Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Thema Philosophische und religiöse Systeme

Erwähnungen in Dokumenten

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (1811). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1811). Text

    Indeß können wir uns wohl vorstellen, mit welchen Augen diese Beschreibung von einem Theil der Zeit wird angesehen werden. Wir erwarten, es soll auch bey dieser Gelegenheit die alte Anklage heydnischer Naturvergötterung wieder ertönen.

    Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen seyn, wie wir in dieser ersten Periode den Begriff von Gott nur mit Einschränkung, nie geradezu ausgesprochen, wie es in unsern strengeren Darstellungen überall geschehen ist. Denn jenes uranfängliche Wesen der Lauterkeit erklärten wir als das, was selbst über Gott und die Gottheit in ihm ist; das so genannte erste Wirkliche aber wagten wir nicht Gott zu nennen.

    Was ist es denn nun nach unserer Ansicht? – Es ist in seiner Ganzheit genommen gleichsam der ewige Keim Gottes, da noch nicht ein wirklicher Gott, sondern nur ein Gott der Möglichkeit oder den Kräften nach ist; welcher Keim oder potentielle Zustand Gottes in der Folge der Evolution so nothwendig vor Gott hergehen muß, als die Einwickelung überall der Entwickelung vorangehen muß.

    Ich frage die, welche gegen diese Priorität der Natur streiten, ob sie denn überall keine Natur in Gott erkennen? Dann müssen sie sich auf jenes urerste Wesen der Lauterkeit einschränken; denn nur dieses, oder die reinste Gottheit, ist Naturlos, weil sie über allem Seyn und die ewige Freyheit ist; und doch erklären sie in ihrer Rohheit eben diese für das Nichts, worunter sie das insgemein so genannte verstehen. Wo ist denn also ihr Gott?

    So wie sie jene Region auch nur mit einem Schritte verlassen; so wie sie Gott Wirklichkeit, Existenz, Daseyn beylegen, müssen sie in ihm eine Natur anerkennen. Denn wo Wirklichkeit ist, da ist Natur, da ist zusammenziehende Kraft, da ist Tiefe und Verschlossenheit.

    Haben doch auch jene schon lange des Ausdrucks sich bedient, Gott sey der Grund seiner eigenen Existenz! War dieser Grund ein bloßes Wort, oder wurde darunter etwas Reelles verstanden? Das Erste, so nehmen wir es jetzt genauer in der Wissenschaft und erlauben nicht mehr Worte ohne Sinn zu gebrauchen. Das Letzte, so folgt schon daraus, daß zwischen Gott, inwiefern er Grund seines Daseyns ist, und zwischen dem seyenden Gott ein reeller Unterschied seyn muß; es ergibt sich ferner, daß die Gott selbst zukommenden Eigenschaften nicht die nämlichen seyn können, die ihm als Grund von sich selber zukommen. Es folgt, daß, wenn der seyende Gott als freyes, im höchsten Sinn seiner bewußtes intelligentes Wesen erkannt werden muß, Gott als Grund von sich selbst nicht in dem nämlichen Sinne frey, bewußt, intelligent seyn könne. Wenn nun die Meisten das diesen Eigenschaften Entgegengesetzte physisch nennen, so mögen sie selbst zusehen, ob sie nicht die Priorität des Physischen, (Potentiellen), in Gott, trotz ihres Abscheues gegen dasselbe, unwissender Weise zugeben.

    Es ist leicht, die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen der jetzigen Art zu philosophiren in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wornach z.B. was nicht frey im moralischen Verstande alsogleich mechanisch, was nicht seyend oder nichtseyend, gar Nichts, was nicht intelligent verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber gerade die wichtigsten, da die einzigen eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nur nach dem so genannten Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles, den Sophisten gleich, zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreyenden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.

    Doch vielleicht suchen wir den Grund des Mißverstandes tiefer als nöthig; es läßt sich wohl mit einer historischen Erklärung auskommen. Auch Spinoza redet ja von Gott als einer Natur. Also meynen sie, daß niemand dem ähnliches vorbringen könne, ohne in allen Stücken derselben Meynung zu seyn; besonders, da sie bewiesen zu haben glauben, daß sein System das einzige der Vernunft mögliche sey.

    Spinoza verdient eine ernste Betrachtung; fern sey es von uns, ihn zu verläugnen in dem, worinn er unser wissenschaftlicher Ahnherr, unser Lehrer und Vorgänger gewesen. Ja Er allein von allen Neueren hat jene Urzeit gefühlt, von der wir in diesem Buch einen Begriff zu geben versucht haben.

    Spinoza kennt jenes mächtige Gleichgewicht der Urkräfte, die er als ausgedehnte (also doch wohl ursprünglich zusammenziehende?) und denkende (doch wohl des Gegensatzes wegen ausdehnende, ausbreitende?) Urkraft einander entgegensetzt. Aber er kennt auch nur diesen Moment ihrer existentiellen Gleichheit. Ob er bey dieser eine Unterordnung der einen unter die andre der Natur oder dem Wesen nach annimmt, ist wenigstens zweifelhaft. Haben diejenigen, welche uns eine solche Gleichsetzung zugeschrieben, denn nicht einmal den Begriff der Potenz bemerkt, der unsrer Ansicht eigenthümlich ist und schon allein hinreichte, sie von der spinozischen gänzlich zu unterscheiden? Ist es ihnen nie aufgefallen, daß die Natur oder das Reale von Gott stets nur als erste Potenz seines Daseins dargestellt worden? – Ihrer unvollkommen Entgegensetzung wegen sind auch die beyden Urkräfte bey Spinoza in völliger Gleichgültigkeit und Unthätigkeit neben einander ohne gegenseitige Erregung oder Steigerung der einen durch die andre. Darum beharrt auch seine Substanz in ewiger Gleichheit und geschlossenem Seyn, ohne Entwickelung oder Erhebung. Obschon Einheit der beyden Urkräfte, ist sie es doch nur auf die Art, wie es bey uns der Grund der Existenz oder das erste Wirkliche ist; sie ist daher ewige Verborgenheit, tritt nie zum Aktus hervor, verklärt sich nie in ein Seyendes. Mit einem Wort, Spinoza ist, wie es längst erklärt worden, der reinste Realist, und so weit vollendet, als es bey dem abgezognen Verhältniß möglich war, in welchem alle neueren Systeme gegen die wirkliche Natur stehen.

    Es ist dieß ein andrer Anstoß, den unsre Vorstellung von Anbeginn gefunden, daß sie die sichtbare Natur so hoch gestellt und alle jene Kräfte, die wir aus dem Innern der Materie hervorbrechen sehen, für wahrhaft ewige Kräfte erkannt. Zwar behaupten wir darinn nichts Neues in Bezug auf die eigentlich Alten. Wir haben ihre Meynung nur genauer verstanden und uns nicht begnügt mit der Vorstellung bloß gedachter oder bloß denkbarer Urbilder. Wir verwerfen nicht nur die gewöhnliche Meynung, nach welcher die anziehende und die ausbreitende Urkraft, die Elemente des Feuers und des Wassers, die Kraft des Blitzes und die Sanftmuth des Lichtes, erst mit dieser äußerlich sichtbaren Welt entstanden seyn sollen, wir nehmen auch an, daß diese Kräfte in dem Urwesen, das der Welt voranging, nicht ohne Wirkung gewesen, und die Ausdrücke, deren wir uns in dieser Beziehung gebrauchen, sind darum nicht, wie manche sich vorgestellt, uneigentlich sondern eigentlich verstanden. Es hätte bey uns gestanden, die zwey Hauptmomente der Entwickelung, die bis jetzt beschrieben worden, durch physische von der organischen oder allgemeinen Natur hergenommene, Ausdrücke zu bezeichnen. Der Erfahrene wird die hier stattfindenden Beziehungen ohne unser Erinnern finden.

    Was ist es übrigens, das die Meisten an der Materie so beleidigt, daß sie dieselbe so gar geringer Herkunft achten? Am Ende ist es doch nur die Demuth der Materie, die ihnen so anstößig ist. Aber eben diese Gelassenheit ihres Wesens zeigt, daß ihr etwas von jenem uranfänglichen Wesen inwohnt, das nach innen reinste Geistigkeit und doch nach außen vollkommne Leidenheit ist. So hoch wir auch die Aktuosität stellen, zweifeln wir doch, daß sie an sich das höchste sey. Denn das Wesen, aus dem selbst Gott hervortritt, ist ein Glanz der Lauterkeit, der nur ausfließen, aber nicht wirken kann. Ueberall scheint das sanft Leidende und Empfangende vor dem Wirkenden und Thätigen zu seyn. Ich zweifle nach vielen Gründen nicht, daß in der organischen Natur das weibliche Geschlecht vor dem männlichen da ist und daß hierauf zum Theil die angebliche Geschlechtslosigkeit der untersten Pflanzen und Thiere beruht.

