Ein Licht in diesen Finsternißen ist die Gewißheit, daß die tiefsten und innersten Vorgänge des menschlichen Lebens dieselben sind mit denen des allgemeinen Lebens. Der Proceß, den wir zu beschreiben unternehmen, ist auch der Proceß des Menschen. Denn die Verborgenheiten der Welt sind dieselben mit denen des Menschen. Nur wer des kräftigen Zurückwendens auf sich selbst fähig ist und seine Anschauung in die tiefste Innerlichkeit zu führen vermag, kann hier etwas sehen, denn in den Anfängen ist nichts äußerlich anzuschauen. Alles was wir erblicken, hat sich aus unergründlicher Tiefe erst allmälig in diese Äußerlichkeit gebildet. Aber der große Theil wendet sich von den Abgründen und Vergangenheiten des eigenen Innern mit gleicher Scheu ab, wie von den Tiefen und Verborgenheiten des allgemeinen Lebens.
An unglaublich hohe Vergangenheit weist schon das Nächste zurück. Die Erde, ihrem jetzigen Bestand und Aussehen nach, ist das Werk der Zeiten, da in einer undenklichen Folge je die spätere die frühere zudeckte; nirgends zeigt sich etwas Ursprüngliches, eins ist immer auf das andre gesetzt, eins dem andern zu Grunde gelegt nicht ohne in dieser Unterwerfung verwandelt zu werden. Ist die Erde durch so viel Zeiten gegangen, wie vermöchten wir das kleinste vom Gegenwärtigen zu erkennen ohne Herleitung aus der Vergangenheit. Die Eigenheiten mancher ausgezeichneten Persönlichkeit scheinen uns unbegreiflich, ehe wir die besondren Umstände erfahren unter denen sie geworden ist und sich gebildet hat. Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganze vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Entstehung auf die Spur gekommen sind. Welche ganz andre Verwickelungen müssen in einem so vielfach zusammengesetzten Ganzen als schon die Erde ist sich zu finden! Alles bis zum Sandkorn herab muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne gewissermaßen den Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. In einem Ganzen, darinn Alles und Jedes den Abdruck rhythmisch folgender Zeiten zeigt, kann nichts einzeln, nichts für sich genommen werden. Alles ist nur Werk der Zeit und nur die Zeit, zu der jedes gehört, ertheilt ihm seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung.
Aber was von der Erde, gilt in viel höherem Maß vom Weltall, nämlich daß es ein Werk der Zeiten ist, da je eine der andern zu Grund gelegt worden, je die aufgehende Spätere über der untergehenden Früheren sich erhob, bis durch fortschreitende Steigerung dieses wunderbare und bloß im gegenwärtigen Seyn betrachtet unbegreifliche Ganze erwuchs. Also ist auch ein bloß allgemeines Begreifen (das wenigste, was doch der Mensch an sich selbst fordert) unmöglich ohne eine vollständige Genealogie des jetzigen Zustandes der Dinge und diese wiederum nicht ohne in Gedanken das ganze Gebäude der Zeiten abzutragen, um so auf den letzten Grund zu kommen.
Aber so wenig ahndet gemeiner Verstand die Tiefen der der Welt zu Grunde liegenden Vergangenheit, daß er den gegenwärtigen Zustand und seine Verhältnisse als ewige und unbedingte ansieht, und was er von ihnen entnommen unter dem Namen von Thatsachen des Bewußtseyns, Aussprüchen des gemeinen Menschenverstandes für ewige allgemeingültige Wahrheiten ausgibt und die Anfänge (Principien) wenn sie irgendwo zum Vorschein kommen mit Meynungen bestreitet, die er doch nur von der Gegenwart abgezogen. Wie ihm denn alle Wahrheit eine (wie das Gegenwärtige) stillstehende ist, so kann er auch die Sätze wahrer Wissenschaft, obschon sie vorzugsweise und zuerst an Vergangenheit sich wendet und schon der Wortbedeutung nach Historie (ἱστορία) ist, nur als ebenfalls stillstehende, unbedingte, allgemein und an jeder Stelle gültige ansehen, woraus ihm nothwendig die gräßlichste Verwirrung entsteht. Denn jeder ungeschichtlich d.h. für einen bestimmten Moment oder Punct der Fortschreitung geltende Satz, wird nothwendig so wie er in einen allgemeinen und stillstehenden (dogmatischen) verwandelt wird falsch und widerleglich; ja nothwendig ist, daß die Fortschreitung selbst das gerade Gegentheil von ihm herbeyführe und wenn z.B. im Anfang behauptet worden, X sey =Y, in der Folge sich zeige, daß X auch nicht =Y sondern etwa =Z sey. Werden nun diese Sätze, welche die Zeit und Bewegung auseinander hält, bewegungslos (im Simultaneitäts-Verhältniß) genommen, so ist jedem Unwissenden leicht das lebendigste Ganze, und gerade desto mehr je lebendiger es ist, dem nicht Verstehenden als des Widerspruchs vollste darzustellen; indeß dem Verstehenden nichts bewiesen ist als daß ihm von wissenschaftlicher Methode aller Begriff mangelt.
Ich habe gewagt, die Gedanken die sich mir über die große Folge der Zeiten von Anbeginn durch oft wiederholte Betrachtung gebildet schriftlich aufzuzeichnen, doch nicht in äußerlich strenger mehr in leicht mittheilender Form, denn ein andres ist das innre Gedankenwerk ein andres die äußere Darstellung, und auch damit sie die Unvollständigkeit der Ausbildung selbst bekennen. Denn es war hier nicht um die vollendete Ausführung jedes Theils es war um den noch fehlenden, allgemeinen Umriß der ganzen Wissenschaft zu thun. Obwohl nun dieß Ganze Jahre lang mich beschäftigt und jedem Theil eine sorgfältige Ausführung gewidmet worden: so wird sich doch von selbst zeigen, daß jeder für sich ein ganzes Leben erfodern könnte, um mit vollster Lebendigkeit ausgestattet zu werden. Wenn einst die höchste Wissenschaft das Glück anderer genießt, daß ihre Pfleger über den allgemeinen Umriß einig und verstanden sind, dann erst wird es erlaubt seyn, abzutheilen und der Ausbildung des Einzelnen im Geist des Ganzen vollen Fleiß zu widmen. Ich beabsichte nichts anders, als die allgemeine Folge, das System der Zeiten zu geben, das Gesetz der Bewegung, gleichsam die ewigen Zahlen jener großen Fortschreitung, in die alles eingeschlossen ist; was ich drüber thue, muß mir zu gut gerechnet werden.
Wenn nun jene ungeh˖[euere] Vergang˖[enheit] uns zurückschreckt, so bedenken, das was von Ew˖[igkeit] Anfang war es auch jetzt noch ist – der Mensch wieder wie im Anfang ist.
Die erste Frage wahrer Wissenschaft ist noch immer die, welche schon an den milesischen Thales gerichtet worden, Was das erste Wirkliche, das älteste Wesen sey?
Schon der Begriff eines ersten Wirklichen scheint indeß vorauszusetzen, daß Etwas vor allem Wirklichen sey. Natürlich, daß es nicht selbst als wirklich gesetzt werden kann. Aber auch nicht als nichtwirklich. Also nur als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende.
Denen, die von der Wirklichkeit ganz befangen sind, scheint es das Höchste ein Seyendes zu seyn, daher fragen sie was denn über allem Seyn, als ein weder Seyendes noch Nichtseyendes gedacht werden könne? und antworten sich selbst: das Nichts, worunter sie eben das Nichtseyende verstehen. Aber die Wahrheit ist, daß es so wenig Nichts als Etwas, oder in der andern, wiewohl minder guten Wendung, daß es sowohl Nichts (nicht Etwas) als Etwas (nicht Nichts) ist.
Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautere Freyheit ein Nichts ist, wie der Wille, sofern er nicht wirklich will und keiner Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist Nichts und ist Alles. Nichts, weil er nicht wirkt, Alles, weil doch von ihm als der ewigen Freyheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird.
die reine Gleichgültigkeit, die unbedingte Einheit von Subject und Object
, da keines von beyden und doch die Kraft zu beyden ist. Sehet ein Kind an wie es in sich ist ohne Unterscheidung und Annehmung seiner selbst und ihr werdet in ihm ein Bild der reinsten Göttlichkeit erkennen. Es ist ein Nichts, aber wie die reine Frohheit in sich selber, die sich selbst nicht kennt, die gelassene Wonne die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, die stille Innigkeit die sich freut ihres nicht Seyns. Es ist lautrer Geist, der durch alles geht und durch alles wirkt, nicht ein eingeschloßner (schon individualisirter) sondern ein unergriffener und an sich unergreiflicher. Daher es auch nicht eigentlich Gott zu nennen ist (denn unter Gott denken wir schon einen bestimmten, persönlichen Geist), sondern nur als das, was in Gott selbst die eigentliche Gottheit ist, die verzehrende Schärfe der Reinheit, der sich der Mensch nur mit gleicher Lauterkeit des Willens sich nähern kann. Denn wie soll dem der in sich selbst zertheilt und vielfältig ist, die höchste Einfalt Etwas werden?
