III
Entwürfe und Fragmente
zum
Ersten Buch
der Weltalter
1. Frühestes Conzeptblatt
Gedanke der Weltalter
Ich bin das, was da war, was
‹, so redete, nach einiger Erzählung, unter dem Schleyer des Isisbildes das geahndete Urwesen einst im Tempel zu Sais den Wandrer an. Unsre Wissenschaft da ist und
2. alles an Verg.
3. Die wahre Vergang˖[enheit] der Urzust˖[and] der Welt
4. Philos.-Wiss. Verg.
5. Was gewußt wird, wird erzählt.
6. Warum unmöglich
7. da ich mir nur vorges˖[etzt] in dem ersten Buch d.
8. Der Vergang˖[enheit] folgt die Gegenwart. Was alles zu ihr gehört. — Natur Gesch˖[ichte] Geisterwelt, Erkentn˖[iß]-Darstellung – Nothw. wenn wir die ganze Gesch˖[ichte] der Gegenwart schreib˖[en] wollten, so d. unw. unter aber nur d. Wesentl. denn
kein Ganzes der Nat˖[ur] n.
9. Die Zukunft
so d. Besch. d. Welt nur
wäre d. – Welt – allein.
Ein Altes Buch –
Wenn es die Abs˖[icht] ist dieß Syst˖[em] der Zeit˖[en] zu entw˖[ickeln] s. steht d.
Woher nun Wiss˖[enschaft] d. Verg. in jenem hohen, Sinn philos˖[ophisch] verstanden? Wenn aber warum nicht erzählt?da seyn wird, meinen Schleyer hat kein Sterblicher aufgehobenhat ist zu dieser Zeit zuerst nicht nur das Wesen, auch die Einheit des Wesens erkannt wiedergegeben worden, nachdem sie lange Zeit sich selber als eine bloße Entwicklung eigener Ged˖[anken] menschlicher Begriffe und Gedanken gegolten. Aber es ist des Menschen angesehen. Aber es ist nicht genug, das Urwesen als das Eine zu erkennen, wenn es muß nicht zugleich nach jenen drey Abtheilungen erkannt wird werden. Denn es ist Eins, als das Eine und als das Viele oder als das, was war, was ist und was seyn wird.
Ich habe hiedurch dem Leser aufs kürzeste einen Begriff des gegenwärtigen eben hier beginnenden Werkes gegeben, das sonach demgemäß in drey Bücher abgetheilt seyn wird, das erste wird nach den drey Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ich nehme also diese Begriffe hier nicht, wie insgemein, als bloße Abmessungen der Zeit, sondern als drey wirkliche von einander verschiedene Zeiten, die ich mir auch Weltalter zu nennen erlaube. Ein altes Buch antwortet auf die Frage, was ists, das gewesen ist? Eben das was hernach seyn wird
und auf die, was ists das hernach seyn wird? Ebendas, was auch zuvor gewesen ist
; und da es nicht vom Wesen redet, so scheint es also alle Differenz der Vergangenheit und der Zukunft d.i. also sie diese selbst im wahren Sinne zu läugnen. Aber es setzt erklärend hinzu, nichts Neues geschehe unter der Sonne
, wodurch angedeutet wird, es sey nur von der durch die Sonne bestimmten d.i. weltlichen Zeit die Rede. Ebendas ists, was ich ebenfalls sagen will auszudrücken wünsche die Ged˖[anken] welche der gegenw˖[ärtigen] Schr˖[ift] zu Grunde gelegt werden. Die Zeit dieser Welt ist nur Eine große Zeit, die in sich keine wahre Vergangenheit noch eigentliche Zukunft hat; die aber ebendarum diese zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraussetzt. Die wahre vergangene Zeit ist die vor der Zeit der Welt gewesene, die wahre zukünftige ist die nach der Zeit der Welt seyn wird, und so entwickelt sich ein System der Zeiten, von welchem die gegenwärtige, mit allem was in ihr vergangen, gegenwärtig oder zukünftig ist seyn mag, nur ein einziges großes Glied ausmacht.
Aber noch ruht das Bild unter dem Schleyer; noch ist er nicht hinweggenommen und kann nicht wird auch nicht noch hinweggehoben werden; denn noch ist die Erfüllung der Zeiten ist noch nicht gekommen. Noch waltet allein die Gegenwart, und die selige Zukunft, da die Vielheit zur in die Einheit wird wiederkehrt, die Zeiten mit der Ewigkeit und das Band der Zeiten mit der Ewigkeit offenbar wird, steht noch in weiter Ferne. Ganz verschieden ist also unser Verhältnis zu Einsicht von diesen verschiedenen Zeiten. Und doch haben wir unternommen das Ganze darzustellen? Sicher wird es nicht auf einerley Weise geschehen können; eine verschiedene Behandlung wird je nach der Verschiedenheit der Inhalte der drey Theile nothwendig seyn; denn Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges stehen zu unserer der menschlichen Einsicht nicht im gleichen Verhältniß. Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet. Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Also Wissenschaft wäre der Inhalt unseres ersten Theiles; erzählend müßte er der Form nach seyn, weil er die Vergangenheit zum Gegenstande hat. Das erste, nämlich eine Wissenschaft vorweltlicher Zeit, spricht zwar jeden an, der philosophirt, d.h. der die Herkunft und die ersten Ursachen der Dinge zu erkennen strebt; aber warum wird unser Gewußtes nicht mit der Geradheit und Einfalt wie jedes andere Gewußte erzählt; was hält sie zurück die goldene Zeit, da die Wissenschaft Geschichte und die Fabel wieder zur Wahrheit wird?
Es schlummert im Menschen noch ein Bewußtseyn der vergangenen Zeit; er hat etwas in sich, das noch aus dem Anfang der Zeiten herstammt.
Es ist unläugbar daß der Mensch nur dasjenige zu erkennen fähig ist, womit er in lebendigem Bezug steht hat oder worin doch
Es ist im Menschen ein Princip das noch aus jener UrVorzeit herstammt, und insofern über die Schöpfung, den Zustand der jetzigen Welt hinausreicht. Wie die Vergangenheit überhaupt nur die Grundlage der Gegenwart ist, von der sie verdrungen oder doch zugedeckt wird, ebenso ist im Menschen jener älteste Antheil seines Wesens zurückgedrängt, dem es als bloßer Stoff oder als bloße Unterlage dient untergeordnet ist. Doch es ist auch das Bewußtseyn der Vergangenheit, das in ihm diesem Antheil schlummert, ins Dunkel zurückgesetzt, und kann nur tritt nur hervor, wenn entweder dieses Princip sich
Es sey uns erlaubt, dieses Princip der Vorzeit im Menschen sein Gemüth zu nennen. Beherrscht vom Geiste, dem jüngeren aber mächtigeren Princip, tritt nicht nur es selbst, sondern in ihm auch das Bewußtsein der Vergangenheit ins Dunkel zurück; doch so daß es erwachen und lebendig werden kann, entweder wenn
Es ist im Menschen ein Princip das noch aus der Vorzeit herstammt und durch welches er noch jetzt im Rapport mit ihr steht. Das Gemüth ist dieser Antheil seines Wesens, in welchem das Band einer die unergründliche Vergangenheit wohnt; und durch dessen Anregung ihm oft die entferntesten Zeiten wunderbar lebendig werden. Wie oft geschieht es, daß uns ein wir einen gegenwärtigern Augenblick plötzlich vorkommt als wie einen schon dagewesenen erlebten nahe wiederzuerkennen meynen! Aber gleich wie die Vergangenheit überhaupt von der Gegenwart verdrängt wird, der sie zur Grundlage dient, so ist auch jenes Princip der Erinnerung in uns durch das jüngere aber mächt das Gemüth, dieser noch lebendige Zeuge der Vergangenheit, von dem jüngeren aber mächtigeren Princip dem Geiste bewältigt, und mit ihm tritt auch das Bewußtseyn der Vergan Vorzeit ins Dunkle ver gleichsam ins Dunkel zurückgedrängt. Doch treu bewahrt es auch zurückgetreten den Schatz den es verschließt, und eröffnet ihn auch wohl, entweder wenn es Meister über den Geist wird, oder wenn dieser selber an das die Abgründe der Vergang oder wenn dieser selbst es zur Scheidung und Offenbarung und Entwi des in ihm Verborgenen auffordert. Denn der Geist als ein Princip der späteren Zeit und Ewig jung, wie nach den ägyptischen Priestern die Hellenen
, hat für sich keine Kenntniß der gewesenen Dinge. Im Gemüth dagegen ruht die älteste Erinnerung aller der Dinge, und ihrer ursprünglichen Verhältnisse; aber dieses innre Bild der Dinge schläft in ihr als ein verdunkeltes und vergessenes, wenn gleich nicht völlig ausgelöschtes Bild; auch ist es unfähig, für sich das Wort zu finden und was in ihm ist auszusprechen. Darum ruft es unaufhörlich das Höhere an, um vor ihm geschieden und dadurch zur Wiedererinnerung gebracht zu werden; der Geist aber verlangt gleich sehr sich nach dieser Erhebung des Entfaltung des Gemüths, um durch dasselbe wissend zu werden.
Hiedurch entsteht also ein geheimer Verkehr im Innern des Menschen, worinn gleichsam zwey Wesen sind, ein dunkles nach Klarheit ringendes und ein bewußtes in dem die Antwort liegt auf jede Frage der Wissenschaft, und ein bewußtes, das von dem jenes durch Frage das durch die Antwort aus ihm hervorlockt und durch dadurch sowohl jenes zum Bewußtseyn erhebt als sich selbst zur Wissenschaft verhilft.
Diese Verdoppelung unser selbst, dieser geheime Verkehr, diese innere Unterredungskunst, das eigentliche Geheimniß des Philosophen ist es, von welcher die äußere, die davon Dialektik heißt, nur das Nachbild und wo sie zur bloßen Form geworden der leere Schein und Schatten ist.
Also erzählt wird seiner Natur nach alles Gewußte, aber das Gewußte der höchsten Wissenschaft ist kein von anbeginn fertig daliegendes und Vorhandenes sondern ein aus dem Innern immer erst Entstehendes. Durch innre Scheidung und Befreyung muß das Licht der Wissenschaft erst aus der Finsterniß aufgehen. Was wir Wissenschaft nennen, ist nur erst ein Streben nach dem Wiederbewußtwerden also mehr noch ein Trachten nach ihr, als sie selbst; aus welchem Grund ihr unstreitig von jenem hohen Manne
Ende des Bogens A. Bogen B war nicht erhalten! (vgl. SW. S. 201f.). Auf folgendem Bogen C neue Fassung des Anfangs und (abbrechender) Schlußabsatz:
Ein altes Buch antwortet auf die Frage, was ist’s das gewesen ist? Ebendas, was hernach seyn wird
, und auf die, was ist’s das hernach seyn wird? Ebendas, was auch zuvor gewesen ist
, eine Antwort mit der diejenigen völlig zufrieden seyn müßten, welche die Welt als eine vorwärts und rückwärts ins Endlose verlaufende Kette von Ursachen und Wirkungen ansehen. Doch das alte Buch setzt erklärend hinzu, es geschehe nichts neues unter der Sonne
, wodurch angedeutet wird es sey nur von der durch die Sonne bestimmten, d.i. weltlichen Zeit die Rede. Wäre nun auch mit dieser Einschränkung jene Antwort die unbestreitbar richtige, so würde doch nur folgen, daß die Welt in sich keine wahre Vergangenheit noch eigentliche Zukunft habe. Die Zeit dieser Welt wäre nur anzusehen als Eine große Zeit, zu der alles gleicherweise gehörte, was in ihr als vergangen, gegenwärtig und zukünftig gedacht wird. Sie würde aber eben darum jene zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraussetzen. Die wahre vergangene Zeit wäre die vor der Zeit der Welt gewesene, die wahre zukünftige wäre die nach der Zeit dieser Welt seyn wird, und so entwickelte sich ein System der Zeiten, von welchem die gegenwärtige mit allem was sie enthält, nur ein einziges Glied ausmachte.
Ich kann mir nun leicht vorstellen, daß nach den Begriffen Lesern der jetzigen Zeit, die gern alles Substantielle aus Begriffen entstehen sehen, der Begriff einer vorweltlichen Zeit einstweilen nicht wenig anstößig seyn wird; doch werden sie zugeben, daß alles Philosophiren, wenn es zu den höchsten Gegenständen aufsteigt, eben dieser vorweltlichen im Grunde mit keinen andern als Fragen über vorweltliche Dinge sich beschäftige. Allgemein kann man sagen, Wissenschaft beziehe sich ihrer Natur nach auf Vergangenheit, oder das Vergangene werde gewußt, das Gegenwärtige erkannt, das Zukünftige geahndet. Das Gewußte aber wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Wenn also die Wissenschaft, wie sie es der Wortbedeutung nach schon lange ist, auch dem Gegenstande nach eigentlich Historie ist, wie kommt es, daß sie es nicht auch der Form nach ist? Warum kann nicht das Gewußte auch der höchsten Wissenschaft mit der Geradheit und Einfalt, wie jedes andere Gewußte erzählt werden? Was hält sie zurück die goldne Zeit, wo die Wahrheit wieder zur Fabel und die Fabel zur Wahrheit wird?
Es muß im Menschen ein Princip anerkannt werden, das noch aus jener Vorzeit herstammt, und durch welches er noch jetzt mit ihr in Rapport steht. Denn – – etc. nach Bogen A, p 3f.
Diese Betrachtungen zeichnen auch mir den Weg vor, den ich bey Abfassung des gegenwärtigen Werkes werde zu nehmen haben. Denn da es meine Absicht ist, jenes eben angedeutete System der Zeiten in demselben zu entwickeln, so werde auch ich wie ein anderer Historiker, Gefahr laufen den Leser nicht ohne alle Vorbereitung in jenes Reich einer so der Vergangenheit zurückführen können, sondern suchen müssen ihn durch ihn erst auf den Standpunkt bringen müssen, von welchem aus sie ihm allein verständlich werden kann. Und da sogar der Stoff hier großentheils nicht von außen gegeben ist, so wird selbst von dem Kern der Geschichte nicht alles Dialektische zu entfernen seyn, ob ich gleich versuchen werde, es so viel möglich in Einleitungen, Zwischenreden und Anmerkungen abzuhandeln. Meine Absicht ist überhaupt rein wissenschaftlich und da es nicht fehlen kann, daß in einem Buch von der Art des gegenwärtigen von ungemeinen Dingen die Rede sey, so werde ich wenigstens verhindern, daß die nicht durch die Behandlung gemein werden.