    Es ist angenommen, ein jedes sogenanntes System müsse nach seinem Princip beurtheilt werden. Es fragt sich aber, was unter Princip zu verstehen ist.

    Inwiefern bey jeder Entwickelung die Einerleyheit des sich entwickelnden Subjekts vorausgesetzt wird, in so fern hat unstreitig ein jedes System nur Ein Subjekt, Ein Lebendiges, das sich in ihm entwickelt. Allein von dem Princip in diesem Sinn läßt sich eben darum nicht gleichsam ein für allemal der feste Begriff geben; denn da es in einer beständigen Bewegung, Fortschreitung, Steigerung begriffen ist, kann jeder Begriff nur für einen Moment gelten; es ist als Lebendiges in der That nicht Eines, sondern unendlich Vieles. Hieraus ist denn wohl zu ersehen, daß in keinem lebendigen Ganzen wissenschaftlicher Kunst irgendwo ein Punkt sey, da man gleichsam anhalten, oder den man fest machen könnte, sondern daß schlechterdings die Entwickelung des Ganzen abgewartet werden muß, ehe der vollständige Begriff des sich entwickelnden Subjekts gegeben werden kann. Denn dieses Subjekt ist in der Mitte und am Ende so gut wie im Anfang, und es ist nicht das, was es in diesem oder jenem Punkt der Entwickelung ist; es ist überhaupt nichts Einzelnes, sondern das Eins und Alles in dem Ganzen. Wer daher dem Subjekt einer solchen Entwickelung eine proteische Natur vorwirft, der hat es im Groben besser getroffen, als er wohl selber verstand.

    Der Ausspruch ist so oft gehört worden: ein System sey überhaupt unmöglich, wobey aber unterlassen worden zu erklären, was unter System verstanden werde. Wäre System ein Ganzes von Sätzen, die alle ein festes, stehenbleibendes Seyn aussagen, so wäre die sogenannte Naturgeschichte, wenn sie es in der Beschreibung bis zur Vollkommenheit gebracht hätte, das Muster aller Systeme. Oder würde unter System ein Ganzes zusammenhängender Sätze verstanden, deren jeder auch einzeln und für sich genommen Wahrheit hat: so wäre die Geometrie vielleicht das einzige System, ob es gleich wohl niemanden eingefallen ist, sie im eigentlichen Verstand als ein solches zu betrachten. In Bezug auf lebendige Wissenschaft kann man dagegen sagen, daß ein jeder Satz schon dadurch, daß er als Satz ausgesprochen wird, falsch ist. Zum Beispiel, der Satz: das Urwesen ist absolute Einheit von Subjekt und Objekt, ist als eine für sich geltende Wahrheit ausgesprochen, offenbar falsch, weil dasselbe in andrer Beziehung auch wirkende Einheit, in andrer vielleicht gar Gegensatz von Subjekt und Objekt ist. Aber eben so falsch ist sein widersprechender: das Urwesen ist Nichteinheit von Subjekt und Objekt, einzeln genommen. Dagegen im lebendigen Zusammenhang des Ganzen, welches ihm seine Stelle und mit ihr die Gränze seiner Gültigkeit bestimmt, kann jeder von beyden Sätzen als wahr erscheinen. Daher man nun vielmehr umgekehrt sagen möchte: jeder Satz sey außer dem System falsch, nur im System, im organischen Zusammenhang des lebendigen Ganzen gebe es eine Wahrheit.

    Das System im schlechten Sinne würde daher, wie Alles, was vom Uebel ist, vom Stehenbleiben herkommen, von der mangelnden Kraft der Entwickelung, der Steigerung, Hindurchführung. So sehen wir offenbar die ganze Verschiedenheit dagewesener Systeme entspringen durch das Festwerden auf Einem Standpunkte; nicht dieser, sondern nur das Stillstehen bey ihm ist das Falsche. Denn weiter entwickelt und fortgebildet müssen sie alle im wahren, im umfassenden Systeme zu Hause seyn.

    Gewöhnlich wird der Begriff von Princip nicht in jenem höheren Sinne genommen: er bedeutet den Meisten schlechtweg den Anfangspunkt. Wie ungenügend oder verkehrt sodann die Ansicht werden müsse, wenn die Natur des Ganzen nach der Natur des Ersten beurtheilt wird, leuchtet von selbst ein. Was für ein Name könnte wohl der Ansicht, in deren Entwickelung wir hier begriffen sind, auf diese Weise geschöpft werden?

    Wer sich an das Höchste des Ganzen hielte, jenes urerste Wesen der Lauterkeit, könnte, inwiefern dieses in der späteren Entwickelung als das allein eigentlich Seyende oder Ideale erscheint, versucht werden, das Ganze Idealismus zu nennen; und ich selbst habe mir wohl verstattet, jenes Wesen als Absolut-Ideales zu bezeichnen, um es von sich selbst, so fern es bereits wirkliches Seyendes ist, zu unterscheiden, und sodann auch das Ganze wohl als absoluten Idealismus auszudrücken.

    Allein das verkümmerte und dem Mißverstand ausgesetzte dieser Bezeichnung läßt sich nicht verkennen. Denn an sich ist einmal jene Wesentlichkeit weder ideal noch real; oder vielmehr, wenn sie nach innen als das reinste Ideale, als lauterste Aktuosität erscheint, so ist sie dagegen nach außen wirkungslos, reinste Leidenheit und in so fern der Natur des Realen gleich.

    Sollte also die Bezeichnung des Ganzen von jenem hohen Punkte hergenommen werden: so ließe es sich offenbar weder als Realismus noch als Idealismus betrachten; es wäre vielmehr zu erwarten, daß diese Gegensätze erst in der weiteren Entwickelung hervortreten.

    Allein so wie wir bewiesen haben, daß in jener Wesentlichkeit noch nicht einmal die Möglichkeit eines Anfangs ist, sondern erst in dem andern Princip; so könnte auch nur in diesem der Anfang oder Nerv des Systems gesucht werden.

    Diesem nach müßte das Ganze für Realismus und Pantheismus erklärt werden, wie es auch häufig genug geschehen ist; mit welchem Rechte, läßt sich aus dem vorhergehenden beurtheilen.

    Wird auf das höhere Alter gesehen, so hat der Realismus unstreitig den Vorzug vor dem Idealismus. Wer die Priorität des Realismus nicht anerkennt, der will die Entwickelung ohne vorausgegangene Einwickelung; er will die Frucht und die aus ihr werdende Blüthe ohne die harte Bedeckung, die sie verschließt. Wie das Seyn die Kraft und Stärke des Ewigen selber ist, so ist der Realismus die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems.

    Ein jeder erkennt an, daß die Kraft der Zusammenziehung der eigentlich wirkende Anfang jedes Dings ist. Nicht von dem leicht Entfalteten, sondern vom Verschlossenen, das nur mit Widerstreben sich zur Entfaltung entschließt, wird die größte Herrlichkeit der Entwickelung erwartet. Nur jene uralte heilige Kraft des Seyns wollen viele nicht anerkennen, und möchten sie gleich im Anfang verbannen, ehe sie in sich selbst überwunden der Liebe weicht, die sie aus sich gebiert.

    Der erste innig fühlende und bemerkende Mensch mußte das Daseyn eines ewigen Gegensatzes in sich und außer sich erkennen. Schon in den Uranfängen der Natur dieß Widerstrebende nirgends aber im Sichtbaren dessen Quelle findend mußte er früh sich sagen, daß der Grund des Gegensatzes älter als die Welt, ja so alt als das älteste der Wesen selbst sey; daß wie in allem Lebenden so schon im Urlebendigen eine Doppelheit sey, die herabgekommen vielleicht durch unzählig viele Stufen bey uns als Leibliches und Geistiges, als Finsterniß und Licht, als Feuer und Wasser, oder als männliches und weibliches Geschlecht auftrete. Weßhalb denn gerade die ältesten Lehren am einstimmigsten jenes erste alles erzeugende Princip als ein doppelkräftiges oder als ein Wesen mit zwey sich widerstreitenden Wirkungsweisen vorstellen.