Also es ist eine ewige Freyheit, die nichts anders seyn kann, als eine ewige Kraft zu wollen, und zwar da sie nichts außer sich hat, das sie wollen könnte, eine ewige Kraft sich selbst zu wollen, nur daß sie als solche noch (d.h. indem wir von ihr als der lauteren Freyheit reden) verborgen ist.
Alles kommt also aus der ewigen Freyheit her; aber jene Kraft war immer im Wirken, es läßt sich keine Zeit denken, da sie nicht im Wirken war; und sie macht eigentlich einen ewigen Anfang.
Denn aller Anfang, wie schon das Wort andeutet, kann nicht in einem Geben, Mittheilen, Ausbreiten, nur in einem Nehmen, Ergreifen, an sich Ziehen, Festhalten bestehen. Aber was schlechthin und zuerst anfängt hat nichts das es nehmen könnte. Also kann auch der Anfang, der Anfang alles Anfangs ist, nur im sich selbst Nehmen, sich selber Anziehen, Sich sich selber zum Vorwurf machen (im Subject-Objectiviren) bestehen.
Jene Kraft sich selbst zu wollen, in Wirkung gedacht ist also der eigentliche Vater und ewige Anfang, mit dem erst Etwas und vor dem (in sofern) Nichts ist. Nun kann nicht wieder gefragt werden, wie sie in Wirkung komme. Denn sie tritt durch einen ewigen Entschluß (Aufschluß) aus dem hervor, da zuvor Nichts war, aus der ewigen Freyheit. Jede That aber, die aus unbedingter Freyheit erfolgt, ist schlechthin; ist weil sie ist, es läßt sich kein Grund von ihr angeben; sie ist nur sich selbst Grund, insofern schlechthin frey, aber ebendarum auch wieder nothwendig, denn wie alles Unbedingte hat die Art, daß es mit der Gewalt eines Schicksals wirkt. Darum scheuen sich die Menschen vor dieser grundlosen Freyheit, die sich selbst Schicksal, sich selbst Nothwendigkeit ist, und wo sie einen Strahl von ihr sehen, wenden sie sich ab, wie von einem alles sehrenden Blitz und fühlen sich niedergeworfen von ihr, wie von einer unbegreiflichen Erscheinung und fühlen die Kraft nicht ihr zu widerstehen.
Aber die ewige Freyheit bewegt sich in dieser That nicht von ihrer Stelle; sie geht nicht aus sich heraus, wie man gewöhnlich sich denkt, sondern in sich hinein; sie setzt nichts außer sich hinaus oder stößt etwas von sich ab, sondern im Gegentheil sie zieht sich etwas an oder zu; die That ist nicht ein sich Offenbaren und gleichsam bloß Machen, sondern im Gegentheil ein sich Bedecken, sich Verhüllen des zuvor nackten und bloßen Willen.
In der Selbstanziehung nämlich (dieser zugleich freyen und einer blinden ähnlichen That) ist die ewige Freyheit zugleich das Anziehende und das Angezogne von sich selbst. Aber in dem Blitz dieser That schließt sie zugleich sich selbst mit ein, als die an sich weder das Anziehende ist noch das Angezogne, als die ewige Freyheit.
Als das Anziehende nun (wir bezeichnen dieses durch B) steht sie dem Angezognen = (A) entgegen und umgekehrt und es ist insofern die Zweyheit gesetzt; und doch ist es kein Gegensatz an sich, weil Anziehendes und Angezogenes beyde dasselbe sind, nämlich die ewige Freyheit. Sie will Sich, natürlich als seyend, oder als das Seyende, als dem, welchem allein und vorzugsweise gebührt Seyendes zu seyn. Aber alles Gewollte ist eben darinn, daß nur Gewolltes, als nicht seyend gesetzt. Als das Angezogne ist es also das dem Willen (der Absicht, dem Begriff nach) Seyende, das doch jetzt nicht seyend ist. Nicht daß es überall als Seyendes aufgehoben wäre, es ist nur gesetzt als nicht Seyendes seyend, welches auch so ausgedrückt werden kann: es ist gesetzt als nicht offenbares wirkliches Seyendes. Insofern ist Aristoteles zu vertheidigen, wenn er die Wirkung des Gegensatzes (was wir das Anziehende nennen) in eine bloße Beraubung setzt und ihn daher auch nur das Beraubende nennt
.
So wird also die ewige Freyheit als das Angezogne aus dem Überseyenden unmittelbar zum nicht Seyenden, das doch nicht Nichts sondern in andrem Betracht auch wieder seyend ist, aus dem Nichts zu Etwas, denn die Natur des Etwas ist aus dem Seyenden und nicht Seyenden gemischt aus dem Unfaßlichen und Unbegreiflichen (incoercibili) zuerst in Faßlichkeit und Begrifflichkeit eingeschlossen, aus lauterem Geist ein Gebundenes, in leidenden Zustand Versetztes; erstes Beyspiel der großen, ihrem geheimsten Grund nach hier sich aufschließenden Lehre: Wer oder was sein Leben sucht wird es verlieren
, d.h. es wird aus dem freyen Zustand, da es als Nichts war und an nichts gebunden, in den unfreyen, mängelhaften (potentiellen) gebundenen Zustand fallen.
Wir verweilen einen Augenblick bey dem Begriff des nicht Seyenden, (der von jeher die Betrachter zwischen dem nicht Seyn (μὴ εἶναι) und dem nicht seyend Seyn
.
Das Anziehende nun dagegen will in dessen Dunkel
, wie Plato sagt, der Sophist entflieht
, um zu behaupten, daß der Irrthum, das Böse und anderes Ähnliches, das ein dem Seyenden entgegengesetztes Wesen hat, nichts sey
. Aber die Menschen sind im Allgemeinen gegen das Verneinende, wie sie eine natürliche Vorliebe für das Bejahende zeigen. Was frey ausquillt, sich gibt, mittheilt leuchtet ihnen ein; was sich nimmt, versagt, nach innen zurückgeht, ob es gleich ebenso wesentlich ist und ihnen in vielen Gestalten überall begegnet können sie nicht so geradezu begreifen. Den Meisten wäre nichts erwünschter, als wenn alles aus lauter Wesen bestünde, wovon sie doch bald das Gegentheil gewahr werden. Ein Anhaltendes, Hemmendes dringt sich überall auf, jeder fühlt dieses Andre das so zu sagen nicht seyn sollte und doch ist ja seyn muß; dieß Nein das sich dem Ja, dieß Linke, das sich dem Rechten, dieß Krumme das sich dem Geraden entgegen stellt und wie man diesen ewigen Gegensatz sonst in Bildern auszudrücken gesucht hat, aber nicht leicht ist einer im Stande, es zu begreifen, noch weniger es wissenschaftlich auszusprechen.
Nun ist schon an sich klar, daß jedes Wesen nur in sofern irgend Etwas wirklich (actu) nicht ist, als es sich dieses Etwas an- oder wie die deutsche Sprache sehr gut sagt zu Gemüthe zieht. Wem der Reichthum gleichgültig ist, kann nicht arm heißen oder er ist wie man zu reden pflegt in seiner Armuth reich. Man kann daher sagen, daß jedes Wesen nur durch Wollen Etwas nicht und darum auch Etwas sey, weil alles was Etwas ist nothwendig auch Etwas nicht ist, durch bloßes nicht Wollen sey ein Wesen dem das Alles ist gleich, aus dem Alles Seyn trete irgend Etwas nur heraus dadurch daß es will, gleichviel was es will. Dieses nun angewendet auf den gegenwärtigen Fall, so war das Anziehende (B) nicht vorher etwa das nicht Seyende, sondern indem es das Seyende begehrt oder anzieht, indem ist oder wird es das nicht Seyende. Genug der Menschen gibt es, die gern Alles, auch das Tiefste in Vorstellung auflösen möchten. Aber nicht die Vorstellung, das Begehren geht voran. Das Wollen ist das Erste, das nur darum ein unbedingtes ist und in der höchsten Freyheit wieder als ein blindes, nothwendiges, schicksalsmäßiges erscheint.
