Indem wir nun anfangen zu philos˖[ophiren], setzen wir auch schon die Existenz der Final-Einheit – eben der urspr[ü]nglichen die in unsrem Bew˖[ußtseyn] zwangsweise ist – voraus, so daß wir statt der fremden Einsicht, der unfreyen, die in jener nothwendigen auf uns liegt, nun die eigne suchen, die freye
Unstreitig setzen wir im Anfang des Philos˖[ophirens] jene Final-Einheit auch ausdrücklich als vorhanden voraus und Unsinn wäre, ohne dieß philosophiren zu wollen.
Wir giengen also wohl auch über jene schon vorhandene Final-Einheit nicht hinaus. Wir wären schon formell darinn, und suchten nur materiell erst darein zu kommen. Unsre Bewegung gienge schon ganz in der bereits vorhandenen FinalEinheit vor,*)
Könnte man so sagen:
Es ist gleich uranfänglich ein zu setzendes – das sich nicht selbst setzen kann*)
Eben in jener Region sind die Gesetze des rein geistigen Setzens auch die unm˖[ittelbaren] Gesetze des Seyns und umgekehrt.
Das erste ist A das nicht einmal wirklich =A gesetzt werden kann denn sonst müßte in ihm noch ein andres =X seyn, das =A gesetzt werden könnte – denn es ist nicht verschieden von sich selbst. Hier ist das rein tautologische, A+A+A+A in’s Unendliche.
Dieses A darf und kann sich nicht verändern, daß man so etwa setzen könnte A=B, denn da wär’ es nicht mehr =A, das =B wäre. Es muß für sich s˖[elbst] =A bleiben, von dem schlechterdings nichts auszusagen, das nichts ist. (Wenn es Ist, so ist es auch Etwas, und wenn es Etwas ist, so ist es auch) Es ist von ihm nicht einmal ein Urtheil (Ur-theilung) möglich – absolute Inhibition alles Urtheils – Versagung aller Bewegung. Es ist nur Leere, Mangel – wieder aber Reichthum.
was war, was ist und was seyn wird
. Noch aber ist die Wissenschaft der Vergangenheit nicht gefunden; mit schweren Zweifeln ringt jeglicher Begriff von ihr und da kein gleichzeitiges Wort oder Zeugniß vorhanden ist, so kann sie nur durch Schlüsse Beglaubigung finden und aus dem, wie es ist, zu zeigen suchen wie es war. Nicht Erzähler sind wir, sondern Forscher, abwägend das Für und das Wider jeglicher Meynung bis zur gänzlichen Entscheidung, und bis die rechte feststeht, unzweifelhaft, für immer gewurzelt.
Doch Eines ist mir völlig klar: das Dunkelste müsse nothwendig das Älteste seyn, deßwegen haben vorzeiten einige gesagt: das Chaos sey zuerst, andre aber, die Nacht. Darum sag ich kühn: von allen Dingen das älteste sey das Seyn, zerstreuend jeglichen Zweifel der diese Wahrheit umhüllt. Denn zuerst entsteht die Ungewißheit, ob wohl auch selber seyn könne das Seyn oder ob es vielmehr auf keine Weise seyn könne? Denn entgegengesetzt ist ja wohl das Seyn dem, das da ist, oder dem Seyenden, und also seinem Begriff nach das Nichtseyende. Nimmer mehr aber kann doch Nichtseyendes seyn
, wie schon Parmenides sagt.
Ebenso wahr ist aber auch, daß nur Seyendes erkannt werde; auf keine Weise aber Nichtseyendes erkennbar sey. Daher einige auch aufgestanden sind, welche sagen, das Wissen bestehe im Nichtwissen, und nur nicht wissend erkennen wir das Seyn. Andere aber das Seyn ganz geläugnet haben, um doch das Beschwerliche hinwegbringen, und das Unverständliche ganz aufgelöst in Verstand, in Vorstellung, oder auf welche Art es sey, in Seyendes.
Aber schon vor Zeiten hat der göttlichste der Philosophen gezeigt, wie nothwendig auch das Nichtseyende sey und also erkannt werde; und wie ohne diese Erkenntniß überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Unwahrheit nicht zu trennen sey
. Nun also wie es sey, wollen wir uns zu zeigen bemühen. Das Nichtseyende ist; aber als ein Nichtseyendes, nicht als bloße Verneinung, sondern als bejahender Gegensatz von ihm; nicht eine bloße Beraubung von Licht, sondern als thätiges Widerstreben gegen das Licht, als wirkendes Dunkel; als stetes Zurückstreben in die Verschlossenheit und Verborgenheit. Es ist nicht ein Begriff- und Erkenntnißloses, sondern ein sich thätlich aller Erkenntniß und allem Begriff Widerstehendes; aber eben durch diesen Widerstand Erkennbares. Es ist unfaßlich, so weit und inwiefern es ein Nichtseyendes ist, inwiefern es aber als dieses ist, also ein Seyendes ist, in sofern ist es erkennbar. Das Seyende und das Nichtseyende in ihm sind nicht zwey, sondern einerley; es ist als dieses auch jenes, und als jenes dieses. Wird es als Nichtseyendes überwunden so wird es nicht vernichtet, sondern ist ein und dasselbe Seyende was es auch zuvor war, nur mit dem Verlust der Eigenschaft eines Nichtseyenden.
Diesem Seyn oder Nichtseyenden ist von Ewigkeit zum Widerstand gesetzt das Seyende, welches wir auch den Geist oder das Denken nennen können, und das beständig die Aufhebung des Nichtseyenden als eines solchen oder seine Verwandlung in ein Seyendes zu bewirken strebt. Wie aber das Nichtseyende in sich selbst nothwendig auch ein Seyendes seyn mußte, eben um Nichtseyendes zu seyn; so muß ja das Seyende, um Seyendes zu seyn, auch ein Seyn und also ein Nichtseyendes in sich verborgen haben, das hervortreten kann und offenbar werde aus ihm ebenso wie das Seyende aus dem Nichtseyenden.
Diese beyden, Seyendes =A und Nichtseyendes =B sind sich also innerlich oder dem Inhalte nach gleich, indem ein jedes von ihnen die nämlichen Uranfänge (A=B) enthält. Der Unterschied aber ist, daß in dem einen das Nichtseyende, in dem andern der Geist das Offenbare und Wirkende ist und der Geist dagegen in jenem, das Nichtseyende in diesem das Ruhende und Verborgene. So liegt im Tage die Nacht verborgen, und überwältigt durch den Tag und bricht aus ihm hervor, wenn jene Überwältigung aufhört; ebenso der Tag in der Nacht. So liegt das Leben im Tod verschlossen; denn auch vom Tode ist falsch, was gesagt wird, daß er nicht sey; er ist eine wirkliche Macht, die das Leben in sich unterdrückt enthält. So liegt im Guten das Böse nur überwunden durch das Gute; und hinwiederum das Böse im Guten nur niedergehalten und seiner Offenbarung beraubt durch das Gute.
Diese innerliche Einheit beyder haben wir zum Unterschied einer bloß förmlichen die wesentliche oder auch die vollkommne genannt. Einige aber meynen, daß Seyendes und Nichtseyendes zusammenhangen, und daß hier Einheit mit Zusammenhang verwechselt sey
. Aber wir läugnen hier vielmehr allen Zusammenhang. Denn wie sollten doch zwey gegenseitig sich Widerstehende zusammenhangen durch denselben Grund, vermöge dessen ein jedes für sich zu seyn fähig und sein eignes Wesen zu seyn fähig ist, vermöge desselben Grundes also durch welchen sie auch vollkommen getrennt seyn könnten.
Dieses jedoch verhindert nicht, daß wenn gefragt wird, wessen Natur vorzüglicher sey die des Seyenden oder Nichtseyenden, ein jeder antworten wird die des Seyenden und also das Nichtseyende erklären als das Geringere und Untergeordnete, das Seyende als das Höhere und Obere. Denn das Seyende ist doch das sich selber Bejahende; das Seyn aber wie es scheint nur das Bejahende des Seyenden; oder wie es die Logiker ausdrücken, jenes sey das Subjekt dieses das Prädikat. Nothwendig aber muß das Prädikat unter dem Subjekt stehen und ihm unterworfen seyn.
Weil aber der Sinn nicht der seyn kann, daß in dem einen bloß Bejahendes in dem andern bloß sich selbst Bejahendes sey, sondern daß in jedem beydes nur in verkehrtem Verhältniß sey: so haben wir geglaubt dieses noch
Ohnerachtet aber dieser Unterordnung ist, wenn es auf das Seyn zwischen beyden kein Unterschied; denn sowohl denn das Nichtseyende ist, als das Seyende; in jedem liegt dieselbe Kraft und so zu sagen das gleiche Recht zu seyn; und das Nichtseyende ist als Niedrigeres dem Höheren gleich.
Kämen nun beyde nie in der Wirklichkeit zusammen, so würde es bey dem Verhältniß ihres Begriffs bleiben, wornach das eine das Höhere, das andre das Niedere ist. Kommen sie aber in dem nämlichen wirklichen Wesen zusammen, so daß ein Streit um das Seyn zwischen beyden entsteht: dann ist es unmöglich, daß eines dem andern weiche, oder wo es das Seyn gilt eines dem andern unterliege, sondern grad gegeneinander wirkend, werden sie in beständigem gegenseitigem Ringen seyn, worinn abwechselnd jetzt das eine jetzt das andre siegt, jetzt dieses jetzt das andre unterliegt.
Unvermeidlich aber ist, daß sie nicht in Einem Wesen zusammen. Denn nothwendig existirt das Göttliche. Zu dem Göttlichen aber gehört alles, so wohl das Seyn als das Seyende. Denn wäre außer ihm ein Seyn, so wäre sein Seyn nicht das alleinige unbedingte, unendliche Seyn. Wäre aber ein Seyendes außer ihm, so wäre ein Geist oder Erkennendes außer ihm, zu dem es sich als Seyn d.i. als Nichtseyendes verhielte. Durch die Nothwendigkeit seiner Natur also und kraft der Unmöglichkeit die in ihm ist, nicht zu seyn, ist das Göttliche des Seyenden und des Nichtseyenden Band oder Vereinigendes.
Doch auch hier muß erst der Irrtum hinweggeräumt werden, damit die Wahrheit erscheine. Denn das Seyende und Nichtseyende werden nicht erst vom Göttlichen erschaffen oder hervorgebracht, wie viele meynen, sondern sie sind so ewig wie das Göttliche. Werden beyde zusammen der Gegensatz, das Göttliche aber die Einheit genannt, so ist der Gegensatz so unbedingt und ewig als die Einheit; keines wird durch das andre gesetzt, nicht der Gegensatz durch die Einheit, noch die Einheit durch den Gegensatz. Zwischen beyden ist völlige Gleichheit, oder der Gegensatz für sich ist das was die Einheit, und die Einheit für sich das was der Gegensatz ist. Ein solches Verhältniß der Gleichheit schließt das einer gegenseitigen Voraussetzung in sich. Die Einheit setzt den Gegensatz voraus, weil sie ja als Einheit auch nicht seyn könnte, ohne Seyendes und Seyn d.h. Nichtseyendes zu seyn. Hinwiederum aber setzt der Gegensatz – als Gegensatz, indem jedes der beyden für sich gar wohl seyn könnte – um zu seyn die Einheit voraus, indem er als Gegensatz nicht seyn könnte, ohne Seyendes und Seyn in einem Wesen zu seyn. (NB. mit jedem einzeln verglichen)
Da sonach der Gegensatz der Einheit gleich, ebenso unbedingt und ewig ist, wie sie, so ist offenbar, daß die Einheit nicht den Gegensatz aufzuheben, also etwa die Eigenheit eines jeden der beyden, des Seyenden und des Nichtseyenden, durch die des andern vertilgen
Allein wir können auch nicht sagen: das allem Vorausgesetzte ist als eine lautere Freyheit zu seyn. Denn dieses als drückt ein schon Herausgesetztes (expositum) aus, das Herausgesetzte aber fodert ein es Heraussetzendes (exponens) und dieses selbst. Wenn es als die lautere Freyheit seyn sollte, so müßte etwas seyn, das es
Hier stoßen wir also auf die Schranke des Fortschreitens, hier muß das Wissen innehalten und stillstehen, was die Meisten nicht begreifen und darüber den Anfang verlieren. Dieß ist der Punct, den die Meisten fliehen, weil sie nur den Abgrund sehen, in den sie zu stürzen scheinen, ohne den Weg, der sie wieder herausführt; dieß die dunkle, enge Pforte der Wissenschaft, die eben darum wenige finden.
Wir können das Erste nicht setzen als lautere Freyheit zu seyn und als solche seyend, noch als seyend und in der Freyheit zu seyn. Es ist darum auch nicht genug das Erste nur zu setzen, als das Seyende selbst, als lauteres Seynkönnen, als ewige Freyheit zu seyn, wir müssen die Bestimmung hinzufügen, daß es nicht als solche seyend ist, d.h. wir müssen es mit einer Beraubung setzen.
Diese Beraubung bezieht sich nicht auf jenes innerliche nicht seyend Seyn, als welches vielmehr die höchste Bejahung (Position) ist, sondern auf das äußerliche oder darauf daß es nicht als das innerlich nicht Seyende seyend ist.
Dieses äußerlich nicht-seyend-Seyn hat auch wirklich die Natur einer bloßen Beraubung, d.h. es setzt nur nicht, daß das Erste seyend, aber es setzt nicht, daß es nicht seyend sey. Das Erste ist in der Beziehung des äußerlichen Seyns weder ein Ja noch ein Nein, sondern ein bloßes Nicht. Gleichwie es innerlich sich weder gibt noch versagt, sondern ein gänzliches sich Lassen, eine völlige Gleichgültigkeit (Indifferenz) ist von Seyn und nicht Seyn, so ist es auch äußerlich nur nicht das, das seyend ist, ohne das zu seyn, das nicht seyend ist.
Der Sinn des nicht in jedem Urtheil ist überall ein ganz verschiedener je nachdem er sich auf das Vorangehende oder Folgende oder auf das Band bezieht. Weil dieß nun nicht bekannt genug aber für die ganze Folge wichtig ist, wollen wir so sehr es zu den Anfangsgründen gehört, diesen Unterschied erklären, und die Art, wie wir in jedem verschiedenen Falle uns ausdrücken werden, genau bestimmen, damit jeder wisse woran er sey. Denn in der deutschen Sprache entsteht wegen der gleichförmigen Stellung des nicht welche die Unterschiede fast bloß durch den Accent der Rede bemerklich machen läßt eine Mehrdeutigkeit, die in der Griechischen und wenigstens im barbarisch-Lateinischen leicht vermeidlich ist.
Wenn wir urtheilen: dieser Mensch ist nicht gerecht (οὔκ ἐστι δίκαιος, non est justus): so drückt schon der auf gerecht gelegte Ton aus, daß das nicht hier nicht zum Ausgesagten gehöre, sondern nur zur Aussage selbst oder zum Mittel. Der Sinn ist, daß das Gerecht-Seyn von ihm nur nicht ausgesagt werden könne, ohne daß es darum verneint, oder das gerade Gegentheil ausgesagt werden könnte. Es ist nur kein zureichender Grund da zur bestimmten Aussage dieses Begriffs d.h. es fehlt dem Menschen selbst nur an der entschiedenen Bestimmung des Gemüths, mit der Gerechtigkeit gesetzt wird, indeß es ihm vielleicht eben so sehr an Kraft fehlt zur entschiedenen Ungerechtigkeit. In diesem Urtheil wird also ein bloßer Mangel (defectus) ausgedrückt; es ist ein bloß beraubendes Urtheil (judicium mere privativum). In dem Urtheil: dieser Mensch ist nicht gerecht (ἐστι μὴ δίκαιος, est non justus) wird nicht behauptet, daß er nur kein Solcher sey, von dem das Gerechtseyn ausgesagt werden könne, sondern wird behauptet, er sey ein solcher, von dem das Gerechtseyn nicht auszusagen sey. Das nicht bezieht sich hier auf das Ausgesagte selbst. Es wird nicht wie im ersten Urtheil bloß die Bejahung geläugnet sondern es wird das zu Bejahende verneint. Freylich ist in diesem Menschen auch ein Mangel, aber dieser Mangel hat seinen Grund nicht bloß in der fehlenden Bestimmung zum Gerechtseyn, sondern in einem gegenwirkenden Princip, welches das Gerechtseyn (das zu Bejahende) hindert, ob es gleich nicht nothwendig das Gegentheil hervorbringt. Dieses Urtheil ist also allein ein verneinendes (judicium negativum s˖[ive] remotivum).
In dem Urtheil endlich: dieser Mensch ist nicht gerecht oder ungerecht (ἐστὶν ἄδικος, est injustus) wird nicht der bloße Mangel eines zur Gerechtigkeit bewegenden, auch nicht das bloße Daseyn eines der Gerechtigkeit entgegen wirkenden Princips behauptet. Soweit ist klar, daß die Verneinung hier im Subject selbst gesetzt ist; was aber damit gesagt sey, liegt nicht an der Oberfläche. Folgendes also möchte den Aufschluß enthalten. Im ersten Urtheil ist ein bloßer Mangel an Bewegung; das Subject reicht nur nicht in die Sphäre des Prädicats, es ist weder Anziehung noch Abstoßung; das nicht drückt eine bloße Kluft (hiatus) aus. Im zweyten ist Bewegung; das Subject vielmehr es zieht sich zurück tritt über und stößt das Prädicat aus oder ab (daher judicium remotivum), wobey dieses übrigens unverändert und in sich selbst unverletzt bleibt. Im dritten ist ebenfalls Bewegung aber im entgegengesetzten Sinn. Hier ist im Subject eine das Prädicat ausstoßende anziehende, aber im Anziehen verzehrende und in’s Gegentheil umwandelnde Kraft. Dort (im bloß verneinenden Urtheil) war die verneinende Kraft noch immer äußerlich, bloß auf das Prädicat wirkend und es abhaltend. Hier ist sie innerlich, eine dem Subject selbst einwohnende und das Prädicat aufhebende Kraft. Diese Art von Urtheil allein sollte man daher das aufhebende (judicium tollens) nennen.
