen Wiederbeginn gegeben, denn weder die Einheit sollte allein seyn noch der Gegensatz, sondern sowohl die Einheit als der Gegensatz.

    Konnte die Einheit (A3) sich erheben und außer dem Gegensatz seyn, dann konnte auch der Gegensatz außer der Einheit bestehen, und es war kein Widerspruch. Aber dieß war in jener anfänglichen Aequipollenz und Ungeschiedenheit der Principien unmöglich. Da also das seinem Wesen nach freie, aber aus der Nothwendigkeit geborene Princip sich von dem untergeordneten nicht losreißen konnte, und der freie, lebendige Fortschritt von dem Niedereren ins Höhere, vom Höheren ins Höchste gehemmt war, mußte jenes, das nicht vor sich gehen konnte, zurückwirken, und so ein rückgängiger Proceß entstehen, der wie immer mit Verzehrung des vorher Gebildeten (mit Feuer) endete, wie in organischen Körpern, wenn das Untergeordnete so gesteigert wird, daß sein Gegensatz gegen das Höhere und damit die Freiheit des letzteren aufgehoben ist, freiwillige Selbstverbrennung eintritt; nur daß jenes Leben, weil das an sich unsterbliche, das gar nicht nicht seyn kann, immer neu aus der Asche als ein Phönix wieder auflebt, und so der ewige Cirkel entsteht, den wir im Vorhergehenden beschrieben haben.

    Wie also das Erste nur durch sein organisches Verhältniß zu dem Zweiten, dieses nur durch ein gleiches Verhältniß zu dem Dritten Bestand haltend wird, das Dritte aber nicht von sich selbst sich erheben, als das, was es ist (als höchste Potenz), zum Actus gelangen kann: so sinkt wieder das Ganze in sich selbst und in die Bestandlosigkeit zurück, wenn nicht dem Dritten geholfen wird, daß es frei und außer dem Gegensatz, als die stille ruhige Einheit, in seiner eignen Lauterkeit wohnen kann.

    Aber diese Hülfe kann dem von unten aus der Nothwendigkeit aufgekommenen Wesen durch keine Potenz werden, die selbst wieder zu jener ewigen Natur gehörte; denn in ihm, dem Kind der Ewigkeit, das die nie rastende Zeit gleich von Anfang gebären wollte, um sich mittelst seiner selbst zur Ewigkeit zu erheben, hat die ewige Natur ihr Höchstes erreicht. Also ist hier die Grenze der Natur und Freiheit, des Natürlichen und des Uebernatürlichen. Wäre nichts außer jener blinden Nothwendigkeit, so bliebe das Leben in diesem dunkeln, chaotischen Zustand einer ewig und darum nie beginnenden, ewig und darum nie endenden Bewegung. Aber durch den Anblick der ewigen Freiheit wird auch jenes Höchste der Natur zur Freiheit erhoben, und mit ihm zugleich kommen alle anderen Kräfte zu Bestand und Wesen, indem jede an den ihr gebührenden Ort tritt, und so jede des höheren Einflusses, dessen sie zunächst bedürftig ist, mittelbar aber alle des göttlichen theilhaftig werden.

    Wenn nun in jener ersten Potenz, kraft welcher das nothwendige Wesen sich selbst in sich abschloß und nach außen versagte, der erste Grund der Natur, in der zweiten, ihr entgegenstehenden die Geisterwelt erkannt, so können wir über die Bedeutung der dritten nicht wohl zweifelhaft seyn. Sie ist jene allgemeine Seele, durch die das Weltall beseelt wird, die durch den unmittelbaren Bezug zur Gottheit jetzt selbst besonnen und ihrer mächtig ist, das ewige Band sowohl zwischen Natur als Geisterwelt als zwischen der Welt und Gott, das unmittelbare Werkzeug, durch welches Gott allein in die Natur und die Geisterwelt wirkt.

    So wird jenes erste wilde Feuer hier zuerst zu ruhigem Stoff gedämpft, der jedoch vielleicht bestimmt ist, in der Folge wieder aufgenommen und in noch höheren Lebensumlauf gesetzt zu werden. Das Eins wird All gegen ein höheres Eins, das Unaussprechliche zum Aussprechlichen gegen das, was ihm das Wort ist; aus dem Vor und Nach, dem ausschließenden Verhältniß, wird ein Zumal, ein mit- und durcheinander-Bestehen, und zwar (was nicht zu übersehen) wird das, was in der Bewegung der Anfang oder das Erste war, jetzt zum Untersten; was das Mittel war, wird auch hier zum Mittleren; was das Ende und das Dritte war, wird zum Höchsten. Vorher war kein Raum, die drei Principien nicht außereinander; jetzt da sie aufgeben ein und dasselbe zu seyn (das Seyende), wird Raum, es wird ein wahres Oben und ein wahres Unten. Der Leser, welcher immer den Blick auf das Fortschreitende geheftet halten muß, wird bemerken, wie hier zuerst aus dem Unfigürlichen etwas Figürliches wird. In jener wilden Bewegung war nur der eine Unterschied, den wir im Körperlichen durch rechts und links bezeichnen, nur Eine Richtung, und zwar die der verneinenden Bewegung, welche wir im Sichtbaren die von der rechten zu der linken nennen, denn die Bewegung war eine in sich selbst hinein- oder zurückgehende, die nur aufstieg, um aufs neue zurückzugehen, indeß die bejahende nur zurückgeht, um wieder aufzusteigen; ein Unterschied, der schon daraus klar wird, daß bei der letzten die streckenden (d.i. positiven) Muskeln die aufsteigende, die beugenden (d.i. negativen) die absteigende Bewegung wirken, in der entgegengesetzten Bewegung aber das Umgekehrte stattfindet.

    Indem nun so freiwillig das Leben in sich jenes organische Verhältniß angenommen und des Bezugs zu dem Höchsten fähig geworden, indem ersinkt es und wird der lauteren Gottheit wirklich zum Seyn. Diese aber, die an oder in sich selbst weder seyende noch nicht seyende, wird eben dadurch seyend gegen das ihr untergeordnete und mit ihr in Bezug stehende Leben. Jetzt ruht sie auf der ewigen Natur und hält ober ihr, nicht anders als wie die Sonne ober der Erde, der Vogel über seiner Brut. Wer unedel dieß Gleichniß finden sollte, der vergleiche nur das ausdrucksvolle Wort, das Genes. 1, 2 steht, nach seiner Grundbedeutung. Nun erkennt die Gottheit in ihr die eigne ewige Natur, und ist von nun an, obwohl frei gegen sie und weder an sie gebunden noch mit ihr verwachsen, dennoch von ihr unzertrennlich.

    Hier nun ist zu erwarten, daß der Einwurf ausbreche, der längst dem Leser auf der Seele gelegen. Also geht jener Zustand des Widerspruchs dem seyenden Gott voran. Gott ist nicht von aller Ewigkeit seyend, wie er doch seyn muß und nach dem allgemeinen Glauben ist. Es geht etwas und zwar ein chaotischer, widerspruchsvoller Zustand in der göttlichen Natur dem seyenden Gott voran. Uebel würde es allerdings um den ganzen Grund unsrer Lehre aussehen, wenn diese Folgen statthaft wären. Wir antworten daher: Gott kann nie seyend werden, er ist von Ewigkeit seyend. Aber was folgt daraus? Nichts, als daß jene Scheidung ebenfalls von Ewigkeit geschehen ist; von Ewigkeit das Nothwendige der Freiheit unterthan ist. Durch die seyende Gottheit, durch jenes übernatürliche Wesen der Freiheit ist der Urzustand des Widerspruchs, jenes wilde Feuer, jenes Leben der Sucht und Begierde, als Vergangenheit gesetzt, aber, weil die Gottheit, von Ewigkeit seyend, niemals seyend werden kann, als eine ewige Vergangenheit, als eine Vergangenheit, die nicht erst dazu geworden, die gleich uranfänglich und von aller Ewigkeit her Vergangenheit war.

    Wollten wir den reinen Weg der geschichtlichen, d.i. wissenschaftlichen, Darstellung wandeln, so müßten wir das, was Gott als seine ewige Vergangenheit in sich hat, auch als das Erste, als das wirklich Vorausgehende von Gott behandeln; die Betrachtung, daß es seine ewige Vergangenheit ist, durfte uns nicht daran hindern; Gott selbst erkennt jenes Leben als das durch ihn und also auch in Bezug auf ihn Vergangene; daß es ein ewig Vergangenes ist, ist nur die letzte Bestimmung, die wir zu dem ganzen großen Begriff hinzufügen, dessen Erkenntniß der Gewinn der ganzen bisherigen Untersuchung ist.

    Denn eigentlich haben wir nichts errungen als den vollständigen Begriff der Gottheit, die das an oder in sich selbst weder Seyende noch Nichtseyende, durch den ewigen Bezug zu ihrer Natur, zu dem beziehungsweise Aeußeren ihrer selbst, ewig seyend ist. Wie sollten wir in diesen Begriff eindringen, seine Fülle erfassen, wenn wir nicht stückweis zu Werke gingen, mit dem Vorbehalt, am Ende den ganzen vollendeten in Einem Blicke zu zeigen?

    Bekannt genug ist, wie die meisten oder alle, die vor uns dieses Werk begonnen, einen ganz andern Ausgang genommen. Alle gehen davon aus, die Gottheit an sich selbst sey eine ewige Stille, ganz verschlungen in sich selbst, aufgehend in sich selbst, und bis hierher reden sie wenigstens verständliche Worte. Wenn sie aber dann weiter fortfahren und sagen: aber in ihrer Offenbarung habe die an sich naturlose Gottheit, die ewige Freiheit Natur angenommen, oder dann sey jenes Wesen hervorgetreten, oder dann habe es aus sich selbst etwas herausgesetzt, und mit diesem Hervortreten oder Heraussetzen beginne dann Leben, Bewegung und Offenbarung, so reden sie sich selbst und andern unverständliche Worte. Denn wie das, was an sich naturlos und außer aller Sucht und Begierde ist, Natur angenommen, oder das, was erst rein in sich völlig aufgegangen, in sich selber in einem folgenden Moment oder Akt (denn anders ist es doch nicht zu denken) ohne Grund oder veranlassende Ursache aus sich selbst heraustreten, seine ewige Einheit und Stille selber aufheben oder unterbrechen könne: dieß ist schlechterdings mit keiner Art von Gedanken begreiflich zu machen.

    Schon im Vorhergehenden ist bewiesen worden, daß der höchste und reinste Begriff der Gottheit, der allgemein zugestanden ist und bereits dem ontologischen Argument zu Grunde gelegen, daß jener Begriff, vermöge dessen in ihm das Wesen auch das Seyn und das Seyn das Wesen ist, nothwendig auf den andern führt, daß die Gottheit das an sich selbst weder Seyende noch nicht Seyende ist. Nun wird aber wie mit Einer Stimme verlangt, daß sie seyend sey; Vernunft und Gefühl befriedigt kein Gott, der ein lauteres Es ist, sie verlangen einen, der Er ist.

    Nun war dieß die Frage aller Zeiten, wie die lautere, an sich weder seyende noch nicht seyende Gottheit seyend seyn könne; die andere, wie die an sich unoffenbare, in sich verschlungene Gottheit offenbar, äußerlich werden könne, ist im Grund nur ein anderer Ausdruck derselben Frage.

    Welche Antwort nun auch menschlicher Witz ersinnen mochte, auf keinen Fall durfte sie von der Art seyn, daß Gott im seyend-Seyn aufhörte der an sich selbst überseyende zu seyn. In Gott ist kein Wechsel und Wandel; Gott kann nicht aus dem Verborgenen dermaßen ein offenbarer werden, daß er aufhörte der verborgene zu seyn; nicht aus dem überseyenden dermaßen ein seyender, daß er aufhörte der an sich überseyende zu seyn; nicht, wie auf der galiläischen Hochzeit Wasser in Wein verwandelt worden, kann jene höchste Geistigkeit und Unfaßlichkeit Gottes in Begreiflichkeit und Faßlichkeit verwandelt werden.

    Unstatthaft an sich selbst sind daher schon alle Versuche, welche jene Frage durch irgend eine Art von Bewegung in Gott selbst, wär’ es auch eine ewige, beantworten wollen. Denn es möchte nun eine nothwendige oder freiwillige Bewegung seyn, durch die er in das vom Wesen verschiedene Seyn überginge, so wäre er im ersten Fall gleich uranfänglich unfrei, nicht, wie er ist und seyn muß, die ewige Freiheit; im andern Fall aber käme er, weil in der Bewegung schon wirkend, d.i. wirklich und seyend, nicht als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende an in dem Seyn; in beiden Fällen also wäre er seyend nicht als das lautere Wollen, als die ewige Freiheit, d.h. nicht als das, was er ist. Aber unmöglich ist, daß irgend etwas seyend werde auf Kosten und gleichsam mit Verlust dessen, was es ist.

    Es gibt schlechterdings nur Eine Auflösung jener Frage. Da Gott an sich selbst weder seyend noch nicht seyend ist, auch nicht durch eine Bewegung in ihm selber seyend werden kann, sondern immer, auch nun wirklich existirend, an sich selbst das Ueberseyende bleiben muß: so kann er überall nicht in sich, sondern nur beziehungsweise gegen ein anderes seyend seyn oder (ewiger Weise) werden; und auch dieses nur, sofern ihm dieses das Seyn, oder ein solches ist, das zu ihm nur im Verhältniß des Seyns stehen kann.

    Dieses nun ist an sich klar genug und daß es nicht leicht jemand bestreiten wird. Aber woher nun jenes Andere? Diese Frage, die schwierig ist auch wegen der Natur des Anderen. Denn da es sich gegen die Gottheit nur als Seyn soll verhalten können, so scheint es also das seiner Natur nach nicht Seyende seyn zu müssen, das nicht seyend ist, nicht wie das Höchste, weil es über, sondern weil es unter dem Seyenden ist. Und doch kann es auch kein ganz und gar Nichtseyendes seyn. Es muß also etwas seyn, das nicht ein an sich nicht Seyendes ist, das nur gegen das Höchste ein nicht Seyendes wird.

    Woher also dieses räthselhafte Andere? Bekannt sind die Versuche, die von den frühesten Zeiten gemacht worden, darüber Licht zu geben. Der älteste scheint die Lehre, daß der Urstoff alles von Gott Verschiedenen aus der Gottheit ausgeflossen, obwohl gewiß ist, daß manches jetzt Emanationslehre heißt, das einen ganz andern Sinn hatte. So wenig sie erklärt und selbst erklärbar ist, hat sie doch den Vorzug, daß sie die Gottheit in ihrer ursprünglichen Stille und Freiheit läßt. Nur ein unselig Mittelding zwischen dieser und der gewöhnlichen Lehre ist, daß Gott vor dem Beginn der Dinge Etwas (nach einigen gar Sich Selbst) aus sich herausgesetzt habe, das die Anlage zur künftigen Schöpfung enthalten. So war denn jene stille Gottheit, eh’ sie sich gleichsam absonderte, gleich ursprünglich mit dem Urstoff der künftigen Welt belastet.

    Der Wahrheit am ähnlichsten ist immer noch die unter den Theologen geltende Vorstellung, Gott sey von der ersten Grundlage des von ihm Verschiedenen nicht durch eine äußere Handlung oder Bewegung, sondern durch seinen bloßen Willen die ruhende Ursache. Diese also haben etwas von der Wahrheit gesehen, aber den richtigen Begriff im Ausdruck wieder entstellt, indem sie jenen Willen von Gott unterschieden. Denn er sey nun ein ewiger (wie einige ausdrücklich lehren), oder ein nicht ewiger, so ist im ersten Fall nicht einzusehen, wie dieses Wollen in der lautern Ewigkeit von der Gottheit selbst unterschieden seyn soll, besonders da die Geistvollsten jederzeit gelehrt, alles, was in Gott, sey selbst Gott, und der Wille Gottes nichts anderes als der wollende Gott selbst; im andern aber nehmen sie in der Ewigkeit ein Entstehen, in der lauteren Gottheit einen Uebergang von Nichtwollen zu Wollen an, welches ohne dazwischentretende Veranlassung ganz undenkbar ist.

    Das Wahre ist, daß Gott selbst und wesentlich ein ruhender Wille (die lautere Freiheit ist), und daß, wenn dieser ist, nothwendig und unmittelbar auch das Andere seyn muß. Hiernach könnte die Lehre der Theologen so vorgetragen werden: Gott ist die Ur-Sache jenes Anderen, nicht die bewirkende, sondern die stille, die wesentliche, es bedarf nichts als jenes ins Wesen verschlungenen Seyns, damit das Andere sey. Denn da jenes Seyn als solches nicht seyn, und doch auch in dieser Abgezogenheit nicht bleiben kann, so setzt es unmittelbar und ohne alle Bewegung eben durch seine Lauterkeit jenes Andere, das ihm das Seyn ist. Denn gleichwie jenes reine elektrische Feuer, das seiner Natur nach ausstrahlend und mittheilsam ist, keinen Augenblick als dieses seyn kann ohne seinen Gegensatz, ja nur ist, indem es diesen erweckt, gleichwie also dieses ohne besondere Wirkung durch seine Reinheit und Abgezogenheit selbst sein Gegentheil verursacht; oder gleichwie ein Feuer, das ohne einen Stoff nicht wirklich seyn kann, wenn es nothwendig wirklich wäre, unmittelbar und ohne Bewegung durch sein bloßes Wesen den Stoff setzen würde: so bedarf es, damit jenes Andere sey, nur der Gottheit selbst, als eines reinen und von allem Seyn abgezogenen Geistes.

    Allein nach dieser Vorstellung, welche der alten Lehre vom Satz, welchem von selbst der Gegensatz folgt, ähnlich wäre, verändert sich jener erste Begriff der Gottheit, in welchem nichts als die lautere Geistigkeit gedacht wird. Denn da Gott nicht durch seinen besonderen Willen, sondern durch sein bloßes Wesen Ursache des Anderen ist, so ist dieß Andere etwas, das zwar nicht sein Wesen ist, aber doch etwas, das zu seinem Wesen und zwar natürlicher und untrennlicher Weise gehört. Es folgt also, wenn die reine Gottheit = A, jenes Andere = B ist, daß der vollständige Begriff der seyenden, lebendigen Gottheit nicht bloß A, sondern A+B ist.

    Es scheint also, daß auch auf dem andern Wege (da man von der lautern Geistigkeit ausgeht) auf eben jenen Begriff von der Gottheit zu kommen sey. Allein dieser Weg oder diese Verbindung würde doch höchstens eine dialektische, niemals aber eine historische, d.h. eigentlich wissenschaftliche, seyn können. Wir können mit unsern Gedanken nicht auf jene Abgezogenheit zurückgehen. Wir kennen Gott gar nicht anders als in jenem Bezug auf eine ewige ihm untergeordnete Natur; diese Synthese ist unser erstes, unser ältestes Denken. Wir wissen von keinem als einem lebendigen Gott, jener Zusammenhang seines höchsten geistigen Lebens mit einem natürlichen ist das Urgeheimniß seiner Individualität, das Wunder des unauflöslichen Lebens, wie bedeutungsvoll einer der Apostel sich ausdrückt (Hebr. 7, 16).

    Wenn wir aber den Gedanken jener Synthese, wie es denn nicht anders seyn kann) wissenschaftlich erzeugen wollen, so müssen wir von dem ausgehen, was Gott in dieser Synthese selbst als seine ewige Vergangenheit setzt, und was in ihm auch unter keiner andern Form als der der Vergangenheit gesetzt seyn kann.

    Vergangenheit, ein ernster Begriff, allen bekannt, und doch von wenigen verstanden. Die meisten wissen keine, als die in jedem Augenblick durch eben diesen sich vergrößert, selbst noch wird, nicht ist. Ohne bestimmte entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich wohl einer solchen? Der Mensch, der nicht sich selbst überwunden, hat keine Vergangenheit, oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen, etwas, wie man sagt, hinter sich gebracht, d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Zukunft und leicht, auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat sich von sich selbst (dem Untergeordneten seines Wesens) loszureißen, ist fähig sich eine Vergangenheit zu erschaffen; eben dieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen sittlichen Betrachtungen würde erhellen, daß keine Gegenwart möglich ist, als die auf einer entschiedenen Vergangenheit ruht, und keine Vergangenheit, als die einer Gegenwart als Ueberwundenes zu Grunde liegt.

    Die Metaphysiker stellen sich zwar an, als gäbe es einen von aller Beimischung der Zeitbegriffe völlig reinen Begriff der Ewigkeit. Sie mögen Recht haben, wenn sie von jener nach außen völlig wirkungslosen Ewigkeit reden, die gegen alles andere, wie wir gezeigt, als ein Nichts ist; von dieser ist der Begriff der Gegenwart so gut als der der Vergangenheit und der Zukunft ausgeschlossen. Aber sobald sie von einer wirklichen lebendigen Ewigkeit reden wollen, wissen sie nicht anders, als daß sie ein beständiges Nun, eine ewige Gegenwart sey; wie es ja für die Zeit, als der Ewigkeit Widerspiel, (auch für jene ewige Zeit) keinen andern Begriff gibt, als daß sie die ewige Nichtgegenwart ist.

    Aber wenn sich keine Gegenwart denken läßt, die nicht auf einer Vergangenheit ruht, so auch keine ewige Gegenwart, der nicht eine ewige Vergangenheit zu Grunde liegt.

    Die wahre Ewigkeit ist nicht die, welche alle Zeit ausschließt, sondern welche die Zeit (die ewige Zeit) selbst sich unterworfen enthält. Wirkliche Ewigkeit ist Ueberwindung der Zeit; wie die sinnvolle hebräische Sprache Sieg (den sie unter den ersten Eigenschaften Gottes setzt) und Ewigkeit durch Ein Wort (Naezach) ausdrückt

    Kein Leben ist ohne gleichzeitiges Sterben. Im Akt selbst, wodurch ein seyend-Seyn (Existenz) gesetzt wird, muß eines ersterben, damit das andere lebe. Denn das Seyende kann sich als solches nur über einem nicht Seyenden erheben. Im Augenblick, da ein organischer Körper werden soll, muß die Materie ihre Selbständigkeit verlieren und dem eigentlichen Wesen zur bloßen Form werden.