Was war es denn also zuvor, dieses, das jetzt als das dem Angezognen Entgegengesetzte erscheint? Antwort: Es war was das Angezogene ist, es war Nichts wie aller nackte bloße Wille Nichts ist und erst im Anziehen von Wesen etwas ist. Bloß das Wollen macht den Unterschied; und alles besteht daher auch nur im Wollen. (Das Anziehende ist nicht an sich selbst nur im Wollen das nicht Seyende;) könnte das Wollen aufhören, so träte alles wieder zurück in die eine, schlechthin nur sich selbst gleiche, (nur durch A=A auszudrückende) Lauterkeit.Dunkel
Hier wird denn klar, wie diese Lauterkeit beschrieben werden konnte, als die völlige Gleichgültigkeit von Subject und Object (Anziehendem und Angezognem), wo keins von beyden und doch die Kraft zu beyden ist; nur im Willen läßt sich dieses denken. Auch leuchtet ein, wie sie von nun auch betrachtet werden kann, als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende.
So ist es auch offenbar, wie durch den bloßen Zauber des Willens aus dem, das zuvor lautere Einheit war, Zweyheit entspringt, und die lautere Freyheit, wie von sich selbst gefangen, zuerst sich selbst endlich, sich selbst Etwas wird. Der Zweyheit nach oder als Etwas verhält sich die jetzt
Nun ist doch aber wie schon bemerkt eben diese lautere Freyheit, als die Einheit mit eingeschlossen in der Zweyheit. Sie ist darinn, wie auch im verzogenen Bild noch das Urbild ist. Sie ist mit drinn, als das, welches das Etwas (A=B), als das, eig˖[entliche] Subj˖[ect] dieses Etwas zu welchem sich dieses wie Prädicat zu Subject, Form zu Wesen verhält. In sofern stellt sie sich nun dar, als jenes Unerkennbare von dem schon die Alten sagten, daß es weder mit der Form erkennbar sey noch ohne die Form. Denn sofern es außer der Form ist, ist es über aller Erkenntniß, weil ohne alle Äußerung und Offenbarung. Sobald es aber mit der Form ist, ist es es von dieser zugedeckt, gleichsam überzogen, das Innere und Verborgene. Nun ist aber eben die Form oder Zweyheit ihre Offenbarung. Also kann man auch sagen, nur als ein Verborgenes sey es offenbar, nur als ein Nichterkennbares werde es erkannt, es werde nur gewußt indem es eigentlich nicht gewußt werde (ignorando cognoscitur). Und in solch’ hohem, keinem geringeren Sinne war es, daß eine von den frühesten Zeiten unter allen Völkern verbreitete Lehre, die Nacht als das erste und älteste der Wesen setzte
; nun muß man sich vor zweyerley hüten, einmal dieses erste Wesen der Alten zugleich als oberstes zu denken, was Mißverständnisse
Also die Freyheit ist drinn, in der Form, die Einheit in der Zweyheit, aber nicht als Ursache der Zweyheit, denn die Ursache von dieser ist das Wollen, das die Freyheit einschließt; sie ist das Eingeschlossene und doch gibt sie allein die Kraft her zu dem Wollen, von dem sie eingeschlossen wird, sie allein ist das An sich oder Wesen von B wie von A; es ist nur ihr eigenes Wollen, das sie einschließt, aber gegen das sie keine Freyheit hat; es ist nur das Gespinnst ihres eignen Willens mit dem sie überkleidet ist, und doch kann sie es nicht los werden, denn sie ist einmal drinn wie im Selbstanblick gefangen und von sich selbst verzaubert; die Form ist für sie gleichsam der magische Kreis, den sie nicht mehr durchbrechen kann. Aber eben darum ist sie drinn, als die nicht weiß wie ihr geschehen; ebendarum ist die Zweyheit oder Form für sie das Ohngefähre, das nicht Erwartete, nicht Gewollte, das sie nur als etwas ihr Zugestoßnes, nur als eine Schickung empfinden kann.
Nun ist aber das Verhältniß dieses, daß doch wieder sie selber das Etwas (die Form) oder umgekehrt, daß das Etwas (A=B) unmittelbar sie selbst (ganz mit ihr Eins) ist. Dieses nun daß sie selbst das Etwas ist, das sie doch nur als ein ihr Fremdes und gleichsam Zufälliges empfinden kann, ist ihr unleidlich; doch kann sie das Etwas, die Zweyheit nicht aufheben. Also bleibt ihr nur Eines, nämlich das, daß sie Etwas ist, (die Angezogenheit, die Endlichkeit, die Form) sich äußerlich zu machen und (nicht als Sich, wie zuerst, sondern) als das bloße Etwas von Sich zu setzen, Sich dagegen als das Seyende dieses Etwas. Beydes ist Eins und gleichzeitig. Indem sie das Etwas (die Zweyheit) setzt als das Etwas von Sich, in dem steigert sie sich selbst zum Seyenden, doch natürlich immer gebunden – und nur innerhalb der Schranke von A=B welches sie ohne das Etwas nicht konnte, und hinwiederum kann sie die Form nicht als das Äußerliche von sich setzen ohne in dem sich selbst zu steigern zum Seyenden. Doch ist dieß nicht die Endabsicht, sondern auch dieß, daß sie die Form oder Zweyheit zum Etwas (gleichsam zum Weiblichen) von sich selbst, Sich aber zum Seyenden, Männlichen steigert, auch dieß geschieht nur um mittelst derselben sich zu zeigen und über beyden aufzugehen als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende, als das lautere (geschlechtslose) Wesen, das doch als solches ist.
Also Sich zum Wesen schlechthin – zur Gottheit zu machen – in Sich alle die Pot˖[enzen] die in dem Wesen schlechth˖[in] sind.
Mit Einem Wort, nachdem sie gleichsam unversehens sich vom eignen Willen gefangen fühlt, aber die Beschränkung nicht los werden kann, sucht sie sich innerhalb derselben als die ewige Freyheit zu gebären, so daß sie in eine Gestalt eingeschlossen und doch frey wäre, gefaßt und doch unfaßlich, und so als die lautere Freyheit wirklich.
Diese Geburt kann nur durch Steigerung geschehen. Zuerst, indem die den lauteren Willen befangende Zweyheit gleichsam niedergeworfen und herabgesetzt wird zur bloßen Form, zum Seyn, zum Äußeren von ihr selbst. Wir bezeichnen diese vom Wesen gleichsam abgestreifte Form, durch (a=b) Gegen diese steigert sich das Wesen unmittelbar zum Seyenden und zwar zum wirklich (oder seyend-) Seyenden, daher es als Seyendes der zweyten Potenz =a2 betrachtet werden kann. Aber über beyden, so daß ihr beyde zum Seyn, zur Unterlage werden, will sie sich zum an sich weder Seyende noch nicht Seyende, steigern das doch als solches ist; in sofern kann es als a3 betrachtet werden.
Diese Potenzen sind also die ersten Zahlen, von denen die an sich seynlose Einheit (Monas), die außer aller Zahl und Potenz (=A0) ist gleichsam als der Vater, die erste lautere, ebenfalls noch über aller Zahl liegende Zweyheit (Dyas), die Mutter ist. Nur sind diese Zahlen bis jetzt nichts Stillstehendes, sondern in einen beständigen Werden. Das in die Form eingeschloßene Wesen nämlich sucht sich unaufhörlich in diese drey Gestalten zu gebären
Also sucht das im Selbstanblick gefangene Wesen (A0) zwar beständig diese Gestalten zu gebären aber sie auch in’s Innere, nämlich in Sich zu ziehen, Sich zum Seyenden, zur Einheit von ihnen zu machen. Aber ihrer Natur nach können diese drey Gestalten nur außer einander im Gegensatz mit einander seyn; sie können nur außer einander d.h. nicht in einander seyn wenn so wenig als Gehirn, Herz und Magen in einander seyn k[ö]nnen; (Es ist also ein streng gemeyntes Ineinander) jede für sich ist – und doch sie A=B nicht auseinanderbringen – denn sonst s˖[ich] s˖[elbst] aufgeben als seyend; doch k[ö]nnen sie ebensowenig ohne einander seyn – fodern sich gegenseitig und schon hier offenbart sich an dem ersten Wirklichen jenes Eigenthümliche aller Natur, daß jedes Princip nur im Gegensatz daseyn kann, und wenn das eine, immer und nothwendig auch das andere untergehen müßte. Denn die erste (die Form) kann nicht zur ersten Potenz, (a=b) zum Grund werden, es sey denn unmittelbar auch die zweyte (a2) gesetzt, das Seyende, von dem sie die Form, der Grund, das Etwas ist. Hinwiederum ist unmöglich, daß das Wesen sich zum Seyenden steigere anders als im Gegensatz gegen die zur ersten Potenz (zum beziehungsweise nicht Seyenden) herabgesetzte Form. So kann auch der nothwendige Gegensatz (zwischen den beyden ersten) nicht bestehen, als in dem sie die Einheit als dritte (a3) außer sich setzen, und hinwiederum wäre der Gegensatz nicht, so gienge unmittelbar auch die Einheit in’s Nichts zurück.