Was aber die andern Theile dieses Werkes betrifft (denn es wird in drey Bücher abgetheilt seyn, nach Vergangenheit Gegenwart und Zukunft, die ich nicht als bloße Abmessungen der Zeit, sondern als wirkliche von einander verschiedene Zeiten oder, wie sie auch genannt werden, Weltalter betrachte), so hat der mittlere, ob er gleich das uns zunächstliegende betrifft, in anderer Hinsicht die größten Schwierigkeiten. Denn was in der Ersten Zeit sich als noch Eins und zusammen war, das zeigt sich hier in der vollen Entfaltung und verlangt daher auch in seiner ganzen Breite und Weite behandelt zu werden. Hier muß also der geneigte Leser noch besonders erinnert werden an das was schon die Allgemeinheit der Aufschrift dieses Werkes besagt, daß es hier bloß um Entwicklung des Systems der Zeiten im ganzen und großen als solchen zu thun ist, wobey das Einzelne nur so weit in Betracht kommt, als es zur Erklärung dieses desselben nothwendig ist. Überhaupt macht dieses Werk zwar den Anspruch ein Ganzes der Kunst nicht aber ein Ganzes der Materie nach zu seyn, als welches an sich unmöglich wäre. Ob ich gleich daher nicht verzweifle, dem Leser über manche Gegenstände auch der Gegenwart einige Aufschlüsse zu geben, so wird er doch viele andere vermissen; doch keinen, der nicht nach Analogie der hier behandelten angesehen und verstanden ihm verständlich werden könnte. Weit entfernt, die leeren Stellen oder die Lücken verbergen zu wollen, wird das Werk sie vielmehr selber bezeichnen; einiges auch und wo bisherige Erkenntnisse und Untersuchungen nichts zu behaupten erlauben, seine Unwissenheit aufrichtig den Mangel der Einsicht aufrichtig gestehen.
Das Gewagteste endlich könnte der dritte Theil scheinen; worinn ich jedoch anderer Meynung bin. Denn wenn die Vergangenheit nur im Begriff und in der Wissenschaft vor uns steht, die Gegenwart aber der Subsumtion und dem Urtheil angehört, wozu außer dem allgemeinen Begriff noch eine doch nie genug zu erreichende Weite und Tiefe der Kenntnisse erfordert wird, so läßt sich dagegen
Von hier an war der Rest des Bogens unbeschrieben.
2. Zwei Vorwortentwürfe
I
Ich zweifle nicht, daß Viele seyn werden, welche die Aufschrift dieses Werks tadeln, daß sie unbestimmt sey und von dem Inhalt desselben keine deutliche Anzeige gewähre, und die den Verfasser auch nicht wegen dieses Anfangs loben werden, weil er nicht gleich die Absicht des Ganzen enthüllt. Schriftsteller, die von einer bekannten Materie handeln, mögen das Beyspiel des cyklischen Dichters
bey Horaz nachahmen; wenn sie aber einen Vorwurf gewählt, wovon gewissermaßen der Gedanke noch nicht existirt, sondern erst erzeugt werden soll und auch nicht mit EinMal gegeben sondern nur allmälig entwickelt werden kann, müssen sie nothgedrungen einer anderen Sitte folgen, der der Philosophen nämlich, unter welchen diejenigen nicht immer die gegründetsten Erwartungen erregen, die sogleich mit einer Beschreibung der Philosophie anfangen d.i. mit den Definitionen einer Sache anfangen, die, soviel man weiß, von jeher nur sich selbst gleich als könnte sie jedem begreiflich gemacht werden ohne sich selbst, oder als hätte sie nicht von jeher nur sich selbst erzeugt.
Vielleicht war diese ganz eigene wunderliche Natur mit ein Grund jenes langwierigen Stillschweigens, das in der ersten bekannten Schule der Philosophie den Lehrlingen auferlegt wurde; so ganz abweichend von den Sitten anderer milderer Zeiten, da man wackere Jünglinge, denen schwer anzuspüren ist, daß sie jemals philosophirt, mit ungemeiner Festigkeit über Philosophie, was sie sey und nicht sey, reden hört. Da ich nun trotz aller der angewandten Mühe mich außer Stande sehe, von dem letzten und eigentlichen Absehen Vorwurf dieses Werks Abhandlung eine vorläufige Erklärung zu geben und doch anzunehmen ist, daß die, welche das Buch es zur Hand nehmen, es in der Absicht thun, etwas an oder aus ihm zu lernen (sonst würden sie es besser verachtend gleich bey Seit legen): so scheint nichts übrig zu bleiben, als die unbescheidene Bitte, einstweilen und solange bis sie durch wirkliches Lesen zum Begriff des Gegenstandes gelangt, sich von selber und freywillig jenes pythagorische Stillschweigen aufzulegen, indem sie sonst für ihre Mühe auch nicht einmal der geringen Belohnung, zu wissen was es enthält, theilhaftig werden möchten.
Übrigens aber möge jeder es lesen mit uneingenommenem Sinn und ohne vorgefaßte Meynung als das Werk eines völlig unbekannten Autors; so auch mit geradem Verstand, die bekannten Worte nehmend in dem Sinn, den ihnen die allgemeine Sprache beylegt nicht in dem verdrehten irgend einer Schule; denn alle Systeme sind von gestern, die Sprache des Volks aber wie von Ewigkeit, Dazu so schreibe ich nicht ist es nicht vorzugsweise oder allein der Schule geschrieben, sondern allen, die gern eine Frucht sehen wollten von dem eifrigen wissenschaftlichen Bestreben unserer Zeit und etwas daraus gewinnen, das auch wieder dieser zu Nutz und Frommen gereichen und ein lebenförderndes Princip werden möchte. Denn unsre Nation ist von der Art, das Äußerste philosophischer wissenschaftlicher Mikrologie nicht zu scheuen, und den dürresten Untersuchungen nachzugehen; nur möchte sie am Ende etwas sehen, das sie neu kräftiget und gründet; das sie innerlich stählt und äußerlich wieder auf die eigenen Füße auf festen Grund und Boden stellt.
Inwiefern ihr dieß jetzt insbesondre nöthig sey, kann jed ist leicht zu beurtheilen, da ein Theil ganz versunken ist, der andre aber sich so hoch verstiegen, daß er mit den Füßen keinen Grund mehr unter sich finden kann. Seit der Auflösung der friedlichen Eintracht in welcher vor nicht allzu langer Zeit alle Wissenschaften zusammenhielten, hat sonderlich die Philosophie mit großer Beständigkeit an ihrer Selbstvergeistigung gearbeitet, obwohl der Erfolg gezeigt, daß der Proceß in dieser Art nicht wohl von Statten gehen konnte. Die alte Metaphysik erklärte sich schon durch ihren Namen als eine Wissenschaft, die nach und also in gewissem Sinn auch wohl aus der Physik folgte, zwar nämlich nicht als einen stetigen Ausfluß oder bloße Fortsetzung von dieser, wohl aber als eine Steigerung, so wie allgemein aus dem Niederen ein Höheres hervorgeht. Die neuere Philosophie hob die leitende Verbindung mit diesem dem Unteren gänzlich auf; die Ansprüche an eine höhere Welt fortsetzend war sie nicht mehr Metaphysik, sondern Hyperphysik; anstatt sich zum Übernatürlichen zu schwingen, verfiel sie nur in’s Unnatürliche. Sie schämte sich, von der Erde anzufangen; an der Creatur als einer Leiter aufzusteigen, und die übersinnlichen Gedanken, wie einen durch’s Feuer bereiteten Geist erst aus Erde, Luft, Wasser und anderen Elementen zu ziehen. Aber mit der irdischen Schwerkraft verlor sie zugleich das Vermögen, sich zum Himmel zu erheben. Denn nicht jene aufgeben oder wegwerfen, sondern sie behalten und überwinden, das ist das Große, wie die Kraft des Adlers im Flug nicht dadurch erkannt wird darin besteht, daß er keinen Druck der Luft empfindet, sondern daß er ihn überwindend selbst zum Mittel seiner Erhebung macht. Derjenige erst hat gleichsam das Recht zu den geistigsten Sachen, der zuvor das Gegentheil ganz und entschiedend durchkannt hat; wie nur derjenige frey zu nennen ist, der sich mit dem Nothwendigen abgefunden und die Bedingungen kennt, unter denen er walten kann. Nicht von oben herab, von unten hinauf geht der Weg lebendiger Wissenschaft. Der Baum, der auf der Erde Saft und Leben in sich zieht, kann den blüthenbehängten Wipfel wohl noch bis zum Himmel treiben; aber die Gedanken derer, die gleich anfangs sich von der Natur trennen wollen, sind wurzellose Pflanzen und die geistreichsten nur noch jenen zarten Fäden ähnlich, die zur Zeit des Spätsommers durch die Lüfte schwimmen, gleich unfähig den Himmel zu berühren und durch ihr eigenes Gewicht zur Erde zu gelangen.
Der gänzliche Mangel an Realität in der sogenannten Metaphysik, ihre Unzulänglichkeit für alle, welche die Natur anzog oder die eine höhere Erfahrung tiefere Verhältnisse im Weltall ahnden lehrt gelehrt, war so allgemein gefühlt, daß man sie geraume Zeit nur noch als eine Beschäftigung der unreifen und unerfahrenen Jugend duldete, als sie endlich unfähig länger ihr Unvermögen sich selbst zu verbergen es öffentlich bekannte und gleichsam durch ein über sich selbst gehaltenes Gericht feyerlich bestätigte
. Und dieses geschah eben in dem Moment, da sie sich am meisten vergeistigt zu haben glaubte und überall wirklich nichts von der Welt stehen gelassen wollte alles ungeistige für bloße Erscheinung
für nicht an sich wirkliches erklärt hatte, sodaß also, wie es denn nicht anders seyn konnte, mit dem Niedersten das Höchste, mit dem Untersten das Oberste zugleich zusammenfiel. Seit diesem Sturz hat man sich nun bemüht, auch womöglich den noch zu massiven Begriff des Wissens auszurotten das allein noch übrig gebliebene Geistige noch mehr zu vergeistigen, daß wir zuletzt selbst an unserm eigenen Körper nur noch alles Denken und Wissen in dem einen flüchtigen Duft von Gefühl und Ahndung aufzulösen, daß zuletzt selbst die Überzeugung von der Existenz unsrer eignen Körper nur noch ein matter Glaube wäre, etwas zu finden das womöglich noch geistiger wäre als das noch viel zu massive Wissen, und so allgemein, wie so oft aus der Noth, so jetzt aus der Unwissenheit eine wahre Tugend zu machen.
II
Ich dachte wohl dieses Buch, wie gewöhnlich ist, mit einer feinen Einleitung anzufangen, die theils ausführlich anzeigte, wovon es handeln sollte, theils den Leser allmälig und ohne daß er es merkte, in die Tiefe führte. Allein jemehr ichs versucht, desto mehr ward mir meine Untüchtigkeitgeschicklichkeit klar zu solcher Kunst. Daher ich mich kürzlich entschlossen, grad durch und ohne Umschweife in die Sache selbst zu gehen. Denn ich hatte auch sonst bemerkt, daß wenn vom Höchsten des Wissens gehandelt werde, Einleitungen die verkehrte Wirkung von der äußerten, die beabsichtigt worden. Womit soll man doch einleiten, als mit Begriffen und Gedanken die außerhalb der Wissenschaft liegen, oder mit Voraussetzungen, die nur innerhalb der Wissenschaft selbst ihre wahre Bedeutung und volle Gewißheit erhalten. Darum ist die Folge solches Vorbereitens keine andre, als daß die Weisen gleich bei der Einleitung hangen bleiben und nie zur Sache selbst kommen. Ist War es doch von jeher und ist es noch jetzt das einzige Dichten und Trachten aller Sophistik, sich gleichsam vor und außer der Wissenschaft zu halten, und durch ein endloses Geschwätz, das immer außen um die Sache herum geführt wird, zu verhindern, daß es nun und nimmer zur Wissenschaft selbst komme. So habe ich denn alles, was etwa zur Einleitung dienen konnte und auch schon zusammengestellt war hinweggenommen und in die Mitte des Werks verlegt, da es jeder finden kann und besser verstehen, richtiger beurtheilen wird denn am Anfang. Auch kann mich das nicht anfechten, daß ich auf diese Art gleich von den schwersten und dunkelsten Dingen anheben muß. Ist doch aller Anfang auch in gemeinen Dingen schwer; wie viel schwerer nothwendig der Anfang alles Anfangs! Gleichwie es ohne besondere Gottesgabe nicht möglich ist, die Zukunft zu wissen: also gehört auch ein eigener Geist dazu in die Tiefen der Vergangenheit Vorzeit zu schauen, und fürsichtig, wie der künftigen Zeit Ausgang hüllt der vergangenen Anfang Gott in dunkele Nacht.
Es soll der milesische Thales schon auf die Frage, was das Erste und in der ganzen Natur der Dinge Älteste sey
, geantwortet haben: Gott, weil er ohn’ Anfang und Ende sey
. Das war eine geschwinde Antwort, zumal von einem heidnischen Philosophen, die aber in ein tiefes und langes Nachdenken führt. Wissen wir doch auch nicht genau, was er sich eben unter Gott gedacht. Auf keinen Fall aber wissen wir dadurch, daß wir den Namen Gott aussprechen auch gleich die Tiefen seines Wesens. Denn Gott ist kein todtes, stillstehendes Wesen, sondern lebendig, ja das höchste Leben selbst. Nun weiß ich wohl wie man auch an diesen Worten herumgedeutet und sie weggethan hat, bis nichts mehr übrig blieb, als etwas stillstehendes und unlebendiges, aber auf die Art kann man nicht umgehen mit so. Nicht also, lieben Freunde! auf die Art kann man nicht umgehen mit so herrlichen Worten, die die Schrift mit solchem Recht setzt; so leicht sollt ihr sie uns nicht nehmen oder in uneigentliche verwandeln. Nun ist ja kein Leben ohne Werden und Bewegung, also auch nicht das göttliche Leben, noch Gott selbst sofern er Leben ist. Es ist freylich ein ewiges Werden, d.h. ein Werden, das von Freyheit geworden ist und noch immer wird und immer werden wird (denn ich muß fast undeutlich reden – weil auch das was ein ewiges Werden sey, nicht mehr verstanden wird in der jetzigen Überspannung der Begriffe); aber ewig oder nicht ewig, ein Werden ist immer ein Werden. Kein Leben und Werden und sich Bewegen ist ohne Anfang und ohne Ende. Also auch nicht das Leben Gottes, ja Gott selbst sofern er ein Leben ist. (Nicht daß Gott selbst ohne Anf˖[ang] und End sey). Es ist freylich ein ewiger Anfang, d.h. daß dieß Werden von aller Ewigkeit so angefangen hat und noch immer anfängt und nie aufhören wird anzufangen. So ist sein Ende auch ein ewiges Ende, d.h. daß Gott Gott ist nicht ein Ohnendliches wie man zu denken pflegt, sondern ein ewig (daß ich handgreiflich rede) zu Stande gekommenes und noch immer zu Stande kommendes, und das nie aufhören wird zu Stande zu kommen, d.h. wahrhaft Gott zu seyn. Also daß es nur grob geredet ist, wenn gesagt wird, Gott sey ohne Anfang und Ende, da man dafür sagen sollte, er sey ohne einen Anfang seines Anfangs und ohne Ende seines Endes, d.h. daß er ewig anfange und ewig ende.