    Jede Art von Leben ist eine Folge und Verkettung von Zuständen, da jeder vorhergehende Grund, Mutter, gebärende Potenz des folgenden ist. So ist das natürliche Leben die Staffel zum geistigen; früher oder später kommt es an einen Punkt, da es nicht bleiben und doch auch von sich selbst nicht weiter kann, und eines höhern bedürftig ist, um über sich selbst gehoben zu werden. Wie das Naturleben im Menschen, wenn es die höhere geistige Potenz nicht finden kann, der innern Unruhe, jener Hin- und Her-Bewegung ohne Sinn und Zweck, die das Eigenthümliche des Wahnsinns ist, anheimfällt: so scheint im Großen die Erde ihre Gliederung, den Einklang aller ihrer Schöpfungen und damit die Ruhe erst gefunden zu haben, nachdem sich das Natürliche in ihr bis zur Berührung mit dem Geistigen durch den Menschen erhoben. Aber auch im natürlichen Leben findet sich eine solche Folge von Zuständen, da immer der vorhergehende dem folgenden zur Vergangenheit wird. Die Gesundheit und Vollkommenheit des Lebens beruht nur auf der Stetigkeit der Fortschreitung, der ungehemmten Folge der Potenzen, und wie alle Krankheiten Folgen gehemmter Fortschreitung (Entwicklungskrankheiten) sind, so alle Mißgeburten nur Folge der unterbrochenen, gehemmten Steigerung. Denn kann die Natur die ihr helfende, sie ins Höhere verklärende Potenz nicht finden, so muß sie wohl, weil der Trieb des Fortschreitens nicht aufhört, weil sie nicht bleiben und doch auch nicht weiter kann, in ein mißgeformtes Leben ausschlagen.

    Auch im göttlichen Leben, wie in allem andern, ist Bewegung, Fortschreitung. Die Frage ist nur, wie dieß göttliche Leben in jener Beziehung sich wieder von allem andern, namentlich dem menschlichen, unterscheide.

    Zuerst also dadurch, daß jene Folge und Verkettung im menschlichen Leben auflöslich, im göttlichen unauflöslich ist. Gott ist in einer beständigen Erhebung; die Wege des Herrn sind gerecht, wie die Schrift sich ausdrückt, d.h. gerad’ vor sich, alles Rückgängige ist gegen seine Natur. Darum kann er jenes in einem beständigen Cirkel umlaufende Leben nur als eine ewige Vergangenheit in sich haben.

    Die Auflöslichkeit des Lebens oder die Möglichkeit, daß die Stetigkeit des Uebergangs von der niederen in die höhere Potenz aufgehoben wird, ist die Ursache der Krankheit und des natürlichen wie des geistigen Todes. Darum heißt Gott der allein Unverderbliche und der allein Unsterblichkeit hat.

    Ein zweiter Unterschied ist, daß jene Folge in Gott eine wirkliche, doch darum keine in der Zeit vorgegangene ist. In einem und demselben Akt (dem Akt der großen Entscheidung) wird 1 (die erste Potenz) als das Vorhergegangene von 2, 2 als das Vorhergegangene von 3, und so wieder das Ganze (1, 2, 3) als das Vorhergegangene von 4 gesetzt, d.h. es wird in der Ewigkeit selbst eine Folge, eine Zeit inbegriffen; sie ist keine leere (abstrakte) Ewigkeit, sondern die selbst Zeit in sich überwunden enthält.

    Das, was das All ist, ist vor dem Eins, die Nothwendigkeit vor der Freiheit, die Natur vor dem, was außer und über aller Natur ist, und doch ist hier keine Zeit, weil alles in dem nämlichen untheilbaren Akt begriffen ist. Kein Leben ist ohne Ueberwindung des Todes, und wie jedes Daseyn als Gegenwart auf einer Vergangenheit beruht, so insbesondere jenes Daseyn, das eigentlich in Selbstgegenwärtigkeit besteht, das seiner selbst bewußte Daseyn.

    Ein ewiges Bewußtseyn läßt sich nicht denken, oder es wäre der Bewußtlosigkeit gleich. Zwar jenes höchste Seyn, das hier auch das Wesen selber ist, muß an sich auch das lauterste Wissen seyn, weil Seyendes und Seyn (Subjekt und Objekt) in ihm ganz eins sind (hieher gehört die bekannte Gleichung: das höchste Seyn = dem höchsten Wissen). Aber das, was das lautere Wissen, ist darum von sich selbst noch nicht das Wissende. Nur gegen ein anderes, das ihm das Seyn ist, kann das höchste Seyn sich als das Seyende, jenes lautere Wissen sich als das Wissende verhalten und so in Actus erhöht werden.

    Es gibt kein Bewußtwerden (wie eben darum auch kein Bewußtseyn) ohne ein Vergangenes zu setzen. Es gibt kein Bewußtseyn ohne etwas, das zugleich ausgeschlossen und angezogen wird. Das, welches sich bewußt ist, schließt dasjenige aus, dessen es sich bewußt ist, als nicht sich selbst, und muß es doch auch wieder anziehen, eben als das, dessen es sich bewußt ist, als doch sich selbst, nur in anderer Gestalt. Dieses im Bewußtseyn zugleich Ausgeschlossene und Angezogene kann nur das Bewußtlose seyn. Darum hat alles Bewußtseyn das Bewußtlose zum Grund, und eben im Bewußtwerden selbst wird es von dem, das sich bewußt wird, als Vergangenheit gesetzt. Nun ist freilich nicht zu denken, daß Gott eine Zeitlang bewußtlos gewesen, dann bewußt geworden sey; wohl denkbar ist aber, daß in demselbigen untheilbaren Akt des Bewußtwerdens zumal das Bewußtlose und das Bewußte von Gott gefaßt worden, dieses als das ewig Gegenwärtige, jenes aber mit der Bestimmung des ewig Vergangenen.

    Das Bewußtseyn besteht nur im Akt des Bewußtwerdens, und so läßt sich auch in Gott nicht ein ewiges Bewußtseyn, nur ein ewiges Bewußt-werden denken. Und so ist denn auch jener Rapport, in den die ewige Freiheit mit der Natur tritt, nichts als das ewige zu-sich-selber-Kommen des Höchsten. Die lautere Gottheit, indem sie der Natur sich verbündet, kommt nicht zu einem Fremden, sie kommt in ihr Eignes (εἰς τὰ ἴδια), und erkennt sie als ihre eigne ewige Natur. So erkennt auch das in sich ewig Beginnende in jenem lauteren Geist nicht einen andern und von ihm verschiedenen Gott, sondern nur sein eignes höchstes Selbst.

    Die meisten fangen davon an, daß sie eine Offenbarung der Gottheit erklären wollen. Aber das, was sich geben soll, muß zuvor sich selbst haben, was sich aussprechen will, erst an sich selber kommen, was anderm offenbar werden, früher sich selbst offenbar seyn. Aber alles, das an sich kommen soll, muß sich suchen, es muß also etwas in ihm seyn, das sucht, und das gesucht wird. Jenes kann aber nicht eins seyn mit diesem, und beide müssen der Wurzel nach auch immer voneinander unabhängig bleiben, damit ewig etwas sey, das gesucht werde, und etwas, das suche und finde, und eine ewige Freude des Findens und des Gefundenwerdens. Nur so läßt sich ein Bewußtseyn denken, das ewig lebendig ist. Dieses Bewußtseyn, das auf dem Durchbrechen und Ueberwinden eines Entgegengesetzten beruht, ist nicht ein stillstehendes, todtes, sondern ein ewig lebendiges, immer neu entstehendes.

    Besondere Schwierigkeit aber hat für den tiefer Denkenden die Erklärung, wie das Ewige sich seiner Ewigkeit bewußt werden könne, obschon die meisten leichten Fußes darüber hingehen. In der leeren, abgezogenen Ewigkeit läßt sich überall kein Bewußtseyn denken; das Bewußtseyn der Ewigkeit kann sich nur aussprechen in jenem Wort: Ich bin, der da war, der da ist, und der da seyn wird; oder inniger in dem unübersetzlichen Namen, den sich der höchste Gott gegen Moses gibt, und der in der Grundsprache mit denselben Worten die verschiedenen Bedeutungen ausdrückt: Ich bin, der ich war, Ich war, der ich seyn werde, Ich werde seyn, der ich bin. Das Bewußtseyn einer solchen Ewigkeit ist ohne eine Unterscheidung von Zeiten unmöglich. Aber wie soll sie das Ewige, das sie in sich nicht findet, unterscheiden, außer an einem andern? Dieses andere ist dem Geist der Ewigkeit die Natur, zu der er in Bezug ist. An ihr erkennt er sich als den, der war, weil er sie als seine ewige Vergangenheit setzt, also auch Sich als den, der ewig seyend seyn mußte, da sie nur gegen Ihn, den Seyenden, Vergangenheit seyn kann. Dadurch gibt er seiner Ewigkeit selbst wieder die Ewigkeit zum Grund, oder setzt sie vielmehr als eine völlig grundlose, die wieder nur auf einer Ewigkeit ruht. Er erkennt sich an ihr als den, der ist, als den ewig Gegenwärtigen im Gegensatz mit dem, das vor ihm als ein ewig Vergangenes ist. An ihr erkennt er sich als den, der seyn wird, weil er sich als die ewige Freiheit gegen sie und damit sie als den möglichen Vorwurf eines zukünftigen Wollens erblickt. Er erkennt sich als den, der nicht allein war, ist und seyn wird, sondern der auch Derselbe ist als der, der war, ist und seyn wird, weil er nur als dasselbe in Wesen verschlungene Seyn ist, das er ewig war, und auch in der ganzen Zukunft nur als das seyn kann, das er ist, nämlich als jenes wesentliche Seyn.

    Denn noch ist er als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende: er ist als dieses seyend nur gegen das, was ihm das Seyn ist, nicht in sich; noch ist er die ewige Freiheit gegen das Seyn, die ewige Macht, sich in ihm und durch dasselbe zu verwirklichen, aber noch hat er sich nicht erklärt, noch ist er der Wille, der ruht, der nicht wirklich will.

    Es ist ein so natürlicher Gedanke, weil jene Natur das erste Aeußere und Sichtbare Gottes ist, sie als den Leib der Gottheit, jenes Ueberseyende aber als den Geist zu betrachten, der diesen Leib regiert. Allein zuerst ist die ewige Natur ein Ganzes aus Leib, Seele und Geist. Sodann sind diese drei aneinander gekettet, und machen im unfreien, ungeschiedenen Zustand zusammen jenes Rad der Natur aus, das auch im Menschen das eigentlich Innere ist. Aber der Geist der Ewigkeit ist nicht an die Natur gebunden, sondern bleibt in ewiger Freiheit gegen sie, obgleich er sich nicht von ihr trennen kann. Denn als die ewig heilende, versöhnende Potenz, als das ewige Wohlthun selber kann er sich nur fühlbar werden in diesem Bezug.

    Wollte man daher (wie es denn wohl recht ist) eine menschliche Vergleichung für dieß Verhältniß suchen, so wäre es diese. Die ewige Natur ist dasselbe in Gott, was im Menschen seine Natur ist, sofern unter dieser das ganze aus Leib, Seele und Geist Bestehende gedacht wird. Sich selbst überlassen ist diese Natur des Menschen, wie die ewige, ein Leben der Widerwärtigkeit und Angst, ein unaufhörlich verzehrendes, unablässig sich selbst wieder erzeugendes Feuer. Auch sie bedarf der Versöhnung, wofür das Mittel nicht in ihr selbst, sondern außer und über ihr liegt. Nur durch den Geist Gottes, der darum der Geist von oben heißt, kann sie wiedergeboren werden, d.h. dem alten Leben entkommen, es als Vergangenes setzen und in ein neues Leben übergehen. Nicht also wie sich Geist oder Seele zum Leib, sondern wie sich zur ganzen Natur des Menschen jener göttliche, nicht ihm eignende Geist verhält, jener Führer zum Leben, wie er schon in den alten Geheimnissen genannt wurde, verhält sich auch jenes Ueberseyende zu der mit ihm in Bezug stehenden Natur.

    Aber wie der ewige Geist, frei und an nichts gebunden, über der Natur hält, so ist auch diese nicht gezwungen, sondern freiwillig ihm unterthan. Der Anblick und die Gegenwart jener wesentlichen Lauterkeit hat auf die Natur keine andere Wirkung als die, sie in Freiheit zu setzen, so daß sie der Scheidung nachgeben, oder sich ihr widersetzen und dem Leben der Sucht und Begierde aufs neue anheimfallen kann. Die Natur bewährt sich aber durch diese Freiwilligkeit der Unterwerfung als göttliche Natur, als die schon an sich göttlich war, außer jenem Bezug zu der lauteren Gottheit. Sie selbst, erst in Freiheit gesetzt, überwindet sich selbst durch die Kraft des Höchsten, und setzt ihr eignes Leben, sofern es ein eignes, von Gott verschiedenes ist, als Vergangenheit.

    So sollte denn nichts auf bloßer Nothwendigkeit ruhen und die höchste Freiwilligkeit schon in den ersten Anfängen des Lebens die unumschränkte Freiheit Gottes beurkunden.

    Gleich uranfänglich hat sich also die Natur unterworfen, nicht vermöge ihres eignen oder natürlichen Willens, sondern genöthigt durch die Noth (dieß ist der Sinn des οὐχ ἑκοῦσα, Röm. 8, 20, wo indeß von einer späteren Unterwerfung die Rede ist), wohl aber um deß willen, der sie unterworfen, und auf Hoffnung, daß auch sie dadurch frei werden und von der Knechtschaft (blinden Nothwendigkeit) jenes ewig vergänglichen, sich selbst verzehrenden Wesens in eine unvergängliche Herrlichkeit erhoben werden soll.

    Aber eben darum, weil sie nur freiwillig unterthan ist, behält sie noch immer die Möglichkeit in sich, wieder von jener Ordnung abzuweichen und in ein eignes von Gott abgewendetes Leben zurückzugehen. Sie hat in der Unterwerfung nicht auf das Seyn überhaupt, nur auf das eigne von Gott unabhängige Leben Verzicht gethan, und auch dieses nicht der Wurzel oder der Möglichkeit, sondern nur der Wirklichkeit nach aufgegeben. Also bewahrt sie auch in dieser Unterwerfung einen eignen Selbstbewegungsgrund, einen Quell der Freiheit, der nur nicht zur Wirkung (zum Actus) kommt, sondern immer in der bloßen Möglichkeit (Potentialität) stehen bleibt.

    Wär’ auch nicht neidlos, wie Platon sagt, die Gottheit, sie könnte die Kräfte dieses Lebens schon darum nicht aufheben, weil sie damit ihre eigne Lebendigkeit, den Grund ihres seyend-Seyns aufheben müßte.

    Ja wenn jene Verbindung, durch welche Gott allein lebendiger Gott ist, selbst keine todte, sondern eine ewig bewegliche ist, müssen wir sogar jenes der Gottheit jetzt unterthane Leben in der beständigen Bereitschaft denken, als eignes hervorzutreten, damit keine blinde Unterwerfung, sondern eine ewige Wonne sey, eine Milderung des Suchens (der Sucht), eine ewige Freude des Findens und Gefundenwerdens, des Ueberwindens und Ueberwundenwerdens.

    Wie in dem gesunden Leib nur dadurch ein Gefühl von Gesundheit ist, daß die ihm vorstehende Einheit das stets zum Hervortreten bereite falsche Leben, die von dem Einklang abweichende und ihm widerstrebende Bewegung beständig niederhält: so wäre in Gott kein Leben und keine Freude des Lebens, wären nicht die jetzt untergeordneten Kräfte in der beständigen Möglichkeit, den Widerspruch gegen die Einheit anzufachen, aber auch unablässig wieder beruhigt und versöhnt durch das Gefühl der wohlthuenden Einheit, von der sie niedergehalten werden.

    Und hier kommen wir denn auf einen neuen oder vielmehr nur gesteigerten Begriff von dem nicht Seyenden. Jenes anfängliche Leben der blinden Nothwendigkeit konnte kein seyendes heißen, weil es niemals eigentlich zum Bestand, zum Seyn gelangte, sondern nur im Streben und der Begierde nach Seyn stehen blieb. Jetzt ist ihm diese Begierde gestillt, inwiefern es in jener Unterordnung nun wirklich zum ruhenden Seyn gelangt ist; aber sie ist ihm nur gestillt, inwiefern es sich unterworfen, d.h. inwiefern es sich als ein Seyendes niedererer Ordnung, als ein beziehungsweise nicht Seyendes erkannt hat.

    Nun behaupten wir die Möglichkeit, daß eben dieses jetzt nicht Seyende aus diesem Zustand der Potentialität heraustreten und sich wieder zum Seyenden zu erheben trachten könne. Hierdurch entsteht ein gesteigerter Begriff des nicht Seyenden, den wir in Natur und Leben oft genug anzuerkennen genöthigt sind, und der uns handgreiflich überführt, daß es wohl etwas Mittleres gebe zwischen dem, das ist, und zwischen dem Nichts; nämlich das, was nicht ist, auch nicht seyn soll, aber doch zu seyn trachtet. Es ist nicht, weil es nur zu seyn trachtet, und es ist nicht nichts, weil es doch auf gewisse Art seyn muß, um zu begehren.

    Niemand wird behaupten, daß die Krankheit ein eigentliches, ein wahrhaft lebendiges Leben (vita vere vitalis) sey, und doch ist sie ein Leben, nur ein falsches, nicht ein seyendes, aber das sich aus dem nicht-Seyn zum Seyn erheben will. Der Irrthum ist keine wahre, d.h. wirkliche Erkenntniß, und doch nicht Nichts; oder zwar ein Nichts, aber das Etwas zu seyn trachtet. Das Böse ist innerlich Lüge und alles wahren Seyns ermangelnd; doch ist es, und zeigt eine furchtbare Wirklichkeit, nicht als ein wahrhaft Seyendes, wohl aber von Natur als ein solches, das seyend zu seyn trachtet.

    Jenes anfängliche blinde Leben, dessen Natur nichts als Streit, Angst und Widerspruch ist, wenn es jemals für sich, wenn es nicht von Ewigkeit durch ein höheres verschlungen und in die Potentialität zurückgesetzt war, konnte darum doch weder ein krankhaftes noch ein böses heißen; denn diese Begriffe werden erst möglich, nachdem es der besänftigenden Einheit unterthan, aber zugleich frei ist, hervorzutreten, sich ihr zu entziehen und in seine eigne Natur einzugehen.

    Wenn ein organisches Wesen erkrankt, kommen die Kräfte zum Vorschein, die zuvor in ihm verborgen lagen; oder wenn sich das Band der Einheit ganz auflöst, und die zuvor einem Höheren unterthane Lebenskräfte von dem beherrschenden Geist verlassen frei ihren eignen Neigungen und Wirkungsweisen folgen können, dann offenbart sich, welches Schreckliche, von dem wir während des Lebens keine Empfindung hatten, durch diesen Lebenszauber niedergehalten war, und was noch eben Gegenstand der Verehrung oder Liebe war, wird ein Gegenstand der Furcht und des schrecklichsten Abscheus. Wenn die Abgründe des menschlichen Herzens im Bösen sich aufthun, und jene schrecklichen Gedanken hervorkommen, die auf ewig in Nacht und Finsterniß begraben seyn sollten: dann erst wissen wir, was im Menschen der Möglichkeit nach liegt, und wie eigentlich seine Natur für sich oder sich selber überlassen beschaffen ist.

    Bedenken wir das viele Schreckliche in Natur und Geisterwelt und das weit Mehrere, das eine wohlwollende Hand uns zuzudecken scheint, dann können wir nicht zweifeln, daß die Gottheit über einer Welt von Schrecken throne, und Gott nach dem, was in ihm und durch ihn verborgen ist, nicht im uneigentlichen, sondern im eigentlichen Sinne der Schreckliche, der Fürchterliche heißen könne.

    In sich selbst ist also jenes durch Gott vergangen oder ins Verborgene gesetzte Leben noch immer, was es zuvor war; noch schlummern in ihm die Kräfte jenes verzehrenden Feuers, nur beschwichtigt und gleichsam beschworen durch jenes Wort, durch welches das Eins All geworden; könnte man jene versöhnende Potenz hinwegnehmen, augenblicklich würde es wieder jenem Leben des Widerspruchs und der verzehrenden Begierde anheimfallen. Aber durch die Kraft von oben nimmt die Natur gleichsam sich selbst gefangen und überwindet ihre eigne Nothwendigkeit, freiwillig der Scheidung sich hingebend und dadurch die ewige Lust und Lebensfreude der an sich nicht seyenden und unergreiflichen Gottheit.

    Bis hieher sind wir dem unaufhaltsamen Lauf der Untersuchung stetig gefolgt, die keine Unterbrechung gestattete, weil erst mit der letzten hinzugefügten Bestimmung das Eine und Ganze, dessen Begriff wir wollten, vollendet war. Denn alles Bisherige war, in der gewöhnlichen Sprache zu reden, nichts anderes als die vollständige Construktion der Idee Gottes, die sich nicht in eine kurze Erklärung fassen oder gleich einer geometrischen Figur mit Grenzen umschreiben läßt. Was wir bisher (soweit möglich) beschrieben, ist nur das ewige Leben der Gottheit; die eigentliche Geschichte, die wir uns vorgesetzt zu beschreiben, die Erzählung jener Folge freier Handlungen, durch welche Gott von Ewigkeit beschlossen sich zu offenbaren, kann erst von jetzt an beginnen.

    Doch ehe wir uns dem Lauf dieser Geschichte überlassen, sey uns verstattet, bei dem bisher Gefundenen noch eine Zeitlang betrachtend zu verweilen. — Alles kommt darauf an, jene Einheit in Gott zu fassen, die zugleich Zweiheit ist, oder umgekehrt die Zweiheit, welche zugleich Einheit ist. Wäre Gott mit seiner ewigen Natur einerlei oder an sie gebunden, so wäre nur Einheit. Wären beide völlig außereinander und getrennt, so wäre nur Zweiheit. Aber der Begriff jener Einheit, die, weil sie eine freiwillige ist, eben darum eine Zweiheit einschließt, ist diesen Zeiten völlig fremd. Diese wollen nur Einheit, und wollen in Gott nichts als Geist und lauterste Einfachheit wissen.

    Nun ist zwar zur Evidenz erwiesen worden, daß die Gottheit an und für sich selbst oder als der lauterste Geist über alles Seyn erhaben sey; woraus von selbst folgt, daß sie ohne eine ewige — nicht zeugende, aber gebärende, sie ins Seyn bringende — Potenz nicht seyn könnte, daß also ihr lebendiges wirkliches Daseyn nicht ein stillstehendes, todtes, sondern eine ewige Geburt ins Seyn ist, deren Mittel und Werkzeug darum im eigentlichsten Verstand die ewige Natur (die gebärende Potenz) von Gott heißt.

    Aber wir wissen, wie Gründe der Wissenschaft im Augenblick wenig vermögen gegen eine eingewurzelte Sinnesart, besonders wenn sie mit Einbildungen hoher Geistigkeit verbunden ist, wie die jetzt herrschende sogenannte reine Vernunftreligion, die Gott um so höher zu stellen meint, je reiner sie alle lebendige Bewegungskraft, alle Natur von ihm hinweggenommen hat.