Indem also jenes im ersten Wirklichen verborgene Wesen, das lauterer Geist und ein verzehrend Feuer ist, die Gestalten in einander, zu ziehen und dadurch (intensificirend) gleichsam selbst in ein geistiges Wesen zu bilden sucht wird aus dem Gegensatz Streit, da ja eine Kraft der andern weicht, eine die andre treibt, weil jede nur in diesem Streit ihr Daseyn erhält, jede dem Untergang ausgesetzt wäre, wenn sie nicht die andere außer sich hätte, also jede, wenn sie auch für einen Augenblick die Oberhand hat doch alsbald der andern wieder Raum gibt, die selbst, wenn sie allein wäre zunicht würde, also auch der andern wieder Platz macht; ein Leben das nur vergleichbar ist dem, welches entsteht, so oft aus der Tiefe eines lebenden Wesens ein Princip sich erhebt das eigentlich verborgen, unwirkend bloß leidend seyn sollte, und nun aus den im stillen, friedlichen Gegensatz zum Einklang gestimmten Kräften, ein eigenes absonderliches Leben zu bilden sucht. Auch hier
Nun läßt aber die in der Selbstanziehung gefangene Freyheit nicht ab sondern will sich unaufhörlich in jenen drey Gestalten verwirklichen, und muß doch selbst den Streit setzen, die beabsichtete Einheit immer wieder vernichten, weil jene außer dem Streit gar kein Daseyn hätte; also ist sie zwar ein unaufhörliches Ringen nach Daseyn, eine erschreckliche Angst und Begierde sich zu verwirklichen (als die gefaßt und doch zugleich frey wäre), aber ohne je dazu gelangen zu können. Sie ist jenes geistige Wesen das sie seyn will voll der Sucht, der Begierde aber nicht der That nach, als die sich nur zum Stehen d.h. zu Stande bringen kann, wie unsre Sprache das vollendete Verwirklichen treffend bezeichnet, und aus jeder gesuchten Einheit wieder in jenes sich selbst Treiben, in jenen unwillkürlichen Umlauf fortgerissen wird. Dieses Leben, wenn anders Leben zu nennen ist, was nur durch beständig abwechselndes Leben und Sterben sich zu erhalten vermag, ist auch an sich selbst unsterblich, da es von sich selbst nie aufhören kann, da keine Kraft die andere auslassen darf, alle unauflöslich verkettet sind und doch nie zum Ineinanderseyn (zur Inexistenz) gelangen können. Von diesem ersten Wesen, das nicht so wohl wirklich ist als unaufhörlich zu seyn trachtet, aber eben in diesem Trachten wirklich ist, von diesem also scheint das alte Wort geredet: Es sucht sich die Natur und findet sich nicht, (Quaerit se Natura, non invenit)
. Es ist seiner Natur nach das Suchende, d.h. die ewige Sucht; und dieses sind die Kräfte des innern unaufhörlich sich selbst gebärenden und wieder verzehrenden Lebens, das der Mensch nicht ohne Schrecken als das wahre Wesen der ganzen Natur ahnden muß, obgleich es jetzt verborgen ist und nach außen ruhige Eigenschaften angenommen hat; dieß das unabläßige, innre Trieb und Uhrwerk (perpetuum mobile), welches durch das Unvermögen selbst, sich in’s volle Seyn zu erheben, zur Substanz wird im eigentlichen Sinn (id quod substat), die ewig beginnende, ewig werdende, immer sich selbst verschlingende und immer wieder gebärende Zeit, in welche die stille Ewigkeit selbst hineingerathen, nicht freywillig sondern durch ein unausweichliches Schicksal, durch die unversehne Folge des ersten Sich selbst Anziehens; dieß das nie sterbende oder wie die Alten sich ausdrückten unermüdliche Feuer (ἀκαματόν πυρ) der Gegenstand des uralten Magismus und jener Feuertheorie, in Bezug auf welche auch Moses jenes Wort geredet: Der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer
, und noch Heraklit gelehrt hatte, durch Dämpfung des Feuers sey die Welt erschaffen
. Denn es ist jenes verborgne Wesen, das in den drey Gestalten sich verwirklichen will, ein Feuer, das sie jeden Augenblick verzehren will, daß keine Natur (keine Widerwärtigkeit) mehr bliebe, aber eben durch dieses Verzehren die beständige Ursache wird von jenem Rad der Natur, von jenem Streit, da je eins wider das andre ist und durch den allein alles und jedes zu seiner höchsten Wirkung gebracht wird. Denn auch jener Begriff eines Rads der Natur oder Geburt
, den aus einer apostolischen Schrift (Jac. 3, ) die theosophischen Systeme geschöpft, möchte denn durch das Vorhergehende vollständig erklärt seyn, da die Construction desselben schwerlich aus einfachem Streben und Gegenstreben, oder aus bloßer Attraction und Expansion begreiflich ist.
Nun kann aber doch das Leben in diesem Zustand nicht bleiben.
Es läßt sich wohl keine Möglichkeit denken, als daß jenes verborgene Wesen, das in den drey Gestalten sich zu verwirklichen trachtet, das seyend Seyn aufgebe, sich erkenne, nicht als überall nichtseyend, denn dieß wäre wohl undenkbar, aber als nicht das Seyende seyend. Denn so alsdann fällt die Nothwendigkeit des Ineinanderseyns der drey Gestalten hinweg; will jener verborgene Geist (den wir bis jetzt durch A0 bezeichnet) als solcher sich erheben zum Wesen oder Seyenden, so ist ihm dieß unmöglich, er sey denn, in Einem Puncte das nicht Seyende oder das Seyn (a=b), das Seyende (a2) und das weder Seyende noch nicht Seyende. Gibt er aber das eigene Leben auf, so kann er die drey Gestalten des Lebens frey lassen, daß sie dem Streit entkommen.
Nun ist die natürliche Empfindung des Wesens, das in jenem Umtrieb sich gebären will, die Angst, da es auch das nun in Sucht und Begierde bestehende Leben nur im Streit fristet und immerfort zittert hereinzudringen in die Wirklichkeit und doch stets vor den Pforten derselben stehen bleibt. Vergleichbar ist vielleicht nur jene unerklärliche Angst in der sich reizbare Mütter im ersten Zeitraum der Ausbildung der Frucht befinden, da auch ein Sterben vorgehen muß (nämlich der ersten Einheit) und die wohl nichts anderes ist als die Noth des ersten Übergangs aus dem Successiven in’s Simultane, und die sich auch nur mit Ersterben eines zur Unterordnung bestimmten Princips zu enden scheint. Nun ist die Angst immer im Steigen, und die nach Seyn ringende Natur fühlt wohl daß sie ihr Leben aufgeben müßte, vielleicht müßte um es in höherer Art wieder zu gewinnen; es erwacht ihr die Sehnsucht nach dem Tod; sie wollte gern sterben; aber sie kann nicht sterben, ist zwischen Tod und Leben in der Mitte; der schrecklichste aller Zustände.
Für uns nun ist schon aus frühern Betrachtungen (selbstische Beg˖[ierde)] einleuchtend, daß jenes Wesen nicht seyend werden, sein Leben aufgeben könne, nicht schlechthin, sondern nur gegen ein anderes, dem es das Seyn werde, so wie dieses ihm das Seyende.
Woher nun aber dieses Andre und Höhere? Denn eben die ewige Freyheit, außer der Nichts ist, hat in der Selbstanziehung zuerst Seyn oder Natur angenommen, und ist jene nach Verwirklichung ringende Natur. Wie kann also etwas Andres oder Höheres außer dieser Natur seyn? Hierüber nun zeigt sich dem tieferen Forscher folgender Aufschluß.
Wenn wir also die ewige Freyheit als das schlechthin, (obwohl noch verborgener Weise) Seyende durch A2 erkennen müssen: so war dagegen dieselbe, sofern sie das Seyn sich zugezogen hatte und in diesem Seyn (im A=B) war, zwar gegen A=B = A0 nicht, wie bis jetzt angenommen war, die Potenzlose Freyheit (A0), sondern schon, obwohl sich selbst und uns unbewußt A1, bestimmt, einst dem an sich Seyenden zum Seyn zu werden. Sich unbewußt; denn sie wollte die Potenzlose seyn, sich als solche im Seyn verwirklichen. Erkannte sie sich als A1 so gab sie auch unmittelbar auf, das Seyende zu seyn und gab sich dem eigentlich Seyenden zum Seyn hin.