    In unsern aber, von jenem Urgefühl der Menschheit so sehr und immer mehr entfremdeten, Zeiten hat sich die Empfindung jener Zweyheit fast mehr durch die Versuche, sie hinwegzuschaffen und auf irgend eine Weise zu läugnen, als durch wirkliches Anerkennen und Begreifen ausgedrückt.

    Wenn man von dem Seyn nur das nimmt, was sich davon uns entgegenstellt und von dem anderen Princip nur so viel, als etwa auch der bloße Mechaniker von ihm in sich finden kann; so entsteht der abgezogenste Ausdruck, in welchem die Zweyheit dargestellt werden kann; sie erscheint als Gegensatz von Seyn und Denken.

    Diesem Denken stellte sich das allgewaltige Seyn von jeher als eine unbezwingliche Kraft entgegen, so daß die alles erklärende Philosophie nichts schwerer fand, als von eben diesem Seyn eine Erklärung zu geben. Grade diese Unfaßlichkeit, dieses thätliche Widerstreben gegen alles Denken, dieses aktive Dunkel, diese positive Neigung zur Finsterniß mußte sie zur Erklärung machen. Aber lieber wollte sie das Unbequeme ganz hinwegschaffen, das Unverständliche ganz auflösen in Verstand oder auf irgend eine Weise in Vorstellung.

    Ein jeder, der dieß thut, ein jeder, welcher läugnet, daß es ein allem Denken positiv entgegengesetztes, thätig widerstrebendes Princip gibt, der läugnet die Realität an sich und heißt mit Recht (in der gemeinen Bedeutung des Worts) Idealist.

    Der Idealismus in diesem Verstand, als völlige Verläugnung jener Urkraft des Seyns, ist keineswegs auf die Schule eingeschränkt, noch eine Geburt erst der gegenwärtigen Zeiten. So wie er unter uns zur Erscheinung gekommen, ist er in der That nur das ausgesprochene Geheimniß der Richtung, welche das alles versuchende Denkvermögen des Menschen schon seit mehreren Jahrhunderten genommen hat.

    Es bewährt sich auch hier, daß der Mensch jederzeit seinen Gott nach sich selbst, so wie dann freylich auch sich wieder nach seinem Gott bilde. Wie es unter uns immer mehr Sitte wurde, Humanität als das Einzige, Tüchtigkeit und Kraft aber, die doch ihr zum Grunde dienen müssen, für gar nichts anzusehen: so hat man sich auch bemüht, aus der höchsten Idee so viel möglich alles hinwegzunehmen, was Macht und Kraft ist, so daß ein philosophischer Redner unsrer Zeit von diesem humanen Gott eine Beschreibung für jedermann machen kann, in der vor lauter Licht und Lichtstrahlen nichts gesehen wird.

    Ein solcher Gott ist das natürliche Bild eines Menschen, der die Kraft der Vertiefung in sich ganz verloren hat; seine Ohnmacht ist der eines Volkes vergleichbar, das in gutmüthiger Bestrebung nach sogenannter Kultur und Aufklärung dazu gekommen ist, alles in sich in Gedanken aufzulösen; dagegen aber mit dem Dunkel zugleich alle Stärke und jenes – warum sollte das rechte Wort nicht genannt werden? – barbarische Princip verloren hat, das, überwunden, aber nicht vernichtet, die eigentliche Grundlage aller Größe ist.

    Wenn daher nach diesem Redner alles, was außer jenem Urlicht der Gottheit da ist, nur noch Bild ist, ein leeres Schematisiren ihrer selbst, und wenn fernerhin alles, was in dieser Bilderwelt noch weiter sichtbar wird, die ganze so genannte erscheinende Natur – die Erde und der Himmel, sonst die Veste der Macht Gottes genannt – nur ein Nichts des Nichts, ein Schatten von dem Schatten ist; (warum nicht gar bey so Pindarschem Schwung Träume von Schatten?) so wäre eben diesem Redner dagegen aufzugeben, bey Anwendung des homerischen Verses, den Kato der ältere auf die Krieger vor Karthago anwandte, unter dem Volk, das solche Redner hat, auch nur den Einen zu finden, von dem wie von Scipio zu sagen wäre:

    Jener allein ist kräftig, die Andern flattern als Schatten.

    Wie wohlthätig ist es, bey der Beweglichkeit und Leichtfertigkeit des Denkens ein Princip zu wissen, das weder vom Menstruum des schärfsten Begriffs aufzulösen, noch im Feuer des geistigsten Denkens zu verflüchtigen ist! Ohne dieses dem Denken widerstehende Princip wäre die Welt vielleicht wirklich schon in Nichts aufgelöst; nur dieser unüberwindliche Mittelpunkt erhält sie gegen die Stürme des nie ruhenden, beweglichen Geistes. Ja, es ist die ewige Kraft Gottes. Es muß in dem ersten Existirenden ein der Offenbarung widerstrebendes Princip seyn. Denn wenn denn nur ein solches kann der Grund der Offenbarung werden. Wenn eine Kraft ist, welche die Offenbarung bewirkt, muß es nicht auch eine Kraft seyn, die ihr entgegenwirkt, und läßt sich eine ganz unthätige Indifferenz gedenken? Es ist in dem ersten Wirklichen ein irrationales, ein der Auseinandersetzung widerstehendes, also auch Kreaturwidriges Princip, welches die eigentliche Stärke in Gott ist: wie es im hohen Ernst der Tragödie Stärke und Gewalt sind, Diener des Zeus, welche den menschenliebenden Prometheus dem meerumrauschten Felsen anschmieden. Es ist so nothwendig anzuerkennen als die Persönlichkeit Gottes. Wird doch schon in der Sprache älterer Philosophie die Persönlichkeit erklärt, als der letzte Akt oder die letzte Potenz, wodurch ein intelligentes Wesen unmittheilbarer Weise besteht. Es ist das Princip, was Gott, anstatt, wie wohl auch gemeynt worden, mit der Kreatur zu vermengen, auf ewig von ihr scheidet. Alles kann dem Geschöpf mitgetheilt werden; nur das Eine nicht, von und durch den unsterblichen Lebensgrund in sich selbst zu haben, von und aus sich selbst zu seyn.

    Daß es der göttlichen Natur unwürdig sey, ein solches Princip in ihr anzunehmen, kann schon überhaupt nicht gesagt werden; denn wie sollte unwürdig seyn können, was nothwendig ist zu ihrem Seyn? aber dieser Einwurf schließt überdieß eine falsche Voraussetzung in sich. Denn als wirkendes Princip geht es dem seyenden Gott voran; im seyenden aber ist es untergeordnet; träte es aber auch je wieder zum Aktus hervor, so müßte zuvor ausgemacht werden, ob es je durch göttlichen Willen hervortritt.

    Was von dem Realismus gilt, gilt auch von dem Pantheismus. In jenem Urzustand des Gleichgewichts aller Kräfte ist das Eine auch das All, und das All das Eine. Aber auch diese Einheit ist keine unthätige, sondern durch eine im Urwesen wirkende Kraft gesetzt. Wie daher der Realismus den Vorzug des Alters hat vor allen andern Absichten, so kommt auch dem Pantheismus die unstreitige Priorität vor seinem Gegensatze, dem Idealismus und Dualismus, zu. Wir können sagen, er sey in Gott selbst das frühere und ältere System. Aber eben dieses pantheistische System der Urzeit, dieser Urzustand der All-Einheit und Allverschlossenheit ist es, welcher durch die folgende Zeit immer mehr verdrungen und als Vergangenheit gesetzt werden soll. – –

  • in: Druck Schelling »Die Weltalter (SW). Erstes Buch. Die Vergangenheit« (1815). Text

    Dieses also wäre die, wiewohl schwache, Beschreibung jenes Urzustandes der All- und Einheit, aus welcher nun, die neuerlich so viel von Pantheismus geredet, ersehen mögen, was er denn eigentlich ist. Denn die meisten, die von dem Eins und All reden, sehen darin nur das All; daß ein Eins, ein Subjekt darin ist, haben sie noch nicht einmal bemerkt. Unter dem All aber verstehen sie die selbstlose Allheit, wie jene anfängliche Natur ist. Zu dieser gehören auch jene, welche mit der ewig wiederholten Versicherung von der Harmonie und wunderseligen Einheit des Weltalls schon längst allen Verständigen zur Last sind. Den eigentlichen Pantheismus möchten wohl beide schrecklich finden; wären sie aber fähig, die Außenseite der Dinge zu durchdringen, so würden sie sehen, daß der wahre Grundstoff alles Lebens und Daseyns eben das Schreckliche ist.

