Schelling

Schelling Nachlass-Edition


I
Die Weltalter
Erstes Buch
Die Vergangenheit
Druck I
1811

Einleitung

Das Vergangene wird gewußt, das Gegenwärtige wird erkannt, das Zukünftige wird geahndet.

Das Gewußte wird erzählt, das Erkannte wird dargestellt, das Geahndete wird geweissagt.

Die bisher geltende Vorstellung von der Wissenschaft war, daß sie eine bloße Folge und Entwickelung eigener Begriffe und Gedanken sey. Die wahre Vorstellung ist, daß es die Entwickelung eines lebendigen, wirklichen Wesens ist, die in ihr sich darstellt.

Es ist ein Vorzug unserer Zeiten, daß der Wissenschaft das Wesen wiedergegeben worden, und zwar, wie wohl behauptet werden darf, auf eine nicht wieder verlierbare Weise. Es ist nicht zu hart, wenn geurtheilt wird, daß nach dem einmal geweckten dynamischen Geist jedes Philosophiren, das nicht aus ihm seine Kraft nimmt, nur noch als ein leerer Mißbrauch der edeln Gabe zu sprechen und zu denken angesehen werden kann.

Das Lebendige der höchsten Wissenschaft kann nur das Urlebendige seyn, das Wesen, dem kein anderes vorausgeht, also das älteste der Wesen.

Dieses Urlebendige, da nichts vor oder außer ihm ist, von dem es bestimmt werden möchte, kann sich, in wiefern es sich entwickelt, nur frey, aus eigenem Trieb und Wollen, rein aus sich selber, aber eben darum nicht gesetzlos, sondern nur gesetzmäßig entwickeln. Es ist keine Willkühr in ihm; es ist eine Natur im vollkommensten Verstande des Worts, wie der Mensch der Freyheit unbeschadet, und eben dieser wegen eine Natur ist.

Nachdem die Wissenschaft der Materie nach zur Objektivität gelangt ist, so scheint es eine natürliche Folge, daß sie dieselbe der Form nach suche.

Warum war oder ist dieß bis jetzt unmöglich? Warum kann das Gewußte auch der höchsten Wissenschaft nicht mit der Geradheit und Einfalt wie jedes andere Gewußte erzählt werden? Was hält sie zurück die geahndete goldne Zeit, wo die Wahrheit wieder zur Fabel und die Fabel zur Wahrheit wird?

Dem Menschen muß ein Princip zugestanden werden, das außer und über der Welt ist; denn wie könnte er allein von allen Geschöpfen den langen Weg der Entwicklungen, von der Gegenwart an bis in die tiefste Nacht der Vergangenheit zurück verfolgen, er allein bis zum Anfang der Zeiten aufsteigen, wenn in ihm nicht ein Princip vor dem Anfang der Zeiten wäre? Aus der Quelle der Dinge geschöpft und ihr gleich hat die menschliche Seele eine Mitwissenschaft der Schöpfung. In ihr liegt die höchste Klarheit aller Dinge und nicht sowohl wissend ist sie als selber die Wissenschaft.

Aber nicht frey ist im Menschen das überweltliche Princip noch in seiner uranfänglichen Lauterkeit, sondern an ein anderes geringeres Princip gebunden. Dieses andere ist selbst ein gewordenes und darum von Natur unwissend und dunkel; und verdunkelt nothwendig auch das höhere, mit dem es verbunden ist. Es ruht in diesem die Erinnerung aller Dinge, ihrer ursprünglichen Verhältnisse, ihres Werdens, ihrer Bedeutung. Aber dieses Ur-bild der Dinge schläft in der Seele als ein verdunkeltes und vergessenes, wenn gleich nicht völlig ausgelöschtes Bild. Vielleicht würde es nie wieder erwachen, wenn nicht in jenem dunkeln selber die Ahndung und die Sehnsucht der Erkenntniß läge. Aber unaufhörlich von diesem angerufen um seine Veredlung bemerkt das Höhere, daß das Niedere ihm nicht beygegeben ist, um von demselben gefesselt zu bleiben, sondern damit es selbst ein Anderes habe, in welchem es sich beschauen, darstellen und sich verständlich werden könne. Denn in ihm liegt alles ohne Unterscheidung, zumal, als Eins; in dem andern aber kann es, was in ihm Eins ist, unterscheidbar machen, aussprechen, auseinanderlegen. Darum verlangen beyde gleich sehr nach der Scheidung, jenes, damit es in seine ursprüngliche Freyheit heimkehre und sich offenbar werde, dieses damit es von ihm empfangen könne und ebenfalls obgleich auf ganz andere Art wissend werde.

Diese Scheidung, diese Verdoppelung unsrer selbst, dieser geheime Verkehr, in welchem zwey Wesen sind, ein fragendes und ein antwortendes, ein wissendes oder vielmehr das die Wissenschaft selber ist, und ein unwissendes nach Klarheit ringendes, diese innere Unterredungskunst, das eigentliche Geheimniß des Philosophen ist es, von welcher die äußere, die davon Dialektik heißt, nur das Nachbild, und wo sie zur bloßen Form geworden, der leere Schein und Schatten ist.

Also erzählt wird seiner Natur nach alles Gewußte; aber das Gewußte ist hier kein von Anbeginn fertig daliegendes und vorhandenes, sondern ein aus dem Innern immer erst entstehendes. Durch innerliche Scheidung und Befreyung muß das Licht der Wissenschaft aufgehen, ehe es äußerlich werden kann. Was wir Wissenschaft nennen, ist nur erst Streben nach dem Wiederbewußtwerden, also mehr noch ein Trachten nach ihr, als sie selbst; aus welchem Grund ihr unstreitig von jenem hohen Manne des Alterthums der Name Philosophie beygelegt worden ist. Denn die von Zeit zu Zeit gehegte Meynung, die Philosophie durch Dialektik endlich in wirkliche Wissenschaft verwandeln zu können, verräth nicht wenig Eingeschränktheit, da ja eben das Daseyn und die Notwendigkeit der Dialektik beweißt, daß sie noch keineswegs wirkliche Wissenschaft ist.

Der Philosoph befindet sich im Grunde in keinem andern Fall als der andre Historiker auch. Denn auch dieser bedarf erstens vieler Scheidungskunst oder Kritik, um das Falsche von dem Wahren, das Irrige vom Rechten in den erhaltenen Ueberlieferungen zu sondern. Auch bedarf er gar sehr jene Scheidung in sich selbst, wohin das gehört was man zu sagen pflegt, er müsse sich von den Begriffen und Eigenheiten seiner Zeit frey zu machen suchen, und noch vieles andre, wovon hier zu reden zu weitläuftig wäre.

Alles, schlechthin alles, auch das von Natur äußerliche, muß uns zuvor innerlich geworden seyn, ehe wir es äußerlich oder objektiv darstellen können. Wenn im Geschichtsschreiber nicht selbst die alte Zeit erwacht, deren Bild er uns entwerfen will: so wird er nie anschaulich, nie wahr, nie lebendig darstellen. Was wäre alle Historie, wenn ihr nicht ein innrer Sinn zu Hülfe käme? Was sie bey so vielen ist, die zwar das meiste von allem Geschehenen wissen, aber von eigentlicher Geschichte nicht das Geringste verstehen. Nicht bloß menschliche Begebenheiten, auch die Geschichte der Natur hat ihre Denkmäler, und man kann wohl sagen, daß sie auf ihrem weiten Schöpfungsweg keine Stufe verlassen, ohne etwas zur Bezeichnung zurückzulassen. Diese Denkmäler der Natur liegen großentheils offen da, sind vielfach durchforscht, zum Theil wirklich entziffert, und doch reden sie uns nicht und sondern bleiben todt, ehe jene Folge von Handlungen und Hervorbringungen dem Menschen innerlich geworden: denn vom Innerlichwerden fängt alles Wissen und Begreifen an.

Nun haben einige gemeynt, es sey möglich, jenes Untergeordnete ganz bey Seite zu setzen, und alle Zweyheit in sich aufzuheben, so daß wir gleichsam nur innerlich seyen und ganz im Ueberweltlichen leben. Wer kann die Möglichkeit einer solchen Versetzung des Menschen in sein überweltliches Princip und demnach einer Erhöhung der Gemüthskräfte in’s Schauen schlechthin läugnen? Ein jedes physisches und moralisches Ganzes bedarf zu seiner Erhaltung von Zeit zu Zeit der Reduktion auf seinen innersten Anfang. Der Mensch verjüngt sich immer wieder und wird neuselig durch das Einheitsgefühl seines Wesens. In eben diesem schöpft besonders der Wissenschaftsuchende beständig frische Kraft; nicht der Dichter allein, auch der Philosoph hat seine Entzückungen. Er bedarf ihrer, um durch das Gefühl der unbeschreiblichen Realität jener höheren Vorstellungen gegen die erzwungenen Begriffe einer leeren und begeisterungslosen Dialektik verwahrt zu werden. Ein anderes aber ist, die Beständigkeit dieses anschauenden Zustandes verlangen, welches gegen die Natur und Bestimmung des jetzigen Lebens streitet. Denn wie wir sein Verhältniß zu dem vorhergehenden ansehen mögen, immer wird es darauf zurückkommen, daß was in diesem untheilbarerweise zusammen war, in ihm entfaltet und theilweis auseinandergelegt werde. Wir leben nicht im Schauen; unser Wissen ist Stückwerk, d.h. es muß stückweis, nach Abtheilungen und Abstufungen erzeugt werden, welches nicht ohne alle Reflexion, geschehen kann.

Daher wird auch der Zweck im bloßen Schauen nicht erreicht. Denn im Schauen an und für sich ist kein Verstand. Auch in der äußern Welt sieht ein jeder mehr oder weniger das nämliche und kann es doch nicht jeder aussprechen. Ein jedes Ding durchläuft, um zu seiner Vollendung zu gelangen, gewisse Momente: eine Reihe aufeinander folgender Prozesse, wo immer der spätere in den früheren eingreift, bringt es zu seiner Reife: diesen Verlauf in der Pflanze z.B. sieht der Bauer so gut als der Gelehrte und kennt ihn doch nicht eigentlich, weil er die Momente nicht auseinanderhalten, nicht gesondert, nicht in ihrer wechselseitigen Entgegensetzung betrachten kann. Eben so kann der Mensch jene Folge von Prozessen, wodurch aus der höchsten Einfalt des Wesens zuletzt die unendliche Mannigfaltigkeit erzeugt wird, in sich durchlaufen und unmittelbar gleichsam erfahren, ja, genau zu reden, muß er sie in sich selbst erfahren. Aber alles Erfahren, Fühlen, Schauen ist an und für sich stumm und bedarf eines vermittelnden Organs, um zum Aussprechen zu gelangen. Fehlt dieses dem Schauenden oder stößt er es absichtlich von sich, um unmittelbar aus dem Schauen zu reden, so verliert er das ihm nothwendige Maß, er ist Eins mit dem Gegenstand und für jeden dritten wie der Gegenstand selber; ebendarum nicht Meister seiner Gedanken und im vergeblichen Ringen das unaussprechliche dennoch auszusprechen ohne alle Sicherheit; was er trifft, das trifft er, jedoch ohne dessen gewiß zu seyn, ohne es fest vor sich hinstellen und im Verstande gleichsam als in einem Spiegel wieder beschauen zu können.

Also um keinen Preis aufzugeben ist jenes äußere Princip; denn es muß alles erst zur wirklichen Reflexion gebracht werden, damit es zur höchsten Darstellung gelangen könne. Hier geht also die Gränze zwischen Theosophie und Philosophie, welche der Wissenschaftliebende keusch zu bewahren suchen wird. Die erste hat an Tiefe, Fülle und Lebendigkeit des Inhalts vor der letzten gerade soviel voraus, als der wirkliche Gegenstand vor seinem Bilde, die Natur vor ihrer Darstellung voraus hat; und allerdings bis zur Unvergleichbarkeit geht diese Verschiedenheit, wenn eine todte das Wesen in Formen und Begriffen suchende Philosophie zur Vergleichung genommen wird. Daher die Vorliebe inniger Gemüther für sie, die ebenso leicht erklärbar ist, als die Vorliebe für die Natur im Gegensatz der Kunst. Denn diesen Vorzug haben die theosophischen Systeme vor allen bisher geltenden, daß in ihnen wenigstens eine Natur ist, wenn auch eine ihrer selbst nicht mächtige, in den andern dagegen nichts als Unnatur und eitle Kunst. Aber so wenig Natur der recht verstandnen Kunst, so wenig ist die Fülle und Tiefe des Lebens recht verstandner Wissenschaft unerreichbar; nur allmähliger gelangt sie dazu, mittelbarer und durch stufenweises Fortschreiten, so daß der Wissende immer von seinem Gegenstande verschieden, dagegen dieser auch von ihm getrennt bleibt und Objekt einer besonnenen, ruhig genießenden Beschauung wird.

Hindurchgehen also durch Dialektik muß alle Wissenschaft. Aber, kommt nie der Punkt, wo sie frey und lebendig wird, wie im Geschichtschreiber das Bild der Zeiten, bey dessen Darstellung er seiner Untersuchungen nicht mehr gedenkt? Kann nie wieder die Erinnerung vom Urbeginn der Dinge so lebendig werden, daß die Wissenschaft, da sie der Sache und der Wortbedeutung nach Historie ist, es auch der äußern Form nach seyn könnte, und der Philosoph, dem göttlichen Platon gleich, der die ganze Reihe seiner Werke hindurch dialektisch ist, aber im Gipfel und letzten Verklärungspunkt aller historisch wird, zur Einfalt der Geschichte zurückzukehren vermöchte.

Unserem Zeitalter scheint es vorbehalten gewesen zu seyn, den Weg zu dieser Objektivität der Wissenschaft für immer zu öffnen. So lange diese auf das Innerliche beschränkt bleibt, fehlt es ihr an dem natürlichen Mittel äußerer Darstellung. Jetzt ist, nach langen Verirrungen, die Erinnerung an die Natur, und an ihr vormaliges Einsseyn mit ihr, der Wissenschaft wieder geworden. Aber dabey blieb es nicht. Kaum waren die ersten Schritte, Philosophie mit Natur wieder zu vereinigen, geschehen, als das hohe Alter des Physischen anerkannt werden mußte, und wie es, weit entfernt das Letzte zu seyn, vielmehr das Erste ist, von dem alle, auch die Entwickelung des göttlichen Lebens, anfängt. Nicht mehr von der weiten Ferne abgezogener Gedanken beginnt seitdem die Wissenschaft, um von diesen zum Natürlichen herabzusteigen; sondern umgekehrt, vom bewußtlosen Daseyn des Ewigen anfangend, führt sie es zur höchsten Verklärung in einem göttlichen Bewußtseyn hinauf. Die übersinnlichsten Gedanken erhalten jetzt physische Kraft und Leben, und umgekehrt wird Natur immer mehr der sichtbare Abdruck von den höchsten Begriffen. Eine kurze Zeit, und die Verachtung, womit ohnedies nur noch die Unwissenden auf alles Physische herabsehen, wird aufhören, und noch einmal wahr werden das Wort: Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein worden. Dann wird die so oft vergebens gesuchte Popularität von selbst sich ergeben. Dann wird zwischen der Welt des Gedankens und der Welt der Wirklichkeit kein Unterschied mehr seyn. Es wird Eine Welt seyn, und der Friede des goldnen Zeitalters zuerst in der einträchtigen Verbindung aller Wissenschaften sich verkünden.

Bei diesen Aussichten, welche die gegenwärtige Schrift auf mehr als eine Weise zu rechtfertigen suchen wird, darf sich wohl ein oft überlegter Versuch hervorwagen, der zu jener künftigen objektiven Darstellung der Wissenschaft einige Vorbereitung enthält. Vielleicht kommt der noch, der das größte Heldengedicht singt, im Geist umfassend, wie von Sehern der Vorzeit gerühmt wird, was war, was ist und was seyn wird. Aber noch ist diese Zeit nicht gekommen. Wir dürfen unsere Zeit nicht verkennen. Verkündiger derselben, wollen wir ihre Frucht nicht brechen, ehe sie reif ist, noch die unsrige verkennen. Noch ist sie eine Zeit des Kampfs. Noch ist des Untersuchens Ziel nicht erreicht; noch muß, wie die Rede von Rhythmus, Wissenschaft von Dialektik getragen und begleitet werden. Nicht Erzähler können wir seyn, nur Forscher, abwägend das Für und das Wider jeglicher Meynung, bis die rechte feststeht, unzweifelhaft, für immer gewurzelt.

Erstes Buch
Die Vergangenheit

Wie lieblich ist der Ton der Erzählungen aus der heiligen Frühe der Welt, da noch alles zusammen ist im Hause des Vaters, bis die Söhne ausgehen ein jeder nach seinem Geschäft, endlich das Geräusch der Stämme und Völker anhebt!

Doch nicht von diesen reden wir hier; die Geschichte der Entwickelungen des Urwesens haben wir uns vorgesetzt zu beschreiben und zwar anfangend von seinem ersten noch unaufgeschlossenen Zustand, der vorweltlichen Zeit.Zu benützen bei Vorrede zu den W.A.

Keine Sage tönt aus jener Zeit herab, denn sie ist die Zeit des Schweigens und der Stille. Nur in göttlichen geoffenbarten Reden leuchten einzelne Blitze, welche diese uralten Finsternisse zerreißen.

Doch vor allem in uns selbst müssen wir die Vergangenheit zurückrufen, um zu finden, wovon alles ausgegangen und was zuerst den Anfang gemacht. Denn je menschlicher wir alles nehmen, desto mehr können wir hoffen, uns der wirklichen Geschichte zu nähern.

Aber selbst dieß, daß wir eine Vergangenheit in so hohem Sinne annehmen, scheint in gar vieler Hinsicht der Rechtfertigung zu bedürfen.

Wäre die Welt, wie einige sogenannte vermeynte Weise gemeynt behauptet haben, eine rück- und vorwärts ins Endlose auslaufende Kette von Ursachen und Wirkungen; so gäbe es im eigentlichen Verstande weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft. Aber dieser ungereimte Gedanke Ungedanke sollte billig mit dem mechanischen System, welchem allein er angehört, zugleich verschwunden seyn.

Wie wenige kennen eigentliche Vergangenheit! Ohne kräftige, durch Scheidung von sich selbst entstandene, Gegenwart gibt es keine.; wieviele erfreuen sich einer solchen? Der Mensch, der sich seiner Vergangenheit nicht entgegenzusetzen fähig ist, hat keine, oder vielmehr er kommt nie aus ihr heraus, lebt beständig in ihr. Ebenso jene, welche immer die Vergangenheit zurückwünschen, die nicht fortwollen, indeß alles vorwärts geht, und die durch ohnmächtiges Lob der vergangenen Zeiten wie durch kraftloses Schelten der Gegenwart beweisen, daß sie in dieser nichts zu wirken vermögen.

Die meisten scheinen überhaupt von keiner Vergangenheit zu wissen, als der, welche sich in jedem verfließenden Augenblick durch eben diesen vergrößert, und die offenbar selbst noch nicht vergangen, d.h. von der Gegenwart geschieden ist.

Wäre aber jedoch auch in jedem Sinne bewährt die alte Rede, daß nichts Neues in der Welt geschehe; wäre auf die Frage, was ist’s, das geschehen ist? noch immer jene Antwort die richtige: Ebendas, was hernach geschehen wird, und auf die, was ist’s, das geschehen wird? Ebendas, was zuvor geschehen ist, so würde daraus nur folgen, daß die Welt in sich keine Vergangenheit und keine Zukunft habe; daß alles, was in ihr von Anfang geschehen ist, und was bis zum Ende geschehen wird, nur zu Einer großen Zeit gehört; daß die eigentliche Vergangenheit, die Vergangenheit schlechthin, die vorweltliche ist; die eigentliche Zukunft, die Zukunft schlechthin, die nachweltliche – und so würde sich uns ein System der Zeiten entfalten, von welchem das der menschlichen nur ein Nachbild, eine Wiederholung in engerem Kreise wäre.

Alles, was uns umgibt, weist an eine unglaublich hohe Vergangenheit zurück. Der Erde selbst und einer Menge ihrer Bildungen muß ein unbestimmbar höheres Alter zugeschrieben werden als dem Geschlecht der Pflanzen und der Tiere, diesen wieder ein höheres als dem Geschlecht des Menschen. Wir sehen eine Reihe von Zeiten, von denen je eine der andern folgte und immer die folgende die vorhergehende zudeckte; nirgends zeigt sich etwas Ursprüngliches, eine Menge nach und nach angelegter Schichten,von S. durch den entsprechenden Absatz in Druck II (u. S. 120) ersetzt. die Arbeit von Jahrtausenden muß hinweggenommen werden, um endlich auf den Grund zu kommen.

Wenn die vor uns liegende Welt durch so viele Mittelzeiten herabgekommen endlich diese geworden ist: wie vermöchten wir auch nur das Gegenwärtige zu erkennen ohne Wissenschaft des Vergangenen? Schon die Eigenheiten einer ausgezeichneten menschlichen Individualität sind uns oft unbegreiflich, bis wir die besonderen Umstände erfahren, unter welchen sie geworden ist und sich gebildet hat. Und der Natur sollte man so leicht auf ihre Gründe kommen? Ein hohes Werk des Alterthums steht als ein unfaßliches Ganzes vor uns, bis wir der Art seines Wachsthums und seiner allmäligen Entstehung auf die Spur gekommen sind. Wie viel mehr muß dieß bey einem so vielfach zusammengesetzten Individuum, als schon die Erde ist, der Fall seyn! Welche ganz andre Verwicklungen und Verschränkungen müssen hier stattfinden! Auch das Kleinste, bis zum Sandkorn herab, muß Bestimmungen an sich tragen, hinter die es unmöglich ist zu kommen, ohne den ganzen Lauf der schaffenden Natur bis zu ihm zurückgelegt zu haben. Alles ist nur Werk der Zeit und nur durch die Zeit erhält jedes Ding seine Eigenthümlichkeit und Bedeutung.

Wenn aber einmal die Basis aller der wahre Grund und Anfang auch der Erkenntniß, Wissenschaft oder Herleitung aus der Vergangenheit ist, wo ist hier ein Stillstand? Denn auch bey’m letzten Sichtbaren angekommen, findet der Geist noch eine nicht durch sich selbst begründete Voraussetzung, die ihn an eine Zeit weist, da nichts war, als das Eine unerforschliche Wesen, das alles in sich verschlungen enthielt, und von sich selbst seyende Wesen, aus dessen Tiefe sich alles hervorgebildet; und wenn nun dieses wieder recht im Geiste betrachtet wird, entdecken sich auch in ihm neue Abgründe und nicht ohne eine Art von Entsetzen, ähnlich dem, womit der Mensch erfährt, daß seine friedliche Wohnung über dem Heerd eines uralten Feuers erbaut ist, bemerkt er erkennt er endlich, daß auch in dem Urwesen selbst etwas als Vergangenheit gesetzt werden mußte, ehe die gegenwärtige Zeit möglich wurde, daß eben dieses Vergangene noch immer im Grunde verborgen liegt, und daß dasselbe Princip in seiner Unwirksamkeit uns trägt und hält, das in seiner Wirksamkeit uns verzehren und vernichten würde. es ist, was die gegenwärtige Schöpfung trägt und noch immer im Grunde verborgen ist.

Ich habe gewagt, die Gedanken, welche sich mir über das Organische der Zeit und der drey großen Abmessungen derselben, die wir als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterscheiden, durch oft wiederholte Betrachtung gebildet haben, schriftlich aufzuzeichnen; doch nicht in strengwissenschaftlicher, nur in leicht mittheilender Form, damit sie die Unvollständigkeit ihrer Ausbildung selbst anzuerkennen scheinen, welche ihnen, obgleich lang’ umhergetragenen, nach allen Seiten zu geben der Drang der Zeiten nicht erlaubt hat.

Wie vielgestaltig ist das Ansehen der Zeit! Im Begriff gegen das ewig Wahre gehalten, wie leer, daß es verzeilich scheint, sie für ein Spielwerk unserer Gedanken auszugeben, das aufhörte, sobald wir nicht mehr Stunden und Tage zählten! Jetzt ein unmerkliches geisterartiges Wesen, das mit so leisem Tritt wandelt, daß wir mit dem Morgenländer sagen möchten: Sie ruht ohne daß sie aufhört zu fliegen, und sie fliegt ohne daß sie aufhört zu ruhen; jetzt mit Schritten einhertretend, unter denen die Erde erbebt, Völker zusammenstürzen.