Am Rand in Klammern Potenzen: A0, +A und +A0
Von der ersten Art des bloß beraubenden Urtheils also ist dieses, wenn wir sagen: das Erste ist das Seyende selbst, das aber das dritte Princip setzt (als das dritte weil es die beyden andern als die höheren voraussetzt)
, und über das er äußert, Alle träumen von demselben, Keiner aber sage es offenbar
. Wir, der Folge der Natur nicht der Begriffe nachgehend, müßten es das erste Princip nennen; allein es ist vielmehr das, was das Erste zum Ersten macht. Denn nur darum ist es das Erste, weil es mit einem Mangel gesetzt ist. Nicht durch das, was es ist, kann es der Anfang seyn sondern nur durch das, das es nicht ist. Nur ist dabey noch nicht an äußeren, sondern an ewigen und inneren Anfang zu denken.
Erst nach dieser Bestimmung kennen wir ganz die Natur und den Werth des Vorausgesetzten, nämlich, daß es jenes Princip ist, von dem die Alten sagen, es werde weder als seyend erkannt noch als nicht seyend. Nicht als dieses; denn erkennbar ist alles nur, inwiefern es ein Seyendes ist. Sich kundgeben, offenbaren, und seyend werden ist Ein Begriff. Als das nicht Seyende ist es im
Gelassenheit fäht Gott
, sagt ein geistlicher Sinndichter des .
Gott aber selbst zu lassen
Ist ein’ Gelassenheit die wenig Menschen fassen
Es gehört unsäglich mehr Selbstverläugnung und Entäußerung dazu der Wahrheit auf den Grund zu kommen als jene eigenliebige Gemüther sich vorstellen. Wer sich scheut, das zu setzen, oder zu bekennen daß er das setze, darinn Liebe, Leben, Persönlichkeit kurz alles untergeht, was er sonst am meisten begehrt, ist wenig fähig der Wissenschaft von Gott und göttlichen Dingen. Wer Gott finden will, muß ihn erst auch aufgeben können, das ist die größte Verläugnung, die aber schlechthin geübt werden muß. Wer
Nun aber fragt sich: Was ist denn das für ein Zustand, da Gott nicht ist. Ist denn nun etwa gar nichts gesetzt? Keineswegs! Es ist nur nicht Gott gesetzt als seyend. Was ist denn also gesetzt, oder was ist Das, das gesetzt ist, an sich und ohne Beziehung auf Gott? Wir wissen: es sey eben das, das in Gott (wenn Gott ist) seyend ist. Also ist es wohl überhaupt ein nicht Seyendes und doch auch kein schlechthin Nichtseyendes. Also Nichts und doch nicht Nichts? Wer kann solche Rede verstehen?
Harre eine kleine Weile, lieber Leser, und du wirst verstehen. Frage nur dich, was denn dein eigenes Ich war, eh’ es sich selbst gefunden und empfunden? Antwort: es war Nichts und doch nicht Nichts. Nichts, weil sein Seyn (als Ich) erst im sich selbst finden anging, und doch nicht Nichts, weil es doch seyn mußte um sich selbst zu finden. Ein lautrer Wilnicht sofern er wirklich will sondern sofern er nicht will, und nichts als der nackte bloße Wille selbst ist, ist Nichts und doch nicht Nichts. Er ist Nichts, weil er nicht will, nicht Nichts weil er jeden Augenblick wollen kann. Er ist nicht wirkend und nicht nichtwirkend sich dem Wirken entgegensetzend, also auch weder seyend noch nicht seyend. Es ist von ihm schlechthin nichts weder zu bejahen noch zu verneinen. Er ist weder gut noch bös, weder streng noch mild, nicht scharf und doch auch nicht sanft, und so von allem möglichen Entgegengesetzten weder das eine noch das andre und doch nicht Nichts.
Ein solches Nichts also, nämlich ein lautrer, bloßer Wille, ein Wille, der nicht will, sondern eine reine Freyheit und Gleichgültigkeit gegen Alles ist, gleichsam das reine Feuer, der stille Brand des Wollens selber, ist auch das, was wir vor Gott setzen müssen, dieses ist das wahrhaft Älteste, das was schlechthin ohne Anfang und Ende ist. Dieses ists, das wir nicht sehen, weder mit Gott noch ohne Gott. Nicht ohne Gott, weil es nur in Gott seyend wird, nicht mit Gott, weil es in Gott schon verborgen und vom Leben gleichsam überdeckt ist. Das ist das Unnahbare in Gott,
Wie verkehrt urtheilt doch die Menge, auch in wissenschaftlichen Sachen. Sie will, daß Gott ein stillstehendes Wesen sey, ohne Bewegung und Werden. Nur ein solches stillstehendes Wesen ist aber jene Lauterkeit. Nimmst du also die Bewegung hinweg, so bleibt nichts als diese. Aber ist denn diese für sich Gott? Wenn sie Gott ist, warum schilt man die Gottesläugner, die nichts als eben diese setzen. Spinoza z.B. kennt dieses nackte bloße Wesen recht gut, und wenn seine Lehre Gott nicht kennt, so ist es eben darum, weil sie die lebendige Bewegung nicht kennt.
Unser Vorhaben ist nun allerdings, jenes ewige Leben zu beschreiben, d.h. zu beschreiben, wie dieß Nichts, das doch nicht Nichts ist, ewig seyend d.h. Gott werde. Von dieser Bewegung wissen wir nun strenggenommen nichts voraus, auch nicht einmal, daß jene Lauterkeit, seyend, Gott ist. Nur das wissen wir voraus und das muß festgehalten werden, daß die Bewegung einmal anfangend nicht stillsteht, bis jenes an sich weder Seyende noch Nichtseyende, eben als solches seyend, das Nichts als solches Etwas ist, ist. Daß dieser Proceß durch Grade oder Stufen geht können wir voraus vermuthen, aber nicht wissen. Doch sehen wir es gleich mit den ersten Schritten auf diesem Weg.
Die erste Frage ist also natürlich die: Wie kann ein an sich selbst Seynloses überhaupt seyend werden? Es gibt nur Eine Antwort auf diese Frage, da es in sich selbst weder seyend noch nichtseyend ist und in sich selbst auch nie seyend werden kann (denn nichts kann seyend werden auf Kosten und gleichsam mit Verlust dessen was es ist). So kann es überhaupt nur gegen ein Anderes seyend werden, und zwar nur gegen ein Solches, das ihm das Seyn ist. Es sey das an sich Seynlose seinem Wesen nach =A, so ist die Bestimmung des seyend Seyns etwas über sein Wesen zu ihm Hinzukommendes, das seyende Seynlose also =+A. Da aber dieses Plus nicht durch eine Veränderung seines Wesens entstehen kann, da es an sich immer das Seynlose bleiben muß, so ist offenbar daß es nur durch etwas außer ihm zu ihm hinzukommen kann, daß es nur im Verhältniß gegen ein Anderes in’s seyend Seyn, in +A, erhöht werden kann. Dieses Andere dann, gegen welches sie seyend ist muß sich natürlich zu ihm als das Seyn und in sofern als das nicht Seyende verhalten. (-A)
Wir nehmen sogleich diesen Begriff (des nicht Seyenden) auf, und bemerken vorerst nur, daß es in ganz anderm Sinne das nicht Seyende ist als jenes an sich Seynlose. Denn diesem war es keine Beraubung, nicht seyend zu seyn, denn es war überhaupt außer allem Seyn. Das nicht Seyende, dessen Begriff sich hier eingefunden, liegt aber schon in der Sphäre des Seyns, da auch ein Seyendes ist, und verhält sich da als das, das nicht das Seyende ist. Doch ist das nicht-das-Seyende-Seyn an ihm auch nicht mehr als bloße Beraubung, nicht Verneinung. Es ist nur das was nicht das Seyende ist, aber darum keineswegs das Nichtseyende.
Die deutsche Sprache bietet für die Bezeichnung der hier stattfindenden Unterschiede bequeme Mittel dar. Wenn wir von einer Sache sagen, sie ist nicht glaublich, so drücken wir damit nicht mehr aus als daß ein bestimmter Grund mangelt sie zu glauben. Hier ist eitel Mangel und Beraubung, keine Verneinung. Sagen wir aber »sie ist nichtglaublich« so ist der Sinn, daß ein bestimmter Grund vorhanden ist sie nicht zu glauben. Hier ist entschiedene Verneinung. Sprechen wir dagegen: sie ist unglaublich, so heißt dieß, sie ist über allen Glauben hinaus, es ist bey ihr weder von Glauben noch Nichtglauben die Rede, es bedarf weder der Bejahung noch Verneinung. Demgemäß werden wir künftig jenes nackte Seynlose Wesen das Un- oder vielmehr Ohnseyende nennen, (denn eben dieses ohne drückt seine gänzliche Entfernung von allem Seyn aus); das nicht Seyende aber jenes, das dem Seyenden das Seyn ist.
Inwiefern wir nun sagen, daß dieses das nicht das Seyende ist darum nicht das Nichtseyende ist, sagen wir, daß es doch in gewissem Betracht ein Seyendes ist, welches denn den Unerfahrenen und Unwissenden ein zwischen dem nicht Seyn und dem nicht das Seyende seyn (μὴ εἶναι und μὴ ὄν εἶναι)
. Aber von jeher hat dieser Begriff als ein wahrer Proteus die Unvorsichtigen geirrt und vielfach in Verwirrung gebracht. Es gibt gar zu Vieles von dem nicht zu sagen ist, es sey wahrhaft Seyendes und von dem doch auch nicht zu läugnen steht, daß es auf gewisse Weise ist. Aber alle Sophisten haben von jeher bequem gefunden, nur kurzweg zu sagen daß das alles gar nicht ist, wie wir denn zu unsrer Zeit erlebt haben, daß von der Natur, weil sie nicht das Seyende ist,
Im Allgemeinen kann, was als Seyn angesehen oder zum Seyn gerechnet wird, schon des Gegensatzes wegen nicht einerley mit dem Seyenden seyn, sondern ist nothwendig das nicht Seyende, darum aber nicht das Nichts. Denn wie sollte das das Nichts seyn, das doch das Seyn selber ist? Das Seyn muß eben auch wieder seyn, es gibt kein leeres bloßes Seyn, in dem wie nothwendig auch das nicht Seyende sey
. Lese dieß Gespräch vom nicht Seyenden, wenn der Begriff nicht klar ist; das ist ein Werk, von dem er die Weihe empfangen kann, denn ohne die Einsicht, daß und wie, nothwendig, das nicht Seyende sey, ist nicht einmal ein Anfang der Wissenschaft.
Soviel im Allgemeinen und ein für alle mal von dem nicht Seyenden, das uns vielleicht noch in mancherley Gestalten begegnen wird. Wir kehren zu dem zurück, das nächster Vorwurf unsrer Betrachtung ist: das an sich Seynlose und Ohnseyende kann nur seyend seyn gegen eines, das ihm das Seyn ist. Also eines, das schlechthin Eins wär’ und nichts außer sich hätte, könnte überall nicht seyend seyn. Dazu daß Eines seyend sey, gehören durchaus Zwey.
Woher nun jener uranfänglichen Lauterkeit das Andre? Es kann Nichts außer ihr vorhanden gedacht werden, sie ist das schlechthin Erste und Älteste das selbst Gott muß vorausgesetzt werden. Also es ist das allem Voraus-Gesetzte. Sind also zwey nothwendig, soweit jene Lauterkeit seyend sey, so muß sie selbst Zwey werden, sie muß sich selbst das Seyn oder das nicht Seyende seyn.
Dieses möchte nun zuvörderst gedacht werden durch Theilung. Aber unmöglich! Würde das lautere A durch Theilung nicht Seyendes und Seyendes dergestalt daß es einem Stück nach das, dem andern nach jenes wäre so wär es als das Seyende (+A) nicht mehr das ganze lautere A, welches gegen die Voraussetzung ist. Daß man die Theilung nicht mechanisch sondern dynamisch denkt macht keinen Unterschied. Dynamisch, d.h. Entzweyung wäre Theilung, wenn +A und -A gedacht würden, als Kräfte die durch Vereinigung, gegenseitige Aufhebung das lautere A ausmachten. Dann wäre eben das hervortretende +A nicht mehr das lautere A, das nur im Hervortreten unter dieser Bestimmung gesetzt ist, es wäre schon vorher, wenn auch unmerklich +A, sein wirkliches +A oder seyend Werden bestünde in einem bloßen Merklich- oder Offenbarwerden dieser schon vorher, auch im lautern A, dagewesenen Bestimmung.
Also überhaupt weder durch Theilung noch durch Entzweyung könnte das lautere Eine Zwey werden, sondern nur durch Zweyung, oder Doppelung, dergestalt nämlich daß es als das Seyende und als das nicht Seyende dasselbe ungetheilte Ganze wäre.
Dagegen (wenn es recht gedacht wird) erhebt sich nun sogleich der Einwurf daß es unmöglich. Denn ist A das nicht Seyende, so ist es eben darum nicht das Seyende seyn, und ist es das Seyende so ist es ja in
Du redest ganz richtig, würde ich dem so Einwendenden antworten, aber merke nur auf das Wörtlein zumal, das du dabey gesetzt hast. Zumal freylich ist es unmöglich, aber eben darum möglich wenn es das eine zuerst und das andre hernach ist. Das Vorausgehen (die Priorität) des einen vor dem andern hebt hier allen Widerspruch. An jener Unmöglichkeit eben bricht sich gleich die zeitlose Ewigkeit, die nur in dem lauteren A gesetzt ist, da schlechthin weder Anfang ist noch Ende. Darum wird gleich alles in Bewegung und in Aufeinanderfolge gesetzt.
Darinn nämlich liegt erstens nicht Widersprechendes daß Ein und dasselbe vorangehender Weise das nicht Seyende sey und folgender Weise das Seyende. Es kann der Mensch, ja er soll, zuerst einen strengen Willen fassen, als ohne den er nichts wäre, als ein stetes Zerfließen und er kann doch nachfolgender Weise in sich einen sanften Willen erzeugen, so daß er beyde doch immer in der Tiefe oder im Grunde bleibt, und die zwey entgegengesetzten Willen sich in dem Einen vertragen. Unmöglich wäre dieß nur in einem todten, stillstehenden starren schlechthin endlichen und unfreyen Wesen, aber in einem freyen, steigerungsfähigen, das eine innere Unendlichkeit ist, hindert nichts, daß es erst dieß und hernach das grad’ Entgegengesetzte sey, ja es muß vielleicht erst jenes seyn damit es dieses seyn könne. Insofern ist vielleicht nicht einmal nöthig, daß eine Zeit dazwischen verfließe, und daß es je und irgend eine Zeit das Erste allein sey, sondern gleich so wie es das Erste ist kann es das andre seyn, nur daß es nicht umgekehrt dieses seyn kann und dann nothwendig das andre. Daher in dem obigen Ausspruch das Wörtlein Zumal nicht einmal streng richtig heißen kann, da ein solches Vorn und Nach, wie es beschrieben worden gar wohl ein Zumal zuläßt, und umgekehrt mit dem Zumal dennoch ein Verhältniß des Bedingens und Bedingtseyns bestehen kann. Es sollte heißen dasselbe kann nicht in derselben Ordnung (Würde, oder wie wir bald auch sagen werden: Potenz) dieses also das nicht Seyende und auch das Entgegengesetzte, also das Seyende seyn.
Es ist zweytens ebenso wenig nöthig, daß es, wenn es das andre, etwa das Seyende wird, dann aufhöre das Erste, also das nicht Seyende zu seyn, sondern wenn beyde so weit einander
Wir haben von dem Allem ein deutliches Beyspiel an den Zahlen. Jedwede Zahl auf ihr eines Wesen zurückgebracht ist wieder eine lautere Einheit aller aus ihr durch Fortschreitung erzeugten: a0 bekanntlich =1. Nun denke man sich eine beliebige Zahl z.B. 20 nicht als todt, sondern als ein wirkliches lebendiges Wesen, als eine Entelechie im Aristotelischen Sinn oder wie die Pythagoreer die Seele als eine sich selbst bewegliche Zahl beschrieben. So unmöglich ist daß sie die Zahlen, in denen sie, die an sich unsichtbare, sichtbar wird (2, 4, 8 u.s.w.), anders, als die eine zuerst und die andre hernach sey, so daß die vorhergehende immer den folgenden zum Grund wird. Denn unmöglich ist, daß 4 sey, ohne daß 2 oder daß 8, ohne daß 4 und 2 seyn. Ebenso unmöglich aber ist, daß indem 4 ist darum 2 aufhöre zu seyn, könnte es aufhören, so sänke die ganze Reihe in 20 zurück; daß also die eine und ungetheilte Zahl (20) alle diese Zahlen zumal, doch in verschiedenen Stufen, Ordnungen, Potenzen als 21, 22, 23 ... 2n ist.
Merke also genau, lieber Leser: daß jenes Nichts das doch nicht Nichts ist, seyend werde dieß beweisen wir nicht, dieß setzen wir voraus, da wir von ihm ja nur wissen, in wiefern es das An sich, das Verborgene des Seyenden ist und es außer dem Seyenden nur noch irgend eine Zeit da ist, daß es aber seyend wird durch Bewegung und Fortschreitung und auch auf keine andere Weise seyend werden kann, dieses haben wir so eben bewiesen.
Der erste Anfang dieser Bewegung demnach ist, daß es das nicht Seyende wird, obgleich es dieses keinen Augenblick allein seyn kann und auch dieses nur entschieden (definitiv) wird, indem es zugleich das Seyende ist, daß es also auch nicht so wohl den Anfang macht mit dem nicht seyend Seyn als mit dem nicht seyend Werden.