    Andere aber finden in der Lehre des Spinoza das wahre Urbild des Pantheismus. Spinoza verdient eine ernste Betrachtung; fern sey es von uns, ihn in dem zu verleugnen, worin er unser Lehrer und Vorgänger gewesen. In ihm vielleicht von allen Neueren ward ein dunkles Gefühl jener Urzeit, von der wir so eben einen Begriff zu geben versucht haben.

    Spinoza kennt jenes mächtige Gleichgewicht der Urkräfte, die er als ausgedehnte (also doch wohl ursprünglich zusammenziehende?) und denkende (doch wohl des Gegensatzes wegen ausdehnende, ausbreitende?) Urkraft einander entgegenstellt. Allein er kennt auch nur das Gleichgewicht, nicht den aus der Aequipollenz entstehenden Streit; die beiden Kräfte sind in Unthätigkeit nebeneinander ohne gegenseitige Erregung oder Steigerung. Also ist die Zweiheit über der Einheit verloren gegangen. Daher beharrt seine Substanz oder das gemeinsame Wesen der beiden Kräfte in ewiger, unbeweglicher, unthätiger Gleichheit. Die Einheit ist selber wieder ein reines Seyn, das sich nie in ein Seyendes verklärt, nie wirkend (in actu) hervortritt; weßhalb er denn des angenommenen Gegensatzes wegen doch nur als Realist angesehen werden kann, obwohl er dieß in einem höheren Sinn ist als Leibniz Idealist. Anstatt daß der lebendige Streit zwischen Einheit und Zweiheit der beiden sogenannten Attribute und der Substanz der Hauptgegenstand seyn sollte, beschäftigt er sich nur mit den beiden entgegengesetzten, und zwar mit jedem für sich, ohne daß die Einheit als wirkendes lebendiges Band beider zur Sprache käme. Daher der Mangel an Leben und Fortschreitung in seinem System.

    Haben die, welche die von uns behauptete Einheit geradezu mit der Spinozischen vergleichen zu können meinten, nie auch nur den Begriff von Potenzen bemerkt, der schon für sich den Begriff von Fortschreitung, Bewegung in sich schließt?

    Bedenkt man jedoch, nach welchen Seiten vor und nach Spinoza die Philosophie sich zertrennt und alle Begriffe auseinandergegangen, so kann man nicht umhin, in Spinoza den einzigen Stammhalter wahrer Wissenschaft durch die ganze neuere Zeit zu erkennen. Daher es kein Wunder war, wenn jede neue kräftige Regung zuerst auf ihn zurück und wieder von ihm ausgehen mußte.

    Nachdem Cartesius, Anfänger der neuen Philosophie, die Welt in Körper und Geist zerrissen, also die Einheit über der Zweiheit verloren, Spinozasie beide in Einer, aber todten Substanz vereint und über der Einheit die Zweiheit verloren hatte: so mußte, wenn nicht Einheit und Zweiheit selbst in lebendigen Gegensatz und dadurch auch wieder zur Einheit gebracht wurden, die Philosophie mit jedem Schritt nur mehr und mehr in Einseitigkeit gerathen, bis sie zu unserer Zeit in beiden auseinandergehenden Richtungen beim letzten nicht weiter Zerlegbaren ankam.

    Leibniz war Antidualist in ganz anderem Sinn als Spinoza; er zuerst unternahm das Seyn ganz zu vertilgen und alles in Vorstellung zu verwandeln, daß selbst Gott nur die höchste Vorstellkraft des Weltalls war. Er hatte eine Einheit, aber nicht eine zweiseitige, sondern nur eine einseitige. Indeß behielt er unter dem allein übrig gebliebenen Ideellen doch insofern den ganzen Inhalt der früheren Systeme, als er zwar das wirkliche Daseyn der Körper als solcher leugnete, aber sie doch als von unserem Wissen und Denken unabhängige Vorstellkräfte noch übrig ließ.

    Dieser ersten Erscheinung des Idealismus, dem Leibnizischen Intellektualismus, mag in der Geschichte der Wissenschaft als gleichlautend angesehen werden der fast um dieselbe Zeit, besonders durch Jordanus Brunus auferweckte Hylozoismus, der von der Zweiheit des Spinoza auch nur Eins, wie Leibniz, aber das Entgegengesetzte behielt. Inwiefern er jedoch die Materie als an sich lebendig ansah, war wenigstens unter oder in diesem Seyn noch ein Geistiges begriffen.

    Aber in der Richtung, welche der Geist dieser neueren Zeit einmal genommen, konnte er auch hier nicht stehen bleiben; denn noch war die Zerlegung weiter zu treiben. An dem Seyn, der Materie, die der Hylozoismus allein übrig gelassen, war noch ein Geistiges, ein inneres Leben. Es blieb noch übrig, die Materie in ein schlechthin todtes, eine bloße Aeußerlichkeit ohne alle Innerlichkeit, in eine bloße Anhäufung von Theilen zu verwandeln, die wieder durch nichts Innerliches, durch die bloße Figur unterschieden waren; und aus einer solchen Materie sollte die lebendige Natur, das Denken, die ganze Mechanik menschlicher Begriffe, Gefühle, Handlungen abgeleitet werden; eine Lehre, worin das Volk, das sie ausgeheckt, den wahresten und sprechendsten Ausdruck von sich selbst niedergelegt.

    Eine andere Richtung war übrig, von dem Idealen, das der Intellektualismus allein stehen ließ, auch noch das unter ihm begriffene Reale abzuziehen. Materie, Körper waren nach Leibniz zwar verworrene, aber doch lebendige und unabhängige Vorstellkräfte. Wozu dieser Ueberfluß, wenn doch einmal alles bloß Vorstellkraft ist? Warum sich nicht mit der einen begnügen, deren wir unmittelbar gewiß sind, der menschlichen? Als freilich der deutsche Idealismus in seiner höchsten Steigerung durch Fichte hervortrat, konnte der Grundgedanke des Ich, d.h. einer lebendigen Einheit von Seyendem und Seyn, die Hoffnung eines ins Lebendige geführten, erhöhten Spinozismus erwecken. Aber daß es der Zeitgeist anders gemeint hatte, wurde nur zu bald offenbar und volksvernehmlich ausgesprochen; nur der Mensch oder das menschliche Geschlecht sey da, nämlich als Vorstellkraft.

    So wie indeß dieser Idealismus unter uns zur Erscheinung gekommen, ist er nur das ausgesprochene Geheimniß der ganzen Richtung, welche seit viel längerer Zeit in andern Wissenschaften, in Künsten, im öffentlichen Leben mehr und mehr herrschend war. Was war das Bestreben der ganzen modernen Theologie anders als ein allmähliches Idealisiren des Christenthums, ein Ausleeren. Wie im Leben und der öffentlichen Meinung Charakter, Tüchtigkeit und Kraft immer weniger, sogenannte Humanität aber, der jene doch zum Grunde dienen müssen, alles galt, so konnte dieser Zeit auch nur ein Gott frommen, aus dessen Begriff alles hinweggenommen worden, was Macht und Kraft ist. Ein Gott, dessen höchste Kraft oder Lebensäußerung in Denken oder Wissen besteht, außer dem alles andere nur noch ein leeres Schematisiren seiner selbst ist; eine Welt, die nur noch Bild, ja Bild von dem Bild, ein Nichts des Nichts ist, ein Schatten von dem Schatten; Menschen, die auch nur noch Bilder, nur Träume von Schatten sind; ein Volk, das in gutmüthigem Bestreben nach sogenannter Aufklärung wirklich dahin gekommen, alles in sich in Gedanken aufzulösen, aber mit dem Dunkel auch alle Stärke, und jenes (stehe hier immer das rechte Wort) barbarische Princip, das überwunden aber nicht vernichtet, die Grundlage aller Größe und Schönheit ist, verloren hat; dieß sind wohl die nothwendig gleichzeitigen Erscheinungen, wie wir sie auch zusammen gesehen.