Schon längst, wäre nicht auch für solche abgezogne Untersuchungen die Zeit vorübergeeilt, konnte es verdienstlich seyn, Form und Wirklichkeit, Schein und Wesen in der Zeit genau zu scheiden. Bey dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft verlangen wir mit Recht, alles gleich im Leben und That zu sehen und handeln die großen Gegenstände nicht mehr einzeln, oder getrennt nach Kapiteln, ab. Wir ahnden einen in der Zeit tief verborgen liegenden und bis ins Kleinste gehenden Organismus. Wir sind überzeugt (oder wer ist es nicht?) daß jedem großen Ereigniß, jeder folgenvollen That ihr Tag, ihre Stunde, ja ihr Augenblick bestimmt ist, und daß sie kein Nu früher an’s Tageslicht tritt, als die Kraft will, welche die Zeiten anhält und mäßigt. Wäre es nun auch freilich zu viel gewagt, die Abgründe Tiefen der Zeiten Zeit jetzt schon durchschauen zu wollen; so ist doch der Augenblick gekommen, das große System der Zeiten in seinem weitesten Umfange zu entwickeln.

Doch ehe wir den langen dunkeln Weg der Zeiten von Anbeginn betreten, sey es uns verstattet, mit wenigen Worten das Höchste was jenseits aller Zeit liegt auszusprechen, das über aller Zeit ist, und in aller Entwicklung sich offenbaren will.

Es ist nur Ein Laut in allen höheren und besseren Lehren, daß das Seyn schon ein tieferer Zustand des Wesens, und daß sein urerster unbedingter Zustand über allem Seyn ist. Einem jeden von uns wohnt das Gefühl bey, daß Die Nothwendigkeit dem Seyn als sein Verhängniß folgt. Alles Seyn strebt zu seiner Offenbarung und in sofern zur Entwicklung; alles Seyende hat den Stachel des Fortschreitens, des sich Ausbreitens in sich, Unendliches ist in ihm verschlossen, das es aussprechen möchte; denn ein jedes Seyendes verlangt nicht bloß innerlich zu seyn, sondern das, was es ist, auch wieder, nämlich äußerlich zu seyn. Nur über dem Seyn wohnt die wahre, die ewige Freyheit. Freyheit ist der bejahende Begriff der Ewigkeit oder dessen, was über aller Zeit ist.

Den meisten, weil sie jene höchste Freyheit nie empfanden, scheint es das Höchste, ein Seyendes oder Subjekt zu seyn; daher fragen sie: was denn über dem Seyn gedacht werden könne? und antworten sich selbst: Das Nichts, oder dem Aehnliches.

Ja wohl ist es ein Nichts, aber wie die lautre reinste Freyheit ein Nichts ist; wie der Wille, der nichts will, der keiner Sache begehrt, dem alle Dinge gleich sind, und der darum von keinem bewegt wird. Ein solcher Wille ist Nichts und ist Alles. Er ist Nichts, in wie fern er weder selbst wirkend zu werden begehrt, noch nach irgend einer Wirklichkeit verlangt. Er ist Alles, weil doch von ihm als der ewigen Freyheit allein alle Kraft kommt, weil er alle Dinge unter sich hat, alles beherrscht und von keinem beherrscht wird.

Die Bedeutung der Verneinung ist allgemein eine sehr verschiedene, je nachdem sie auf das Innere oder Aeußere bezogen wird. Denn die höchste Verneinung im letzten Sinn muß Eins seyn mit der höchsten Bejahung im ersten. Was alles in sich hat ist, kann es eben darum nicht nichts zugleich äußerlich haben. Ein jedes Ding hat Eigenschaften, woran es erkannt und gefaßt wird; und je mehr es Eigenschaften hat, desto faßlicher ist es. Das Größte ist rund, ist eigenschaftslos. Am Erhabenen findet der Geschmack, d.i. die Unterscheidungsgabe, nichts zu schmecken, so wenig als am Wasser, das aus der Quelle geschöpft ist. König, sagt ein Alter, ist, der nichts hofft, und der nichts fürchtet. So wird in dem sinnreichen Spiel eines älteren deutschen Schriftstellers voll Innigkeit derjenige Wille arm genannt, der, weil er alles in sich hat, nichts außer sich hat, das er wollen kann der an nichts hängt, weil er sich selbst genug ist, nichts hat, das er wollen kann..

So ist die Ewigkeit ebendarum, weil sie nichts Seyendes und nach außen stumm und als reinste Wirkungslosigkeit ist, in sich selbst die höchste Wesentlichkeit.

Wie fangen wir es nur an, diese Lauterkeit zu beschreiben? Fragen wir nur, was im Menschen allem wirklichen, allem bedingten Seyn vorangeht; denn was im Menschen das Höchste ist, das ist in Gott, das ist in allen Dingen das Wesen, die eigentliche Ewigkeit. Sehet ein das Kind an, wie es in sich ist ohne Unterscheidung, und ihr werdet in ihm ein Bild der reinsten Göttlichkeit erkennen. Wir haben sonst das Höchste ausgesprochen als die wahre, die absolute Einheit von Subjekt und Objekt, da keins von beyden und doch die Kraft zu beyden ist. Es ist die reine Frohheit in sich selber, die sich selbst nicht kennt, die gelassene Wonne, die ganz erfüllt ist von sich selber und an nichts denkt, die stille Innigkeit, die sich freut ihres nicht Seyns. Ihr Wesen ist nichts als Huld, Liebe und Einfalt. Sie ist im Menschen die wahre Menschheit, in Gott die Gottheit. Daher wir gewagt gedrungen sind, jene Einfalt des Wesens über Gott zu setzen, wie schon einige der Aelteren von einer Ueber-Gottheit geredet, unähnlich darinn den Neueren, die in verkehrtem Eifer diese Ordnung wieder umkehren wollten. Sie ist nicht Gott, sondern der Glanz des unzugänglichen Lichtes, in dem Gott wohnt, die verzehrende Schärfe der Reinheit, welcher der Mensch nur mit gleicher Lauterkeit des Wesens sich nähern kann. Denn da sie alles Seyn in sich als in einem Feuer verzehrt, so muß sie jedem unnahbar seyn, der noch im Seyn befangen ist.

Daher die so allgemeine Frage: wie wir denn diese Lauterkeit erkennen? Die einzige Antwort ist: werde in dir selber eine gleiche Lauterkeit, fühle und erkenne sie in dir als das Höchste und du wirst sie unmittelbar als das absolut Höchste erkennen. Denn wie soll dem, der in sich selbst zertheilt und vielfältig ist, die höchste Einfalt Etwas werden?

In Ansehung des Menschen ist freylich alle Wissenschaft Erinnerung: in Bezug auf die Ewigkeit nicht, welche nie Vergangenheit werden kann. Nur der Mensch bedarf der Befreyung, damit sein Wesen wieder sey, was es an sich ist, ein Blick der lautersten Gottheit, in welchem so wenig ein Subjekt oder Objekt unterschieden ist, als in ihr selber. Daher ist gerade die Erkenntnis des Höchsten die einzige ihrer Art, was Unmittelbarkeit betrifft und Innigkeit. –

Wodurch wurde diese Seligkeit bewogen, ihre Lauterkeit zu verlassen und herauszutreten in das Seyn? – Dieß ist der gewöhnliche Ausdruck der Frage über das Verhältniß der Ewigkeit zum Seyn, des Unendlichen zum Endlichen. Aber es ist schon oft bemerkt worden, es sey unmöglich, daß diese Lauterkeit je aus sich selbst heraustrete, unmöglich, daß sie etwas von sich absondere, ausstoße, oder daß sie überhaupt nach außen wirke. Sie kann ewig nur in sich selbst bleiben: nur innere Bewegungen lassen sich in solcher Innigkeit denken; ja auch dieses läßt sich nicht einmal sagen, daß in ihr etwas vorgehe; denn sie ist ganz Eins mit ihrem Thun, und es selber.

Laßt es uns auch hier wieder menschlich nehmen; vielleicht daß es uns gelingt, jenes Verhältniß, das in der Abgezogenheit der Begriffe schwer zu fassen ist, anschaulicher zu erkennen. Wer vermag es, die Regungen einer Natur in ihren Uranfängen genau zu beschreiben, wer diese geheime Geburtsstätte des Wesens zu enthüllen? Doch läßt sich soviel einsehen, daß eine jede Natur im Zustande der ersten Innigkeit nichts sey als ein stilles Sinnen über sich selbst, das aber, weil sie es nicht von sich abzusondern vermag, seiner selbst nicht bewußt seyn kann; ein In-sich-gehen, ein Sich-suchen und Sich-finden, das je inniger desto wonnevoller ist, und die Lust erzeugt, sich zu haben und sich äußerlich zu erkennen, welche Lust sodann den Willen empfängt, der der Anfang zur Existenz ist.

Nur empfangen wird dieser Wille, nicht gezeugt, denn in dem lauteren Wesen ist keine zeugende, nach außen wirkende also auch keine außer sich zeugende Kraft. Also zeugt jener andre Wille, der der Wille zur Existenz ist, sich selbst, und ist darum der ewige Wille zu nennen. da der erste mehr das Wollen der Ewigkeit selber war. Denn es ist hier auch an kein Werden oder Anfangen aus dem Vorhergehenden zu denken; denn vor dem andern Willen war die Ewigkeit als ein Nichts; sie war, was wie dein Ich war, ehe es sich selbst gefunden und empfunden; sie war, aber sie war als wäre sie nicht, und konnte darum auch nichts anderem thätig vorausgehen, noch der Anfang zu Etwas etwas seyn. Aller Anfang ist erst von Alle Wirkung kommt nur von und mit dem andern Willen, der, weil ihm der erste nicht reell vorausgehen kann, in seiner Art eben so absolut seyn muß, als der Wille der nichts will.

Allgemein angenommen ist, die Zeit sey der Ewigkeit Widerspiel und Gegensatz, doch zugleich in einem nothwendigen Verhältniß zu ihr. Dieses Verhältniß kann nicht so vorgestellt werden, als ob die Ewigkeit in der Zeit aufhörte und durch sie als Vergangenheit gesetzt würde. Denn die Ewigkeit ist ewig Ewigkeit; und alle Vergangenheit gehört selbst schon zu der Zeit. Wenn wir ein Samenkorn der Erde übergeben, so ist es als das Werk einer anderen Zeit unabhängig von der Zeit der zukünftigen Pflanze und könnte beziehungsweise auf diese wohl als ewig angesehen werden: aber kaum wirken die Kräfte der Erde und des Wassers in ihm, so greift es in die Zeit der werdenden Pflanze ein, nicht dadurch, daß es in ihr fortbesteht, sondern daß es als Samenkorn aufhört zu seyn und als Vergangenheit gesetzt wird. Beweis genug, daß es die Zeit schon als Möglichkeit enthielt.

Aber ebensowenig läßt sich denken, die Ewigkeit sey das unmittelbar Setzende der Zeit: denn weder, wie sie überhaupt wirkend werde, ist zu begreifen, noch wie sie als das absolut sich selbst Gleiche das ihr Ungleiche hervorbringen sollte.

Nur ein von der Ewigkeit als solcher verschiedenes, ja nur ein ihr thätig entgegengesetztes Princip kann das erste Setzende der Zeit seyn. Aber doch kann dieses Princip von der Ewigkeit nicht absolut getrennt; es muß, schon des Gegensatzes wegen, auf andere Weise wieder Eins mit ihr seyn.

Wenn jener zweyte, in der Lauterkeit des Wesens sich selbst erzeugende, Wille der Wille zur Existenz ist, und wenn mit dem Seyn Streben zur Offenbarung und zur Entwicklung kommt: so ist dieser andre Wille das erste Setzende der Möglichkeit einer Zeit; denn von der Wirklichkeit ist noch überall nicht die Frage.

Dieser andre Wille aber ist in der Ewigkeit und schon darum ein seiner Natur nach ewiger Wille. Er ist, wie wir uns ausdrücken können, der Ewigkeit gleich der Existenz nach.

Aber er ist verschieden von ihr ja ihr entgegengesetzt durch die völlig andre Natur, schon darum, weil jene der Wille ist, der nichts will, dieser aber der bestimmte Wille, der Etwas will. Wenn die Ewigkeit in sich selbst nichts anderes ist, denn unendliches Ausquellen und Bejahen ihrer selbst; so muß jener andre Wille beziehungsweise auf sie einschränkender, zusammenziehender, verneinender Natur seyn.

Also erkennen wir zwey gleich ewige Willen, die der Natur nach verschieden ja entgegengesetzt sind, aber der Existenz nach Ein Wesen ausmachen.

Alle sind darinn einstimmig, daß die Gottheit ein Wesen aller Wesen, die reinste Liebe, unendliche Ausfließlichkeit und Mittheilsamkeit ist. Aber sie behaupten doch zugleich, daß die Gottheit als solche existire. Aber von sich selbst gelangt die Liebe nicht zum Seyn. Existenz ist Eigenheit, ist Absonderung; die Liebe aber ist das Nichts der Eigenheit, sie sucht nicht das ihre und kann darum auch von sich selbst nicht existirend seyn. Ebenso ein Wesen aller Wesen hat nichts, das es trägt und da es nicht an sich persönlich ist, so muß das besondere, persönliche Wesen, das wir Gott nennen, ihm erst einen Grund machen. Nur das Etwas ist der Träger des Nichts, das selbst nicht seyn kann. Wollten wir auch einen persönlichen Gott als etwas sich von selbst verstehendes annehmen: so würde er doch so wenig als irgend ein persönliches Wesen, der Mensch z.B., aus bloßer Liebe bestehen können. Denn diese, die ihrer Natur nach unendlich ausbreitend ist, würde zerfließen und sich selbst verlieren ohne eine zusammenhaltende Kraft, die ihr Bestand gibt. Aber so wenig die Liebe existiren könnte ohne eine ihr widerstehende Kraft: so wenig diese ohne die Liebe. Wäre die Kraft der Eigenheit allein oder hätte sie auch nur das Übergewicht: so wäre entweder Nichts oder es wäre nur das ewig sich Verschließende und Verschlossene, in welchem nichts leben könnte, womit also der Begriff eines Wesens aller Wesen verloren und die Kreatur ausgeschlossen wäre. Denn gegen das Geschöpf wäre jene Kraft der Selbstheit in Gott vernichtendes und verzehrendes Feuer, ewiger Zorn, der nichts duldete, wenn ihm die Liebe nicht wehrte, tödtliche Zusammenziehung wie von der Kälte in unsrer Planetenwelt, wenn die Sonne aus ihr hinweggenommen wäre.

Wir sehen jedoch in der gegenwärtigen Entwicklung diesen zweyten Willen, den wir auch wohl den eigenen der Gottheit nennen könnten, gleich im Beginne dem ersten, wenigstens dem Begriff nach, untergeordnet. Die Liebe erscheint als das wahre Wesen; obgleich von sich selbst nicht seyend, ist sie doch im Gegensatz mit der andern Kraft das allein eigentlich Seyende, diese dagegen verhält sich nur als Grund ihrer Existenz, als das, was nicht selber noch um sein selbst willen ist, sondern nur ist, damit die Liebe als das wahre Wesen seyn könne; also als ein beziehungsweise Nichtseyendes.

Dieses Verhältniß des andern Willens, wornach er sich zu dem Wesen als Nichtseyendes verhält, hat die Betrachter auf mancherley Art irregeführt. Einige dadurch, daß sie glaubten, diese als Nichtseyendes sich verhaltende Kraft sey auch in sich selber nichtseyend, also ein Nichts. Weßhalb die Idealisten sie kurzweg als eine gar nicht und auf keine Weise vorhandene zu behandeln pflegen. Aber schon der göttliche Platon hat in der höchsten Allgemeinheit gezeigt, wie nothwendig auch das Nichtseyende sey und wie ohne diese Einsicht überall Gewißheit von Zweifel, Wahrheit von Irrthum nicht unterscheidbar seyn würde. Hier, wo dieses Princip gleich in seinem lebendigen Verhältniß zu dem höheren dargestellt worden, wird es genug seyn, an folgendes zu erinnern.

Das Seyn kann als solches allerdings nie das Seyende seyn; aber es gibt eben kein bloßes Seyn, kein reines, leeres Objektives, in welchem gar nichts Subjektives wäre. Das Nichtseyende ist nicht absoluter Mangel an Wesen, es ist nur das dem eigentlichen Wesen entgegengesetzte, aber darum in seiner Art nicht minder positive Wesen; es ist, wenn jenes die Einheit ist, der Gegensatz und zwar der Gegensatz schlechthin oder an sich. Schon darum ist eine ewige Kraft, ja wir würden richtiger sagen, es sey die ewige Kraft schlechthin, die Stärke Gottes, wodurch vor allem andern Er Selbst als Er Selbst ist, der einzige, von allem abgeschnittene, der zuerst und allein seyn muß, damit anderes seyn könne. Ohne dieses wirkende Princip wäre der Begriff der Einzigkeit Gottes ein leerer, ein gemeinverneinender Begriff. Wenn auch Gott gewollt hat, daß dieses Princip dem Wesen als der eigentlichen Gottheit in ihm unterworfen sey: so ist es darum doch in sich nicht weniger ein Lebendiges. Gott der eigentlich seyende ist über seinem Seyn; der Himmel ist sein Thron und die Erde sein Fußschemel; aber auch das in Bezug auf sein höchstes Wesen Nichtseyende ist so voll von Kraft, daß es in ein eignes Leben ausbricht. So erscheint in der Vision des Propheten, wie sie Raphael dargestellt hat, der Ewige nicht von dem Nichts, sondern von lebendigen Thiergestalten getragen. Nicht minder groß hat der hellenische Künstler das Aeußerste menschlicher Schicksale, den Tod der Kinder der Niobe am Fuße des Thrones gebildet, auf welchem sein olympischer Zeus ruht, und selbst den Schemel des Gottes durch die Vorstellung der Amazonenkämpfe mit kräftigem Leben geschmückt.

Auf andere Weise aber hat dieser Begriff Andere befangen, deren blindem Gefühl die Kraft der Existenz das Höchste ja das Göttliche selber zu seyn scheint. Diese haben wohl eine Empfindung vom Ewigen oder von Gott, aber die zarte Gottheit, die in Gott selber über Gott ist, haben sie nicht empfunden. Weil nun die Kraft der Existenz auf der Dunkelheit oder ihrem thätigen Gegensatz gegen das Wesen und das ihm Verwandte beruht: so scheint sie unaussprechlich und unerkenntlich, oder, wie ein Alter, obwohl in anderer Beziehung, sich ausdrückt, nur dem Nichterkennenden erkennbar zu seyn. Daher dann eben jene, welche auf diese Kraft das größte ja das einzige Gewicht legen, auf die Meynung gerathen sind, das Wissen bestehe im Nichtwissen, alles wissende Wissen löse das Seyn auf und vernichte es.

Allein abgesehen davon, daß die Kraft des Seyns in dieser Vorstellung überhaupt zu hoch, nämlich als das einzig zu Erkennende, genommen worden: so ist auch die Folge nicht richtig, daß darum alles Wissen seiner Natur nach ein Nichtwissen sey. Denn unfaßlich ist das Seyn soweit und inwiefern es Nichtseyendes ist; soweit es aber als Nichtseyendes dennoch ein Seyendes ist, soweit ist es allerdings faßlich und erkennbar. Das Seyende und das Nichtseyende in ihm sind nämlich nicht zwey, sondern einerley Wesen nur von verschiedenen Seiten betrachtet. Das, wodurch es Nichtseyendes ist, ist dasselbe, wodurch es Seyendes ist. Denn Nichtseyendes ist es nicht wegen Mangel an Licht oder Wesen, sondern als aktive Verschlossenheit, thätiges Zurückstreben in die Tiefe und Verborgenheit, also als wirkende Kraft, die in ihrer Art ebenfalls ein Wille, also nothwendig ein seyendes und in so fern erkennbares ist.

Von jetzt beginnt eine neue Epoche der Betrachtung.

In dem Willen, der nichts will, war keine Unterscheidung, weder Subjekt noch Objekt, sondern höchste Einfalt. Der zusammenziehende Wille aber, der der Wille zur Existenz ist, scheidet beydes in ihr. Denn er erzeugt sich in dem Willen, der nichts will, nicht anders, als wie sich ein Wille im Gemüth des Menschen erzeugt, und ist in so fern von ihm umfangen und gehalten, so daß er, obschon ein eigner von ihm verschiedener Wille, doch der That nach von ihm nicht zu trennen ist. Wie aber der Wille des Gemüths das Gemüth selbst fesselt und bindet: so hält der eigne oder zusammenziehende Wille auch die Liebe fest; denn nur von ihr, die in sich wirkungslos ist, kommt alle Kraft, und ohne sie vermöchte er nicht schaffender noch wirkender Wille zu seyn. Also will er nicht von ihr lassen und macht sich selbst zum Objekt oder Wirkenden von ihr, sie aber zum Subjekt, Innern, Latenten von sich und setzt die, die zuvor nicht seyend war, dadurch als seyend. In der Zusammenziehung aber kehrt sich dieß in so fern um, als hier das bejahende Princip in Bezug auf die contrahirende Urkraft zwar Objektives, aber nicht Wirkendes noch frey Ausfließendes, sondern Leidendes, Eingeschlossenes, Latentes wird.

Die Mitte aber, oder das Band zwischen Subjekt und Objekt ist eben der zusammenziehende Wille selber, inwiefern er sich nach oben zum Objekt macht und dadurch die Liebe festhält, daß sie seyend wird; nach unten aber sich selbst zum Subjekt macht und mit der von oben genommnen Kraft das Wesen zum Seyn zusammenzieht.

Also haben wir von nun an nicht mehr zwey Willen, sondern den Einen aus beyden zusammengewachsnen Willen zu betrachten, den ich den ersten wirkenden Willen, oder seiner Ganzheit nach auch schlechtweg das erste Wirkliche nennen werde.

Die Menschen sind gewohnt, das Seyn als etwas ganz Willenloses und gleichsam nur als eine Zugabe zum Wesen anzusehen. Gleichwohl, wenn sie auf die innere Existenz Acht geben wollten, würden sie das Gegentheil finden und z.B. bemerken, daß ohne Antheil ihres eignen Selbst auch das Beste, das in ihnen der Anlage nach seyn mag, zu keiner Wirklichkeit gedeiht. Denn bey den ihnen bequemen und besonders vortheilhaften Eigenschaften wissen sie wohl, sie durch sorgfältige Pflege zu erhöhen und in’s Licht zu stellen; eben so, wenn es ein guter oder böser Zweck fordert, ganze Seiten ihrer Existenz aufzugeben und wenn nicht zur Vernichtung doch zur Latenz zu bringen. Ein Wesen, das sich seiner selbst nicht annimmt, ist, als wäre es nicht. Sich selber wollen, sich seiner annehmen, sich zusammenfassen, sich in seiner Ganzheit setzen, ist alles Eins, ist allein die thätige, die wahre Existenz.

Wir sind jetzt angekommen auf dem Punkt, von welchem alle Entwicklung und somit unser eigentliches Geschäft erst beginnt.

Dunkel ist aber selbst dieses noch, wie sich die contrahirende Kraft gleichsam zum Mittelpunkt der Existenz, zum Herrschenden und in so weit zum Existirenden machen könne, da doch ausdrücklich erklärt worden, daß sie sich zum Wesen oder eigentlich Seyenden nur als untergeordnetes, nicht seyendes verhalten könne.

Zur Erklärung sey also dieses gesagt. Vorerst wurde die contrahirende Kraft keineswegs als das schlechthin Nichtseyende, sondern als ein auch in sich Seyendes erklärt. Sodann wird nicht der eigne Wille als solcher für das Existirende erklärt, sondern das Ganze, was daraus entsteht, daß er das Wesen von der einen Seite als das Seyende von der andern als das Seyn setzt. Ferner wurde der einschließende Wille nicht als das Existirende schlechthin, sondern nur als das erste Existirende erklärt. Ob er nun nicht auch als das Band von Subjekt und Objekt einst noch ein beziehungsweise nicht seyendes werde, wissen wir nicht. Daraus aber, daß das zuletzt allein Existirende und durch die Entwicklung sich Offenbarende die Liebe ist, folgt nicht, daß die ihr entgegengesetzte Urkraft nicht einst herrschend war und die Liebe ebenso verschlossen in sich enthielt, wie sie jetzt vielleicht der Liebe untergeordnet erscheint.