Nun ist wieder kein Anfang, ohne daß das, wovon es der Anfang ist, zuvor gedacht werde als nicht seyend. Nicht aber als überall nicht seyend, sondern nur als das nicht seyend, das es werden soll. Also muß wohl Gott, um sein Werden zu begreifen, gedacht werden als nicht seyend? Ja wohl lieber Leser, denn ich muß dich anreden, weil es hier nicht darauf ankommt, daß ich etwas behaupte oder hinsetze, gleich als müßtest du es alles verstehen, sondern darauf, daß du dich Mühe gebest anstrengest und deinen Kopf daran gebest es zu verstehen.
Setze meinen Worten nichts zu und lasse ihnen nichts zusetzen. Ich sage nicht, daß Gott irgendwann und irgend Einmal ein nicht Seyendes geworden. Sey überzeugt daß ich von der Ewigkeit Gottes so ernsthaft ja ernsthafter denke, als die mir dergleichen nachreden und sollst nicht glauben, auch daß es nicht darum zu thun ist, nur mit befremdlichen und seltsamen Worten in Verwunderung oder Bestürzung zu setzen, sondern darum, dir ein Verständnis zu öffnen, woran es, nach deiner Lehre zu schließen, dir bisher gefehlt hat und ohne daß die so hohen und gemißbrauchten Wörter Leben und lebendig von Gott leerer Schall sind. Ich habe dir schon gesagt, daß mir das Leben Gottes ein ewiges Werden ist. Wenn dann nun aber das Seyn Gottes gleich ist einem (wiewohl ewigen) Werden, so ist es auch gleich einem (wiewohl ewigen) Übergang aus Nichtseyendseyn in Seyendseyn und du mußt Gott setzen als nichtseyend, nicht daß er es je und irgendwann in der That gewesen (denn er ist in einer ewigen Bewegung ins Seyn), sondern nur der Begreiflichkeit halber und damit du jenes Werden verstehen könntest.
Sie sollen also verstummen, die in ihrer Meynung frommen Geister, die uns gleich von ihrem Gefühl und Gottes Nähe reden und gleichsam meynen, daß sie keinen Augenblick ohne Gott seyn können. Es gibt wohl Augenblicke im Leben, da man Gottes entrathen und auch ohne Gott, wenn es anders wahr ist, daß Gott sein Licht und Kraft der Seele entziehen kann, still und gelassen bleiben muß. Gelassenheit sucht Gott
, sagt ein göttlicher Sinndichter des . Gott aber selbst zu lassen ist auch Gelassenheit, die wir Menschen fassen
.
3. Einleitungskonzept
Einleitung
Vergangenheit, ein wunderbarer Begriff, allen gemein und doch wenigen verstanden!der sich nicht losreißt von sich selbst, nicht verg sich nicht steigert in sich selbst von jedem Vorh ohne beständige lebendige Steigerung seiner selbst, der sich nicht von jedem Vorhand losreißt von sich selbst, sich frey macht von jedem Gewordenen oder Vorhandenen, hat keine Vergangenheit, die nicht oder eine beständige. Die nicht fortwollen, indeß alles vorwärts geht, werden, weil sie doch mit fortmüssen, Lobredner ohnmächtige der Vergangenheiten, kraftlose Schelter der gegenwärtigen Zeit. Eine Vergangenheit, die sich durch in jedem verfließenden Augenblick durch ihn zu vergrößern scheint, ist keine kann unmöglich die wahre Vergangenheit, seyn:: denn wie wäre da sie wo alles in dem Augenblick eine Gegenwart, da alles im Augenblick selbst, wo es als ein seyendes ausgesprochen wird, schon wieder ein Vergangenes geworden ist. Hier ist die Vergangenheit selbst noch nicht vergangen, d.i. von der Gegenwart getrennt. Sie wird immer und ist noch nicht.
Wenn es an dem wäre sich verhielte, wie einige unsrer sogenannten Weisen meynen, daß die Welt eine rück- und vorwärts ins Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen wäre, ohne Anfang und ohne Ende, ohne daß also der Anfang sein Ende und das Ende wieder seinen Anfang fände, so wäre die Welt ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Es gibt Läugner von beyden denn ohne Fortschritt vergeht was jeden Es gibt Läugner von beyden, und doch ist scheint der Glaube an beyde der Menschheit gleich wesentlich zu seyn.Dieser allein ist weise, die anderen flattern als Schatten
.
Wie wohlthuend und förderlich ist dem Menschen das Bewußtseyn, wie man sagt etwas hinter sich gebracht, d.h. zur als Vergangenheit gemacht gesetzt zu haben; wie heiter wird ihm die Zukunft, wie leicht wird ihm nun unter dieser Bedingung, etwas vor sich zu bringen.Jeder Der Erfahrene weiß, daß jeder kräftig lebende und wollende Mensch fähig ist, sich eine wahre Vergangenheit zu schaffen, daß aber dieser auch allein auch der einer wahren Gegenwart genießt, und einer eigentlichen Zukunft entgegensieht.Hat auf ein nicht ganz völlig erstorbenes Volk das Andenken die Erinnerung glorreicher Altvordern, auf ein nicht ganz entartetes Geschlecht das Bewußtseyn edler Ahnen eine ruhmvoller Ahnen einige Gewalt; warum sollte
Fände sich aber, daß es mit dem, was wir die Welt nennen, im Großen und Ganzen nicht so bewandt sey und wäre es
Fände sich aber in Ansehung der Welt doch bewährt und gegründet jene die alte Rede, daß nichts Neues in ihr geschähe
: wäre auf die Frage: Was ist’s das geschehen ist? die alte nur jene Antwort die richtige: Eben das was hernach geschehen wird
, und auf diese: was ist’s das geschehen wird? Ebendas was auch zuvor geschehen
: so würde daraus doch nur folgen, daß die Welt in sich keine Vergangenheit und keine Zukunft habe, daß alles, was in ihr von Anbeginn geschehen und was bis zum angenommenen Ende der Dinge in ihr geschehen wird, nur zu Einer großen Zeit gehöre; daß die wahre eigentliche Vergangenheit, die allgemeine, unbedingte, die es schlechthin ist, die Vergangenheit schlechthin, vor und außer der Welt, die eigentliche Zukunft, die allgemeine, die absolute Zukunft nach und außer der Welt zu suchen sey – und so würde sich vor uns denn ein großes allgemeines System der Zeiten entfalten, von welchem das der menschlichen selbst nur ein Nachbild, eine Wiederholung in engerem Kreise wäre.
Wie vielgestaltig ist das Wesen der Zeit! Im Begriff gegen das ewig Würdige und Wahre gehalten, wie leer, daß sie uns fast ein bloßes Spielwerk unserer Gedanken scheint, das aufhörte, sobald wir nicht mehr Stunden und Tage zählten. Jetzt ein so unmerkliches, geisterartiges Wesen, das mit so leisem Tritt wandelt, daß wir mit dem Morgenländer sagen möchten: Sie ruht, ohne daß sie aufhört zu fliegen, und sie fliegt, ohne daß sie aufhört zu ruhen
: jetzt wie der Donner rollend, mit Schritten einhertretend, unter denen der Erdball erbebt, Völker und Städte zusammenstürzen, der Mensch innerlich erzittert und zermalmt niederfällt. Gewiß ist es nicht ohne Ironie, daß die, welche es zur Sitte gemacht, von der Zeit geringfügig zu urtheilen, und sie zur bloßen Form unsrer Vorstellungen
anzusehen, so heftig die Zeit anklagen müssen, zum Beweiß, daß sie ihre Rea wie furchtbar sie ihre Realität empfunden.
Schein und Wesen, Begriff Form und Wirklichkeit in ihr zu unterscheiden wäre daher längst wohl nöthig wohl nicht ohne Verdienst unverdienstlich, wie wir ich auch seit gerau wohl nöthig, wenn nicht auch für solche abgezogenen Untersuchungen die Zeit vorüber wäre. Bey dem Stand unsrer Wissenschaft verlangen wir mit Recht, alles gleich in Leben und That zu sehen; überzeugt daß jedes Element nur zugleich mit dem Ganzen und im Verhältniß zu allem übrigen fortwachse, handeln wir die großen Gegenstände nicht mehr Kapitelweise ab und möchten immer das Ganze, als ein sich in allen Theilen zugleich bildendes, wenn auch nicht mit einem Schlag, doch nicht stückwei bruchstücklich sondern organisch erzeugen.
Wir ahnden einen in der Zeit tiefverborgen liegenden und bis in’s Kleinste gehendes Organismus. Wir sind überzeugt (oder wer ist es nicht?) daß jedem großen Ereignis, jeder folgenvollen That ihr Tag, ihre Stunde, ja ihr Augenblick bestimmt ist, daß sie kein Nu früher an’s Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche die Zeiten anhält und mäßigt. Wäre es auch viel zu gewagt, die Wunder und Abgründe der Zeiten selbst jetzt schon durchschauen oder darlegen zu wollen: so scheint mir doch die Zeit gekommen, jenes angedeutete System der Zeiten geltend zu machen und in seinem weitesten Umfang zu entwickeln.
Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet.
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Unsre gewöhnliche Geschichte Unter dem ersten dieser Sätze ist klar, warum sich alle Wissenschaft, im eigentlichen und höchsten Verstande, sich der Vergangenheit zuwendet. Weniger klar aber ist, warum unsre Wissenschaft dieselbe, da sie doch dem Wesen und der genauesten Wortbedeutung nach Historie ist, es nicht auch der Form nach, oder und demnach Erzählung ist.
Alle Wissenschaft, die wir von vergangenen Dingen haben, gründet sich entweder auf ein äußeres Zeugniß, oder sie muß durch ein inneres beglaubigt seyn. Genau genommen jedoch reicht zur eigentlichen Wissenschaft nie und in nichts ein äußeres Mittel zu. Denn was wäre auch aber die gewöhnlich sogenannte Geschichte Historie, wenn ihr kein innrer Sinn zu Hülfe käme? Was sie bey den Meisten ist, die zwar Vieles von dem so weit als möglich alles Geschehene, aber weniger als nichts von der eigentlichen Geschichte wissen. Indeß äußere weltliche und im Lauf der Zeit geschehene äußerlich vorhandene Dinge lassen sich wenigstens äußerlich auffassen; und bey gehöriger Vorsicht muß auch jeder die Einsicht den Schlüssel ihres Verständnisses in sich selbst suchen, so lassen sie sich doch mit gehöriger Vorsicht auf fremdes Zeugnis als geschehen annehmen. Bei außer- und überweltlichen Dingen aber ist dieß ganz anders. Denn diese fordern schlechthin eine innere und geistige Empfängnis und können, ohne Ausschließung des ihnen angemessenen Sinnes, überall nicht aufgenommen werden; ja wenn Gott selbst den Menschen über dieß Vergangene belehrte, so könnte er es doch nicht annehmen, wenn keine innere Empfindung, kein in ihm selbst lebendig gewordenes Gefühl dieser Belehrung entgegenkäme. Keine Offenbarung kann uns anders belehren, als indem sie unser eigenes Wesen so anregt, daß wir durch eigene innere Gewißheit und Wissenschaft die Dinge besitzen, die sie uns mittheilen will. Ein menschliches Zeugnis hat aber auch nicht einmal diese Gewalt: denn von dem Ursprung der Dinge ist jeder gleich weit und gleich nah entfernt und wenn hier der eine mehr der andere entfernter der Quelle der Ereignisse und also auch der Einsicht steht, so ist der Bezug auf Gott für jeden Menschen gleich unmittelbar.
Wie geht es aber mit jenem Innerlichwerden und dadurch Wissen des Vergangenen zu? Da es in uns schlechterdings nicht hineinkommen kann, so muß es wohl schon da sein, aber wie ein vergessenes und verdunkeltes doch nicht völlig ausgelöschtes Bild in der Seele. Wissenschaft ist also im eigentlichsten Verstande Erinnerung; und wie wir von Dingen, die wir selbst und gegenwärtig mit angesehen haben, kein äußeres Zeugnis, höchstens Hilfe der Erinnerung verlangen, ebenso bey überzeitlichen Dingen, die, da sie die entferntesten schienen, jetzt unendlich näher sich zeigen als viele tausende ja alle in der Zeit geschehenen Dinge. Was die Welt überwindet, muß ein außer- und überweltliches Princip sein, und umgekehrt, wer mit einem außer- und überweltlichen Princip erkennt, muß auch erkennen, was außer und über der Welt ist. Aus der Quelle der Dinge geschöpft hat die Seele des Menschen in gewissem Grad eine Mitwissenschaft der Schöpfung. Und der Mensch, lebt er auch am Ende der Tage, ist doch in dem Anfang der Zeit erschaffen.
Wenn aber im Menschen ein solcher lebendiger Zeuge der Vergangenheit wohnt, warum doch wissen wir von ihr nicht durch unmittelbares Schauen sondern mehr oder weniger mittelbar, durch Begriffe, und warum lassen sich diese vorweltlichen nicht mit der Geradheit und Einfalt wie anderes unmittelbar Gewußtes erzählen? (Warum bedienen wir uns, um zum Wissen zu gelangen, des Umweges der Begriffe, warum läßt sich jenes Vorweltliche
Das göttliche überweltliche Princip ist im Menschen verdunkelt und auf manche Weise gefesselt und muß erst wie von einem Zauber befreit werden um zur Erinnerung
des Ursprünglichen zurückzugelangen: so antwortet derselbe Platon, dem wir jene tiefe Einsicht der Wissenschaft verdanken. Auf unsere Art und sozusagen weniger tragisch ausgedrückt würde dies so lauten: Die Gegenwart, in der wir leben, verhält sich zu jenem Urzustande
Wir befinden uns hier in dem Fall eines Mannes, der sich einer geschehenen Handlung nur dunkel erinnert, der wohl die schwache Erinnerung einer vorgefallenen Handlung hat, aber erst mittelbar durch andere Umstände, durch Entfernung der sie in seinem Gedächtniß verdunkelnden Vorstellungen dazu gelangt, sie sich vollständig zurückzurufen, und so allmählig und gleichsam stückweise die Begebenheit wieder zusammenzubringen, die er bei lebendiger Erinnerung zumal und wie mit Augen vor sich gesehen hätte.