    Nun ließe sich wohl zeigen, wie ganz und gar modern diese Vorstellungsart ist. Denn unsere ganze neuere Philosophie ist nur wie von gestern. Seitdem der Anheber derselben, Cartesius, den lebendigen Zusammenhang mit der früheren Bildung völlig zerrissen und die Philosophie wie ganz von vorn, und als hätte niemand vor ihm gedacht oder philosophirt, lediglich nach Begriffen seiner Zeit, aufbauen wollen, seitdem ist es nur eine zusammenhängende und folgerichtige Weiterbildung eines und desselben Grund-Irrthums, der sich durch alle verschiedenen Systeme bis in die neuesten Zeiten fortgesponnen hat. Es ist an sich verkehrt, diesen ganz modernen Maßstab an das zu legen, was allen Zusammenhang mit dem letztern abgebrochen, um sich wieder mit dem wahrhaft Alten und Aeltesten in Verbindung zu setzen.

    Schon an sich wünschenswerth für jeden, der über die ersten Anfänge als ein Wissender redet, ist, sich an ein irgend von altersher Ehrwürdiges, an irgend eine höher beglaubigte Ueberlieferung anzuschließen, auf der die Gedanken der Menschen ruhen. Ruft doch selbst Platon an den höchsten Punkten und Gipfeln seiner Aussprüche gern ein aus dem Alterthum überliefertes Wort oder einen heiligen Spruch herbei! Leser oder Hörer wird dadurch schon von der nachtheiligen Meinung zurückgebracht, als wolle der Autor das alles aus dem eignen Kopf gesponnen haben und nur eine selbsterfundene Weisheit mittheilen; die Anstrengung und Spannung, welche jene Meinung immer hervorruft, löst sich in die ruhige Stimmung auf, die der Mensch immer empfindet, wenn er einen Grund unter sich weiß, und die der Forschung so vortheilhaft ist.

    Doppelt wünschenswerth ist eine solche Anschließung dem, der keine neue Meinung aufdringen, sondern nur die längst, wenn auch im Verborgenen, dagewesene Wahrheit wieder geltend machen will, und in Zeiten, die eigentlich alle festen Begriffe verloren haben.

    Wo konnte ich nun diese Ueberlieferung eher finden, als in den ewig auf sich selber ruhenden, unerschütterlichen Urkunden, welche allein eine vom Anfang bis zum Ende hinausgehende Welt- und Menschengeschichte enthalten? Dieß mag zur Erklärung dienen, wenn schon bisher öfters an Aussprüche jener heiligen Bücher erinnert worden, und wenn dieß in der Folge vielleicht noch öfter geschehen wird. Denn wenn der Verfasser ebenso oft auf die orphischen Bruchstücke oder die Zendbücher oder indischen Schriften verwiesen, so konnte dieß vielleicht als gelehrter Schmuck gelten und manchen weniger wunderlich erscheinen als die Beziehung auf diese Schriften, zu deren vollständiger Erklärung in Absicht auf Sprache, Geschichte und Lehre alle Wissenschaft und Gelehrsamkeit der Welt zusammenwirken müßte. Denn niemand wird behaupten wollen, daß der gegenwärtige Lehrbegriff die Reichthümer der Schrift erschöpft habe; niemand leugnen, daß das System, welches alle Aussprüche der Schrift erklärte und in vollkommenen Einklang brächte, noch nicht gefunden ist. Eine Menge höchst sinnschwerer Stellen muß noch immer im Dunkel gelassen oder zurückgesetzt werden. Darum findet man in unseren Systemen die hervorragendsten Lehrpunkte, aber starr dogmatisch hingestellt, ohne die innere Verknüpfung, die Uebergänge, die vermittelnden Glieder, die sie doch allein zu einem verständlichen Ganzen machten, das nicht mehr blinden Glauben forderte, sondern die freie Zustimmung des Geistes wie des Herzens erhalten würde. Es fehlt mit Einem Wort an dem inwendigen (esoterischen) System, dessen Weihe ganz besonders die Lehrer haben sollten.

    Was sie aber besonders verhindert, zu diesem Ganzen zu gelangen, ist die fast ungebührliche Hintansetzung und Vernachlässigung des Alten Testaments, in welchem sie (um nicht von denen zu reden, die es ganz aufgegeben) nur das für wesentlich halten, was im Neuen wiederholt ist. Allein das Neue ist auf den Grund des Alten Testaments erbaut und setzt es sichtlich voraus. Die Anfänge, die ersten großen Punkte jenes bis in die äußersten Glieder des Neuen sich fortentwickelnden Systems finden sich nur im Alten. Aber eben die Anfänge sind das Wesentliche; wer sie nicht kennt, kann niemals zum Ganzen kommen. Es ist ein Zusammenhang in den göttlichen Offenbarungen, der nicht in seiner Mitte, der nur vom Anfang her begriffen werden kann. Das Neue Testament zeigt uns alles in dem Licht späterer Zeiten und Verhältnisse, die jene früheren voraussetzen; aber das Dunkel der Urzeiten, die ersten und ältesten Verhältnisse im göttlichen Wesen selbst beleuchten nur die einzelnen Blitze, die aus der Wolke des Alten Testaments fahren.

    So jene Einheit in der Zweiheit und Zweiheit in der Einheit, die wir als das Wesentliche der göttlichen Individualität erkannt. Die zwei, oft getrennt, oft in Verbindung vorkommenden Namen Gottes, sind von jeher allen Forschern aufgefallen. Daß das Wort Elohim, das eine Mehrzahl andeutet, in der Regel mit dem Zeitwort in der Einzahl verbunden ist, erklärte man sich in den guten alten Zeiten daraus, daß die drei Personen in Einem Wesen angedeutet werden sollen. Diese Meinung ist längst verlassen; auch streiten gegen sie in der That alle Gründe der Analogie.

    Aber was wäre gegen die Auslegung einzuwenden, daß durch Elohim die göttliche Substanz, jenes (erst Eins, dann) All der Urkräfte angedeutet werde, das für sich Unaussprechliche, aber durch die lautere geistige Gottheit wirklich Ausgesprochene. In dieß Verhältniß des Aussprechenden, des Namens oder Worts wird Jehovah gleich anfänglich zu Elohim gesetzt. »Was soll ich den Kindern Israel antworten, fragt Mose, wenn ich ihnen sage, Elohim eurer Väter sendet mich zu euch, und sie mich fragen: Wie heißt sein Name?« und Jehovah antwortet: »So sollst du sagen: Jehovah, Elohim eurer Väter, sendet mich zu euch, das ist mein Name in Ewigkeit« (Exod. 3, 15); wo offenbar ist, daß Jehovah der Name von Elohim seyn soll, Elohim aber, das den Namen empfängt, das Ausgesprochene. Darum heißt Jehovah auch wohl der Name (das Aussprechende) schlechthin, wie Levit. 24, 11: »Es lästerte einer den Namen«, und Deut. 28, 58: »Wenn du nicht fürchten wirst den herrlichen Namen«, wo erklärungsweise hinzugesetzt wird: »und diesen Schrecklichen, den Jehovah deinen Elohim«. Von jeher wurde bemerkt, wie dieser Name, deß wahre Aussprache unbekannt ist, aus lauter Hauchen bestehe, und daraus geschlossen, er deute das von der Gottheit an, was reiner Hauch sey, lauterer Geist; dieß sey, wie die Juden sich ausdrückten, der Name des Wesens, Elohim der Name der göttlichen Wirkungen. Andere bemerkten, er bestehe aus lauter sogenannten ruhenden Buchstaben (literis quiescentibus); auch dieß stimmt zum Wesen dessen, das lauterer Wille ist, ohne wirkliches Wollen. Auch die heilig beobachtete Unaussprechlichkeit des Namens zeigt, daß er das Aussprechende, eben darum selbst nicht Auszusprechende der Gottheit bezeichnen sollte. Auch daß er Tetragrammaton ist (wie übrigens der Name Gott in allen Sprachen), darf in der künstlichsten und absichtsvollsten hebräischen Sprache gewiß nicht unbeachtet bleiben, wie es denn von jeher beobachtet worden. Selbst die aufbehaltene Spur der von 1 in 4 fortschreitenden Bewegung ließe sich in den einzelnen Buchstaben nachweisen, wenn wir so weit ins Einzelne gehen wollten. Es ist keine bloße Erdichtung blindchristlicher Forscher, daß die Meinung von der Heiligkeit der Vierzahl im ganzen Alterthum von einer Kunde ausgegangen sey, deren Abdruck im Namen יהוה enthalten ist. Pythagoras muß gewußt haben, daß man schlechterdings bis auf 4 zählen muß, daß 1, 2, 3 für sich nichts sind, und nichts zu Bestand kommt, ohne in die vierte Fortschreitungsstufe getreten. Ja vier ist der höchste Bestand, Gottes und der ewigen Natur. Der Pythagorische Schwur: bei dem, der unserer Seele die Vierzahl überliefert, den Brunnquell der ewig fließenden Natur, wenn er nicht diesen Sinn hatte, hatte gar keinen.

    Dieß vorausgesetzt, zeigt sich die Lehre von der Einheit des göttlichen Wesens in der Zweiheit tief verwebt in das Innerste, selbst der Sprache des Alten Testaments. Zunächst indem der Mehrzahl Elohim das Zeitwort in der Einzahl verbunden ist, wo der Sinn z.B. von bara Elohim der ist: es schuf der, der Elohim ist. Sodann in der häufigen Verbindung von Jehovah-Elohim. Aber ebenso deutlich ist ihr auch die Lehre von der Zweiheit in der Einheit eingedrückt. So in den Stellen, wo mit Elohim (in der Bedeutung des einzigen, wahren Gottes) das Zeitwort in der Mehrzahl verbunden ist, zur Anzeige, daß die Elohim durch die Einheit mit dem Jehovah nicht aufhören, für sich zu seyn. Auch in den Stellen, wo der Jehovah bei seiner Seele (A3) als etwas von ihm Verschiedenem und Abtrennlichem schwört; wie unstreitig manches, das den neueren Auslegern zu natürlich klingt, in Bezug auf Elohim gesagt oder erzählt ist, ohne sich zugleich auf Jehovah zu erstrecken.

    Die auffallendste Erscheinung in der letzten Beziehung ist jedoch der Engel des Angesichts, oder, wie er auch geradezu genannt wird, der Engel Jehovahs. Mosen erscheint im flammenden Busch der Engel Jehovahs, der insofern von ihm unterschieden ist. Aber Elohim ruft zu ihm aus dem Busch (Exod. 3, 2), bald hernach ist der, der zu ihm spricht, der Jehovah, woraus offenbar ist, daß nach der Meinung des Erzählers der, der Engel des Angesichts, auch der ist, der Jehovah ist, und doch beide unterschieden. Der Sinn der Erzählung ist vielleicht sogar der, daß Mose eines Gesichtes gewürdiget worden jener höchsten Lebendigkeit, jenes innern verzehrenden aber immer wieder auflebenden (insofern auch nicht verzehrenden) Feuers, das die Natur der Gottheit ist.

    Diese wenigen Andeutungen mögen hinreichen, manche der neuern Philosophen, die ihre ziemlich leeren Begriffe gern für göttliche Offenbarung gäben, sowohl als die schon lange nach der Philosophie der Zeit denkenden Theologen zu überzeugen, daß nach den ältesten Urkunden der Religion in der göttlichen Individualität (wie wäre doch diese möglich ohne Dividualität?) noch ganz andere Geheimnisse liegen, als sie in ihrem aufgeklärt sich nennenden Theismus wähnen. Die Vorstellung von einer noch jenseits der Dreiheit der Personen liegenden Zweiheit in der Einheit des göttlichen Wesens, die Lehre einer ewigen Gegenwart und einer ewigen (ewig dazu werdenden) Vergangenheit ist in die innersten Fasern der Sprache der alttestamentlichen Schriften verwebt, indeß das Neue sie voraussetzt und nur in einzelnen Blicken darauf hindeutet.

    Doch darf der Leser nun auch bei diesem Gewonnenen nicht stehen bleiben, ein Zustand kettet sich unmittelbar an den andern, es gibt nicht einmal augenblicklichen Stillstand. Schmerz, Angst und Widerwärtigkeit des vergangenen Lebens löst sich, wie gezeigt worden, durch jene Krisis oder Auseinandersetzung der Kräfte, aber keinen Augenblick kann ein gleichgültiges Zusammenseyn stattfinden; aus dem untergegangenen Leben erhebt sich unmittelbar ein neues. Das, was zuvor Eins seyn sollte, nicht konnte, ist jetzt All oder Ganzes, aber dieses Ganze beruht auf bloßer innerer Zusammengehörigkeit, es ist ein stilles, nur leidendes Ganzes, nicht ein wirkliches, und das als solches ausgesprochen wäre. Daher es wohl noch immer, in den einzelnen Gliedern, voll Leben ist, aber nach außen oder als Ganzes betrachtet völlig wirkungslos.

    Aber in der Auseinandersetzung selbst behalten alle Kräfte das Gefühl ihrer Einheit; die Nothwendigkeit eins zu seyn ist überwunden, aber nicht vernichtet. Sie bleibt, aber als eine durch Freiheit gemilderte. Aus dem Zwang wird Liebe. Liebe ist nicht Freiheit und ist doch auch nicht Zwang. Ja eben weil geschieden und auseinandergesetzt, verlangen sie um so inniger, als eins sich zu empfinden und durch freiwilligen innern Einklang als lebendiges Ganzes sich zu fühlen: welche Einheit ein Bild ist der wahrhaft inneren, zu der sie erhoben zu werden hoffen — durch Gott.

    Da nun die Scheidung darauf beruht, daß das Höhere über sein Niedereres erhoben wird, dieses bezogen auf jenes sich senkt: so ist die natürliche, unmittelbar nach dem Eintritt der Krisis, ja im Augenblick selbst ihres Eintritts entscheidende Bewegung die allgemeine Anziehung, Erhebung des Niedereren gegen das Höhere, und damit eine neue Bewegung, neues Leben. Wie die ewige Natur als Ganzes den Geist der Ewigkeit anzieht, so jede untergeordnete Potenz die ihr zunächst höhere.

    Zuerst also sucht natürlicher Weise die tiefste Potenz ihre höhere an sich zu ziehen; denn nothwendig ist in ihr als der am tiefsten erniedrigten der Anfang der Bewegung.

    Aber wie der Eintritt der Sehnsucht in der ewigen Natur der erste Anfang zur innerlichen Scheidung war: so wird das Verlangen, mit seinem Höheren eins zu seyn, jetzt der auf die erste Stufe herabgesetzten Natur Antrieb einer gleichen Krisis; auch sie breitet sich sehnsuchtsvoll in allen ihren Kräften aus, und was bisher schlummerte, erwacht zum eignen Leben.

    Denn auch sie, die jetzt zum Anfang gesetzte Natur, obwohl gleich anfangs nur eine Potenz des göttlichen Lebens, ist doch in sich ganzes Wesen und dem Ganzen (der ewigen Natur) gleich. Sie ist nicht ein Theil der göttlichen Substanz, sondern es wohnt in ihr die ganze Gottheit, sofern sie zuerst sich faßt, sich in sich verschließt und nach außen versagt. Dem Gegensatz (A und B), der in ihr ist, lag gleich anfangs, obwohl verborgen und stillschweigend, eine göttliche Einheit zu Grunde. Die verneinende Kraft in ihr ist das Vorausgehende und verhält sich also als erste Potenz; das von ihr innerlich gesetzte Wesen (A) ist das folgende, insofern zweite Potenz. Aber das Allerinnerste in ihr, das eigentliche Wesen, war weder jene noch diese, sondern das heimliche Band, die verborgene Kraft ihres Einsseyns, das, was in ihr selber A3 ist.

    Dürfen wir nun das über Natur und Geisterwelt schwebende Wesen als allgemeine Seele, als die im Ganzen wohnende künstlerische Weisheit betrachten, so folgt von selbst, daß jenes Verborgenste der Natur, weil ein jener allgemeinen Seele Verwandtes, auch selbst ein seelenartiges Wesen sey, und auch der tiefsten Potenz etwas, ein Aehnliches von jener künstlerischen Weisheit (pars divinae mentis) ursprünglich und eigenthümlich einwohne. Wer könnte daran zweifeln, der nur jemals beobachtet, wie ganz und gar von innen heraus die Natur wirkt, dem besonnensten Künstler gleich, nur dadurch unterschieden, daß hier der Stoff nicht außer dem Künstler, sondern mit ihm selbst eins und innig verwachsen ist; wer zweifeln, der bemerkt, wie, noch ehe sie die eigentliche Seele entfaltet, schon in der sogenannten todten Materie jede Gestalt und Form ein Abdruck von innerlichem Verstand und Wissenschaft ist; wer die selbständige Seele nicht erkennen, der die innerlich gebundene, doch zugleich freie, ja willkürlich spielende Kunst in der großen Stufenleiter der organischen Wesen, ja selbst in der allmählichen Ausbildung einzelner Theile gesehen? Nothwendig zwar bedarf die Natur eines äußeren Beistandes, inwiefern sie nur als selbst organisches Glied eines höheren Ganzen ihre Wunder hervorbringt; aber diese Hülfe abgerechnet, die nur dazu dient sie in Freiheit zu setzen, nimmt sie alles aus sich selbst, und kann rein und vollkommen bloß aus sich selbst erklärt werden.

    Eben dieses allerinnerste, seelenartige Wesen ist es nun, durch das die Natur des unmittelbaren Bezugs zu ihrem Höheren fähig ist. Allgemein ist jedes Höhere des Niedereren Urbild, oder, um es gleich mit einem volksmäßigen Ausdruck zu sagen, sein Himmel. Aber um desselben theilhaftig zu werden, muß es den in ihm selbst verschlossenen Keim erst entfalten. Dann, wenn es seinem Höheren entgegenbringt, was in ihm selbst diesem ähnlich und himmlisch ist, dann zieht es dieß Höhere wie mit unwiderstehlichem Zauber an sich, dann entsteht ein unmittelbarer Bezug, eine innige Verschmelzung.

    Zuerst also mit jener in der Natur eintretenden Krisis erwacht in ihr eben dieß himmlische seelenartige Wesen, das bisher verborgen war und schlummerte. Es ist derselbe Erfolg, den wir immer gewahr werden, so oft eine höhere Einheit sich löst, der verschiedene Kräfte unterthan waren. Merkwürdig genug und wie durch Divination getrieben haben die ersten Beobachter des magnetischen Schlafs den Eintritt desselben als eine Krisis bezeichnet. Aber jeder Schlaf ist Krisis, in dem Sinn, wie wir das Wort bisher gebraucht. Gleichwie also mit dem eintretenden Schlaf das geistige Leben, welches in den untergeordneten Organen (besonders im Gangliensystem) wohnt, erst aufgeht und aus seiner Tiefe erwacht, in die es zuvor durch das allgemeine und höhere Geistesleben versenkt war: so entfaltet die in Freiheit und in ihre eigne Potenz gestellte Natur jetzt erst jene in ihr verborgene, seelenartige Substanz, vermöge welcher sie selbst-ganzes und selbst schaffendes Wesen ist. Wie die Gestirne der Nacht erst hervortreten, wenn das große Gestirn des Tags erloschen ist, so treten die untergeordneten Organe erst dann auf den Schauplatz des Lebens, wenn das allgemeine Leben, zu dem sie gehörten, und vor dem sie verstummten, untergegangen ist.

    So wesentlich ist, daß der ewigen Natur und jedem ihrer Organe eine eigne, von der höchsten Gottheit unabhängige Selbstbewegungsquelle bleibe. Wie die Befreiung in der ewigen Natur darauf beruhte, daß die Seele über alles erhoben (als höchste Potenz wirklich gesetzt) wurde, so kann die Krisis der äußeren Natur nur darin bestehen, daß jene in ihr wohnende, der allgemeinen verwandte Seele alle anderen Kräfte sich unterordne und wirklich an den höchsten Ort gebracht werde. Aber die Seele fühlt sich selbst nur als Seele der untergeordneten Potenz, der Potenz des Anfangs, der ewig zu bleiben bestimmt ist; und aus der Unthätigkeit geweckt, haßt sie nicht die einschließende Kraft, sondern liebt diese Enge, in der allein sie sich selbst fühlbar wird, und die ihr den Stoff und gleichsam das Mittel hergibt, in dem allein sie aufgehen kann. Also will sie nicht etwa die verneinende Kraft aufheben, weder überhaupt noch als ihr vorangehende; im Gegentheil fordert und bestätiget sie dieselbe, und will ausdrücklich nur in ihr aufgehen und sichtbar werden, also daß sie, auch aufs Höchste entfaltet, immer noch von ihr wie von einem Gefäß umfangen und gehalten sey.

    Also will sie die verneinende Kraft auch nicht plötzlich und gleichsam mit Einem Schlag besiegen, sondern jetzt beginnt ihre künstlerische Lust, da sie sich gefällt, das Widerstrebende sanft, allmählich zu überwinden, und mit Besonnenheit, ohne Kränkung der sie enthaltenden und gleichsam nährenden Kraft, durch stufenmäßiges Fortschreiten sich endlich alle Kräfte unterzuordnen und so die eigne Mutter, in der sie zuerst empfangen und gehegt wurde, zu einem allgemein beseelten Wesen zu entfalten.

    Das Allerinnerste, die Seele, kann aber nur in dem Verhältniß sichtbar hervortreten, als die sich widerstrebenden Kräfte zur gegenseitigen Freiheit und Unabhängigkeit oder in einen lebendigen, beweglichen Gegensatz gebracht sind. Darum beginnt sie mit Erweckung jener inneren durch die ganze Natur gehenden Entzweiung. Die Ungeschiedenheit der Kräfte deckt das Wesen zu, die Geschiedenheit läßt es erscheinen. Natürlich ist aber im Anfang noch die meiste Unentschiedenheit, da das verdunkelnde Wesen, die verneinende Kraft, noch das Innere zudeckt, bis die besonnene Kunst es erst zum Gleichgewicht mit dem Geistigen gebracht hat, und endlich anfängt, es auch unter dieses und so allmählich ganz nach unten zu bringen, das Geistige aber völlig zu erheben, und so endlich selbst, siegend über alle Kräfte, als das wahre Wesen und der Himmel der Natur selbst, hervorzutreten.

    Es kann aber die Scheidung der Kräfte nie eine gänzliche werden, weil die Schranke geschont, die erste Verneinung und Enge erhalten werden soll. Weil aber immer eine gewisse Einheit bleibt, so gehet in der Scheidung ein Blick der Einheit auf, der wegen seiner Verwandtschaft mit dem Höheren (dem A2) diesem sichtbar werden kann, und als ein umschriebenes, begrenztes, gleichsam geistiges Bild von einem Geschöpfe erscheint.