Nun ist sie aber in jener nächsten Steigerung doch nur das an sich Seyende, da sie ursprünglich das an sich weder Seyende noch nicht Seyende ist. Nothwendig also und aus demselben Grund aus welchem sie gegen Sich selbst als nicht Seyendes (A=B), sich zum Seyenden (A2) erhebt, steigert sie sich gegen beyde zum an sich weder Seyenden noch nicht Seyenden (A3) und dieß alles ist nur Ein Act. Nur mußte sie als dieses in eine noch größere Tiefe und Verborgenheit zurücktreten. Denn wie sie als das an sich Seyende wieder seyn, sich offenbaren, konnte nur insofern das nicht Seyende (A=B) sich wirklich erkannte als Seyn, (als Seyendes nur der ersten Potenz, als A1): so konnte sie als das an sich Seynlose (A3) nicht offenbar werden, als durch das Seyende und nicht Seyende, d.h. nur nachdem das Seyende offenbar war. Da aber dieses in der Verborgenheit blieb, mußte sie als das ganz Seynlose (A3) nothwendig noch in tieferer Verborgenheit bleiben, wo das schlechthin Seyende, dessen Seyn ihr Seyn ist, einstweilen nur ihr verborgenes, stilles, unoffenbares Seyn war.
Einleuchtend ist nun hieraus zuvörderstwird hieraus auch, daß die wahre potenzlose Einheit (das wahre A0) nicht bloß die Gleichgültigkeit (Indifferenz) des Anziehenden und Angezognen im Seyn (in A=B), sondern die noch weit höhere der drey Potenzen ist, in die sie unmittelbar nicht durch Theilung (denn sie ist in jeder die ganze) sondern durch Steigerung auseinandertritt, so wie durch die erste (ewige) Selbstanziehung der Anlaß gegeben ist.
Hieraus erhellt nun erst ganz wie jene ursprüngliche Selbstanziehung ewiger Anfang ist. Denn unmittelbar wie in dieser die ewige Freyheit sich selbst endlich wird, gehen alle Potenzen aus der an sich Potenzlosen auf. Faßte sie sich nicht in dem Seyn, so war kein Grund sich zu A2 und A3 zu steigern. So wie sie aber in’s Seyn, gleichsam unter sich selbst gefallen, erhebt sie sich, als die, die immer oben auf bleiben muß, nie wahrhaft herabsinken kann unmittelbar zur höchsten Potenz. Hierdurch wird auch ein Anderes klar, was alle tieferen Forscher nothwendig (wenn es auch nicht ausgesprochen worden geirrt. Wenn die an sich über alles Seyn erhabene Gottheit in das Seyn kommt, so kann dieß für sich betrachtet nur als ein Herabsteigen, ein Fallen erscheinen. Daß alles Seyn rein als solches ein unseliger Zustand, ist Ein Laut in indischer Weisheit und griechischer GeheimLehre. Uns allen wohnt ein Gefühl bey, daß die Nothwendigkeit dem Seyn als sein Verhängnis folgt, nur über dem Seyn wohnt die wahre die ewige Freyheit So war und ist es denn auch gewöhnlich genug, das Hervortreten der Einheit in die Zweyheit als ein Herabsinken in einen tieferen Zustand anzusehen, und wer möchte dieß bestreiten, wenn er bloß ebendieses vor Augen hat, wenn er nicht auf das Fortschreitende und Aufsteigende der ganzen Bewegung sieht. Aber das göttliche Leben ist nicht der einzelne Augenblick dieser Bewegung, sondern die ganze Fortschreitung; und Gott ist daher vom ersten Beginn derselben in einer beständigen Erhebung selbst das Herabsteigen in das Seyn, das Natur Annehmen ist nur der Beginn jener Erhebung.
Wem indeß jener große Vorgang nicht durch den Begriff der Steigerung hinlänglich deutlich seyn sollte, mag ihn auf folgende Art sich gleichsam versinnlichen: Indem die ewige Freyheit sich selbst an- und in ihrer ganzen Weite gleichsam zusammenzieht, entsteht gleichsam eine Leere, die nothwendig erfüllt werden muß. Sie wird erfüllt dadurch, daß die lautere Freyheit, als die an sich nie untergehen (herabsinken) kann, zugleich und in demselben Act in welchem sie sich zum Seyn zusammenzieht, sich zum Seyenden und Überseyenden steigert.
Klar daß hiemit Fortschr˖[itt] gegeben ist, da A=B offenb˖[ar], A2, A3 nicht. Also am Anfang der Zeiten was wir wollten und zwar gleich 1) die erste Offenb˖[arung] nicht das H[ö]chste. 2) Der Anfang das Unterste. Der Würde nach. – Jetzt gleich die älteste Zeit zu beschr˖[eiben] da nur A=B offenb˖[ar] das andre verborgen. Warum nicht gleich A2 offenbar? (Jetzt zurück zu IV. NB. A=B oder vielm˖[ehr] A0 in ihr ist ein von sich s˖[elbst] geb. – durch sich s˖[elbst] verfinsterte Natur – dabey aber doch immer noch – in der Finsterniß und Blindheit – die ewige Freyheit die also mit der Finsterniß gleichsam ringend sich als s˖[olches] zu verwirklichen trachtet. Zuerst A=B
Jenes Andre und Höhere also, um jetzt in den Zusammenhang zurückzugehen gegen welches das erste Seyende zum Seyn werden oder ersinken konnte, ist aber im Verborgenen, nicht offenbarer Weise; auch jener nach Wirklichkeit ringenden Natur ist es nothwendig verborgen, ja sie ist sich durch ihr Ringen selbst im Weg’ es zu erkennen und schließt sich immer wieder vor ihm zu; denn sie ist keines andern Bezugs zu ihm fähig, als daß sie ihm das Seyn wird, wogegen es ihr das Seyende. So lange sie also selbst das Seyende seyn, sich als die lautere Freyheit und Ewigkeit außer der nichts ist, verwirklichen will, so lange ist ihr jenes wahrhaft Seyende nothwendig verborgen. Aber wir verließen sie in der Sehnsucht aus dem Drangsal zu entkommen; sie wollte gern das eigene Leben aufgeben und konnte nicht. Aber alle Sehnsucht ist schon als ein sich Hingeben, wodurch ein zuvor verschlossenes Wesen sich schon zur Aufgebung seiner Selbstheit bereitet. Auch jene anfängliche Natur, da sie sich sehnt, von der Nothwendigkeit befreyt zu werden kraft der es streben muß, Seyendes zu seyn, ist der Absicht dem Verlangen nach schon geschieden. Es bedarf nur eines höheren, das ihm das Seyende werde, um völlig die gesuchte Einheit aufzugeben. Aber diese Bereitschaft zur Aufgebung seiner Selbstheit (die potentielle Scheidung) reicht schon hin, eine Annäherung zwischen ihm und jenem bis jetzt noch Verborgenen hervorzubringen, in dem es sein eigentliches wahres Selbst erkennt. Denn dieses höhere, als das seiner Natur nach Seyende, ist ein nackter bloßer Geist, der kein Seyn hat. Nun ist er freylich keines von seinem Wesen verschiedenen Willens fähig, denn er ist selbst und wesentlich Wille; aber eben darum, weil bloßer Wille ist der Satz an sich selbst ein Fodern des Gegensatzes ist
. Es geht nicht bis zur Begierde noch zur That; denn es bedarf zu dem Sehnen nichts als das zu seyn, was es ist, gleichwie das reine elektrische Feuer keiner Bewegung außer sich selbst sondern nur der eignen Reinheit und Abgezogenheit bedarf, um ein Fodern oder Verlangen seines Gegentheils zu seyn: so und nicht anders ist jener lautre Geist an sich selbst und ohne Bewegung ein Sehnen nach dem Seyn, nach einem, das ihm zum Leib zur Erfüllung werden möchte.
So nun, indem dieses lautere Wesen, obwohl sich unbewußt eine scharfe Begierde nach Seyn ist, jene erste Natur aber schon sich bereitet, ihre Einheit aufzugeben und Seyn zu werden, gibt das gegenseitige Verhalten soviel Bezug, daß sie wirklich wie die zwey elektrische Feuer in einander gehen können, als durch einen Blitz, durch eine plötzliche, aber fortan unauflösliche Verbindung, in der jene uranfängliche Natur zum Seyn ersinkt und Zersprengung die Scheidung (Krisis) jener bis jetzt in Eins gezogenen und darum unter sich streitenden Lebens-Gestalten vor sich geht, und zugleich jener lautere Geist über ihr aufgehe, als ihr wahres Selbst ihr eigentlich Seyendes.
Doch ist sogleich zu erinnern, daß die Hülfe, welche das Entgegenkommen des Höheren dem Niederen zur Aufgebung seiner Selbstheit gewährt, nur bis zur Möglichkeit geht d.h. nur bis zur Überwindung des Unvermögens, in welchem es sich befindet, sein eigenes Leben aufzugeben, eigentlich also nur bis zur Überwindung der Nothwendigkeit, in welcher es ist, Sich als das Wesen zu verwirklichen. Nun es aber durch Annäherung des Höheren gegen diese Nothwendigkeit in Freyheit gesetzt ist, nun ist es eigner Entschluß und Wille, kraft dessen es sich jenem Geist auf ewig als dessen Seyn unterwirft. So ist in den Uranfängen des Lebens schon Alles auf die höchste Freywilligkeit gegründet. Das Anfängliche oder, wie wir nun wohl sagen dürfen, das natürliche Leben kann ohne höhere Hülfe auch nicht einmal dazu gelangen, dem Höheren sich aufzuschließen und zu unterwerfen.