Nun entsteht die Frage: wie kann es nicht seyend werden? Ich erwiedere die Frage mit einer noch allgemeineren: Wie kommt irgend Etwas ursprünglich dazu irgend Etwas z.B. a nicht und insofern Etwas zu seyn? Denn alles dasjenige ist Etwas, das auch Etwas nicht, nämlich nicht Alles ist. Ich antworte: ebendadurch daß es sich a an- oder wie die deutsche Sprache vortrefflich sagt zu Gemüthe zieht; das ist der bejahende Begriff von seinem a nicht Seyn. Wem der Reichthum gleichgültig ist, dem ist es keine Beraubung nicht reich zu seyn, der ist wie man zu reden pflegt in seiner Armuth reich. Was nichts will ist Alles, darum ist der Wille, der nichts will, Nichts aber als Nichts Alles. Aus dem Alles-Seyn tritt alles nur heraus, dadurch daß es will gleichviel was es will. So mithin auch jenes, das jetzt das nicht Seyende wird. Es ist (und dieß muß wohl bemerkt werden) nicht etwa vorher das Nichtseyende also durch irgendeine unbedingte Eigenschaft, daß es sich denn erst etwa besönne und
Der Anfang ist also ein Suchen, ja ein Versuchen ob es das Seyende finde und in diesem ein sich Lassen, sich zum Seyn oder nicht Seyenden Hingeben (denn alles, das Etwas will oder sucht, ist in dem nicht das das gesucht oder gewollt wird und setzt sich als nicht es Seyend) aber in diesem, in dem sich Lassen sich Hingeben findet es das Seyende, nämlich Sich als Seyendes, und nun erst nach gefundenem Wesen, da es bisher bloß ein Suchen und Versuchen war, unterzieht oder unterwirft es sich ihm als das, welches nicht selber seyn, nicht sich selbst als das Seyende will, sondern nur Hunger und Begehren nach Wesen ist. Es ist also in dem Hergang dieser Zweyung alles nur bedingungsweise, das was in der Folge als das nicht Seyende bleibt gibt sich schon nur hin auf die Hoffnung und also unter der Bedingung, daß es dadurch an das Seyende komme, und es wird das Nicht-Seyende wirklich und bleibend, nur in dem es das Seyende trifft; so kann auch das was das Seyende ist nur das Seyende seyn auf Bedingung, daß eines sey das es suche; die wirkliche Zweyung ist also doch nur wie ein Glück, da vorher alles gleichsam in Zweifel stand und nun auf einmal zur Gewißheit wird, darum auch eine Freude, aber nicht eine vorübergehende sondern eine ewige Freude des Findens und des Gefundenseyns, die ewige Freude des zu sich selber Kommens; da das das zuerst als Nichts war und Nichts hatte, nun sich selbst hat, und sich nicht mehr meynt verlieren zu können.
Ob nun aber gleich zum finden nichts mehr gehört denn eben das Suchen, und in sofern mit dem
Denn daß es das nicht Seyende ist, ist wie schon gezeigt nichts Wesenhaftes (Substantielles) an ihm sondern ein bloßes Wollen. In diesem Wollen hat es nicht sich selbst zum Gegenstand, sondern ist ein ewig Vergessen seiner selbst, dagegen Begehren des Seyenden außer sich. Aber eben in diesem nicht seyend Seyn ist es die allerstärkste Kraft, nämlich der erste Zauber durch den das Nichts in Etwas tritt, die allgemeine Anziehungskraft, durch die Außerwirkliches in Wirklichkeit kommt, der alles bewegende, alles an sich reißende Magnet. Das ist der Hunger der selig gepriesen wird, das die Armuth von der geschrieben steht: Selig sind die arm sind im Geist denn das Himmelreich ist ihr
, es wird ihnen nicht erst, sie besitzen es schon durch ihre anziehende Kraft. Dieser Hunger, der sich nur mit dem lautersten Willen verträgt ja der der lautere Wille selbst ist, ist die verborgene Kraft jener Magie, durch welche oft unscheinbare Menschen unglaubliches zu wirken vermögen, dieser stille in sich gehende Brand (Inbrunst nennt ihn herrlich die deutsche Sprache) die Kraft durch die der Himmel ja Gott selbst Gewalt erleidet. Kein Wunder darum, wenn schon in der aus dem frühesten Alterthum überlieferten Lehre der Hunger, das Sehnen, die Sucht als die erste und älteste Kraft erscheint, als die Mutter und Säugamme der Welt ja der Götter selbst.
Weil das Sehnen und Begehren nicht der vorübergehende sondern ein ewiger Anfang, so ist auch die Zweyung nichts Stillstehendes oder ein für allemal Geschehenes, vielmehr, sie ist in einem ewigen Werden, sie ist so ursprünglich in diesem Augenblick als von Ewigkeit, sie ist das, was immer geschehen, was jeden Augenblick geschieht und nie aufhören wird zu geschehen. Darum ist dieses Werden auch für uns einem Seyn gleich; so weit wir zurückgehen sind sie schon, die zwey alles anfangenden Potenzen, die sich sehnende und das was dieß Sehnen stillt.
Dieses also ist der lebendige Hergang jenes Processes, der neueren Zeit in einem barbarischen Ausdruck das erste Subject-Objectiviren genannt, aber nicht wenig mißverstanden worden. Denn nicht, wie insgemein vorgestellt, das Seyende oder +A, sondern -A, das nicht Seyende ist das Subject (subjectum) im eigentlichen Verstande, nämlich das Unterworfene oder wie es in der älteren nicht so ganz verwerflichen Sprache ebenfalls genannt wurde das Voraus-Gesetzte (suppositum) darum nicht eigentlich Gesetzte, das nur ist um des höheren willen; dagegen ist +A, das Seyende, das wahre Object, das eigentlich Gesetzte. Denn -A ist das Suchende, +A das Gesuchte und Gefundene, also der ewige Vorwurf und Gegenstand.
Dieses also ist die Entstehung des Urgegensatzes von dem alle Lehren und die ältesten Erzählungen voll sind, unter welchen sie oder er auch erscheine, es sey als Himmel und Erde, als Männliches und Weibliches, oder Licht und Finsterniß.
Aber die Bewegung kann in ihm nicht stillstehn. Denn die Zwey sind nur Eins, das nur Sich selbst hat in den beyden Gestalten, aber an sich weder das eine noch das andre ist.
Nothwendig also ist die Fortschreitung von der Zweyheit zu der Einheit, wobey nämlich jene nicht aufgehoben wird, sondern als Vorangehendes der Einheit mit dieser besteht.
Die Einheit kann nämlich nicht eine solche seyn, welche die Zweyheit wieder aufhöbe oder die freye Bewegung und gegenseitige Unabhängigkeit der Entgegengesetzten hemmte. Vielmehr: die Zweyheit sowohl, d.h. jeder der zweye als die Einheit der zweye, soll für sich seyn. Wir gehen also zwar zur Einheit fort, aber zur Einheit, die selbst wieder im Gegensatz mit der Zweyheit ist, also zum Gegensatz der Einheit und des Gegensatzes.
Hieraus erhellt aber von selbst, daß auch jenes dritte nicht das lautere Wesen an sich, sondern auch nur eine Gestalt des Wesens obwohl die der uranfänglichen Lauterkeit ähnlichste ist, und daß nur das Ganze, d.h. die Zwey und das Eine zusammen und in ihrer gegenseitigen Freyheit und Unabhängigkeit jenem lauteren Eins gleich sind.
Das Erste, alles Anfangenden, sagten wir sey das nicht Seyende (-A) aber in dem doch auch ein Seyendes, nur der tiefsten Ordnung. Wir bezeichnen es durch A1. Das Zweyte, da es sich zu dem Ersten als Seyendes verhält, und in sofern das Seyende eines Seyenden ist, können wir das Seyende der zweyten Ordnung oder Potenz nennen =A2. Das Dritte, da es wieder über beyden steht und beyden gemeinschaftliches Wesen ist mögen wir durch A3 ausdrücken.
Über dem Dritten aber läßt sich nichts Höheres in derselben Fortschreitung denken. So bewegt sich also das Eine in dem ewigen Übergang aus nicht Seyn in Seyn unmittelbar in jenes Ganze, das wir durch €\frac{A^3}{A^2=A^1}€ ausdrücken mögen. Dieses Ganze ist nicht das Eine selbst, aber die Figur des Einen. Das Eine ist in ihm, ist das Innre und Verborgene von ihm, es selbst aber das Äußere und gleichsam Sichtbare des Einen.
Dieses Ganze, weil es ganz und geschlossen ist, weil nichts außer ihm gesetzt werden kann, das noch zum ihm gehörte, mögen wir das All nennen. Nur daß hier nicht an Welt und Weltall gedacht werde. Es ist das All schlechthin und im höchsten Sinne.
Ich erinnere nur, daß es nicht als etwas todtes stillstehendes gedacht werde, sondern als im ewigen Werden und der unaufhörlichen Erzeugung begriffen. Die drey sind unter sich vereinigt nicht durch ein festes, stehendes sondern durch ein lebendiges, bewegliches stets sich erneuerndes Band. Die erste Potenz ist im ewigen Suchen und Finden der zweyten, die zweyte die
Aber stehet denn nun jene Bewegung damit daß sie das All zu Stande gebracht still? Mit nichten. Denn auch das höchste, in jener Bewegung Gesetzte ist doch nicht jenes lautere Nichts, das aber als solches Etwas oder seyend seyn sollte. Denn in dem Seyenden =A2 ist zwar auch jenes lautere Nichts, aber es ist als das Seyende nicht als das weder Seyende noch Nichtseyende gesetzt. In der Einheit aber ist auch das lautre Nichts, aber nicht als weder das eine noch das andre seyend, sondern als seyend die Einheit von beyden. Darum ist auch dieses Höchste nur eine Potenz des Wesens, nicht das lautere Wesen selbst, als welches außer aller Zahl oder Potenz liegt.
Nothwendig also, und indem sie sich in jene Potenzen zum All abschließt setzt sie außer und über dem All noch jenes lautere Nichts, als solches. Denn nicht eher und nur nachdem sie das All gesetzt, und über ihm kann sie das setzen, das Nichts ist sondern nur eine ewige Freyheit und Gleichgültigkeit gegen alles.
Denn indem es nämlich gesetzt wird in seiner ganzen Lauterkeit, und doch als nichts von dem allen seyend, das in dem All gesetzt ist, ist es als Nichts Etwas oder seyend; oder es ist gesetzt zugleich als Nichts und als Etwas, als Nichts, seiner höchsten Lauterkeit wegen, als Etwas, weil es das im All Gesetzte nicht ist, und weil alles dasjenige Etwas ist, das auch Etwas nicht ist.
Hier, lieber Leser, findest Du nun aufs deutlichste, wie jenes allem vorausgesetzte lautere Nichts nur durch Bewegung und Fortschreitung seyend seyn kann, wie es nämlich alles seyn muß (nicht Seyendes, Seyendes und wieder die Einheit beyder) um dann über dem Allem aufzugehn, als das lautere Nichts und doch seyend, oder Etwas zu seyn. Nun frage, was dieses lautere Nichts ist, das als solches nun seyend ist? Ich antworte dir: daß es eben nichts anderes ist denn Gott und daß von den Geistvollsten von jeher unter Gott nichts anderes gedacht worden als eben dieses.
Gott ist Geist; in dem Wort stimmen alle überein; wie viele aber die ganze Reinheit und Schärfe des Begriffs denken lässet sich zweifeln. Zwar die älteren Theologen lehren ausdrücklich, durch das Wort Geist werde Gott nicht in eine besondere Classe von Wesen gesetzt etwa in die der sonst so genannten Geister, Gott sey nicht sowohl ein Geist als die lautere Geistigkeit selber, der Geist über alle Geister, gleichsam der geistigste Geist. In sofern fällt die Geistigkeit Gottes mit der höchsten Lauterkeit und Einfalt seines Wesens zusammen.
Dieser zufolge lehren die Theologen ausdrücklich, es könne von der lauteren Gottheit nichts auf eine von ihrem Wesen unterschiedene Weise ausgesagt werden. Nicht gut sey (streng zu reden) die Gottheit, denn dieß laute so
Wenn daher in dem so genannten ontologischen Beweis aus dem alten Begriff von der Einheit des Seyns und Wesens in Gott geschlossen wird, er sey ein nothwendig Daseyendes; so folgt vielmehr das Gegentheil nämlich daß er an sich kein Daseyendes ist, denn dieser Begriff sagt einen Unterschied des Wesens, d.h. des Seyenden, von dem Seyn aus, das eben in Ansehung der Gottheit verneint wird. Nach einem alten Spruch hat das was das Seyn ist selber kein Seyn (Ejus quod est Esse nullum est Esse)
. Eben weil das Wesen in Gott auch das Seyn ist, ist es kein Seyendes als solches, sondern als das Seyende auch das Seyn und als das Seyn das Seyende.
Wie ganz in der letzten Zeit, da die höchste Wissenschaft gleichsam die Zuflucht der Unwissendsten geworden, der Faden geistiger, doctrineller Überlieferung abgerissen war, könnte außer vielem andern schon dieses zeigen, daß Viele jenen Begriff der Einheit des Seyns und des Wesens, da er in seiner Strenge geltend gemacht worden, bestreiten zu müssen glaubten, ohne zu ahnden daß sie darinn die Grundlage der Lehre von der höchsten Geistigkeit Gottes angriffen, ohne zu wissen, wie es ein uralter Lehrsatz ist, daß die Gottheit an sich weder ist noch nicht ist, und wie sie auch oft genug das Überseyende (τὸ ὑπερόν) genannt worden.
Also es bleibt bey dem, was ich nicht besser auszudrücken weiß, als wie der schon erwähnte geistliche Sinndichter:
Die zarte Gottheit ist das Nichts und Übernichts,
Wer nichts in allen sieht, Mensch glaube, dieser siehts!
Wie ganz verschieden von etwelchen Seichtlingen, welche jene höchste aller Ideen zu schmähen meynten wenn sie sagten, sie sey die Idee des Nichts.
Aber Wissenschaft so wenig als Gefühl begnügt sich mit einem Gott, der bloß ist in wiefern er das Seyn selbst ist, der nicht noch insbesondere und auf eine von seinem Wesen verschiedene Weise da ist, mit einem Gott, der bloß lauteres Wollen, Wissen ist, nicht auch ausdrücklich und insbesondere weiß. Indem sie Gott denkt, denkt sie schon eben jenes lautere an sich Seynlose Wesen, jene dem Nichts gleiche Reinheit, als seyend in ihm und erst damit vollendet sich der Begriff von Gott. Wie ist nun jene Lauterkeit in das Seyend-Seyn gekommen, daß sie wirklich der lebendige Gott ist? Antwort: sie war wohl nie außer diesem, sondern in einer ewigen Bewegung in das Seyn. Aber indem sie sich bewegte, hörte sie ja auf die an sich weder seyende noch nicht seyende zu seyn, sie war eben in der Bewegung wirklich d.h. seyend. Es bleibt also nichts übrig, als daß sie auch Etwas sey, das nicht Gott ist, aber nur nicht in ihm stillstehe sondern durch alles hindurchgehe, alles das nicht Gott ist überwinde, um am Ende in dieser Überwindung eben – als Gott – aufzugehen, wie in jenem Gesicht des Propheten, da erst ein Sturmwind, dann ein Erdbeben, dann ein Feuer kommt und in dem allem nicht Gott ist, endlich ein sanft stilles Sausen folgt darinn Gott ist
.
Also dieses ganze bisher beschriebene Leben ist das Leben Gottes oder auch Gott selbst in seinem Leben betrachtet. Nun mögen wir alles entfernen, was nur um der Darstellung willen gesetzt worden und besonders alle Zeit wegthun. Wir dürfen uns nicht vorstellen, diese Bewegung sey irgendwann geschehen und dann nicht mehr, sondern so wie wir Gott setzen, setzen wir diese ganze Bewegung als eine ewig geschehene, d.h. als eine ewig vergangene als eine immer geschehende, d.h. als eine ewig gegenwärtig und als eine die nie aufhören wird zu geschehen, d.h. als eine ewig zukünftige. Hier ist nichts denn grundlose Ewigkeit, d.h. Ewigkeit die nur sich selbst wieder zum Grund hat, und der auch nur wieder Ewigkeit folgt. Dieß allein ist die Ewigkeit die in dem Wort ausgesprochen wird: Ich bin der da war der da ist und der da seyn wird
. Das ist das Undurchdringliche im Leben Gottes, da wir ihm weder Anfang noch Ende wissen, daß wir, so weit wir zurückgehen mögen, ihn schon in dieser Bewegung finden; daß er also freylich eine Bewegung (weil ein Leben) ist aber eine Bewegung die selbst ewig ist, d.h. ewig angefangen und ewig endet. Das ist das Unzugängliche, in dem Gott ist, das allen unsern Gedanken Stillstand gebietende, daß wir so weit wir zurückgehen ihm keinen Anfang (seines Anfangs) und kein Ende (seines Endes) finden.
Der Herr dein Gott ist ein verzehrend Feuer
. Dieß sinndunkle, unter den letzten Reden Mose’s hinterlassene Wort kann nicht bloß wie gewöhnlich auf die Eigenschaft des Grimms und Zorns in Gott gedeutet werden, es geht auf die ganze Gottheit. Es wird von ihr im Gegensatz der Heydengötter gesagt. Der Sinn ist: der Herr Dein Gott ist kein unbeweglich Standbild, wie der Heyden Götter sondern eine unwiderstehliche alles in sich verschlingende Bewegung, der alles Einzelne, Widerstrebende nur wie der Flamme Stoff und Nahrung ist, ein unaufhörlich sich selbst Stoff gebendes und eben diesen Stoff wieder verzehrendes Feuer. Unstreitig geht also diese Bewegung durch Fortschreitungsstufen, die man wohl als augenblickliche Hemmungen der Bewegung betrachten kann, aber alles wird in der unaufhaltsamen Bewegung und in der gleichsam unendlichen Geschwindigkeit derselben wieder verschlungen in die lautere Ewigkeit. Darum vielleicht drückte die
Durch diese Betrachtung hat sich also der Gegensatz nur gesteigert, und es entsteht also jetzt die Frage, ob von diesen zwey Persönlichkeiten nur die eine schlechthin seyn soll, die andre aber schlechthin nicht seyn? Natürlich schiene nun die Antwort: Eben jenes, welches die Selbstheit durch Liebe überwunden in sich trägt, also doch das ausstrahlende sich mittheilende Wesen. Allein zuvörderst kehrt hier wieder, was schon von den einfachen Principien gezeigt worden, nämlich daß jedes an sich gleichen Anspruch auf Wirklichkeit hat. Welche von beyden Persönlichkeiten wir aufopfern wollten; immer würden wir die ursprüngliche Gleichwichtigkeit (Äquipollenz) des Bejahenden und Verneinenden selbst aufheben. Sodann kommt Folgendes zu betrachten. Jene lautre Ausfließlichkeit ist an sich mehr ein sich Lassen als ein Wirken; zum wirklich (actu) Seyenden kann sie nur durch Gegensatz gesteigert werden. Ihr ist an sich die verneinende Kraft völlig fremd, sie zurückzudrängen in sich und sich dadurch zu steigern zur wirklich, thätig ausstrahlenden ist ihr nur möglich, inwiefern sie zuvor von der verneinenden Kraft gehemmt worden. Ein Wesen das sich geben soll, muß erst sich selbst haben, nichts aber kann sich haben es nehme sich denn zuvor; entscheidender Grund gegen alle Behauptung ursprünglicher Emanation!