    Also kann in dieser fortschreitend aufsteigenden Bildung nie etwas Schrankenloses erscheinen; auch in seiner höchsten Befreiung ist der Geist wie die schöpferische Seele noch gefaßt und beschlossen in eine bestimmte Einheit oder Form, die eben durch ihn, so wie er durch sie, sichtbar wird. Auf diese Art also ist der ganze Weg der von innen heraus sich befreienden und nach Licht und Bewußtseyn strebenden Natur durch bestimmte Gebilde, ebenso viele Kinder ihrer Lust, bezeichnet; jedes Gebild ist nur das Aeußere der mit ihrem Stoffe verwachsenen Künstlerin, und zeigt, bis zu welcher Stufe der Befreiung jenes Allerinnerste gelangt. Und auf diese Weise durchwandelt die schöpferische Kunst immer aufsteigend die ganze Stufenleiter künftiger Geschöpfe, bis sie zu jenem ersten aller Geschöpfe gelangt, das einst der Mittler zwischen ihr und der Geisterwelt seyn sollte; bis zur holdseligen Menschengestalt, in welcher endlich jener himmlische Keim ganz entfaltet, die höchste Potenz über alle gebracht ist, und wo sie eben darum den Sieg ihrer Befreiung feiert.

    Doch nicht ohne höhere Leitung vollbringt die aus der Tiefe der Bewußtlosigkeit erwachende Seele ihren Stufengang. Denn schon in ihrem ersten Erwachen wird sie von dunkler Ahndung ergriffen, daß ihr eigentliches Vorbild in der Welt der Geister ist, und je mehr sie aufkommt, desto heller sieht sie in jenes, das über ihr ist (in A2), und erkennt alle in ihm enthaltenen Möglichkeiten, die sie als mit ihrem Stoff einige Künstlerin unmittelbar auszudrücken und zu verleiblichen sucht. Denn von allem, was in einem Untergeordneten wirklich wird, ist in seinem zunächst Höheren das Vorbild; und umgekehrt, das, was in einem Höheren nur vorbildlicher Weise ist, das ist in dem Untergeordneten wirklich und gegenbildlich.

    Aber in dem Verhältniß, als sie in sich verwirklicht, was in dem Höheren bloß als Möglichkeit war, in dem Verhältniß zieht sie dieses Höhere (A2) wie durch Verzauberung an sich. Denn dieß ist die Natur alles Vorbildlichen, daß es durch eine natürliche und unwiderstehliche Neigung zu dem gezogen wird, was in ihm das Gegenbild ist. Aber wiederum, indem das Höhere (A2) gegen die Natur gezogen wird, so wird es in gleichem Verhältniß von seinem Höheren (dem A3) abgezogen, hiemit die Gleichgültigkeit des Zusammenseyns aufgehoben; denn indem das Mittlere vom Obersten ab und gegen das Unterste geführt wird, erkennt es erst in jenem Mittleren das, was ihm unmittelbares Subjekt (Basis, Unterlage) ist; erst jetzt wird ihm das abgezogene zum Vor- oder Gegenwurf, in dem es sich selbst beschauen, und in dem es sehen kann.

    Aber jene Bilder, die aus der untergeordneten Materie aufsteigen, gehen oder scheinen ihrer Verwandtschaft wegen bis in das Mittlere (A2), denn eben diese Bilder sind der Zauber, durch den es angezogen wird. Da nun zugleich das Mittlere in dieser Anziehung dem Höchsten (A3) zum Gegenwurf wird, dieses mit der Gottheit ganz eins (nur ihr gegen die äußere Welt gewendetes Subjekt) ist: so ist offenbar, wie die von unten aufsteigenden Bilder durch das Mittlere auch dem Höchsten (A3) und durch dieses der noch verborgenen Gottheit offenbar werden.

    In diesem Zustand ging also alles, was einst in der Natur wirklich werden sollte, vor dem Auge des Ewigen vorüber, und er ersah wie in einem Blick oder Gesicht die ganze Stufenleiter künftiger Bildungen, bis herauf zu jenem Geschöpf, das einst von allen Naturwesen allein des unmittelbaren Bezugs zu ihm fähig seyn sollte.

    Aber alle diese Gestalten und Bildungen haben für sich keine Wirklichkeit; denn die Natur selbst, aus der sie aufsteigen, ist gegen die allein wahrhaft seyende Gottheit in die Potentialität, in das Verhältniß eines beziehungsweise nicht Seyenden zurückgetreten, und bewahrt auch freiwillig dieses Verhältniß (und A2 ohnedieß nur potentiell geschieden). Also ist dieses ganze Leben zwar nicht schlechthin und völlig nichtig; aber gegen die Gottheit als ein Nichts, ein bloßes Spiel, das auf keine Wirklichkeit Anspruch macht, in der bloßen Bildlichkeit stehen bleibt, und jene Gestalten sind gegen die Gottheit nur wie Träume oder Visionen, die wohl wirklich werden könnten, wenn er den nicht seyenden riefe, daß sie seyend sey’n; aber noch ist jener Wille in sich gewendet, noch gleichgültig gegen das Seyn, und nimmt sich desselben nicht an.

    Nachdem also jenes von unten aufsteigende Leben aufs Höchste gekommen, aber das letzte Glied, in dem es sich schließt, nicht gehalten, noch aus dem Nichtseyn gehoben worden, sinkt es wieder in sich selbst, in sein eignes Nichts zurück, aber nur um immer wieder aufzusteigen, und in unermüdlicher, unerschöpflicher Lust dem zunächst Höheren, mittelbar aber dem höchsten Geist, wie in einem Spiegel oder Gesicht zu zeigen, was einst, wenn Zeit und Stunde gekommen, nach dem Wohlgefallen des Höchsten in dieser äußeren Welt wirklich werden sollte.

    Von selbst einleuchtend ist, wie der allgemeine Zustand der Natur während dieses Vorgangs kein fester und stillstehender seyn kann, sondern nur ein ewiges Werden, eine beständige Entfaltung. Aber diese Entfaltung hat doch ihr Ziel, und dieses Ziel ist für die Natur, daß sie zu einem vollkommenen geist-leiblichen Wesen gelange. Aber obwohl sie nur auf der letzten Stufe der Entfaltung ihre höchste Expansion erreichen kann, ist sie doch in jedem Moment derselben schon in sich und an sich kein leibliches, sondern ein geist-leibliches Wesen, das allerdings gegen das Höhere (A2) ersinkend und ihm ganz sich hingebend, gegen dieses Stoff, Materie wird, aber eine Materie, die gegen die jetzige wie lauter Geist und Leben istAlso relativ geistig im Gegensatz der ponderablen, impenetrabeln, trägen Materie, nicht aber geistig, also πνευματικόν. (Πνεῦμα ist es nicht, dieß wird es erst in der Aktualität; es ist nur ψυχή).. Im Fortschreiten selbst, da die verneinende (eigentlich allein verkörpernde) Kraft immer mehr dem Geistigen unterworfen und immer sichtbarer der innere himmlische Keim entfaltet wird, breitet sie sich mehr und mehr zu jener nicht bloß leiblichen, nicht bloß geistigen, sondern mittleren Substanz aus, zu jenem gemilderten Lichtwesen, in dem die strenge, verdunkelnde Kraft durch die Sanftheit des andern überwunden, und in Licht verschlungen, nur noch zur inneren Mäßigung und zur Festmachung des an sich unfaßlichen Wesens dient, und hinwiederum das an sich unwiderstehliche Licht des letzteren bis zur Erträglichkeit gesänftiget ist. Dieses scheint der Sinn jenes Glanzes der Herrlichkeit zu seyn, welcher nach den Ausdrücken der Schrift und der einstimmigen Vorstellungsweise aller Völker die äußerste Umgebung der unsichtbaren Gottheit ist.

    Daß die Beschaffenheit der jetzigen körperlichen Materie keine ursprüngliche sey, dafür zeugen Thatsachen in der Evolution der Natur selbst, Erscheinungen der innern Bildung einzelner Körper, die unter Voraussetzung der jetzt allgemeinen Eigenschaft der Undurchdringlichkeit unerklärbar sind; dafür zeugt die noch fortdauernde Fähigkeit der Materie, in einen Zustand versetzt zu werden, da sie (wie in den bekannten, aber lange nicht genug beachteten Ueberführungsversuchen) allen körperlichen Eigenschaften nach verschwindet. Wer sich auch bloß mit der sogenannten Construktion der Materie aus Kräften begnügt, muß erkennen, daß das innere Wesen aller Materie geistig im weiteren Sinn ist, da Kräfte unleugbar etwas Geistiges, insofern Unkörperliches sind; daß also auch die Art der jetzigen Materie nicht aus jenen inneren geistigen Kräften für sich erklärbar ist. Wodurch es aber geschehen, daß jenes zusammenziehende, verdunkelnde Wesen, das schon im Anfang überwunden war, wieder emporgekommen, ist eine Frage, deren Beantwortung in den Verlauf dieser Geschichte gehört. Genug, daß sie auch jetzt noch überwindlich ist, die Materie auch jetzt die Fähigkeit zeigt, jenem Urzustand sich zu nähern und einst vielleicht ganz wieder in ihn versetzt zu werden, obschon dieß natürlich durch einen viel verwickelteren und langsameren Proceß geschehen muß.

    Wenn wir die wunderbaren Verwandlungen betrachten, welcher die Materie in der organischen Welt unterworfen ist, bis herauf zum menschlichen Auge, aus dem Geist, Verstand und Wille auf eine unbegreifliche aber sinnlich empfindliche Weise leuchten, so ist es wohl erlaubt, die gesammte Materie als bloße Erscheinung zu betrachten, nämlich nur als ein verschobenes Bild des eigentlich zu Grund liegenden Wesens, und alle Körper nur als Kleider oder Verhüllungen, die uns jenen innern Verklärungspunkt zudecken, ohne dessen Gegenwart schon ein Uebergang von der unorganischen Natur in die organische undenkbar wäre, und der auch in den körperlichsten Dingen oft fast sinnlich wahrnehmbar liegt.

    Wer einigermaßen sein Auge für die geistige Beschauung natürlicher Dinge geübt hat, weiß, daß ein geistiges Bild, dessen bloßes Gefäß (Erscheinungsmedium) das Grobe, das Ponderable ist, eigentlich das Lebende darin ist. Je lauterer dieses Bild, desto gesunder das Ganze. Immer bereit überzufließen und doch immer wieder gehalten, ist dieses ungreifliche, darum aber nicht unbemerkliche Wesen, das allen Dingen erst den vollen Reiz, Glanz und Schein des Lebens ertheilt, zugleich das Offenbarste und Verborgenste. Weil es nur unter einer beständigen Veränderlichkeit sich zeigt, zieht es um so mehr an sich als der Blick des eigentlichen Wesens, das in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt und nur auf seine Befreiung wartet. Unter den körperlichsten Dingen wurden vorzüglich die Metalle, deren eigenthümlicher Glanz von jeher den Menschen bezauberte, als einzelne in der finstern Materie aufglimmende Lichtpunkte dieses Wesens betrachtet; ein allgemeiner Instinkt ahndete seine Nähe im Gold, das durch die mehr leidenden Eigenschaften, die fast unendliche Ausdehnbarkeit und die Weichheit und fleischähnliche Zartheit, die es mit der größten Unzerstörlichkeit verbindet, das dem geistig leiblichen Wesen verwandteste schien, und das sogar durch eines jener zufällig scheinenden Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben, zur Bezeichnung des frühesten Weltalters der noch bestehenden Herrlichkeit der Natur gebraucht worden.

    Doch besonders in der organischen Natur nähert es sich der Befreiung. Es ist das Oel, von dem das Grün der Pflanzen gesättiget wird, der Balsam des Lebens, von dem die Gesundheit ihren Ursprung hat; es ist erkennbar in dem Durchscheinenden des Fleisches und der Augen, in jenem unleugbar physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig befreiend auf uns wirkt, ja unstreitig selbst in dem Unaussprechlichen, das als Anmuth in verklärte Leiblichkeit überströmt, und von dem unwillkürlich auch der Barbar gerührt wird; wie das freudige Erstaunen, in welches vollendete Schönheit den Gebildeten setzt, seinen Hauptgrund vielleicht in dem Gefühl hat, daß sie uns die Materie in ihrem göttlichen und gleichsam in ihrem Urzustand vor Augen bringt. Ja als wär’ es der Gegenstand der ursprünglichen Liebe, so zieht es noch jetzt wie in der Urzeit die Liebe an sich, und ist, weil immer nur sich zeigend, aber nie zu ergreifen noch zu besitzen, das Ziel der immer regen, nie gesättigten Neigung.

    Der Verkehr zwischen Körperlichem und Geistigem, an dem sich menschlicher Witz so oft geübt, ist und bleibt durch keine andere Annahme erklärbar, als daß es eine und dieselbe Substanz ist, die nach der einen Seite, nämlich nach unten, leibliche Eigenschaften annimmt, nach oben aber oder auf der dem Geist zugewandten Seite in ein geistiges Wesen ausgeht. Alle andern noch so künstlich ersonnenen Systeme lassen den Stachel des Zweifels zurück. Das einzige dem natürlichen Denken gemäße ist jenes Verschmähte des sogenannten physischen Einflusses, das freilich verlassen werden mußte, sobald Materie und Geist in jenen heillosen (unheilbaren) cartesianischen Zwiespalt gebracht waren.

    Der ganze Lebensproceß beruht auf dieser Zweiseitigkeit dessen, was wir Materie nennen, und dessen innere von unsern Sinnen abgewandte Seite wir wohl ahnden, aber nicht erkennen. Aus dem Körperlichen selbst steigt beständig ein Bild oder innerer Lebensgeist auf, der durch einen umgekehrten Proceß immer wieder verleiblicht wird.

    Der Glaube an die allgemeine Fähigkeit der Materie, wieder in geistige Eigenschaften erhöht zu werden, hat sich durch alle Zeitalter mit einer Beständigkeit erhalten, die allein schon auf seinen tiefen Grund schließen ließe, und hängt so mit den liebsten und letzten Hoffnungen des Menschen zusammen, daß er wohl nie wird vertilgt werden können. Den gewöhnlichen Begriff der Alchemie muß man dem Pöbel überlassen; aber was geschiehet bei der Verdauung und Aneignung der Nahrungsmittel, da aus den verschiedensten Substanzen immer im Ganzen dasselbe bereitet wird, und jeder Theil eben das ihm Gemäße an sich zieht; was bei der ersten Bildung des Fötus? Alles, was um uns vorgeht, ist, wenn man will, eine beständige Alchemie; selbst jeder innere Proceß, wenn Schönheit, Wahrheit oder Güte, von dem anhangenden Dunkeln oder Unreinen befreit, in ihrer Lauterkeit erscheinen. (Der Alchemist fängt allerdings wieder von unten ana prima materia, die er ad ultimam führen möchte). Die verstanden, was sie suchten, suchten nicht das Gold, sondern gleichsam das Gold des Goldes, oder was das Gold zu Golde macht, d.h. etwas weit Allgemeineres. Wenn es nämlich vielleicht eine äußere Wirkung ist, wodurch die Materie, wie Milch durch saures Laab, zur Gerinnung gebracht worden, so muß es auch eine derselben entgegengesetzte Potenz geben, durch welche, wenn sie in der Hand der Menschen wäre, die Wirkung jener coagulirenden Kraft entweder aufgehoben oder bis zu einem gewissen Grade überwunden werden könnte. Ist nun alle Materie dem innern Wesen nach nur Eine, und beruht die Verschiedenheit zwischen körperlichen Dingen derselben Stufe vielleicht nur auf dem Mehr oder Minder der Verborgenheit jenes ursprünglichen Wesens, so wäre es ja wohl möglich, durch allmähliche Ueberwindung der verdunkelnden Potenz das minder Edle ins Edlere zu verwandeln, obwohl dieß nur die sehr untergeordnete Anwendung eines weit allgemeineren Vermögens seyn würde, und auf jeden Fall die Behauptung dieses Gedankens keine Billigung des wirklichen Versuchs ist. Denn unbeschränkt ist das Reich der Idee; aber was an sich möglich sey, und was beziehungsweise thunlich, was sonst räthlich, oder in anderem Betracht vernünftig, dieß sind ganz verschiedene Fragen.

    Es hat von jeher viele gelüstet, in dieß stille Reich der vorweltlichen Vergangenheit zu dringen, um so im eigentlichen Verstand hinter den großen Proceß zu kommen, von dem sie theils mithandelnde, theils mitleidende Glieder sind. Aber den meisten fehlte es an der gehörigen Demuth und Selbstverleugnung, da sie alles gleich mit den höchsten Begriffen anfassen wollten. Und wenn auch jetzt dem Leser irgend etwas den Eingang in diese Vorzeit wehrt, so ist es eben jenes voreilige Wesen, das lieber gleich anfangs mit geistigen Begriffen und Redensarten blenden, als zu den natürlichen Anfängen jedes Lebens hinabsteigen will.

    Was ist es übrigens, das den geistigen Dünkel an der Leiblichkeit beleidigt, daß er sie so gar geringer Herkunft achtet? Am Ende ist es doch nur ihre Demuth und äußere Niedrigkeit, die ihn so beleidigt. Aber eben das Niedrige ist hoch geachtet in den Augen dessen, nach dessen Urtheil allein Werth und Unwerth der Dinge bestimmt ist; und eben jene Gelassenheit zeigt vielleicht, daß ihr noch etwas von den Eigenschaften jenes Urstoffs inwohnt, der nach außen leidend, aber in sich Geist und Leben ist.

    Es ist nicht schwer die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen aller neueren Philosophie in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wonach z.B. alles, was nicht seyend, nichts, was nicht geistig im höchsten Sinn, materiell im gröbsten, was nicht sittlich frei, mechanisch, was nicht intelligent, verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber gerade die wichtigsten, ja die einzig eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nun nach dem (mißverstandenen) Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles, den Sophisten gleich, zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreienden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.

    Aber indem die Natur das Wesen der Geisterwelt an sich und dadurch von seinem Höheren abzieht, erweckt sie auch in ihm ein Verlangen, mit seinem Höheren eins zu seyn und es an sich zu ziehen, wodurch also jene von der Natur (wie immer) ausgehende Bewegung sich endlich bis in das Höchste fortpflanzt.

    Daß in jenem Wesen der Geisterwelt dieselben schöpferischen Kräfte, die in der Natur, liegen, bedarf nach früheren Erklärungen kaum des Beweises. Auch in ihm ist eine innere Zweiheit, der eben darum auch eine verborgene Einheit zu Grunde liegt, welche in dem Maß hervortreten und offenbar werden muß, als die sich widerstrebenden Kräfte auseinander und in wirkenden Gegensatz treten. Die Sehnsucht, das Höhere (A3) an sich zu ziehen, wird auch in ihm Grund der Entfaltung und Ausbreitung der Kräfte. Nur ist in ihm nicht das bejahende Princip, sondern die verneinende Kraft die eingeschlossene und verborgene. Hier ist es also auch nicht das ausfließende und sich mittheilende Wesen, das aus der Beschränkung erlöst wird; hier ist es im Gegentheil jene verborgene Kraft der Finsterniß, die aus der innersten Tiefe hervorgerufen und stufenweis’ in Wirkung gesetzt wird. Nicht daß sie über das bejahende Princip heraustrete, sondern daß die wirksamste Kraft der Selbstheit und der Finsterniß dennoch von Licht und Liebe umfangen sey. Denn gleichwie in der höchsten Entfaltung der äußeren Natur das verneinende Princip immer das Aeußere, Umschließende, das geistige aber, auch aufs Höchste befreit, von ihm umschlossen bleibt: so soll auch in der Entfaltung der Geisterwelt (die nur eine höhere Natur ist) das verneinende Princip zwar aus seiner Unwirksamkeit erweckt werden, aber nur um als Wirksames doch innerlich und dem milden Lichtwesen unterwürfig zu bleiben. Die ganze Schöpfung geht auf Erhebung des Ja über das Nein; aber wie in der Natur das verneinende Princip dem bejahenden unterthan ist, indem es ein äußeres, so in der Geisterwelt, indem es ein inneres bleibt. Hier wird auch das bejahende Princip gesteigert, aber weil es schon an sich frei ist, nur indirekt oder mittelbar, dadurch, daß sein Gegensatz hervorgerufen wird.

    Dieser Unterschied ist für die ganze Geschichte der Natur und der Geisterwelt von den wichtigsten Folgen; manches Räthselhafte ihres Verhältnisses und ihrer Verschiedenheit wird nur dadurch klar, daß jene durch die Erhebung des Lichts, diese durch Erweckung von Finsterniß entstanden, und schon hier ist offenbar, daß in Wesen der letzteren Art ein höherer Grad der Freiheit als in Wesen der ersten gefordert wird.

    Aber auch diese Entfaltung der verdunkelnden Kraft aus ihrer ganzen Tiefe und Verborgenheit konnte nicht plötzlich, nur stufenweise geschehen. Weil aber auch hier immer eine gewisse Einheit blieb, konnten es ebenfalls nur bestimmte Formen oder Gestalten seyn, die die schöpferische Kraft durchlief. Diese Formen oder Gestalten waren ihrer Natur nach Geister, wie schon aus der alten Erklärung einleuchten würde: alles was seine Einschränkung (verneinende Kraft) äußerlich hat, sey leiblich oder ein Körper; alles aber, was seine Einschränkung (die Kraft seines Bestehens) innerlich oder in sich habe, sey ein Geist.

    Auch hier kann die schöpferische Kraft nur vom Niederen zum Höheren aufsteigen, bis sie allmählich die allerinnerste und verborgenste Kraft der Finsterniß aus der Tiefe emporgehoben, welches dann die reinsten, schärfesten und gottähnlichsten Geister sind.

    Denn um so viel als die Geisterwelt der Gottheit näher ist als die Natur, um so viel übertrifft das, was in ihr das Höchste (A3) ist, an Reinheit das Höchste der Natur, um so viel ähnlicher ist es jener über dem Ganzen schwebenden Seele (dem absoluten A3). Zu diesem verhält sich die Geisterwelt, wie sich zu ihr die Natur verhält.

    Wie also die Geisterwelt der Natur Vorbild, und alle Dinge dieser äußeren Welt Abbildungen dessen sind, was die Natur in der inneren ersehen, so ist wiederum jene allgemeine Seele das unmittelbare Vorbild der in der Geisterwelt schaffenden, und was in dieser erzeugt wird, ist nur Gegenbild oder Wirkliches von dem, was in der allgemeinen Seele als Vorbild oder Mögliches lag.

    Aber indem diese höhere Natur die Gedanken der allgemeinen Seele verwirklicht, zieht sie diese unwiderstehlich an; und so ist diese ganze Bewegung nichts anderes als eine allgemeine Magie, die sich bis ins Höchste erstreckt.