Wenn aber die beyden, die wir einstweilen und bis zu näherer Bestimmung Natur und Geist nennen mögen sich verbinden, ist nothwendig daß auch eine Einheit beyder gesetzt sey und zwar weil jedes von beyden selbstständig bleiben muß eine außer ihnen liegende, daß sowohl Einheit sey als Gegensatz, oder damit Einheit und Gegensatz selbst in Gegensatz bleiben. Diese Einheit nun könnte nur das an sich weder Seyende noch nicht Seyende seyn.
Aber in noch größerer Tiefe der Verborgenheit, als der mit der Natur verbundene Geist, war ja das lautere Wesen der Seynlosen Einheit (A3 ), die nur nicht offenbar werden konnte, ehe das Seyende offenbar war. Jetzt aber da sich dieses mit der Natur verbunden, und dadurch herausgetreten ist in’s Äußere, offenbar geworden als das unmittelbar Seyende der Natur, jetzt kann auch jenes Allerinnerste und Verborgenste über ihnen aufgehen, als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende, das doch als solches ist, ohne Verletzung seiner an sich Seynlosen Lauterkeit, seiner Freyheit von allem Seyn, ohne entweder wie in der Natur (A=B) das nicht Seyende, oder wie im Geist (A2) das Seyende zu seyn, und so durch eine unaufhaltsame Fortschreitung hat sich das ursprüngliche A=A oder das A0 in €\frac{A^3}{A^2 = (A=B)}€ verwirklicht.
Nun wird niemand anstehen, dieses Ganze, wie wir es hier beschrieben zu erkennen als Ausdruck des Daseyns der lauteren Gottheit, d.h. der Gottheit, inwiefern sie eine ewige Stille und nichts ist als der reineste Wille, die wirkliche ewige Freyheit. Nun verhält sich alles Daseyn, als Gegenwart; keine Gegenwart aber die nicht auf einer Vergangenheit ruht. Also scheint auch jenes Daseyn eine Vergangenheit in sich zu schließen, oder voraus zu setzen, und so haben wir es ja auch wirklich erklärt; die nächste nämlich war das Außereinanderseyn, die Geschiedenheit der drey Potenzen, da die erste (das in’s anfängliche und natürliche Leben hineingerathene Wesen) allein offenbar war, die beyden andern aber verborgen und im Unsichtbaren; die entferntere, da sie überall nicht geschieden, da nichts war als die lautere Potenzlose Einheit und Freyheit (A0).
Nun scheint dieß den Meisten höchst widersinnig und allen Begriffen widerstreitend, daß das Daseyn Gottes gewissermaßen als ein gewordenes begriffen werden soll
Alle stimmen überein: Gott sey Geist, (πνεῦμα ὁ ϑεός
); ob aber alle die ganze Reinheit und Schärfe dieses Gedanken denken läßt sich zweifeln. Zwar die älteren Theologen lehren ausdrücklich, durch das Wort Geist werde Gott nicht in irgend eine besondere Classe von Wesen gesetzt, etwa in die der sonst so genannten Geister. Gott sey ein Geist über alle Geister, nicht ein Geist, sondern der Geist selber, gleichsam der geistigste Geist, reiner unfaßlicher Hauch; in sofern fällt die Geistigkeit Gottes mit der höchsten Einfalt seines Wesens zusammen.
Dieser zufolge behaupten die Theologen ausdrücklich, es könne der lautern Gottheit nichts auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise beygelegt werden. Nicht gut sey (streng zu reden) die Gottheit, denn dieß laute so, als käme das Gut zu ihrem Seyn nur hinzu, aber es sey ihr Seyn selber, sie sey wesentlich gut als die Güte selbst. Auch nicht eigentlich ewig sey Gott, sondern selber seine Ewigkeit. Auch nicht bewußt; denn dieß hieße ihm das Bewußtseyn als etwas von ihm Verschiedenes zuschreiben, also annehmen es sey in ihm etwas auch nicht bewußt. Aber die Gottheit sey ganz und gar Bewußtseyn, das lautere Bewußtseyn selber. Auch nicht wirkend könne man die Gottheit eigentlich nennen; denn dieß setze in Gott auch ein nicht Wirkendes voraus; aber in Gott sey nichts Potentielles, er sey lauteres Wirken (actus purus), welches ebenso viel sagt, als es sey in ihm keine Möglichkeit zu, kein Verlangen nach Etwas, er sey ganz und gar Wille, Wille der nicht noch insbesondere will, sondern nichts als Wille ist.
Von selbst versteht sich daß allen diesen Verneinungen, als da sind: Gott sey nicht gut, nicht ewig, nicht bewußt, nicht wollend, nicht frey, unmittelbar die entgegengesetzten beygefügt werden müssen, er sey ebenso wenig nichtgut, nichtewig, unbewußt, unfrey.
Aber was von allen diesen Begriffen, muß nach der Theologen eigenen Lehre vorzugsweise vom Begriff des Seyns gelten, daß er der Gottheit nicht auf eine von ihrem Wesen verschiedne Weise zugeschrieben werden kann. Denn sie ist selbst ihr Seyn. (Est ipse suum Esse). Sie kann in sofern nicht seyend genannt werden, doch auch nicht nichtseyend. Sie ist also das an sich weder Seyende noch Nicht-Seyende.
Wenn daher in dem sogenannten ontologische Beweis daraus, daß in Gott das Wesen auch das Seyn ist und das Seyn das Wesen, geschlossen wird, Gott sey ein nothwendig Eius quod est Esse nullum est Esse
); Gott an sich, Gott seinem Selbst nach ist kein nothwendig wirkliches Wesen, sondern die ewige Freyheit zu seyn.
Es ist nur ein trauriger Beweis der unbegreiflichen Unwissenheit in den ersten Dingen, welche zu unsrer Zeit gerade denen eigen scheint, die auf’s Anmaßlichste davon reden, daß jene Idee von der Einheit des Wesens und des Seyns in Gott, als sie wieder geltend gemacht wurde, von Manchen bestritten worden ohne Ahndung, daß sie darinn die eigentliche Grundlage der Lehre von der Geistigkeit Gottes angriffen, ohne zu wissen, daß es ein uralter Satz ist, daß Gott weder ist noch nicht ist, oder in der andern wiewohl minder guten Wendung daß er sowohl ist als nicht ist, daß die Gottheit von jeher das Überseyende (τὸ ὑπερόν) genannt worden; ohne Scham, den Gegenstand des höchsten Begriffs das Nichts zu nennen (freylich im gemeinsten Sinn wo es das Nichtseyende bedeutet) in der Meynung ihn damit herabzusetzen, wie verschieden von jenem geistlichen Sinndichter, der den wahren Gedanken unvergleichlich ausgedrückt:
Die zarte Gottheit ist das Nichts und Übernichts,
Wer nichts in allem sieht, Mensch glaube, dieser sieht’s.
Aber Wissenschaft und Gefühl fodern gleich dringend einen Gott, der nicht bloß ist weil er das Seyn selbst ist sondern der auch noch insbesondere auf eine von seinem Wesen verschiedene Weise da ist, der nicht bloß lauteres Wollen, Wirken, Wissen ist sondern auch ausdrücklich will, wirkt und weiß. Nun war dieß die Frage aller Zeiten wie die an sich ohnseyende Gottheit seyend geworden, oder wie man es auch sonst ausgedrückt (Offenbarung seiner selbst und Daseyn, wie recht ist, für Eins nehmend), wie die Gottheit sich geoffenbart; wobey wie es scheint das ganz Einfache und Klare übersehen worden, daß die nackte bloße Gottheit gar nicht sich offenbaren kann, daß die Frage schon, wie sie sich geoffenbart? voraussetzt, daß Gott erst in’s Verborgene zurückgetreten sey, da die lautere Gottheit freylich nicht offenbar aber ebensowenig verborgen ist.