Hieraus folgt also, daß auch von den beyden angenommenen Persönlichkeiten, keine die unbedingte sey und jede gleichen Anspruch auf Wirklichkeit habe. Denn wenn auch die eine nur um der andern willen seyn sollte, nur um die andere in Wirkung zu erhöhen, so hebt dieß die gleiche Wirklichkeit beyder nicht auf, fodert sie vielmehr, und von der andern Seite zeigt sich, daß beyde, obwohl auf verschiedene Weise bedingt sind. Die eine nämlich, wir haben sie bereits die selbstische genannt, ist ihrem Begriff nach bedingt, in wiefern sie nur ist um der andern willen, dieselbe aber ihrem Seyn nach unbedingt weil sie jener Grund und Vorausgehendes ist; die entgegengesetzte aber ist dem Begriff nach unbedingt gegen die andre, aber dem Seyn nach bedingt, weil sie nur im Gegensatz mit dieser seyn kann.
Von selbst dringt es uns nun aus dem bisherigen verneinenden Verfahren herauszugehen und zu fragen: was denn nun eigentlich das Unbedingte sey? Wenn weder Ja noch Nein an sich, wenn weder die dem einen noch die dem andern entsprechende Persönlichkeit, so vielleicht das oder diejenige Persönlichkeit, die zwischen beyden das Gleichgewicht hält, die lautere Gleichgültigkeit zwischen Ja und Nein. Allein es ist einmal anerkannt, daß die beyden Principien, A und B, jedes selbstständig ist, jedes eine eigene, unabhängige Wurzel hat, daß sie also nicht nur gleiche, sondern daß jedes für sich den Anspruch hat, wirkend zu seyn. Nun kann aber keines wirkend seyn, als auf die angezeigte Art, nämlich jedes in einer besondern die entgegengesetzte ausschließenden Persönlichkeit, hat also jedes Princip für sich Anspruch auf Wirklichkeit, so hat diesen auch jede Persönlichkeit, und in dem Sinn, wie jenes Gleichgewicht oder die Einheit, so ist auch das Nichtgleichgewicht oder der Gegensatz unbedingt, d.h. jedes von beyden soll und muß seyn. Wir können also wohl, ja wir müssen vermöge einer nothwendigen Fortschreitung auf jene Einheit setzen, die im Gleichgewicht besteht, aber wir können sie nicht auf Kosten des Gegensatzes oder des Nichtgleichgewichts setzen. Sondern so wohl das Gleichgewicht soll seyn als das Nichtgleichgewicht. Einheit und Gegensatz beyde sind selbst gleichwichtig und halten sich die Waage. Der Gegensatz und die Einheit soll seyn, heißt: jede der beyden Persönlichkeiten soll seyn, jede für sich und als eine von der andern unabhängige; außer ihnen aber auch noch, also als eine dritte Persönlichkeit die Einheit. Damit tritt also die Einheit mit den beyden sich widerstreitenden Persönlichkeiten auf Eine Linie, sie ist nicht etwa vorzugsweise das Wesen, sondern eben auch nur eine Gestalt des Wesens, und zwar diejenige, die gar nicht anders als im Gegensatz mit dem Gegensatz d.h. mit den zwey sich wechselseitig ausschließenden Persönlichkeiten erscheinen kann. Wie diese sich untereinander, so schließt wieder der (in beyden bestehende) Gegensatz die Einheit, und die Einheit den Gegensatz aus. Alle drey Persönlichkeiten sind unter sich gleichwichtig, und von einander gegenseitig gefordert.
Also ist also auch keine das Unbedingte, nicht die Persönlichkeit in welcher im bloßen sich selbst Anziehen, nicht die welche im reinen sich selbst Geben und Ausstrahlen besteht noch die, welche zwischen beyden in der Mitte das Gleichgewicht hält. Was ist denn also das Unbedingte? Offenbar das, was keines von diesen allen ist, weder Gegensatz noch Einheit (Differenz noch Indifferenz), was also Nichts ist, außer die ewige Freyheit, die auch nicht einmal im Gleichgewicht ist, von der schlechhin nichts auszusagen ist, weder daß sie das eine der beyden Entgegengesetzten, noch selbst daß sie deren Einheit ist, und die was sie auch ist nicht an sich selbst sondern nur durch ihren Willen ist.
Damit erst taucht die Betrachtung auf aus dem bloß Bezüglichen und Bedingten und dem was bloß im Seyn sich bewegt zu dem allein Unbedingten und dem Überseyenden; und von dort muß jegliche Betrachtung ausgehen, die sich an den Beginn des Lebens stellen und gleichsam von vornherein die Zeit begreifen will.
Es ist Ein Laut in allen höheren und besse
Auch sonst schon wurde das Höchste, das Unbedingte ausgesprochen als Einheit der Einheit und des Gegensatzes
(Indifferenz der Indifferenz und der Differenz), d.h. als Freyheit, Gleichgewicht zu seyn und auch nicht Gleichgewicht. Dieses ist das Nichts, das zugleich Alles ist. Aber freylich ist diese Freyheit nicht Gott zu nennen; wir möchten sie mit dem kecken Ausdruck einiger Älteren etwa die Übergottheit
nennen. Was aber Gottheit sey, dieses zu sagen ist hier noch nicht die Zeit.
Wenn diese überwirkliche ja wie wir sagen dürften übergöttliche Freyheit das Unbedingte ist: so ergibt sich von selbst, daß nichts eigentlich Zweck seyn kann, außer dieser ewigen Freyheit selbst und daß alles was zu ihrer Verwirklichung und Verherrlichung dient auch seyn muß und von Rechts wegen ist. Denn diese ewige Freyheit kann nichts wollen, als nur sich selbst offenbaren und verwirklichen, nimmer aber kann sie wollen sich selbst aufgeben oder vernichten.
Klar ist nun sogleich, daß die ewige Freyheit, wenn sie als jene Gleichgültigkeit zwischen Einheit und Gegensatz besteht, nicht bloß dem Wesen sondern auch dem Seyn nach Nichts ist. Dem Wesen nach, in wiefern sie von allem, das ein Wesen seyn kann (sich nehmendes, sich gebendes oder im Gleichgewicht zwischen sich Nehmen und sich Geben schwebendes) Nichts ist. Dem Daseyn nach, weil alles Daseyn in Äußerung und Offenbarung seiner selbst besteht. Ebenso klar aber ist, daß sie, wozu immer sich entscheidend, aufhören würde, jene ewige Freyheit zu seyn. Hier ist also folgender deutlicher Widerspruch. Um sich zu offenbaren muß sie sich entscheiden, das eine oder das andre von dem zu seyn, das sie seyn kann; oder auch alles zu seyn. In beyden Fällen aber wäre sie zwar offenbar, aber nicht als die ewige Freyheit. Wäre sie nur eines, z.B. sich nehmendes, versagendes Wesen, so erschiene sie nicht als die, die auch sich gebendes seyn kann und Gleichgewicht von sich Geben und sich Nehmen. In sofern also schiene, daß sie um als die ewige Freyheit zu seyn alles seyn müßte. Gesetzt aber sie könnte wirklich alles, sie müßte nicht (wollend oder nicht) nur Eines seyn, so wäre sie doch nur Alles und erschiene daher als die alles seyende nicht aber die alles seyn kann, d.h. als die ewige Freyheit. Von der andern Seite aber, wäre sie nichts von allem weder Einzelnes noch Alles, so bliebe sie in ihrer Überwirklichkeit und wäre nicht seyend. Es scheint also, daß sie jedes und alles seyn müßte und auch nicht seyn. Daß sie nun Jedes ist und auch nicht ist, macht sich schon damit, daß sie Alles ist. Denn wenn sie zwar das sich nehmende, aber auch sich gebende ist, so ist sie jenes inwiefern sie es ist und ist es auch nicht, inwiefern sie das Gegentheil ist. Aber sie muß auch Alles seyn, und nicht seyn, dieß ist nur möglich, inwiefern sie alles seyend am Ende über allem aufgeht und obsiegt als die ewige Freyheit, so daß sie Alles ist und doch auch Nichts ist.
Also nur dadurch, daß sie jedes und Alles ist und auch nicht ist kann die ewige Freyheit sich offenbaren, als solche. Dieses selbst aber, Jedes und Alles seyn und auch nicht seyn, ist nur in einer Folge zu denken. Denn unmöglich ist, daß die ewige Freyheit, welche das sich nehmende ist, als dieselbe auch das sich gebende sey, sondern wenn als jene wirkend ist sie als diese nothwendig nicht wirkend und umgekehrt. Ebenso unmöglich ist, daß sie, wenn als das Nichts, dann auch als das Alles wirklich sey; geht sie als das auf, das Nichts ist, muß sie als Alles beziehungsweise nicht wirklich werden. Nun möchte wohl einer für möglich halten, daß das, was bestimmt ist, gegen das andre in die Unwirklichkeit zurückzutreten, gleich zuerst in diesem Verhältniß sey, für möglich also, daß die sich nehmende Persönlichkeit (A=B+) wenn
Wie nun auf diese Art gezeigt worden, daß eines, das sich als Seyn oder nicht Seyendes verhält, in sich wohl ein Seyendes sey: so ist nun von selbst klar, wie auch umgekehrt ein wirklich Seyendes gegen ein andres zum nicht Seyenden werden könne. Ja wir können als allgemeinen Satz aussprechen: Kein Seyendes, das nicht gegen ein Seyendes höherer Ordnung zum nicht Seyenden, zum stillen, leidenden Seyn werden kann.
Aber eben diese Erörterung zeigt, daß ein solches, das gleich anfangs und ohne zuerst Seyendes gewesen zu seyn in das Verhältniß des nicht Seyenden
Unmöglich also ist, daß das angenommene Verhältniß gleich zuerst und ursprünglich sey. Die ewige Freyheit muß viel mehr, Alles und Jedes zuerst wirklich also nicht so seyn, als ob es auch nicht seyn könnte oder (was dasselbe ist)
Schwer sey aller Anfang, ist eine gemeine Rede. Das Schwerste also ist nothwendig der unbedingte Anfang, nicht der schon äußere, sondern der innere, der der Anfang zu allem Anfang ist; das Erste und in der ganzen Natur der Dinge Älteste wie die Alten sich ausdrückten, oder wie wir sagen können, das allem Vorauszusetzende und das selbst nichts voraussetzt. Denn alles Andre, ein jedes Ding hat Eigenschaften woran es erkannt und gefaßt wird, und je mehr es Eigenschaften hat desto faßlicher ist es. Dieses aber, das allem Vorauszusetzende, ist nothwendig völlig rund und Eigenschaftslos. Es kann darum auch im Beginn der Wissenschaft nicht mit vielen Worten beschrieben werden; im Gegentheil je kürzer der Ausdruck desto eher stellt es sich dar. Ja man könnte in der höheren Wendung der Alten sagen: nur durch Schweigen werde es ausgesprochen, gleichwie es nur im Nichtwissen gewußt werde.
Also es ist das, von dem allein alles auszusagen ist, aber ebendarum nichts ausgesagt wird, das lautere oder unbedingte Subject, schon in der älteren wissenschaftlichen Sprache ist der Begriff des Vorausgesetzten (suppositum) einerley mit dem des Subjects. Das von dem allein zu sagen ist, daß es Ist, das aber ebendarum noch nicht nothwendig Ist; das allein seyn Könnende, aber eben darum noch nicht nothwendig Seyende.
Wir halten uns zunächst an diesen Ausdruck: es ist das seyn Könnende. Dieß Können ist hier kein äußerlich bedingtes; es ist das Wesen selbst. Also Es ist eine lautre Freyheit zu seyn und nicht zu seyn (zu existiren und nicht zu existiren); der einzige von ihm mögliche bejahende Begriff. Ein andres Subject gibt es überhaupt nicht, oder, dieses ist der einzige Begriff des Subjects. Denn wir sagen von vielem, es sey ein Seyendes (existire), das doch nicht seines Seyns mächtig ist wie die sinnlose Materie. Aber von eben dem sagen wir auch es sey selbst- oder subjectlos. Subject ist überall nicht, das seyn muß, und sofern es seyn muß, sondern das die Macht ist, zu seyn und nicht zu seyn, sich zu äußern und sich nicht zu äußern.
Glauben wir nun damit, daß wir es setzten, als die lautere Freyheit zu seyn und nicht zu seyn, ganz ausgeschlossen und gleichsam völlig abgewehrt – das Seyn, so drängt sich dieses doch unmittelbar wieder herzu. Wir müssen von dem, das die Freyheit ist zu seyn und nicht zu seyn, doch wieder sagen: Es Ist und können uns doch nicht erwehren. Einzusehen, in wiefern wir von ihm sagen Es Ist und in wiefern wir eben dieß nicht sagen können, darauf beruht die vollkommne Deutlichkeit dieses ganzen Begriffs.
Es Ist, weil es nicht Nichts ist. Aber es Ist, als wäre es nicht. Es Ist, aber wie dein Ich war eh’ es sich selbst gefunden und empfunden. Es Ist, aber wie die Einfalt ist, die sich ihrer selbst nicht annimmt, wie die reine Frohheit in sich selber, die sich selbst nicht kennt, die gelassene Wonne die ganz erfüllt ist von sich selbst und an nichts denkt, die stille Innigkeit die sich freut ihres nicht Seyns. Es Ist, aber dieses Seyn ist in ihm das Wesen selbst, und umgekehrt, Es Selbst ist sich dieß Seyn; wäre es aber ein vom Wesen verschiedenes, so wär’ es auch ein dem Wesen was aber das Seyn selbst ist hat kein Seyn, (ejus quod est Esse, nullum est Esse)
. Es hat kein Seyn, sondern ist alles Seyns los und ledig, in lautrer Freyheit, ja selbst die Freyheit gegen alles Seyn.
Wir mögen uns auch der alten wohlbekannten Formel erinnern: daß es Ist und nicht Ist, oder in der umgekehrten Wendung, daß es nicht Ist und doch auch nicht nicht Ist. Es Ist, weil es Träger und Unterstand alles Seyns – weil es nicht Nichts ist; es Ist nicht, weil es nicht ein Seyendes ist. Es ist nicht überall nicht weil es die Macht ist, zu seyn, und es ist doch auch nicht, weil es nicht ein Seyendes ist.
Nun möcht’ einer denken, doch dieses also sey zu sagen: Es Ist, als die Freyheit zu seyn und nicht zu seyn. Allein er wird wissen oder bey näherer Betrachtung einsehen, daß dieses als in jedem Satz verdoppelnde (reduplicative) Kraft hat, da das, was zuerst in sich selbst, noch einmal außer sich selbst, d.h. existirend gesetzt würde, wir sehen also daß und jener Satz in seine zwey Glieder zerlegt, so lauten würde: Es Ist, als das die Freyheit zu seyn ist, das erste Ist im Sinn der Existenz genommen, das zweyte im Sinn des Aussageworts. Nun können wir aber nur das letzte von ihm aussagen: Es ist Freyheit zu seyn und nicht zu seyn, nicht aber es, durch nochmaliges Umschlagen des Satzes verwandeln, in ein, diese Freyheit oder irgend etwas sonst Seyendes. Wir können also das Ist im ersten Sinn nur schlechthin von ihm brauchen, nur sagen: Es Ist, und auch dieß nicht ohne den Gegensatz beyzufügen: Es ist auch nicht: Setzen wir aber bey, was es ist, so darf dieses ist nur im Sinn des Aussageworts gebraucht werden.
Bisher haben wir von dem schlechthin vorausgesetzten zwey Begriffe abgewehrt, den den daß es ein Seyendes und daß es Nichts sey. Aber zwischen diesen beyden steht noch der des nicht Seyenden in der Mitte. Denn das entschieden nicht ist, ist nicht Nichts, obwohl es kein Seyendes ist. Nach der oberflächlichen Art zu denken und zu reden ist freylich nur was seyend ist, Etwas, was also nicht seyend, Nichts. Allein unmöglich ist, daß wo Nichts ist irgend Etwas mit Entschiedenheit nicht sey. Denn sollte es z.B. A mit Entsch[ie]denheit nicht seyn, so müßte in ihm eine dem A bestimmt entgegenwirkende Kraft oder Wesenheit seyn; es wäre also ebendarinn, daß es A nicht ist, nicht Nichts sondern Etwas. Wenn daher alles, das Etwas entschieden nicht ist nothwendiger Weise selbst Etwas ist, so folgt, daß auch das Nichtseyende d.h. dasjenige von dem das Seyn nicht bloß nicht bejaht sondern von dem es verneint würde, ebenfalls Etwas und nicht Nichts sey. Es folgt, daß das seyend-Seyn nicht die einzige Art des Seyns ist, daß vielmehr sowohl das Seyende als das Nichtseyende Ist. Es folgt, daß der ursprüngliche Gegensatz der von Nichts und Etwas ist, Etwas aber nicht bloß das Seyende sondern auch das Nichtseyende ist. Es folgt daher, daß das schlechthin Vorausgesetzte zunächst weder Etwas noch Nichts, oder in der umgekehrten Wendung sowohl Nichts (d.h. nicht Etwas) als Etwas (d.h. nicht Nichts) ist; inwiefern es aber nicht Etwas ist, auch weder seyend noch nichtseyend ist. Es zieht sich als solches (als das schlechthin Vorausgesetzte und in seiner Lauterkeit) weder ein Seyn an, noch stößt es dasselbe von sich zurück, es bejaht nicht sich selbst, und verneint sich auch nicht als seyend, sondern ist völlige Gleichgültigkeit (Indifferenz), gegen Seyn und Nichtseyn.