    Denn indem jene allgemeine Seele gegen das Untere gezogen wird, wird sie in gleichem Verhältniß von dem Allerhöchsten abgezogen, mit dem sie bisher ganz eins (sein unmittelbares äußeres Subjekt) war. Aber durch eben dieses An- und Abziehen wird es zuerst jenem Geiste der Ewigkeit zum Vor- oder Gegenwurf (zum Objekt), in dem er alles erblicken kann. Da nun jene geistigen Gestalten in der allgemeinen Seele als Bilder oder Gesichte aufsteigen, so muß auch der Geist der Ewigkeit sie in jener als in einem Spiegel erblicken, da ihm gleichsam die verborgensten Gedanken seines eignen Subjekts offenbar werden.

    Die Gesichte dieser innersten Gedanken Gottes sind also die Gesichte der zukünftigen, zugleich mit dem Naturwesen zur Erschaffung bestimmten Geister; und so erblickte der Ewige in dieser freien, mit sich selbst gleichsam spielenden Lust der ewigen Natur zuerst alles, was einst in der Natur, sodann, was in der Geisterwelt wirklich werden sollte. So zeigte ihm die ewige Natur den Weg, auf dem er sie, wenn es ihr gefiele, aus Finsterniß wieder in Licht, aus Niedrigkeit zur Herrlichkeit führen könnte. Es ging aber vor dem Auge des Ewigen alles nur als ein Blick oder Gesicht vorüber: als ein Blick, weil es in dem zarten Mittel gleichsam nur aufblickte, als ein Gesicht, weil es gegen ihn keine Wirklichkeit hatte, sondern im Werden wieder verging, und nichts Bleibendes, nichts Festes, sondern alles in unaufhörlicher Bildung war. Denn noch fehlte diesem Leben, das an sich nur Traum und Schatten ist, die göttliche Bekräftigung.

    Das von den Griechen an uns gekommene Wort Idea sagt seiner Urbedeutung nach wirklich nichts anderes als unser deutsches Wort Gesicht, und zwar in beiderlei Verstand, da es sowohl den Blick, als was im Blick vorübergeht, bezeichnet.

    Die Lehre von diesen göttlichen Ideen oder Gesichten vor dem Welt-Anfang verliert sich ihrem Ursprung nach in die tiefste Nacht des Alterthums. Wie sie erscheint, ist sie schon nur noch Bruchstück einer großen Lehre, aus der früh untergegangenen wahren Geschichte der Welt; schon die Griechen kennen sie nur als Ueberlieferung, und auch Platon ist nur als Ausleger dieser Lehre zu betrachten. Nachdem also der ursprüngliche Sinn früh verloren gegangen, sind sie theils zu übernatürlich, theils viel zu gemein verstanden worden. Lebendiger wären sie längst aufgefaßt, wenn, anstatt sie auf allgemeine Verstandesgründe zu stützen, der natürliche Hergang (physische Proceß) ihrer Erzeugung wäre gesucht worden.

    Die Entstehung solcher Urbilder oder Gesichte ist ein nothwendiger Moment in der großen Entwicklung des Lebens, und sind dieselben auch nicht als physische Substanzen, so doch gewiß nicht ohne alles Physische und nicht als leere Gattungsbegriffe zu denken, noch als fertig vorhandene, ohne Bewegung daseyende und gleichsam stehende Formen; denn eben darum sind sie Ideen, daß sie ein ewig Werdendes und in unaufhörlicher Bewegung und Erzeugung sind.

    Die Erzeugung solcher Urbilder ist ein nothwendiger Moment; aber weder vergehen sie nach diesem Moment, noch bleiben sie schon, sondern der Moment selbst bleibt ewig, weil jeder folgende den vorhergehenden festhält oder in sich begreift; und so entquellen dem Innern der schöpferischen Natur diese Urbilder noch immer ebenso frisch und lebendig als vor der Zeit. Noch jetzt zeigt sich die Natur als durchaus visionär, und muß es seyn, weil sie im Vorhergehenden schon auf das Zukünftige sieht; ohne diese Eigenschaft wäre das unleugbar Zweckmäßige im Einzelnen und Ganzen, ihr allgemeiner und besonderer Technicismus völlig unbegreiflich.

    Ja die Natur hat sich vorbehalten, jenen Moment in der gegenwärtigen Zeit beständig zu erneuern, und zwar durch die einfachsten Anstalten, da die Natur im Weibe den Geist des Mannes, dieser hinwiederum den allgemeinen Welt-Geist an sich zieht, und so auch hier jene leitende Verbindung und Kette voneinander unabhängiger Glieder hergestellt ist, wodurch das Letzte fähig wird in das Erste, und das Höchste in das Tiefste zu wirken, denn ohne unmittelbare göttliche Bekräftigung kann kein Wesen den Lauf seines Daseyns beginnen. Jedes neue Leben fängt eine neue für sich bestehende Zeit an, die unmittelbar an die Ewigkeit geknüpft ist; also geht jedem Leben unmittelbar eine Ewigkeit voran, und wie in jener ersten Erzeugung ist auch in der zeitlichen alles Aeußere nur Theil oder Glied einer Kette, die bis in das Höchste geht.

    Die Wiederkehr jenes Momentes in der Zeugung würden auch schon die äußeren Erscheinungen glaublich machen, welche die einer entschiedenen Krisis (in dem von uns angenommenen Sinne des Worts) sind, darin jedes Princip wieder in seine Freiheit gestellt ist, und mit der Lösung des äußeren Bandes, das den Menschen bezwingt und beherrscht, die wollustvolle innere Entfaltung aller Kräfte beginnt. Daher die Aehnlichkeit mit dem Tod und dem magnetischen Schlaf. Wir wagen es, eine der größten Entweihung ausgesetzte Sache mit einem hohen und heiligen Verhältniß in Verbindung zu setzen; aber die schrecklichste Entartung einer großen Natureinrichtung darf nicht verhindern ihre Urbedeutung zu erkennen. Im Gegentheil, wenn die Sittenlehre nicht in den Wirkungen natürlicher Triebe, die sie einem höheren Gesetz unterwirft, etwas auch an sich Heiliges erkennen will, wird sie immer ihren Zweck verfehlen; denn was etwas an sich Unheiliges, ganz und gar Schlechtes und Verächtliches ist, wird in den Augen der meisten auch etwas Gleichgültiges seyn. Aber eine Sache, von der erkannt ist, daß sie in die Räder des Weltalls, ja in seine innersten und höchsten Verhältnisse eingreift, gebietet auch an sich heilige Scheu.

    Alles Göttliche ist menschlich, und alles Menschliche göttlich; dieser aus dem tiefsten Leben gegriffene Satz des alten Hippokrates war und ist noch jetzt der Schlüssel zu den größten Entdeckungen im Reiche Gottes und der Natur. Aus diesem Grunde suchten wir auch das zuletzt genannte Phänomen noch insbesondere in der gegenwärtigen Beziehung (der höchsten unstreitig, der es fähig ist) zu betrachten.

    Von selbst ist jedem klar geworden, daß jener ganze, innerlich höchst lebensvolle Zustand auf der gegenseitigen Freiheit und Unabhängigkeit der Glieder voneinander beruht, die doch zugleich eine stetige Folge vom Tiefsten bis ins Höchste bilden, jener Leiter ähnlich, die vom Himmel zur Erde reichend, einer der Erzväter im Traume sah. War nicht die Potenz des Anfangs frei gegen die höhere, so konnte sie keine anziehende Wirkung auf sie äußern, noch ihr die in ihr enthaltenen Möglichkeiten wie in einem Spiegel vorhalten. Konnte nicht wiederum die mittlere Potenz von der höchsten abgezogen werden, so war unmöglich, daß sie dieser zum Vor- und Gegenwurf wurde, worin sie ihre eignen innersten Gedanken erkannte. War jener lautere Geist, das eigentliche Selbst und höchste Ich des ganzen Wesens mit diesem verwachsen und nicht frei gegen das ewige Seyn, so konnte ihm dieses nicht zum Spiegel werden, worin er die Wunder der zukünftigen Welt erblickte. Dieses beschauliche Leben, diese innere Klarheit würde sofort aufgehoben, wenn jene Freiheit der Glieder gegeneinander aufgehoben wäre.

    Zwei verschiedene und in gewissem Betracht entgegengesetzte Zustände theilen sich in das menschliche Leben. Der wachende Mensch und der schlafende Mensch sind ihrem Innern nach ganz der nämliche Mensch. Keine der innern Kräfte, die im wachenden Zustand wirken, geht im Schlafe verloren. Schon hieraus erhellt, daß es nicht eine im Innern des Organismus liegende, daß es eine in Bezug auf dieses äußere Potenz ist, deren Anwesenheit oder Abwesenheit die Abwechslung jener Zustände bestimmt. Offenbar sind während des wachenden Zustandes alle Kräfte des Menschen von einer sie zusammenhaltenden Einheit, gleichsam von einem gemeinschaftlichen Aussprechenden (oder Exponenten) beherrscht. Wird aber (auf welche Weise es nun geschehe) dieß Band gelöst, dann tritt jede Kraft in sich selbst zurück, jedes Werkzeug scheint nun frei, für sich und in seiner eignen Welt zu wirken; eine freiwillige Sympathie tritt an die Stelle der äußeren bindenden Einheit, und indeß das Ganze nach außen wie todt und wirkungslos ist, scheint sich nach innen das freieste Spiel und Verkehr der Kräfte zu entfalten.

    Wenn nun im gewöhnlichen Lauf des Lebens die Wirkung jener äußeren Potenz in regelmäßiger Abwechslung nachläßt und wiederkehrt, so scheint in ungewöhnlichen Zuständen eine außerordentliche Aufhebung derselben möglich, ja einem Menschen in Bezug auf den andern die Macht verliehen, entfesselnd, befreiend auf ihn zu wirken. Wahrscheinlich, daß das Befreiende der untergeordneten Natur ihr Höheres (A2) wird, gegen das sie ersinkt; ein Verhältniß, das im Anfang nur schwach und unentschieden, in fortgesetztem Bezug sich immer mehr ausbildet; denn die Wirkung ist auch hier gegenseitig; in dem Verhältniß als das eine sich senkt (zu A=B), wird das andere von ihm zu A2 gesteigert. Nur hierin kann der Grund jener ganz eigenthümlichen und bei längerer Ausübung verderblichen Schwächung liegen, die der den Schlaf Wirkende erfährt; mit derselben Erklärung stimmt die Entwicklung des visionären Talents überhaupt und eines Bezugs zu der Geisterwelt überein, die in mehreren, welche diese Heilart längere Zeit ausgeübt, sich gezeigt.

    Sobald nun jenes Verhältniß ausgebildet ist, tritt in der untergeordneten Natur jene Scheidung (Krisis) und Befreiung aller Kräfte, jene Entformung (Desorganisation) ein, wie es die ersten Entdecker in richtigem Instinkt genannt.

    Wenn nun jedes organische und menschliche Wesen dem Schmerz im physischen wie im psychischen Verstande nur durch die Herrschaft jenes äußeren Lebens Exponenten unterworfen ist, so ist wohl begreiflich, wie mit Aufhebung desselben die gänzliche Schmerzlosigkeit und jenes Wonnegefühl entsteht, von dem die eben erwähnte Krisis begleitet ist, so wie daß die plötzliche und augenblickliche Aufhebung desselben mit der höchsten Wollust überschüttet.

    Die äußere Erscheinung dieser Krisis ist Schlaf, von dessen Natur ohne jene Erfahrungen wir wohl niemals hinlänglich Kunde erhielten. Denn nach vielen Gründen scheint mir, als würde viel zu bestimmt der sogenannte magnetische Schlaf vom gewöhnlichen unterschieden. Denn da uns von den inneren Vorgängen bei diesem nur wenig oder fast nichts bewußt ist, so können wir auch nicht wissen, ob sie nicht denen beim magnetischen Schlaf ganz ähnlich und gleich sind, von denen ebenfalls keine Erinnerung in den wachenden Zustand übergeht, und von denen wir ohne den besonderen Bezug des Schlafenden zu dem Schlafwirkenden wenige oder keine Wissenschaft hätten.

    Bekanntlich sind die inneren Vorgänge des magnetischen Schlafs auch nicht immer dieselben; es gibt Grade jenes inneren Lebens, von denen wir in der Regel nur den untersten, den mittleren seltener, den dritten wahrscheinlich nie erblicken. Sollten wir unternehmen, die möglichen Sproßen dieser Leiter anzugeben, so möchte es ohngefähr so geschehen.

    Die tiefste wäre die, wo Krisis, oder wo das Materielle der menschlichen Natur in Befreiung gesetzt wird; hier nämlich kann die der Materie einwohnende, aber durch das höhere Leben sonst gebundene Seele, die alles bildet, alles heilt, frei sich entfalten, hier der freie Verkehr zwischen dieser und dem Höheren eintreten, jenem geistigen Wesen, der allgemeinen Arzenei der Natur und der Ursache aller Gesundheit, der Tinktur, durch welche die strenge Natur immer gesänftiget wird. Jede untergeordnete Natur, deren leitende Verbindung mit ihrem Höheren unterbrochen wird, ist krank; aber eben diese Leitung wird durch den magnetischen Schlaf immer wenigstens auf eine Zeit hergestellt. Sey es, daß durch diesen Zauber das widernatürlich gesteigerte in tieferen Schlaf gesenkt, in seine Potenz (also auch in die Potentialität gegen das höhere) zurückgesetzt werde, oder daß das vom höheren über Gebühr geschwächte und niedergehaltene Leben für einen Augenblick frei werde und wieder aufathme: in beiden Fällen würde die Heilkraft jenes Schlafes auf der Herstellung der unterbrochenen Leitung zwischen Höherem und Niedererem beruhen.

    Der zweite Grad wäre der, wo das Geistige des Menschen gegen die Seele frei würde und diese an sich zöge, um ihr die Verborgenheiten ihres Inneren, und was in ihr selbst (als dem Zukünftigen und Ewigen des Menschen) noch eingewickelt liegt, wie in einem Spiegel zu zeigen. Dieser Grad wäre unstreitig schon der höchste bekannte des magnetischen Schlafs, wo nämlich der in Krisis Gesetzte ganz todt für alles Aeußere, von der Sinnenwelt völlig abgeschnitten ist, wo eben darum auch die Zeichen eines höheren Bezugs sich einfinden.

    Den dritten Grad endlich müßten wir in Verhältnissen suchen, die ganz außer den gewöhnlichen menschlichen liegen, und von denen im gegenwärtigen Zusammenhang besser geschwiegen als geredet wird.

    Wenn aber Gradationen des magnetischen Schlafes stattfinden, wenn von der andern Seite auch im gewöhnlichen Schlaf Grade der Tiefe und der Innigkeit unterschieden werden: so ist unmöglich zu wissen, bis zu welchen Graden des magnetischen auch der gewöhnliche sich erhebt.

    Schon die Alten unterschieden zweierlei Arten von Träumen, wovon ihnen nur die eine für gottgesendete galt. So verschieden aber auch der Traum nach Personen und Umständen seyn mag, so gewiß ist, daß Träume von höheren Graden der Innigkeit sich ganz wie Visionen des magnetischen Schlafs verhalten würden, von denen dem Erwachten keine Erinnerung bleibt. Daß Träume ein beständiges (constantes) Phänomen des Schlafs sind, daß wir uns der meisten nur nicht erinnern, ist um so sicherer anzunehmen, als uns bewußt ist, daß von vielen Träumen uns nur die allgemeine Erinnerung ihres Dagewesenseyns bleibt, daß andere nur noch im Augenblick des Erwachens (manchmal auch dann nicht bleibend) festgehalten werden. Nur ist wahrscheinlich, daß die mehr äußerlichen Träume oft Abspiegelungen von tieferen mehr innerlichen sind, und diese, wenn schon getrübt und verworren von dem Mittel, durch das sie hindurchgehen, dennoch an uns gelangen.

    Wollte man hier zugleich eine Rückanwendung auf etwas Früheres nachsehen, so könnte man als eine Möglichkeit ansehen, daß dem Menschen, wie gegen seines Gleichen, eine ähnliche Gewalt auch gegen andere Dinge zustände. Dann, könnte er auch das Innere körperlicher Dinge wieder in Freiheit setzen, dann erst würde er jene wahre und eigentliche Krisis, die unsere Scheidekunst noch immer vergeblich zu bewirken gestrebt, hervorbringen und eine Reihe ganz anderer Erscheinungen einleiten als die des gewöhnlichen Versuchs.

    Doch kaum wagten wir so flüchtig diese großen Geheimnisse zu berühren, da alle die namhaft gemachten Erscheinungen so sehr nach allen Seiten sich verbinden und in so verschiedene Zweige auslaufen. Gelingt es uns einst, diese Geschichte bis zu der Zeit und zu den mannichfachen Bedingungen fortzuführen, in und unter welchen menschliches Leben besteht, gewiß werden wir dann unsere Gedanken noch in vielem zu erweitern und zu berichtigen finden, oder in einem höheren Licht darzustellen.

    Es sey daher nur noch eine Frage verstattet, durch welche der Grundgedanke an Deutlichkeit gewinnen mag. Warum rufen dem Menschen alle höheren Lehren so einstimmig zu, sich von sich selbst zu scheiden, und geben ihm zu verstehen, daß er dadurch alles vermögen und in allen Dingen wirken würde, warum anders, als weil er dadurch allein jene Jakobsleiter himmlischer Kräfte in sich herstellte. Den Menschen hindert das In-sich-gesetzt-seyn; ihm hilft das Außer-sich-gesetzt-werden, wie es unsere Sprache herrlich bezeichnet; und so sehen wir denn, um jetzt nur bei geistigen Hervorbringungen stehen zu bleiben, wie die innere Freiheit und Unabhängigkeit der Gemüthskräfte auch alle geistige Schöpfung bedingt, wie befangene Menschen in dem Verhältniß, als sie dieß sind, zur geistigen Produktion immer untüchtiger werden, und nur, wer jene göttliche Zweiheit in der Einheit und Einheit in der Zweiheit sich zu erhalten weiß, auch jener spielenden Lust und besonnenen Freiheit des Schaffens theilhaftig ist, die sich gegenseitig fordern und bedingen.

    Jene spielende Lust im ursprünglichen Leben Gottes haben die Morgenländer wohl erkannt, welche sie ausdrucksvoll die Weisheit nennen, wie sie diese darstellen als einen Glanz des ewigen Lichts, einen fleckenlosen Spiegel der göttlichen Kraft und (der leidenden Eigenschaften wegen) ein Bild seiner Gütigkeit. Es ist verwunderungswerth, wie sie diesem Wesen überall mehr eine leidsame als eine thätige Natur zuschreiben, weßhalb sie es nicht Geist, auch nicht Wort (oder Logos) nennen, mit welchem später die Weisheit oftmals, aber unrichtig verwechselt worden, sondern ihm einen weiblichen Namen beilegen. Durch dieß alles andeutend, daß es gegen das Höhere nur ein leidendes, empfängliches Wesen sey.

    In jenem göttlich geachteten und wahrhaft göttlichen Buch, das die Weisheit redend einführtSprüche Salomonis, Kap. 8., wird sie einem Kind verglichen; denn wie ein Kind selbstlos zu nennen ist, wenn in der frühesten Zeit zwar alle innerlichen Kräfte in naturgemäßer Wirkung und holdem Wechselspiel sich gegenseitig erregen, aber noch kein Wille, kein Charakter, kein sie zusammenhaltendes und beherrschendes Eins sich eingefunden, so ist jenes erste Aeußere von Gott an sich selbst eine bloß leidende, unausgesprochene Einheit und willenlos; daher auch jenes Schaffen oder Erzeugen von Bildern nur Spiel oder Lust ist.

    Die Weisheit spielte — nicht auf der Erde, denn diese war noch nicht, sondern - auf der Erde Gottes, auf dem, was Ihm Grund und Boden ist; aber ihre vorzügliche Lust war schon in dieser frühen Zeit jenes Geschöpf, das, weil erstes Band zwischen Natur und Geisterwelt, eigentlich die Fortpflanzung der anziehenden Bewegung bis ins Höchste vermittelte. Der Mensch ist eigentlich der Verknüpfungspunkt des ganzen Weltalls, und man kann insofern wohl sagen, daß in ihm eigentlich alles ersehen worden.

    Ueberflüssig wäre zu erinnern, daß unter der Weisheit in jener Stelle jene allgemeine Seele (A3) verstanden wird, die der Natur und der Geisterwelt einwohnend und wieder über beiden schwebend die leitende Kette der allgemeinen Empfindlichkeit zwischen dem Obersten und Untersten ist. In so früher Zeit also spielte diese wie in einem Jugendtraum goldener Zukunft dem Höchsten vor, was einst seyn würde. Doch wie die Zeiten der Unschuld nicht bleiben, wie Spiele der Kindheit, in denen das künftige Leben sich vorbildet, vergänglich sind, so konnte auch jener selige Göttertraum nicht dauern. Alles bloß keimliche Leben ist an sich selbst voll Sehnsucht und verlangt aus der stummen wirkungslosen Einheit in die ausgesprochene wirkende erhoben zu werden. So sehnsüchtig sehen wir die ganze Natur, so inbrünstig saugt die Erde Himmelskraft an sich, so strebt das Samenkorn nach Licht und Luft, um sich einen Geist zu ersehen, so wiegt sich die Blume im Sonnenstrahl, um ihn als feurigen Geist, als Farbe widerzustrahlen. Eben also jenes spielende Leben, und je höher es sich entfaltet, desto inniger ruft es das Unsichtbare an, daß es sich seiner annehme, sich anziehe und erkenne als sein eigen, und die an der Kette der Wesen wie in einer Tonleiter auf- und absteigende Weisheit klagt verlassen das Loos ihrer Geschöpfe, und daß die Kinder ihrer Lust nicht bleiben, sondern in immerwährendem Ringen sind und im Ringen wieder vergehen.

    Diese stets wiederholte, immer wiederbeginnende Bewegung der ewigen Natur läßt sich daher ansehen als eine unablässige Theurgie. Sinn und Zweck aller Theurgie ist kein anderer, als die Gottheit herabzuziehen gegen das Untere (coelo deducere numen), gleichsam die leitende Kette herzustellen, durch die sie vermocht würde, in die Natur zu wirken.

    Schon haben wir gesehen, wie die von unten aufsteigende Bewegung auf die Seele des Ganzen (A3) sich fortgepflanzt, indem das Mittlere (A2) sie gegen Sich und dadurch vom Höchsten abzieht. Unstreitig nur, wenn das, was der lauteren Gottheit unmittelbares Seyn ist, von ihr abgezogen wird, fühlt sie es als solches; wie wir, was untrennlich mit uns eins scheint, haben als hätten wir’s nicht, wird es uns aber entzogen, dann erst empfinden als das unsere. Aber daraus folgt nicht, daß die Gottheit nun vermocht werde oder gar genöthigt sich zu äußern oder das Seyn an sich zu ziehen: wäre dieß, dann wäre sie nicht die ewige FreiheitHier stehen am Rand als Bemerkung zum Behuf weiterer Bearbeitung die Worte: »Hieher gehört durchaus über Seyn, Daseyn, Existenz«. Aehnliche Notate finden sich übrigens mehrere in der Handschrift. D. H..