Wie viele haben versucht, die Geburten der Dinge gleichsam unmittelbar und aus unmittelbarem Schauen zu beschreiben. Wer kann läugnen, daß der Mensch einer Versetzung, einer gänzlichen Einkehr in sein außer- und überweltliches Princip, und demnach einer Erhöhung der Gemüthskräfte ins Schauen fähig sey. Aber dann muß er auch auf das Aussprechen Verzicht thun. Denn in jeder Anschauung liegt etwas Unaussprechliches; wollen wir irgendein Seyn, auch das gemeinste zum Aussprechen bringen, so müssen wir theilweise zu Werk gehen, es auseinanderlegen und also die Einheit, Ganzheit und Innigkeit der Anschauung verlassen aufgeben. Der Mensch, der in dieser beständig verharren will, überfliegt, vergißt den jetzigen Zustand, der sich zu jenem Vor- und Überweltlichen wie der Zustand der Entwicklung zu dem der Einwicklung verhält, und dessen eigentliche Endabsicht ist, daß in ihm, was in jenem zumal und zusammen war, zur höchsten Auseinandersetzung und Entfaltung gelange. Wie ein jedes Ganzes zu seiner Erhaltung von Zeit zu Zeit der Reduktion auf seinen Anfang bedarf: so ist es auch dem Menschen nöthig, auf die ursprüngliche Einfalt seines Wesens immer wieder zurückzugehen. In diesem Einheitsgefühl empfindet er die höchste Seligkeit, deren er fähig ist. Aber dieß gleichsam beständig genießen zu wollen ist gegen die Bescheidenheit des gegenwärtigen Lebens. Mehr als jeder andere bedarf der wissenschaftlich Suchende dieser Wiederannäherung an das Ursprüngliche: auch dem Philosophen, nicht der Dichter allein hat seine Entzückungen: aber diese gehören nur für ihn, nicht für die Welt. Er bedarf ihrer, um durch das Gefühl der unbeschreiblichen Realität jener höheren Vorstellungen gegen die erzwungenen Begriffe einer leeren und begeisterungslosen Dialektik bewahrt zu sein. Aber sobald er unmittelbar aus diesem Schauen reden will, verliert er das ihm nothwendige Maß: er ist nicht mehr Meister seiner Gedanken, und in dem vergeblichen Ringen, das Unaussprechliche dennoch auszusprechen, verliert er alle Sicherheit. Was er trifft, das trifft er, aber ohne dessen gewiß zu seyn, ohne es fest vor sich hinstellen und im Verstande gleichsam als wie in einem Spiegel wieder beschauen zu können.
Hier also geht die Gränze zwischen Theosophie und Philosophie, welche der Wissenschaftliebende heilig und keusch zu bewahren hat. Der bescheidene Begriff des göttlichen Platon von der Wissenschaft, wonach sie in thätiger Erinnerung besteht
, wie wenn wir aus einzelnen gebliebenen Tönen eine ganze Melodie wieder zusammenzubringen suchen, zeigt uns, daß alle wissenschaftliche Thätigkeit in einem inneren Verkehr mit uns selbst besteht, wobey wir uns gleichsam verdoppeln und in eine Zweyheit mit uns selbst treten. Wie bey dem Bestreben, uns eines Namens, eines Liedes, eines Spruches zu erinnern, gleichsam zwey Wesen in uns sind, ein fragendes, das dem Wissenden, in welchem die Erinnerung schläft, einen nach dem andern vorführt, ob es ihn erkenne, und dieß so lange, bis es den Vorgeführten bejaht und Fragendes und Antwortendes nun zur höchsten Gewißheit in eins fallen: ebenso verhält es sich im wissenschaftlichen Suchen und diese innere Unterredungskunst mit sich selbst ist das Geheimniß des Philosophen, von welchem die äußere, die davon Dialektik heißt, nur das Nachbild, und wo sie zur bloßen Form geworden, der leere Schein und Schatten ist. Denn nicht das Wissende in uns verlangt nach der Wissenschaft, indem sie eingeboren ist, sondern das Geringere, mit dem es verbunden und von dem, wenn es nicht von ihm geschieden ist, es auch selbst verdunkelt wird, ohne daß dieses darum wissend würde. Daher verlangen beyde gleich sehr nach der Scheidung, jenes, damit es in seine ursprüngliche Freyheit heimkehre, dieses, damit es von ihm empfangen könne und ebenfalls, obgleich ganz anderer Art, wissend werde.
Dieses Vermögen also, das uns gleichsam beständig um seine Veredelung anruft, muß der Philosoph bey seinem Streben im Auge haben und vorzüglich dahin sehen, daß was jenem als ein Untheilbares und zumal Empfundenes gegenwärtig ist, in diesem als theilweise Zusammengesetztes, aber ihm doch ähnliches Ganzes, gleichsam als in einem Widerschein anspreche entstehe.
Dieses also ist die Erklärung, warum die Wissenschaft, ob sie gleich dem Wesen nach Historie ist, dieses nicht der Form nach sein kann, und auch wir in dem folgenden Werk nicht sowohl Erzähler als Forscher sein werden. Denn unsere Wissenschaft ist noch nicht die volle Erinnerung sondern nur ein Streben nach dem Wiederbewußtwerden. Wir leben nicht im Schauen sondern im Erzeugen und successiven Zustandebringen, welches nicht ohne alle Reflektion sein kann. Was wir also Wissenschaft nennen, ist mehr noch ein Trachten nach ihr als sie selbst, aus welchem Grunde ihr unstreitig von jenem hohen Manne des Alterthums der Name Philosophie beigelegt worden ist, bey dem es wohl sein Bewenden haben wird.
Wäre es aber möglich, daß die Erinnerung vom Urbeginn der Dinge im Menschen so lebendig würde, daß an eine Verwandlung der Philosophie in Wissenschaft gedacht werden dürfte: so würde diese dann am wenigsten im hohlen Geklapper einer seelenlosen, gehaltleeren, bloß formalen Dialektik erscheinen können: eher als das größte Heldengedicht, das die Zeit selbst dichtet, umfassend, wie von Sehern der Vorzeit gerühmt wird, was ist, was war und was sein wird
. Denn keines von diesen kann wahrhaft ohne das andere eingesehen werden.
Erstes Buch
Die Vergangenheit
Nicht alles Vorweltliche kann darum auch zum Vergangenen gerechnet werden. Wie in sich selbst, erkennt der Mensch auch im All ein über alle Zeit Erhabenes, einen Anfang, der nie in sie hereintritt, ewig außer ihr bleibt. Auch uns kommt es daher zu, ehe wir das
Das Erste ist, von dem alle Entwicklung anfängt und durch diese als Vergangenes gesetzt wird. Das Letzte ist, worauf alle Entwicklung hinausläuft. Da aber in jeder Entwicklung Einerleyheit des Wesens statthat, also ein und das nämliche das Erste und das Letzte und auch das Mittlere zwischen beyden ist, so ist dieses eine Wesen als das, welches jene sind, außer der Entwicklung und also auch außer und über der Zeit. Wird dieses Eine das Ewige genannt, so sind darum nicht drey Ewige sondern es sind Drey, das Erste, das Mittlere und das Letzte, deren jedes das Ewige ist oder noch genauer ausgedrückt, deren jedes dasselbe ist, was das Ewige ist.
Wie in sich selbst muß also der Mensch auch im All Ganzen ein Ewiges erkennen, das überall kein Verhältnis zu der Zeit hat und das er allem Werden und aller Entwicklung voraussetzen muß. Auch wir, da unsere eigentliche Absicht auf Einsicht in diese Entwicklung geht, haben es vor allem anzuerkennen, und womöglich zu finden, wie es sich von dem Ersten unterscheide, von welchem, wenn es gefunden ist, selbst alle Entwicklung anheben kann.
Die meisten nun sagen, Gott sey das älteste der Wesen
, d.h. des Seyenden. Nothwendig verstehen sie darunter den seyenden Gott. Wenn es aber wahr ist, wie man ebenfalls zu sagen pflegt, daß Gott das Wesen ist, welches Grund und Ursache seiner Existenz in sich selbst enthält: so muß der Gott, welcher Grund und Ursache seines Daseins enthält, über und wenn auch nicht der Zeit, doch der Natur und dem Begriff nach vor dem seyenden Gott seyn. Eben derselbe kann darum selbst nicht als Seyendes ausgesprochen werden, wie darum auch schon einige von den Alten Gott als ein über dem Seyenden ausgedrückt haben wollten.
Wie fangen wir es nur an, diese Lauterkeit des Wesens zu beschreiben, die sogar das Seyn von sich ausstößt, und von solcher Reinheit ist, daß nur die größte Innigkeit den Gedanken erlaubt, sich einigermaßen zu ihr zu erheben. Ein jedes Existirende ist schon als solches ein Bestimmtes, das in einem Zustand der Entwicklung sich befindet, Unendliches in sich verschlossen, das es offenbaren möchte, und hat darum selbst den Stachel der Entwicklung, des Fortschreitens, des sich Ausbreitens in sich, denn ein jedes Wesen ist nicht bloß, sondern es will auch wieder das seyn, was es ist, d.h. sich zeigen als es seyend. Einige, welche diese Gebundenheit alles Existirens fühlen mochten, sind darum, vielleicht in der Meynung über es hinaus zu gehen, auf das Leben oder das Seyn an sich als das Höhere gefallen, welches aber entweder ein abgezogener Begriff, oder das ist, was noch unter dem Seyenden steht. In der Freyheit von allem Seyn ist die größte Herrlichkeit; nur was auch Nichtseyendes ist, lebt in übernatürlicher, ja fast möchte man sagen in übergöttlicher Freyheit.
Dem gemeinen Sinn, der diese Freyheit nie in sich selbst gefühlt und der da zu sein überhaupt für das Höchste hält, muß es unbegreiflich vorkommen, wie das, was alle Kraft und Vermögenheit zum Seyn enthält, selbst nicht seyn könne: auch fragt er, was es denn nun sey, da es kein Existirendes seyn solle? Und findet keine Antwort als es sey das Nichts, oder dem Ähnliches, wie das Zero als Aufhebung aller Zahl.
Jawohl ist es ein Nichts; aber wie der Wille der nichts will, der keiner Sache sonderlich begehrt, sich nach keiner Seite neigt, dem alle Dinge gleich sind, und der darum von keinem Ding bewegt wird. Ein solcher Wille ist nichts, aber er ist zugleich alles, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von nichts beherrscht wird.
4. Acht Einzelfragmente
Einzelblatt halbseitig abgerissen
Wenn es einmal Zeiten der göttlichen Offenbarung gibt, warum sollten nicht auch in jener frühesten, allgemeinsten Offenbarung, durch die der Grund zu jeder späteren Offenbarung gelegt war, Zeiten denkbar seyn; warum wäre unmöglich, daß der dunkle Begriff der der Welt vorangehenden Ewigkeit dem tieferen Blick sich noch in Zeiten auflöste, gerade wie die dem gewöhnlichen Auge als unbestimmter Schimmer vorschwebenden Nebelsterne für das bewaffnete Auge sich noch in einzelne Lichter auflösen?
Das Successive in den göttlichen Wirkungen muß seinen Grund in innersten Tiefen der Gottheit haben. Nur von dort muß es also hergeleitet werden. Es kann, wie leicht einzusehen, nicht wohl kaum auf etwas anderem beruhen, als auf dem Verhältniß, das Gott Selbst zu seiner Existenz hat, oder (was nach einer schon alten Definition der Existenz ganz gleich bedeutend ist) zu seiner Offenbarung hat.
Nach den herrschenden angenommenen Begriffen ist dieß Verhältniß ganz klar; denn da es ist eine angenommene Erklärung, Sache, daß Gott ein von Natur sey (sua natura) existirendes, und darum auch nothwendig existirendes Wesen sey; eine Erklärung, die in allen Lehrbüchern nicht nur der natürlichen sondern selbst der positiven Religion auf und angenommen ist. Nach dieser Erklärung ist die Existenz Gottes gleich abgeschlossen und fertig; sie ist mit dem Wesen Gottes zumal und ganz schon gesetzt.
Dennoch wenn gefragt wird, was denn im Menschen eigentlich Er Selbst sey? wird jedermann antworten; es sey das schlechthin und unfaßlich-Freye des Menschen. Denn alles andre, das zu ihm gerechnet wird, kann wohl zu ihm gehören, aber schon darum, weil es zum Theil von ihm unabhängig ja sogar durch anderes bestimmt ist, nicht zu seinem eigenstes Selbst, innerstes Selbst seyn. So kann muß denn wohl auch das, was in Gott eigentlich Er Selbst ist,
Einzelblatt
Von der Vergangenheit kommt die Wissenschaft her, nimmt die Gegenwart auf und dringt in die Zukunft. Das Ende kann geahndet, die Gegenwart gefühlt, die Vergangenheit nur gewußt werden. Dunkel, doch den Menschen begreiflicher ist der Ausgang weil die allgemeine Bewegung ihn selbst in dieser Richtung treibt. Wenigeren ist gegeben die Anfänge des Lebens zu lesen, den Wenigsten das Ganze vom ersten bis zum letzten der Dinge zu durchdenken: denn Seelenstärke ist nöthig den Zusammenhang vom Anfang bis ans Ende fest zu halten. Doch bey weitem die Meisten erschrecken vor der Wirklichkeit dieser Bewegung, sie möchten den Streit, den nur die That entscheidet, mit friedlichen Allgemeinbegriffen schlichten und das Resultat eines Lebens, das durchgekämpft seyn will, einer Geschichte, in der wie in der Wirklichkeit Scenen des Kriegs und des Friedens, Schmerz und Lust, Gefahr und Errettung wechseln durch eine bloße Verknüpfung von Gedanken herausbringen in der Anfang wie die Fortschreitungsart gleich willkührlich ist. Aber keiner glaubet, wenn er nicht von dem was wirklich Anfang ist, dem woraus sich in Wahrheit etwas denken läßt, also dem an sich Unvordenklichen und Ersten durch Mittelglieder, die aus diesem selbst sich erzeugen ohne irgend etwas fremdartigem oder der Willkühr und der Meynung einigen Zutritt zu verschaffen, bis zu dem was wirklich das Ende ist fortschreitet, daß er den Weg wahrer Wissenschaft wandlet. Alles was nicht auf diese Weise anfängt und fortschreitet, träfe es auch zufällig in Einzelnem mit der wahren Wissenschaft zusammen, ist bloß scheinbare, künstliche, gemachte Wissenschaft.