Zu der Dunkelheit, die diese Begriffe an sich selbst begleitet, gesellt sich in der deutschen Sprache noch die Schwierigkeit des Ausdrucks, da wir die verschiedene Bedeutung des nicht beynah’ bloß durch die Betonung der Rede unterscheiden können. Vielleicht daß die griechische Sprache, welche das nicht auf zweyerley oder wenn man will dreyerley Art ausdrücken konnte, in dieser Hinsicht wirklich bestimmter war. Wenn, zufolge der letzten Erörterungen, das Subject als solches weder seyend noch nicht seyend ist: so zeigt sich von selbst, daß der frühre Satz: Es ist nicht seyend die bloße Bedeutung einer Beraubung hat, welche bekanntlich die Möglichkeit nicht ausschließt, vielmehr setzt, die also auch im gegenwärtigen Fall dem nicht Seyenden zuläßt, sowohl seyend als nicht seyend zu seyn. Die Bedeutung des nicht in jedem Urtheil ist überhaupt eine ganz verschiedene, je nachdem sie auf das Vorausgesetzte (Antecendens, Subjectum), das Nachfolgende (Consequens, Praedicatum) oder das Band (Copula) bezogen wird. Wenn wir von einer sich verbreitenden Nachricht urtheilen: diese Nachricht ist nicht glaublich, so heißt dieses nur soviel: es ist kein bestimmter Grund vorhanden, sie zu glauben, nicht aber, es ist ein Grund vorhanden sie nicht zu glauben. Es ist gewissermaßen nur zufällig daß sie nicht glaublich ist, es läßt sich denken daß sie noch glaublich werde. Das nicht bezieht sich hier nur auf das Band, und bezeichnet gleichsam bloß eine Kluft zwischen dem Vorausgehenden und Folgenden, einen bloßen Mangel der Verbindung oder der Bewegung von dem einen zu dem andern. Das Urtheil ist daher ein bloß beraubendes (judicium mere privativum). Wird dagegen geurtheilt: diese Nachricht ist nicht glaublich, so wird damit ausgesprochen, es sey ein bestimmter Grund vorhanden, die Nachricht nicht zu glauben, eine der Glaublichkeit entgegenwirkende Ursache. Es ist hier freylich auch ein Mangel, aber der seine Ursache hat – nicht in der bloß fehlenden Bestimmung zum Glauben, sondern in einem Grund der das Glauben hindert. Das nicht bezieht sich hier auf das Ausgesagte selbst und war im vorhergehenden Fall weder Anziehung (Bejahung) noch Abstoßung, so gehet hier die Bedeutung des nicht in wahre Zurückstoßung über, dieses Urtheil ist daher das eigentlich verneinende und könnte füglich auch das zurückstoßende genannt werden (judicium negativum s˖[ive] remotivum). In den beyden vorhergehenden Urtheilen blieb immer noch die innere Möglichkeit bestehen, das nicht berührte nur entweder das Band oder das Ausgesagte; in dem Urtheil: diese Sache ist unglaublich wird selbst die innre Möglichkeit des Geglaubtwerdens aufgehoben, das Subject selbst aus der Sphäre der Glaublichkeit hinweggerückt. Diese Art von Urtheil also sollte das aufhebende Urtheil (judicium tollens) genannt werden.
Diese Erklärungen angewendet auf den Begriff des Seyns, so ist also das nicht Seyende dasjenige, von dem nur nicht ausgesagt wird, es sey
Hieraus erklärt sich, wie das schlechthin Vorausgesetzte als solches und das Nichts beyde sich darinn ähnlich sind, weder seyend zu seyn, noch nichtseyend, und dennoch beyde sich dadurch unterscheiden, daß von dem ersten zwar alles außer dem reinen Subject hinweggenommen wird, dieses aber und mit ihm die Möglichkeit sowohl des Seyns als des nicht Seyns stehen bleibt, mit dem andern aber das Subject selbst aufgehoben wird.
Alle Erklärungen, die bis zum Anfang der Dinge zurückgehen, müssen
Wohl ist das Erste ein Nichts, aber wie die lautere Freyheit ein Nichts ist, wie der Wille, der nichts will, der keiner Sache begehrt, und keine zurückstößt, sondern in völliger Glückseligkeit ist. Von diesem gilt, was so oft genug auch von jenem Ersten gesagt worden, daß es nichts gleich und nichts ungleich ist, oder in der umgekehrten Wendung, daß nichts ist, das es nicht wäre und nichts das es wäre. Es ist also Nichts und Alles. Nichts, weil weder ein Seyendes noch ein nicht Seyendes; Alles, weil es der Träger von allem ist, weil vor ihm d.h. eh’ es sich entschieden nichts seyn kann und von ihm als der ewigen Freyheit allein alle Kraft kommt
Nach uralter Lehre besteht alles Wissen in Erinnerung, wie das Wort Historie (ἱστορία) der Herkunft nach nichts anders bedeutet als eben Wissenschaft.
Doch läßt auch Gegenwärtiges sich geschichtlich d.h. wissenschaftlich erkennen, durch Herleitung aus der Vergangenheit. So selbst in gewisser Art Zukünftiges durch Folgerung aus Vergangenheit und Gegenwart.
Wissenschaft im höchsten und weitesten Sinne wäre die, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eben in einer Verkettung und Folge begriffe.
In jeder Bewegung, der größten wie der kleinsten, werden drey Unterschiede erkannt, ein Ort von dem sie ausgeht, ein Ort nach dem sie hinstrebt und einer der beyde vermittelt. Der Anfangspunct (Terminus a quo) ist nicht die bloße leere Stätte des Ausgangs dieser Bewegung, es muß gedacht werden als Verneinung derselben, die wirklich geschehende Bewegung als Überwindung dieser Verneinung. Betrachtet man die Bewegung im Geschehen, so ist der Anfangspunct als Vergangenheit gesetzt in Bezug auf die geschehende Bewegung, nicht schlechthin zwar aber sofern er die Verneinung dieser Bewegung war; der Punct, nach dem sie hinstrebt (Terminus ad quem) erscheint in Bezug auf die geschehende als Zukunft, was zwischen beyden liegt als Gegenwart.
Wenn also nach einer ebenso alten Lehre die Seele eine sich selbst bewegende Zahl ist
so hat die Wissenschaft ihr Wesen in Bewegung, wenn Erkenntniß als solche auch vom Stillstehenden möglich ist. Und zwar ist diese nothwendig fortschreitende, d.h. solche Bewegung, die aus ihrem Anfang geht und ihn als Vergangenheit zurückläßt.
Wo keine Bewegung, ist daher auch keine Wissenschaft. Von dem was immer Eins und dasselbe ist, vom Unbeweglichen als solchen und für sich betrachtet gibt es keine Wissenschaft. Es kann nur Gegenstand der Wissenschaft werden, inwiefern es mit dem sich Bewegenden in Verbindung steht, welches um so nothwendiger zu denken ist, als das Unbewegliche, weil es dieß ist, nur im Beweglichen und durch es erscheinen kann. Dasselbe gilt von dem Unanfänglichen, denn wo kein Anfang, da ist auch keine Bewegung.
Der Mensch hat die Idee einer allumfassenden Wissenschaft und strebt unabläßig nach ihr. Erkennt er eine solche allgemeine Wissenschaft, so muß er auch eine alles begreifende Bewegung voraussetzen, in der selbst das an sich Unbewegliche verschlungen ist. Unmöglich aber ist, daß das Unbewegliche in die Bewegung in der es offenbar wird, erst übergehe, sich gleichsam in die Bewegung bewege, denn so könnte es nicht als das Unbewegliche offenbar werden. Also muß es schon immer in ihr seyn, d.h. die Bewegung selbst muß schon immer und eine ewige seyn.
Eine ewige Bewegung ist aber nicht, wie insgemein gedacht wird, die keinen Anfang hat; denn wie das Unbewegliche an sich selbst auch unanfänglich, so die Bewegung von Natur anfänglich. Eine ewige Bewegung ist daher
Hat Wissenschaft nur in Bewegung ihr Wesen, und ist alle Bewegung eine nothwendig (wenn auch ewig) beginnende: so leuchtet von selbst ein, daß wahre Wissenschaft nur vom Anfang selbst anfangen könne. Leichter wird den Meisten, gleich mit ihren Gedanken zum Anfanglosen sich aufzuschwingen, das weil ohne Bewegung und immer Eins unmittelbar und so zu sagen mit einem Blick erkennbar scheint; leichter als sich in Gedanken auf die unterste Sproße der Leiter herabsetzen, an welcher das Leben aufsteigt. Es gehört zur wahren Wissenschaft mehr Selbstverläugnung als die Menge ahndet. Aber auch hier gilt, daß Erniedrigung Bedingung jeder Erhöhung ist.
Von dem Anfang nun außerdem daß er ist muß auch erkannt werden wie und was er ist. Aller Anfang ist schwer, sagt eine alte Rede, aber man kann wohl sagen, daß er das Schwerste und Härteste doch in manchem Betracht auch wieder etwas sehr Zartes und überhaupt von wunderlicher Natur sey, die nicht leicht ist auch dem wohl Aufmerkenden recht begreiflich zu machen.
Schon zuerst ist offenbar, daß der Anfang niemals um seiner selbst willen sondern nur um dessen willen ist, wozu er der Anfang ist, dieses sey nun was es wolle. Aller Anfang ist bedingt durch das das eigentlich werden soll; er ist nur weil es eine unbedingte Nothwendigkeit ist, daß das sey wozu er der Anfang ist, müßte oder vielmehr sollte dieses nicht seyn, so wäre auch er nicht. Nun ist aber das Eigene, daß nicht dieses, durch das er bedingt ist, ihm, sondern er vielmehr diesem vorangeht. Inwiefern er also bloß ist, weil ein andres seyn soll nicht weil er selbst, insofern ist er ein nicht eigentlich Seyendes (ὄντως ὄν); jenes andre vielmehr ist das wahrhaft d.i. seiner Natur seinem Begriff nach Seyende, er selber ist nur Grund des Seyns, oder ein nicht eigentlich Seyendes. Aber der Voraussetzung nach ist jenes andre nicht als nachdem der Anfang ist, er aber ist schon indem jenes nicht ist und muß sogar, da er durch jenes nicht gesetzt seyn kann, sich selber setzen. Hierinn nun verhält er sich unsteitig als ein Seyendes und man kann daher sagen, der Anfang sey etwas dem Begriff nach nicht Seyendes das doch Seyendes seyn muß.
Es ist nämlich von selbst klar, daß der Anfang, weil ein nicht um seiner selbst willen Seyendes, auch nicht mit Bewußtseyn oder Freyheit seyn kann sondern nur nach der blinden Nothwendigkeit, als eines das im eigentlichen Sinn seyn muß; in dessen Seyn gar kein Verstand ist, sondern nur die härteste Natur und Nothwendigkeit. Es ist eine ganz andre Nothwendigkeit, die man im Sinn hat, wenn, auch noch so unbestimmt, von einer Nothwen
Begriffe: Freyheit, verloren an das Seyn, Selbstheit, (Un)Lauterkeit
Inhalt: »Es ist nur eine Meynung und Stimme daß, was als ein Seyendes zwar erscheint, aber nicht frey ist gegen das Seyn, sondern ganz gleichsam verloren in ihm«, »Es ist ein Laut«
Bogenzählung III
Begriffe: Durchmesser/Mittelpunct, Ur-Punct, lautere Freyheit, Wollen, Seyn, seyend, Substanz, Freyheit zu seyn
Alles Wissen besteht nach uralter Lehre in Erinnerung, wie das Wort Historie (ἱστορία) der Herkunft nach nichts anders bedeutet als eben Wissenschaft.
Doch läßt auch Gegenwärtiges sich geschichtlich, d.h. wissenschaftlich erkennen, durch Herleitung aus der Vergangenheit. So selbst in gewisser Art Zukünftiges durch Folgerung aus Vergangenheit und Gegenwart.
Wissenschaft im höchsten und weitesten Sinn, wäre daher die, die Vergangenheit Gegenwart und Zukunft aber in einer Verkettung und Folge begriffe. (Sie ist Wissenschaft von dem was war, was ist und was seyn wird.)
In jeder Bewegung, der größten, wie der kleinsten werden drey Unterschiede erkannt, ein Ort von dem sie ausgeht, ein Ort nach dem sie hinstrebt und einer der beyde vermittelt. Der Anfangspunct (Terminus a quo) ist nicht die bloße leere Stätte des Ausgangs dieser Bewegung; er muß gedacht werden als Verneinung derselben, die wirklich geschehende Bewegung als Überwindung dieser Verneinung. Betrachtet man die Bewegung im Geschehen, so ist der Anfangspunct, als Vergangenheit gesetzt
Wie also nach einer ebenso alten Lehre die Seele eine sich selbst bewegende Zahl ist
so hat die Wissenschaft ihr Wesen in Bewegung wenn Erk˖[enntniß] als s˖[olche] auch vom Stillst˖[ehenden] möglich ist. Und zwar ist diese Bew˖[egung] nothwendig
Wo keine Bew˖[egung] ist also auch kein Wissen. Von dem was immer Eins und dasselbe ist, vom Unbeweglichen als solchen und für sich, ist keine Wissenschaft, auch vom Unanfänglichen als solchen, denn wo kein Anfang ist auch keine keine Bewegung.
Leichter wird den Meisten, gleich mit ihren Gedanken sich zum Anfanglosen aufzuschwingen, das weil es ohne Bewegung und immer Eins, unmittelbar und so zu sagen mit einem Blick erkennbar scheint, leichter als sich in Gedanken auf die unterste Sproße der Leiter herabsetzen, an welcher das Leben aufsteigt. Es gehört zur wahren Wissenschaft mehr Selbstverläugnung als die Menge ahnden. Aber auch hier gilt, daß Erniedrigung Bedingung jeder Erhöhung ist. Von dem Anf[a]ng nun außer dem daß er ist müssen wir auch wissen, wie und was er ist. Gleich offenb˖[ar] nur daß der Anfang nicht um seiner selbst willen ist sondern um dessen willen, wozu der Anf[a]ng (was es nur sey.). Durch dieses bedingt; sollte dieses nicht seyn so auch er nicht. Nun geht ihm dieses nicht voran, vielm˖[ehr] er diesem
Der Weg dieses Werks ist also wie der der Wissenschaft selbst aufsteigende Weg; sein Anfang ist das Anfängliche und im Anfänglichen wieder der Anfang selber.
Hierbey ist nur dieses zu bemerken nöthig, daß gleichwie es ein ewig Ewiges gibt so auch ein ewig Anfängliches sich denken läßt, ein solches das nicht irgendwann oder irgendeinmal begonnen, sondern das von aller Ewigkeit her angefangen, und noch immer anfängt und nie aufhören wird anzufangen. Ob ein solches ewig Beginnendes wirklich sey, dieses kann nur durch die folgende Untersuchung offenbar werden. Vorerst halten wir uns an die allgemeine Natur des Anfänglichen als eines solchen.
Der Anfang eines Wesens ist nichts anderes als das Wesen selbst im Zustande des Anfangs, d.h. einer ihm beywohnenden Möglichkeit, wirklich zu werden. Wir werden eben dieß auch den potentiellen oder den Wurzelzustand des Wesens nennen.
Jede beginnende Natur muß sich selbst in diesen Potential-Zustand setzen, d.h. das Seyende in ihr setzen als nicht seyend, verneinen als seyend. Nicht daß sie sich als Beraubung aller Wesenheit setzte; vielmehr sie setzt in sich Wesen und Seyendes aber im Zustand der Verneinung, als nicht offenbares, wirkliches, als ein mögliches, verborgenes Wesen.
Denn der Anfang eines Wesens ist eigentlich nur Begehren dessen, wozu er der Anfang ist, d.h. des Wesens. Alles aber das begehrt wird, ist indem, daß es begehrt wird, als nicht seyend gesetzt. Dennoch ist es innerlich gesetzt eben als Vorwurf des Begehrens.
Das allein Wirkende im Anfang ist daher die begehrende verneinende Kraft; das nicht Wirkende, bloß Leidende ist das eigentliche Wesen. Setzen wir jene =b, dieses =a, so ist also der Anfang zwar Wesen =a, das aber von der verneinenden Kraft =b niedergehalten, beherrscht, in’s Verborgene gesetzt ist; wir bezeichnen dieß Verhältniß durch den Ausdruck a=b.
Die verneinende Kraft ist die dem Seyenden entgegengesetzte Kraft und in sofern selbst nicht seyend. Dennoch ist sie im Anfang das Seyende (weil das Wirkende) und macht dagegen das eigentlich Seyende, als das Begehrte zum nicht Seyenden. Im Anfang ist das Nein erhoben über das Ja, die Finsterniß über das Licht. Wäre gleich im Anfang das rechte Verhältniß, so bedürfte es keiner Fortschreitung, er wäre nicht Anfang. Dieß aber, daß in ihm das eigentliche Wesen schweigt und ruht die verneinende dem Wesen entgegengesetzte Kraft wirkt und spricht, dieß eben macht ihn zum Anfang.
Wir mögen also in dem Anfang auf das Wirkende oder das Leidende sehen, immer verhält er sich als das nicht Seyende. Obwohl darum
So also macht sich jene verneinende Potenz, indem sie das Wesen in’s Innere zurückdrängt, durch eine natürliche Nothwendigkeit, zur zeugenden Kraft eines höheren Wesens, eines Seyenden der höheren Ordnung. Sie ist gleich selbst mit einem inneren Widerspruch gesetzt und kann gleichsam keinen Augenblick bestehen, ohne das helfende, vom Widerspruch erlösende Princip außer sich zu zeugen. Es ist nicht ein freywilliger, sondern ein nothwendiger Fortgang. Die erste Potenz kann nicht zur Wirkung kommen, ohne sogleich und in demselben Augenblick auch die zweyte zu setzen. Sie kann nur seyn als die zeugende Potenz der zweyten, und ist daher auch keinen Augenblick ohne diese zweyte zu setzen, daß also, obwohl die eine der Intention nach vorausgehend die andre folgend, doch der That nach beyde gleichzeitig, oder vielmehr gleich ewig sind.
Dieser Fortgang ließ sich übrigens auch auf ganz formelle Art so einsehen. Der Anfang kann sich überall nur als verwirklichende Potenz nicht als das zu Verwirklichende, beziehungsweise Wirkliche setzen. Sich als verwirklichende Kraft setzen und sich verneinen als das Wirkliche ist Eins. Aber in der göttlichen Bewegung gilt auch das Umgekehrte, sich verneinen als Wesen und sich setzen als verwirklichende Kraft des Wesens ist hier Eins. Gott kann sein eigen Wesen aus keinem andern Grunde verneinen, als um es in einer höheren Potenz als wirklich zu setzen. Unmöglich ist, daß das an sich oder seiner Natur nach Seyende schlechthin und überall verneint sey. Ist es also irgendwo verneint, so folgt nothwendig, daß es außer dem, worinn es verneint ist unverneint und an sich selbst gesetzt sey.