    Wie wohlthätig ist es, bei der Beweglichkeit und Leichtfertigkeit des Denkens ein Princip zu wissen, das weder vom Menstruum des schärfsten Begriffs aufzulösen, noch im Feuer des geistigsten Denkens zu verflüchtigen ist! Ohne dieses dem Denken widerstehende Princip wäre die Welt wirklich schon in nichts aufgelöst; nur dieser unüberwindliche Mittelpunkt erhält sie gegen die Stürme des nie ruhenden Geistes. Ja es ist die ewige Kraft Gottes. Es muß in dem ersten Daseyn ein der Offenbarung widerstrebendes Princip seyn, denn nur ein solches kann der Grund der Offenbarung werden. Wenn eine Kraft ist, welche eine Offenbarung bewirkt, muß nicht auch eine Kraft seyn, die ihr entgegenwirkt? Wie wäre sonst Freiheit. Es wirkt in dem ersten Daseyn ein irrationales, der Auseinandersetzung widerstehendes, also auch kreaturwidriges Princip, welches die eigentliche Stärke in Gott ist, wie es im höchsten Ernst der Tragödie Stärke und Gewalt sind, Diener des Zeus, die den menschenliebenden Prometheus dem meerumrauschten Felsen anschmieden. Es ist so nothwendig anzuerkennen, als die Persönlichkeit, das in-sich- und für-sich-Seyn Gottes. Wird doch schon in der Sprache älterer Philosophie die Persönlichkeit erklärt als der letzte Akt oder die letzte Potenz, wodurch ein intelligentes Wesen unmittheilbarer Weise besteht. Es ist das Princip, das Gott, anstatt wie wohl auch gemeint worden, mit der Kreatur zu vermengen, ewig von ihr scheidet. Alles kann dem Geschöpf mitgetheilt werden, das eine nicht, den unsterblichen Lebensgrund in sich selbst zu haben, von und durch sich zu seyn.

    Daß ein solches Princip der göttlichen Natur an sich unwürdig sey, kann nicht gesagt werden; weil es das ist, vermöge dessen Gott Er Selbst als Er Selbst ist, der Einzige, von allem andern Abgeschnittene; daß es als wirkendes der göttlichen Natur unwürdig sey, schließt eine falsche Voraussetzung in sich. Denn als wirkendes geht es dem existirenden Gott voran; im daseyenden ist es überwunden; träte es aber je zur Wirkung hervor, so müßte erst ausgemacht seyn, ob durch göttlichen Willen.

    Wird auf das höhere Alter gesehen, so hat der Realismus unzweifelhaft den Vorzug vor dem Idealismus. Wer die Priorität des Realismus nicht anerkennt, der will die Entwickelung ohne vorausgegangene Einwickelung; er will die Blüthe und die aus ihr werdende Frucht ohne die harte Bedeckung, die sie verschließt. Wie das Seyn die Kraft und Stärke des Ewigen selber ist, so ist der Realismus die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems, und auch in dieser Beziehung gilt, daß die Furcht Gottes der Weisheit Anfang ist.

    Ein jedes erkennt an, daß die Kraft der Zusammenziehung der eigentlich wirkende Anfang jedes Dinges ist. Nicht von dem Leichtentfalteten, sondern vom Verschlossenen, das nur mit Widerstreben sich zur Entfaltung entschließt, wird die größte Herrlichkeit der Entwickelung erwartet. Nur jene uralte heilige Kraft des Seyns wollen viele nicht anerkennen, und möchten sie gleich von Anfang verbannen, ehe sie in sich selbst überwunden der Liebe nachgibt.

    Was von dem Realismus gilt, gilt auch von dem Pantheismus. Wie daher der Realismus den Vorzug des Alters hat vor allen andern Ansichten, so kommt dem Pantheismus die unstreitige Priorität vor seinem Gegensatze, dem Idealismus und Dualismus, zu. Wir können sagen, er sey in der göttlichen Offenbarung selbst das frühere und ältere System. Aber eben dieses pantheistische System der Urzeit, dieser Urzustand der All-Einheit und All-Verschlossenheit ist es, der durch die folgende Zeit immer mehr verdrungen und als Vergangenheit gesetzt werden soll.

  • in: Jahreskalender Schelling »Jahreskalender 1819« (1819). Text

    Philosophische und religiöse Systeme

    Genannte Personen: Leibniz, Platon

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  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 112)« (?). Text

    NB: die Perioden, wie die Potenzen haben drey Mom˖[ente] hier das allg˖[emeine] über System was XVIII. ult. sq. vorkommt – drey Systeme. Nicht wie Fr˖[iedrich] Schl˖[egel] – Eman˖[ationstheorie] = dem ersten, Panth˖[eismus] das zweyte der dem = dritten unm. entspr. Dual˖[ismus] heißen und wenn es weiter darunter verstanden, so offenbar genug Wörter. – Höherer Dual˖[ismus] XXL 3. – historische Zwischenfrage

    Zum Dual˖[ismus] in jenem ersten Sinn moral˖[ische] Freyheit und da nothwendig vorang. zeigen, inwiefern aus ihr folgend.

    Eigentlich erst damit die lezte Klarheit. Es würde nämlich XVII.b. 3. Zweytes

    Lezte Frage XIX 4)

    Im Begriff gegen das ewige Wesen

    Zweytes Buch

  • in: Wissenschaftliche Arbeit Schelling »Weltalter-Fragmente (NL 81)« (1813 - 1815). Text



    Nun scheint dieß den Meisten höchst widersinnig und allen Begriffen widerstreitend, daß das Daseyn Gottes gewissermaßen als ein gewordenes begriffen werden sollad IX. 2. Ehe wir aber diese Bedenken völlig auflösen, scheint nicht unförderlich zu seyn von andrer Seite her nämlich aus allgemein zugestandnen Begriffen den Erweis zu führen, daß das göttliche Daseyn wirklich nur auf solche und keine andre Weise zu begreifen ist.

    Alle stimmen überein: Gott sey Geist, (πνεῦμα ὁ ϑεός); ob aber alle die ganze Reinheit und Schärfe dieses Gedanken denken läßt sich zweifeln. Zwar die älteren Theologen lehren ausdrücklich, durch das Wort Geist werde Gott nicht in irgend eine besondere Classe von Wesen gesetzt, etwa in die der sonst so genannten Geister. Gott sey ein Geist über alle Geister, nicht ein Geist, sondern der Geist selber, gleichsam der geistigste Geist, reiner unfaßlicher Hauch; in sofern fällt die Geistigkeit Gottes mit der höchsten Einfalt seines Wesens zusammen.

    Dieser zufolge behaupten die Theologen ausdrücklich, es könne der lautern Gottheit nichts auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise beygelegt werden. Nicht gut sey (streng zu reden) die Gottheit, denn dieß laute so, als käme das Gut zu ihrem Seyn nur hinzu, aber es sey ihr Seyn selber, sie sey wesentlich gut als die Güte selbst. Auch nicht eigentlich ewig sey Gott, sondern selber seine Ewigkeit. Auch nicht bewußt; denn dieß hieße ihm das Bewußtseyn als etwas von ihm Verschiedenes zuschreiben, also annehmen es sey in ihm etwas auch nicht bewußt. Aber die Gottheit sey ganz und gar Bewußtseyn, das lautere Bewußtseyn selber. Auch nicht wirkend könne man die Gottheit eigentlich nennen; denn dieß setze in Gott auch ein nicht Wirkendes voraus; aber in Gott sey nichts Potentielles, er sey lauteres Wirken (actus purus), welches ebenso viel sagt, als es sey in ihm keine Möglichkeit zu, kein Verlangen nach Etwas, er sey ganz und gar Wille, Wille der nicht noch insbesondere will, sondern nichts als Wille ist.

    Von selbst versteht sich daß allen diesen Verneinungen, als da sind: Gott sey nicht gut, nicht ewig, nicht bewußt, nicht wollend, nicht frey, unmittelbar die entgegengesetzten beygefügt werden müssen, er sey ebenso wenig nichtgut, nichtewig, unbewußt, unfrey.