Alle Entwickelung setzt Einwickelung zum voraus. Warum schreitet alles vom Kleinen ins Große fort, da es ja sonst wohl, wenn es um das bloße Fortschreiten zu thun wäre, auch umgekehrt seyn könnte? In der Anziehung liegt der Anfang. Alles Seyn ist Contraction und die zusammenziehende Grundkraft die eigentliche Original- und Wurzelkraft der Natur.

Dunkelheit und Verschlossenheit ist der Charakter der Urzeit. Alles Leben wird zuerst und bildet sich in der Nacht; darum wurde diese von den Alten die fruchtbare Mutter der Dinge, ja nebst dem Chaos das älteste der Wesen genannt. Je höher wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto mehr finden wir unbewegliche Ruhe, Ungeschiedenheit und gleichgültiges Zusammenseyn derselben Kräfte, die sich erst leise, dann zu immer wilderem Kampf entzünden. So in den Gebirgen der Urwelt, die mit ewig stummer Gleichgültigkeit herabzusehen scheinen auf das bewegliche Leben zu ihren Füßen; so in den ältesten Bildungen auch des Menschengeistes. Derselbe Charakter von Verschlossenheit kommt uns in dem stummen Ernst des Aegyptiers, in den Riesendenkmälern Indiens, die für keine Zeit, sondern für die Ewigkeit gebaut scheinen, ja selbst noch in der stillen Größe, der erhabenen Ruhe der ältesten Werke hellenischer Kunst entgegen, die gleichsam unmittelbar vor der Entzündung des Streits entstanden noch die letzte Blüthe der Kraft jenes ruhigeren Weltalters scheinen.

Sollte der Urzustand des Wesens, dessen Entwickelungen wir im vielgestaltigen Leben der Welt zu sehen glauben, nicht ein ähnlicher gewesen seyn, und sollten wir nicht ebendarum das Recht haben, an eine Vergangenheit in viel höherem als dem gewöhnlichen Sinne zu glauben? Alle Lehren der ältesten Zeit stimmen darinn überein, den dem jetzigen vorausgegangenen Zustand als den einer unendlichen Verschlossenheit, einer unerforschlichen Stille und Verborgenheit zu schildern. Alle Entwickelung setzt ein Daseyn schon zum voraus, aber ist nicht der Charakter des reinen für sich genommenen Seyns eben der eines stummen, in sich selbst verschlossenen und sich nicht kund gebenden Lebens?

Sprechen wir hier gleich das Gesetz aus, das wir zwar sonst schon erkannt, das sich aber in der gegenwärtigen Darstellung durch eine Menge wiederkehrender Fälle bestätigen wird! Dieselben Kräfte, deren Zumalseyn und Zusammenwirken das innere Leben ausmacht, sind es auch, welche nach einander hervortretend als die Principien des äußerlich sich entwickelnden Lebens und seiner auf einanderfolgenden Perioden erscheinen. Dieselben Stufen, die sich in der Simultaneität als Potenzen des Seyns betrachten lassen, erscheinen in der Succession als die Perioden des Werdens und der Entwicklung. So pflegt man zu sagen, die erste Lebensepoche der Erde sey die magnetische gewesen, von welcher sie in die elektrische hinübergetreten, ohne zu läugnen, daß während jener Urperiode bereits alle Kräfte, die magnetische nicht ausgenommen, als besondere in der Erde gelegen haben, nur untergeordnet dieser einen. Gleichwie also hier einer stets im Ganzen begriffenen Kraft doch auch wieder eine gewisse Unabhängigkeit von demselben zugestanden wird, so daß sie begriffen von ihm es auch selbst wieder zu begreifen fähig ist: eben so muß es als erlaubt erscheinen, jenen aller Entwicklung vorausgehenden Urzustand als die Periode des göttlichen Lebens anzusehen, in welcher das Seyn oder die späterhin als untergeordnet sich zeigende, verneinende Urkraft als allgemeines, das Leben selbst bestimmendes Princip herrschend war.

Hier stellt sich erst die rechte Hoheit des Gegensatzes dar und seine der Einheit gleiche Unbedingtheit. Die beyden Kräfte, wenn wir sie so nennen dürfen, die still ausfließende, sanft sich mittheilende der Liebe und die zusammenziehende, der Ausbreitung widerstrebende, sind die Kräfte Einer und der nämlichen Natur; in so fern sind sie der Einheit untergeordnet. Von der andern Seite erscheinen sie frey und unabhängig von der Einheit und ordnen sich diese selbst wieder unter. Nur kraft seines Willens ist der Ewige da, aber es hängt nicht von seiner Freyheit ab, sich eine andere Folge der Offenbarung zu erwählen, als diejenige, welche durch die Natur jener beyden Principien bestimmt ist. Dunkelheit geht vor ihm her und erst aus der Nacht seiner Natur kann die Klarheit seines Wesens hervorbrechen. Das Niedere ist in der Entwicklung nothwendig vor dem Höheren; die verneinende, einschließende Urkraft muß seyn, damit Etwas sey, das die Huld des göttlichen Wesens, die sich sonst nicht zu offenbaren vermöchte, trage und emporhalte. Also muß auch nothwendig der Zorn eher seyn, denn die Liebe, die Strenge eher, denn die Milde, die Stärke vor der Sanftmuth. Die Priorität steht im umgekehrten Verhältniß mit der Superiorität, Begriffe, welche zu verwechseln nur einer Parteiwuth möglich ist, wie die ist, die unsere Zeiten auszeichnet.

Da wir hier des Begriffes der Einheit erwähnt haben, so wird es uns verstattet seyn, den verschiednen Sinn derselben, den sie nach den verschiednen Momenten der Betrachtung annimmt, genauer zu erklären.

Denn gleich zu Anfang wurde die Lauterkeit als absolute Einheit von Subjekt und Objekt erklärt, da keine von beyden und doch beyde der Kraft nach sind. Das Letzte ist durch die bisherige Entwickelung deutlich geworden. Denn die Lauterkeit war schon ihrer Natur nach das Wesen oder das, was späterhin als das Seyende erschien; sie enthielt aber zugleich der Möglichkeit nach jenen andern Willen, der sich nur in ihr erzeugen kann und der die Kraft alles Seyns d.h. alles Objektiven ist.

Eine andere Art der Einheit aber ist die, welche zugleich mit dem Gegensatz hervortritt, indem der zusammenziehende Wille sich zum Band von Subjekt und Objekt macht. Denn da er auf diese Art, als das erste Wirkende, die Mitte oder ein gemeinsames und zusammengewachsenes von beyden ist, so sind die beyden Entgegengesetzten beziehungsweise auf ihn die völlig gleichen Formen der Existenz und werden existentiell gleich, da sie wesentlich ungleich sind und sich wie Höheres und Niederes verhalten. Es ist diese existentielle Gleichheit, oder die Gleichheit beyder Principien in Bezug auf das Existirende, die wir durch die Gleich-Gültigkeit oder die Indifferenz beyder bezeichnet haben.

Beurtheiler, die gewohnt sind, jeden Begriff oder Satz bloß äußerlich zu nehmen, indeß ihnen der innre Gang und Zusammenhang der Entwicklung verborgen bleibt, haben diese existentielle Gleichheit für eine Einerleyheit der Principien selber angesehen, eine Verwechslung, die selbst in dem nachläßigen Ausdruck, wornach gesagt wird, beyde seyen Eins, keine Entschuldigung findet. Denn um nicht zu erwähnen, daß dieser Ausdruck sehr oft durch den genaueren erklärt worden, in welchem jene Behauptung so lautet: dasselbe Existirende welches das eine ist, ist auch das, welches das andere ist: so scheinen die, welche auch den bequemen Ausdruck auf solche Art mißverstehen konnten, in der That unkundig der ersten Gesetze jedes Urtheils. Denn in keinerley Urtheil, selbst nicht in dem bloß wiederholenden Satz noch in der Erklärung wird eine Einerleyheit, sondern immer eine wirkliche Zweyheit verstanden, ohne welche die Einheit selbst keinen Sinn hätte. Wer etwa sagte: Gott und das All sey’n Eins, und dieß als Einerleyheit verstände, der hätte unversehens, da er zwey Begriffe zu haben meynte, nur Einen wirklich gehabt und also überall nicht geurtheilt. Eben so ist jene Einheit der beyden Principien nicht als Einerleyheit gemeynt; denn daß die Liebe je der Zorn, der Zorn die Liebe sey, ist ja allerdings unmöglich. Wohl möglich aber ist, daß Ein und dasselbe Existirende nach seiner einen Eigenschaft Zorn nach der andern Liebe sey.

Gegen diese Einheit, welche eine Einerleyheit des Subjekts, nicht der Prädikate ist, findet keine dialektische Einwendung statt, man müßte denn behaupten wollen, eben dieses sey unmöglich und gegen den sogenannten Grundsatz des Widerspruchs. Allein wie falsch dieser verstanden worden, zeigt schon der gewöhnliche Ausdruck, daß dasselbe nicht zugleich seyn und nichtseyn könne, da aus dem oben Abgehandelten nothwendig folgt, daß ein jedes Seyende zugleich Seyendes und Nichtseyendes seyn müsse, indem das Seyn eben das Nichtseyende an ihm ist. Richtig verstanden sagt dieser Grundsatz nichts anderes, als daß entgegengesetzte Subjekte nicht als Subjekte Eins seyn können, was aber nicht verhindert, daß sie als Prädikate Eins seyen. Dann mögen die so Redenden auch zusehen, wie sie die Natur rechtfertigen wollen, die sich darinn zu gefallen scheint, gegen jenen sogenannten Grundsatz zu sündigen und sich auch dadurch nicht irre machen läßt in der existentiellen Gleichheit, die sie widerstreitenden Kräften zu ertheilen liebt, daß die eine der Natur nach schwächer ist als die andere; denn obwohl der Südpol des Magnets z.B. schwächer als der Nordpol, das weibliche Geschlecht schwächer als das männliche ist, wo weicht doch dem Seyn nach kein Princip dem andern; beyde behaupten vielmehr die entschiedendste Gleichheit.

Schon die Scholastiker fanden bey Erklärung des Begriffs der Dreyeinigkeit in der göttlichen Natur für nöthig, den wahren Sinn des Bandes in jedem Urtheil schärfer, als es in der Logik unserer Zeiten geschieht, zu bestimmen. Noch Leibnitz, der ihnen hierinn folgte, bemerkt die Unwahrheit jener so oft wiederholten Regel: Disparate können weder von sich gegenseitig noch von einem Dritten ausgesagt werden. Es würde, meynt er, freylich schlecht gesagt seyn, Eisen sey Holz oder umgekehrt, und doch könne der Fall eintreten, wo mit Recht zu sagen sey: Etwas, das Eisen ist, (nämlich Einem Theil nach) dasselbe sey Holz, (einem andern Theil nach). Ebenso könne zwar nicht gut geradezu gesagt werden: die Seele sey Leib, der Leib Seele; wohl aber, dasselbe, was in dem einen Betracht Leib ist, sey in dem andern Seele. Wir würden allgemein sagen: das Band im Urtheil sey nie ein bloßer Theil von ihm, wenn auch, wie angenommen wird, der vorzüglichste, sondern sein ganzes Wesen, und das Urtheil sey eigentlich nur das entfaltete Band selber; der wahre Sinn eines jeden Urtheils, z.B. des einfachsten, A ist B, sey eigentlich der: das, was A ist, ist das, was auch B ist, wobey sich zeigt, wie das Band sowohl dem Subjekt als dem Prädikate zu Grunde liegt. Es ist hier keine einfache Einheit, sondern eine mit sich selbst verdoppelte oder eine Identität der Identität. In dem Satz, A ist B, ist enthalten, erstens der Satz A ist X, (jenes nicht immer genannte dasselbe, von dem Subjekt und Prädikat beyde Prädikate sind); zweytens der Satz, X ist B; und erst dadurch, daß diese beyden wieder verbunden werden, also durch Reduplikation des Bandes entsteht drittens der Satz, A ist B. Hieraus erhellt auch, wie im einfachen Begriff schon das Urtheil vorgebildet, im Urtheil der Schluß enthalten, der Begriff also nur das eingewickelte der Schluß nur das entfaltete Urtheil ist, Bemerkungen, die ich für eine künftige höchst wünschenswerthe Bearbeitung der edeln Vernunftkunst hier niederlegen will. Denn obgleich Dialektik für sich betrachtet keineswegs die höchste Wissenschaft ist: so muß diese doch ebenso von ihr wie die Rede vom Rhythmus begleitet seyn. Für Anfänger aber oder Unwissende in dieser Kunst wird nicht philosophirt, sondern diese sind in die Schulen zu verweisen, um die Regeln zu erlernen, wie es in anderen Künsten geschieht, da keiner leicht ein tonkünstlerisches Werk aufzustellen, oder zu beurtheilen wagen wird, der nicht die Regeln des Satzes erlernt hat.

Einige aber haben geglaubt, jenem Begriff der Einheit den des Zusammenhangs entgegenstellen zu können, unstreitig in der Meynung, um die Differenz der Principien zu retten, müsse die Einheit aufgegeben werden. Von diesen ist nichts zu sagen, als daß sie bis zu dem Punkt der Betrachtung, auf welchem wir uns hier befinden, gar nicht gelangt sind. Denn wer möchte wohl in der urersten Lauterkeit des Wesens, da noch gar keine Zweyheit ist, einen Zusammenhang vermuthen, oder wer die Einheit des Existirenden in beyden Principien einen Zusammenhang nennen? Das letzte niemand, als wer etwa auch sagen wollte, in dem, der jetzt mild, jetzt zornig erscheint, hange der mild handelnde Mensch mit dem zornig handelnden zusammen, da beyde nur Ein und der nämliche Mensch sind.

Auch wir werden vielleicht noch den Punkt angeben, wo die Einheit beyder Principien als Zusammenhang ausgesprochen werden kann. Aber dieser Zusammenhang setzt die weit höhere Einheit schon voraus.

Nach diesen Erklärungen werden wir keinen Anstand nehmen, das erste Existirende als ein Doppelwesen auszusprechen, das gleichsam aus zwey Willen zusammengewachsen, nicht Liebe und nicht Zorn, sondern die wirkliche Indifferenz von beyden ist, so daß beyde gleicherweise zu seinem Daseyn gehören.

Der erste wirkende Wille ist daher nicht die unthätige, sondern die thätige Mitte, das zusammenziehende Band von Subjekt und Objekt, die er wenn auch als opponirte doch als ungetrennte und in ihm ununterscheidbare setzt. Es entsteht daher die völligste Einheit, die zwar von jener lauteren des Wesens verschieden ist, inwiefern diese ohne alle Zweyheit war, aber ihr doch nichts in der Innigkeit nachgibt. Die zuvor fühllose Einheit ist zwar hier fühlend geworden, aber darum nichtsdestoweniger die wonnigste Einheit. Es ist dieser Moment des ersten Sich-Zusammennehmens, Sich-selbst-Fassens nur mit dem Moment des kräftigsten Bewußtseyns zu vergleichen, wo Subjekt und Objekt sich gegenseitig fühlend und gegenseitig in einander wirkend nur Ein untheilbares Wesen ausmachen; oder, weil diese Innigkeit des Bewußtseyns im gewöhnlichen Leben so selten ist, jenen außerordentlichen Zuständen, wo ein menschliches Wesen ganz in sich selber und in der höchsten innern Klarheit, von der Außenwelt aber völlig abgeschnitten ist. Denn obschon in diesem Moment das erst wirkungslose Wesen wirkend geworden, ist es doch nur in sich, nicht nach außen wirkend; dem Keime gleich, der ein noch unentfaltetes Leben in sich verbirgt.

Hier ist noch weder an einen Streit zwischen Subjekt und Objekt, noch an eine Zwietracht der Kräfte im Seyn zu denken; vielmehr in holdem Wechselspiel erfreuen sie sich des gegenseitigen Findens und Gefundenseyns. Die Lauterkeit empfindet nicht ohne Wonne ihre erste und reinste Realität; die zusammenziehende Kraft aber freut sich der Milderung ihrer Strenge und Herbheit, des gestillten Hungers ihrer anziehenden Begierde. Und da es kein nothwendiges Band ist, was die beyden Kräfte im Seyn zusammenkettet, sondern nur die freye, jeden Augenblick sich wiederholende, mit sich selbst gleichsam spielende Thätigkeit des contrahirenden Princips: so ist auch die freye Bewegung der beyden Kräfte keineswegs aufgehoben, sondern in jedem Augenblick frey hervorstrebend und in jedem wieder sanft geeint erzeugen sie in dem Existirenden die reinste Wonne stiller Beschaulichkeit, worinn ihm die Wunder seines eignen Wesens offenbar werden.

Diese spielende Lust im anfänglichen Leben Gottes scheinen die Alten wohl erkannt zu haben, welche sie ausdrucksvoll die Weisheit nennen, einen unbefleckten Spiegel der göttlichen Kraft und, (der leidenden Eigenschaften wegen, die das Wesen im Seyn angenommen), ein Bild seiner Gütigkeit. In einem mit Recht heilig geachteten Buch wird sie so redend eingeführt: Der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege; ehe er was machte, war ich da. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde: als die Berge noch nicht eingesenkt waren, noch die Bronnquellen Wasser quollen, da war ich der Werkmeister bey ihm und hatte meine Lust täglich und spielete vor ihm allezeit.

Es ist eine Lehre, die so alt ist als die Wissenschaft selbst, daß die Wesenheiten der Dinge von einem ewigen Herkommen, und bevor sie äußerlich sichtbar geworden, in ewigen Ur-Bildern vorhanden gewesen seyn. Diese Lehre würde schon längst lebendiger aufgefaßt seyn, wenn man sich nicht begnügt hätte, sie auf allgemeine Gründe zu stützen. Die Erzeugung solcher Ur-Bilder ist ein nothwendiges Moment in der Lebensentwicklung des Urwesens. Sie gehört dem Zustand der ersten wirkenden Innigkeit an. Hier ging alles, was einst seyn sollte, an dem innern Blick des still anschauenden Wesens vorüber. In dem Spiel der Zweyheit, die doch immer wieder sich in Einheit auflöste, entstand je nach der verschiednen Stellung der Kräfte gegen einander ein Blick oder Gesicht des ihr angemeßnen Geschöpfs; ein Blick, weil es in dem zarten Mittel gleichsam nur aufblickte; ein Gesicht, weil es im Aufsteigen wieder verging, so daß nichts Bleibendes und Festes, sondern alles in unaufhörlicher Bildung war.

Das schöne Wort Idea sagt seiner Urbedeutung nach dasselbe, was das deutsche Wort Gesicht. Wenn daher auch jene vorbildlichen Erscheinungen der Dinge nicht grade als physische Naturen im gewöhnlichen Sinn des Wortes anzusehen sind: so sind sie doch auch keine bloße Verstandeswesen, wie die Platonischen Urbilder verstanden worden und können nicht ohne alles Physische gedacht werden.

Unläugbar ist, daß in den Zuständen innrer Begeisterung, welche allein sich mit dem gegenwärtigen Moment des Urwesens vergleichen lassen, immer auch das Physische in ein eignes Verhältniß zum Geistigen trete. Nun ist der gegenwärtige Lebensmoment schon mit der ersten, zartesten Leiblichkeit verbunden, mit der sich das Geistige unmittelbar gleichsam überzieht. Denn in dem Seyn, wo die zusammenziehende Urkraft die einschließende, die bejahende aber die eingeschloßne ist, nimmt das Wesen der Lauterkeit die ersten leidenden Eigenschaften an. Es entsteht ein schon gemildertes Lichtwesen, das von jenem ersten unerträglichen Glanz der Lauterkeit dadurch verschieden ist, daß er hier bereits durch das entgegengesetzte Princip gemäßigt ist. Es ist aber diese zarteste Leiblichkeit von dem Seyenden selber so wenig verschieden, als im Sich-zusammennehmen, das der Anfang zu aller inneren Produktion seyn muß, das Zusammennehmende von dem Zusammengenommnen verschieden ist. Also fallen Seyn und Seyendes, Leibliches und Geistiges hier ganz in Eins. Sie verhalten sich nicht wie zwey Wesenheiten, sondern nur wie die zwey verschiednen Ansichten Einer und derselben Wesenheit.

So früh finden sich Geistiges und Leibliches als die zwey Seiten derselben Existenz ein, und wir können wohl sagen, daß der gegenwärtige Moment ihrer höchsten Innigkeit die gemeinschaftliche Geburtsstätte dessen ist, was sich späterhin als Materie und Geist entschieden entgegensteht.

Denn es kann die im gegenwärtigen Augenblick sich erzeugende erste Materie noch keine dem Geist entgegengesetzte, sondern nur selbst eine geistige Materie seyn, die, wenn sie auch in Bezug auf das Seyende leidende Eigenschaften hat, doch in sich und in Bezug auf alles Untergeordnete eitel Kraft und Leben ist. Gäbe es nicht einen solchen Punkt wo Geistiges und Physisches ganz in einander sind, so würde die Materie nicht, wie es unläugbar der Fall ist, der Wiedererhöhung in dasselbe fähig seyn. In der Materie auch der rein körperlichen Dinge liegt ein innrer Verklärungspunkt, der bey der organischen Materie nur wirklich entfalteter und

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gen. Wer sein Aug’ einigermaßen für die freye Betrachtung der Dinge geübt hat, weiß, daß sie nicht durch dasjenige allein schon vollendet erscheinen, was zu ihrem Daseyn schlechthin nothwendig gehört; es ist noch ein Anderes um sie oder in ihnen, das ihnen erst den vollen Glanz und Schein des Lebens ertheilt: ein Ueberflüssiges spielt gleichsam um sie und umströmt sie als ein zwar unfaßliches doch nicht unbemerkliches Wesen. Sollte dieses durchblickende, durchscheinende Wesen nicht eben jene innere geistige Materie seyn, die noch immer in allen Dingen dieser Welt verborgen liegt und nur auf ihre Befreyung wartet? Unter den körperlichsten Dingen wurde es vorzugsweise in den Metallen gesucht, deren eigenthümlicher Glanz von jeher den Blick der Menschen bezauberte, aber wie durch einen allgemeinen Instinkt im Golde geahndet, das durch die Weichheit und Fleischähnliche Zartheit, die es mit der größten Gediegenheit verbindet, das dem geistig-leiblichen Wesen verwandteste schien, und das sogar durch eines jener scheinbar zufälligen Spiele, die wir so oft zu bemerken Gelegenheit haben, von allen Völkern zur Bezeichnung des glücklichen Weltalters der Unschuld und ruhigen Eintracht aller Dinge gebracht wurde; gleich als wär’ es allein noch ein Zeichen aus jener seligen Urzeit.

Doch am meisten scheint dieses Princip seiner Palingenesie in der organischen Natur sich zu nähern. Es ist das Oel, wovon das Grün der Pflanzen gesättiget wird, der Balsam des Lebens, wovon die Gesundheit ihren Ursprung hat; es ist erkennbar im Durchscheinenden des Fleisches und der Augen, in jenem unläugbaren physischen Ausfluß, wodurch die Gegenwart des Reinen, Gesunden, Lieblichen wohlthätig, befreyend auf uns wirkt; ja unstreitig selbst in dem geistigen Wesen, das in der höchsten Verklärung menschlicher Leiblichkeit als Anmuth überströmt. Denn da der Anmuth selbst die Rohheit nicht widersteht, oder sie, wenn nicht anerkennt, doch fühlt: so läßt sie sich schon darum kaum ohne die Gegenwart eines wirkenden physischen Wesens denken; oder besteht ihre wunderähnliche und selbst im Barbaren wenigstens Erstaunen erregende Wirkung allein darinn, daß sie uns die Materie in ihrem göttlichen und gleichsam ihrem Urzustand vor augen bringt?

Es wird also wohl nicht mehr zu voreilig seyn, wenn wir den gegenwärtigen Moment als

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klären, in welchem das Wesen sich bloß noch als daseyend empfindet. Es ist hier im genauesten Verstande nur Ein Wesen, das Existirende, zu dem das Seyende als Subjekt, das Seyn als Objekt gehört; und diese drey sind ineinander und schlechthin ununterscheidbar.