Nun konnte die Meynung der Frage niemals seyn, daß die Gottheit im Seyend-Seyn (welches eben das Daseyn ist) aufhöre, das an sich weder Seyende noch nicht Seyende zu seyn, lautrer Geist, ewige Freyheit. Die Meynung konnte nur seyn, daß sie eben als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende dasey. Klar war nun zuerst, daß jenes, welches als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende offenbar seyn sollte, nicht durch eigene Bewegung (freywillige oder unfreywillige) in das Seyn kommen konnte; denn sonst kam es nicht als das an was es ist, als das an sich Unseyende, sondern war in jener Bewegung schon wirkend d.h. seyend. Überhaupt aber konnte es nicht an oder in sich selbst sondern nur gegen Anderes seyend werden, das ihm das Seyn war oder nur in’s Seyn gebracht werden. Aber es ist nichts außer ihm; also konnte es nur sich selbst zum Seyn werden. Aber indem es zum Seyn wurde hörte es unmittelbar auf, das Seynlose zu seyn, wurde Natur es sank in Nothwendigkeit. Hier kann schlechterdings nur das Gesetz der Steigerung aushelfen, welchem zufolge die ewige Freiheit, als die ihrer Natur nach das Höchste, also auch immer das Höchste bleiben muß nicht zum Seyn (nicht Seyenden) werden konnte, ohne in demselben Act sich zum Seyenden, und folglich auch zum weder Seyenden noch nicht Seyenden zu steigern. Die deutliche Erkenntniß dieses Gesetzes ist eine Frucht unserer Zeiten, und es bleibt immer zu verwundern, daß da Viele so Vieles von der neuen (aber wahrlich sehr alten) Lehre entlehnt und nach allen Seiten hin, wohl oder übel, gewendet, gerade das Wesentliche und eigentlich Auszeichnende derselben, eben jenes große Gesetz so ganz bey Seit gelassen worden. Denn wenn man nur die alten Vorstellungen der Emanation und ähnliche erneuren wollte, war es fürwahr nicht der Mühe werth eine neue Lehre anzukünden. Es ist ein und dasselbe A (A0), das das Seyn (A=B), das Seyende (A2) und die über beyde erhabene Einheit ist (A3), obgleich diese darum nicht selbst einerley sind. Auch ist jenes lautre A0 noch nicht Gott zu nennen, denn unter Gott denken wir uns das an sich Seynlose das doch als solches ist, d.h. A3 sofern es A2 und A=B schon unter sich hat. Wir können es etwa mit einem von einigen Ältern entlehnten Ausdruck die Übergottheit nennen, oder die Lauterkeit, aus der Gott und was ihm das Seyn ist selbst erst hervortritt. Weil nun jener Begriff der Steigerung fehlte, so blieben von jeher nur zwey mögliche Erklärungen jenes Andern übrig, gegen welches Gott seyend oder das ihm das Seyn werden konnte, ohne daß er darum an sich aufhörte das Überseyende zu seyn. Der erste Weg war, dieses Andre gleichursprünglich mit Gott als ein andres, von ihm unabhängiges Wesen zu setzen. Der andere und weil jene alles zerreißende Zweyheit dem Menschen nimmer gefallen konnte, weit betretenere war der, daß das Andere, ohne Zuthun der lauteren Gottheit, sich selbst von ihr abgesondert oder von ihr ausgeflossen, wodurch sie also in ihrer Stille und Freyheit blieb. Hierauf kommen am Ende auch die theosophischen Systeme zurück; wie denn der Ursprung der Emanationslehre mir überhaupt jünger, als er gewöhnlich angenommen wird, und manches (früher oder später) erst zu diesem Sinn umgedeutet scheint, das ursprünglich wohl eine ganz andre Bedeutung hatte. Was nun außerdem etwa gelehrt worden, als etwa, daß Gott vor dem Beginn der Dinge Etwas, das nicht Er Selbst aber mit seinem Selbst verbunden gewesen (nach einigen gar Sich selbst) aus sich selbst herausgesetzt habe, ist so halb und scheint die eigentliche hier stattfindende Schwierigkeit so wenig zu ahnden, daß es keiner Widerlegung bedarf. In neueren Zeiten gab zu solchen Vorstellungen wie es scheint der Begriff des Subject-Objectivirens Anlaß, der allgemein falsch verstanden worden; nämlich als wäre erst Gott als Subject, der sich sodann für sich selbst zum Object mache. Grade umgekehrt, (nicht Gott aber) die ewige Freyheit muß erst (um in dieser Sprache fortzureden) Object (nicht Seyendes) werden, sich zum Object machen, um sich dadurch zum Subject und dadurch zu dem zu steigern, was weder Subject noch Object ist.
Daran nun werden die Meisten durch den obigen Einwurf gehindert, daß nämlich hiernach das göttliche Daseyn als ein gewordenes gedacht werden müßte. Erst, würden sie sagen, war die unbedingte Einheit (A0); dann folgte die Geschiedenheit, da sie als das nicht Seyende offenbar, als das Seyende aber und Überseyende verborgen war, endlich nachdem Natur den Geist angezogen erst die aus der Geschiedenheit hergestellte Einheit = €\frac{A^3}{A^2=(A=B)}€, welche eigentlich erst das vollkommne göttliche Daseyn ist.
Hierauf also ist die Antwort auf’s Kürzeste diese: der Fortschritt (Progressus) von der Ununterschiedenheit in die Geschiedenheit und von dieser wieder in die Einheit ist ohne alle Zeit; das Daseyn Gottes ist kein unlebendiges, stillstehendes, sondern ein lebendiges; jene Fortschreitung ist eine Geburt aber eine ewige Geburt Gottes.
Dieser Erklärung nun stellt sich unmittelbar ein neuer Einwurf entgegen. Aber wie? Nach dieser Lehre nämlich ist Gott doch erst da, nachdem jenes erste Wirkliche (A=B) die in die Anfänglichkeit und Endlichkeit gerathene Natur, aufgegeben Seyendes zu seyn, und zum Seyn ersunken.
Wir schärfen diesen Einwurf noch, indem wir das was er entgegenstellt noch weiter bestätigen und erklären. Allerdings ist dieses der Hergang: Indem jene erste Natur, welche das Seyende selbst, gleichsam das Männliche, zu seyn trachtete, sich dessen begab, und zum nicht Seyenden (Leidenden) gleichsam zum Weiblichen ersank, zog sie das wahrhaft Seyende (A2), das Männliche an, und veranlaßte so die ganze Geburt. Also: Gott ist offenbar nicht von Ewigkeit seyend, es geht dem seyenden Gott Etwas und zwar ein chaotischer widerspruchsvoller Zustand der früheren Natur voraus, der erst besänftigt, als Vergangenheit gesetzt seyn muß, ehe Gott wirklich da ist.
Ganz richtig
Wenn aber dem so ist, wodurch freylich die Gestalt der Sache ganz verändert wird, warum mußte sie gleichwohl so vorgetragen werden, als wäre jene mit sich selbst streitende Bewegung, jenes Leben des Widerspruchs und der Angst, irgend einmal wirklich gewesen und also dem göttlichen Daseyn auch wirklich vorausgegangen?
Hierauf also gereicht dieses zur Antwort. Nichts, auch nicht ein ewig Vergangenes, ist an sich selbst ein Vergangenes, es muß als ein erst seyendes gedacht werden, um als ein vergangenes begriffen zu werden. So hier. Wir müssen jenes Leben als ein gewesenes vorstellen, weil es in jenem Act, der das göttliche Daseyn begründet, wirklich als ein gewesenes begriffen ist; wir konnten es aber nicht als ein gewesenes vorstellen, ohne es als ein seyend gewesenes und demnach zuerst als ein seyendes vorzustellen. Also weil in jenem Act der ewigen Geburt dieses Leben wirklich als ein (obwohl ewig) vergangenes begriffen ist, so ist in ihm auch die ganze Folge von Vorgängen, das alles wirklich, nur simultan, inbegriffen, was wir, wollten wir anders den reinen geschichtlichen Weg, wandeln, nacheinander vortragen mußten. Gott Selbst (um uns auf’s schärfste auszudrücken) setzt im Act (in actu) seines ewigen Daseyns das als wirklich geschehen (vergangen), was wir als geschehen dargestellt.
Was nun hieran noch unklar oder dunkel seyn möchte, wird sich, wir hoffen es durch folgende allgemeine Betrachtungen aufhellen.
Von Nichts reden die Meisten mehr als von der Lebendigkeit Gottes; und doch scheint ihnen nichts unbekannter als der wahre Begriff des Lebens, nichts unerwarteter als die Gott zugeschriebene wirkliche Lebendigkeit.
Kein Leben ist ohne gleichzeitiges Sterben. Im Act selbst, wodurch ein
Kein Leben ist stillstehend; jede Art von Leben ist eine Folge und Verkettung von Zuständen, da je der vorhergehende Grund Mutter, gebärende Potenz des folgenden ist. So ist das natürliche Leben die Staffel zum geistigen; früher oder später kommt es an einen Punct da es nicht bleiben und doch auch von sich selbst nicht weiter kann und eines höheren bedarf, um über sich selbst gehoben zu werden. Das Naturleben im Menschen, wenn es die höhere geistige Potenz nicht finden kann, fällt derselben innern Unruhe und unsteten Bewegung anheim, die wir in der anfänglichen Natur erkannten; auch die Erde scheint ihre Gliederung den Einklang aller ihrer Kräfte und damit die letzte Beruhigung erst gefunden zu haben, nachdem sich das Natürliche in ihr bis zur Berührung mit dem Geistigen im Menschen erhoben.