    Aber was von allen diesen Begriffen, muß nach der Theologen eigenen Lehre vorzugsweise vom Begriff des Seyns gelten, daß er der Gottheit nicht auf eine von ihrem Wesen verschiedne Weise zugeschrieben werden kann. Denn sie ist selbst ihr Seyn. (Est ipse suum Esse). Sie kann in sofern nicht seyend genannt werden, doch auch nicht nichtseyend. Sie ist also das an sich weder Seyende noch Nicht-Seyende.

    Wenn daher in dem sogenannten ontologische Beweis daraus, daß in Gott das Wesen auch das Seyn ist und das Seyn das Wesen, geschlossen wird, Gott sey ein nothwendig VIII)daseyendes Wesen, so ist der Schluß mit der Idee in Widerspruch; denn der Begriff des Seyenden schließt einen Unterschied von dem Seyn in sich, der eben in Ansehung der Gottheit verneint wird, wie nach einem alten Spruch das was das Seyn ist selber kein Seyn hat (Eius quod est Esse nullum est Esse); Gott an sich, Gott seinem Selbst nach ist kein nothwendig wirkliches Wesen, sondern die ewige Freyheit zu seyn.

    Es ist nur ein trauriger Beweis der unbegreiflichen Unwissenheit in den ersten Dingen, welche zu unsrer Zeit gerade denen eigen scheint, die auf’s Anmaßlichste davon reden, daß jene Idee von der Einheit des Wesens und des Seyns in Gott, als sie wieder geltend gemacht wurde, von Manchen bestritten worden ohne Ahndung, daß sie darinn die eigentliche Grundlage der Lehre von der Geistigkeit Gottes angriffen, ohne zu wissen, daß es ein uralter Satz ist, daß Gott weder ist noch nicht ist, oder in der andern wiewohl minder guten Wendung daß er sowohl ist als nicht ist, daß die Gottheit von jeher das Überseyende (τὸ ὑπερόν) genannt worden; ohne Scham, den Gegenstand des höchsten Begriffs das Nichts zu nennen (freylich im gemeinsten Sinn wo es das Nichtseyende bedeutet) in der Meynung ihn damit herabzusetzen, wie verschieden von jenem geistlichen Sinndichter, der den wahren Gedanken unvergleichlich ausgedrückt:

    Die zarte Gottheit ist das Nichts und Übernichts,
    Wer nichts in allem sieht, Mensch glaube, dieser sieht’s.

    Aber Wissenschaft und Gefühl fodern gleich dringend einen Gott, der nicht bloß ist weil er das Seyn selbst ist sondern der auch noch insbesondere auf eine von seinem Wesen verschiedene Weise da ist, der nicht bloß lauteres Wollen, Wirken, Wissen ist sondern auch ausdrücklich will, wirkt und weiß. Nun war dieß die Frage aller Zeiten wie die an sich ohnseyende Gottheit seyend geworden, oder wie man es auch sonst ausgedrückt (Offenbarung seiner selbst und Daseyn, wie recht ist, für Eins nehmend), wie die Gottheit sich geoffenbart; wobey wie es scheint das ganz Einfache und Klare übersehen worden, daß die nackte bloße Gottheit gar nicht sich offenbaren kann, daß die Frage schon, wie sie sich geoffenbart? voraussetzt, daß Gott erst in’s Verborgene zurückgetreten sey, da die lautere Gottheit freylich nicht offenbar aber ebensowenig verborgen ist.

    Nun konnte die Meynung der Frage niemals seyn, daß die Gottheit im Seyend-Seyn (welches eben das Daseyn ist) aufhöre, das an sich weder Seyende noch nicht Seyende zu seyn, lautrer Geist, ewige Freyheit. Die Meynung konnte nur seyn, daß sie eben als das an sich weder Seyende noch nicht Seyende dasey. Klar war nun zuerst, daß jenes, welches als das an sich weder Seyende noch Nichtseyende offenbar seyn sollte, nicht durch eigene Bewegung (freywillige oder unfreywillige) in das Seyn kommen konnte; denn sonst kam es nicht als das an was es ist, als das an sich Unseyende, sondern war in jener Bewegung schon wirkend d.h. seyend. Überhaupt aber konnte es nicht an oder in sich selbst sondern nur gegen Anderes seyend werden, das ihm das Seyn war oder nur in’s Seyn gebracht werden. Aber es ist nichts außer ihm; also konnte es nur sich selbst zum Seyn werden. Aber indem es zum Seyn wurde hörte es unmittelbar auf, das Seynlose zu seyn, wurde Natur es sank in Nothwendigkeit. Hier kann schlechterdings nur das Gesetz der Steigerung aushelfen, welchem zufolge die ewige Freiheit, als die ihrer Natur nach das Höchste, also auch immer das Höchste bleiben muß nicht zum Seyn (nicht Seyenden) werden konnte, ohne in demselben Act sich zum Seyenden, und folglich auch zum weder Seyenden noch nicht Seyenden zu steigern. Die deutliche Erkenntniß dieses Gesetzes ist eine Frucht unserer Zeiten, und es bleibt immer zu verwundern, daß da Viele so Vieles von der neuen (aber wahrlich sehr alten) Lehre entlehnt und nach allen Seiten hin, wohl oder übel, gewendet, gerade das Wesentliche und eigentlich Auszeichnende derselben, eben jenes große Gesetz so ganz bey Seit gelassen worden. Denn wenn man nur die alten Vorstellungen der Emanation und ähnliche erneuren wollte, war es fürwahr nicht der Mühe werth eine neue Lehre anzukünden. Es ist ein und dasselbe A (A0), das das Seyn (A=B), das Seyende (A2) und die über beyde erhabene Einheit ist (A3), obgleich diese darum nicht selbst einerley sind. Auch ist jenes lautre A0 noch nicht Gott zu nennen, denn unter Gott denken wir uns das an sich Seynlose das doch als solches ist, d.h. A3 sofern es A2 und A=B schon unter sich hat. Wir können es etwa mit einem von einigen Ältern entlehnten Ausdruck die Übergottheit nennen, oder die Lauterkeit, aus der Gott und was ihm das Seyn ist selbst erst hervortritt. Weil nun jener Begriff der Steigerung fehlte, so blieben von jeher nur zwey mögliche Erklärungen jenes Andern übrig, gegen welches Gott seyend oder das ihm das Seyn werden konnte, ohne daß er darum an sich aufhörte das Überseyende zu seyn. Der erste Weg war, dieses Andre gleichursprünglich mit Gott als ein andres, von ihm unabhängiges Wesen zu setzen. Der andere und weil jene alles zerreißende Zweyheit dem Menschen nimmer gefallen konnte, weit betretenere war der, daß das Andere, ohne Zuthun der lauteren Gottheit, sich selbst von ihr abgesondert oder von ihr ausgeflossen, wodurch sie also in ihrer Stille und Freyheit blieb. Hierauf kommen am Ende auch die theosophischen Systeme zurück; wie denn der Ursprung der Emanationslehre mir überhaupt jünger, als er gewöhnlich angenommen wird, und manches (früher oder später) erst zu diesem Sinn umgedeutet scheint, das ursprünglich wohl eine ganz andre Bedeutung hatte. Was nun außerdem etwa gelehrt worden, als etwa, daß Gott vor dem Beginn der Dinge Etwas, das nicht Er Selbst aber mit seinem Selbst verbunden gewesen (nach einigen gar Sich selbst) aus sich selbst herausgesetzt habe, ist so halb und scheint die eigentliche hier stattfindende Schwierigkeit so wenig zu ahnden, daß es keiner Widerlegung bedarf. In neueren Zeiten gab zu solchen Vorstellungen wie es scheint der Begriff des Subject-Objectivirens Anlaß, der allgemein falsch verstanden worden; nämlich als wäre erst Gott als Subject, der sich sodann für sich selbst zum Object mache. Grade umgekehrt, (nicht Gott aber) die ewige Freyheit muß erst (um in dieser Sprache fortzureden) Object (nicht Seyendes) werden, sich zum Object machen, um sich dadurch zum Subject und dadurch zu dem zu steigern, was weder Subject noch Object ist.