Nun kann auch das höchste Leben, und dieses am wenigsten, im gegenwärtigen Moment nicht stehen bleiben. Denn selbst Gott ist nur die Hülle der Gottheit. Die urerste Lauterkeit ist noch immer verborgener Weise das eigentlich Existirende, und der erste wirkende Wille doch wahrhaft nur der Grund ihrer Existenz. An sich weder Subjekt noch Objekt, aber durch den wirkenden Willen jetzt als beydes gesetzt, bleibt sie doch an sich selbst stets die wesentliche Einheit. Sie freut sich also wohl eine Weile ihres fühlenden und sich selbst fühlbar gewordenen Lebens – man verstatte uns nur einstweilen dieses bildliche Reden –; bald aber empfindet sie nur inniger und schärfer – durch den Widerspruch mit dem Gegensatz, in den sie versetzt ist – die Einheit ihres eigenen Wesens. Sie fühlt die Milde ihrer ursprünglichen Natur im Gegensatz sowohl mit der Strenge des zusammenziehenden Willens als im Gegensatz mit sich selber als Subjekt, wo sie zwar immer noch Einheit, aber nicht mehr stille, sanft ausquellende, sondern wirkende und zusammenziehende Einheit ist, am meisten aber im Gegensatz mit dem Seyn, in welchem sie die wirkliche Zweyheit und Widerwärtigkeit empfindet, indem sie gegen ihre Natur, vermöge der sie ausfließend und ausbreitend ist, zusammengezogen und eingeschlossen ist.

Also verlangt sie ferner weder Subjekt noch Objekt zu seyn, sondern frey zu werden, um als die sanfte stille Einheit auszugehen von beyden.

Dieß ist das Verhängniß alles Lebens, daß es erst nach der Einschränkung und aus der Weite in die Enge verlangt, um sich faßlich zu werden; hernach, nachdem es in der Enge ist und sie empfunden hat, wieder zurückverlangt in die Weite und gleich wiederkehren möchte in das stille Nichts, darinn es zuvor war, und doch nicht kann, weil es sein eigen selbstgegeben Leben aufheben müßte.

Auf diese Art verlangt auch die Lauterkeit, nachdem sie in dem ersten wirkenden Willen zur Existenz gekommen, wieder von ihr auszugehen. Nun sind Subjekt und Objekt durch den wirkenden Willen als Eins, und eben damit ist die Existenz gesetzt. Also entsteht ein stilles Verlangen nach der Scheidung dieser beyden, das auch den wirkenden Willen nicht in Ruhe läßt, der nicht ein einfaches, sondern ein Doppelwesen ist, in dem Liebe und Zorn gleichgewogen sind. Insofern er nun die Liebe in sich empfindet und ihr Wille ist, entsteht auch ihm ein Verlangen nach der Scheidung; kaum aber empfindet der andre oder eigne Wille in ihm die Scheidung, so erschrickt er und fürchtet, daß die Existenz verloren geben möchte und zieht also wieder zusammen.

Nun kann der existirende Wille diesen andern Willen doch nicht lassen; denn ebendarauf, daß er die Mitte von beyden ist, beruht seine eigne Wirklichkeit; es entsteht also in ihm selbst der Widerstreit; ein Wechsel von Expansion und Contraction, indem ihn die Liebe zur Scheidung, der eigne Wille aber zur Anziehung treibt. Im Conflikt zwischen diesen beyden streitenden Willen verliert er die eigene Freyheit und wird, als der erste klopfende Punkt, gleichsam das schlagende Herz der Gottheit, das in nie aufhörender Systole und Diastole Ruhe sucht und nicht findet. Je mehr er aber auf diese Art selbst die Noth und Widerwärtigkeit empfindet, desto mehr verlangt auch er nach Befreyung und nach Errettung aus der Nothwendigkeit.

In der Expansion gehet das Seyn und mit ihm der Widerstreit aus der Einheit und lässet sie frey; in der Einung aber wird sie immer wieder gehalten, daß sie nicht entfliehen kann und immer wieder festgemacht, und auf’s Neue zum Seyn zusammengezogen; damit aber auch wieder als seyendes gesetzt. Es ist eine unwillkührliche Bewegung, die einmal angefangen sich immer von selber macht; denn durch jede Contraction wird dem wirkenden Willen wieder die Liebe als der erste Wille empfindlich, so daß er wieder zur Expansion sich entschließt: durch die Scheidung aber wird ihm der andre Wille als die Begierde zur Existenz immer neu erregt, und da er nicht von ihm lassen kann, weil ebendarauf, daß er beyde Willen ist, die Existenz beruht, so entsteht unmittelbar aus der Expansion wieder Contraction und ist hier keine Ausflucht.

Indem der Widerstreit ausgehet aus der Einheit, werden nothwendig auch die beyden Urkräfte im Seyn aus der Einheit gesetzt und unabhängig von einander; oder vielmehr da im Seyn nur die ausbreitende, bejahende Kraft sich als leidende verhält, ist es diese, die frey ausgeht aus dem Zwang. Allein indem das Seyn zurückgerufen wird zu der Einheit mit dem Seyenden, also wieder als Seyn gesetzt, werden auch die beyden Kräfte genöthigt, ein gemeinsames Seyn zu suchen und aufs Neue gehalten und wieder reell gemacht.

Auch im Seyn also ist Wechsel von Scheidung und Einung; oder vielmehr die Scheidung zwischen Seyn und Seyendem ist bedingt durch die Scheidung im Seyn und beyde fallen zusammen.

Durch das Auseinandergehen der Kräfte im Seyn werden sie frey und es entsteht hieraus das erste eigne Leben im Objektiven.

Dieses erste, sich selbst bewegende Leben ist die uranfängliche ewige Natur von Gott, die immer ausgesprochen, immer wieder zurückgenommen wird, und nur in diesem beständigen Wechsel des Aus- und Einathmens ein Leben hat.

Indem nämlich der Wille der Liebe das eigne Leben im Seyn hervorruft und die Kräfte scheidet, verliert so zu sagen der andre Wille, der Wille des Zorns, sein Recht an das Seyn, und die Freyheit geht in der Scheidung als ein Blitz auf; wenn aber der andre Wille die Kräfte aus der Flucht zurückruft, verliert die Liebe ihr Recht an beyde und wird der offne Punkt wieder verschlossen. Auf diese Art ist das Leben der ewigen Natur in diesem Moment nur ein beständiger Wechsel von Sterben und Leben, indem sie abwechselnd dem einen Willen lebt und dem andern stirbt, abwechselnd aus der Einheit in ein eignes Seyn ausgeht und das eigne Seyn wieder verliert. Also ist hier an kein stehenbleibendes Seyn zu denken, und ist die ganze Erzeugung doch nur wie eine göttliche Erscheinung, die, aus dem Widerspruch entsprungen, nichts Beständiges werden noch hervorbringen kann.

Expansion ist Vergeistigung, Contraction ist Verkörperung. Also kommt auch die Materie in diesem Moment um einen Schritt näher zu ihrer endlichen Gestaltung. Denn in dem ersten Zustand stiller Beschaulichkeit, wo das Seyn mit dem Seyenden Eins ist, war kein Widerstreit beyder Eigenschaften; das Leibliche war geistig und das Geistige leiblich. Hier aber scheint sich die Materie in einem Zustand von Unentschiedenheit und gleichsam in einem Kampf zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit zu befinden.

War das Objektive des vorhergehenden Moments ein geistig-leibliches Wesen, so werden wir das des gegenwärtigen schon um einen Grad näher der Körperlichkeit annehmen und eine wirkliche Erzeugung von finstrer, dem Geistigen widerstrebender, nicht mehr offner, Materie im Seyn des Urwesens zugeben müssen. Denn da die zusammenziehende Kraft, welche eigentlich die leiblich machende ist, hier im offnen Gegensatz mit der vergeistigenden wirksam ist: so kann sie in dieser Wirksamkeit nur eine dem Geistigen widerstehende Materie erzeugen, obschon hier überall an keine bleibende Geburt gedacht werden kann.

Der Mittelzustand nämlich von Scheidung und Einung, da es zu keinem von beyden entschieden kommt, ist der Streit. Die beyden Kräfte, deren Verhältniß im ersten Zustand des Seyns ein harmonisches Spiel friedlicher, gegenseitiger Erregung war, werden dadurch daß sie immer getrennt, immer wieder zur Einheit zurückgerufen werden, zu immer heftigerem Streit entzündet. Aus jeder neuen Einheit wieder gerissen, bis endlich die höchste Widerwärtigkeit entsteht, scheinen sie sich suchen zu müssen, nicht, damit sie wirklich Eins seyen, sondern, um sich gegenseitig zu bekämpfen. Denn die verneinende Kraft ist jedesmal mit der Einung, die bejahende aber mit der Scheidung einverstanden und durch sie begünstigt, so daß keine bleibend die Oberhand gewinnt, sondern jede abwechselnd siegt und besiegt wird.

Doch ist es wesentlich, auch hier verschiedne Momente zu erkennen. Denn im Anfang dieses Streits, da die Contraction noch weniger überwunden ist, hat diese im Ganzen immer das Uebergewicht über die Expansion. Noch ist der Streit nicht zur höchsten Heftigkeit entflammt. Aber immer wiederkehrend gewinnt die Scheidung immer mehr an Gewalt und droht, ihr gleichwerdend, endlich das Uebergewicht über sie zu erhalten. In dem Augenblick dieses beständig erneuerten Streits zwischen der stets kräftiger wiederkehrenden Scheidung und der immer weniger widerstehenden Contraction muß die Materie als das Mittlere von beyden gleichsam zerrissen und zuletzt eine Zertheilung bis in’s Kleinste, eine Auflösung der erst geschlossenen Einheit des Seyns in das Chaos hervorgebracht werden.

Es ist erlaubt, den Streit zwischen Scheidung und Einung auch als einen Streit zwischen den zwey Dimensionen anzusehen. Denn die contrahirende, stets auf den Mittelpunkt wirkende, Urkraft ist das Setzende der ersten Dimension, vermöge welcher keine Mannichfaltigkeit, keine gegenseitige Freyheit und Unabhängigkeit der Dinge seyn würde, sondern nur unverbrüchliche Einheit und alle Einzelheit unterdrückende Nothwendigkeit. Nur durch eine gegenwirkende, den Zwang der ersten aufhebende und sie brechende Kraft, deren Wirkung die der ersten durchkreuzend, die zweyte Dimension hervorbringt, macht eine Unterscheidbarkeit der Dinge und ein gegenseitig freyes und unabhängiges Leben zwischen den verschiednen Organen des großen Ganzen möglich. Denn die ausbreitende Kraft, gegen die anziehende in Freyheit gesetzt und doch von ihr nicht gelassen, zersprengt die Einheit, aus der sie entfliehen will, nach allen Richtungen; und bildet, nach allen Seiten den Mittelpunkt fliehend, von der contrahirenden Kraft aber doch gehalten, lauter einzelne Centra, die, von widerwärtigen Kräften getrieben, ein eignes und selbständiges Leben zu haben scheinen.

Es ist auffallend, daß in der ganzen Natur jedes selbständige Leben von Bewegung um den eignen oder einen äußeren Mittelpunkt anfängt. Im Größten wie im Kleinsten, im Rad der Planeten, worinn sich die tief verborgne Einheit der Welt zuerst aufzuschließen scheint, wie in den rotatorischen Bewegungen jener fast nur dem bewaffneten Aug sichtbaren lebensvollen Welt, von welcher die organische Natur anzufangen scheint, zeigt sich Umtrieb als die erste Form und Offenbarung des eignen gesonderten Lebens. Vielleicht wäre es nicht die schlechteste Ansicht, jenes göttliche Chaos, die wandelnden und mit unbegreiflicher Geschwindigkeit um die eigne Axe und den Mittelpunkt sich bewegenden Gestirne mit diesem der Infusorien in Vergleich zu setzen. Noch bewahrt das Blut, dieses nur innerlich gesetzte und bereits höheren Kräften unterworfne Chaos, die alte Form der Bewegung im Ganzen und im Einzelnen, und nichts scheint die nach größerer Ruhe sich sehnende Natur eifriger zu suchen, als aus dieser Bewegung zu entkommen und die widerwärtigen Kräfte zu scheiden, wozu sie durch das unaussprechlich hohe, noch von keinem begriffene, Wunder der Artikulation den Anfang macht, bis es ihr gelingt, im System der freyen Bewegung beyde Kräfte durch den Gegensatz der ausstreckenden und beugenden Muskeln auseinander zu halten, die, dem Willen gehorchende Wünschelruthen, zwar immer noch der rotatorischen Bewegung folgen, aber jene nur nach außen, diese nur nach innen schlagen.

In jenem Rad einer unablässig in sich selbst gehenden Bewegung erhält die Materie vollends ihre letzte Zubereitung. Denn durch die beständige Trennung und Wiedervereinigung der Kräfte gelangen sie mehr und mehr zur gegenseitigen Empfindung von einander; die Kraft, welche ihrer Natur nach unthätig und untergeordnet seyn sollte, die zusammenziehende, nimmt im Gegensatz mit der andern immer mehr geistige und thätige Eigenschaften an; die andre hingegen, als die reinste Geistigkeit, wird immer mehr in’s Leidende und Untergeordnete gezogen, wodurch auf unendliche Weise die eine in die andre gebildet und der Grund zur künftigen Empfindungs- und Vorstellungsfähigkeit in beyden gelegt wird.

Nun ist jedoch das Erscheinen aller körperlichen Eigenschaften nur wie ein Aufblicken zu nehmen; denn da, wie die beyden Kräfte im Seyn, ebenso auch Seyendes und Seyn immer wieder als Eins gesetzt und zur Einheit zurückgerufen werden; so bleibt das Objektive beständig, so zu sagen, auf dem Sprung in’s Aeußerliche, ohne dahin wirklich gelangen zu können.

Konnte daher der Kampf im Objektiven als ein Kampf zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit betrachtet werden: so ließe sich der zwischen dem Seyenden und dem Seyn als Kampf zwischen Innerlichkeit und Aeußerlichkeit ansehen.

Doch es ist Zeit, auf das Innere des in diesem Widerstreit existirenden Wesens zurückzugehen.Subjekt. Wagen wir jetzt auf das Innere zu sehen.

Den beständigen Wechsel von Scheidung und Einung setzend muß es innerlich nicht weniger von Widersprüchen zerrissen seyn als äußerlich; wie bey gewaltsamen und regellosen Bewegungen der organischen Kräfte auch das Innere eines Wesens mitleidet. (Wird immer heftiger entzündet).

Dieß ist die Folge aller Lebensentwickelung, daß sie durch den Widerspruch gegen das Seyn die erste Eintracht des Lebendigen stört, es dem Leiden und dem Schmerz hingibt. Wir erinnern an die Entwickelungskrankheiten des menschlichen Lebens im physischen wie im moralischen Verstand. Der Schmerz ist etwas Nothwendiges und Allgemeines, der unvermeidliche Durchgangspunkt zur Freyheit. Wir werden uns nicht scheuen, auch das Urwesen so wie es die Entwickelung mit sich bringt im leidenden Zustande darzustellen. Leiden ist allgemein, nicht nur in Ansehung des Menschen, auch in Ansehung des Schöpfers der Weg zur Herrlichkeit. Er führt sein Geschöpf keinen andern Weg, als durch den er auch selbst hindurchgehen mußte. Aller Schmerz kommt nur von dem Seyn, und weil ein jedes Wesen sich erst in das Seyn einschließen muß und aus der Dunkelheit desselben durchbrechen zur Verklärung, so ist auch das göttliche Wesen nicht von allem Schmerz losgesprochen, und muß erst leiden, eh’ es den Triumph seiner Befreyung feyert.

Dahin ist jetzt die friedliche Einheit des Wesens mit seinem Daseyn, die wir im ersten Moment erkannten, und welche überall der erste Zustand alles Lebens ist. Entzweyt sind im Seyn die erst einträchtigen Kräfte, und je inniger noch die Einheit des Seyenden mit dem Seyn ist, desto mehr nimmt das Existirende als Seyendes an der wachsenden Zwietracht im Seyn Theil. Doch sind hier ebenfalls Momente zu unterscheiden, indem auch im Innern des Wesens auf anfänglich ruhigere Bewegungen immer heftigere folgen. So lang die zusammenziehende Kraft ein Uebergewicht über die ausbreitende behauptet, wird sie im Innern durch den anfangenden Streit noch dumpf, zu blindem bewußtlosem Wirken erregt; mächtige, gewaltige und, weil durch die Einheit nicht gemäßigte, ungeheure Geburten steigen auf, wie aus dem Spiel der Kräfte im Traum entstehen, wenn die vernünftige Seele nicht einfließt und diese für sich wirken. Nicht mehr in jenem Zustand der Innigkeit oder des Hellsehens, wo das ganze Innere wie mit Licht erfüllt ist, noch von seligen die Zukunft vorbedeutenden Visionen verzuckt, brütet das in diesem Widerstreit existirende Wesen wie in schweren, aus der Vergangenheit aufsteigenden Träumen: bald aber mit wachsendem Streit ziehen wilde Phantasien durch sein Inneres, in denen es alle Schrecknisse seines eignen Wesens empfindet. Die herrschende und dem Streit der Richtungen im Seyn, da es nicht aus noch ein weiß, entsprechende Empfindung ist die der Angst. Inzwischen geht die Scheidung fort und bringt die Kräfte zu immer größerer Trennung, daß die zusammenziehende Kraft gleichsam für ihr Daseyn zittert. Je mehr sie noch in ihrer Stärke ist, desto blinder wirkt der existirende Wille; daher auch die Kräfte mit blinder Sucht wild und verstandlos zur Wiedervereinigung streben. Im Verhältniß aber, als die Kräfte im Seyn und damit Seyn und Seyendes selber geschieden werden, bricht aus dem Mittelpunkt derselben die Freyheit oder das Wesen der uranfänglichen Lauterkeit in einem verzehrenden Glanze hervor, nicht anders als im elektrischen Prozeß, je mehr die getrennten Kräfte in Brunst gegen einander gerathen, in der Scheidung selbst das elektrische Feuer als Blitz erscheint. Nun ist die Lauterkeit im Gegensatz mit der blinden Gewalt des existirenden Willens mit der Gewalt der blinden, verneinenden Kraft wesentliche Einheit, in der Freyheit, Geist, Verstand und Unterscheidung wohnt. Also möchte der Wille im Zusammenziehen die blinde Kraft im Wirken selbst den Blitz der Freyheit wohl fassen und sich zu eigen machen,denn sie ist zwar gegen ihren Willen in’s Wirkende erhoben, und weil sie doch Bejahendes seyn soll und muß, möchte sie sich selbst zur Freyheit machen. Also sucht sie den Blitz des bejahenden Wesens zu ergreifen, um dadurch frey schaffender und bewußter Wille zu werden, der ausginge aus der Widerwärtigkeit und keinen Gegensatz mehr hätte, und möchte auch seinen ihren Schöpfungen eben diese wesentliche Einheit, die Verstand und Geist ist, mittheilen. Aber der blinde Wille kann die Freyheit nicht fassen; denn es ist ein unfaßlicher, übermächtiger Geist; daher er bey dessen Erscheinung erschrickt, (denn er fürchtet sich vor ihrer Lauterkeit, indem er unwillkührlich erkennt, daß sie sein wahres Wesen und, ihrer Sanftmuth ohnerachtet, stärker ist, denn er in seiner Strenge), und durch den Anblick jenes Geistes wie besinnungslos wird und ihn blindlings zu ergreifen und in dem, was er hervorbringt, innerlich nachzubilden sucht, ob er ihn etwa festhalten könne. Aber es ist nur wie ein fremder, seiner selbst nicht mächtiger Verstand, womit er wirkt, ein Mittleres zwischen völliger Nacht des Bewußtseyns und begonnenem Geist, eine Art Wahnsinn, der letzte Zustand des höchsten inneren Streits und Widerspruchs.

Nicht umsonst haben die Alten von einem göttlichen Wahnsinn gesprochen. , den sie dem Dichter und jedem andern zuschreiben, in dem eine Kraft sich zeigt, die mehr wirkt als sie begreift. So Denn so sehen auch wir noch die sichtbare schon beruhigte Natur, welche nur das äußerlich gewordne Bild der innern ist, in dem Verhältniß, als sie dem Geist sich annähert, gleichsam immer taumelnder werden. Denn es befinden sich zwar alle Dinge der Natur in einem besinnungslosen Zustande; jene Geschöpfe aber, die der letzten Zeit des Kampfes zwischen Scheidung und Einung, Bewußtseyn und Bewußtlosigkeit, angehören, sehen wir in einem der Trunkenheit ähnlichen Zustand und gleichsam wie von zerreißendem Wahnsinn getrieben dahinwandeln. Nicht umsonst wird der Wagen des Dionysos von Löwen, Panthern, Tigern gezogen; denn es war dieser wilde Taumel von Begeisterung, in welchem die Natur über dem vom innern Anblick des Wesens geräth, den der uralte Naturdienst ahndender Völker in den trunkenen Festen bacchischer Orgien gefeyert gleichsam den Untergang d. alten reinen Naturd. zu beklagen. Wogegen der schreckliche Druck der zusammenziehenden Kraft, jenes wie wahnsinnig in sich selbst laufende Rad der anfänglichen Natur Geburt, und die mächtigen darinn wirkenden furchtbaren Kräfte des Umtriebs in anderem schrecklichem Gepränge uralter götterdienstlicher Gebräuche durch besinnungslose, rasende Tänze, durch den erschütternden Zug der Mutter aller Dinge auf dem Wagen mit ehernen Rädern, begleitet von dem Getöse einer rauhen, theils betäubenden theils zerreißenden Musik abgebildet wurde. Denn weil Klang und Ton allein in eben jenem Kampf zwischen Geistigkeit und Körperlichkeit zu entstehen scheinen: so kann die Tonkunst allein ein Bild jener uranfänglichen Natur und ihrer Bewegung seyn, wie denn auch ihr ganzes Wesen im Umlauf besteht, da sie von einem Grundton ausgehend, durch noch so viele Ausschweifungen zuletzt immer in den Anfang zurückkehrt.

Die Beschreibung dieses Zustandes haben wir nicht aus besondern Kräften des Urwesens hergeleitet, sondern nur das allgemeine Schicksal einer sich aus eignen Kräften und ganz für sich selbst entwickelnden Natur geschildert. Denn dem Menschen hilft der Mensch, hilft selbst Gott; dem Urwesen aber in seiner schrecklichen Einsamkeit kann nichts helfen; es muß diesen chaotischen Zustand allein und für sich durchkämpfen.

Die größte Bestätigung der Wahrheit unserer Beschreibung liegt darinn, daß jenes drehende Rad der Geburt, jener wilde sich selbst zerreißende Wahnsinn noch jetzt das Innerste aller Dinge, und nur beherrscht und gleichsam zugutgesprochen durch das Licht eines höheren Verstandes, die eigentliche Kraft der Natur und aller ihrer Hervorbringung ist.

Indeß können wir uns wohl vorstellen, mit welchen Augen diese Beschreibung von einem Theil der Zeit wird angesehen werden. Wir erwarten, es soll auch bey dieser Gelegenheit die alte Anklage heydnischer Naturvergötterung wieder ertönen.

Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen seyn, wie wir in dieser ersten Periode den Begriff von Gott nur mit Einschränkung, nie geradezu ausgesprochen, wie es in unsern strengeren Darstellungen überall geschehen ist. Denn jenes uranfängliche Wesen der Lauterkeit erklärten wir als das, was selbst über Gott und die Gottheit in ihm ist; das so genannte erste Wirkliche aber wagten wir nicht Gott zu nennen.

Was ist es denn nun nach unserer Ansicht? – Es ist in seiner Ganzheit genommen gleichsam der ewige Keim Gottes, da noch nicht ein wirklicher Gott, sondern nur ein Gott der Möglichkeit oder den Kräften nach ist; welcher Keim oder potentielle Zustand Gottes in der Folge der Evolution so nothwendig vor Gott hergehen muß, als die Einwickelung überall der Entwickelung vorangehen muß.

Ich frage die, welche gegen diese Priorität der Natur streiten, ob sie denn überall keine Natur in Gott erkennen? Dann müssen sie sich auf jenes urerste Wesen der Lauterkeit einschränken; denn nur dieses, oder die reinste Gottheit, ist Naturlos, weil sie über allem Seyn und die ewige Freyheit ist; und doch erklären sie in ihrer Rohheit eben diese für das Nichts, worunter sie das insgemein so genannte verstehen. Wo ist denn also ihr Gott?