    Bis jetzt wurde die naturlose Gottheit betrachtet als Wille, der nicht will, und so konnte sie auch immer angesehen werden, da sie sich auf jeden Fall gegen das Seyn als eine solche verhielt. Aber eben weil sie diese höchste Lauterkeit ist, und ohne Aufhebung derselben, verhält sie sich gegen anderes (gegen das Seyn) nothwendig auf entgegengesetzte Weise. Dieses also klar zu machen, ist jetzt die nächste Forderung.

    In der lauteren Gottheit ist kein Werden; sie bleibt, was sie ist, in sich; aber eben in diesem Bleiben ist sie gegen das äußere Seyn nothwendig zweierlei. Denn inwiefern sie das an sich selbst weder Seyende noch Nichtseyende ist, verneint, sie durch ihr Wesen, ihre Natur schon, alles äußere Seyn, freilich vorerst nur stillschweigender Weise, kommt aber ein solches Seyn zu ihr hinzu, und wird ihr angemuthet es zu erkennen, dann nothwendig auch ausdrücklicher oder thätiger Weise. Sie ist schon immer das Nein alles äußeren Seyns; nur daß sie jetzt als solches wirkt, offenbar wird, macht das äußere Seyn. Nur der Bezug wird gegeben, in dem sie als das, was sie ist, auch erscheint. Es ist ein Werden, aber nicht ein Werden in Ansehung ihrer selbst, sondern nur in Beziehung auf das Seyn. Alles Werden überhaupt ist von der lauteren Gottheit nur im Verhältniß (σχετικῶς, wie die alten Theologen sagen), nicht schlechthin oder in Ansehung ihrer selbst zu nehmen.

    Unmittelbar also, mit dem Bezug des äußeren Seyns zu ihr, ohne Wandel oder Veränderung in ihr selbst, ist sie gegen dasselbe verzehrendes Nein, ewige Zornes-Kraft, die kein Seyn außer sich duldet. Umgekehrt also läßt sich auch sagen: diese Zornes-Kraft ist nicht bloß eine Eigenschaft, ein Princip oder Theil von ihr, sondern die ganze Gottheit, sofern sie in Sich besteht und das wesentlichste Seyn ist; denn es ist von selbst klar, daß dieses wesentliche Seyn ein allem andern unnahbares ist, unwiderstehliche Schärfe, ein Feuer, in dem nichts leben kann. Da sie jedoch als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende gegen das äußere Seyn nothwendig verzehrendes Nein ist, so muß sie, wohl zu merken, dieß vorausgesetzt, zwar nicht mit gleich ursprünglicher Nothwendigkeit, aber jenes vorausgesetzt doch nothwendig (denn sonst wäre sie — nicht der Wille, der nicht will, sondern — der nichts wollende, verneinende Wille, also bestimmter Wille) sie muß also nothwendig auch ewiges Ja seyn, bekräftigende Liebe, Wesen aller Wesen. Sie ist dieß ohne Wandel oder Wechsel in ihr selbst, nicht weil ihre Lauterkeit aufgehoben, sondern eben weil sie diese höchste Lauterkeit und Freiheit ist. Sie ist es ohne alle Bewegung, in der tiefsten Ruhe, unmittelbar durch sich selbst. Hinwiederum also ist auch diese Liebe nicht eine Eigenschaft, ein Theil oder ein bloßes Princip von ihr, sondern sie selbst, ganz und ungetheilt.

    Aber eben weil sie die ganze und ungetheilte, das ewige Ja und das ewige Nein ist, ist sie auch wieder weder das eine noch das andere, und die Einheit beider. Es ist hier keine eigentliche Dreiheit außereinander befindlicher Principien, sondern die Gottheit ist, als das Eins, und eben weil sie das Eins ist, sowohl das Nein, als das Ja und die Einheit von beiden.

    In diesem Ja und jenem Nein liegt jene Abstoßung und Anziehung, die wir früher als zum Bewußtseyn nothwendig gefordert. Als Nein ist die Gottheit ein an- und in sich ziehendes Feuer; als das Ja aber ist sie Ursache jenes liebevollen Abhaltens, wodurch in der Einheit die Zweiheit erhalten wird, und in diesem Anziehen und Abstoßen steigert sie sich zur Einheit von beiden, d.h. zum höchsten Bewußtseyn.

    Eben weil die ewige Freiheit, kann sie sich gegen das Seyn nur als Nein, als Ja, und als Einheit beider verhalten. Denn es muß ausdrücklich erinnert werden, daß diese Unterschiede keine Unterschiede des Wesens, sondern nur des Verhaltens, der Beziehung des Einen Wesens gegen das Seyn sind. Aber auch umgekehrt, nur weil sie gegen das Seyn sich so verhält, ist sie die ewige Freiheit. Wäre sie bloß Ja oder Nein, so müßte sie sich auf eine oder andere Weise des Seyns annehmen, es bejahen oder verneinen. Daß sie beides ist, und beides gleich wesentlich, das eben macht, daß sie die höchste Freiheit ist. Dieß alles mußte seyn, damit nie ein nothwendiger Grund der Welt gefunden werde, und offenbar hervorleuchte, daß alles, was ist, nur durch den allerfreiesten göttlichen Willen sey.

    Hier ist also auch der Wendepunkt zwischen Nothwendigkeit und Freiheit. Bis hieher war der Fortschritt des Lebens ein nothwendiger; schreitet es von jetzt an fort, so ist dieß nur vermöge eines freien göttlichen Entschlusses. Die Gottheit kann in jenem Gleichgewicht zwischen Anziehen und Abstoßen ruhig beharren; nichts nöthigt sie, es aufzuheben, oder auf die eine oder andere Art aus ihr herauszutreten.

    Wenn also die Gottheit des Seyns sich angenommen, sich thätlich durch es geoffenbart (wie wir denn als wirklich geschehen erkennen müssen), so konnte der Entschluß dazu nur aus der höchsten Freiheit kommen.

    Aber gesetzt nun, daß sie des Seyns sich wirklich angenommen, wie, auf welche Art konnte sie es doch? Sollte sie es in sich ziehen, verneinen als von ihr unabhängiges, äußeres Seyn, oder es bejahen in der Unabhängigkeit von sich? Weder in jenem noch in diesem Fall offenbarte sie Sich als das, was sie ist, als das gleich-ewige Nein und das gleich-ewige Ja. Und doch konnte, wenn sie frei beschloß sich zu offenbaren, der Zweck ihrer Offenbarung kein anderer seyn, denn sich zu offenbaren als die, die frei war sich zu offenbaren und sich nicht zu offenbaren, als die ewige Freiheit selbst.

    Unmöglich also war, daß sie als das ewige Nein wirkend wurde, wenn nicht auch als das ewige Ja und umgekehrt, und doch ist eben so unmöglich, daß ein und dasselbe als Ja und als Nein seyend sey; schlechterdings nothwendig ist, daß die Gottheit sich entscheide, entweder das eine zu seyn, und dann das andere nicht zu seyn, oder dieses zu seyn, und dann nicht jenes.

    Hier ist also der höchste denkbare Widerspruch, der nicht etwa dadurch auszugleichen ist, daß Gott als eins von beiden (als Ja oder als Nein) schon von Natur untergeordnet sey, und also gegen das andere das Verhältniß des nicht-wirkenden annehmen könne. Denn Gott ist gleich wesentlich beides; er muß also auch schlechterdings als beides wirkend seyn.

    Wie ist dieser Widerspruch auszugleichen? Unstreitig nur durch nähere Bestimmung. Wenn Gott als das ewige Nein wirkend, seyend ist (existirt), so kann er nicht als das ewige Ja auch wirkend seyn, oder kürzer, und um auch hier die schon gewohnte Bezeichnung nur im höheren Falle anzuwenden: Wenn B seyend ist, kann A nicht seyend seyn, nämlich als dasselbe, als welches B seyend ist, d.h. nach der Voraussetzung als Vorausgesetztes, Vorangehendes, was aber nicht verhindert, daß A seyend ist als Folgendes, und so auch umgekehrt, wenn A seyend ist (was bis jetzt nicht entschieden ist, was nur angenommen wird, im Fall also, daß A seyend ist), kann B nicht seyend seyn als dasselbe, nämlich als zuerst und jetzt seyendes, was aber nicht verhindert, daß es als folgendes, künftig seyendes sey.

    Doch ist es daran nicht genug, daß wenn B oder A seyend ist, dann A oder B seyend seyn können, sondern, weil Gott beides gleich wesentlich, muß das Verhältniß von der Art seyn, daß Gott als das eine gesetzt, dann eben darum und nothwendig auch als das andere gesetzt ist, nur daß die Existenz des einen Grund der Existenz des andern ist. Allgemein ausgesprochen also löst sich das Verhältniß des Widerspruchs durch das des Grundes, wornach Gott als das Nein und als das Ja seyend ist, aber das eine ist als Vorausgehendes, als Grund, das andere als Folgendes, Begründetes.

    Dabei bleibt aber immer, daß, wenn das eine seyend ist, das andere nicht als dasselbe seyend seyn kann, d.h. es bleibt, daß beide sich der Zeit nach ausschließen, oder daß Gott als das Ja und Gott als das Nein nicht das Seyende derselben Zeit seyn können. Wir drücken uns absichtlich so aus, denn das Verhältniß kann nicht etwa von der Art seyn, daß wenn das Folgende, etwa A, seyend ist, dann das Vorangehende, also B, aufgehoben würde, oder schlechthin aufhörte das Seyende zu seyn; immer und nothwendig vielmehr bleibt es das Seyende seiner Zeit, und A gesetzt, muß B noch immer nur als Vorangehendes bestehen, dergestalt also, daß sie in verschiedenen Zeiten dennoch zumal sind. Denn verschiedene Zeiten (ein Begriff, der, wie viele andere, der neueren Philosophie gänzlich abhanden gekommen) können als die verschiedenen wohl zumal seyn, ja genau zu reden, sind sie nothwendig zumal. Die vergangene Zeit ist keine aufgehobene Zeit; das Vergangene kann freilich nicht als ein Gegenwärtiges, wohl aber muß es als ein Vergangenes mit dem Gegenwärtigen zumal seyn; das Zukünftige ist freilich nicht als ein jetzt Seyendes, wohl aber ist es mit dem Gegenwärtigen als ein zukünftig Seyendes zumal, und es ist gleich ungereimt, das Vergangen-seyn wie das Zukünftig-seyn als ein völliges Nichtseyn zu denken.

    So ist es also nur der Widerspruch in der höchsten Steigerung, der die Ewigkeit bricht und statt der Einen Ewigkeit eine Folge von Ewigkeiten (Aeonen) oder Zeiten setzt. Aber eben diese Folge von Ewigkeiten ist es, was wir insgemein die Zeit nennen. In dieser Entscheidung also schließt sich Ewigkeit in Zeit auf.

    Bei jenem früheren Widerspruch im ersten Nothwendigen Gottes war eine solche Entscheidung unmöglich. Denn dort war kein Wesen, das frei war, ganz das eine (z.B. B) zu seyn, und das andere nicht zu seyn. Dort war blinde Nothwendigkeit und alle Kräfte schon in Wirkung. Dort kam es darauf an, die in einem beständigen Umlauf sich gegenseitig verdrängenden und ausschließenden Kräfte aus dem Nacheinander zur Simultaneität zu bringen, welches nur möglich war, indem sie alle gemeinschaftlich gegen ein Höheres zum Aussprechlichen, zur Totalität ersanken. Hier dagegen ist die Rede von dem höchsten Selbst der Gottheit, das nie gegen anderes zum Seyn werden kann. In jeder seiner Gestalten (man erlaube diesen Ausdruck), als Ja, als Nein und als Einheit beider, kann es nur seyend, wirkend seyn, welches bei dem entschiedenen Widerspruch zwischen Ja und Nein nur durch den Begriff verschiedener Zeiten sich denken läßt. Hier also kommt es vielmehr darauf an, daß die Simultaneität zwischen den verschiedenen Gestalten aufgehoben und in eine Folge verwandelt werde.

    So viel nun von dem, was geschehen müßte, wenn Entscheidung erfolgen sollte; aber das Wie? ist damit noch nicht erklärt.

    Zwar auch im Allgemeinen schon und ohne noch die tieferen Gründe entwickelt zu haben, ist nicht zweifelhaft, was der Anfang oder das Erste seyn werde, ob Gott als das ewige Nein, oder als das ewige Ja. — Denn es ist hier die Rede von der Geburt Gottes auch dem höchsten Selbst nach, oder inwiefern er die ewige Freiheit ist. Nun ist Gott zwar eben als diese Freiheit das ewige Nein alles äußeren Seyns, aber er ist es nicht freier-, sondern nothwendigerweise. Diese Verneinung des äußeren Seyns ist von oder an der ewigen Freiheit selber wieder das Nothwendige. Aber nicht das Nothwendige, das Freie von Gott (d.h. von der ewigen Freiheit) ist das, was eigentlich geboren werden soll. Also kann sich das Nothwendige nur als Grund dieser Geburt und demnach als Vorausgehendes in derselben verhalten. Ueberall hat sich uns das Nothwendige als das Erste (Prius), Freiheit als das Folgende bewährt, oder, was dasselbe sagen will, die Freiheit erscheint überall siegend über die Nothwendigkeit. Wäre Gott zuerst als das Ja des äußeren Seyns und dann als das Nein, so würde im Gegentheil das Nothwendige über das Freie siegen; es wäre ein völlig rückgängiger Proceß. Bei der entgegengesetzten Folge aber wäre ein Fortschreiten von Finsterniß in Licht, von Tod in Leben.

    In demselben Akt also, da Gott sich zur Offenbarung entschloß, wurde zugleich entschieden, daß Gott als das ewige Nein Grund der Existenz des ewigen Ja seyn sollte; es wurde eben damit zugleich bestimmt, daß Gott als die ewige Verneinung des äußeren Seyns überwindlich seyn sollte durch die Liebe.

    Nun läßt sich aber überall in der Gottheit kein Zwang denken, alles muß auf höchster Freiwilligkeit beruhen. Also kann Gott, sofern er das ewige Nein ist, nicht überwältigt, nur durch Güte bezwungen werden, daß er der Liebe nachgibt, Sich zu ihrem Grund macht. So müssen wir uns den Hergang vorstellen, und doch läßt sich dieß nicht als wirklich vorgegangen denken. Denn noch ist Gott als das Ja, als das Nein und als die Einheit beider nur eins; es sind keine geschiedenen Persönlichkeiten. Also kann man sich das alles nur wie im Blitz geschehen denken, da es als ein Geschehenes inbegriffen ist, ohne doch wirklich (explicite) geschehen zu seyn. Vergleichbar ist diese aus der innigsten Einheit kommende Ent-Schließung nur jener unbegreiflichen Urthat, in der sich zuerst die Freiheit eines Menschen entscheidet. Von dem Menschen, der zweifelt, eines oder das andere ganz zu seyn, sagen wir, daß er charakterlos ist; von dem Entschiedenen, in dem sich ein bestimmtes Aussprechendes des ganzen Wesens kund gibt, sagen wir, daß er Charakter hat. Und doch ist anerkannt, daß keiner sich nach Gründen oder Ueberlegung seinen Charakter gewählt hat; er war nicht mit sich selbst zu Rath gegangen; gleichwohl beurtheilt jeder diesen Charakter als ein Werk der Freiheit, gleichsam als eine ewige (nie aufhörende, beständige) That. Mithin erkennt das allgemeine sittliche Urtheil in jedem Menschen eine Freiheit, die sich selbst Grund, sich selbst Schicksal und Nothwendigkeit ist. Aber eben vor dieser abgründlichen Freiheit erschrecken die meisten, wie sie vor der Nothwendigkeit erschrecken, eins oder das andere ganz zu seyn, und wo sie einen Strahl von ihr sehen, wenden sie sich ab wie vor einem alles sehrenden Blitz, und fühlen sich niedergeworfen von ihr als einer Erscheinung, die aus dem Unaussprechlichen kommt, aus der ewigen Freiheit, aus dem, da gar kein Grund ist.

    Das ist unbedingte Freiheit, die nicht für die einzelne That, die ein Vermögen ist, von Widersprechenden das eine oder das andere ganz zu seyn.

    In einem und demselben untheilbaren Akt mußte erkannt werden, daß, wenn Gott sich offenbaren wollte, er sich nur als ewiges Nein, als ewiges Ja und als Einheit beider offenbaren könne; in demselben wurde erkannt, daß diese Offenbarung nur nach Zeiten oder in einer Folge geschehen könne, und daß eben das zum Anfang gesetzt werden müsse, das so eben überwunden worden, das Nothwendige von der Freiheit Gottes, das Nein alles äußeren Seyns und insofern aller Offenbarung (denn ohne Ueberwindung ist kein Anfang): dieß alles war enthalten in einer und derselben Entschließung, zugleich der freiesten und unwiderstehlichsten, durch ein Wunder der ewigen Freiheit, die nur sich selbst Grund, also ihre eigne Nothwendigkeit ist.

    So viel mag von dem Hergang der großen Entscheidung gesagt werden, in der Gott als das ewige Nein, die ewige Strenge und Nothwendigkeit, zum Anfang seiner eignen Offenbarung gesetzt worden.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 79)« (?). Text

    Bis zu dieser That ging die stille Ewigkeit, und in sofern die eigentliche Vergangenheit, die Vergangenheit im höchsten Sinn. Mit jenem Akt fängt schon das laute, wirkliche Leben an, wenn es auch im ersten Moment noch ein in sich verschlossenes ist. Wir könnten daher diesen Akt schon als den Anfang der Gegenwart betrachten, der nur in bezug auf einen spätern Moment derselben Gegenwart wieder zur Vergangenheit wird. Und auch das stimmt ja damit zusammen, daß die Ewigkeit als solche ein leidendes, bloß objektives Leben war, das in sofern selbst unter dem Exponenten des Seyns stand (nur daß sich dieses nicht durch wirkende, sondern bloß durch leidende Nothwendigkeit sich kundgab), daß aber in jenem Akt zuerst ein Subjekt des Seyns und insofern das Ganze unter dem Exponenten des Seyenden gesetzt wird. Da aber das Erste, was als Seyend gesetzt wird, selber nur das verneinende Princip, also das Princip der Vergangenheit ist, so gehört in sofern dieser Akt selber noch zu der Seite der Gegenwart, welche an ihr die Seite der Vergangenheit ist, und die eigentliche Gegenwart ist noch immer nicht erreicht.

    Wie bisher eigentlich nur der Entschluß betrachtet worden, so haben wir noch die That zu betrachten. Der Entschluß (das Aufgeben der Verschlossenheit) ist, wie wir gezeigt haben, der gemeinsame Wille aller Principien. Die That selber ist aber nur des zusammenziehenden Princips, welches aus unergründlicher Tiefe und mit absoluter Nothwendigkeit handelt. Sie ist nur jener unerforschlichen That vergleichbar, womit das menschliche Wesen vor aller einzelnen und zeitlichen Handlung sich zu einem innerlich bestimmten macht, oder sich das gibt was wir Charakter nennen. Wie es im Menschen Gesetz ist, daß diese That, nachdem sie frey gehandelt ist, in unergründliche Tiefe und ganz aus dem Bewußtseyn zurücktrete, damit ewig eine verborgene durch nichts erreichbare Wurzel des Daseyns sey, so folgt jenes Princip nach dem es die That gethan wieder ganz seiner eigenen Natur, und versinkt in die Tiefe und Bewußtlosigkeit seiner selbst. Von nun an hat es keine Freyheit mehr gegen sich selbst, sie werde ihm denn wieder geoffenbart, sondern es wirkt ganz blind, streng-nothwendig, als ob nichts vor ihm wäre. Diese Handlung einmal gehandelt ist ewig gehandelt, und kann nicht wieder zurückgenommen werden. Nur so ist ein Anfang möglich, Anfang der nicht wieder aufhört Anfang zu seyn, der ewiger Anfang ist; der ewige Halt und Grund alles Lebens.

    Der Mensch macht es sich in der Regel mit Erklärung seines Daseyns viel leichter, und wie die Meisten beschaffen sind, haben sie Recht, es so zu nehmen. So sind sie gewohnt, das Daseyn überhaupt als etwas ganz Willenloses anzusehen. Verstehen sie darunter bloß das objektive, potentielle Daseyn, in das sie meist versunken sind, so ist es ja wohl an dem, daß es ohne ihr Zuthun da ist. Kennten sie aber wahres Daseyn, das Daseyn als Subjekt und wollten sie auf dieses Acht geben, so würden sie gewahr werden, daß ein jeder in der That nur soweit da ist als er will und recht eigentlich nur das ist, wozu er sich macht. Ohne Antheil des eignen Selbst gedeiht das beste, das im Menschen der Anlage nach seyn mag, zu keiner Wirklichkeit. Ein Wesen, das sich seiner selbst nicht annimmt, ist als wäre es nicht. Sich selber wollen, sich seiner annehmen, sich in seiner Ganzheit setzen, ist alles Eins, ist allein die thätige, die wahre Existenz.

    Ebenso wenig haben sie einen Begriff davon wie die freye That zur Nothwendigkeit wird. Und dennoch können sie täglich bemerken, wie dem Menschen sein Charakter nur zum Schicksal wird und wie ihm nichts desto weniger die aus ihm folgende Handlung wie eine freye zugerechnet wird. Hier erkennt also jeder eine Tiefe des menschlichen Wesens an, in der die Freiheit zur Nothwendigkeit geworden. Dennoch scheuen sie sich vor dieser Art der Freyheit, wie sie sich vor der Magie, vor allem Unbegreiflichen und besonders der Geisterwelt scheuen. Wo sie daher unverkennbar ein solches Handeln gewahr werden erschrecken sie vor ihm und finden die Kraft nicht ihm zu widerstehen. Das ist der geheime Talisman, die dunkle erschreckende Gewalt, wodurch oft der Wille eines einzigen die Welt vor sich zu beugen vermag. Menschen von solcher Tiefe muß man nicht mit denen verwechseln, die es bloß nach einer solchen Gewalt lüstert, die das Gepräge der Nothwendigkeit in dieser Art zu handeln wohl merken, aber nicht wissen, worinn sein Grund liegt und sie im Äußeren suchen. Weßhalb so verte

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 82)« (?). Text

    Begriffe: ewige Natur, Potentialität, Seynkönnen, Rapport

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 92)« (?). Text

    Bogenzählung IV

    Bogenzählung V

    Begriffe: Seynkönnen, Freyheit zu seyn, Ungrund, Müssende, Einheit/Zweyheit

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 93)« (?). Text

    VIIa. Unterschied des vor und nach

    VIIb Zeugung in 4

    VIII. Nachher. Ersinken in 4

    IX. Untersch˖[ied] des A=B vor 1 und in 4, 5

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 95)« (?). Text

    21)deten Bewegung (Geburt, Kunst) des Herrn in den Hintergrund zurücktretend als Vergangenheit des Herrn (ְהֹוָה אֲחֹרֵי) gesetzt werden kann.