Hier könnte die Frage entstehen: ist denn das Seyende nicht schon seiner Natur nach und wie soll es denn erst durch Verneinung wirklich werden? Daß also das Seyende Seyendes ist, davon kann natürlich der Grund nicht außer ihm liegen, daß es aber als dieses wieder ist, daß es offenbar ist als das Seyende dieses hat es nur von der verneinenden Potenz. Wäre nicht das Nein, so hätte das Ja keinen Halt. Kein Ich ohne Nicht-Ich; in sofern ist das Nicht-Ich vor dem Ich. Das seiner Natur nach Seyende ist das, was das Seyn in sich selbst hat; ebendarum kann es das Seyn nicht zugleich außer sich haben. Von sich selbst kraftlos nach außen, kann es nur durch ein ihm Entgegengesetztes in Wirkung d.i. in Wirklichkeit erhöht werden.
Es ist schon geäußert, daß jenes Andere das die erste Potenz sich zeugt, nur ein Seyendes, aber ein Seyendes der höheren Ordnung, seyn könne. Ein Seyendes nämlich das obwohl gezeugt, doch ein selbständiges, freyes, unabhängiges auf sich selbst beruhendes ist. Es soll nicht der bloße Theil von einem Wesen, sondern selbst vollständiges Wesen seyn. Als das schlechthin und seiner Natur nach Seyende hat es das Seyn, also auch die das Seyn setzende Kraft in sich selbst. Um auf sich selber zu beruhen, um vollständiges Wesen zu seyn muß es die verneinende Kraft in sich haben. Nur wie in der ersten Potenz das bejahliche, ausfließende mittheilsame Wesen gehemmt verneint und verborgen war: so muß nun im Gegentheil in jenem Höheren die verneinende Kraft selbst als verneint, verborgen innerlich gedacht werden. Je um wie viel in der Fortschreitungsstufe dieses Seyende höher ist als das Nichtseyende (denn so können wir doch das nennen, worinn das Seyende nicht gesetzt ist als seyend, sondern als Object, als leidend, als Seyn), um so viel strenger, schärfer gleichsam ihrer Natur nach geistiger muß die verneinende Kraft in jenem gedacht werden, obgleich angenommen ist, daß sie unwirkend nicht offenbar sey.
War in dem nicht Seyenden ein Seyendes =A, das aber von der verneinenden Kraft niedergehalten und unterdrückt war, so ist dagegen in dem Seyenden eine verneinende Kraft =B, die aber in dem Seyenden verschwindet. Dieses Seyende, da es sich zu jenem der ersten Potenz, als ein Höheres (nämlich als Seyendes zu Nichtseyendem verhält) kann daher als Seyendes der zweyten Potenz angesehen werden. Wir bezeichnen es durch A2.
Wir haben hiermit den ersten, den ursprünglichsten aller Gegensätze gefunden. Aber wie von selbst einleuchtet, die Entgegensetzung beruht nicht auf einer gänzlichen wechselseitigen Ausschließung, nur auf einem entgegengesetzten Verhältniß, gleichsam einer umgekehrten Stellung jener ersten aller Lebenskraft (der verneinenden und der bejahenden, der anziehenden und der ausbreitenden). Was in dem nicht Seyenden das Äußere, Einschließende, ist in dem Seyenden das Eingeschloßne, Innere. Unendlich fern sind sie sich unendlich nah. Fern, weil das was in dem einen bejaht und offenbar in dem andern verneint verborgen ist. Nah’, weil es nur einer Umkehrung bedarf, einer Herauswendung dessen was verborgen und einer Hineinwendung dessen was offenbar ist, um das eine in das andre zu versetzen und gleichsam zu verwandeln.
Bisher wurde angenommen, in dem Seyenden (A2) sey die verneinende Kraft zurückgedrängt, unthätig, und so ist es dem Begriff nach. Auch ist offenbar, daß jenes Höhere dem Anfänglichen (dem A=B) nur Helfer seyn kann, inwiefern es das bejahende Princip, das mild ausfließende sich mittheilende Wesen nach außen wendet. Denn die Hülfe bestand in der Beruhigung des Widerspruchs, diese aber darinn daß das eingeschloßne Seyende durch ein höheres und anderes befreyt, die verneinende Kraft aber in ihrer Wirkung frey und unangetastet blieb. Denn es ist kein Widerspruch, wenn die anziehende Kraft das Wesen unterdrückt, und ein anderes außer ihr dieses Wesen frey macht, im Gegentheil wird sie erst dadurch als anziehende Kraft sich selbst fühlbar und genießt die Wonne ihres Wirkens. Aber Gleiches kann nur von Gleichem befreyt werden. Nur das Wesen, das bejahende Princip jenes Höheren (A2) kann auch das Wesen, das bejahende Princip des Ersten in Freyheit setzen.
Aber jenes Höhere ist auch selbständiges Wesen, und verlangt für sich, gleichsam eine eigne Welt zu seyn. Auch in ihm ist die verneinende Kraft nicht todt, und verlangt also unaufhörlich zu wirken d.i. ins Äußere und Offenbare zu treten. Auch in ihm ist also der Grund eines inneren Widerspruchs; und in beyden Principien, jenem anfänglichen wie diesem höheren für sich liegen die Elemente einer rotatorischen Bewegung. Es möchte sich wohl als Seyendes verhalten und dem Untergeordneten hülfreich seyn, weil ohne dieß eine innere Zertrennung unvermeidlich wäre; aber es kann auch seine eigene innre Lebendigkeit nicht unterdrücken, noch sich versagen, zu einer eigenen Welt entfaltet zu werden.
Auch dieses also kann sich nicht selbst von dem inneren Widerspruch befreyen. Es kann nicht etwa aufgeben, die verneinende Kraft in’s Innre zurückzudrängen, denn damit gäbe es sich selbst auf, auch wird es von dem Anfänglichen unaufhörlich angerufen, daß es ihm helfe. Es kann aber ebenso wenig verhindern, daß die verneinende Kraft nicht unaufhörlich hervorstrebe und in’s Äußere verlange.
Da es sich selbst nicht helfen kann, so bleibt nichts übrig als daß ihm ein Anderes helfe, daß es also
Der Fortschritt der Bewegung bis zu diesem Dritten ließ sich auch ganz formell so einsehen. Das was in dieser fortschreitenden Bewegung ewig sich selbst hervorbringt, will sich als das verwirklichen das es ist, nämlich als das sich aus eigner Tiefe gebärende Wesen. In dem Act der Selbstverwirklichung sind nothwendig drey, die das Wesen verwirklichende Kraft, das von ihr verwirklichte Wesen und das was die Einheit beyder ist. Dieses letzte ist eigentlich der stille Antrieb der ganzen Fortschreitung, nicht die bewirkende wohl aber die End-Ursache der ganzen Bewegung.
Das was Ur-Sache der ganzen Bewegung war muß zuletzt als Seele des Ganzen eintreten. Also ist jenes Dritte die göttliche Seele, deren Einfluß bis auf das Unterste (A=B) sich erstreckt, indem es dem Mittleren verstattet, mit dem bejahenden Princip frey nach unten zu wirken. Es ist eine ganz lautere Potenz in der kein Gegensatz mehr ist, gegen die bejahende und verneinende Kraft gleichgültig, und über beyde erhaben. War das Innere
Von nun an haben wir mit nichts anderem zu thun, als mit diesem absoluten Subject dieser lautern Freyheit der Existenz, von welcher sogleich einleuchtet, erstens, daß sie das ist, dem allein gebührt zu seyn, oder das eigentlich seyn soll. Wir können sagen: sie sey das Urlebendige, denn bloßes Seyn ist todt, Leben ist Seyn mit unendlichem Können verbunden; Worinn also das Können ganz Seyn und das Seyn ganz Können, kann nicht bloß lebendig seyn, sondern ist ganz Leben, d.h. das Lebendige selbst. Und wenn, was ganz Leben ist, nur Geist seyn kann, so mögen wir auch sagen jenes Urbild aller Existenz sey lautrer Geist, denn was ist Geist, als eine unendliche Möglichkeit zu seyn, nicht seyend oder eingeschlossen in einem bestimmten Seyn, sondern Freyheit gegen das Seyn, Freyheit jedes mögliche Seyn anzunehmen, sich in alle Formen zu geben, ohne von irgend einer
Indem wir uns nun zur ruhigen Betrachtung dieses absoluten Subjects wenden, sehen wir zuvörderst und vor allem natürlich, daß es die Freyheit ist, sich sein eigen Wesen gegenständlich zu machen, somit sich selbst zu nehmen, sich sich selbst anzuziehen.
Allein wir sehen auch sogleich, daß es das Sich nehmen Könnende ist, nur sofern es sich nicht wirklich nimmt; denn nähme es sich wirklich, so wär’ es nicht mehr das sich nehmen Könnende, nicht mehr das seyend seyn und nicht seyn kann sondern nur das seyend seyn oder nicht seyn konnte; ein größerer Unterschied läßt sich nicht denken. Nun ist es uns vorerst gleichgültig, ob es sich nimmt oder nicht nimmt, denn nimmt es sich auch, so müssen wir doch einen – wenn auch untheilbaren, aber doch einen – Augenblick setzen da es sich nicht nimmt, und von eben diesem Augenblick ist hier die Rede. Nun sagen wir: Eben indem es das sich nehmen d.h. das seyend seyn Könnende ist, ist es das sich nicht nehmen d.h. das nicht seyend seyn Könnende, oder umgekehrt: es ist das seyend seyn Könnende nur insofern nicht das seyend seyn Könnende. Es ist Annehmlichkeit (Annehmungsmöglichkeit) seiner selbst nur in der Nichtannehmlichkeit, d.h. in der Unmöglichkeit sich seiner selbst anzunehmen. Welches ja genau betrachtet nur dasselbe sagt mit dem schon oben Ausgesprochnen, daß es eben als die lautre Freyheit zu existiren gleich ist dem lautern, ungezweyten, unentstellten Seyn, d.h. dem Seyn, welches nicht ein Existiren, nicht ein seyend Seyn ist. Nämlich das Nichtannehmen seiner selbst macht in ihm das Seyn, so wie die Annehmlichkeit seiner selbst das Können. Aber das Können besteht nur so lange das Seyn besteht, so wie es sich seiner wirklich annimmt ist es schon das gezweyte Seyn, also auch nicht mehr das Können, und umgekehrt auch das Seyn, als das lautre Seyn, vergeht sobald es nicht mehr das Können ist, d.h. sobald es sich seiner wirklich annimmt. Das, was das Seyende selbst (αὐτὸ τὸ ὊΝ) ist, ist das seyend seyn Könnende, aber in dem ist es auch das nicht seyn-Könnende, eben weil das Seyende selbst.
Indem wir nun versuchen, den Satz: Es ist das seyend seyn Könnende nur als das nicht seyend seyn Könnende, auf die Strenge der Begriffe zurückzuführen, sehen wir wohl, daß der Begriff des seyend seyn Könnenden, obwohl an sich derselbe, doch in der zweyten Stelle mit einer andern Bestimmung gedacht werden muß als an der ersten, eine Bestimmung welche eben nur die Stelle gibt und die wir durch das als ausdrücken. Nun ist der Unterschied zwischen den beyden Stellen kein andrer, als daß, was an der ersten steht, als logisches Subject, das was an der zweyten als logisches Object oder als Prädicat gesetzt ist. Auf’s schärfste bestimmt, heißt also jener Satz nur soviel: Es ist das seyend seyn Könnende, als Subject nämlich, nur sofern das nicht seyend seyn Könnende als Prädicat, d.h. es ist das seyend seyn Könnende überall nur als Subject nicht als Prädicat, welches sich wieder in den Satz umkehren läßt, es ist als das seyend seyn Könnende überall nur Subject, nur das Voraus-Gesetzte (Hypothesis) nicht Gesetzte (Thesis) nur als das selbst nicht zur Sprache kommt, nur als das schlechthin Verborgne. Wir können auch sagen, in dem Satz: Es ist das seyend seyn Könnende nur als das das nicht seyend seyn Könnende ist habe das ist an beyden Stellen eine verschiedne Bedeutung. Es ist das seyn Könnende, nur zurückgezogen auf sich selbst (restrictive ad se ipsum), nicht in der Verdoppelung (reduplicative), welche eben durch das als ausgedrückt wird. Das ist an der ersten Stelle hat die völlig irreflexive, bloß inwohnende nicht übergehende (transitive) Bedeutung. Es ist nicht das ist der Copula, d.h. das eigentlich Aussprechende und Aussprechliche, sondern das an sich selbst
Indem wir nun also erkennen, daß jenes absolute Subject das seyend seyn Könnende nur im strengsten Sinne an sich ist, so entsteht uns für das eigentliche Aussprechen desselben eine Leere, die ausgefüllt werden muß. Es ist – dieses ist im Sinn der Copula genommen – aber was ist es denn? Nun unstreitig nicht Es Selbst; es ist – in diesem, im transitiven Sinn – nicht das seyend seyn Könnende. Damit ist aber nichts gesagt, denn es ist nur damit gesagt was es nicht ist, nicht aber was es ist. Es kann aber nicht Nichts seyn, sondern es muß Etwas seyn. Dieses Etwas, das es (im übergehenden Sinn) ist, kann nicht bloß das nicht seyn, was es an sich ist, es muß das Gegentheil von diesem seyn. Also da der Gegensatz des Könnens nur das Seyn ist, so ist es das lautre unentstellte Seyende, das Seyende selbst, in dem nichts von einem Können ist, das nicht-seyend seyn Könnende sondern nur Seyende und als solches seyn Müssende, das was Ist ohne alle Reflexion, blindlings, gradezu, das schlechthin und ewig Gegenwärtige.
Also, das absolute Subject der Existenz ist – zunächst das seyend seyn Könnende, aber das als das nicht seyend seyn Könnende ist – sondern als das Seyende, und zwar das schlechthin Seyende, das als solches seyn Müssende. Jenes ist das Verborgne, Innerliche, dieses das Äußerliche, das Offenbare an ihm. Jenes bloß das voraus Gesetzte nimmer aber Gesetzte, das Unerkennbare, wie in einer gänzlichen Vergessenheit,
Indem es aber das seyend seyn Könnende als das – seyn Müssende ist, so ist es, jetzt wenigstens und in dem von uns angenommenen Augenblick das sich nehmen Könnende nur inwiefern es sich nicht nimmt, und hinwiederum das sich nicht Nehmende nur inwiefern zugleich das sich nehmen Könnende, d.h. es ist weder das sich Nehmende noch das sich nicht Nehmende insbesondere – jenes nicht denn es ist das sich nehmen Könnende nur inwiefern das sich nicht Nehmende, dieses nicht, denn es ist das nicht sich Nehmende nur inwiefern zugleich das sich nehmen Könnende. Es ist also Indifferenz von sich Nehmen und sich nicht Nehmen, d.h. es ist noch ein Drittes, das es weder als Subject noch als Object seyn kann, demnach nur als die Einheit von beyden oder als das was über Subject und Object ist.
Dieses Dritte also kann es auch nicht auf dieselbe Art seyn wie es das Zweyte ist. Denn dieses, das lautre Seyende, ist es unmittelbar so wie es das seyend seyn Könnende ist, als das was es seyn muß; das Dritte aber weil dieß nicht unmittelbar ist, sondern nur mittelbar, ist es nicht, als das es seyn muß sondern als das es seyn soll, d.h. es ist als das Dritte selbst nicht das seyn muß, sondern das seyn soll, oder dem gebührt zu seyn. Welches einleuchtender noch auf folgende Art sich darthun läßt.
Indem es die Freyheit ist sich zu nehmen d.h. zu existiren, aber die als solche sich entschieden nicht nimmt, ist es ebendarum die als solche seyende Freyheit zu existiren, d.h. das als solche seyende absolute Subject der Existenz. Nun ist dieses, der Prototyp alles seyend-Seyns, eben das, dem allein gebührt zu seyn; durch die als solches seyende Freyheit zu seyn ist also das gesetzt, das eigentlich seyn soll, und wir sehen daher, nunmehr alles zusammenfassend, daß jener Prototyp der Existenz zwar vor Allem und
Hieraus erhellt aber auch von selbst, daß das absolute Subject der Existenz, als solches seyend, nicht bloß dieses und also das seyn Sollende ist, sondern dasjenige in sich schließt und sich selbst voraus setzt, was das nicht seyn Sollende ist; denn jenes Allerinnerlichste von ihm, das nicht übergehen könnte zum seyend Seyn, ohne daß es aufhörte, zu seyn was es ist, nämlich Freyheit zu existiren; jenes bloß voraus Gesetzte das, wirklich existirend, nicht mehr das wäre, das seyend seyn kann und nicht seyn kann, sondern nur, das seyend seyn konnte und nicht seyn konnte, d.h. das zufällig Seyende, dieses Allerinnerlichste also und voraus Gesetzte ist wohl eigentlich das nicht existiren Sollende, und wir sehen daß das was seyn soll ursprünglich nur seyn kann, inwiefern es sich das voraus setzt, das nicht seyn soll.