So wie sie jene Region auch nur mit einem Schritte verlassen; so wie sie Gott Wirklichkeit, Existenz, Daseyn beylegen, müssen sie in ihm eine Natur anerkennen. Denn wo Wirklichkeit ist, da ist Natur, da ist zusammenziehende Kraft, da ist Tiefe und Verschlossenheit.

Haben doch auch jene schon lange des Ausdrucks sich bedient, Gott sey der Grund seiner eigenen Existenz! War dieser Grund ein bloßes Wort, oder wurde darunter etwas Reelles verstanden? Das Erste, so nehmen wir es jetzt genauer in der Wissenschaft und erlauben nicht mehr Worte ohne Sinn zu gebrauchen. Das Letzte, so folgt schon daraus, daß zwischen Gott, inwiefern er Grund seines Daseyns ist, und zwischen dem seyenden Gott ein reeller Unterschied seyn muß; es ergibt sich ferner, daß die Gott selbst zukommenden Eigenschaften nicht die nämlichen seyn können, die ihm als Grund von sich selber zukommen. Es folgt, daß, wenn der seyende Gott als freyes, im höchsten Sinn seiner bewußtes intelligentes Wesen erkannt werden muß, Gott als Grund von sich selbst nicht in dem nämlichen Sinne frey, bewußt, intelligent seyn könne. Wenn nun die Meisten das diesen Eigenschaften Entgegengesetzte physisch nennen, so mögen sie selbst zusehen, ob sie nicht die Priorität des Physischen, (Potentiellen), in Gott, trotz ihres Abscheues gegen dasselbe, unwissender Weise zugeben.

Es ist leicht, die Bemerkung zu machen, daß das Hauptgebrechen der jetzigen Art zu philosophiren in dem Mangel der mittleren Begriffe liegt, wornach z.B. was nicht frey im moralischen Verstande alsogleich mechanisch, was nicht seyend oder nichtseyend, gar Nichts, was nicht intelligent verstandlos ist. Die mittleren Begriffe sind aber gerade die wichtigsten, da die einzigen eigentlich erklärenden in der ganzen Wissenschaft. Wer nur nach dem so genannten Grundsatze des Widerspruchs denken will, der mag wohl geschickt seyn, für und wider alles, den Sophisten gleich, zu disputiren, aber die Wahrheit zu finden, die nicht in schreyenden Extremen liegt, ist er völlig ungeschickt.

Doch vielleicht suchen wir den Grund des Mißverstandes tiefer als nöthig; es läßt sich wohl mit einer historischen Erklärung auskommen. Auch Spinoza redet ja von Gott als einer Natur. Also meynen sie, daß niemand dem ähnliches vorbringen könne, ohne in allen Stücken derselben Meynung zu seyn; besonders, da sie bewiesen zu haben glauben, daß sein System das einzige der Vernunft mögliche sey.

Spinoza verdient eine ernste Betrachtung; fern sey es von uns, ihn zu verläugnen in dem, worinn er unser wissenschaftlicher Ahnherr, unser Lehrer und Vorgänger gewesen. Ja Er allein von allen Neueren hat jene Urzeit gefühlt, von der wir in diesem Buch einen Begriff zu geben versucht haben.

Spinoza kennt jenes mächtige Gleichgewicht der Urkräfte, die er als ausgedehnte (also doch wohl ursprünglich zusammenziehende?) und denkende (doch wohl des Gegensatzes wegen ausdehnende, ausbreitende?) Urkraft einander entgegensetzt. Aber er kennt auch nur diesen Moment ihrer existentiellen Gleichheit. Ob er bey dieser eine Unterordnung der einen unter die andre der Natur oder dem Wesen nach annimmt, ist wenigstens zweifelhaft. Haben diejenigen, welche uns eine solche Gleichsetzung zugeschrieben, denn nicht einmal den Begriff der Potenz bemerkt, der unsrer Ansicht eigenthümlich ist und schon allein hinreichte, sie von der spinozischen gänzlich zu unterscheiden? Ist es ihnen nie aufgefallen, daß die Natur oder das Reale von Gott stets nur als erste Potenz seines Daseins dargestellt worden? – Ihrer unvollkommen Entgegensetzung wegen sind auch die beyden Urkräfte bey Spinoza in völliger Gleichgültigkeit und Unthätigkeit neben einander ohne gegenseitige Erregung oder Steigerung der einen durch die andre. Darum beharrt auch seine Substanz in ewiger Gleichheit und geschlossenem Seyn, ohne Entwickelung oder Erhebung. Obschon Einheit der beyden Urkräfte, ist sie es doch nur auf die Art, wie es bey uns der Grund der Existenz oder das erste Wirkliche ist; sie ist daher ewige Verborgenheit, tritt nie zum Aktus hervor, verklärt sich nie in ein Seyendes. Mit einem Wort, Spinoza ist, wie es längst erklärt worden, der reinste Realist, und so weit vollendet, als es bey dem abgezognen Verhältniß möglich war, in welchem alle neueren Systeme gegen die wirkliche Natur stehen.

Es ist dieß ein andrer Anstoß, den unsre Vorstellung von Anbeginn gefunden, daß sie die sichtbare Natur so hoch gestellt und alle jene Kräfte, die wir aus dem Innern der Materie hervorbrechen sehen, für wahrhaft ewige Kräfte erkannt. Zwar behaupten wir darinn nichts Neues in Bezug auf die eigentlich Alten. Wir haben ihre Meynung nur genauer verstanden und uns nicht begnügt mit der Vorstellung bloß gedachter oder bloß denkbarer Urbilder. Wir verwerfen nicht nur die gewöhnliche Meynung, nach welcher die anziehende und die ausbreitende Urkraft, die Elemente des Feuers und des Wassers, die Kraft des Blitzes und die Sanftmuth des Lichtes, erst mit dieser äußerlich sichtbaren Welt entstanden seyn sollen, wir nehmen auch an, daß diese Kräfte in dem Urwesen, das der Welt voranging, nicht ohne Wirkung gewesen, und die Ausdrücke, deren wir uns in dieser Beziehung gebrauchen, sind darum nicht, wie manche sich vorgestellt, uneigentlich sondern eigentlich verstanden. Es hätte bey uns gestanden, die zwey Hauptmomente der Entwickelung, die bis jetzt beschrieben worden, durch physische von der organischen oder allgemeinen Natur hergenommene, Ausdrücke zu bezeichnen. Der Erfahrene wird die hier stattfindenden Beziehungen ohne unser Erinnern finden.

Was ist es übrigens, das die Meisten an der Materie so beleidigt, daß sie dieselbe so gar geringer Herkunft achten? Am Ende ist es doch nur die Demuth der Materie, die ihnen so anstößig ist. Aber eben diese Gelassenheit ihres Wesens zeigt, daß ihr etwas von jenem uranfänglichen Wesen inwohnt, das nach innen reinste Geistigkeit und doch nach außen vollkommne Leidenheit ist. So hoch wir auch die Aktuosität stellen, zweifeln wir doch, daß sie an sich das höchste sey. Denn das Wesen, aus dem selbst Gott hervortritt, ist ein Glanz der Lauterkeit, der nur ausfließen, aber nicht wirken kann. Ueberall scheint das sanft Leidende und Empfangende vor dem Wirkenden und Thätigen zu seyn. Ich zweifle nach vielen Gründen nicht, daß in der organischen Natur das weibliche Geschlecht vor dem männlichen da ist und daß hierauf zum Theil die angebliche Geschlechtslosigkeit der untersten Pflanzen und Thiere beruht.

Es ist angenommen, ein jedes sogenanntes System müsse nach seinem Princip beurtheilt werden. Es fragt sich aber, was unter Princip zu verstehen ist.

Inwiefern bey jeder Entwickelung die Einerleyheit des sich entwickelnden Subjekts vorausgesetzt wird, in so fern hat unstreitig ein jedes System nur Ein Subjekt, Ein Lebendiges, das sich in ihm entwickelt. Allein von dem Princip in diesem Sinn läßt sich eben darum nicht gleichsam ein für allemal der feste Begriff geben; denn da es in einer beständigen Bewegung, Fortschreitung, Steigerung begriffen ist, kann jeder Begriff nur für einen Moment gelten; es ist als Lebendiges in der That nicht Eines, sondern unendlich Vieles. Hieraus ist denn wohl zu ersehen, daß in keinem lebendigen Ganzen wissenschaftlicher Kunst irgendwo ein Punkt sey, da man gleichsam anhalten, oder den man fest machen könnte, sondern daß schlechterdings die Entwickelung des Ganzen abgewartet werden muß, ehe der vollständige Begriff des sich entwickelnden Subjekts gegeben werden kann. Denn dieses Subjekt ist in der Mitte und am Ende so gut wie im Anfang, und es ist nicht das, was es in diesem oder jenem Punkt der Entwickelung ist; es ist überhaupt nichts Einzelnes, sondern das Eins und Alles in dem Ganzen. Wer daher dem Subjekt einer solchen Entwickelung eine proteische Natur vorwirft, der hat es im Groben besser getroffen, als er wohl selber verstand.

Der Ausspruch ist so oft gehört worden: ein System sey überhaupt unmöglich, wobey aber unterlassen worden zu erklären, was unter System verstanden werde. Wäre System ein Ganzes von Sätzen, die alle ein festes, stehenbleibendes Seyn aussagen, so wäre die sogenannte Naturgeschichte, wenn sie es in der Beschreibung bis zur Vollkommenheit gebracht hätte, das Muster aller Systeme. Oder würde unter System ein Ganzes zusammenhängender Sätze verstanden, deren jeder auch einzeln und für sich genommen Wahrheit hat: so wäre die Geometrie vielleicht das einzige System, ob es gleich wohl niemanden eingefallen ist, sie im eigentlichen Verstand als ein solches zu betrachten. In Bezug auf lebendige Wissenschaft kann man dagegen sagen, daß ein jeder Satz schon dadurch, daß er als Satz ausgesprochen wird, falsch ist. Zum Beispiel, der Satz: das Urwesen ist absolute Einheit von Subjekt und Objekt, ist als eine für sich geltende Wahrheit ausgesprochen, offenbar falsch, weil dasselbe in andrer Beziehung auch wirkende Einheit, in andrer vielleicht gar Gegensatz von Subjekt und Objekt ist. Aber eben so falsch ist sein widersprechender: das Urwesen ist Nichteinheit von Subjekt und Objekt, einzeln genommen. Dagegen im lebendigen Zusammenhang des Ganzen, welches ihm seine Stelle und mit ihr die Gränze seiner Gültigkeit bestimmt, kann jeder von beyden Sätzen als wahr erscheinen. Daher man nun vielmehr umgekehrt sagen möchte: jeder Satz sey außer dem System falsch, nur im System, im organischen Zusammenhang des lebendigen Ganzen gebe es eine Wahrheit.

Das System im schlechten Sinne würde daher, wie Alles, was vom Uebel ist, vom Stehenbleiben herkommen, von der mangelnden Kraft der Entwickelung, der Steigerung, Hindurchführung. So sehen wir offenbar die ganze Verschiedenheit dagewesener Systeme entspringen durch das Festwerden auf Einem Standpunkte; nicht dieser, sondern nur das Stillstehen bey ihm ist das Falsche. Denn weiter entwickelt und fortgebildet müssen sie alle im wahren, im umfassenden Systeme zu Hause seyn.

Gewöhnlich wird der Begriff von Princip nicht in jenem höheren Sinne genommen: er bedeutet den Meisten schlechtweg den Anfangspunkt. Wie ungenügend oder verkehrt sodann die Ansicht werden müsse, wenn die Natur des Ganzen nach der Natur des Ersten beurtheilt wird, leuchtet von selbst ein. Was für ein Name könnte wohl der Ansicht, in deren Entwickelung wir hier begriffen sind, auf diese Weise geschöpft werden?

Wer sich an das Höchste des Ganzen hielte, jenes urerste Wesen der Lauterkeit, könnte, inwiefern dieses in der späteren Entwickelung als das allein eigentlich Seyende oder Ideale erscheint, versucht werden, das Ganze Idealismus zu nennen; und ich selbst habe mir wohl verstattet, jenes Wesen als Absolut-Ideales zu bezeichnen, um es von sich selbst, so fern es bereits wirkliches Seyendes ist, zu unterscheiden, und sodann auch das Ganze wohl als absoluten Idealismus auszudrücken.

Allein das verkümmerte und dem Mißverstand ausgesetzte dieser Bezeichnung läßt sich nicht verkennen. Denn an sich ist einmal jene Wesentlichkeit weder ideal noch real; oder vielmehr, wenn sie nach innen als das reinste Ideale, als lauterste Aktuosität erscheint, so ist sie dagegen nach außen wirkungslos, reinste Leidenheit und in so fern der Natur des Realen gleich.

Sollte also die Bezeichnung des Ganzen von jenem hohen Punkte hergenommen werden: so ließe es sich offenbar weder als Realismus noch als Idealismus betrachten; es wäre vielmehr zu erwarten, daß diese Gegensätze erst in der weiteren Entwickelung hervortreten.

Allein so wie wir bewiesen haben, daß in jener Wesentlichkeit noch nicht einmal die Möglichkeit eines Anfangs ist, sondern erst in dem andern Princip; so könnte auch nur in diesem der Anfang oder Nerv des Systems gesucht werden.

Diesem nach müßte das Ganze für Realismus und Pantheismus erklärt werden, wie es auch häufig genug geschehen ist; mit welchem Rechte, läßt sich aus dem vorhergehenden beurtheilen.

Wird auf das höhere Alter gesehen, so hat der Realismus unstreitig den Vorzug vor dem Idealismus. Wer die Priorität des Realismus nicht anerkennt, der will die Entwickelung ohne vorausgegangene Einwickelung; er will die Frucht und die aus ihr werdende Blüthe ohne die harte Bedeckung, die sie verschließt. Wie das Seyn die Kraft und Stärke des Ewigen selber ist, so ist der Realismus die Kraft und Stärke jedes philosophischen Systems.

Ein jeder erkennt an, daß die Kraft der Zusammenziehung der eigentlich wirkende Anfang jedes Dings ist. Nicht von dem leicht Entfalteten, sondern vom Verschlossenen, das nur mit Widerstreben sich zur Entfaltung entschließt, wird die größte Herrlichkeit der Entwickelung erwartet. Nur jene uralte heilige Kraft des Seyns wollen viele nicht anerkennen, und möchten sie gleich im Anfang verbannen, ehe sie in sich selbst überwunden der Liebe weicht, die sie aus sich gebiert.

Der erste innig fühlende und bemerkende Mensch mußte das Daseyn eines ewigen Gegensatzes in sich und außer sich erkennen. Schon in den Uranfängen der Natur dieß Widerstrebende nirgends aber im Sichtbaren dessen Quelle findend mußte er früh sich sagen, daß der Grund des Gegensatzes älter als die Welt, ja so alt als das älteste der Wesen selbst sey; daß wie in allem Lebenden so schon im Urlebendigen eine Doppelheit sey, die herabgekommen vielleicht durch unzählig viele Stufen bey uns als Leibliches und Geistiges, als Finsterniß und Licht, als Feuer und Wasser, oder als männliches und weibliches Geschlecht auftrete. Weßhalb denn gerade die ältesten Lehren am einstimmigsten jenes erste alles erzeugende Princip als ein doppelkräftiges oder als ein Wesen mit zwey sich widerstreitenden Wirkungsweisen vorstellen.

In unsern aber, von jenem Urgefühl der Menschheit so sehr und immer mehr entfremdeten, Zeiten hat sich die Empfindung jener Zweyheit fast mehr durch die Versuche, sie hinwegzuschaffen und auf irgend eine Weise zu läugnen, als durch wirkliches Anerkennen und Begreifen ausgedrückt.

Wenn man von dem Seyn nur das nimmt, was sich davon uns entgegenstellt und von dem anderen Princip nur so viel, als etwa auch der bloße Mechaniker von ihm in sich finden kann; so entsteht der abgezogenste Ausdruck, in welchem die Zweyheit dargestellt werden kann; sie erscheint als Gegensatz von Seyn und Denken.

Diesem Denken stellte sich das allgewaltige Seyn von jeher als eine unbezwingliche Kraft entgegen, so daß die alles erklärende Philosophie nichts schwerer fand, als von eben diesem Seyn eine Erklärung zu geben. Grade diese Unfaßlichkeit, dieses thätliche Widerstreben gegen alles Denken, dieses aktive Dunkel, diese positive Neigung zur Finsterniß mußte sie zur Erklärung machen. Aber lieber wollte sie das Unbequeme ganz hinwegschaffen, das Unverständliche ganz auflösen in Verstand oder auf irgend eine Weise in Vorstellung.

Ein jeder, der dieß thut, ein jeder, welcher läugnet, daß es ein allem Denken positiv entgegengesetztes, thätig widerstrebendes Princip gibt, der läugnet die Realität an sich und heißt mit Recht (in der gemeinen Bedeutung des Worts) Idealist.

Der Idealismus in diesem Verstand, als völlige Verläugnung jener Urkraft des Seyns, ist keineswegs auf die Schule eingeschränkt, noch eine Geburt erst der gegenwärtigen Zeiten. So wie er unter uns zur Erscheinung gekommen, ist er in der That nur das ausgesprochene Geheimniß der Richtung, welche das alles versuchende Denkvermögen des Menschen schon seit mehreren Jahrhunderten genommen hat.

Es bewährt sich auch hier, daß der Mensch jederzeit seinen Gott nach sich selbst, so wie dann freylich auch sich wieder nach seinem Gott bilde. Wie es unter uns immer mehr Sitte wurde, Humanität als das Einzige, Tüchtigkeit und Kraft aber, die doch ihr zum Grunde dienen müssen, für gar nichts anzusehen: so hat man sich auch bemüht, aus der höchsten Idee so viel möglich alles hinwegzunehmen, was Macht und Kraft ist, so daß ein philosophischer Redner unsrer Zeit von diesem humanen Gott eine Beschreibung für jedermann machen kann, in der vor lauter Licht und Lichtstrahlen nichts gesehen wird.

Ein solcher Gott ist das natürliche Bild eines Menschen, der die Kraft der Vertiefung in sich ganz verloren hat; seine Ohnmacht ist der eines Volkes vergleichbar, das in gutmüthiger Bestrebung nach sogenannter Kultur und Aufklärung dazu gekommen ist, alles in sich in Gedanken aufzulösen; dagegen aber mit dem Dunkel zugleich alle Stärke und jenes – warum sollte das rechte Wort nicht genannt werden? – barbarische Princip verloren hat, das, überwunden, aber nicht vernichtet, die eigentliche Grundlage aller Größe ist.

Wenn daher nach diesem Redner alles, was außer jenem Urlicht der Gottheit da ist, nur noch Bild ist, ein leeres Schematisiren ihrer selbst, und wenn fernerhin alles, was in dieser Bilderwelt noch weiter sichtbar wird, die ganze so genannte erscheinende Natur – die Erde und der Himmel, sonst die Veste der Macht Gottes genannt – nur ein Nichts des Nichts, ein Schatten von dem Schatten ist; (warum nicht gar bey so Pindarschem Schwung Träume von Schatten?) so wäre eben diesem Redner dagegen aufzugeben, bey Anwendung des homerischen Verses, den Kato der ältere auf die Krieger vor Karthago anwandte, unter dem Volk, das solche Redner hat, auch nur den Einen zu finden, von dem wie von Scipio zu sagen wäre:

Jener allein ist kräftig, die Andern flattern als Schatten.

Wie wohlthätig ist es, bey der Beweglichkeit und Leichtfertigkeit des Denkens ein Princip zu wissen, das weder vom Menstruum des schärfsten Begriffs aufzulösen, noch im Feuer des geistigsten Denkens zu verflüchtigen ist! Ohne dieses dem Denken widerstehende Princip wäre die Welt vielleicht wirklich schon in Nichts aufgelöst; nur dieser unüberwindliche Mittelpunkt erhält sie gegen die Stürme des nie ruhenden, beweglichen Geistes. Ja, es ist die ewige Kraft Gottes. Es muß in dem ersten Existirenden ein der Offenbarung widerstrebendes Princip seyn. Denn wenn denn nur ein solches kann der Grund der Offenbarung werden. Wenn eine Kraft ist, welche die Offenbarung bewirkt, muß es nicht auch eine Kraft seyn, die ihr entgegenwirkt, und läßt sich eine ganz unthätige Indifferenz gedenken? Es ist in dem ersten Wirklichen ein irrationales, ein der Auseinandersetzung widerstehendes, also auch Kreaturwidriges Princip, welches die eigentliche Stärke in Gott ist: wie es im hohen Ernst der Tragödie Stärke und Gewalt sind, Diener des Zeus, welche den menschenliebenden Prometheus dem meerumrauschten Felsen anschmieden. Es ist so nothwendig anzuerkennen als die Persönlichkeit Gottes. Wird doch schon in der Sprache älterer Philosophie die Persönlichkeit erklärt, als der letzte Akt oder die letzte Potenz, wodurch ein intelligentes Wesen unmittheilbarer Weise besteht. Es ist das Princip, was Gott, anstatt, wie wohl auch gemeynt worden, mit der Kreatur zu vermengen, auf ewig von ihr scheidet. Alles kann dem Geschöpf mitgetheilt werden; nur das Eine nicht, von und durch den unsterblichen Lebensgrund in sich selbst zu haben, von und aus sich selbst zu seyn.

Daß es der göttlichen Natur unwürdig sey, ein solches Princip in ihr anzunehmen, kann schon überhaupt nicht gesagt werden; denn wie sollte unwürdig seyn können, was nothwendig ist zu ihrem Seyn? aber dieser Einwurf schließt überdieß eine falsche Voraussetzung in sich. Denn als wirkendes Princip geht es dem seyenden Gott voran; im seyenden aber ist es untergeordnet; träte es aber auch je wieder zum Aktus hervor, so müßte zuvor ausgemacht werden, ob es je durch göttlichen Willen hervortritt.

Was von dem Realismus gilt, gilt auch von dem Pantheismus. In jenem Urzustand des Gleichgewichts aller Kräfte ist das Eine auch das All, und das All das Eine. Aber auch diese Einheit ist keine unthätige, sondern durch eine im Urwesen wirkende Kraft gesetzt. Wie daher der Realismus den Vorzug des Alters hat vor allen andern Absichten, so kommt auch dem Pantheismus die unstreitige Priorität vor seinem Gegensatze, dem Idealismus und Dualismus, zu. Wir können sagen, er sey in Gott selbst das frühere und ältere System. Aber eben dieses pantheistische System der Urzeit, dieser Urzustand der All-Einheit und Allverschlossenheit ist es, welcher durch die folgende Zeit immer mehr verdrungen und als Vergangenheit gesetzt werden soll. – –

Wodurch ist dieser Zustand zur Vergangenheit geworden? denn daß er vergangen ist, davon überzeugt uns die Aeußerlichkeit und das beruhigte Ansehen der Natur, ihr organisches Verhältnis im Gegensatz jener wilden unorganischen Zeit.

Durch keine Macht außer dem Urwesen, wenn auch eine solche denkbar wäre. Denn seine Kraft kann nichts beugen; nichts vermag diese unverbrüchliche Einheit seines Wesens zu brechen, die Simultaneität und Aequipollenz der Kräfte in ihm aufzuheben.

Aber auch er selbst, der im Seyn eingeschloßne Gott, vermag es nicht von sich selbst. Denn von sich selbst ist er ein untrennbares Ganzes, und jener höhere Wille, der zugleich sein Wille ist, die Liebe, kann ihn wohl in den Zustand des Widerspruchs und des Streits versetzen, aber nicht ihn aus demselben herausführen; auch durch keines der in ihm eingeschlossenen Principien ist dieser Zustand zu ändern, weil nichts von ihm zu trennen ist.

Also wären überhaupt nur folgende Fälle denkbar:

Entweder müßte das Urwesen in diesem Zustande des Widerspruchs verharren, da es weder zur Scheidung noch zur Einung käme. Oder es müßte wirklich die Scheidung geschehen; entweder durch Uebermacht des höheren Willens, oder indem der wirkende Wille sein eigen Leben aufgäbe. Oder endlich es müßte jenem auf Scheidung dringenden höheren Willen sein Verlangen auf andre Weise und so erfüllt werden, daß der andere Wille dabey in seiner Kraft und Wirksamkeit bestünde.