Schon der milesische Thales wurde gefragt was das erste und in der ganzen Natur der Dinge älteste sey
. Welchen Sinn die ihm zugeschriebene Antwort haben mochte untersuchen wir nicht; jedoch, was wir auch von all demjenigen was als ein Seyendes erkannt wird auswählen möchten, stets wird das Seyende älter seyn, denn es kann nichts älteres geben, es ist seiner Natur nach das erste allem vorauszusetzende, und gleichwie das was das Gute oder das Gerechte oder das Gleiche selbst ist nothwendig vorausgesetzt wird von dem was nur ein Gutes, ein Gerechtes, ein Gleiches ist, ebenso ist ohne allen Vergleich früher und älter (prius et antiquius) was das Seyende selbst als was ein Seyendes irgend einer Art ist. Von selbst klar ist daß es niemals in der Erfahrung vorkommen könne als in welcher wir nur Wirkliches oder Seyendes antreffen, daß es also bloß
Einzelbogen
Von dem, was das an sich Erste und allem Vorauszusetzende ist durch Mittelglieder, die aus diesem selbst sich erzeugen, in stätiger Folge bis zu dem wahrhaft Letzten, dem wirklichen Ende zu gelangen, ohne etwas anderes oder fremdes herbeyzuziehen; dieses unstreitig ist der Weg vollendeter Wissenschaft und alles was außer diesem versucht wird, kann stets nur Meynungen niemals Wissen erzeugen.
Seit undenklicher Zeit bestrebt sich der menschliche Geist, solche aus der ersten Wurzel entspringende Wissenschaft zu erzeugen; wenn aber die meisten Versuche schon auf dem Wege zu dem Letzten erliegen und nicht einmal den Anfang finden, so liegt der Hauptgrund dieses völligen Mißlingens unstreitig in der Meynung: das allem Vorauszusetzende müsse auch das Vortrefflichste, und weil sie dieses nach demjenigen bemessen was sie vorzugsweise begehren das an sich Begehrenswertheste seyn. Allein sie wollen unstreitig seyn und leben d.h. Seyendes und Lebendiges. Aber das allem Vorausgehende ist von der Art, daß nicht nur nichts vor ihm ist, sondern auch, weil es das seiner Natur nach Erste und in der ganzen Natur der Dinge Älteste ist, nichts vor ihm seyn kann.
Daher kann es selbst kein Seyendes seyn; denn alles was ein Seyendes ist setzt eben damit anderes Seyendes außer sich ja es kann als diese besondere Form und Gestalt des Seyns nur bestehen indem es alle anderen Formen von sich ausschließt, also außer sich setzt: selbst das an sich aller Form- und Gestaltlose wenn es als solches seyend d.h. ein Seyendes seyn soll muß alle Formen und Gestalten des Seyns von sich ausschließen, außer sich wirklich setzen, indem es sonst immer zweifelhaft bliebe ob es nicht irgend eine dieser Formen in sich selbst verbürge. Es kann selbst kein Seyendes seyn, sondern nur eine lautere Freyheit zu seyn. Nun läßt diese zunächst nichts Seyendes zu, denn sie selbst hat allein ein unmittelbares Verhältniß zum Seyn und verschließt allen andern den Weg in das Seyn, also daß vor ihr, d.h. ehe sie selbst seyend ist, nichts anderes seyend seyn kann. Aber auch jenseits des Seyns läßt sie nichts anderes zu, denn jenseits des Seyns ist nur das was absolutes Subject des Seyns ist, aber eben dieß ist sie selbst. Was also jenseits des Seyns wäre, müßte an derselben Stelle (eodem loco) mit ihr seyn und hätte keine andere Stätte des Seyns als die von ihr schon eingenommen ist, mit anderen Worten: sie selbst, jene lautere Freyheit zu seyn, wäre dieses andere, denn sie selbst ist absolutes Subject oder das allein Seyende dieses Wort im Sinne jenes wesentlichen Seyns genommen von welchem in jeder möglichen Aussage das ist der Ausdruck ist.
Denn in jeder Aussage wird ein doppeltes Seyn unterschieden, das gegenständliche, welches in dem Satz: A ist seyend (und jede mögliche Aussage enthält nur dieses, entweder daß A überhaupt seyend, oder daß es diese bestimmte Form und Weise des Seyns ist) durch das Wort seyend ausgedrückt wird, und das mehr Innerliche gegen jenes in die Tiefe zurücktretende, das in dem Wort ist liegt und welches eben das Seyn des bloßen Subjects oder wie es auch sonst genannt wurde des lauteren Wesens (esse more essentiae) ist.
Also ist das allem Vorauszusetzende zugleich die alles verzehrende Lauterkeit, oder mit dem Morgenländer zu reden das Unverhüllte, das Bloße, vor dem nichts bestehen kann.
Nun ist klar, daß dieses nicht ist was wir wollen sondern was wir nicht wollen. So muß es aber auch seyn, denn das allem Vorauszusetzende kann schon darum nicht das Gewollte seyn, weil es überhaupt nicht das Gegenständliche ist. Es ist das selbst allem Denken zuvorkommende; wäre sonst das Unvordenkliche, Erste? Es wird nicht gesetzt, sondern es setzt sich selbst, nicht eben daß dieses sich Selbstsetzen als ein besonderer Akt zu denken wäre, sondern in dem Sinn wie man auch sagt etwas mache sich selbst, wenn man nur sagen will es sey ohne unser Zuthun. Es ist das von allem Setzen schon voraus Gesetzte, das ehe wir uns bedenken oder uns dessen versehen schon da ist und den Ort der Unbedingtheit eingenommen hat, so früh wir auch kommen mögen.
Eben darum weil es allem Denken zuvorkommt, glaubte man die Erkenntniß desselben nur als Anschauung aussprechen zu können; weil es aber in dieser Anschauung nicht als Gegenständliches sich erhalten kann, so glaubte man diese Anschauung als eine intellektuelle bezeichnen zu müssen
. Eben darauf zielte der ander Ausdruck, daß es nur vermöge eines nichtwissenden Wissens gewußt werde, denn alles Wissen bezieht sich zunächst auf einen Gegenstand, wo also kein Gegenstand ist auch kein Wissen oder wenn Wissen nur nichtwissendes Wissen. Eben dahin zielt auch jener alte Ausdruck: nur wenn es nicht gesucht werde stelle es sich dar, suche man es aber gegenständlich zu machen, so entfliehe es, nur durch Nichterkennen werde es erkannt (ignorando cognoscitur
), wolle man es aber mit ihm zum Wissen bringen so entziehe es sich dem Wollenden.
Einzelblatt
Lauterkeit ist, was der Mensch in allen Dingen sucht und über alles hoch und werth achtet. Im höchsten geistigen Begehren kann er daher auch nichts andres suchen, als die vollkommene Lauterkeit, die Lauterkeit selbst wenn nicht mit leiblichen Augen zu schauen, doch zur wirklichen Erkenntniß zu bringen. Aber alles andre hat Eigenschaften, woran es erkannt und gefaßt wird, und je mehr Eigenschaften es hat, desto faßlicher ist es. Die vollkommene Lauterkeit aber ist eben das, was übrig bleibt, wenn alle Eigenschaftigkeit abgethan ist, die reine Bloßheit; Abgeschiedenheit von allem, die an nichts hängt, das keine Berührung verträgt, gleichsam eine Jungfräulichkeit, vollkommene Einfalt der man also nicht unmittelbar sich nähern kann als durch ein völliges Aufgeben der Erkenntniß; wenn man sie nicht will ist sie da, wenn man nach ihr greift entflieht sie. So weit ist also bloß verneinende Erkenntniß von ihr möglich. Wirkliche (positive) Erkenntniß aber die doch eigentlich gesucht wird, ist nur mittelbar möglich. Nämlich an oder in ihr selbst ist nichts zu erkennen, denn sie ist eine völlig Überwirklichkeit. Es bedarf etwas außer ihr, sie festzuhalten, anzulocken, herbeyzuziehen, eines Zaubers, der sie festhalte, und sie dabey rein und ganz lasse. Außer ihr könnte aber zunächst nichts seyn als etwa eine Gestalt von ihr. Allein diese Gestalt, wenn sie wirklich in sich die vollkommene Lauterkeit bewahrt, ist nothwendig ebenso verborgen und ebensowenig unmittelbar zu erkennen als sie selbst. Von ihr selbst aber, der Lauterkeit, gibt es auch keinen Weg oder Übergang zu ihr, sondern, wenn sie wirklich das ist, wofür wir sie nehmen, kann sie so wenig ein Gewordenes und muß eben so ewig seyn als die Lauterkeit selbst. Dieses also aufgegeben, ist nichts außer ihr zu denken, als die Urlauterkeit. Wir hätten also zu sehen, ob nicht in dieser irgend ein Keim, etwa eine Gestalt der Lauterkeit anzutreffen ist, etwas sie selbst anziehendes und festhaltendes. Diesem Verfahren kann nicht vorgeworfen werden, daß wir damit die Lauterkeit als etwas an sich Seyendes behandeln in dem nichts vorauszusetzen ist. Denn es ist hier noch nicht von der Wissenschaft selbst die Rede, sondern indem wir uns erst des Unvordenklichen (ἀνυπόθετον) schlechthin
Probe aus S. 3 u. 4 des Bogens II einer 22 Bogen fassenden stark variierenden Umarbeitung des Ersten Buches
Nehmen und Geben sind Wechselbegriffe, deren keiner ohne den andern gemacht werden kann. Aber jenes Überseyende, das wir vor allem Seyenden setzen, hat Nichts, es hat nicht allein sich selbst nicht, sondern es hat auch äußerlich nichts, und ist auch in dieser Beziehung als der höchste Reichthum der höchsten Armuth gleich. Was also nichts hat, dem es sich gebe, das kann sich nicht geben, das kann sich nur selbst nehmen, damit es Etwas sey. Der höchste Reichthum wenn er nichts hat, dem er sich geben kann, wird der Armuth gleich, schlägt in sich selbst zurück und verzehrt sich selber. Wenn wir uns ein lauteres Feuer denken, das keinen Stoff hat, durch dessen Verzehrung es sich selbst sänftigen kann, wirkt nothwendig in sich zurück und wird sich selbst zur Pein. Ebenso ein Geist, der ganz nackt und bloß wäre und nichts außer sich hätte, womit er sich umhüllen oder bekleiden möchte, könnte nicht anders als selbst verzehrend in sich selber zurücktreten. Dieses stille keimende in sich selbst Gehen ist an sich noch kraftlos und ohne That; es ist am ehesten dem Hunger zu vergleichen, der nicht thut, ja gewissermaßen nichts ist und doch die größte Qual. Aber eben dieser Hunger des Nichts-seyns wird die Mutter der That und ist der ewige und eigentliche Anfang, der, wie schon das Wort andeutet, überhaupt nicht in einem Geben, Aussprechen oder sich Mittheilen, sondern nur in einem Nehmen, Berauben, Anziehen bestehen kann. Dieser Hunger ist der wahre alles ziehende Magnet, die erste, aber auch dauernde beständig fortwirkende Spannung des Bogens
unter dessen Bild schon das hohe Alterthum das Leben sich vorgestellt
.
Der Mensch, seinem Geiste nach, ist nichts anderes als eine solche lautere Freyheit, ein an sich nackter und bloßer gegen alles freyer Wille. Aber dieser Wille wird auch in ihm selbst sich peinlich; es ist dem Menschen von Natur sozusagen unerträglich nichts zu wollen, und könnte der gewaltigst Strebende durch ein Wunder in den Zustand des Nichtwollens versetzt werden augenblicklich würde sich diese Bloßheit des Willens in eine brennende Sucht verwandeln, die ihm entweder durch ein überschwengliches Gut für immer erfüllt werden müßte, oder ihn wieder dahinrisse in den Kreislauf der nie ersättigten, nach immer neuen Stoff verlangenden Begierde.
Unmöglich ist, daß jenes Überseyende, die verneinende Kraft in sich zurückdrängend und bewältigend, aussprechendes Wesen werde. Wir wollen nun nicht verbergen, daß noch ein drittes möglich wäre, ob wir es schon bis jetzt nicht angenommen, nämlich daß es eben überall nicht wollte, daß es der lautere Wille bliebe, der Wille der nicht will. Wenn nun die Frage ist, warum er deß ohnerachtet nicht in dieser Lauterkeit bleibt, so können wir nicht antworten als folgendes.
Es wäre übernatürlich, wenn er schlechthin nicht wollte. Im Nichtwollen, können wir sagen, besteht alle Übernatürlichkeit. So wie umgekehrt zu wollen natürlich ist und alle Natürlichkeit eben durch das Wollen gesetzt wird. Das ist das Schwerste und über alle Natur, bloßer Wille zu seyn ohne zu wollen, nicht zu wollen, in der Gleichgültigkeit zu bleiben. Es heißt: Des Menschen Wille ist sein Himmel, aber es könnte auch heißen: des Menschen Wille ist seine Hölle. Zuerst sollte man wohl sagen, der gestillte Wille, der Wille der nichts will sey der Himmel. Jeder Mensch sucht diesen Himmel, nicht nur, der es erträgt nichts zu wollen, um vom höchsten erfüllt zu werden (denn nur den Willen der nichts will kann Gott erfüllen) sondern auch der sich wild allen Begehrungen überläßt, denn was ist die Hölle selbst, als das ewige suchen Müssen und nicht finden Können des Himmels. Es ist ein Gedanke, der sich wohl hören läßt, daß abgeschiedene Geister, die unfähig des Himmels in die Region desselben gerathen, sich von selbst von ihm wieder ausscheiden, weil ihnen jener erfüllte Zustand des ruhenden nichtwollenden Willens zur Pein zur verzehrenden Sucht wird, daß sie also freywillig sich wieder hinabstürzen in den Umtrieb der nie ersättigten, ewig ewig wieder hungernden Begierde.
Schlußseite des Ms einer 29 Bogen umfassenden Umarbeitung des Druckes I, auf der dessen ausgeschnittene S. 183/184 eingeklebt war, worauf folgte:
Nicht in dem Verstande sicher, wie es die Menge glaubt, ist der geordnete Zustand der Welt; zwar sicher genug, solange die ewige Liebe nicht stirbt und die herrschend obwaltende Macht ist, aber nicht so sicher, als wäre er durch blinde Nothwendigkeit, oder wie gemeynt wird, durch ewige Naturgesetze. Noch immer bleibt der alte Zustand im Grunde; nicht durch eiserne Bande der Nothwendigkeit, nur durch das Sanfteste was in der Milde und Güte wird er gehalten, daß er nicht wieder ausbricht.