Es erhellt ebenso bestimmt, daß das absolute Subject der Existenz als solches seyend ursprünglich nicht als bloße Einheit seyn kann, sondern nur als Einheit die zugleich Allheit ist, wie sich von selbst versteht, daß es nicht bloße Allheit seyn könne, sondern nur Allheit die Einheit ist. Denn in dem seyend-nur seyn Könnenden, in dem seyend-seyn Müssenden und dem seyend-seyn Sollenden sind alle Verhältnisse zum Seyn erschöpft, d.h. außer diesen dreyen kann nichts seyn; also diese drey sind die Allheit. Nun kann jenes absolute Subject nicht das seyend-seyn Könnende seyn, als in dem es das seyend-seyn Müssende, und folglich auch das seyend-seyn Sollende ist, und umgekehrt es kann nicht das seyn, das seyn soll, ohne indem auch das seyend-nur seyn Könnende und das seyend-seyn Müssende zu seyn. Aber diese Allheit, die es ist, ist es nicht als Allheit sondern als Einheit und höchste Geistigkeit und wiederum die Einheit die es ist ist es nicht als bloße Einheit sondern als die zugleich Allheit ist. Denn das seyend seyn Könnende ist unmittelbar und als dieses das seyend seyn Müssende und eben durch das Eins-Seyn mit diesem das seyn Sollende. Das seyend seyn Könnende ist das sich selbst nehmen, sich selbst anziehen Könnende; als das sich wirklich anziehende schließt es nothwendig das sich nicht nehmen Könnende aus, aber als das sich anziehen Könnende ist es selbst nur als das sich nicht Anziehende, beyde sind sich völlig gleich und werden sich erst ungleich, wenn jenes zum wirklichen Seyn übergeht. Jedes ist nur auf entgegengesetzte Art was das andre, jenes indem nicht Object, dieses indem nicht Subject von sich selbst, ebendarum sind sie nur Eins, das auf völlig gleiche Weise als Subject und als Object sich betrachten läßt, das sich anziehen Könnende ist als solches dieselbe Selbstlosigkeit wie das sich nicht anziehen Könnende, jedes ist ein gleiches Nichtwollen seiner selbst oder um einen veralteten aber treffenden Ausdruck zurückzurufen die ganz gleiche Selbstunannehmlichkeit. Das sich wollen oder anziehen Könnende ist selbst als das sich nicht wollen Könnende, oder es selber nimmt den Raum ein, den dieses einnehmen könnte, und gibt daher diesem, als Gegensatz von Sich keine Statt, d.h. es ist selbst statt dieses. Eben dasselbe gilt von dem Ersten in Bezug auf das Dritte, welches nicht das sich wollen Könnende und nicht das sich nicht wollen Könnende ist – insbesondre nämlich und das eine ohne das andre sondern das sich nicht wollen Könnende nur so, daß zugleich das sich wollen Könnende und umgekehrt. Es ist daher auf’s Kürzeste gesagt das weder entschieden Sich Wollende noch nicht Wollende. Aber eben dieß ist ja auch das Erste, d.h. das sich wollen Könnende. Denn wenn es innerhalb des bloßen Könnens bleibt, will es sich weder noch will es sich nicht sondern ist eine völlige Gleichgültigkeit. Also ist auch das Dritte, das man als die Einheit von den beyden betrachten könnte doch nicht wieder etwas Besondres und das wirklich (realiter) außer dem Ersten und außer dem Zweyten wäre, sondern das sich anziehen Könnende ist an sich und seiner Natur nach auch das Gleichgültige, die Einheit und was seyn soll, das seyn Sollende wird dem nicht seyn Sollenden erst ungleich wenn dieses in’s wirkliche Seyn übergeht, aber solang’ es innerhalb des Könnens bleibt ist es selbst als das seyn Sollende oder statt desselben, wie Gutes und Böses im Kind nicht unterscheidbar sind, und im Menschen an dieselbe Stelle treten wo zuvor nur Eines war. Also gibt auch das Erste, d.h. das sich anziehen Könnende dem Dritten als Gegensatz von sich keine Statt sondern ist selbst gleich dem Dritten und als das Dritte. Die drey sind also nicht drey sondern sind nur Eines, und dieses Eine ist doch nicht bloß Eines, sondern es ist statt der drey, oder Urbild der drey (Instar eorum) und damit, mit dieser völlig geistigen Einheit, erheben wir uns erst zu dem ganzen und vollkommnen Begriff des Prototyps, wie er gleich zuerst oder vor allem andern ist.
Es trifft sich selten,
was das Erste und in der ganzen Natur der Dinge Älteste sey
, eine Frage, von der in dieser oder jener Form aber stets und nothwendig beginnt eine jede auf den Grund gehende Untersuchung, so ist zwar gleich einleuchtend, daß, inwiefern die Wahl ist nur zwischen dem Wesen und dem Seyn das Wesen nothwendig älter ist als das Seyn, denn das Seyn wird nur ausgesagt von dem Wesen und das Wesen vorausgesetzt von dem Seyn, doch ließe sich sagen, dieser Unterschied finde nur statt im Begriff, dem Begriff nach sey das Wesen wohl vor dem Seyn, in der That aber gleich seyend und von dem Seyn nicht zu trennen; aber ebendieses darf nicht zugeben, wer nicht gleich den Anfang aufgeben will, sondern das bloße Wesen als solches und ohne alles Seyn, dieses ist das Erste, der Grund, das allem Vorauszusetzende. Denn freylich das Wesen ist das, was seyend ist, aber ebendarum an sich nicht seyend, wie das, was rund oder warm oder farbig ist, ebendarum an sich nicht rund, nicht warm, nicht farbig ist. Ist es aber nicht an sich seyend, so müßte zu dem, was es ist, schon etwas hinzugekommen seyn, damit es sey und wäre, alsdann aber wäre nicht dieses jetzt seyende das Erste, sondern das zu dem jene Bestimmung hinzugekommen, d.h. das nicht seyende Wesen. Das Hinzugekommne wäre entweder eine bloß äußere Bestimmung, daß es etwa seyend wäre nur gegen oder in Bezug auf ein Andres, dann aber wäre dieses das Vorausgesetzte des Seyenden, und dieses, nicht aber das Seyende wäre der Anfang und das Erste. Oder es wäre seyend durch eine innre Bestimmung eine in ihm selbst vorgegangene Veränderung. Die Möglichkeit also, daß es auf solche Weise seyend werde, wollen wir nicht läugnen. Diese muß ihm bleiben, soll es nicht aufhören auch das Wesen zu seyn denn der Ausdruck: es ist an sich nicht seyend läßt eine verschiedne Bedeutung zu, je nachdem es sich auf diesen oder jenen Theil der Rede bezieht. Bezöge es sich auf das Prädicat, so wäre der Sinn dieser: Es ist nichtseyend; wenn nun nichtseyend und doch nicht Nichts, müßte es das Gegentheil von seyend seyn, die dem Seyn widerstrebende, entgegengesetzte Kraft, das Widerseyende daß wir so sagen. Dieses kann nicht der Sinn seyn, und in dieser Beziehung vielmehr ist von dem Wesen zu sagen es sey weder seyend noch nichtseyend, sondern eine völlige Gleichgültigkeit (Indifferenz) gegen das Seyn. Bezöge sich das nicht auf das Wesen selbst (das Subject), so wäre dieses auch als Subject des Seyns aufgehoben; der Sinn wäre: Es ist das Unseyende wie man sich ausdrücken müßte, d.i. was man gemeinhin Nichts nennt. Dieser Sinn der sogar die Möglichkeit aufhebe kann nicht gemeynt seyn, denn eben als Subject des Seyns wird das Wesen gedacht. Es bleibt nur der dritte, in welchem sich das nicht nur auf das ist (die Copula) bezieht, der nur das seyend-Seyn läugnet, nur sagt daß es nicht seyend ist aber weder es setzt als das Gegentheil des Seyenden, noch die Möglichkeit des seyend-Seyns aufhebt. Hat also das nicht in jenem Satz weder die verneinende noch die aufhebende Bedeutung, sondern die der bloßen Beraubung, so bleibt das Wesen ebendamit stehen als Möglichkeit des Seyns, und da diese Möglichkeit hier nicht eine äußere, bedingte, abgeleitete, sondern nur eine innre, unbedingte und ursprüngliche seyn kann, so bleibt das Wesen stehen – und was könnte es denn überall auch anders seyn, als eine lautere Freyheit zu seyn und nicht zu seyn, als das innere, lebendige – nicht Seyn aber – Seyn-Können.
Also wir könnten, um jetzt zur Ausführung des zweyten oben gesetzten Falls zurückzukehren, wir könnten, da das Wesen die unbedingte Macht und Freyheit ist zu seyn, da es auch an der Ausübung dieser Macht durch nichts gehindert ist – denn es ist einmal das, vor dem nichts seyn kann, und hat also auch nichts, vor dem Es selbst nicht seyn könnte, auch in dieser Beziehung ist es unbedingte durch nichts gehinderte Freyheit zu seyn – also wir könnten das Wesen gleich und unmittelbar als seyend setzen, so daß es zwar dem Begriff nach dem Seyn vorhergienge, der That nach aber stets und immer seyend wäre. Wir könnten freylich, aber wir können doch nicht. Wir könnten, wenn das Wesen sich selbst wüßte als Freyheit zu seyn – aber wie vermöchten wir dieß zu behaupten, es wisse sich selbst als Freyheit zu seyn? Durch es selbst ist nichts gegeben, als daß es Freyheit zu seyn ist – und dieses: Freyheit Seyn muß doch dem sich als Freyheit Wissen vorangehen. Das letzte ist nur durch einen Act des Bewußtwerdens möglich, das, wie jeder Act, jedes Werden, ein Seyn schon voraussetzt. Folge auch das Bewußtwerden unmittelbar auf das Seyn, es folgt ihm doch nur, einen Augenblick wenigstens – ist es bloß Freyheit zu seyn, ob dieser Augenblick wirklich nur ein Augenblick oder eine
Wir lassen einstweilen auf sich beruhen alle Folgerungen, die sich aus der Unterscheidung ergeben, daß es Freyheit zu seyn ist, aber die sich selbst nicht weiß als solche. Wir bleiben vorerst bey dem, von dem wir ausgingen, nämlich: anfangen, schlechthin anfangen lasse sich nur damit, daß wir das bloße Wesen setzen, d.h. die Freyheit zu seyn, nicht nur nicht als seyend, sondern ausdrücklich als nicht seyend. In dieser seiner Bloßheit ist es der ewige Grund, die lautre Substanz (id quod substat); das ist, was immer war, in dieser Tiefe fand es sich selbst als es zu sich kommend erwachte, ob es ein Augenblick war oder Jahrtausende, die es schlief ist für es selbst gleichgültig (hier ist die unendliche Zeit dem Augenblick, die Ewigkeit dem Punct gleich), für es selbst war es wie eine ewige Vergangenheit, etwas immer schon Gesetztes, das niemals nicht war (οὐκ ἦν ὁτε οὐκ ἦν), von der wahrhaft undenklichen Zeit her war, weil sich vorher Zeit, ja sogar Ewigkeit nicht einmal denken läßt. Denn das bloße Wesen ist, wodurch selbst der Grund der Ewigkeit gelegt ist. Dieses Wesen, in sich selbst
Wenn nun dieser Anfang der Welt unbekannt – er muß wohl unbekannt seyn, denn es muß am Anfang fehlen, weil dieser gefunden die Wissenschaft selbst nicht verfehlt werden könnte, wie sie zugestandner Maßen bis jetzt verfehlt ist – wenn sogar gegen den erkannten und dargelegten jedes eigenliebige Streben sich sträubt, so ist dieß ganz natürlich. Denn allerdings ist dieses nicht was wir eigentlich wollten, als wir zur Wissenschaft uns wandten; (könnte es aber Anfang seyn, wenn es das wäre, das eigentlich gewollt wird?) auch wird es nicht eigentlich gesetzt, nur voraus gesetzt; gesetzt um sogleich zu Andrem überzugehen, auch nicht wissend, sondern nur nicht wissend gewußt, gewußt als das nicht zu wissen ist: denn alles Wissen bezieht sich auf Seyendes und jenes Verborgne, indem als nicht seyend, wird ebendamit als das nicht Gewußte gesetzt. Es wird gesetzt nicht durch Annahme sondern durch Hinwegnahme der Erkenntniß. Ebensowenig wird es wollend gesetzt, gleichwie es selbst nicht freywillig ist was es ist; nicht um seiner selbst willen, sondern nur weil das eigentlich Gewollte nicht zu setzen ist – infolge eines unbedingten Müssens und einer sich selbst bewußten Ergebung, nicht unähnlich der blinden und bewußtlosen, mit der es selbst, von sich selbst aufgegeben, gleichsam der Tiefe sich weiht (se ipsum devovet).
Erst nachdem dieses Opfer gebracht ist, läßt sich an Wissenschaft denken; erst auf diesem Grunde das Gebäude des Seyns sich aufführen. Doch dieses ist tieferer Erforschung, zu der wir jetzt übergehen.
Unsere Entwicklung blieb bei dem Puncte stehen, daß es Freyheit zu seyn ist, aber die sich selbst nicht weiß als solche. Von hier fortdenkend, finden wir, daß Freyheit, die sich selbst nicht weiß als solche, auch nicht Freyheit ist. Wenn aber nicht Freyheit was denn? Nun eben Seyn. So ist der Wille wenn er wirklich will, freylich Wille; der Wille aber, der nicht will, ist nicht Wille sondern – eben Seyn. Das Können im Können, d.h. als solches wirkend, ist allerdings Können, aber das nicht wirkende, ruhende Können ist als Seyn. Also die sich selbst nicht wissende, nicht als solche seyende Freyheit ist – Seyn. Dieses Seyn muß aber von der Art seyn, daß das Können oder die Freyheit selbst dabey besteht (denn an sich oder innerlich ist ja das Wesen immer noch Können, das nicht Können ist
Wenn ich sage: der Cirkel ist ein Cirkel so habe ich damit nichts gesagt, und sogar wenn ich sage, der Cirkel ist eine Linie, die in allen ihren Puncten gleich weit von Einem Punct absteht, so habe ich nur auseinandergelegt, erklärt (
Drücken wir uns noch bestimmter aus, so beruht also das Seyn der Copula (versteht sich der wirklichen) oder daß A B ist stets auf einem ruhenden Können, auf einem Können, das nicht Können ist; es beruht darauf, daß A auch nicht =B seyn kann (nicht darauf daß es nicht =B nicht seyn kann), dieses Können aber nun ruht, nicht zur Sprache kommt, gleichsam vergessen, hintan- oder im eigentlichsten Sinne nur voraus gesetzt ist. Dem Kenner wird es nicht unangenehm seyn, bemerkt zu seh’n, daß das morgenländische kut von dem unser deutsches Können abstammt, welches im Hebräischen (Kun) den Begriff des Festen, der Substanz in sich schließt, im Arabischen (Kan) allgemein der Ausdruck für die Copula ist.
Dieses nun angewendet auf den gegenwärtigen Fall, so ist jenes lautre Können, inwiefern es nicht Seyn-Können ist (weil sich selbst nicht wissend als solches) insofern Seyn – aber Seyn wobey es selbst als Seyn-Können nicht aufgehoben, sondern nur – vorausgesetzt ist, Seyendes in der höchsten Reinheit und Geistigkeit, das Seyn selbst in der bloßen, lauteren Macht, lautre Aseität, unnahbare Schärfe.
Begriffe: A0, Freyheit zu seyn, Können=b in (a)=b, das seyn Müssende/Sollende, katabole, aufgegebener Actus, trochos/Widerstreit, Rotation
Inhalt: »Warum in der Schöpfung a=b wieder innerlich werden muß«
Sonstiges: Verweis auf Manuskript in 4, Seite 77b
Begriffe: Anfang, Seyendes/Etwas, Freyheit, Wissen, Philosophie (sophia), Bewegung, A0, A=B, +A0, der Wissende, Seyn/Etwas
Bogenzählung 1
Begriffe: Monotheismus, Polytheismus
Wenn die vor uns liegende Welt durch so viele Mittelzeiten herabgekommen endlich diese geworden ist: wie vermöchten wir denn auch nur das Gegenwärtige zu erkennen, ohne Wissenschaft des Vergangenen? Schon die Eigenheiten einer ausgez˖[eichneten] menschlichen Individualität scheinen uns oft ganz unbeg˖[reiflich], bis wir die besondern Umstände erfahren, unter welchen sie geworden ist und sich gebildet hat; und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Altertums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seiner Zusammensetzung und seiner successiven Entstehung auf die Spur gekommen sind. Wie viel mehr muß dieß bey einem so vielfach zusammengesetzten Individuum, als schon die Erde ist, der Fall seyn! Welche ganz andre Verwicklungen und Verschränkungen müssen hier stattfinden! Auch das Kleinste, bis zum Sandkorn herab muß Bestimmungen und Eigenheiten an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Wenn einst jedes Gewordene begriffen ist als die Frucht seiner Zeit und an seiner Entwicklungsstelle, wird der, welcher das Ganze übersieht nur lächeln können über die vielen treuherzigen
Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet.
Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.
Alle Wissenschaft von vergangnen Dingen (eine andre gibt es nicht) muß der gewöhnlichen Meynung zufolge entweder auf ein äußeres Zeugniß sich gründen oder durch ein inneres beglaubigt seyn. Wie lieblich ist der Ton der Erzählungen der heiligen Frühe der Welt, da alles noch zusammen war, wie im Hause des Vaters, bis erst später die Söhne ausgehen ein jeder nach seinem Geschäft, endlich das Geräusch der Stämme und Völker anhebt. Doch aus jener vorweltlichen Zeit tönt keine Sage bis zu uns herab; denn sie war die Zeit des Schweigens und der stillen Verborgenheit. Aber genau genommen reicht zur Wissenschaft nie und in nichts ein äußeres Mittel zu. Denn was wäre auch
Wie geht es aber mit jenem Innerlich-werden und dadurch Wissen des Vergangenen zu? Da es in uns nicht von außen hineinkommen kann, so muß es wohl schon da seyn, aber wie ein verdunkeltes und vergessnes doch nicht völlig ausgelöschtes Bild in der Seele. Wissenschaft ist also im eigentlichen Verstand Erinnerung und wenn wir von Dingen, die wir selbst erlebt und gegenwärtig mit
Wenn aber im Menschen ein solcher lebendiger Zeuge der Vergangenheit wohnt, warum dann können wir das Vorweltliche nicht mit der Gradheit und Einfalt wie anderes unmittelbar Gewußtes erzählen? Der Sache wie der Wortbedeutung nach ist Wissenschaft nichts anders als Historie; warum kann sie es nicht durchaus auch der Form nach seyn?
Wir befinden uns in Ansehung jener göttlichen Vergangenheit im Falle eines Menschen, der die dunkle Erinnerung einer geschehenen Handlung hat, aber erst mittelbar durch andre Umstände durch Entfernung der sie in seinem Gedächtniß verdunkelnden Vorstellungen dazu gelangt, sie sich allmälig und gleichsam stückweise zurückzurufen. Was wir Wissenschaft nennen ist also noch nicht die volle Erinnerung, sondern ein Streben nach dem Wiederbewußtwerden also mehr ein Trachten nach Wissenschaft als sie selbst; aus welchem Grunde ihr unstreitig von jenem hehren Manne des Altertums der Name Philosophie beygelegt worden ist, bey dem es auch wohl für immer sein Bewenden haben wird.
Sie ist darum auch nicht eine unthätige sich von selbst anbietende Erinnerung, sondern eine thätige, in einem innern Verkehr mit uns selbst bestehende, wobey wir uns sozusagen verdoppeln,
Bogenzählung I
Begriffe: Freyheit zu sein, Seyn-Können Müssende
Bogenzählung II.
Begriffe: Einheit/Zweyheit, hen kai pan, [Jehova], Müssen/Sollen
Bogenzählung III.