Das Erste ist gegen die Voraussetzung, ist auch an sich undenkbar. Denn ewige Zerrüttung, ewiges Chaos, ewige Qual und Angst ist unmöglich; aller Widerspruch findet durch sich selbst sein Ende. Das andere aber, daß die Scheidung über die Einung absolut siegte, ist wieder unmöglich. Denn damit würde das zusammenziehende Princip gar vernichtet; es wäre zwar wieder die anfängliche Lauterkeit, aber ohne Offenbarung. Das will sie aber nicht; denn so oft sie auch entfliehen möchte aus der Macht des Umtriebs, bleibt sie doch wieder, weil sie ihr Sehnen nach Offenbarung nicht lassen kann; sie will, daß der Gegensatz sey, damit sie aus ihm als Einheit aufgehen könne. Wer zweifelt, daß jenes übergöttliche Wesen der Lauterkeit, wenn es nur von der Existenz frey seyn wollte, alle Widerwärtigkeit in sich verzehren und so als vernichtendes Feuer von ihr ausgehen könnte? Aber dieß leidet die Liebe, leidet die Absicht der Offenbarung nicht. Im beständigen Daseyn und beständig gehemmten Ausbruch des Feuers liegt das höchste Geheimniß. Das dritte endlich, daß der existirende Wille sein eigenes Leben (den Eigenwillen) ganz aufgäbe, ist nicht weniger unmöglich, denn er würde damit alles zurücknehmen und auch den Anfang aufheben. Es wäre ein völlig rückgängiger Prozeß. Aber alles Rückschreitende ist vom Argen, und nicht die Freyheit, zurückzunehmen, sondern die Kraft, das Angefangene durchzusetzen und bis zum Ende hinauszuführen, ist göttlicher Art. Auch ist es an sich undenkbar. Der eigne oder zusammenziehende Wille müßte entweder durch den höheren Willen aufgehoben werden, was schon bewiesnermaßen unmöglich ist. Oder der contrahirende Wille als solcher müßte sich selber aufheben. Aber dieser ist ein an sich blinder Wille, der gegen sich selbst keine Freyheit hat, und unmöglich ist, daß dasselbe durch dasselbe überwunden werde. Also bleibt nur das Letzte übrig, daß nämlich dem Wesen und somit auch dem Existirenden seine Sehnsucht nach Freyheit und Offenbarung auf andre Weise gestillt werde.

Der unauflöslich scheinende Widerspruch, welcher hier statt findet, ist, wie sich immer klarer gezeigt, daß das Existirende sich scheiden und doch zugleich existirend, d.i. Eins bleiben sollte. Durfte die Einheit sterben, so war der Widerspruch gar nicht vorhanden: aber im Allervollkommensten darf nichts verloren gehen; auch der sanfteste Uebergang aus der Einheit in die Zweyheit, wobey jene aufhörte, stritte gegen die Vollkommenheit und Unveränderlichkeit der göttlichen Natur, in der keine Verwandlung des Wesens, kein Wechsel von Finsterniß und Licht seyn kann. Bewegte sich das Eine selber aus der Einheit in die Zweyheit, so ginge die Einheit verloren. Aber die Zweyheit soll seyn, und die Einheit nichtsdestoweniger bestehen. Dieß wäre nun schlechterdings nur möglich, wenn das einende Princip eben dadurch, daß es in sich bliebe, das scheidende Princip setzte, und eben dadurch, daß es das aufschließende Princip setzte, in sich selbst als zusammenziehendes bestünde. Aber nur dann bliebe es als solches in sich selbst, wenn es durch sein Zusammennehmen das scheidende Princip außer sich setzte. Aber nichts vermag außer dem wenn gleich nur noch im Keim vorhandenen Gotte zu seyn, denn er ist das Wesen aller Wesen, in ihm liegt der Same und die Möglichkeit alles Wirklichen. Also müßte jenes außer dem Existirenden gesetzte Princip doch zugleich in Gott, und nur außer dem Existirenden seyn, d.h. Gott müßte sich in ihm nur verdoppeln, es müßte nur eine andere, zwar von der des Existirenden, aber nicht von ihm selbst verschiedene Persönlichkeit Gottes seyn. Dennoch aber müßte es von Gott seyn, so fern er das Existirende oder im Seyn Eingeschloßne ist; denn außer diesem war zuvor nichts, auch Gott nicht. Dieses selber aber, das Existirende, ist ein untrennbares Ganzes und wie es ist, so soll es nach der Voraussetzung bleiben. Nicht durch Theilung, nicht durch Lostrennung oder Absonderung irgend eines der in ihm enthaltenen Principien kann also der im Seyn eingeschloßne Gott die andre Persönlichkeit setzen, sondern nur so, daß er selbst dabey in seiner Integrität und Geschlossenheit bleibt. Ein solches Setzen eines andern außer sich, wobey das Setzende in seiner Ganzheit bleibt, ist aber Zeugung. Also Zeugung, Selbstverdoppelung des im Seyn eingeschloßnen Wesens wäre die endliche, wäre die einzig mögliche Auflösung des höchsten Widerstreits.

Der Begriff der Zeugung wird zwar auch im weiteren Sinne genommen und überall angewendet, wo in einem lebendigen Wesen die erst innerlich schaffende Kraft nach außen zu wirken beginnt, gleichviel, ob sie das ihm Gleiche, oder ob sie überhaupt nur ein von ihm Unabhängiges und Selbständiges hervorbringt. So wird auch den Dichtern und Künstlern in ihren Hervorbringungen eine zeugende Kraft zugeschrieben, und zwar in dem Verhältniß, als das Hervorgebrachte von ihnen unabhängig erscheint. Die Pflanze, in welcher sich die Urform der Zeugung am reinsten darstellt, ist nicht erst in der wirklichen Befruchtung, sondern gewissermaßen schon im Uebergang zum Blüthenstande zeugend, indem sie auch hier bereits ein von ihr Verschiedenes hervorbringt, wodurch sie die bloße Fortsetzung ihrer selbst aufhebt. Aber überhaupt nicht bloß das organische Wesen im Ganzen, auch die einzelnen, besonders die Sinnesorgane, sind beständig Zeugungslustig. Das Ohr will immer hören, wie man daraus sieht, daß manche ohne Schall oder Ton oder Wort gleichsam nicht leben können, die sie sich daher selbst erregen, wenn es außer ihnen stille ist, wie Viele auch mit sich selbst zu reden pflegen. So ist das Auge in einer beständigen Neigung zum Sehen, welches ein wahres außer-sich-Schaffen, Zusammenziehen d.i. Zeugen ist, und wird ihm nicht von außen Veranlassung gegeben, so entschließt es sich, im besonders reizbaren Zustande, zu Zeugungen auf eigne Hand. Allgemein scheint ein jedes Wesen, das sich in seiner eignen Fülle nicht mehr enthalten oder zusammenziehen kann, außer sich zusammenzuziehen, wohin z.B. das hohe Wunder der Bildung des Worts im Munde gehört, welches eine wahre Zeugung des vollen Innern ist, wenn es nicht mehr in sich selbst bleiben kann.

Auch das Existirende sucht ja in der zunehmenden Fülle seines Innern nichts anders als das Wort, durch das es ausgesprochen, befreyt, entfaltet werden könne, und überall löst nur das gezeugte oder gefundne Wort die innere Zwietracht.

Auch der Mensch, wenn seine erste Persönlichkeit anfängt, die Angst und jene tiefen inneren Schmerzen alles Lebens zu empfinden, muß, will er anders nicht im chaotischen Zustand bleiben oder einem innern verzehrenden Feuer anheimfallen, sich den Erretter, die andere höhere und bessere Persönlichkeit zeugen, welche die erste zur Entscheidung, zur Aufschließung, zur Besonnenheit bringt.

Liebe ist der Antrieb zu aller Entwickelung. Liebe bewegt das Urwesen zur Aufgebung der Verschlossenheit. Denn nicht äußerlich bloß, innerlich wird die zusammenziehende Kraft überwunden. Je mehr ihr durch fortgehende Scheidung das Wesen der Lauterkeit geoffenbart und innerlich empfindlich wird, desto mehr fühlt sie, daß dieß ihr eignes wahres ursprüngliches Wesen ist, und welch’ eine strenge, harte und blinde Natur sie sey gegen die Sanftmuth, den Verstand und das Licht jenes höheren Wesens, und verliert immer mehr den Muth, ihm zu widerstehen, kann aber als die ewige Kraft und Stärke doch nicht aufhören, zusammenziehend zu seyn. Je mehr sie nun der Scheidung nachgibt, ohne doch die Contraction lassen zu können, desto mehr schwillt ihr das Herz; ihr Wesen wird zugleich sehnsuchtsvoller, ahndender; ihre Bewegungen sind nicht mehr wie die tobenden Stürme des Winters, sondern wie die Wehen des kommenden Frühlings, wenn ein schmerzlich süßer Hauch durch die ganze Natur zittert und alle Wesen von innerer Wonne wie aufgelöst scheinen, indeß sie zu ihrer höchsten Lebensenergie sich vorbereiten. Denn indem nun die zusammenziehende Kraft ihr Leben innerlich freygibt, der Zorn ohnmächtig wird und allen Willen und mit ihm das Vermögen zur Contraction verliert, äußerlich aber, oder der That nach, als die ewige Kraft des allein von Natur unsterblichen Wesens doch nicht aufhören kann, schaffend, contrahirend zu seyn: so ist jetzt auch in Ansehung des Urwesens jener Moment des höchsten Drangs der Kräfte erreicht, da es unvermögend in sich zusammenzuziehen oder zu zeugen, außer sich das ihm ähnliche, damit aber ein von ihm Unabhängiges, Selbständiges erzeugt.

Was könnte aber die zusammenziehende Urkraft anders aus sich zeugen, als das, dessen die Wesenheit begehrt, durch deren Verlangen sie allein in jenen Widerstreit versetzt wurde, das ihr ähnliche, die reinste Liebe! Wie im Herzen die Liebe, so wird aus dem Mittelpunkt der Contraction des ewigen Vaters der ewige Sohn geboren.

Nun ist der Wunsch der Liebe erfüllt. Zum erstenmal erkennt sie die zusammenziehende Kraft als einig mit ihr selbst. Denn sie selbst, die reine Lauterkeit für sich, vermag weder zu zeugen noch zu schaffen; dazu bedurfte sie der zusammenziehenden als der allein wirkenden und zeugenden Kraft, die darum in sich eben so ewig ist wie sie. Aber sie sollte doch nur zeugende Kraft, also, in dem Existirenden selbst, nicht um ihrer selbst willen seyn. Darum stritt die Liebe gegen sie, bis sie innerlich überwunden sich wirklich zur Zeugung entschloß. Jetzt ist das Verlangen der innern Liebe gestillt; von nun an läßt sie die zusammenziehende Kraft ruhig gewähren. Denn es darf die zusammenziehende Kraft nicht aufhören, sondern muß ewig fortwirken, damit ewig der Sohn aus dem Vater gezeugt und ewig die väterliche Kraft durch den Sohn entfaltet werde, und aus dieser Zusammenwirkung die ewige Wonne des Ueberwindens und des Ueberwundenwerdens entstehe. Der Sohn ist nicht des Vaters Gegensatz, sondern seine Lust und Liebe, wie, um ein schwaches Gleichniß zu geben, es uns Wonne ist, den Freund zu finden, der unser für sich verschlossenes Inneres zum Aufschließen, zum Sich-Aussprechen bringt, oder der uns endlich das Wort gibt, das alle Widersprüche unseres Lebens löst. Denn nur mit dem Sohn fängt das Selbstverstehen und die Unterscheidung in dem Vater an, wie schon ein älterer Schriftsteller sich ausdrückt: Der Sohn ist die Gränze der väterlichen Tiefe und der Quellbronn der verständlichen Dinge.

Unmittelbar nämlich, durch das bloße Daseyn des Sohns, wird nicht der Vater zwar, aber die väterliche auf Indifferenz der Kräfte und Verschlossenheit gehende Einheit als nichtseyend, zwar nicht in sich selbst, aber doch in Bezug auf den Sohn, gesetzt. Was aber seyend in sich beziehungsweise auf Anderes als nichtseyend gesetzt ist, ist als vergangen gesetzt. Also durch die Zeugung des Sohns tritt die dunkle Urkraft des Vaters selbst in die Vergangenheit zurück und erkennt sich als vergangen in Bezug auf ihn. Aber so wie die zusammenziehende Kraft in die Potentialität, Vergangenheit, Innerlichkeit zurückgetreten (als erste Potenz wirklich gesetzt) ist, hört der Widerspruch der Liebe gegen sie auf, denn sie ist in ihrem wahren Verhältniß. Nun kann sie immerfort innerlich wirken und die Liebe erfreuet sich ihres Wirkens: denn nur durch ihr Wirken ist der ewige Sohn, in welchem jetzt die Liebe des Vaters ruht, nicht mehr anfachend den Streit der vorigen Zeiten. Die beyden Principien sind nun zuerst in Freyheit gegeneinander gesetzt; und erfreuen sich der gegenseitigen Unabhängigkeit, da sie doch zusammen nur Eine Natur ausmachen.

Der Sohn ist der Versöhner, der Befreyer und Erlöser des Vaters, und wenn die väterliche Kraft vor dem Sohne war, so war sie nicht weniger auch vor dem Vater; denn der Vater selbst ist nur in dem Sohn und durch den Sohn Vater. Daher der Sohn auch wieder Ursache von dem Seyn des Vaters ist und hier vorzugsweise gilt jene den Alchemisten bekannte Rede: des Sohnes Sohn ist der des Sohnes Vater war.

Es beginnt mit dem Sohn die zweyte Epoche, die Zeit der Gegenwart, der herrschenden Liebe. Jenes oben ausgesprochene Gesetz, daß dieselben Kräfte, welche innerlich zusammenwirken, äußerlich unabhängig von einander werden und als herrschende Mächte jede ihre eigne Zeit haben, dieses große Gesetz alles Lebens ist hier in dem höchsten der Fälle bestätigt.

Die erste Wirkung des Sohns in Ansehung der väterlichen Kraft ist, daß er die Einheit des Seyns und des Seyenden in ihr überwindet, welches nicht möglich ist, ohne auch in jedem von diesen für sich das Seyende oder Wesen in Freyheit zu setzen gegen das Seyn.

Denn sowohl im Seyn als im Seyenden war das Wesen, aber in beyden auf entgegengesetzte Art.

Im Seyenden war es dadurch unfrey, daß es als Subjekt der zusammenziehenden Kraft und dadurch selbst als zusammenziehend gesetzt wurde, da es seiner Natur nach ausfließende und mittheilende Kraft ist.

Im Seyn hingegen war es dadurch unfrey, daß es zusammengezogen und in so fern als Objekt gesetzt war.

Nun beruht die Einheit zwischen dem Seyenden und dem Seyn eben darauf, daß das Wesen im Seyenden als Subjekt, im Seyn als Objekt gesetzt ist. Mithin kann jene Einheit nicht aufgehoben werden, ohne daß zugleich im Seyenden und im Seyn das Wesen frey wird gegen das Seyn oder von der zusammenziehenden Kraft.

Das Verhältniß, in welchem sich das Wesen zur contrahirenden Kraft im Seyenden befindet, können wir uns nicht besser vorstellen, als durch das Verhältniß, worein das an sich freye und lautere Gemüth gegen einen bestimmten Willen gesetzt ist, der sich in ihm erzeugt: denn obwohl in ihm entsprungen, nimmt er doch bald das Gemüth selbst gefangen, so daß auch dieses in Bezug auf ihn seine Freyheit und Lauterkeit verliert. Frey von ihm wird es aber, wenn nun vielmehr dieser Wille nach innen, in die Verborgenheit zurücktritt, das Gemüth dagegen wieder frey ausfließen und sich mittheilen kann.

Eben also auch wird das Wesen im Seyenden nur in dem Verhältniß frey, als die contrahirende Kraft, der andre Wille, der es zum Subjekt von sich machte, überwunden und somit als Inneres, als latent und beziehungsweise als Subjekt gesetzt wird, indeß das Wesen als das Umfangende, Einschließende von ihm nach außen kommt und wieder frey ausfließende Liebe wird.

War das Wesen im Seyenden dadurch unfrey, daß es als Subjekt gesetzt war, da es an sich oder seiner Natur nach über allem Subjekt ist: so ist es im Seyn dadurch unfrey, daß es in Bezug auf die verneinende Kraft Objektives, Nichtseyendes ist, da es beziehungsweise auf diese vielmehr seyendes seyn sollte. Also wird die Befreyung des Wesens im Seyn darinn bestehen, daß hier vielmehr das Wesen immer mehr als seyendes oder gegenwärtiges (in so fern Subjektives), das Seyn oder die verneinende Urkraft dagegen immer mehr als beziehungsweise nichtseyendes, vergangenes (in so fern Objektives) gesetzt wird.

Denn nicht absolute Trennung der Kräfte soll die Scheidung seyn, nicht Zerreißung des anfänglichen Bandes der Einheit; wäre dieß, so würde die ewige Kraft des Vaters nicht überwunden in Liebe, sondern vernichtet. Nur Lösung soll die Scheidung seyn, durch welche jedes Princip unabhängig von dem andern oder in seine eigene Freyheit gestellt wird. Wir werden diese Lösung am richtigsten ansehen, wenn wir sie als Artikulation des erst stummen Bandes der Existenz betrachten, wodurch dieses in das vernehmliche, sprechende Wort verwandelt wird, in welchem Selbst- und Mitlauter nicht getrennt, sondern nur in das gehörige, aussprechliche Verhältniß zu einander gesetzt sind.

Nun verwirklicht sich der Sohn in dem Verhältniß, als er die dunkle Kraft der Indifferenz in dem Vater überwindet, d.h. in dem Verhältniß, als er das Band artikulirt. Daher ist der Sohn in seiner Verwirklichung nichts anders als das lebendige, artikulirende Wort selbst, und hinwiederum das lebendige Wort nichts anders als der Sohn in seiner Verwirklichung.

Dadurch, daß das Seyende die zusammenziehende Kraft als Innres oder Subjekt in sich hat, nach außen aber frey ausquellendes lauteres Wesen ist, wird es zum selbständigen, selbstbewußten, sich erkennenden Wesen, und mit einem Wort in’s Geistige erhöht. Es ist ein aus sich leuchtendes Feuer, das keines Seyns außer sich bedarf, sondern sich selbst genug ist.

Aber nur durch und in dem Sohn ist das Seyende vom Seyn geschieden und in’s Geistige erhöht; wie nur im Sohn der Vater wirklicher Vater ist. In sich selbst aber ist er noch immer was er zuvor war und könnte der Sohn vergehen, so ginge auch das Selbstbewußtseyn des Vaters zurück in jene tiefe Verschlossenheit, von der wir in uns selbst das schwache Bild finden, wenn sich unser Inneres im finstern, unfreyen, ungeschiedenen Zustand befindet.

In gleichem Verhältniß als das Seyende vom Seyn geschieden wird und in die ewige Selbstgegenwärtigkeit erhöht, wird nothwendig das Seyn als Vergangenheit gesetzt. Aber doch nur als das Seyn kann es als Vergangenheit gesetzt werden. Dieß kann nur geschehen, wenn in gleichem Verhältniß das, was in ihm seyendes oder Wesen ist, als gegenwärtig und als seyend gesetzt wird.

Also in jedem von beyden, im Seyenden wie im Seyn, werden die wirkenden Kräfte in das freye und ihrer Natur angemeßne Verhältniß gesetzt; in jedem von ihnen ist das lebendige Wort als das frey einende und schaffende Band; jedes von ihnen wird also zu einer Welt für sich entfaltet.

Die Welt, zu der das Seyn entfaltet wird, ist die Natur; die Welt, zu welcher das Seyende, die Geisterwelt.

Natur und Geisterwelt entspringen aus dem gemeinschaftlichen Mittelpunkt Einer und derselben Ureinheit immer gleichförmig, zumal mit einander, durch Einen Akt der ewigen Dualisirung.

Denn die väterliche Kraft hört nie auf zu wirken, so daß die beyden nicht etwa bloß im Anfang, sondern immerfort nur aus dem Vater, entstehen, der darum mit Recht die Einheit der Natur und der Geisterwelt heißt. Ohne die Zusammenziehung des Vaters hört die Natur ganz auf, als das Seyn, das von Anfang an nur in der Contraction und durch sie bestand, mit ihm aber auch das Geistige, das ewig nur wird, indem die contrahirende Kraft überwunden, und als Inneres gesetzt wird.

Aber nur durch den Sohn sind die beyden Welten geschieden; durch ihn sind im eigentlichen Verstand alle Dinge gemacht sowohl in der sichtbaren als unsichtbaren Welt. Könnte er je aufhören zu wirken, so ginge Natur und Geisterwelt wieder zusammen und in die Einheit zurück. Die Frage, durch welche Kraft beyde in der Gegenwart auseinandergehalten sind, ist zum mindesten ebenso wichtig, als die, durch welche sie ursprünglich oder in der Vergangenheit angesehen Eins sind?

Aber sind sie denn nun durch den Sohn schlechthin getrennt und ist überall kein Verhältniß mehr zwischen beyden, außer der väterlichen Einheit, die als tragende Vergangenheit noch immer dem Gegensatz zu Grunde liegt, in dem sie sich befinden? Entsteht nicht eben aus der Geschiedenheit selbst eine höhere Einheit und mußten sie nicht vielleicht bloß darum geschieden werden, damit jene höhere Einheit entfaltet werde? War die erste auf Ungeschiedenheit beruhende eine bewußtlose und nothwendige: so müßte diese andre aus der Scheidung hervorgehende eine freye und bewußte Einheit seyn.

Um zur Beantwortung dieser Frage zu gelangen, ist es nöthig, auf den ersten Sinn der Scheidung zurückzugehen. Damit aber nicht dasselbe auf die nämliche Weise wiederholt werde, wollen wir versuchen, das, was oben mehr in erzählender Form, hier mehr auf dialektische Art auszudrücken.

Da das Seyn oder Objektive sich zum Seyenden im Ganzen wieder als Nichtseyendes verhält: so können wir es als den Gegensatz, das Seyende aber als die Einheit ansehen. Das Existirende, da in ihm Seyendes und Seyn zu höchster Innigkeit verschmolzen, läßt sich als Einheit der Einheit und des Gegensatzes aussprechen, wie wir uns auch oft dieses Ausdruckes bedient haben.

Aber es ist diese noch keineswegs für sich selbst, nur in sich selbst oder verborgener Weise. Es kann in dieser Innigkeit nicht stehen bleiben; jede Existenz dringt weiter zu ihrer Entwickelung; ein jedes Gewächs verlangt nach seiner Fülle, will sprossen, treiben und endlich sich zur Blüthe entfalten. Die Einheit und der Gegensatz in Einem und demselben Wesen wollte das Ewige, das, was es war, auch wieder seyn, d.h. sich selbst offenbar werden als solches. Zu diesem Ende mußten Einheit und Gegensatz geschieden oder selbst entgegengesetzt werden, und bis zu diesem Punkt haben wir auch die Entwickelung geführt.

Aber diese Scheidung oder Entgegensetzung war nicht um ihrer selbst willen; sie war nur, damit das Ewige sich durch sie offenbare als Einheit der Einheit und des Gegensatzes.

Dieses wäre nun nicht dadurch möglich, daß jene in der Existenz eingewickelter Weise schon vorhandene Einheit (die Einheit der Einheit und des Gegensatzes) unmittelbar wieder als Band zwischen beyden einträte; denn da hörte sogleich alle Scheidung auf, es wäre im Grunde wieder, was zuvor war, eine eigentliche Entscheidung wäre nicht erfolgt, die alte Verschlossenheit träte auf’s Neu’ an die Stelle der Entwickelung.

Der Gegensatz also muß bleiben; Einheit und Gegensatz jedes muß für sich seyn, und – eben in diesem Für-sich-seyn eines jeden und ohne daß es aufgehoben wird muß die Einheit erscheinen.

Dieß läßt sich nun bloß gedenken, wenn im Verhältniß der Entgegensetzung beyder in jedem der Geschiedenen für sich die Einheit sich erzeugt, wenn sie also durch einen innern aus jedem besonders gezeugten Einklang und eben darum in der Geschiedenheit und durch sie Eins werden.