    IX)Aber auch der unter den Theologen geltenden Vorstellung scheint unbewußt oder doch stillschweigend das Gefühl zu Grunde zu liegen, daß in der Erklärung des Seyns außer Gott die Stille (Unbeweglichkeit) und Lauterkeit der Gottheit geschont werden müsse, damit sie, nun daseyend, nicht dasey als ein schon Seyendes, sondern als die ewige Freyheit zu seyn. Denn recht verstanden lehren sie, daß Gott Ursache alles Seyns außer ihm ist nicht durch eine ausdrückliche Handlung oder äußere Bewegung, sondern durch seinen bloßen, stillen ruhenden Willen. Dieser nun kann gedacht werden als ein nicht ewiger oder als ein ewiger. Das erste nehmen sie nicht an, denn damit würde in der lautern Gottheit ein Entstehen, ein Übergang von Nichtwollen zu Wollen angenommen. Sie lehren ausdrücklich die Ewigkeit dieses Willens. Wie aber dieses Wollen in der lautern Ewigkeit von Gott selbst unterschieden seyn solle ist nicht einzusehen, besonders da die Geistvollsten jederzeit gelehrt alles was in der lauteren Gottheit sey, sey selbst Gott und der Wille Gottes nichts anders als der wollende Gott selber. Die Wahrheit wäre also, daß Gott selbst und wesentlich jener ruhende Wille ist. Aber als solcher könnte er nicht die bewirkende, nur die Endursache des Seyns außer ihm seyn. In einem andern Sinn läßt sich auch nach unsrer Vorstellung von Gott (A3) nicht als Ursache reden. Das Seyn (A=B) und das Seyende (A2) alles was außer Gott da ist, mußte nur seyn, damit Er als die ewige Freyheit, als der an sich weder seyende noch nicht seyende (als A3) seyn könne. Weil aber die Endursache niemals die bewirkende ersetzt, müßten sie entweder annehmen, daß das was außer Gott da ist, jenen ruhenden, wesentlichen Willen, durch den es bedingt ist, vorausgesetzt, durch eigene Kräfte entstehe, sie müßten also einen (obwohl bedingten) Selbstursprung des außer Gott Wirklichen behaupten, (welches sie schwerlich möchten), oder sie müßten jene Erklärung durch Steigerung annehmen.

    Daran nun werden die Meisten durch den obigen Einwurf gehindert, daß nämlich hiernach das göttliche Daseyn als ein gewordenes gedacht werden müßte. Erst, würden sie sagen, war die unbedingte Einheit (A0); dann folgte die Geschiedenheit, da sie als das nicht Seyende offenbar, als das Seyende aber und Überseyende verborgen war, endlich nachdem Natur den Geist angezogen erst die aus der Geschiedenheit hergestellte Einheit = €\frac{A^3}{A^2=(A=B)}€, welche eigentlich erst das vollkommne göttliche Daseyn ist.

    Hierauf also ist die Antwort auf’s Kürzeste diese: der Fortschritt (Progressus) von der Ununterschiedenheit in die Geschiedenheit und von dieser wieder in die Einheit ist ohne alle Zeit; das Daseyn Gottes ist kein unlebendiges, stillstehendes, sondern ein lebendiges; jene Fortschreitung ist eine Geburt aber eine ewige Geburt Gottes.

    Dieser Erklärung nun stellt sich unmittelbar ein neuer Einwurf entgegen. Aber wie? Nach dieser Lehre nämlich ist Gott doch erst da, nachdem jenes erste Wirkliche (A=B) die in die Anfänglichkeit und Endlichkeit gerathene Natur, aufgegeben Seyendes zu seyn, und zum Seyn ersunken.

    Wir schärfen diesen Einwurf noch, indem wir das was er entgegenstellt noch weiter bestätigen und erklären. Allerdings ist dieses der Hergang: Indem jene erste Natur, welche das Seyende selbst, gleichsam das Männliche, zu seyn trachtete, sich dessen begab, und zum nicht Seyenden (Leidenden) gleichsam zum Weiblichen ersank, zog sie das wahrhaft Seyende (A2), das Männliche an, und veranlaßte so die ganze Geburt. Also: Gott ist offenbar nicht von Ewigkeit seyend, es geht dem seyenden Gott Etwas und zwar ein chaotischer widerspruchsvoller Zustand der früheren Natur voraus, der erst besänftigt, als Vergangenheit gesetzt seyn muß, ehe Gott wirklich da ist.

    Ganz richtigich k[ö]nnte antw˖[orten]: Wir erwarten aber noch eine h[ö]hre Offenb˖[arung] G[otte]s jetzt – auch jetzt ein chaotischer Zustand und doch thut es Gott nichts. Allein dieß trügliche Antwort, die fern von uns. Denn hier vom Daseyn G[otte]s˖ die Rede und zwar vom ersten Das˖[eyn] – von dem Daseyn, das ihm zugeschr˖[ieben] werden muß von aller Ewigkeit. Also: Allerd˖[ings] dem Das˖[eyn] Gottes jener Zust˖[and] als Verg˖[angenheit] zu Grunde, aber setzt nur hinzu als eine ewige Verg˖[angenheit] nun ist dieß alles; aber ich antworte: da Gottes Daseyn nur ein ewiges seyn kann, so muß jene Vergangenheit eben auch eine ewige Vergangenheit seyn, d.h. eine Vergangenheit, die der daseyende, lebendige Gott ewig in oder unter sich hat.

    Wenn aber dem so ist, wodurch freylich die Gestalt der Sache ganz verändert wird, warum mußte sie gleichwohl so vorgetragen werden, als wäre jene mit sich selbst streitende Bewegung, jenes Leben des Widerspruchs und der Angst, irgend einmal wirklich gewesen und also dem göttlichen Daseyn auch wirklich vorausgegangen?

    Hierauf also gereicht dieses zur Antwort. Nichts, auch nicht ein ewig Vergangenes, ist an sich selbst ein Vergangenes, es muß als ein erst seyendes gedacht werden, um als ein vergangenes begriffen zu werden. So hier. Wir müssen jenes Leben als ein gewesenes vorstellen, weil es in jenem Act, der das göttliche Daseyn begründet, wirklich als ein gewesenes begriffen ist; wir konnten es aber nicht als ein gewesenes vorstellen, ohne es als ein seyend gewesenes und demnach zuerst als ein seyendes vorzustellen. Also weil in jenem Act der ewigen Geburt dieses Leben wirklich als ein (obwohl ewig) vergangenes begriffen ist, so ist in ihm auch die ganze Folge von Vorgängen, das alles wirklich, nur simultan, inbegriffen, was wir, wollten wir anders den reinen geschichtlichen Weg, wandeln, nacheinander vortragen mußten. Gott Selbst (um uns auf’s schärfste auszudrücken) setzt im Act (in actu) seines ewigen Daseyns das als wirklich geschehen (vergangen), was wir als geschehen dargestellt.

    Was nun hieran noch unklar oder dunkel seyn möchte, wird sich, wir hoffen es durch folgende allgemeine Betrachtungen aufhellen.

    Von Nichts reden die Meisten mehr als von der Lebendigkeit Gottes; und doch scheint ihnen nichts unbekannter als der wahre Begriff des Lebens, nichts unerwarteter als die Gott zugeschriebene wirkliche Lebendigkeit.

    Kein Leben ist ohne gleichzeitiges Sterben. Im Act selbst, wodurch ein X)Daseyn gesetzt wird muß eins ersterben, damit das andere lebe, denn alles Seyende kann sich als solches nur über einem nicht Seyenden erheben. Im Augenblick, da ein organisches Leben entstehen soll, muß die Materie ihre Selbstständigkeit verlieren und dem eigentlichen Wesen zur bloßen Form werden.

    Kein Leben ist stillstehend; jede Art von Leben ist eine Folge und Verkettung von Zuständen, da je der vorhergehende Grund Mutter, gebärende Potenz des folgenden ist. So ist das natürliche Leben die Staffel zum geistigen; früher oder später kommt es an einen Punct da es nicht bleiben und doch auch von sich selbst nicht weiter kann und eines höheren bedarf, um über sich selbst gehoben zu werden. Das Naturleben im Menschen, wenn es die höhere geistige Potenz nicht finden kann, fällt derselben innern Unruhe und unsteten Bewegung anheim, die wir in der anfänglichen Natur erkannten; auch die Erde scheint ihre Gliederung den Einklang aller ihrer Kräfte und damit die letzte Beruhigung erst gefunden zu haben, nachdem sich das Natürliche in ihr bis zur Berührung mit dem Geistigen im Menschen erhoben.