Wenn Blitze zucken, wenn Sturm und Ungewitter Himmel und Erde zu vermischen drohen, alle Elemente entfesselt toben, oder wenn die Grundfesten der Erde erbeben; oder eine schreckliche Empörung in der menschlichen Gesellschaft entsteht, wenn alte Treue und Freundschaft sich löst, Gräuel von Gräueln verdrungen werden, und alle Bande sich lösen: dann fühlt der Mensch, daß jener Zustand noch immer vorhanden ist, dann wird er ihm unheimlich, wie in grauser Geisterstunde. Denn der Mensch ist hingestellt, die Macht der Liebe aufrecht zu erhalten; so muß die Menschheit im Wahn sich selbst zerfleischen, wie Ungeheuer der Tiefe. Darum erregt der Verbrecher nicht nur dem Menschen Entsetzen, sondern ist von der ganzen Natur verläugnet, und nach eigenem Gefühl ausgestoßen von ihr, überall verfolgt und flüchtig vor ihr, weil er das alte Chaos wieder hervorzurufen, den Bund zu brechen sucht, durch den er allein bewältiget worden.
O Vergangenheit, du Abgrund der Gedanken!
Proben aus Ms ULT1
Er sey der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte
. Es ist ewig in dieser Bewegung was sich in ein unzugängliches Licht verhüllte, das niemand zu sehen noch aussprechen kann Es ist nicht nur beziehungsweise auf uns, es war sich unsichtbar, unaussprechlich und undenkbar nicht bloß dem Menschen, sondern seiner Natur nach.
Hier ist die wahre unbedingte Gränze nicht des Wissens, sondern des Denkens, über die der Mensch nicht hinauskann, weil Gott selbst nicht über sie hinauskann. Wer sie überschreitet, verliert sich in die Dunkelheiten und unausweichlichen Abgründe der Emanationslehre, des Gnosticismus und vieler anderer Arten der morgenländischen Philosophie. Eine kräftige Stelle des Dr. Martin Luther stimmt ganz mit dem ein, ob wir gleich hier von Zeit eigentlich noch nicht reden wollen. ›Unsinn ist’s
, sagt er im Anfang seiner Erklärung des 1. Buch Mosis, viel von Gott außer und vor der Zeit streiten, weil dieß heißt die nackte Gottheit, das bloße göttliche Wesen begreifen wollen. Weil dieß unmöglich, darum hüllt sich Gott ein in seine Werke (sein Thun) und gewisse Gestalten, wie er sich heutzutage in die Taufe u.a. einschließt; gehst du vor dieser hinweg, so gehst du hier außer Maß, Zeit und Ort und in’s reinste Nichts, wovon nach dem Ausspruch des Philosophen (des Aristoteles) keine Wissenschaft möglich ist
.‹ Denn wo keine Folge ist, da ist auch keine Wissenschaft.
wie der Wind der weht wo er will und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißest nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt
, (weil das Ende immer wieder in den Anfang, der Anfang in das Ende geht) er ist nur der Geist dieses unendlichen Lebens und wohin du kommst findest du schon nur seine Fußtapfen, nicht ihn selbst, denn er ist der allerbehendeste und gehet durch alles, wegen seiner Lauterkeit. Gott ist Geist: dieß Wort ist die neutestamentliche Auslegung jenes uralten Gott ist Feuer
. Denn die am richtigsten denken haben längst geurtheilt, daß dieß Wort nicht gebraucht werde, um Gott in eine besondere Classe von Wesen einzuschließen, daß er in einem ganz andern und vorzüglicheren Verstande Geist genannt werde als die Engel und die Menschen.
Diese Unbegreiflichkeit Gottes beruht nicht darauf, daß er ein abstruses Wesen ist, dessen Natur wir nach unsern Begriffen unmöglich finden müssen; es läßt sich nicht dogmatisch von ihr reden, wie so viele thun, als einer stillstehenden Eigenschaft, denn im Gegentheil beruht sie auf der höchsten Lebendigkeit. Auch ist ein Unterschied zu machen zwischen Begreifen und Erkennen. Denn unbegreiflich ist was nicht gegriffen in einem Begriff umschrieben, eingeschlossen werden kann; aber eben was die lauterste Wirklichkeit (actus purissimus) ist auch in sich das am vollkommensten meisten Erkennbare, weil es gleichsam der lauterste Stoff des Erkennens ist.
5. Aus MS ULT4 Bogen III-V
Die Vergangenheit
fast dieselbe Scharfsichtigkeit und göttlich ahndende Kraft dazu, das Vergangene als die Zukunft zu lesen
.
Alles weist an unglaublich hohe Vergangenheit zurück. Die ältesten der Zerstörung der Zeit entronnenen Werke und Bildungen des menschlichen Geistes tragen ein für uns so fremdes Ansehen, daß wir uns von der Zeit ihrer Entstehung und den Kräften, die damals in der Menschenbrust walteten, nur mit Mühe einen Begriff zu machen vermögen. So jung auch vergleichsweise das Menschengeschlecht seyn mag, so drängt sich die Erkenntniß auf, wie weit von unsrem Ursprunge wir sind. Die älteste Menschengeschichte, arm wie es scheint an den äußeren Ereignissen, die wir fast allein als den einzigen Stoff der Historie ansehen, war desto reicher an inneren Begebenheiten. Jenes Weltalter war noch die Zeit der Betrachtung und göttlichen Offenbarungen. Weil den damals Lebenden alles als Offenbarung erschien, vermischte sich die Nachricht von äußeren Begebenheiten mit der Kunde vom Weltall, von Gott oder göttlichen Wesen. Wenn erst alles was dunkle Vorzeit erhalten, entdeckt, zusammengestellt und verglichen seyn wird, vielleicht daß sich dann mit Hülfe des Fadens, der uns durch die Offenbarung an die Hand gegeben ist, noch der Zusammenhang der äußeren und inneren Geschichte der früheren Vorwelt doch noch mit einiger Wahrscheinlichkeit entdecken läßt. Gewiß ist, daß die Denkmäler der inneren Geschichte zugleich auch die Hauptquellen der äußeren sind, mehr als insgemein gedacht wird, da bey uns alles in’s Äußere getrieben und die Geschichte des Geistes trotz aller geäußerten Erfindungen arm ist gegen jene ungeheuren Bewegungen des Gemüths, durch welche allein die frühesten Vorstellungen von der Natur, und den verschiedenen Urwesen, und jenes ganze wunderbare, in seinem Irrthum tiefe Chaos der ältesten Welt- und Göttergeschichten erzeugt werden konnte.
Der Bildung und ersten Schöpfung des Menschen mußte die Erschaffung des Schauplatzes vorangehen, auf dem er wirken sollte. Der regelmäßige Einfall allgemeiner Erscheinungen, der gleichförmige Wechsel der Jahreszeiten und Tage, die Dauerbarkeit der leblosen Bildungen wie die unveränderte Wiederkehr der Formen in der lebendigen Natur – dieß alles deutet auf ein stillstehendes Ganzes; aber eben darum weil auf Stillstand zugleich auf eine einst gewesene Bewegung, eine Folge von Zeiten, die nun durch irgend einen Zauber angehalten oder in ihren eignen Netzen gefangen, endlich in den Kreis der Einen Zeit gebannt wurde, die nicht mehr überschreitet. Es ist ein Abgrund von Vergangenheit; und die unermeß- Das was jetzt zumal ist und lebt ist darum nicht auf einmal entstanden; in einer undenklichen Reihe von Zeiten hat je die folgende die vorhergehende überdeckt; die unermeßlichen Zeiträume der Vergangenheit dehnen sich vor der Einbildungskraft in dem Verhältnis aus, als man die Abstufungen und Übergänge zwischen den verschiedenen Arten von Bildungen wahrnimmt. Wie auch immer im Vorhergehenden schon das Folgende mit begriffen, im Späteren das frühere wiederholt seyn mag, so ist doch alles nur Werk einer bestimmten Zeit; und die verschiedenen noch vorhandenen Bildungen sind ebenso viele Marksteine des Wegs, den die stufenweis nach Absätzen wirkende Kraft genommen; jedes Gebild der Zeiger eines Tags, einer Stunde, eines Augenblicks in dem großen Uhrwerk der Schöpfung.
Wenn aber die Erde nach ihrem gegenwärtigen Bestand nur ein Werk der Zeiten ist, warum sollte es mit dem Weltall anders seyn? An eine Vergangenheit der Welt muß wenigstens der glauben, der annimmt, daß sie nicht von Ewigkeit, daß sie ein in der Zeit Entstandenes ist. Aber vielleicht ist selbst dieser, der gegenwärtigen Ordnung der Dinge unmittelbar vorangegangene Zustand nicht der erste und älteste; vielleicht weist auch dieser an einen früheren zurück, und wenigstens ist es nicht unglaublich, daß die Welt durch eine Reihe von Zuständen gegangen ist, ehe sie in den gegenwärtigen beharrte.
Vergangenheit – ein hoher Begriff, Allen gemein und nur Wenigen verstanden! Die Meisten wissen von keiner, als der, welche sich in jedem Augenblick durch eben diesen vergrößert, selbst noch wird, nicht ist. Ohne bestimmte entschiedene Gegenwart gibt es keine; wie viele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch, der sich nicht scheiden kann von sich selbst, sich lossagen von allem was ihm geworden und ihm sich thätig entgegensetzen, hat keine Vergangenheit oder vielmehr kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Ebenso jene, welche immer die Vergangenheit zurückwünschen, die sich selbst nicht steigern wollen, da alles (auch das Schlechte) sich steigert, und die durch ohnmächtiges Lob der vergangenen Zeiten wie durch kraftloses Schelten der Gegenwart beweisen, daß sie in dieser nichts zu wirken vermögen. Wohlthätig und förderlich ist dem Menschen das Bewußtsein, etwas wie man sagt hinter sich gebracht, d.h. als Vergangenheit gesetzt zu haben; heiter wird ihm nur dadurch die Zukunft und leicht, nur unter dieser Bedingung, auch etwas vor sich zu bringen. Nur der Mensch, der die Kraft hat, sich über sich selbst zu erheben, ist fähig, eine wahre Vergangenheit sich zu erschaffen; eben dieser genießt auch allein einer wahren Gegenwart, wie er allein einer eigentlichen Zukunft entgegensieht; und schon aus diesen sittlichen Betrachtungen würde hervorleuchten, daß Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft doch nicht bloße Verhältnißbegriffe einer und der nämlichen Zeit sind, daß sie der höchsten Bedeutung nach wirklich verschiedene Zeiten sind, zwischen denen eine Anstufung oder Steigerung stattfindet.
Wäre kein wahrer Unterschied der Zeiten, ginge die nämliche Zeit, welche die gegenwärtige ist, in’s Unbestimmte fort: so wäre die Welt, wofür einige vermeynte Weltweise sie angesehen, eine vor- und rückwärts in’s Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen, ohne einen eigentlichen Anfang und ohne wahrhaftes Ende. Aber dieser Ungedanke sollte billig mit der unlebendigen Ansicht die sein Ursprung ist zugleich verschwunden seyn.
Die Endlichkeit der Welt der Zeit nach kann nur darauf beruhn, daß eine andre von ihr verschiedene Zeit außer und vor ihr war. Ist dann auch bewährt in jedem Sinne wahr die alte Rede: Nichts Neues ereigne sich unter der Sonne
, ist auf die Frage, was ist’s, das geschehen ist? noch immer jene Antwort die richtige, Ebendas, was hernach geschehen wird
, und auf die, was ist’s, das geschehen wird? Ebendas, was zuvor geschehen ist
: so würde daraus nur folgen, daß die Welt in sich keine Vergangenheit und keine Zukunft habe; daß alles, was in ihr von Anfang geschehen ist und was bis zum Ende geschehen wird nur zu Einer großen Zeit gehört, daß also die Zeit dieser Welt selbst nur eine bestimmte Zeit ist. Aber eben weil nur eine Zeit hat sie die zum Ganzen der Zeit gehörigen Zeiten außer sich voraus. Die wahre Vergangenheit, (die nicht bloß in Bezug auf einen Moment der gegenwärtigen Zeit ist, die im
Die welche einen zeitlichen Anfang der Welt behaupten, lassen ihm unmittelbar die Ewigkeit vorangehen, und setzen sich damit in die Verlegenheit, die Ewigkeit in Bezug auf die Welt als Vergangenheit zu denken. Aber dieser dunkle Begriff einer der Welt vorangehenden Ewigkeit möchte sich der tieferen Betrachtung wohl noch in eine Folge von Zeiten auflösen können, ebenso wie die dem gewöhnlichen Blick als matter Schimmer vorschwebenden Nebelflecke für das bewaffnete Auge sich noch in einzelne Lichter auflösen zersetzen.
Ich habe mir vorgesetzt, die durch lange Betrachtung gewonnenen Gedanken über die Herkunft und große Folge der Zeiten schriftlich aufzuzeichnen, doch nicht in sogenannter streng wissenschaftlicher nur in leicht mittheilender Form, wie sie der Natürlichkeit dieser Gedanken und der zur Klarheit gekommenen Wissenschaft allein angemessen ist. Denn wie man bemerkt hat, daß das Erhabene in der Dichtkunst die schlichtesten und allgemeinverständlichsten Worte liebt: so ist gewiß daß überall das Höchste, wenn es erkannt ist, sich in die einfachsten und leichtesten Worte kleiden läßt. Die Sprache der Systeme ist von Gestern, die des Volks wie von Ewigkeit. Sodann glaube ich daß die Zeit gekommen ist, da der mit der höchsten Wissenschaft Beschäftigte die Frucht der Forschungen mehr der Welt und seinem Volke als der Schule schuldig ist.
Kein Begriff liegt seit langer Zeit in solcher Geringschätzung wie der der Zeit. Ohne Feststellung dieses Begriffs wird sich aber nie eine verständliche Entwicklung der Wissenschaft denken lassen, und es liegt der Grund des allgemeinen Mißverstehens aber in nichts anderem als in den ungewissen schwankenden oder völlig irrigen Begriffen von der Zeit. Auch die Wissenschaft kann die freye Bewegung nicht wieder finden, ehe die Pulse der Zeit wieder lebendig schlagen.
Der jetzt herrschende Begriff kennt überhaupt keine Zeiten –, sondern nur ein Abstractum von Zeit, eine gewisse allgemeine Zeit, die er für die Zeit schlechthin hält, von der es dann ganz richtig ist zu sagen, daß sie eine bloße Form unsres Bewußtseyns ist
, ja richtiger wäre zu sagen, daß sie nichts ist als eine leere selbstgemachte Form. So leicht es nun ist, diesem Begriff gemäß zu sagen, daß die Zeit nichts ist: so fühlt doch jeder im eigenen Thun und Lassen die Wesentlichkeit der wahren Zeit und selbst die welche ihre Nichtigkeit behauptet, weiß sie zu lauten Klagen über ihre furchtbare Wirklichkeit zu zwingen.