    Was indeß den Engel des Angesichts oder den Engel Jehova insbesondre betrifft, unter dem unsre treuherzigen Alten, obwohl ebenfalls gegen alle Analogie die zweyte Person der Gottheit verstanden glauben wir, daß damit vorzugsweise jenes unmittelbare Werkzeug der Gottheit die Seele (A3) angedeutet werde. So erklärt ihn auch der Verfasser des Buchs der Weisheit, der in offenbarer Beziehung auf die Worte: Ich will meinen Engel vor dir hersenden, die Erlösung des Volks aus Ägypten und seine Führung durch die Wüste der himmlischen Weisheit (K. 10,15. s.) zuschreibt, welche wie wir bald sehen werden Eins ist mit jener allgemeinen Seele.

    Diese kurze Darstellung mag denn wohl hinreichen, Philosophen sowohl als unsre, schon lange nach der Philosophie der Zeit denkenden Theologen zu überzeugen, daß nach den ältesten Urkunden unserer Religion in der göttlichen Individualität noch ganz andre Geheimnisse liegen, als sie in ihrem aufgeklärt sich nennenden, eigentlich aber völlig leeren Theismus wähnen; auch besonders zu zeigen, daß jene Vorstellung von einer noch jenseits der Dreyheit der Personen liegenden Zweyheit in der Einheit des göttlichen Wesens einer ewigen Gegenwart und einer ewigen (ewig dazu werdenden) Vergangenheit in die innersten Fasern der Sprache und der ganzen Vorstellungsweise der alttestamentlichen Schriften verwebt ist, und daß das Neue sie voraussetzt und nur in einzelnen Blicken darauf hindeutet.

    Wir kehren jetzt von dieser Abschweifung zurück in den Zusammenhang der Geschichte. Wir verließen jenes uranfängliche Leben in dem Augenblick, da die Nothwendigkeit in ihm durch die Freyheit überwunden, seine erste Unaussprechlichkeit in die Aussprechlichkeit gelöst worden. Die Unaussprechlichkeit beruhte darauf, daß die verschiedenen Kräfte, sich gegenseitig ausschließend wie Glieder unabläßig sich wiederholender Bewegung aneinander hingen also nicht auseinandergebracht, nicht jedes einzelne frey und für sich seyn konnte. Im Augenblick der Geburt, gleichsam in der Berührung des Höchsten treten sie wie durch eine plötzliche Krise auseinander, eine jede an ihren Ort in ihre eigne Potenz. Aber die Nothwendigkeit ist durch die Freyheit besiegt nicht vernichtet. Der Trieb zu jener Bewegung dauert fort; nur als die blinde besinnungslose ist sie vergangen gesetzt, aber im Augenblick selbst, wo die Kräfte auseinandergesetzt und sich selbst fühlbar werden, empfinden sie auch das Bedürfniß Eins zu seyn und da sie nicht mehr durch eine äußerliche zwingende Nothwendigkeit Eins sind, durch freywillige innere Einheit ein Ganzes zu seyn. Also entsteht unmittelbar in der Scheidung eine neue der vorigen ähnliche Bewegung, die sich von dieser nur dadurch unterscheidet, daß sie freye Lust, Willkühr ist, indeß jene Zwang war und durchaus unwillkührliche Bewegung war.

    Das Urbild dieser höchsten freywilligen Einheit ist der ewigen Natur in jener stillen Ewigkeit gegeben, die sie über sich erkennt, und in welcher sie unmittelbar die Seele (A3) mittelbar aber das Ganze durch sie beseelte Wesen ersieht. In Bestand und voller Wirklichkeit kann diese Einheit nur durch den Geist der Ewigkeit erhoben werden, aber noch ruht dieser in sich, als ein lauteres Wollen. Das hier entstehende Leben bleibt also immer noch ein bloß potentielles, keimliches, und vermöge der Unterordung, in die es getreten, innerhalb der bloßen Möglichkeit stehen. Aber eben darum will es jenen ewigen Willen bewegen, daß er sich seiner annehme, es wirklich erkenne und thätig ausspreche als sein eigenes Leben; und zeigt ihm darinn die Einheit im Bild, deren Urbild, aber noch unbewußter Weise in ihm selbst ist.

    Es entsteht also auch hier ein bloß bildliches Leben, das zwischen dem Urbild und zwischen der Wirklichkeit in der Mitte schwebt. Doch bevor wir diese Bewegung beschreiben, muß Natur und Art jener innern Einheit und Verschmelzung der Kräfte erkannt seyn.

    Jedes Niedere hat in dem zunächst Höheren, seine Einheit, sein Urbild oder daß wir es mit einem volksmäßigen Ausdruck sagen, seinen Himmel. Aber um desselben theilhaftig zu werden muß es den in ihm selbst verschlossenen himmlischen Keim erst enfalten. Dann wann es seinem Höheren entgegenbringt das was in ihm selber jenem ähnlich und himmlisch ist, dann entsteht zwischen beyden ein unmittelbarer Bezug, eine innere Verschmelzung. Das Höchste der untergeordneten Potenz geht unmittelbar in die höhere über, oder ist eigentlich das freywillige Band, das jene mit dieser verknüpft.

    Nun haben wir schon im Vorhergehenden zwar nicht ausgesprochen, aber doch angedeutet, wie jedes der untergeordneten für sich wieder dem Ganzen ähnlich und fähig ist, Ganzes zu seyn. Denn in der ersten Potenz (A=B) z.B. ist zuvörderst die verneinende Kraft, die sich als das Vorausgehende (Prius) und in sofern wieder als erste Potenz des bejahenden Wesens verhält, wie denn dieses in der ersten Potenz wieder die zweyte darstellt. Nun sind die beyden Widerstrebenden nicht todt gegeneinander, sondern in einem lebendigen, beweglichen Gegensatz; je mehr sie aber (auf die Art wie es früher gezeigt worden) zu gegenseitiger Freyheit und Unabhängigkeit gelangen, desto mehr thut sich in ihnen ein Innerstes hervor, das schon immer nur stillschweigend und verborgen ihrer Einheit zu Grunde lag, und was in der ersten Potenz sich als die dritte verhält. Dieses Höchste (A3) der Potenz ist nun aber das lebendige Band zwischen ihr und der höheren; und in dem Verhältniß, als dieses in ihr entwickelt wird, gelangt sie zu einer freywilligen, inneren Einheit mit jener.

    Dasselbe gilt nun wieder auf dieselbe Art von der höheren Potenz (A2). Denn auch in ihr ist ein beweglicher Gegensatz, auch in ihr ist ein Höchstes, das fähig ist wieder dem noch Höheren (A3) unmittelbares Subject oder Gegenbild zu werden, und so durch einen aus jedem der Untergeordneten für sich entwickelten Einklang kann die freyeste und doch innigste unmittelbare Verbindung zwischen ihnen entstehen, die von dem Untersten bis in’s Höchste geht und alle wahrhaft in Ein Wesen verschmilzt.

    Diese Einheit ist es also, welche die ewige Natur in der ewigen Freyheit der Möglichkeit nach erblickt, und gleichwie der bloße Gedanke einer Sache wie sie selbst, der bloße Anblick eines ersehnten Guts wie der wirkliche Besitz zu wirken vermag, so beginnen sie unmittelbar jene freye Bewegung, durch welche diese zukünftige Einheit vorgebildet wird.

    Auf’s neue und sich bewußt zieht also wieder die verneinende Kraft das Wesen in sich, um jenes aufschließende geistige Princip zu zeugen, dem sie sich unmittelbar als Stoff (Materie) hingibt. Dieses aber tritt hinwiederum mit ihr in Spannung und lebendigen Gegensatz, um den in ihr verborgenen geistigen Lebenskeim zu entfalten, und sie dadurch selbst in’s Geistige zu verklären.

    Das innere geistige Wesen der Materie kann auch derjenige nicht verkennen, der sich mit der bloßen Construction der Materie aus Kräften begnügt, da Kräfte doch unläugbar Unkörperliches, insofern Geistiges sind; und also die dynamische Einsicht schon hinreicht jenen groben Gegensatz zwischen Materie und Geist zu zerstören, der eigentlich nur der mechanischen angehört. In sofern ist auch schon für sich klar, daß der gegenwärtige Zustand der jetzigen Materie nicht ihr ursprünglicher sey kann. Es wird sich vielleicht in der Folge noch zeigen, wie dieser Zustand eben eine Folge der Unterbrechung oder Aufhebung jener leitenden Verbindung mit dem Höheren ist, wo sie dann, wie durch eine isolirende Schicht getrennt von dem, was sie in’s Geistige erhebt, ihrem eignen verfinsternden und coagulirenden Princip anheimfallen mußte. Indeß wohnt auch der jetzigen Materie noch von ihrem Ursprung her die Fähigkeit bey in’s Geistige erhöht zu werden, nur daß dieses durch einen noch vermittelten viel verwickelteren und langsameren Proceß geschehen muß, und wo sie nur von jenem äußeren Druck einigermaßen erlöst, zeigt sich obwohl unter beständiger Veränderlichkeit jenes Innerste, das weder Leibliches noch Geistiges sondern zwischen beyden (A und B) in der Mitte stehend, als ein geistig-leibliches Wesen, erscheint.

    Wer einigermaßen seyn Aug für die freye Betrachtung natürlicher Dinge geübt, weiß, daß sie nicht durch dasjenige allein ausgezeichnet sind, was zu ihrem Daseyn schlechthin nothwendig erfodert wird; es ist auch noch ein Anderes in ihnen und um sie, das ihnen erst den vollen Glanz und Schein des Lebens ertheilt: ein Überflüssiges spielt gleichsam um sie und umströmt sie als ein zwar ungreifliches aber doch nicht unmerkliches Wesen. Es ist zugleich das Offenbarste und Verborgenste. Sollte dieses durchblickende durchscheinende Wesen nicht eben jene innre geistige Materie seyn, die noch in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt und nur auf ihre Befreyung wartet. Unter den körperlichsten Dingen wurden vorzugsweise die Metalle deren eigenthümlicher Glanz von jeher den Blick der Menschen bezauberte als einzelne in der Materie aufglimmende Lichtfunken dieses Wesens betrachtet; aber wie ein allgemeiner Instinct ahndete es im Gold, das durch die mehr leidenden Eigenschaften, die fast unendliche Ausdehnsamkeit und die Weichheit und fleischähnliche Zartheit, dieses mit der größten Unzerstörlichkeit verbindet, das dem geistig-leiblichen Wesen verwandteste schien, und das sogar durch eines jener scheinbar zufälligen Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben von allen Völkern zur Bezeichnung des glücklichen Weltalters der ruhigen Eintracht aller Dinge gebraucht worden.

    Doch natürlich am meisten in der organischen Schöpfung nähert sich dieß geistig-leibliche Wesen der Wiedergeburt. Es ist das Oel, wovon das Grün der Pflanzen gesättigt wird, der Balsam des Lebens, wovon die Gesundheit ihren Ursprung hat; es ist erkennbar im Durchscheinenden des Fleisches und der Augen in jenem unläugbar physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig, befreyend auf uns wirkt, ja unstreitig selbst in dem Unfaßlichen, das in der höchsten Verklärung menschlicher Leibhaftigkeit als Anmuth überströmt und von der Barbar selbst unwillkürlich gerührt wird, wie das Erstaunen, in welches vollendete Schönheit den Gebildeten setzt, großentheils in dem dunklen Gefühl liegt, daß sie uns die Materie in ihrem göttlichen und Urzustand vor Augen bringt. Ja als wäre es der Gegenstand der ursprünglichen Liebe, so zieht es auch jetzt eigentlich die Liebe an sich, und ist weil immer nur sich zeigend aber nie zu ergreifen noch zu besitzen, das eigentliche Ziel der nie gesättigten Neigung.

    Nur ein solches, geist-leibliches Wesen kann es seyn, das zwischen Geist und Körper vermittelndes Glied, ewig lebendiges Band ist. Alle noch so künstlich ersonnene Systeme zwischen Geist und Körper lassen den Stachel des Zweifels zurück; das einzig dem natürlichen Denken gemäße bleibt jenes Verschmähte des sogenannten physischen Einflusses, das freylich verlassen werden mußte, nachdem Geist und Körper in einen unheilbaren, keine Annäherung zwischen beyden zulassenden, Gegensatz gebracht worden. Es ist wahrhaft Ein und dasselbe, das von der Einen Seite in’s Leibliche von der andern in ein geistiges Wesen ausgeht, und der ganze Lebensproceß scheint nur auf dieser Zweyseitigkeit dessen zu beruhen, was wir

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 96)« (?). Text

    22)gewöhnlich Materie nennen. Aus dem Körperlichen selbst steigt beständig ein Bild oder innrer Lebensgeist auf, der durch einen umgekehrten Proceß immer wieder verleiblicht wird.

    Der Glaube an die allgemeine Fähigkeit der Materie, wieder in’s Geistige erhöht zu werden, hat sich durch alle Zeitalter mit einer Beständigkeit erhalten, die allein schon auf die Tiefe seines Grundes schließen ließe. Den gewöhnlichen beschränkten Begriff der Alchemie muß man dem Pöbel überlassen; übrigens ist er bey weitem allgemeiner als gedacht wird. Was geht bey der Verdauung und Aneignung der Nahrungs-Mittel vor, da aus den verschiedensten Substanzen immer dasselbe bereitet wird und jeder Theil das eben ihm Gemäße herausnimmt; die Kunst die das wirkt, ist eine wahre Alchemie. Aber überhaupt jeder Bildungsproceß, sey er daß Wahrheit von Irrthum, Schönheit von anhangender Unvollkommenheit befreyt, sey es daß unser Wesen sittlich geläutert werde, dieß alles kann nicht ohne eine wahre Alchemie geschehen. Die verstanden, was sie suchten, suchten nicht das Gold, sondern so zu sagen das Gold des Goldes oder was das Gold zu Gold macht, d.h. etwas weit Allgemeineres. Wenn es nämlich nur eine in Bezug auf die Materie äußere Potenz ist, wodurch sie (die an sich geistige) zu dem finstern Wesen zusammengezogen ist, so muß es auch eine derselben entgegengesetzte Potenz geben, durch welche wenn sie in der Hand des Menschen wäre, die Wirkung der äußern Kraft entweder aufgehoben oder doch bis zu einem gewissen Grade überwunden werden könnte. Kann nun alle Materie dem innern Wesen nach nur Eine seyn und beruht die Verschiedenheit zwischen körperlichen Dingen derselben Stufe vielleicht nur auf dem höheren oder geringeren Grad der Verborgenheit jenes ursprünglichen Wesens, so wäre es ja wohl möglich, durch eine allmälige Überwindung der verdunkelnden Kraft weniger edle Stoffe in edlere und so zuletzt in den edelsten zu verwandeln, obgleich dieß nur die sehr untergeordnete Anwendung eines weit allgemeineren Vermögens seyn würde, und auf jeden Fall der, der einen solchen Gedanken behauptet, darum keineswegs den Versuch der Ausführung zu billigen braucht. Denn frey ist das Reich des Gedankens und wer fragt, was an sich möglich fragt nicht, was beziehungsweise thunlich, was sonst räthlich und in andrem Betracht vernünftig seyn mag.

    Dieß zum Theil zur Erklärung in welchem Sinn wir jenes frühe Daseyn der Materie behaupten. Es hat von jeher Viele gelüstet, in dieß stille Reich der vorweltlichen Zeit zu schauen und so im eigentlichen Verstand hinter den großen Proceß zu kommen, von dem sie theils mithandelnde theils mitleidende Glieder sind. Aber den Meisten fehlte die nöthige Verläugnung und Gelassenheit, indem sie das Ganze gleich mit den geistigen Begriffen erfassen zu können meynten und die stummen Anfänge alles Lebens überspringen wollten.

    Was ist es übrigens, das die Meisten so sehr an der Materie beleidigt? Am Ende ist es doch nur die Demuth der Materie, die ihnen so zuwider ist. Aber eben diese Gelassenheit zeigt, daß sie noch etwas von den Eigenschaften jenes Urstoffs in sich hat, der nach außen leidend, aber in sich und bezogen auf alles später Gewordene Geist und Leben ist.

    Es ist leicht die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen aller neueren Philosophie in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wonach z.B. alles was nicht seyend Nichts, was nicht geistig im höchsten Sinn materiell, was nicht sittlich frey also bald mechanisch, was nicht intelligent verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber grade die wichtigsten, ja die einzigen eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nur nach dem (mißverstandnen) Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles den Sophisten gleich zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreyenden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.

    Zuerst also nachdem die Kräfte der ewigen Natur gegeneinander frey und in einem solchen Verhältniß sind, das Wirkung und Gegenwirkung verstattet, tritt die unterste (verneinende Potenz mit der zunächst höheren in Spannung und es beginnt zwischen beyden der wonnevollste Streit. Denn jenes Princip, durch dessen geistigen Hauch und Antrieb allein alles in der Natur ersteht, obgleich es selbst nur Werkzeug jener allgemeinen Seele ist und allen Antrieb von ihr empfängt, sucht die verneinende Kraft in dem jetzt gegen sie zur Materie gewordenen sanft zu überwinden, das geistige in ihr frey zu machen und so endlich jenen innren Verklärungspunct (A3) in ihr aufzuschließen, durch den allein sie fähig ist, mit dem Geistigen Eins zu werden. Nun widersetzt sich die verneinende Kraft dieser Scheidung lediglich damit ein Streit sey und beyde sich gegenseitig mit Wonne empfinden und nur unter beständigem Gegenstreben wird sie von der höheren Macht sanft und allmälig überwunden. So gefällt sich hinwiederum das aufschließende Princip in einer stufenmäßigen Überwindung, wodurch sie dem innern Wesen der Materie immer näher tritt und entfaltet so in ruhiger, besonnener Lust, nach Stufen und Absätzen doch immer nach dem Urbild, das sie in der Einheit (A3) erblickt die in der Natur verborgene Wunder bis zu der holdseligen Gestalt jenes ersten Geschöpfes das einst der Mittler zwischen Natur- und Geisterwelt seyn sollte, und durch welches auch jetzt die untergeordnete Potenz in die freyeste und innerlichste Einheit mit der höheren tritt.

    Aber wie dieser das Princip der zukünftigen Natur zur Materie wird so behandelt wiederum die über beyden schwebende Potenz (A3) das Princip der künftigen Geisterwelt als einen Stoff ihrer freyen Lust, und sucht auch in ihr dasjenige zu entfalten, wodurch sie des unmittelbarsten innigsten Bezugs zur Natur fähig ist. Denn jene allgemeine Seele will unmittelbar und zunächst nur die Einheit der beyden Entgegengesetzten, denn weil nur in dem Verhältniß als beyde innerlich und von sich selber Eins geworden sind, auch sie selbst als freye Einheit beyder aufgehen kann. Ebendas wodurch die Geisterwelt unmittelbares Subject jener allgemeinen Seele wird, eben dieß ist es auch, wodurch sie in den unmittelbarsten Bezug zu der Natur kommt. Denn nur das höchste und innerste Geistige (A3) in ihr ist das, was des unmittelbaren Bezugs zu ihr fähig ist. Aber dieses höchste Geistige wird nur in dem Maß aus ihrem Innern hervorgerufen, als die beyden Kräfte in ihr geschieden und gegenseitig frey werden. Nun ist es die verneinende Kraft (B), die in ihr verborgen und unwirkend gesetzt ist. Um sie also bis in’s tiefste Verborgenste und Innerste zu entfalten, muß jene schöpferische Potenz in ihr die Kraft der Finsterniß aus der innersten Tiefe hervorrufen und allmälig in Wirkung setzen. Nicht daß das bejahende Princip ihr unterworfen werde, sondern daß eben die höchste wirksamste Kraft der Selbstheit und Finsterniß dennoch von Lust und Liebe umfangen sey. Denn gleichwie das in der Natur eingeschloßne Seyende, wenn auch aus der Tiefe erweckt und zur völligen Freyheit gebracht und zur reinsten Geistigkeit erweckt doch immer innerlich bleibt und als ein nur in jener Verneinung aufgehendes erscheint, also von dieser immer noch wie von seiner Fassung gehalten ist: so kann die Erweckung des

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 112)« (?). Text

    Nun die Deduktion des Sohns. X. aber belebter. – X oben.

    Also

    3) die Kräfte des Seyns – jenes ### nicht vernichtet als Kräfte also als Vergangen, inwiefern activ, Kräfte; – aber nicht inwiefern passiv oder umgekehrt als Vergangenheit – noch allerd˖[ings] Kräfte, sonst sänke ja alles zurück, aber als Gegenwart nur überwältigtes – Mat. (Materie und zurückged. als nichtseyend ges. Kraft ist Eins) – Nun aber reagirend und doch das Sey. ins Geist. verklärt nur in dem Verh. als sie Vergangen und noch immer d. Freye in ihm gefangen. Also, weil ihre Gegenwart auf ihrer Einheit beruht – immer mehr geschieden. Reaction dagegen (Freyheit des Vaters vom Sohn und des Sohns vom Vater) – Perioden =Zeit.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 81)« (1813 - 1815). Text

    Nun kann aber doch das Leben in diesem Zustand nicht bleiben. Denn ewiger Streit, ewige Qual und Angst ist undenklich. Wie also wurde das Leben von der Unseligkeit des Umtriebs erlöst und in die Freyheit geführt?

    Es läßt sich wohl keine Möglichkeit denken, als daß jenes verborgene Wesen, das in den drey Gestalten sich zu verwirklichen trachtet, das seyend Seyn aufgebe, sich erkenne, nicht als überall nichtseyend, denn dieß wäre wohl undenkbar, aber als nicht das Seyende seyend. Denn so alsdann fällt die Nothwendigkeit des Ineinanderseyns der drey Gestalten hinweg; will jener verborgene Geist (den wir bis jetzt durch A0 bezeichnet) als solcher sich erheben zum Wesen oder Seyenden, so ist ihm dieß unmöglich, er sey denn, in Einem Puncte das nicht Seyende oder das Seyn (a=b), das Seyende (a2) und das weder Seyende noch nicht Seyende. Gibt er aber das eigene Leben auf, so kann er die drey Gestalten des Lebens frey lassen, daß sie dem Streit entkommen.