Nur so offenbart sich das höchste Wesen der Liebe: denn daß Principien einträchtig sind, die durch eine bindende Kraft dazu gezwungen sind, ist kein Wunder, aber Liebe ist, wenn bey existentieller Unabhängigkeit Freyes zu Freyem gezogen wird.

Aber die Anlage oder Möglichkeit einer solchen freywilligen Einheit muß doch schon in jedem für sich liegen, wann auch undeutlich und unentwickelt. Und in beyden sind ja wirklich dieselben Principien, dasselbe scheidende, und einende Wort. Nicht die Verschiedenheit, sondern nur das umgekehrte Verhältniß der Kräfte in beyden macht den Unterschied. In beyden wird durch den fortgehenden Prozeß die verneinende Urkraft immer mehr als latent gesetzt; aber im Seyenden dadurch, daß sie mehr und mehr Subjekt, im Seyn dadurch, daß sie mehr und mehr Objekt wird. In gleichem Verhältnis als die zusammenziehende Kraft im Seyenden innerlich gesetzt wird, kann die Liebe als frey sich mittheilende Wesenheit ausfließen; und ebenso, in gleichem Verhältniß, wie die zusammenziehende Kraft des Seyns äußerlich gesetzt wird, keimt ihr die Liebe im Herzen und überwindet von innen heraus das harte Aeußere. Dort ist die Liebe das wirkende Aeußere, die zusammenziehende Kraft das latente Innere, das nur ist, damit die Liebe etwas habe, wovon sie gehalten und durch das sie selbständig werde; hier dagegen ist die Liebe das wirkende Innere, die verneinende Kraft das wirkungslose Aeußere. Auf diese Weise ist die Möglichkeit gegeben, daß mit der höchsten äußeren Entgegensetzung die größte innere Einheit verbunden sey. So liegt der Tag in der Nacht, die Nacht im Tage verborgen, nur eins überwältigt durch das andre. So liegt im Guten das Böse, nur verborgen und unwirksam, aber als nothwendiger Halt des Guten selber; so hinwiederum im Bösen das Gute, ohne welches das erste gar nicht seyn könnte, nur niedergehalten von jenem.

Hier stellt sich also zuerst eine dritte Art der Einheit dar, die jedoch nur die in der Wirklichkeit offenbar gewordne erste, aber von der zweyten auf existentieller Gleichheit beruhenden ganz verschieden ist. Wir werden diese innere Einheit eine wesentliche und qualitative nennen können, da im Gegentheil die Verschiedenheit immer mehr eine bloß äußere, unwesentliche, quantitative wird.

Es ist dieser Begriff von bloß quantitativer Differenz des Seyns und des Seyenden häufig für die Behauptung einer unwesentlichen Differenz der Principien selber gehalten worden, wie denn in solchen Materien von der Mehrzahl schwerlich etwas andres als oberflächliches Ansehen und Beurtheilen erwartet werden kann. Wer nur einige Aufmerksamkeit hat, muß einsehen, daß gerade die bloß quantitative Differenz zwischen Seyendem und Seyn den entschiedensten qualitativen Gegensatz der Principien in ihrer Bloßheit oder für sich betrachtet voraussetzt.

Eben dieser Begriff ist durch den des bloßen Potenzunterschiedes erklärt worden. Denn in dem Seyn z.B. ist auch ein Seyendes; aber im Seyenden als solchen ist wieder das Seyende dieses Seyenden; und wenn jenes in der jetzigen Unterscheidbarkeit der Principien oder als artikulirte Differenz sich durch die Formel A=B bezeichnen läßt: so wäre das in’s Geistige und Bewußte erhöhte Seyende durch A2 auszudrücken.

Also schon durch ihre innere Natur sind sich Seyendes und Seyn, das Geistige von Gott und das von ihm geschiedne Leibliche, Natur und Geisterwelt verwandt. Doch ist dieß nur abstrakt gesprochen und als wären beyde stehende Begriffe. Das Wahre ist, daß diese innere Einheit eine mehr und mehr werdende und im Verhältniß der Scheidung sich entwickelnde ist. Denn Natur und Geisterwelt entspringen in stets gleichem Maß aus der ewigen Einheit. In dem Verhältniß als im Seyn die Liebe seyend und aus dem Nichtseyenden erhoben wird, in gleichem Verhältniß wird im Geistigen des Vaters der Zorn latent oder Inneres, die Liebe Aeußeres, Offenbares; und umgekehrt. Aber eben dadurch werden sie ja auch geschieden; denn untrennbar war das Seyn von dem Seyenden nur durch die wirkende Contraction des Vaters. Also werden sie durch eben das, was sie von einander scheidet, zu jener höchsten Einheit gebracht, in der sie als geschiedene sich wieder umfassen und mit dem ganzen Reichthum ihres Inhalts gegenseitig in einander auflösen. Wenn nämlich durch den stets fortgehenden Prozeß einer wahrhaft göttlichen Scheidekunst das jetzt noch so tief verborgene Wesen der uranfänglichen Lauterkeit in dem Seyn immer mehr erhoben und als seyend gesetzt wird: so ist die Natur in ihrer letzten Vollendung, obwohl von einer ganz andern Seite her, dem Wesen nach völlig eben das, was das Geistige in Gott zu gleicher Zeit seyn wird; denn in jener wie in diesem wird, obschon auf entgegengesetzte Art, die Liebe als das allein Seyende, das verneinende Princip aber als das Nichtseyende gesetzt.

So also werden die beyden Welten durch fortgehende Scheidung immer mehr zu der letzten Einheit vorbereitet, die nur aus dem Inneren einer jeden für sich entwickelt werden kann.

Nicht vorhanden soll diese Einheit seyn; denn die Gegenwart beruht auf dem Gegensatz, ist nur Uebergang von jener anfänglichen tiefverschloßnen Indifferenz zu der letzten und entfaltetsten Einheit. Nur eine immer werdende, sich stets erzeugende und, mit einem Wort, vom gegenwärtigen Standpunkt zukünftige, kann jene Einheit seyn.

Sie ist nicht vorhanden in dem Sinn, daß sie zwischen den beyden Geschiedenen oder objektiv schon gesetzt wäre; aber werden soll sie doch zwischen ihnen, d.h. sie soll der Potenz nach, also subjektiv schon seyn – verborgner Weise soll in den Tiefen der Gottheit die unsichtbare Kraft wohnen, die sich einst zu dieser aus innrem Einklang der geschiedenen entspringenden Einheit als Wesen oder Subjekt bekenne.

Dieses Wesen, in Ansehung dessen Natur und Geisterwelt, Einheit und Gegensatz, schon jetzt auf höhere obwohl noch nicht äußerlich sichtbare Weise, Eins sind, kann nicht der Vater seyn; denn der Vater ist noch immer die Kraft der ersten Einheit, durch welche Natur und Geisterwelt ineinander und ungeschieden sind; der Sohn aber ist die Persönlichkeit, welche sie scheidet und welche also nicht zugleich jene seyn kann, die sie als Subjekt wieder verbindet. Jene unsichtbare und in der Gegenwart verborgne Einheit muß also, da sie nur Gott seyn kann, eine von der Persönlichkeit des Vaters so wie des Sohns verschiedene, dritte Persönlichkeit seyn, welche zwar in der des Vaters, weil er in sich schon Einheit der Einheit und des Gegensatzes war, eingewickelt bereits vorhanden seyn mußte, die jedoch erst durch den Sohn wirklich entwickelt wird, der eben darum die Indifferenz des Vaters überwinden, die erste den Gegensatz noch einwickelnde Einheit scheiden mußte. Daher es ganz der Sache gemäß wäre zu sagen, daß diese dritte Persönlichkeit potentiell von dem Vater, aktuell von dem Sohne ausgehe.

Erst durch diese dritte Persönlichkeit ist Gott ein wahrhaft ganzes, geschlossenes in sich vollendetes Wesen; klar ist zugleich, wie nur in dieser Dreyheit von Persönlichkeiten die höchste Einigkeit des Wesens sich offenbaren kann. Auch diese Persönlichkeit ist kein einzelnes Princip, kein Theil der Gottheit, sondern der ganze Gott, aber im Zustand seiner höchsten, lebendigsten Entfaltung.

Da für diese dritte Persönlichkeit auch das zuvor subjektive, durch die Scheidung in’s Geistige erhöhte wieder mit dem Seyn oder Wirklichen Eins ist: so können wir ihr Wesen wohl nicht angemeßner ausdrücken, als wenn wir sagen, in ihr sey wieder die uranfängliche Lauterkeit, die absolute Einheit von Subjekt und Objekt, in der höchsten Verwirklichung: in so fern würde sie Geist zu nennen seyn, aber – nicht beziehungsweise, wie das in’s Geistige erhöhte, dem Seyn entgegengesetzte, Seyende, sondern, wegen ihrer Erhebung über das Seyende wie über das Seyn –, der Geist an sich oder der absolute Geist.

Es sey uns über diese Entwickelung der Gottheit in mehrere Persönlichkeiten ein allgemeines Wort vergönnt.

Als stillstehende Kraft ist Gott nicht zu denken, außer in jenen abgezogenen unlebendigen Systemen, die in anderer Hinsicht fast allgemein verwerflich gefunden werden. Ist in ihm Leben und Persönlichkeit, so ist eine fortschreitende Bewegung in ihm, worinn er jedoch nur von sich ausgehen und auch nur wieder in sich selbst zurückkehren kann, also zugleich Anfang und Ziel der Bewegung ist. Es ist hier keine arithmetische Progression, kein äußeres Vieles, sondern ein inneres, das aus Einem geht und auch immer Eines oder in sich bleibt. So wie ein Fortschreiten in Gott ist, muß auch eine Folge von Persönlichkeiten zugegeben werden. Denn würde die Handlung, wodurch sich das Ewige zur Schöpfung entschließt, auch als die stetigste Bewegung der Einheit in die Zweyheit vorgestellt, so ginge uns über der Zweyheit die Einheit, und so, bey dem Fortschritt vom Gegensatz zur höheren Einheit, also in die Dreyheit, die Einheit und Zweyheit über der Dreyheit verloren. Wenn des Fortschritts ohnerachtet in Gott keine Veränderung seyn soll: so muß mit der Zweyheit die Einheit und mit der Dreyheit sowohl die Einheit als die Zweyheit bestehen, welches ohne verschiedne Persönlichkeiten, die jedem dieser Momente entsprechen, wohl nicht denkbar ist.

Wird die Gottheit nicht gleich in ihrem ersten Zustand als entfaltet gesetzt, so daß es keiner Schöpfung bedarf: so ist also ihr Urzustand der einer Nichtentfaltung: nun kann doch die Kraft, durch welche die Entwickelung verneint und angehalten ist, nicht dieselbe seyn, durch welche sie auch bejaht und eingeleitet wird. Daher es sehr begreiflich ist, daß alle die, welche sich nicht zu jenem Akt der Selbstverdoppelung erheben, die Entwickelung nie weiter zu führen vermögen, als bis zu dem Moment, den wir als Existenz bezeichnet haben, und daß sie von nun an, wenn sie weiter wollen, nichts als Worte vorbringen.

In allen Uransichten der Menschheit, allen Religionen ohne Unterschied, liegt die stille Ahndung jener Folge von Persönlichkeiten, die nothwendig ist, um den Zustand der entfalteten und zugleich beruhigten Schöpfung zu erklären. Denn so läßt nicht allein die Indische Religion ihren höchsten Gott den zweyten, Brama, erzeugen, durch welchen die in jenem verborgne Welt erst hervorgezogen wird. Auch in der griechischen Fabel folgte der Herrschaft des Uranos, der uranfänglichen himmlischen Wesenheit, die Herrschaft des Kronos, in dessen Natur zwey Vorstellungen verbunden werden, die der ewig gebährenden, ewig verschlingenden Zeit, des unabläßig in sich selbst laufenden Rads der Geburt, und die der goldenen Zeit, welcher zuletzt immer jene Eintracht der Dinge zum Vorbild diente, in welcher sie vor dem Anfang der jetzigen Zeiten zusammenlebten. Denn es bleibt dem Menschen in dem lebhaftesten Gefühl der Entzweyung mit sich und der ganzen Welt noch die Ahndung, einmal im Ganzen und selber mit das Ganze gewesen zu seyn und der Wunsch ist so natürlich, lieber gleich in dieses zurückzugehen, als durch einen langen Kampf wieder dahin zu gelangen. Den Kronos aber verdrängte sein Sohn Zeus, der Herrscher der Gegenwart, dem nur in der Zukunft ein gleiches Schicksal geweissagt ist. Vor Zeus Herrschaft gab es nur wilde, regellose Geburten, nichts Bleibendes und Bestehendes; mit Zeus aber beginnt das Reich der Form, beginnen die bleibenden ruhenden Gestalten. In der andern Beziehung aber, da die Zeiten Saturns als die Zeiten hoher Glückseligkeit betrachtet wurden, mußte dem Realismus der griechischen Religion zufolge diese Verdrängung als Gewaltthat vorgestellt und beklagt werden.

Ueber alle Vergleichung erhaben und einzig ist aber die christliche Idee, besonders in der Art, wie sie die Mehrheit der Personen mit der Einheit des Wesens verbindet, indem dadurch offenbar wird, wie jene fortschreitende Bewegung aus demselben durch dasselbe und in dasselbe geht, also nirgends eine Verwandlung des Wesens statt findet. Vortrefflich sagt schon ein geistvoller Lehrer der ersten Jahrhunderte: Mehrere Naturen annehmen ist hellenisch, nur Eine Person glauben jüdisch; aber die Eine Natur zur heiligen Dreyheit entfalten und die Dreyheit der Personen wieder in die Einheit des Wesens sammeln, ist die rechteste, die wahrhafteste Lehre.

Die stillen, unsichtbaren Wirkungen des Christenthums sind unstreitig größer und ausgebreiteter als insgemein angenommen wird. Es wäre gewiß nicht ohne Interesse in den bedeutendsten Werken der Wissenschaft und Kunst die sanftredenden Züge aufzusuchen, die sich aus jenem in sie herübergefunden. Schon darum weil durch die Mittheilung von Kindheit auf (wenigstens nach der frühern bessern Erziehungsart) seine Lehren für das ganze Leben eine fast unabweisbare Gegenwärtigkeit erhalten, sind sie der Stoff, woran, ihr selbst unbewußt, die natürliche Geisteskraft aller tieferen Menschen von Jugend auf sich übt; so mögen sie denn als stiller Reiz auf manches sinnige Gemüth gewirkt und auch dem, welchem das Einzelne fremd blieb, doch das Höhere und Seltnere mitgetheilt haben, den dem Christenthum so ganz eigenthümlichen Sinn der Menschlichkeit und Natürlichkeit, der grade bey den höchsten Hervorbringungen und Forschungen so wesentlich ist. Denn indem die Offenbarung die erhabensten Dinge in den klarsten und einfältigsten Worten ausspricht, wodurch sie ihm so nahe gebracht werden, daß er über diese Nähe erschrickt, bleibt dem Forscher auch dann, wenn er sie wieder in die wissenschaftliche Ferne gerückt hat, der erste Eindruck: so daß man wohl behaupten kann, ohne das Licht der Offenbarung würde kein wissenschaftlicher Forscher wagen können, sich den innern Hergang bey den ersten göttlichen Wirkungen so natürlich und mit solchen menschlichen Begriffen vorzustellen, als es nothwendig ist. Denn bey der großen Entfernung, in die wir diese Gegenstände setzen müssen, ist es natürlich, auch die entlegensten und von allem Menschlichen entferntesten Begriffe für sie zu suchen; woher es denn auch kommen mag, daß, wie die Geschichte der Philosophie so auffallend zeigt, alle diejenigen unter den Neuern, welche, lediglich dem eignen Eindruck in Ansehung jener Gegenstände folgend, vom Empfangenen der Offenbarung sich so weit als möglich zu entfernen suchten, in ihren Gedanken mehr und mehr sich verstiegen und zuletzt ganz in’s Leere und Oede geriethen. Ich bekenne nicht ungern, daß kein menschliches Buch noch irgend ein anderes Mittel meine Ansichten so gefördert, als die stille Anregung jener Schriften, welche ihre Tiefe bey der höchsten Klarheit, wundervolle Uebereinstimmung auch in einzelnen nur wie verloren scheinenden Aeußerungen und die nur dem Kenner fühlbare Schärfe in den scheinbar unfaßlichsten Dingen schon allein zu dem Rang göttlicher Bücher erheben würde. Von ihnen habe ich zuerst gelernt, das, zu dessen Erkenntniß ich von Jugend auf den heftigsten Trieb fühlte, endlich auf die menschlichste Weise zu suchen und die überfliegenden Gedanken auf das natürliche Maß menschlicher Begreiflichkeit zurückzubringen.

Damit will ich aber nicht sagen, daß die Uebereinstimmung absichtlich gesucht worden: denn wer der reinen Wissenschaft folgt, ist am wenigsten fähig, sich irgend etwas bloß äußerlich anzueignen; für ihn muß auch ein göttliches Wort verloren seyn, so lange nicht aus eigner Brust ein innerlich gezeugter Widerhall ihm antwortet. Auch zweifle ich, ob ohne eine solche fortschreitende Bewegung, wie sie vielleicht nur durch die Wissenschaft entwickelt werden kann, die christliche Idee begreiflich vorzustellen ist. Auch hier ist der lebendigen Einsicht nicht wenig durch die Art geschadet worden, alles dogmatisch-hart und schroff, satzweise, hinzustellen, indeß die Offenbarung alles im Werden und in der Bewegung darstellt, und z.B. nirgends die Idee der Dreyeinigkeit als Dogma ausspricht, sondern den Vater in der Zeugung des Sohns, den Sohn im Gezeugtwerden und im Aussprechen des Vaters, den Geist im Ausgehen von beyden oder doch vom Vater vorstellt. Wir wissen wohl, was zur Erklärung hievon dient, daß nämlich die christliche Lehre sich von Anfang im Kampf gegen frühere Religionsarten und gegen einheimische Feinde entwickeln mußte, wo Glaubensbekenntnisse, bestimmte Lehrbegriffe oder Symbola nothwendig wurden. Wenn auch späterhin der Protestantismus, der seiner Natur nach ein beständiger Streit gegen das unbewegliche seyn sollte, eine lebendigere, freyere Entwickelung hätte erwarten lassen, so mußte doch auch er dem äußeren Verhältniß unterliegen. Denn da seine Bekenner frühzeitig über ihren Glauben angefochten, vernommen, ja sogar zu öffentlichem Verhör gezogen wurden: so war es unvermeidlich, denselben auf Artikel und feste Sätze zurückzubringen, eine traurige Wirkung aller Polemik, vor der sich jede Lehre zu hüten hat, obgleich die Meister sie erst durch Erfahrung kennen lernen.

Bey ganz veränderten Verhältnissen scheint aber die Zeit gekommen, wo die freye, lebendige Entwickelung des Christentums, dessen lang’ erwartete Wiedergeburt offenbar nahe ist, mit Ruhe und zugleich mit der Erwartung unternommen werden könnte, daß es in dieser menschlicheren Gestalt auch die menschlichen Herzen aufs Neue gewinnen und der ganzen Ansicht der Dinge und Verhältnisse eine völlig andere Richtung geben könnte.

Es gehört zwar zu den gewöhnlichen Bestimmungen der christlichen Lehre, daß die Ordnung der Personen in Gott keine Ordnung der Zeitfolge, noch selbst der Unterordnung sey. Allein die Verneinung einer Folge in der Zeit würde keineswegs die Verneinung der Folge überhaupt in sich schließen; was aber das bestimmte Verhältniß des Vaters zu dem Sohne betrifft, so ist die väterliche Kraft wohl eher denn der Sohn, aber eben dieselbe ist auch eher denn der Vater; denn zwischen beyden ist ein vollkommenes Wechsel-Verhältniß und vor dem Sohn ist auch der Vater nicht, sondern nur die verschlossene, verborgene Natur der unentfalteten Gottheit. Zwischen dieser aber und der in die drey Persönlichkeiten entfalteten Natur der Gottheit ist keine Folge der Zeit. Wäre aber auch der Sohn als der Sohn nothwendig dem Vater sofern er der Vater ist untergeordnet, so würde sich doch diese Ungleichheit unmittelbar dadurch aufheben, daß in andrer Beziehung der Sohn auch wieder über dem Vater ist, wie der Geist, ob er gleich von Vater und Sohn ausgehend beyde vorauszusetzen scheint, in andrer Beziehung über beyden ist; woraus erhellt, daß jede Unterscheidung unmittelbar sich wieder auflöst in die überschwengliche Einheit des Wesens.

Jede andre Vorstellung, dergleichen auch zu unsrer Zeit, nachdem die Wissenschaft dieser Idee wieder näher gerückt, manche ausgeboren worden, scheint die drey Personen nur als drey Partikeln oder Principien der Gottheit zu begreifen, wo es nöthig wäre, Gott selbst gleichsam noch als ein Viertes zu setzen. Eine solche Vorstellung wäre unter andern, wenn man jenes in’s Geistige erhöhte Seyende, (das A2) für den Geist ausgeben wollte; denn jenes Seyende ist immer noch der durch den Sohn nur verklärte Vater; ebenso das Seyn (das A=B) immer noch das durch den Sohn nur vom Seyenden geschiedene, von der väterlichen Kraft aber stets gehaltene Seyn des Vaters: der Sohn ist nicht etwas (ein Theil) von dem Vater, sondern er ist das, was im Ganzen des Vaters, in beyden Principien (im A2 wie im A=B), die Einheit überwindet, also selbst auch wieder ganze Person; und das nämliche wäre auf dieselbe Weise von dem Geist zu zeigen. Daher ob es gleich in gewissem Betracht für möglich gehalten werden könnte, auch die drey Personen wieder als drey Potenzen auszudrücken und z.B. den Vater als erste, den Sohn als zweyte, den Geist als dritte Potenz zu setzen, bey genauer Erwägung diese Vorstellung doch als unpassend erklärt werden muß, indem der Potenzenunterschied nur innerhalb einer jeden Person möglich ist, auf sie selber aber, der vollkommnen Gleichheit und Ganzheit ihres Wesens halber, keine andre als schiefe Anwendung leidet.

Wir haben uns schon mehrmals den Ausdruck erlaubt, die väterliche oder contrahirende Kraft werde mehr und mehr als vergangen oder latent gesetzt. Hiermit wurde die Meynung ausgedrückt, daß sie nicht zumal, nicht gleichsam mit Einem Schlag überwunden werde. Nun sind zwar die beyden Wirkenden in gegenseitiger Unabhängigkeit von einander; aber die contrahirende Kraft des Vaters ist an sich selbst eine blinde Kraft, und inwiefern der Vater durch den Sohn in’s Geistige oder Bewußte erhöht ist, in so fern und in so weit ist sie überwunden, also als nichtwirkend gesetzt. Demnach kann das Bestimmende jenes Widerstandes nicht in der contrahirenden Kraft des Vaters noch überhaupt im Vater als solchem liegen: es kann aber eben so wenig in dem Sohn liegen; denn dieser hat kein andres Wollen oder Verlangen, als dieses, den Vater zu scheiden und also die auf Indifferenz gehende Kraft in ihm zu überwinden. Da sonach dieß Bestimmende weder in dem Vater noch in dem Sohne seyn kann, so kann es nur außer ihnen liegen; in dem Geist. Der Geist ist frey von dem Vater und dem Sohn, in dem Sinn, wie auch diese frey und unabhängig von einander sind; aber er ist zugleich die wesentliche, freye und bewußte Einheit beyder, oder in ihm wohnt das gemeinsame Bewußtseyn des Vaters und des Sohns. Denn der Geist, als das durch Vater und Sohn nur verwirklichte Wesen der uranfänglichen Lauterkeit ist an sich die reinste Besonnenheit, die höchste Freyheit, der lauterste Wille, der, ohne sich zu bewegen, alles bewegt und durch alles geht. Also ist er zugleich der gemeinsame Wille beyder, oder er ist der Wille, in dem beyde Eins sind. Darum kann weder der Vater in Bezug auf den Sohn, noch der Sohn in Bezug auf den Vater anders wirken, als nach dem freyen Willen des Geistes.