Es konnte schon längst verdienstlich scheinen den Zeitbegriff aufzuhellen; das Scheinbare und Unwahre abzuthun daß das Wesentliche und Wahre erschiene; wenn überhaupt noch die Zeit wäre die großen Gegenstände einzeln, Capitelweis abzuhandeln. Erwünschter ist beym gegenwärtigen Stand der Wissenschaft es gleich in Leben und That zu sehen. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis ins Kleinste gehenden Organismus. Wir sind überzeugt (oder wer ist es nicht?), daß jedem großen Ereigniß, jeder folgenvollen That ihr Tag, ihre Stunde, ja ihr Augenblick bestimmt ist, und daß sie kein Nu früher an’s Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche die Zeiten anhält und mäßigt. Ist es nun freylich nicht Sache des Menschen, die Tiefen der Zeiten im Einzelnen zu durchschauen, so ist doch der Augenblick gekommen, jenes allgemeine System der Zeiten, in welchem die gegenwärtige Welt selbst nur ein Glied ausmacht, im weitesten Umfange zu entwickeln.
Doch ehe wir den Weg der Zeiten betreten ist es nöthig an die Natur alles Geschehens zu erinnern, wie alles im Dunkel anfängt, da man nicht weiß wohin es zielt und was sich darinn offenbaren will. Eine Folge zusammenhangender Begebenheiten steht in Bezug auf etwas, das man nicht sieht das aber durch sie verwirklicht werden soll. Das was Ziel der ganzen Bewegung ist, steht im schneidendsten Gegensatz mit dem, was seiner Verwirklichung voranging. Der schrecklichste Mißklang wird durch einen höheren Einklang besiegt, der aber in ihm das Mittel seiner Verwirklichung findet. Aus Krieg wird Friede, aus der Zwietracht Eintracht, aus der härtesten Knechtschaft die holde Freyheit gezeugt. Über dem sturmbewegten Ganzen, da alle Kräfte gegen einander zürnen, geht endlich ein sanftes Licht auf, durch welches auch das Dunkel der früheren Begebenheiten erleuchtet wird. Während des ganzen Hergangs erscheint das was verwirklicht werden soll kraftlos und unvermögend sich zu äußern, bis die gesetzte Zeit gekommen, da die empörten Kräfte wie freywillig sich unterwerfen und dadurch zum Grund einer Wirklichkeit werden.
Es ist ein wahrer großer und nothwendiger Gedanke daß alles Geschehen Ein Geschehen ist, daß alles was ist und sich begibt nur zu Einer großen Bewegung gehört; daß es also auch nur Ein Höchstes ist, das in allem sich verwirklichen sich offenbaren will – Gott.
Was ist der Grund daß dieses Höchste nicht gleich im Anfang wirklich ist oder sich selbst verwirklicht? Warum verstattet es dem, was doch nur Werkzeug seyn kann, vor ihm zu seyn, ja für eine Zeit es gewissermaßen aus dem Reich der Wirklichkeit auszuschließen?
Es ist nur Ein Laut in allen höheren und besseren Lehren daß das wahrhaft Höchste über allem Seyn sey, daher es von Vielen das Überwesentliche, das Überwirkliche (ὑπερούσιον, ὑπερόν) genannt worden. Einem jeden von uns wohnt das Gefühl bey, daß die Nothwendigkeit dem Seyn als sein Verhängniß folgt. Alles Seyn strebt zu seiner Offenbarung und insofern zur Entwicklung; alles Seyende hat den Stachel des Fortschreitens, des sich Ausbreitens in sich, Unendliches ist in ihm verschlossen, das es aussprechen möchte; denn ein jedes Seyendes verlangt nicht bloß innerlich zu seyn, sondern das, was es ist, auch wieder, nämlich äußerlich zu seyn. Nur über dem Seyn wohnt die wahre die ewige Freyheit.
So wenig aber das Höchste als Seyendes gedacht werden kann, ebensowenig als bestimmt Nichtseyendes, sich selbst als seyend verneinendes; denn auch so wäre es ein bestimmtes nothwendiges: das Höchste aber muß frey von aller Bestimmung und außer aller Nothwendigkeit seyn.
Die lautere Ewigkeit wird erklärt als ein Seyn, das schlechthin zeitlos ist und also auch ohne Anfang und Ende. Demnach ist weder ein Punct in ihr von dem sie ausginge (terminus a quo) noch einer nach dem sie hinstrebte (terminus ad quem), d.h. sie ist die unbedingte Unbeweglichkeit selber und die reinste Wirkungslosigkeit inwiefern sich auch kein Wirken denken läßt das nicht von etwas aus – und nach etwas hinginge. Alle diese verneinenden Bestimmungen lassen sich nun in einem einzigen bejahenden Begriff zusammenstellen, in dem der lautersten reinen Freyheit, des Willens, inwiefern er nicht wirklich will, sondern das reine lautere Wollen selber ist.
Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautre Freyheit ein Nichts ist; wie der Wille, der nichts will, der keiner Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist Nichts und ist Alles. Er ist nichts, inwiefern er weder selbst wirkend zu werden begehrt noch nach irgend einer Wirklichkeit verlangt. Er ist Alles, weil doch von ihm als der ewigen Freyheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird.
Die Bedeutung der Verneinung ist allgemein eine sehr verschiedene, je nachdem sie auf das Innere oder Äußere bezogen wird. Denn die höchste Verneinung im letzten Sinn muß Eins seyn mit der höchsten Bejahung im ersten. Was alles in sich hat, kann es eben darum nicht zugleich äußerlich haben. Ein jedes Ding hat Eigenschaften, woran es erkannt und gefaßt wird; und je mehr es Eigenschaften hat, desto faßlicher ist es. Das Größte ist rund, ist eigenschaftslos. Am Erhabenen findet der Geschmack, d.i. die Unterscheidungsgabe, nichts zu schmecken, so wenig als an Wasser, das aus der Quelle geschöpft ist. König
, sagt ein Alter, ist, der nichts hofft und nichts fürchtet
. So wird in dem sinnreichen Spiel eines älteren deutschen Schriftsteller voll Innigkeit derjenige Wille arm genannt, der, weil er alles in sich hat, nichts außer sich hat, das er wollen kann
.
So ist also auch das Wesen der Ewigkeit, eben weil nach außen die reinste Wirkungslosigkeit, in sich die höchste Wesentlichkeit. Fragen wir nun, was im Menschen das einzig Lautere, Ewige, Wesentliche ist; denn was im Menschen das Höchste ist, das ist in Gott, das ist in allen Dingen das Wesen, die eigentliche Ewigkeit. Sehet ein Kind an, wie es in sich ist ohne Unterscheidung, und ihr werdet in ihm ein Bild der reinsten Göttlichkeit erkennen. Wir haben sonst das Höchste ausgesprochen als die wahre, die absolute Einheit von Subjekt und Objekt
, da keins von beyden und doch die Kraft zu beyden ist. Es ist die reine Froheyt in sich selber, die sich selbst nicht kennt, die gelassene Wonne, die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, die stille Innigkeit, die sich freut ihres nicht Seyns. Ihr Wesen ist nichts als Huld, Liebe und Einfalt. Sie ist im Menschen die wahre Menschheit, in Gott die Gottheit. Daher wir gewagt, jene Einfalt des Wesens über Gott zu setzen, wie schon einige der Aelteren von einer Ueber-Gottheit
geredet, unähnlich darinn den Neueren, die in verkehrtem Eifer diese Ordnung wieder umkehren wollten. Sie ist nicht Gott, sondern der Glanz des unzugänglichen Lichtes, in dem Gott wohnt, die verzehrende Schärfe der Reinheit, welcher der Mensch nur mit gleicher Lauterkeit des Wesens sich nähern kann. Denn da sie alles Seyn in sich als in einem Feuer verzehrt, so muß sie jedem unnahbar seyn, der noch im Seyn befangen ist.
Das Höchste ist kein Seyendes und doch auch kein Nichtseyendes; dieß läßt sich auch so ausdrücken: das Höchste ist und ist doch auch nicht. Es ist, aber es ist als wäre es nicht. Es ist, aber es hat kein Seyn, sondern sein Wesen ist sein Seyn und umgekehrt. Es ist aber wie der Mensch war, eh er sich selbst gefunden und empfunden. Es ist nicht, dem wirkenden Seyn nach, inwiefern es nach außen als ein Nichts ist. Nun ist es aber, eben weil das höchste, das was durch alles Geschehen verwirklicht werden soll, dem es gleichsam allein gebührt zu seyn. Von jeher wurde gefragt, wie es von jenem stillen, nicht seyenden Seyn zum offenbaren, wirkenden übergegangen?
Immer gab es welche, die dieß Räthsel leicht auflösen zu können meynten. Das Ewige sagten sie ist erst rein in sich selbst, äußerungslos und verborgen, aber dann tritt es hervor, heraus, erscheint, stellt sich dar, und diese Darstellung ist die Welt. Daß aber hiebey die Hauptsache, der Übergang von Ruhe zu Bewegung ganz unerklärt bleibt, leuchtet von selbst ein. Es ist eine Grund- und Hauptregel der Wissenschaft: was einmal gesetzt ist, kann nicht wieder aufgehoben oder von sich selbst anders werden. Entweder also ist das Höchste ein solcher ruhender Wille oder nicht. Ist er es, so muß er auch ewig vor sich selbst ein solcher bleiben. Überdieß versteht jene Erklärung den Sinn der Aufgabe nicht. Denn es soll erklärt werden, wie jenes weder Seyende noch Nicht-Seyende eben als ein solches in seiner lauteren Freyheit wirklich werde. Sollte es nur wirklich werden durch ein Heraustreten, oder irgend eine andre Bewegung in sich selbst, so wäre es in dieser Bewegung schon ein Wirkendes und Seyendes und könnte also nicht wirklich werden als das was es ist. Unmöglich ist aber, daß irgend etwas wirklich werde auf Kosten und gleichsam mit Verlust dessen was es ist. Andere Versuche einen Gegensatz und damit Leben und Bewegung in diese Einheit zu bringen, z.B. der Unsinn, die Ewigkeit als jene anzusehen, das sie sodann (man weiß nicht wie) in ein Positives und Negatives zerlegt, bedürfen ebensowenig der Widerlegung.
Jenes lauterste Wesen kann überall nicht sich selbst verwirklichen, denn um dieß zu können, müßte es schon wirkend seyn, sich selbst aufgehoben haben.
Jenes Wesen der Ewigkeit kann nicht sich selbst verwirklichen; es kann daher nur verwirklicht werden; verwirklicht durch eine von ihm unabhängige Bewegung, die ihren eignen Grund, eine nicht von ihm herstammende Wurzel hat. Diese Bewegung, um als Bewegung solche unterschieden zu werden, kann nur eine anfangende seyn, und ist dadurch das unmittelbare Widerspiel der unanfänglichen Ewigkeit. Dennoch aber kann die Verwirklichung des Höchsten nicht irgend wann oder irgend einmal angefangen haben. Denn es ist vielmehr ewiger Gegenstand der aller Verwirklichung. Demnach bleibt nichts übrig, als daß jene Bewegung von aller Ewigkeit her angefangen hat, daß sie noch immer anfängt, und nie aufhören wird anzufangen, d.h. es bleibt nichts als der Begriff eines ewigen Anfangs.
Man kann diese Bewegung als den Gegensatz der Ewigkeit die ewige Zeit nennen, nicht die unendliche, anfanglose, sondern vielmehr die ewig beginnende Zeit. Mit der Ewigkeit ist also Der Ewigkeit tritt also die Zeit als ein selbständiges Principium entgegen; wollen wir genau reden, so müssen wir sagen, daß die Ewigkeit von sich selbst nicht ist, daß sie nur durch die Zeit ist; daß also die Zeit der Wirklichkeit nach vor der Ewigkeit; daß in diesem Sinn, nicht wie insgemein gedacht wird, die Zeit von der Ewigkeit gesetzt, sondern umgekehrt die Ewigkeit das Kind der Zeit ist.die Zeit unmittelbar auch die Zeit gesetzt
Es ist ein allgemein angenommener Begriff, Gott sey das nothwendig existierende Wesen, oder eine die nothwendige Natur (natura necessaria). Allein Gott ist in sich kein nothwendiges Wesen, sondern die ewige Freyheit. Auch möchten wir die Nothwendigkeit seiner Existenz nicht gleichsam als Eigenschaft in das Wesen selbst legen. Alles was Man kann sagen ist daß eigentlich nur sagen: Es ist eine unbedingte Nothwendigkeit, daß jene ewige Freyheit als solche sey existiere wirklich sey. Die Bewegung also durch die sie ewig verwirklicht wird, ist nothwendig zwar nicht an sich selbst sondern nur inwiefern sie gleichsam der Proceß der Verwirklichung Gottes ist; aber als solcher und insofern ist sie auch eine unbedingt nothwendige Bewegung. Es ist nicht wie beym Menschen, dessen Wesen auch nur durch einen von ihm unabhängigen Proceß verwirklicht wird, ein zufälliger, oder bloß bedingt nothwendiger; es ist eine schlechthin nothwendige Bewegung; eine solche die gar nicht seyn kann. Dieß ist der unsterbliche Lebensgrund des Höchsten; in Ansehung wegen der Nothwendigkeit dieses Processes heißt Gott der, der allein Unsterblichkeit hat, der und unvergängliches Wesen.
6. Aus MS ULT4 Bogen VII, VIII
Die Schrift nennt Himmel und Erde die Ausbreitung der göttlichen Stärke
; und sie deutet also an, daß einmal das ganze sichtbare Weltall in jener Verneinung gelegen, und macht diese, oder die verneinende, anziehende Kraft zur Urkraft des göttlichen Lebens. Aber eben darum, obwohl durch Entfaltung aus ihr emporgehoben liegt es noch jetzt in ihr; noch jetzt ist jene ursprüngliche Verneinung die Mutter und Säugamme der ganzen Natur. Denn diese Kraft hat nicht irgend einmal gewirkt und dann aufgehört zu wirken, sondern wird noch ersehen an der Natur. Dasjenige ist ohne Zweifel das älteste in der Natur was noch jetzt das tiefste in ihr ist; das der Grund, was bleibt, wenn alles Zufällige hinweggenommen wird. Es ist eine alltägliche Rede, die Natur entziehe sich dem Anblick und verberge ihre Geheimnisse; nur ungern und durch eine höhere Macht gedrungen entlasse sie alles was wird aus der ursprünglichen Verborgenheit. Nur durch Entwicklung entsteht alles, unter dem beständigen Widerspruch einer einhüllenden, einschließenden, zurückdrängenden Kraft.