    Aber auch im natürlichen Leben für sich findet sich eine solche Folge, da immer der vorhergehende Zustand in dem folgenden zur Vergangenheit wird. Die Gesundheit und Vollkommenheit des Lebens beruht nur auf der Stetigkeit der Fortschreitung, der ungehinderten Folge der Potenzen und wie alle Krankheiten Folge gehemmter Fortschreitung (Entwickelungskrankheiten) sind so alle Mißgeburten nur Folge der unterbrochenen Steigerung. Denn kann die Natur die sie in’s Höhere verklärende Potenz nicht finden, so muß sie wohl, weil der Trieb des Fortschreitens nicht aufhört, da sie nicht bleiben und doch auch nicht weiter kann, in ein misgeformtes Leben ausschlagen.

    Fortschreitung, Verkettung sich folgender Zustände; dieß ist wesentlich zu allem Leben. Auch im göttlichen Leben ist Bewegung; die Frage ist nur wie es sich in dieser Beziehung von allem andern Leben unterscheide?

    Vorzüglich also dadurch, daß jene Folge und Verkettung im menschlichen Leben auflöslich, im göttlichen unauflöslich ist. Das göttliche Leben ist in einer unaufhaltsamen Fortschreitung und Bewegung. Die Wege des Herrn sind gerecht wie die Schrift sich ausdrückt, d.h. gerad’ aus fortschreitend. Alles Rückgängige ist gegen seine Natur. Darum kann er jenes in einem beständigen Cirkel umlaufende Leben nur als ewige Vergangenheit setzen.

    Es ist eine wundersame Stelle Plato’s im vierten Buch von den Gesetzen, die bis jetzt kaum verstanden worden, und in der man wohl einen Strahl feiner, fremder Wahrheit erkennen muß, dergleichen viele einzeln durch seine Werke leuchten; er selbst nennt es ein von altersher überliefertes Wort »Gott Anfang, Mittel und Ende der Dinge in sich begreifend, dringt geraden Weges durch, da er seiner Natur zufolge umwandelet.« Mit andern Worten, Gott überwindet ewig die Nothwendigkeit seiner Natur, indem er die umdrehende Bewegung derselben in eine grad’ ausgehende verwandelt.

    Die Auflöslichkeit des Lebens oder die Möglichkeit, daß der Übergang von der niedern in die höhere Potenz gehemmt oder gar aufgehoben wird, ist die Ursache der Krankheit, und des natürlichen wie des geistigen Todes. Darum heißt Gott der allein Unverderbliche und der allein Unsterblichkeit hat.

    Ein zweyter Unterschied ist, daß jene Folge in Gott eine wirkliche doch darum keine in der Zeit vorgegangene ist. In einem und demselben Act (dem der ewigen Geburt) wird a=b als das Vorhergegangne von a2, a2 als das Vorhergegangne von a3 und so wieder das ganze (1. 2. 3.) = (A=B) als das Vorhergegangne vom A2 gesetzt; d.h. es wird in der Ewigkeit selbst eine Folge von Zeiten inbegriffen. Die Ewigkeit ist keine leere, abgezogne, Ewigkeit, sondern die die Zeit selbst unterworfen enthält.

    Wollen wir uns wirkliche Ewigkeit denken, so können wir dieß nicht mit glänzlicher Ausschließung aller Zeitbegriffe. Denken wir uns wirkliche Ewigkeit, so denken wir uns auch ein ewig Gewesenes, ein ewig Seyendes, und eines, das ewig seyn wird (deß Seyn nie ganz erschöpft ist.

    In einer andern Wendung können wir auch sagen: Jenes wilde sich selbst verschlingende und wiedergebärende Leben ist die Ur-Zeit, die Zeit die der Gegenwart Feindin (aemula) und Gegensatz ist.

    Die wahre Ewigkeit ist nicht die, welche die Zeit in diesem Sinn ausschließt; wirkliche Ewigkeit ist die die Zeit überwindet; daher die sinnvolle hebräische Sprache Sieg (den sie unter den ersten Eigenschaften Gottes begreift) und Ewigkeit mit Einem Wort (נצח) ausdrückt.

    Der lebendige Gott muß in sich eine Vergangenheit haben, als der ewige Überwinder, und der, nicht wie heutzutage gelehrt wird, ohne Anfang und Ende, sondern selber der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte ist; der seine Ewigkeit selbst so ausspricht: Ich bin, der da ist, der da war und der da kommt, ein Wort das viel zu seicht ausgelegt wird, wenn man es, wie jetzt gewöhnlich als eine Aufhebung aller Unterscheidungen erklärt. Wäre dieß der Sinn, es müßte wohl so lauten: Ich war, ich bin und ich werde seyn, der da Ist. Der umgekehrte Ausdruck zeigt deutlich, daß wirkliche Unterscheidungen gemeynt sind, eine wahre Vergangenheit, eine eigentliche Gegenwart, eine wirkliche Zukunft; nur daß ein und derselbe der ewig Gewesene, der ewig Seyende und der ewig Kommende ist. (Das ewig Gewesene von Gott ist jenes anfängliche mit sich selbst streitende, zwischen Seyn und Nichtseyn ringende Leben, das in ihm nur als eine ewige Vergangenheit aber als solche doch wirklich gesetzt ist.) Gott ist der, der verzehrendes Feuer war; doch indem er es in sich gedämpft enthält, enthält er es als das, was er war, was er nur in der Vergangenheit noch ist. Seine ewige Gegenwart, das ewig Seyende von ihm ist der Geist, der die Natur (A=B) an sich gezogen. Aber als der, der über Natur und Geist als ewige Freyheit aufgeht, (als A3) ist er, der da kommt; denn er ist offenbar aber nicht als der schon offenbare sondern als der noch verborgene; er ist seyend aber nicht als der schon Seyende sondern als die ewige Freyheit zu seyn, also als der der da kommt.

    Nur so bewußtseyend Ewigkeit.

    So bestehet also das Daseyn der Gottheit wirklich in einer ewigen Geburt, und es bedarf nun wohl kaum der ausdrücklichen Erwähnung, daß die in das Seyn (oder nicht Seyende) und die Endlichkeit gekommene ewige Freyheit das wahre Wesen der ganzen äußeren Natur sey, die wir ja nach ihrem ganzen Leben und Weben Thun und Treiben für nichts anderes halten können, als für ein im Selbstanblick gefangenes, wie verzaubertes und unaufhörlich nach Freyheit ringendes Wesen. Wenn dieses Wesen sich erkennt, als das nicht selbst das Seyende seyn soll, sondern nur Grund von Seyn, macht es dem wahren Wesen Raum sich zu offenbaren und wird dadurch Ursache der ewigen Geburt, d.h. der Geburt die nicht einmal, sondern die immer war und auch noch jetzt geschiehet und nie aufhören wird zu geschehen. Es ist Ursache dieser Geburt nicht durch Wirken oder Thun, sondern durch nicht Wirken oder daß es seine Selbstwirkung aufgibt. Also macht es sich auch bloß zur werkzeuglichen d.h. eben zur gebärenden Ursache des Höchsten, und umgekehrt nur dadurch bringt es das Überseyende in’s Seyn, daß es sich zum bloßen Werkzeug macht.

    Das verborgene Wesen der Natur ist wohl auch von demselben Wesen (A0) von welchem Gott ist, aber es erkennt sich nicht für den seyenden Gott; es ist das ewig abgewendete Antlitz Gottes; es ist nicht in sich sondern nur gegen das Höhere nicht seyend. Was aber seyend in sich gegen Anderes nicht seyend wird, verhält sich als Vergangenes. Also jenes abgewendete, unerforschliche Antlitz ist die ewige Vergangenheit Gottes.

    Indem es nun aber zurücktritt, läßt es auch jene Lebensgestalten frey, die zwar immer untrennlich seyn müssen, denn sie sind wie Kinder Einer Mutter (des einen A=B) und kann keine einen Augenblick seyn ohne die andre, aber aus dem wilden Streit in den sie vorher durch jenes verborgene an sich ziehende und dadurch treibende Feuer gesetzt worden, treten sie in friedlichen Gegensatz, da sie sich wechselseitig Hülfe und Ergänzung werden können, und um es mit einem Wort zu sagen, in das ihrer Natur zukommende organische Verhältniß. Wenn in einer Krankheit das widernatürliche wirkend oder offenbar gewordene Feuer wieder in’s Verborgene zurücktritt, und die XI)Kräfte wieder frey läßt, die es zu einer falschen Einheit verbinden wollte