    Nun ist die natürliche Empfindung des Wesens, das in jenem Umtrieb sich gebären will, die Angst, da es auch das nun in Sucht und Begierde bestehende Leben nur im Streit fristet und immerfort zittert hereinzudringen in die Wirklichkeit und doch stets vor den Pforten derselben stehen bleibt. Vergleichbar ist vielleicht nur jene unerklärliche Angst in der sich reizbare Mütter im ersten Zeitraum der Ausbildung der Frucht befinden, da auch ein Sterben vorgehen muß (nämlich der ersten Einheit) und die wohl nichts anderes ist als die Noth des ersten Übergangs aus dem Successiven in’s Simultane, und die sich auch nur mit Ersterben eines zur Unterordnung bestimmten Princips zu enden scheint. Nun ist die Angst immer im Steigen, und die nach Seyn ringende Natur fühlt wohl daß sie ihr Leben aufgeben müßte, vielleicht müßte um es in höherer Art wieder zu gewinnen; es erwacht ihr die Sehnsucht nach dem Tod; sie wollte gern sterben; aber sie kann nicht sterben, ist zwischen Tod und Leben in der Mitte; der schrecklichste aller Zustände.

    Für uns nun ist schon aus frühern Betrachtungen (selbstische Beg˖[ierde)] einleuchtend, daß jenes Wesen nicht seyend werden, sein Leben aufgeben könne, nicht schlechthin, sondern nur gegen ein anderes, dem es das Seyn werde, so wie dieses ihm das Seyende.Aufgeben Einheit der drey Gestalten zu seyn, nur wenn sie eine höhere gewinnen Von welcher Natur nun jenes höhere seyn müßte, kann auch nicht zweifelhaft seyn. Es müßte das seiner Natur nach Seyende seyn, aber noch nicht als solches seyn, kein Seyn als solches haben, ebendamit ihm jenes Erste zum Seyn werden könnte.

    Woher nun aber dieses Andre und Höhere? Denn eben die ewige Freyheit, außer der Nichts ist, hat in der Selbstanziehung zuerst Seyn oder Natur angenommen, und ist jene nach Verwirklichung ringende Natur. Wie kann also etwas Andres oder Höheres außer dieser Natur seyn? Hierüber nun zeigt sich dem tieferen Forscher folgender Aufschluß.

    VI)Als die ewige Freyheit aus unbedingter Selbstmacht Sich sich selbst anzog, da fiel sie aus der Seynlosen Lauterkeit in das Seyn, und obwohl sie dem Wesen nach (wie wir gefunden) auch in diesem nicht aufhörte, die ewige Freyheit zu seyn, war sie doch dem Seyn nach als solche gleichsam gestorben, obwohl sie strebte, auch im Seyn noch als die ewige Freyheit zu seyn, sich als solche zu verwirklichen, damit also, mit der Anziehung ihrer selbst hatte sie sich gleichsam abgeschlossen von ihrem höheren Wesen, sie war wie eine von Sich gekommne Natur, die vergeblich ringt, sich in ihrer Freyheit wiederherzustellenAls Fall immer gedacht. Aber unmöglich €ist\atop war€, daß die ewige Freyheit schlechthin sterbe sondern indem sie so aus ihrer Gleichgültigkeit gewichen, und in eine Gestalt sich eingeschlossen mußte sie in einer andern und höheren Gestalt sich über sich selbst erheben; das Sinken in’s Seyn wurde Grund einer gleichzeitigen Erhebung oder Steigerung; nun mußte sie nach dieser ihrer höheren Gestalt in’s Verborgene zurücktreten, indeß sie mit der in Selbstanziehung angenommenen Gestalt offenbar und äußerlich stehen blieb. Da sie nämlich doch auch ein Sey˖[endes] wenn gleich des geringsten Grads durch diese Etwas d.h. ein zum Theil Seyendes zum Theil nicht Seyendes – im Ganzen also doch ein nicht Seyendes wurde, so konnte sie sich gegen diese zunächst nur zum schlechthin und an sich selbst Seyenden steigern; nicht aber als dieses schlechthin Seyende wieder seyn, denn dieß war nur möglich, wenn ihm das nicht Seyende, das doch seyend seyn wollte, zum Seyn wurde und also das eigene Leben aufgab.

    Wenn wir also die ewige Freyheit als das schlechthin, (obwohl noch verborgener Weise) Seyende durch A2 erkennen müssen: so war dagegen dieselbe, sofern sie das Seyn sich zugezogen hatte und in diesem Seyn (im A=B) war, zwar gegen A=B = A0 nicht, wie bis jetzt angenommen war, die Potenzlose Freyheit (A0), sondern schon, obwohl sich selbst und uns unbewußt A1, bestimmt, einst dem an sich Seyenden zum Seyn zu werden. Sich unbewußt; denn sie wollte die Potenzlose seyn, sich als solche im Seyn verwirklichen. Erkannte sie sich als A1 so gab sie auch unmittelbar auf, das Seyende zu seyn und gab sich dem eigentlich Seyenden zum Seyn hin.

    Nun ist sie aber in jener nächsten Steigerung doch nur das an sich Seyende, da sie ursprünglich das an sich weder Seyende noch nicht Seyende ist. Nothwendig also und aus demselben Grund aus welchem sie gegen Sich selbst als nicht Seyendes (A=B), sich zum Seyenden (A2) erhebt, steigert sie sich gegen beyde zum an sich weder Seyenden noch nicht Seyenden (A3) und dieß alles ist nur Ein Act. Nur mußte sie als dieses in eine noch größere Tiefe und Verborgenheit zurücktreten. Denn wie sie als das an sich Seyende wieder seyn, sich offenbaren, konnte nur insofern das nicht Seyende (A=B) sich wirklich erkannte als Seyn, (als Seyendes nur der ersten Potenz, als A1): so konnte sie als das an sich Seynlose (A3) nicht offenbar werden, als durch das Seyende und nicht Seyende, d.h. nur nachdem das Seyende offenbar war. Da aber dieses in der Verborgenheit blieb, mußte sie als das ganz Seynlose (A3) nothwendig noch in tieferer Verborgenheit bleiben, wo das schlechthin Seyende, dessen Seyn ihr Seyn ist, einstweilen nur ihr verborgenes, stilles, unoffenbares Seyn war.

    Einleuchtend ist nun hieraus zuvörderstwird hieraus auch, daß die wahre potenzlose Einheit (das wahre A0) nicht bloß die Gleichgültigkeit (Indifferenz) des Anziehenden und Angezognen im Seyn (in A=B), sondern die noch weit höhere der drey Potenzen ist, in die sie unmittelbar nicht durch Theilung (denn sie ist in jeder die ganze) sondern durch Steigerung auseinandertritt, so wie durch die erste (ewige) Selbstanziehung der Anlaß gegeben ist.

    Hieraus erhellt nun erst ganz wie jene ursprüngliche Selbstanziehung ewiger Anfang ist. Denn unmittelbar wie in dieser die ewige Freyheit sich selbst endlich wird, gehen alle Potenzen aus der an sich Potenzlosen auf. Faßte sie sich nicht in dem Seyn, so war kein Grund sich zu A2 und A3 zu steigern. So wie sie aber in’s Seyn, gleichsam unter sich selbst gefallen, erhebt sie sich, als die, die immer oben auf bleiben muß, nie wahrhaft herabsinken kann unmittelbar zur höchsten Potenz. Hierdurch wird auch ein Anderes klar, was alle tieferen Forscher nothwendig (wenn es auch nicht ausgesprochen worden geirrt. Wenn die an sich über alles Seyn erhabene Gottheit in das Seyn kommt, so kann dieß für sich betrachtet nur als ein Herabsteigen, ein Fallen erscheinen. Daß alles Seyn rein als solches ein unseliger Zustand, ist Ein Laut in indischer Weisheit und griechischer GeheimLehre. Uns allen wohnt ein Gefühl bey, daß die Nothwendigkeit dem Seyn als sein Verhängnis folgt, nur über dem Seyn wohnt die wahre die ewige Freyheit So war und ist es denn auch gewöhnlich genug, das Hervortreten der Einheit in die Zweyheit als ein Herabsinken in einen tieferen Zustand anzusehen, und wer möchte dieß bestreiten, wenn er bloß ebendieses vor Augen hat, wenn er nicht auf das Fortschreitende und Aufsteigende der ganzen Bewegung sieht. Aber das göttliche Leben ist nicht der einzelne Augenblick dieser Bewegung, sondern die ganze Fortschreitung; und Gott ist daher vom ersten Beginn derselben in einer beständigen Erhebung selbst das Herabsteigen in das Seyn, das Natur Annehmen ist nur der Beginn jener Erhebung.

    Wem indeß jener große Vorgang nicht durch den Begriff der Steigerung hinlänglich deutlich seyn sollte, mag ihn auf folgende Art sich gleichsam versinnlichen: Indem die ewige Freyheit sich selbst an- und in ihrer ganzen Weite gleichsam zusammenzieht, entsteht gleichsam eine Leere, die nothwendig erfüllt werden muß. Sie wird erfüllt dadurch, daß die lautere Freyheit, als die an sich nie untergehen (herabsinken) kann, zugleich und in demselben Act in welchem sie sich zum Seyn zusammenzieht, sich zum Seyenden und Überseyenden steigert.

    Klar daß hiemit Fortschr˖[itt] gegeben ist, da A=B offenb˖[ar], A2, A3 nicht. Also am Anfang der Zeiten was wir wollten und zwar gleich 1) die erste Offenb˖[arung] nicht das H[ö]chste. 2) Der Anfang das Unterste. Der Würde nach. – Jetzt gleich die älteste Zeit zu beschr˖[eiben] da nur A=B offenb˖[ar] das andre verborgen. Warum nicht gleich A2 offenbar? (Jetzt zurück zu IV. NB. A=B oder vielm˖[ehr] A0 in ihr ist ein von sich s˖[elbst] geb. – durch sich s˖[elbst] verfinsterte Natur – dabey aber doch immer noch – in der Finsterniß und Blindheit – die ewige Freyheit die also mit der Finsterniß gleichsam ringend sich als s˖[olches] zu verwirklichen trachtet. Zuerst A=B ### herabsetzen zu a=b. Nun obiges

    Jenes Andre und Höhere also, um jetzt in den Zusammenhang zurückzugehen gegen welches das erste Seyende zum Seyn werden oder ersinken konnte, ist aber im Verborgenen, nicht offenbarer Weise; auch jener nach Wirklichkeit ringenden Natur ist es nothwendig verborgen, ja sie ist sich durch ihr Ringen selbst im Weg’ es zu erkennen und schließt sich immer wieder vor ihm zu; denn sie ist keines andern Bezugs zu ihm fähig, als daß sie ihm das Seyn wird, wogegen es ihr das Seyende. So lange sie also selbst das Seyende seyn, sich als die lautere Freyheit und Ewigkeit außer der nichts ist, verwirklichen will, so lange ist ihr jenes wahrhaft Seyende nothwendig verborgen. Aber wir verließen sie in der Sehnsucht aus dem Drangsal zu entkommen; sie wollte gern das eigene Leben aufgeben und konnte nicht. Aber alle Sehnsucht ist schon als ein sich Hingeben, wodurch ein zuvor verschlossenes Wesen sich schon zur Aufgebung seiner Selbstheit bereitet. Auch jene anfängliche Natur, da sie sich sehnt, von der Nothwendigkeit befreyt zu werden kraft der es streben muß, Seyendes zu seyn, ist der Absicht dem Verlangen nach schon geschieden. Es bedarf nur eines höheren, das ihm das Seyende werde, um völlig die gesuchte Einheit aufzugeben. Aber diese Bereitschaft zur Aufgebung seiner Selbstheit (die potentielle Scheidung) reicht schon hin, eine Annäherung zwischen ihm und jenem bis jetzt noch Verborgenen hervorzubringen, in dem es sein eigentliches wahres Selbst erkennt. Denn dieses höhere, als das seiner Natur nach Seyende, ist ein nackter bloßer Geist, der kein Seyn hat. Nun ist er freylich keines von seinem Wesen verschiedenen Willens fähig, denn er ist selbst und wesentlich Wille; aber eben darum, weil bloßer Wille ist VII)er, ohne sein Wissen, ohne sich dessen anzunehmen, durch sein bloßes Wesen ein Sehnen nach dem Seyn; nicht daß es sich sehnte oder ein Sehnen hätte, sondern er ist selbst und wesentlich Sehnen; wie man sich das nackte lautere Feuer denken mag als ein beständiges Sehnen nach verzehrlichem Stoff durch den es allein wirkliches Feuer werden kann, oder wie älterer Lehre zufolge der Satz an sich selbst ein Fodern des Gegensatzes ist. Es geht nicht bis zur Begierde noch zur That; denn es bedarf zu dem Sehnen nichts als das zu seyn, was es ist, gleichwie das reine elektrische Feuer keiner Bewegung außer sich selbst sondern nur der eignen Reinheit und Abgezogenheit bedarf, um ein Fodern oder Verlangen seines Gegentheils zu seyn: so und nicht anders ist jener lautre Geist an sich selbst und ohne Bewegung ein Sehnen nach dem Seyn, nach einem, das ihm zum Leib zur Erfüllung werden möchte.

    So nun, indem dieses lautere Wesen, obwohl sich unbewußt eine scharfe Begierde nach Seyn ist, jene erste Natur aber schon sich bereitet, ihre Einheit aufzugeben und Seyn zu werden, gibt das gegenseitige Verhalten soviel Bezug, daß sie wirklich wie die zwey elektrische Feuer in einander gehen können, als durch einen Blitz, durch eine plötzliche, aber fortan unauflösliche Verbindung, in der jene uranfängliche Natur zum Seyn ersinkt und Zersprengung die Scheidung (Krisis) jener bis jetzt in Eins gezogenen und darum unter sich streitenden Lebens-Gestalten vor sich geht, und zugleich jener lautere Geist über ihr aufgehe, als ihr wahres Selbst ihr eigentlich Seyendes.

    Doch ist sogleich zu erinnern, daß die Hülfe, welche das Entgegenkommen des Höheren dem Niederen zur Aufgebung seiner Selbstheit gewährt, nur bis zur Möglichkeit geht d.h. nur bis zur Überwindung des Unvermögens, in welchem es sich befindet, sein eigenes Leben aufzugeben, eigentlich also nur bis zur Überwindung der Nothwendigkeit, in welcher es ist, Sich als das Wesen zu verwirklichen. Nun es aber durch Annäherung des Höheren gegen diese Nothwendigkeit in Freyheit gesetzt ist, nun ist es eigner Entschluß und Wille, kraft dessen es sich jenem Geist auf ewig als dessen Seyn unterwirft. So ist in den Uranfängen des Lebens schon Alles auf die höchste Freywilligkeit gegründet. Das Anfängliche oder, wie wir nun wohl sagen dürfen, das natürliche Leben kann ohne höhere Hülfe auch nicht einmal dazu gelangen, dem Höheren sich aufzuschließen und zu unterwerfen.

    Wenn aber die beyden, die wir einstweilen und bis zu näherer Bestimmung Natur und Geist nennen mögen sich verbinden, ist nothwendig daß auch eine Einheit beyder gesetzt sey und zwar weil jedes von beyden selbstständig bleiben muß eine außer ihnen liegende, daß sowohl Einheit sey als Gegensatz, oder damit Einheit und Gegensatz selbst in Gegensatz bleiben. Diese Einheit nun könnte nur das an sich weder Seyende noch nicht Seyende seyn.

    Aber in noch größerer Tiefe der Verborgenheit, als der mit der Natur verbundene Geist, war ja das lautere Wesen der Seynlosen Einheit (A3 ), die nur nicht offenbar werden konnte, ehe das Seyende offenbar war. Jetzt aber da sich dieses mit der Natur verbunden, und dadurch herausgetreten ist in’s Äußere, offenbar geworden als das unmittelbar Seyende der Natur, jetzt kann auch jenes Allerinnerste und Verborgenste über ihnen aufgehen, als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende, das doch als solches ist, ohne Verletzung seiner an sich Seynlosen Lauterkeit, seiner Freyheit von allem Seyn, ohne entweder wie in der Natur (A=B) das nicht Seyende, oder wie im Geist (A2) das Seyende zu seyn, und so durch eine unaufhaltsame Fortschreitung hat sich das ursprüngliche A=A oder das A0 in €\frac{A^3}{A^2 = (A=B)}€ verwirklicht.

    Nun wird niemand anstehen, dieses Ganze, wie wir es hier beschrieben zu erkennen als Ausdruck des Daseyns der lauteren Gottheit, d.h. der Gottheit, inwiefern sie eine ewige Stille und nichts ist als der reineste Wille, die wirkliche ewige Freyheit. Nun verhält sich alles Daseyn, als Gegenwart; keine Gegenwart aber die nicht auf einer Vergangenheit ruht. Also scheint auch jenes Daseyn eine Vergangenheit in sich zu schließen, oder voraus zu setzen, und so haben wir es ja auch wirklich erklärt; die nächste nämlich war das Außereinanderseyn, die Geschiedenheit der drey Potenzen, da die erste (das in’s anfängliche und natürliche Leben hineingerathene Wesen) allein offenbar war, die beyden andern aber verborgen und im Unsichtbaren; die entferntere, da sie überall nicht geschieden, da nichts war als die lautere Potenzlose Einheit und Freyheit (A0).

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 88)« (1817). Text

    Auflistung 1-14

    Begriffe: Zeugung, Rad, Scheidung

    Inhalt: »Gott ist in einem ewigen Actus seiner Selbstverwirklichung«

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 86)« (1817 - 1819). Text

    Bis hieher sind wir der unaufhaltsamen Bewegung ohne Stillstand gefolgt. Nirgends ein Ruhepunct. Jetzt zuerst Etwas, worinn stillstehen, wo sagen, daß Etwas Ist und wozu weit mehr gehört als die Unkundigen sich vorstellen.

    Das also war es im Grund auch was wir suchten.

    Dessen wollten wir gewiß seyn – dieses Wissen.

    Warum bloßes Suchen nach Wissen?

    Der Grund in einer bloß subj˖[ectiven] Unbestimmtheit oder ### חwäre dieß so einmal das Suchen aufhören gesucht. Allein der Gegenst˖[and] s˖[elbst] ein unbestimmter (Freyheit zu seyn) – also ein immer fort und fort sich bestimmender zur letzten Bestimmung aber zu gelangen ist unmöglich ohne durch alle hindurchgegangen zu seyn. Ja wir können noch mehr sagen: der Gegenst˖[and] selbst ist ein suchender – und unser Suchen nach Wissensch˖[aft] trifft mit seinem eignen Suchen zusammen. Unser Suchen ist sein Suchen – sein Suchen unser Suchen. Denn der einzige unm˖[ittelbare] Gegenst˖[and] doch nur jene Freyheit zu seyn, die eine bloße lautere Sucht ist – als Reichthum die höchste Armuth – die etwas sucht, das sie habe – die s˖[elbst] nicht seyn, sich entschieden zum Nichts machen sollte um etwas zu haben – In diesem Haben ein Wissen aber ein Wissen, das das Wesen die Kraft des Seyns s˖[elbst] ist. – und so konnte es zum ewigen Bewußtseyn kommen in 7. Allein das was das ewig Verborgene – nie gewußte seyn sollte – will sich s˖[elbst] als sich s˖[elbst] wissen – und macht hier jenes schon beschriebene Rad – da es das Erkennende und Erkannte in Einem seyn will. Nur gebrochen – jetzt ein Wissen aber ein unwesentliches – das nicht mehr die Macht ist alles nothw˖[endig] zurück verlangt – hier fängt die Philosophie eig˖[entlich] im Gegenstand an. Wir können sie nun mit dem Gegenst˖[and] selbst erzeugen.

    Nun zuerst Darstellung des Unterschieds zwischen dem gegenwärtigen Zustand (dem in 4) und dem ursprünglichen – (vor 1) – und wie hieraus das nothwendige Verlangen des jetzt Objectiven entsteht, wieder in’s Subjective zurückzukommen.

    Beyträge zur Wissenstheorie. – Das nothwendig Endliche ursprünglich Träger von allem (Fichteanismus) dieß Wendepunct unsrer Zeit. Wie könnten wir sonst wissen, wenn das Endliche nicht schon – nicht als ein wirkliches aber doch als ein mögliches – Endliches im Ewigen wäre und eben durch seine Entfernung vom Ewigen sich s˖[elbst] als ein wirkliches hervorbrächte.

    Der Anfang so lang er Anfang (Überanfang) ist weiß sich s˖[elbst] nicht. Geht er davon weg, weiß er sich wieder nicht. Er muß wieder zu sich s˖[elbst] kommen.

    Das allem voraus geht ist auch allein der allgemeine Verstand (Vorstand, understand) Dieses Thun ist in der ganzen Bewegung von Anfang an nicht sowohl ein Wissen – als ein Suchen des Wissens (denn wie sollten wir wissen da nichts eigentlich zu wissen Ist) mithin auch nicht einmal ein Wissen des Wissens als im Ziel.

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 80)« (1820). Text

    III. Κρίσις

    1. A=B quid?

    Eig˖[entliche] Freyheit zu seyn ist nur wo A und B im identischen Gegensatz schweben – daß A0 sich siehet als Können und Seyn zugleich ohne Eins insbes˖[ondere] zu seyn. Denn so wie der Gegens˖[atz] fix geworden, in der wirklichen Anz˖[iehung], ist keine Freyheit mehr. Cfr. Mst. in 4. p. 31 b.*) marg.

    Auch hier die Κρισις nicht etwas auf einmal Geschehenes, Stillstehendes. Sondern daß A=B nun sich überwindlich macht, Κρισις in 4 besteht im Aufgeben der Einheit d.h. eben des Beweglichen, Freyen zwischen A und B

    »Durch die Äußerlichkeit gesetzt seyn des natürlichen Lebens wird der Raum – erfüllt (doch erst, wenn die Zeit als das contrah˖[irende] hinzukommt) durch das Innerlichgesetztseyn eben desselben aber die Zeit erfüllt.

    2. Bedeutung des ganzen €\frac{A^3}{etc.}€

    A=B die gezweyte Natur, in relat˖[iver] Ident˖[ität] also unbestimmt gesetzte (Fortuna volubilis) Natur, A2 Geisterw˖[elt] A3 Gott, das Ganze = göttliches Wesen oder Substanz – אלהים Cfr. statim no. sq. 3.*))

    €\frac{A^3}{etc.}€ ist allerd˖[ings] Ein Wesen, aber bloß potentialiter, die Einheit ist im Verborgenen ohne Wirkung und doch ist sie, quia ejus cujus potentialis unitas existit, etiam ipsum Unum existere debet

    Das Ganze muß noch durch einen Involutionszustand in 6 hindurchgehen. Es ist das göttliche Wesen aber nicht das als s˖[olches] ausgesprochene.