Das ganz eigene Wesen der Natur, da sie Grund von Existenz selbst nicht ist, und wiederum selbst nichtseyend doch seyn muß, eben um Grund von Existenz zu seyn, dieses Wesen hat ebenso wie der Begriff des Nichtseyenden von jeher als ein wahrer Proteus die Betrachter geirrt und vielfach in Verwirrung gebracht. Leichter überhaupt begreift der Mensch was über ihm als was unter ihm ist; wie das Alterthum einstimmig gemeynt, was auch neuerer Zeit dagegen gefabelt seyn mag.
Aber diese Verschließung des Wesens ist nur Anfang; die Verneinung ist nicht um ihrer selbst, sondern nur der Bejahung willen, nur damit diese wirklich That sey. Der Anfang kann sich nicht verneinen als Wesen, ohne sich unmittelbar als Sucht, als Begierde nach Wesen zu setzen. Indem er sich verneint als Seyendes macht er sich zur gebärenden, verwirklichenden Kraft des Seyenden. Sich selbst verneinen als Wesen, und das Wesen außer sich setzen, als ein unabhängiges in sich Seyendes: diese zwey Handlungen folgen sich so unmittelbar wie zwey Gedanken, die als Grund und Folge verkettetbunden sind. Hier ist das erste Band des Lebens, gleichsam der erste Fall jener unauflöslichen Folge und Verkettung, die wir im Fortschreiten immer deutlicher erkennen werden. Gleich hier ist nur Ein Leben; gleich hier sind es wahrhaft nicht mehr zwey sondern eins, nämlich ein nie aufhörend, nie stillstehendes Selbstgebären, Geburt des ersten Wesens.
Die das Wesen zurückdrängende Kraft ist eine blinde besinnungslose, so ist auch die auf die Verneinung folgende Geburt Bejah eine nothwendige. Wie das Weib gebiert in dem Augenblick, da sie das zu Gebärende in sich verneint, sich in sich zusammenzieht, wie Wasser im Gefrieren unmittelbar fühlbare Wärme verbreitet, also das Wesen, das sie in sich verneint, blindlings außer sich als ein von ihr unabhängiges gebiert: es wird in jener ersten Geburt das Wesen erst gleichsam dadurch fühlbar, daß es ausgeschlossen, ausgeschieden wird, daß etwas ist, mit dem es im Gegensatz ist.
Daß das Wesenhafte wesenhaft, das Seyende seyend ist, kann es nicht von dem Nichtseyenden haben; es ist an sich, seiner Natur nach seyendes, aber daß es als dieß Seyende wieder ist, daß es offenbar wird als das Seyende davon liegt der Grund nicht in ihm selbst. Es könnte ewig Seyendes seyn, ohne als dieses wirklich zu seyn; aber unmöglich ist, daß es, irgendwo verneint, dann nicht außer dem, worinn es verneint ist, unverneint und an sich selbst, in seiner eigenen Lauterkeit sey. Hieraus erhellt, wie nur jene ursprüngliche Verneinung der Grund einer Nothwendigkeit ist, wenn nur in ihr etwas anfängt das nicht stillstehen kann; und jenes ewige Nein der einzige Grund des ewigen Gegensatzes ist. Wäre nicht das Nein, so hätte das Ja keinen Halt; das was das Seyn in sich selbst hat, kann es eben darum nicht zugleich äußerlich haben, und nur durch ein ihm Widerstrebendes in Wirklichkeitung d.i. in Wirklichkeit erhöht werden. Kein Seyendes kann als solches seyn, ohne ein Anderes außer sich, kein Ich ohne Nicht-Ich; in so fern geht das Nicht-Ich vor dem Ich her.
Nun ist das Seyende nicht gleichsam nur ein Theil von einem Wesen, sondern vollständiges Wesen; es hat als Seyendes das Seyn, also die das Seyn setzende Kraft in sich selbst. Wie also das Verneinende nicht bloß Verneinendes war, sondern als solches das Bejahende Wesenhafte in sich verschloß; so muß im Seyenden die verneinende Kraft, nur als verneint verborgen, innerlich gedacht werden. Ja um wie viel das Seyende in der Stufe höher ist als das Nichtseyende, um so viel schärfer, strenger ihrer Natur nach muß in jenem die verneinende Kraft gedacht werden, ob sie gleich unoffenbar, unwirkend ist.
Dieß enthüllt die Natur des Gegensatzes. Er beruht nicht auf einer gänzlichen gegenseitigen Ausschließung, nur auf einem entgegengesetzten Verhältniß, gleichsam einer umgekehrten Stellung jener Centren aller Lebenskräfte, der verneinenden und bejahenden, oder wie man ebenfalls sagen kann, der anziehenden und ausbreitenden. Was in dem Nichtseyenden das äußere, einschließende, ist in dem Seyenden das eingeschlossene, innere. Unendlich fern sind sie sich unendlich nah. Fern, weil das was in dem einen bejaht und offenbar in dem andern verneint und verborgen ist. Nah, weil es nur einer Umkehrung bedarf, einer Herauswendung dessen was innerlich und einer Hineinwendung dessen was äußerlich ist, um das eine in das andere zu versetzen und gewissermaßen zu verwandeln. Diese innere Nähe und Verwandtschaft beyder ist von den wichtigsten Folgen.
Dieses erstgeborene Wesen kann nicht das Höchste seyn, von dem ausdrücklich gesagt zum voraus gewiß anerkannt ist, daß es weder Seyendes seyn kann, noch Nichtseyendes ist und außer allem Gegensatz ist. Es ist nur, gehört nur zu der nothwendigen Bewegung, durch die das Höchste verwirklicht wird, ohne es selbst zu seyn. Es ist nur das Wesen, zu welchem die Natur die nächste Staffel ist. Die Sprache des Volks nennt die Region, in welcher das Wesenhafte Seyende unterdrückt und ursprünglich gefesselt ist, die Erde; die Region aber wo es frey von jenem Druck in seiner eigenen Wesenheit wohnt, den Himmel. War also jene erste verneinende Kraft der Grund und gleichsam erster Stoff der zukünftigen Natur, so werden wir nicht irren, wenn wir das durch sie in ihrer seiner Unabhängigkeit und Freyheit geoffenbarte Wesen als die reine himmlische Wesenheit, als die erste Unterlage und gleichsam Materie der zukünftigen Geisterwelt ansehen.
Denn so fremd dieser Ausdruck nach den gewöhnlichen Begriffen lauten mag, nichts kann außer Gott existieren, das nicht eine von Seinem höchsten Selbst verschiedene Unterlage hat. Nicht allein wir, der Natur entsprossene Wesen, auch die höchsten Geister können nur in dem Leben wurzeln, was nicht von Gott selbst ist, im Äußeren der Gottheit. Indeß ist es ein allgemeiner Glaube, daß die Geisterwelt Gott näher als die Natur sey und wie schon der sterbende Sokrates sagt, daß er zu dem Gott gehe
, bedient sich die Frömmigkeit noch jetzt von dem Frommen desselben Ausdrucks. Dieses nun möchte darauf beruhen. Daß da die ewige Bewegung, von der die Natur der Anfang ist, eigentlich nur eine fortschreitende Verwirklichung des Höchsten ist, wo jede folgende Stufe der verwirklichten Gottheit näher ist und gleich als die vorhergehende: so kann der Übergang aus des Menschen aus der Natur in die Geisterwelt wohl ein Gehen zu Gott genannt werden, in wiefern es nämlich ein Fortgehen in derselben Richtung ist, in welcher das göttliche Leben fortschreitet, und der Mensch nicht durch eigene Schuld diese Richtung verkehrt und aus der aufsteigenden in eine herabsteigende verwandelt hat. Gewöhnlich ist auch, die Geisterwelt im Gegensatz der Natur die Ewigkeit zu nennen. Denn diese ist zwar das ewig Beginnende, aber doch das Beginnende und behält so die Natur des Anfänglichen; was aber an sich selbst seyend, ist auch seiner Natur nach ewig. Diese Ewigkeit des Wesens hebt das Vorausgehen der Natur in der Bewegung nicht auf; das Geboren- oder Erzeugtwerden thut der Ewigkeit des Wesens keinen Abbruch; im Gegentheil kann das seiner Natur nach Ewige nicht zeugen noch gebären, nur gezeugt und geboren werden, eine Bemerkung, die schon hier über die Natur der ganzen Bewegung den tiefsten Aufschluß gibt.
Aber auch hier steht die Bewegung nicht still. Denn der Anfang begehrt unablässig des Endes. Jedem Anfang wohnt das Gefühl bey, daß er nicht um seiner selbst willen ist, darum verlangt er immer das Ende, weil er nur durch das Ende selbst bestätiget, zur Wesentlichkeit erhoben wird. Das Ende und wahre Ziel aller Bewegung aber ist die Ewigkeit. Darum sucht das ewig Anfangende immerfort die Ewigkeit, und möchte sich selbst zur Ewigkeit erheben, nicht mit Bewußtseyn zwar, aber getrieben vom dunkelen Gefühl des eigenen Nichts und der Alleinwirklichkeit des Ewigen. Bliebe schritte die Bewegung nicht weiter fort als bis zur Erzeugung des ersten Wesens, so bliebe sie in der Zweyheit stehen; aber der Gegensatz ist der Ewigkeit Widerspiel. Die verneinende Kraft findet sich durch eben dieß Verneinen im Widerstreit mit dem frey ausquellenden Wesen; findet sich als Strenge im Gegensatz mit der Milde, als Finsterniß im Gegensatz mit dem Licht, als ein ewig Nein, das dem Ja widerspricht. Sie sucht aber, der Anfänglichkeit sich bewußt, von dunkler Ahndung getrieben, die Ewigkeit, oder die sie vom Widerstreit erlösende Einheit. Wie also aus dem Ersten das Zweyte und damit der Gegensatz, so wird durch eine gesteigerte Wirkung jener ersten begehrenden Kraft aus dem ersten und zweyten das dritte, aus dem Gegensatz die Einheit geboren.
Daß diese Einheit nicht das ursprüngliche Ewige, das außer allem ist, daß es nur das Ewige in der Zeit seyn könne ist klar, da es nur das Ewige in der Zeit (in dieser nothwendigen Bewegung) selbst ist. Aber die Zeit, der Ewigkeit Nacheiferin, will sich selbst zur Ewigkeit vollenden; und macht sich in der That zwar nicht zur Ewigkeit aber doch zu einem Gleichniß und wie schon Pindaros die Zeit nennt, einem Bild (eidolon) der Ewigkeit
. Denn da diese weder Nichtseyendes noch Seyendes ist, so setzt die fortschreitende Zeit erst Nichtseyendes und dann Seyendes, über beyden aber die Einheit beyder, die in so fern auch keines von beyden, obwohl in anderer Art ist, als die völlig zeitlose Ewigkeit. Was die ganze Bewegung wollte, das muß, erreicht, zuletzt als Seele des Ganzen eintreten.
Als Seele auch in andrer Beziehung. Betrachtet man das, was in der fortschreitenden Bewegung sich erzeugt hat, als Eins, so verhält sich die Natur gleichsam als die leibliche, die Geisterwelt als die geistige Seite dieses Ganzen. Leiblich ist, was seine Einschränkung, verneinende Kraft äußerlich; geistig was sie in sich hat. Das dritte, die Einheit beyder ist Seele. Denn Seele ist das natürliche Band von Leiblichem und Geistigem. Seele wirkt ohne Rückstrahl (Reflexion) in sich selbst und ist dadurch von Geist unterschieden. Geist ist was für sich selbst ist. Aber jene Bewegung, die in Blindheit begonnen, endet auch in Nothwendigkeit. Also ist die Einheit nicht Geist, nicht freye und bewußte Einheit, nur Seele.
Diese Seele, das Band von Natur und Geisterwelt, werden wir wohl für nichts anderes als jene allgemeine Weltseele ansehen können, die von jeher geahndet und anerkannt worden.
Natur, Geisterwelt und allgemeine Weltseele: dieß sind die Stufen jener nothwendigen Fortschreitung. Die Fortschreitung ist aufsteigend und geht durch eine beständige Erhebung, Steigerung, oder (wie es auch sonst ausgedrückt worden) Folge von Potenzen. Setzt man die verneinende Kraft B, das Wesen oder bejahende Princip A, so ist jene Erste Verneinung des Wesens, nach dem was in ihr wirkend, B, nach dem was in ihr unwirkend, A; das Ganze ist A das nach außen B ist (AB). Dieses ist der Anfang oder erste Potenz. Aber Verneinung des Wesens, Nichtseyendes ist nur im Wesen zu erzeugen. Inwiefern nun jenes doch auch ein Setzendes ist nun der ersten Potenz ist, insofern verhält sich dieses als ein Seyendes des Seyenden, das man ein Seyendes der zweyten Potenz nennen kann, A2, in dem nun vielmehr das Verneinende (B) verschwunden und innerlich gesetzt ist. Endlich so läßt sich die Seele als das Bejahende von beyden und als das Seyende der dritten Potenz, A3, ansehen.
Wie wir uns nun dieser Bezeichnungen in der Folge öfters der Kürze halber bedienen werden, so wird es auch wohl verstattet seyn, den einzelnen Moment in dieser Folge durch seine bloße Zahl zu bezeichnen.
Jetzt muß der Leser was die Trägheit unserer Worte nicht vermochte durch eigne Einbildungskraft ersetzen, was getrennt vorgestellt werden mußte, in einem unaufhaltsamen Act sich folgend erblicken. Es ist hier durchaus nichts festes, Stehenbleibendes, kein Wesen, als das in be einem stetigen Act einer Auswickelung (in actu continuo), im ewigen Werden ist. Die erste Potenz, einmal gesetzt, ist in einer steten Erzeugung der zweyten; die zweyte in einer beständigen Geburt aus der ersten, die dritte im immerwährenden Ausgang aus beyden. Sie sind unter sich vereinigt nicht durch ein festes, stehendes, sondern durch ein bewegliches, lebendiges Band, das sich immer wieder macht. Es kann aus diesem untrennlichen und untheilbaren Geschehen nichts Einzelnes herausgenommen werden, wo du in dieses Rad eingreifest, wird die das Ganze gestört. Die drey Potenzen folgen sich, wie drey unmittelbar verkettete Gedanken, so daß sie obwohl drey, doch der That nach (actu) nur Eines sind.