Begriffe: absolute Freyheit zu seyn, -A, +A, +-A
Bogenzählung IV
Bogenzählung V
Begriffe: Seynkönnen, Freyheit zu seyn, Ungrund, Müssende, Einheit/Zweyheit
derjenigen Willen arm genannt, der weil er alles in sich hat, nichts außer sich hat
. Auf gleiche Weise ist jener scheinbar verneinende Satz, daß das Ewige weder das Seyn noch selbst das Seyende ist, wodurch er den Unwiss˖[enden] ein Nichts zu werden scheint die höchste aller Bejahungen. Denn dasjenige, von welchem weder das eine noch das andre als als Eigenschaft haben; und was der Kraft nach alles Seyende ist, kann als dieses es nicht zugleich der That nach seyn.
Wir haben es bereits angedeutet: Wille ist über allem Seyn. Der Wille in seiner Lauterkeit hat kein Seyn, und ist nur frey, weil er kein Wirkliches ist. Ebendieser aber, da er nach außen Nichts ist, ist in sich Alles, denn er hat die Kraft zu allem Seyn in sich, und die Vermögenheit, in jedem Augenblick wirklich zu seyn, in dem er sich selbst hervorbringt und im eigentlichsten Sinn Ursache von sich selbst ist.
Indem nun offenbar geworden ist, daß das Existirende schon in einer Nothwendigkeit der Entwicklung sich befinde, und daß es also das von uns gesuchte Erste sey, über dem eben nichts gedacht werden kann, denn der Wille: so ist klar, daß das Ewige nichts andres sey, denn ein lautrer, ewiger Wille, der gleichsam ganz bloß ist, nichts vor noch außer sich, und übernichts hat als sich selbst, in sich selbst aber oder der Kraft nach alles ist.
Diese höchste Lauterkeit des Wesens, in der selbst das reine Seyn als ein dunkler Fleck erscheint, ist jener Glanz des unzugänglichen Lichtes in dem das Höchste wohnt, die verzehrende Schärfe der Reinheit, der der Mensch nur mit gleicher Lauterkeit des Wesens sich nähern kann. Denn da es alles Seyn in sich als in einem Feuer verzehrt, so muß es jedem unnahbar seyn, der noch im Seyn befangen ist; der nicht fühlt, daß er in sich zu Nichts werden muß, damit ihm das Höchste, das ebenfalls ein Nichts, die höchste Einfalt ist etwas werden könne.
Es ist darum sogar nothwendig die Frage: ob diese reine Wesentlichkeit selbst Gott zu nennen sey, nicht vielmehr der Glanz, der ihn einhüllt, in dem er verborgen ist und aus dem er erst als Gott hervortritt. Denn Über-Gottheit
zu sprechen, gar unähnlich darinn den Neueren, welche in einem höchst verkehrten Eifer diese Ordnung umkehren wollten.
Vorweltlich könnte das Ewige nur im sehr uneigentlichen Sinn genannt werden; denn es ist über aller Zeit, es ist ein ewiger Anfang, ein Anfang der nicht aufhört, und der noch heute Anfang ist, wie er es immer war.
Von dem Ewigen gilt also auch jene Rede, daß unsre Wissenschaft Erinnerung sey, in sofern nicht, als in dieser eine Beziehung auf Vergangenheit gedacht wird. Denn das Ewige kann nie zu einem Vergangnen werden, sondern als die zeitl˖[ose] Gegenwart als der Anfang der ewig Anfang ist ist es Gegenstand einer unmittelbaren, und immer gleichen Erkenntniß, der einzigen ihrer Art. Dieses allein kann nicht theil- und stückweise erkannt werden; es wird entweder ganz oder gar nicht erkannt. Dieses trifft das ihm Ähnliche unsres Wesens mit geradem unaufgehaltnem Strahl, und mit solcher Gewalt, daß das eigne Sehen in uns vergeht, damit es selbst in uns sehend werde, so daß es nicht Noth thut, wie Viele meynen, sich zu mühen um diese Erkenntniß zu erlangen sondern eher gegen sie zu streiten, um das Recht unsres eigenen Wissens gegen sie zu erhalten. Nur wer diese Erkenntniß kennt, der und sonst keiner ist zur höchsten Wissenschaft geweiht.
Wie gelangen wir nun aber von dem Ewigen zu dem Ersten, von dem alle Entwicklung anhebt?
Der ewige Wille kann nicht unthätig seyn, obwohl er sich auch nicht außer sich bewegen kann. Er ist ein ewiges Quellen aus und in sich selber. Es ist ihm so gewiß er Wille ist, unmöglich nicht zu wollen, aber sein Wollen kann nicht von der Art seyn, nicht daß er möchte oder rathschlüge, denn er hat nichts vor sich und ist nicht ein Gedoppeltes sondern ein absolutes Eins. Er ist nichts denn ein stilles Sinnen über sich selbst, ein ewiges Suchen, und in diesem Suchen ein Finden seiner selber. In diesem Suchen seiner selbst oder Wollen seiner selbst erweckt oder schließt er aber unmittelbar einen Widerspruch in sich. Er kann sich nicht wollen, außer als ein bestimmtes Besondres, gleichsam als sein eignes für sich bestehendes Wesen; er will also zuvörderst selbst seyn, aber er will zugleich das seyn, was er ist, als ewige Freyheit, als Nichts und Alles, als Wesen aller Wesen, unendliche Ausfließlichkeit und Mittheilsamkeit.
In der Betrachtung der göttlichen Natur wird gewöhnlich auf zweyerley Art gefehlt. Denn der eine Theil denkt sich den wahren Gott als ein von der Welt und allem andern abgeschnittnes, besonderes, rein persönliches Wesen, wodurch also die Creatur ausgeschlossen wird und der Begriff eines Wesens aller Wesen gänzlich verloren geht. Der andre aber möchte ihm gar kein besondres, eignes, für sich bestehendes Daseyn lassen, sondern ihn in die allgemeine Substanz der Dinge auflösen, die gleichsam nur Träger oder Unterlage für sie ist. Nun ist jedoch keines von diesen ohne das andre. Denn das Wesen oder Allgemeine der Gottheit ist, daß sie eine ausfließende mittheilende Kraft, also lautre Güte und Liebe ist; aber um als dieses allgemeine Wesen zu seyn, muß sie zuerst ein besonderes, eignes, selbstkräftiges Wesen seyn; das Individuelle muß die Unterlage des Allgemeinen seyn, denn dieses, da es das Nichts der Eigenheit und also dem Seyn entgegenwirkend ist, könnte selbst nicht seyn, wenn ihr nicht eine andre Kraft entgegenstünde. Das Etwas ist der Träger des Nichts, das selbst nicht seyn kann Die Liebe sucht nicht das ihre, und könnte daher ohne gegenwirkende Kraft selbst nicht seyn. Da sie unendlich
Hier sehen wir also den Gegensatz der beyden Principien, der Liebe und des Zorns, der ausbreitenden und der anziehenden Urkraft
Da das ewige Wollen diese beyden Kräfte, als nothwendige zu seinem Wesen gehörige nur im Sich-selbst Suchen erweckt hat, so kann es nicht anders, als sich in ihnen finden, d.h. sich in diesen beyden zusammennehmen, und so gleichsam durch eine geistige Contraction sich zumal in seiner Ganzheit setzen. Es möchte auffallen, daß da wir die zusammenziehende Urkraft schon als eines der beyden Principien gefunden haben, hier das Selbsterfassen, sich-selbst-Setzen wieder als ein Sich-zusammenziehen, zusammennehmen beschrieben wird. Der Erfahrene weiß, daß dieselben Principien, die in einem sich Bildenden innerlich wirken, oder in ihm coexistiren, es sind, die auch wieder äußerlich die Principien seines Lebens sind, und im Verlauf seines Lebens nach einander hervortreten. Der gegenwärtige Fall ist nur der erste dieses allgemeinen Gesetzes, das wir in einer Menge von Beyspielen immer wiederkehren sehen werden.
Alles Seyn ist Contraction, und die zusammenziehende Grundkraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft. In der Anziehung liegt der Anfang. Warum geht alles vom Engen in’s Weite, vom Kleinen zum Großen fort, da es ja sonst ebenso gut auch umgekehrt seyn könnte? Die Menschen sind zwar gewohnt, weil sie meist bey dem äußern Daseyn stehen bleiben, die Existenz für etwas ganz vom Willen Unabhängiges anzusehen. Sollten sie aber auf ihr wesentliches und innres Daseyn aufmerken, so würden sie wohl finden, daß im eigentlichsten Verstande jeder nur so viel ist, als er will, wenn gleich nicht leicht einer so viel als er wünscht. Sie würden bemerken, daß ohne Antheil ihres eignen Selbst auch das Beste, das in ihnen der Anlage nach seyn mag, zu keiner Wirklichkeit gedeiht, und wie sie die Eigenschaften die ihnen bequem sind, durch sorgfältige Pflege allerdings erhöhen und in’s Licht zu stellen fähig sind. Ja auch dieß würden sie erfahren, daß es in ihrer Macht steht, eine Seite ihrer Existenz ganz aufzugeben und sie dadurch zur Vernichtung, wenigstens zur Latenz zu bringen, damit die andre desto fröhlicher aufgehe. Ein Wesen, das sich seiner selbst nicht annimmt, ist als wäre es nicht. Sich selber wollen, sich seiner annehmen, sich zusammenfassen, sich in seiner Ganzheit setzen ist alles Eins, ist allein die thätige, die wahre Existenz.
Derselbe ewige Wille also, der in seiner Lauterkeit ohne alles Seyn ist, gibt sich in jenem Zusammenziehen, durch die bloße stille Kraft seines sich selber Wollens ein Seyn; wie es die That des außerzeitlichen unergründlichen, darum aber doch unläugbaren Willens des Menschen ist, wodurch er sich selber ein Seyn macht, sich zu einem bestimmten Wesen begränzt, und den Charakter gibt der durch kein zeitliches Handeln entsteht, sondern jeder einzelnen Handlung schon als vorausgehend gedacht werden muß.
Allgemein kann gesagt werden, daß ein jeder Wille in seiner Bloßheit und Lauterkeit sich selber ein Seyn macht, sich mit einem Seyn gleichsam überzieht, indem er vermöge der Kraft und Allvermögenheit selbst, die er in sich enthält, und die je lautrer desto schärfer ist, sich nicht in dieser Abstraction erhalten kann, sondern gleichsam gedrungen in ein Seyn ausbricht.
Durch jene Zusammenziehung entsteht nun zwar ein Gedoppeltes für die Betrachtung, da zuvor nur Ein absolutes Eins war. Das Zusammenziehende nämlich und das aus der Zusammenziehung Gewordene. Jenes erlangt unstreitig eine doppelte Seite oder ein doppelt Verhältniß nach oben, oder als Anfang
Aber nach unten und gleichsam in der Folge seines urersten Actus betrachtet – also die Zusammenziehung einmal gesetzt ist es nicht mehr frey – denn durch den Actus der Contraction selbst setzt es sich als das Band zwischen den beyden Principien
Diese Innigkeit hat sich ein jeder, ohne beschränkte Begriffe oder Vorurtheile, recht einzuprägen, um das, was wir das Erste nennen, recht zu begreifen.
Es ist aber doch nothwendig (eben des Widerspruchs mit seiner Freyheit wegen) in dem Freyen oder Zusammenziehenden das dringende Streben, sich in jenem, eingeschloßnen Objectiven wirklich zu beschauen, es demnach als ein Äußeres und Offenbares zu setzen. Hiedurch entstehet der lebhafteste Streit um das Leben. Denn der Gegensatz sehnt sich beständig nach der Einheit, und hält sie fest als das, wovon er selbst das Leben hat.
So also ist das Verhältniß der beyden Urkräfte noch immer ein freyes, ein ruhendes, ein in Stillstand übergehendes. Da aber ihr Verhältniß zu einander jeden Augenblick ein andres ist, so ist auch jenes Band zwischen ihnen obwohl bloß innres nicht eine stillstehende Einheit, sondern ein unaufhörliches immer neu sich selbst erregendes Spiel voller Beschaulichkeit. Denn da in dem steten unabläßigen Umlauf alle möglichen Stellungen und Verhältnisse der beyden Kräfte vorkommen, so entsteht in jeder Stellung ein Blick oder Gesicht des ihr entsprechenden Geschöpfs, ein Blick, weil das Geschöpf in der steten Bewegung aus dem durchsichtigen Seyn nur aufblickt, im Aufsteigen wieder vergeht, so daß nichts stetes oder stehendes wird, sondern alles in unaufhörlicher Bildung ist, eine wundervolle mit großer Kraft in einandergestimmte Harmonie. Denn als die geistigste der Künste hat die edle Tonkunst vorzugsweise das Recht, Bild für jenes große innigste, Leben zu seyn. Die Bewegung einer jeden Musik, die ebenfalls nur ewiges Ausquellen, ohne stehende Bildung, ist schon äußerlich dadurch Umlaufsbewegung, daß sie von einem Grund oder Anfangston ausgeht, in denen sie nach mannichfaltigen Abschweifungen immer zurückkehrt.
Um dieß noch deutlicher zu begreifen, muß die Natur des Bandes oder jener unteren Einheit noch genauer eingesehen werden. Das Band wird von dem Ewigen beständig gesetzt oder erschaffen, durch die fortdaurende Contraction, ohne welche der Proceß stillstände. Von ihm verschieden, aber ohne sich von ihm trennen und ihm äußerlich werden zu können, wird dem Umtrieb, der aus dem Drang des Seyenden, sich selbst auszusprechen entsteht, in Ansehung des Verhältnisses der Kräfte in jedem Augenblick ein andres das Höchste und das niedrigste was es einst in seiner Freyheit hervorbringen kann, wird hier, obgleich nur vorübergehend, geschaffen. Denn da es der Trennung beständig entgegenwirkt und in jeder möglichen Constellation sich als ein Einheits-Band wiederherstellt, so ist es selbst eigentlich in dieser Bewegung das Schaffende jener Der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege; ehe er was machte war ich da. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde, da die Tiefen noch nicht waren, da die Bronnen noch nicht mit Wasser quollen, ehe denn die Berge eingesenkt waren, da war ich der Werkmeister bey ihm, und hatte reine Lust täglich und spielete vor ihm allezeit.
Hier also, von der Weisheit gebildet, wurden alle Dinge zuerst in Gott gesehen, hier ging mit jedes Wesen durch seinen Lichtpunkt und erhielt die göttliche Bestätigung. In dieser Bewegung, die zugleich durch die ganze Tiefe des Wesens ging (die jeder einzelne Punkt auch wieder für sich machte, weil er im aufsteigenden Positiven entstanden; beym noch höher aufsteig˖[enden] oder sink˖[enden] wieder verging) erlangten zugleich alle ihre erste Abtheilung und Unterschiedlichkeit von einander, je nachdem sie dem Mittelpunkt oder Umkreiß der Bewegung näher und je nachdem in ihnen Liebe oder Zorn überwiegen sollte. Denn bey jeder Stellung der zwey Principien gegeneinander mußte zwischen ihnen, da ihre Einheit doch nicht zertrennlich war ein lebendiger Strahl entstehen, wie in der Musik Strahlen schießen, wodurch ein Ton seinen entsprechenden findet, und so bey fortgesetztem Umtrieb da der Umfang desselben nach allen Seiten getheilt wurde endlich die höchstmögliche Zertheilung bis in’s Kleinste geschehen, alles jedoch auf dynamische Art und ohne andre als geistige Ausbreitung.
Aber auch die beyden Kräfte selbst gelangten in diesem Umtriebe das erste Mal zur gegenseitigen Durchdringung und wechselseitiger Empfindung von einander. Denn angenommen daß die zusammenziehende Kraft die verendlich[end]e oder leiblich machende ist, die ausdehnende die verunendlichende, geistig machende, so konnte es nicht fehlen, daß nicht in diesem drangvollem Umtrieb und Ringen der Kräfte der Same des Geistigen in das Leibliche gieng dieses hingegen den zartesten Hauch des Leiblichen in sich zog und so das Unendliche auf die thätigste Weise in’s Endliche, dieses hinwiederum in jenes gebildet wurde. Das Leidende wurde in’s Wirkende und Thätige erhöht, dieses hingegen in’s Leidende gezogen und dadurch der erste Grund zur Kraft der Empfindung und Vorstellung gelegt, welche immer eine wechselseitige Gegenwart des Einen in dem Andern voraussetzt.
Der Umlauf selbst ist die gesetzte Zeit, oder die wirkliche, die existirende Ewigkeit. Haben wir überhaupt das in der Zusammenziehung gewordene Seyn, diese erste, noch innere von ihm untrennbare Natur des zuvor naturlosen Gottes das Seyn; können wir im Gegentheil das Zusammenziehende so fern es noch in der Freyheit betrachtet wird das Seyenden
Dieses also, ist das gesuchte Erste der Anfangspunkt aller Entwicklung. Dieses, wie wir es beschrieben, ist der Zustand der ersten Wirklichkeit, wie er unmittelbar aus der Unwirklichkeit, der Wesentlichkeit oder Lauterkeit entspringt, das zuvor fühllose Eins ist in seiner ganzen Ausbreitung fühlend und fühlbar geworden, ein schlagender Punkt, ein ewiger Anfang des Lebens in nie aufhörender Systole und Diastole, hat sich unmittelbar aus dem Unscheinbaren Unerkenntlichen und Verborgenen gebildet. Denn wie es nicht von dem Willen des Herzens abhängt, sich jetzt auszudehnen jetzt zusammenzuziehen oder sich alle Bewegung zu versagen, wie es der Nothwendigkeit seiner Natur nach in unabläßiger Bewegung ist und sich nicht ausdehnen kann ohne in demselben Augenblick sich zusammenzuziehen und in den nämlichen stirbt, in welchem es sich eben ausdehnte, unmittelbar hernach sich zusammenzuziehen und umgekehrt ebenso ist, die erste, aus dem freyen Willen entsprungene und ewig frey bleibende Contraction einmal gesetzt, das nicht mehr frey, sondern gedrungen zu jener mächtig umtreibenden unerschöpflichen Bewegung, die eine vollständige, obgleich noch innerliche Schöpfung ist.
Eben dieser Zustand der ersten Wirklichkeit ist die unmittelbare Vergangenheit des jetzigen Zustands, denn alles was höher liegt gehört der Ewigkeit an und hat kein Verhältniß zu der Zeit.
Wodurch ist dieser Zustand, der in Bezug auf die Kreatur ein Zustand des streng kräftigsten