Aber auch im natürlichen Leben für sich findet sich eine solche Folge, da immer der vorhergehende Zustand in dem folgenden zur Vergangenheit wird. Die Gesundheit und Vollkommenheit des Lebens beruht nur auf der Stetigkeit der Fortschreitung, der ungehinderten Folge der Potenzen und wie alle Krankheiten Folge gehemmter Fortschreitung (Entwickelungskrankheiten) sind so alle Mißgeburten nur Folge der unterbrochenen Steigerung. Denn kann die Natur die sie in’s Höhere verklärende Potenz nicht finden, so muß sie wohl, weil der Trieb des Fortschreitens nicht aufhört, da sie nicht bleiben und doch auch nicht weiter kann, in ein misgeformtes Leben ausschlagen.
Fortschreitung, Verkettung sich folgender Zustände; dieß ist wesentlich zu allem Leben. Auch im göttlichen Leben ist Bewegung; die Frage ist nur wie es sich in dieser Beziehung von allem andern Leben unterscheide?
Vorzüglich also dadurch, daß jene Folge und Verkettung im menschlichen Leben auflöslich, im göttlichen unauflöslich ist. Das göttliche Leben ist in einer unaufhaltsamen Fortschreitung und Bewegung. Die Wege des Herrn sind gerecht
wie die Schrift sich ausdrückt, d.h. gerad’ aus fortschreitend. Alles Rückgängige ist gegen seine Natur. Darum kann er jenes in einem beständigen Cirkel umlaufende Leben nur als ewige Vergangenheit setzen.
Es ist eine wundersame Stelle Plato’s im vierten Buch von den Gesetzen, die bis jetzt kaum verstanden worden, und in der man wohl einen Strahl feiner, fremder Wahrheit erkennen muß, dergleichen viele einzeln durch seine Werke leuchten; er selbst nennt es ein von altersher überliefertes Wort »Gott Anfang, Mittel und Ende der Dinge in sich begreifend, dringt geraden Weges durch, da er seiner Natur zufolge umwandelet.
« Mit andern Worten, Gott überwindet ewig die Nothwendigkeit seiner Natur, indem er die umdrehende Bewegung derselben in eine grad’ ausgehende verwandelt.
Die Auflöslichkeit des Lebens oder die Möglichkeit, daß der Übergang von der niedern in die höhere Potenz gehemmt oder gar aufgehoben wird, ist die Ursache der Krankheit, und des natürlichen wie des geistigen Todes. Darum heißt Gott der allein Unverderbliche
und der allein Unsterblichkeit hat
.
Ein zweyter Unterschied ist, daß jene Folge in Gott eine wirkliche doch darum keine in der Zeit vorgegangene ist. In einem und demselben Act (dem der ewigen Geburt) wird a=b als das Vorhergegangne von a2, a2 als das Vorhergegangne von a3 und so wieder das ganze (1. 2. 3.) = (A=B) als das Vorhergegangne vom A2 gesetzt; d.h. es wird in der Ewigkeit selbst eine Folge von Zeiten inbegriffen. Die Ewigkeit ist keine leere, abgezogne, Ewigkeit, sondern die die Zeit selbst unterworfen enthält.
Wollen wir uns wirkliche Ewigkeit denken, so können wir dieß nicht mit glänzlicher Ausschließung aller Zeitbegriffe. Denken wir uns wirkliche Ewigkeit, so denken wir uns auch ein ewig Gewesenes, ein ewig Seyendes, und eines, das ewig seyn wird (deß Seyn nie ganz erschöpft ist.
In einer andern Wendung können wir auch sagen: Jenes wilde sich selbst verschlingende und wiedergebärende Leben ist die Ur-Zeit, die Zeit die der Gegenwart Feindin (aemula) und Gegensatz ist.
Die wahre Ewigkeit ist nicht die, welche die Zeit in diesem Sinn ausschließt; wirkliche Ewigkeit ist die die Zeit überwindet; daher die sinnvolle hebräische Sprache Sieg (den sie unter den ersten Eigenschaften Gottes begreift) und Ewigkeit mit Einem Wort (נצח) ausdrückt.
Der lebendige Gott muß in sich eine Vergangenheit haben, als der ewige Überwinder, und der, nicht wie heutzutage gelehrt wird, ohne Anfang und Ende, sondern selber der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte ist; der seine Ewigkeit selbst so ausspricht: Ich bin, der da ist, der da war und der da kommt
, ein Wort das viel zu seicht ausgelegt wird, wenn man es, wie jetzt gewöhnlich als eine Aufhebung aller Unterscheidungen erklärt. Wäre dieß der Sinn, es müßte wohl so lauten: Ich war, ich bin und ich werde seyn, der da Ist. Der umgekehrte Ausdruck zeigt deutlich, daß wirkliche Unterscheidungen gemeynt sind, eine wahre Vergangenheit, eine eigentliche Gegenwart, eine wirkliche Zukunft; nur daß ein und derselbe der ewig Gewesene, der ewig Seyende und der ewig Kommende ist. (Das ewig Gewesene von Gott ist jenes anfängliche mit sich selbst streitende, zwischen Seyn und Nichtseyn ringende Leben, das in ihm nur als eine ewige Vergangenheit aber als solche doch wirklich gesetzt ist.) Gott ist der, der verzehrendes Feuer war; doch indem er es in sich gedämpft enthält, enthält er es als das, was er war, was er nur in der Vergangenheit noch ist. Seine ewige Gegenwart, das ewig Seyende von ihm ist der Geist, der die Natur (A=B) an sich gezogen. Aber als der, der über Natur und Geist als ewige Freyheit aufgeht, (als A3) ist er, der da kommt; denn er ist offenbar aber nicht als der schon offenbare sondern als der noch verborgene; er ist seyend aber nicht als der schon Seyende sondern als die ewige Freyheit zu seyn, also als der der da kommt.
Nur so bewußtseyend Ewigkeit.
So bestehet also das Daseyn der Gottheit wirklich in einer ewigen Geburt, und es bedarf nun wohl kaum der ausdrücklichen Erwähnung, daß die in das Seyn (oder nicht Seyende) und die Endlichkeit gekommene ewige Freyheit das wahre Wesen der ganzen äußeren Natur sey, die wir ja nach ihrem ganzen Leben und Weben Thun und Treiben für nichts anderes halten können, als für ein im Selbstanblick gefangenes, wie verzaubertes und unaufhörlich nach Freyheit ringendes Wesen. Wenn dieses Wesen sich erkennt, als das nicht selbst das Seyende seyn soll, sondern nur Grund von Seyn, macht es dem wahren Wesen Raum sich zu offenbaren und wird dadurch Ursache der ewigen Geburt, d.h. der Geburt die nicht einmal, sondern die immer war und auch noch jetzt geschiehet und nie aufhören wird zu geschehen. Es ist Ursache dieser Geburt nicht durch Wirken oder Thun, sondern durch nicht Wirken oder daß es seine Selbstwirkung aufgibt. Also macht es sich auch bloß zur werkzeuglichen d.h. eben zur gebärenden Ursache des Höchsten, und umgekehrt nur dadurch bringt es das Überseyende in’s Seyn, daß es sich zum bloßen Werkzeug macht.
Das verborgene Wesen der Natur ist wohl auch von demselben Wesen (A0) von welchem Gott ist, aber es erkennt sich nicht für den seyenden Gott; es ist das ewig abgewendete Antlitz Gottes; es ist nicht in sich sondern nur gegen das Höhere nicht seyend. Was aber seyend in sich gegen Anderes nicht seyend wird, verhält sich als Vergangenes. Also jenes abgewendete, unerforschliche Antlitz ist die ewige Vergangenheit Gottes.
Indem es nun aber zurücktritt, läßt es auch jene Lebensgestalten frey, die zwar immer untrennlich seyn müssen, denn sie sind wie Kinder Einer Mutter (des einen A=B) und kann keine einen Augenblick seyn ohne die andre, aber aus dem wilden Streit in den sie vorher durch jenes verborgene
Neueinsatz
Begriffe: das Älteste, Erste, Seyendes/Nichts, ewige Freyheit, Seynlose
Begriffe: das Vorauszusetzende
Inhalt: »Das Erste und in der ganzen Natur der Dinge Älteste«
Auflistung (Fortsetzung) 25-31
Auflistung (Fortsetzung) 22-24
Auflistung 17-21
Auflistung 1-16
Neueinsatz: Auflistung 1-12
(Fortführung bis 12), Neueinsatz: Auflistung 1-5, Auflistung 8-11
Begriffe: Weibliches, Männliches
Auflistung 1-4; Fortführung Auflistung 5-7
Auflistung 1-4