Wäre in der Kraft des Vaters kein Widerstand, wäre also alles, was Seyn ist, gleich und zumal als vergangen, alles Seyende als gegenwärtig und damit jene in der Zukunft liegende höchste Einheit beyder als wirklich gesetzt: so wären alle drey Persönlichkeiten in höchster Klarheit in einander, es wäre keine Zeit, sondern absolute Ewigkeit.

Nun wird aber angenommner Maßen das Seyn nicht zumal noch ohne Widerstand überwunden.

Hiedurch entsteht also ein fortwährendes Ringen zwischen dem das Seyn als vergangen und zwischen dem es als gegenwärtig setzenden Princip; oder, da die Gegenwärtigkeit des Seyns auf der Einheit der Kräfte beruht, seine Vergangenheit auf der Befreyung des Seyenden von ihm, so entsteht ein fortwährendes Ringen zwischen dem die Einheit und zwischen dem die Zweyheit setzenden Princip.

Da aber in diesem Ringen doch beständig eine Zweyheit, also das Seyende in gewissem Grad als gegenwärtig, das Seyn in gewissem Grad als vergangen, die vollkommne Dualisirung aber, (welche unmittelbar in die letzte und höchste Einheit übergeht), mehr oder weniger als zukünftig gesetzt wird: so entsteht dadurch in jedem Augenblick Zeit, und zwar als ganze Zeit, als Zeit, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dynamisch auseinander gehalten, aber eben damit zugleich verbunden sind.

Da jedoch dieses Verhältniß nicht bleiben kann, indem das Seyn immer mehr überwunden wird: so folgt auf jede so gesetzte Zeit eine andre Zeit, durch welche wieder jene als vergangen gesetzt wird; oder es entstehen Zeiten.

Ein Ursprung oder Anfang der Zeit, der wie der Anfang keines Lebens ohne kräftige Differenziirung und eine wirklich polarische Entgegensetzung gedacht werden kann, ist nach jeder mechanischen Ansicht unbegreiflich. Wenn, wie insgemein angenommen wird, die Zeit nur Eine Richtung hat: so müßte ihr widersprechender Weise verstattet seyn, vor sich selbst herzugehen und gleichsam vorauszuschießen, aber ohne noch Zeit zu seyn; jenes, weil jede werdende Zeit eine gewesene schon voraussetzt, dieses weil sonst kein eigentlicher Anfang wäre. Ist es an dem, (wie es denn allerdings ist), daß jeder Anfang der Zeit eine schon gewesene voraussetzt: so muß der Anfang, der wirklich Anfang ist, den Ablauf derselben nicht erst zu erwarten haben, sondern sie muß gleich anfangs vergangen seyn. Ein Anfang der Zeit ist also undenkbar, wenn nicht gleich eine ganze Masse als Vergangenheit, eine andre als Zukunft gesetzt wird; denn nur in diesem polarischen Auseinanderhalten entsteht jeden Augenblick die Zeit.

Ein solcher Anfang ergiebt sich aus der hier entwickelten Ansicht von selbst. Folgendes sind die Hauptmomente der ganzen Genealogie der Zeit, wie sie im bisherigen vorbereitet worden.

Das Wesen oder die eigentliche Kraft der Zeit liegt im Ewigen. Denn die urerste lautere Wesenheit ist nicht einmal als das Ewige anzusehen, indem sie vielmehr die Ewigkeit selber ist. In ihr ist auch nicht einmal eine Vorherbestimmung der Zeit, sie ist schlechthin über der Zeit. Aber das Existirende ist schon das Ewige; die Einheit, die in ihm ist, ist nicht mehr die lautere, stille, sondern die reale, die wirkende Ewigkeit. Denn in ihm sind bereits Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verborgener Weise als Eins gesetzt; die Vergangenheit durch das Seyn, die Gegenwart durch das Seyende; aber auch jene höchste und letzte Einheit (die Einheit der Einheit und des Gegensatzes) lag ja schon verschlossener oder eingewickelter Weise in ihm.

Aber auch das Ewige ist, wie bereits früher bemerkt worden, für sich nur der Anfang des Anfangs, noch nicht der wirkliche Anfang. So ist das Samenkorn zwar die Möglichkeit des Anfangs der Pflanze, aber noch keineswegs der Anfang selber.

Wirklicher Anfang kann nur von absoluter Freyheit kommen. Die Liebe ist es, die in jener ersten verschlossenen Einheit auf Scheidung dringt. Aber auch sie ist nur noch ein Suchen des Anfangs ohne ihn finden zu können. Alle Verworrenheit, der ganze chaotische Zustand, in dem sich unser Inneres bey jedem Anfang eines neuen Bildungsprozesses befindet, entspringt aus dem Suchen und Nichtfindenkönnen des Anfangs. Der gefundene Anfang ist das gefundene Wort, durch das aller Widerstreit gelöst wird. Dieß gilt auch für jenen Zustand des Widerspruchs und des Streits, in den das Existirende durch die Liebe mit sich selbst gesetzt wird. Darum heißt es: Im Anfang war das Wort.

Inwiefern nun der Zustand friedlicher aber völlig innerlicher Einheit dem Zustande des Widerspruchs vorausgehend gedacht werden muß, in so fern könnte es möglich scheinen, zu fragen, wie früh oder spät das Verlangen nach Offenbarung sich in jener Einheit geregt und auf die Scheidung dringend den Zustand des inneren Streits veranlaßt habe?

Allein wer sich recht jene Tiefe der Indifferenz und Verschlossenheit in dem Ewigen vergegenwärtiget, wer es eingesehen und verstanden hat, daß sie nicht wirklicher Anfang seyn kann: der wird auch begreifen, daß jenes erste Wirken der Liebe absoluter Anfang ist, indem kein vorhergehendes zu ihm in einem realen Verhältnisse stehen kann. Denn ob wir gleich das Wesen in jener Indifferenz das erste Wirkliche genannt, so ist es doch eben darum, weil erstes Wirkliches, nur Wirkliches in sich, aber beziehungsweise auf andres nur Samenkorn, nur erste Möglichkeit des wirklichen Seyns und geht daher diesem, zwar der Potenz oder dem Begriff, aber keineswegs der That nach voran. Sollten wir den Anfang jenes Wirkens nach der Dauer des Zustandes anfänglicher Eintracht bestimmen, so müßte dieser Urzustand selbst schon der einer aktuellen (entfalteten) Existenz gewesen seyn, nicht der einer gänzlichen Versunkenheit in sich selbst, die nach außen wie völlige Wirkungslosigkeit ist. Also ist hier nichts denn ein bodenloser Abgrund der Ewigkeit, da kein Maß anwendbar, kein Ziel und keine Zeit bestimmbar ist; und ist auch jenes Suchen des Anfangs kein anderes, denn ein ewiges, aus sich selbst entspringendes, Suchen.

Haben wir uns erlaubt, jenem Urzustand in Worten eine Dauer zu geben, so war dieß nur bildlich oder mythisch nicht wissenschaftlich zu nehmen.

Wer uns entgegenhält, daß wir die Herkunft der Welt durch lauter Wunder erklären, der sagt eben damit das Rechte. Glaubt denn irgend wer, daß die Welt ohne ein Wunder, ja ohne eine Reihe von Wundern habe entspringen können? Bis zur Geburt des Sohns ist alles Wunder, alles Ewigkeit. Nichts entspringt durch Wirkung eines Vorhergehenden, sondern alles auf ewige Weise.

Wird der Wille, der nichts will, als das Höchste, zugestanden, so gibt es aus ihm keinen Uebergang; das erste ihm Folgende, der Wille der Etwas will, muß sich selbst erzeugen, absolut entspringen. Und so wenn das Ewige Ewiges ist kann es allem Folgenden nur der Möglichkeit nach vorangehen. Also muß auch der Anfang der Sehnsucht in ihm absoluter Anfang seyn.

Mit jener ersten Scheidung, in der die Liebe den Anfang sucht, aber nicht findet, ist im Ewigen schon eine innre Zeit gesetzt; denn Zeit entsteht unmittelbar durch Differenziirung der in ihm nicht bloß als Eins, sondern als äquipollent gesetzten Kräfte. Aber zuvörderst ist diese Zeit keine bleibende, geordnete Zeit, sondern in jedem Augenblick durch neue Contraction, durch Simultaneität bezwungen, (die in diesem Streit schon als Raum aufblickt), muß sie dieselben Geburten, die sie so eben gezeugt, wieder verschlingen; sie ist eben darum auch keine Zeit, die ihren wirklichen Anfang finden, die ausgesprochen, offenbar werden könnte, und kann in so fern die anfanglose und, weil sie nur im Ewigen ist und nicht äußerlich werden kann, die ewige Zeit heißen –; beydes, wie leicht einzusehen, in einem ganz andern Sinne, als diese Ausdrücke sonst gebraucht worden.

Die Zeugung des Sohns durch die väterliche Kraft ist das erste reale Verhältniß; mit dieser ist aber auch der erste wirkliche Anfang. Darum ist das Seyn des Sohns mit dem Anfang Eins und umgekehrt.

Nur durch eine zweyte von der ersten verschiedne Persönlichkeit, welche die Simultaneität der Principien in ihr entschieden aufhebt, das Seyn als erste Periode oder Potenz, das Seyende als Gegenwart und die in der ersten ebenfalls eingeschloßne wesentliche und freye Einheit beyder als Zukunft setzt, nur durch eine solche kann auch die im Ewigen verborgne Zeit ausgesprochen und geoffenbart werden, welches dann geschieht, wenn die Principien, die in ihm als Potenzen des Seyns coexistirend oder simultan waren, als Perioden hervortreten.

Nun zuerst ist der wirkliche Anfang gefunden, auch ein Anfang der Zeit; und der Welt inwiefern diese die jedesmalige Gestalt des göttlichen Lebens nicht an sich zwar, aber in seiner Offenbarung ist. Aber dieser Anfang ist nicht Anfang, der aufhören könnte Anfang zu seyn, sondern immer gleich ewiger Anfang. Denn noch jeden Augenblick wird der göttliche Sohn geboren, durch den die Ewigkeit in Zeit aufgeschlossen und ausgesprochen wird; diese Zeugung ist keine vorübergehende, die einmal geschehen aufhörte, sondern eine ewige und stets geschehende Zeugung. Jeden Augenblick wird wie im ersten die Strenge und Verschlossenheit des Vaters überwunden, und dieser Akt, da er stets und allein eine Zeit in den Dingen setzt, ist nicht nur einmal, sondern immer und seiner Natur nach ein vorzeitlicher Akt.

Dieser Akt, sagten wir, setze eine Zeit in den Dingen. Die anfangende Zeit ist nämlich in Bezug auf die Dinge oder die Welt keineswegs als eine äußere zu denken, so daß die Dinge oder die Welt in ihr anfingen oder existirten. Es ist die Natur der Welt, (im oben bestimmten Sinn, da sie nicht mit dem All gleichbedeutend ist, welches nur das Eine seyn kann und zwar sofern es das Eine ist), die Natur der Welt, in diesem Sinn, ist, anfänglich zu seyn. Aber dieser Anfang ist kein Anfang in der Zeit. Die fast für allgemein anzunehmende Täuschung, als wäre die Welt oder doch jedes Ding in der Zeit, läßt sich leicht auflösen. Nicht nur dieses oder jenes Ding, z.B. der Weltkörper oder das organische Gewächs; schlechthin jedes hat seine Zeit in sich selbst, ob sie gleich in den hier genannten entfalteter, ausgesprochner ist als in den andern; ja sollte irgend ein Ding durch den hohen Grad seiner Ungeschiedenheit ohne lebendige innre Zeit scheinen, so unterliegt es wenigstens keiner außer sich; kein Ding hat eine äußre Zeit, sondern jedes nur eine innre, eigne, ihm eingeborne und inwohnende Zeit. Der Fehler des Kantianismus in Bezug auf die Zeit besteht darinn, daß er diese allgemeine Subjektivität der Zeit nicht erkennt, daher er ihr die beschränkte gibt, wodurch sie zu einer bloßen Form unserer Vorstellungen wird. Kein Ding entsteht in der Zeit, sondern in jedem Ding entsteht die Zeit auf’s Neue und unmittelbar aus der Ewigkeit, und ist gleich nicht von jedem zusagen, es sey im Anfang der Zeit, so ist doch der Anfang der Zeit in jedem, und zwar in jedem gleich ewiger Anfang. Denn es entsteht jedes Einzelne durch dieselbe Scheidung, durch welche die Welt entsteht, und also gleich anfangs mit einem eignen Mittelpunkt der Zeit. Auch seine Zeit ist in jedem Augenblick seine ganze, und nach Zeiten werdend wird es doch nicht in der Zeit. Nur dadurch, daß außer ihm andere Wesen sind, die ebenfalls eine Zeit in sich selber haben, wird eine Vergleichung seiner Zeit mit der Zeit anderer möglich. Hiedurch erst, nämlich durch Vergleichung und Messung verschiedner Zeiten entsteht jenes Scheinbild einer abstrakten Zeit, von welcher wohl zu sagen ist, sie sey eine bloße Weise unseres Vorstellens, nur nicht eine nothwendige und angeborne, sondern eine zufällige und angenommne. Und gegen dieses Scheinbild gehen denn alle Einwürfe, die von jeher gegen die Realität der Zeit sind erhoben worden.

Die Frage, ob die Welt von unendlicher Zeit her, oder ob sie seit einer bestimmten Zeit existire? ist zu allen Zeiten aufgeworfen worden, ein Beweis, daß die rechte Antwort, so einfach sie auch dem, der sie gefunden, zu seyn scheint, noch nie gegeben worden. Denn daß der Begriff einer unendlichen Zeit ein ungereimter Begriff sey, davon ist jeder leicht zu überführen; und dennoch kommt der menschliche Verstand immer wieder dahin, so lange nicht seine Wurzel ausgerissen worden. Diese liegt in dem Obigen, daß jeder Anfang der Zeit eine schon gewesene Zeit voraussetzt, die nach dem gemeinen mechanischen Begriff der Zeit nicht aus einer vorhergehenden Einheit gleich als Vergangenheit (als absolute Gewesenheit) ausgeschieden, sondern nur als wirklich verflossen gedacht werden kann; daher dann vor jeder möglichen Zeit eine andre als verfließend und so allerdings nie und nimmer ein Anfang der Zeit gedacht werden kann.

Wenn nun aber nach der von uns gegebenen dynamischen Erklärung ein Anfang der Zeit durch Dualisirung gar wohl zu denken ist: so kann doch nicht wieder gefragt werden, seit wann die Zeit angefangen habe, oder: wie lang jetzt schon die Zeit daure? nicht, als wäre die Zeit nicht in jedem Augenblick in bestimmte Gränzen eingeschlossen, sondern darum, weil die Zeit in jedem Augenblick ganze Zeit, d.h. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist, die nicht von der Vergangenheit, nicht von der Gränze, sondern vom Mittelpunkt anfängt und in jedem Augenblick der Ewigkeit gleich ist. Denn weil jeder Augenblick die ganze Zeit ist, so könnte nur gefragt werden – nicht: wie viele Zeit ist schon verflossen? sondern –: wie viele Zeiten sind schon gewesen? wo sich dann leicht ergibt, daß dieser Zeiten, weil jeder Augenblick eine ist, nach innen eine wahre alle Zahl übertreffende Unendlichkeit seyn kann, (wie in jedem Theil der Materie diese innre, dynamische, Unendlichkeit ist), ohne daß darum eine nach außen gränzen- oder endlose Zeit angenommen werden könnte.

Nicht durch diskrete, sich succedirende Theile Einer Zeit, sondern nur dadurch, daß die Zeit in jedem Augenblick die ganze ist und die ganze stets der ganzen folgt, ist jene sanfte Stetigkeit zu begreifen, die man durch das Bild eines Zeitflusses auszudrücken suchte. Nun muß diese Folge von Zeiten doch wohl selbst zeitlos seyn, und kann also nicht wieder nach irgend einer Zeit gemessen oder bestimmt werden. Es erscheint daher nach dieser Ansicht auch der bekannte Satz des sogenannten Kriticismus, den er allein seiner mechanischen Erklärung des Verstandesgebrauchs zulieb erfunden, daß nämlich keine reale Folge ohne Zeit gedacht werden könne, nichts weniger als begründet, wie ihm denn selbst die sinnliche Erscheinung widerspricht. Denn auch da, wo nach den gewöhnlichen Begriffen Ursache und Wirkung im Spiel ist, tritt keineswegs eine Zeit zwischen beyde. Die Kreise, die ein in’s Wasser geworfenes Steinchen hervorbringt, sind mit der Wirkung ihrer Ursache zumal da; so an Ort und Stelle der Donner mit dem Blitz. Ueberhaupt aber scheint bey jeder Verursachung ein jenem ersten Zeit-Erzeugungs-Prozeß ähnlicher dynamischer Prozeß vorzugehen, und die Priorität auf Seiten der nur so genannten Ursache ebenfalls ein als-vergangen-gesetzt werden durch die Wirkung zu seyn; ein Gedanke, dessen Anwendung auf das allgemein bekannte Draufgehen oder Erlöschen der Ursache in der Wirkung, auf die Gesetze der Mittheilung des Stoßes und ähnliche Dinge wir andern überlassen müssen.

Wir beschäftigen uns hier mit einer Materie, die von jeher zu den dunkelsten gerechnet werden; und obwohl überzeugt, ihr ein neues Licht gegeben und Fragen beantwortet zu haben, die man kaum anzuregen wagte, wollen wir doch unsre Gedanken für nichts weniger als vollendet oder vollständig ausgeben. Noch manches Wunderbare läßt sich hier finden, noch Manches, was dem von uns angedeuteten zur Ergänzung, zur größeren Schärfung dienen kann.

Was heißt es denn nun, wenn gesagt wird: jede mögliche einzelne Zeit sey die ganze Zeit? Wir meynen damit nicht bloß, daß sie in sich ganz sey, weil sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zumal enthält. Wir meynen zugleich, daß sie die ganze, jetzt noch nicht seyende, Zeit selber (deutlicher vielleicht die absolute Zeit zu nennen) in sich enthalte, also ein wirkliches Bild von ihr sey. Die ganze Zeit würde nämlich dann seyn, wenn sie nicht mehr zukünftig wäre, und wir können daher sagen, die Zukunft oder die letzte Zeit sey die ganze Zeit. Dieß als richtig angenommen enthält jede mögliche Zeit die ganze Zeit; denn was sie von ihr nicht als Gegenwart enthält, das enthält sie doch als Vergangenheit oder als Zukunft; ferner: jede Zeit enthält dasselbe; denn sie unterscheidet sich von ihrer vorhergehenden nur dadurch, daß sie zum Theil als vergangen setzt, was diese als gegenwärtig, und zum Theil als gegenwärtig, was jene noch als zukünftig setzte; und eben so nur auf die umgekehrte Art unterscheidet sie sich von der ihr folgenden Zeit. Also setzt jede einzelne Zeit die Zeit als ein Ganzes schon voraus. Ginge ihr nicht die ganze Zeit der Idee noch voran, so könnte sie diese nicht als zukünftig setzen, d.h. sie könnte sich selbst nicht setzen, indem sie ohne diese bestimmte Zukunft selber nicht diese bestimmte Zeit seyn könnte. Aber auch nur der Idee nach setzt sie die ganze Zeit voraus; denn wäre diese in ihr als wirklich gesetzt, so wäre sie nicht die einzelne, die bestimmte, die sie ist.

Nun wird aber ein solches Verhältniß des Einzelnen zu einem Ganzen, bey welchem jenes zu seiner Wirklichkeit dieses schon als vorhanden in der Idee voraussetzt, allgemein als ein organisches betrachtet. Also ist die Zeit im Ganzen und Großen organisch. Aber wenn im Ganzen, so auch im Einzelnen. Mehrere ja unendlich viele Zeiten können wieder eine (beziehungsweise) ganze Zeit als ihre Einheit voraussetzen, wonach sich ein System eines nach innen oder dynamisch unendlichen, nach außen aber allerdings endlichen oder geschlossenen Organismus der Zeiten denken läßt.

Ohne einen solchen Organismus wäre die ganze Geschichte nur ein Chaos voll Unbegreiflichkeiten. Jene Zeiteinheiten sind Perioden. Eine jede Periode stellt in sich die ganze Zeit dar; denn auch sie fängt wieder von einem Zustand größerer oder geringerer Ungeschiedenheit an, so daß sie beziehungsweise auf die letzten Zeiten der vorhergegangenen Periode zurückzugehen scheint, indeß sie im Ganzen wirklich fortgeschritten ist.

Aber was ist denn nun das organisirende Princip dieser Perioden? Ohne Zweifel dasjenige, was die Zeit als Ganzes enthält. Die ganze Zeit aber ist die Zukunft. Also ist nur der Geist das organische Princip der Zeiten. Der Geist ist frey von dem Gegensatz der contrahirenden Kraft des Vaters und der expandirenden des Sohns. In ihm zuerst sind beyde wieder zur vollkommnen Gleichheit gelangt; denn beyden läßt Er gleiches Recht, weil er ewig aus dem Vater durch den Sohn entfaltet wird, also beyder gleicherweise zu seinem Daseyn bedarf. Wenn die Kraft des Vaters als Vergangenheit gesetzt wird in Bezug auf den Sohn, so ist die Meynung keineswegs, daß sie als überall nicht seyend gesetzt ist. Sie wird nur als Nichtseyendes der Gegenwart, aber in der Vergangenheit allerdings als seyend und wirkend gesetzt. Aber auch als Vergangenheit ist sie ja nicht absolut gesetzt, (denn immer noch dauert die Ueberwindung durch den Sohn), also zum Theil noch als gegenwärtig, zum Theil als zukünftig. Aber der Wille des Vaters in Bezug auf den Sohn und des Sohns in Bezug auf den Vater ist der Wille des Geistes. Der Geist erkennt, in welchem Maß die ewige Verborgenheit des Vaters aufgeschlossen und als Vergangenheit gesetzt werden soll. Der Geist ist also der Eintheiler und Ordner der Zeiten. Denn die Verschiedenheit und die Folge der Zeiten beruht nur auf der Verschiedenheit dessen, was in jeder als Vergangenheit, als Gegenwart und als Zukunft gesetzt ist. Nur der Geist erforschet alles, auch die Tiefen der Gottheit. In ihm allein ruht die Wissenschaft der kommenden Dinge; ihm allein steht es zu, das Sigel zu lösen, unter welchem die Zukunft beschlossen liegt. Darum sind die Propheten vom Geiste Gottes getrieben, weil dieser allein der Eröffner der Zeiten ist: denn Prophet ist ein jeder, der den Zusammenhang der Zeiten durchschaut.

So hat also auch das göttliche Leben wie es aus der Wirkung und Gegenwirkung der anziehenden und ausbreitenden Kraft des Vaters und des Sohnes entspringt, wie alles Leben seine Zeiten und Perioden der Entwickelung. Der Unterschied ist nur, daß Gott das freyeste Wesen ist und daß die Perioden der Entwickelung seines Lebens allein von seiner Freyheit abhängig sind; jedes andre Leben aber durch unfreywillige Einschränkungen zur Entfaltung fortschreitet. Jede Zeit oder Periode der göttlichen Offenbarung ist eine Begränzung in ihm. Will man die Möglichkeit einer solchen bestreiten durch die abgezogenen Begriffe von Gott als dem Schrankenlosesten Wesen? Maß ist überall das Größte. Das Gränzenlose sieht Platon, sahen alle höheren Geister vor ihm als das relativ-böse Princip, Gränze und Maß als das Wesen des Guten an. Ohne sich an jene leeren Begriffe zu kehren, wird der gesunde Verstand Einschränkungen der göttlichen Offenbarung in jedem Augenblick anerkennen müssen. Woher diese Begränzungen? Nur Er Selbst, der von nichts außer sich bestimmte, kann sie sich selber auferlegen, vermöge dessen, was in ihm die eigentliche Freyheit, der besonnene Wille ist. Freywillig kann er eine Seite seines Wesens verbergen und zuschließen, daß sie nicht offenbar werde; denn noch immer wirkt ja der Vater, aber nicht mehr mit blind zusammenziehender Kraft, nach einer bloß aus seinem Wesen folgenden Nothwendigkeit, mit der unwiderstehlichen Gewalt seiner bedingungslosen Existenz, sondern nach dem Willen des Geistes, der als reinste Besonnenheit, Allwissenschaft und Vorsehung mit unerforschlicher Weisheit die Entwickelung und mit ihr die Zeiten mäßigt. Von dem freyen Willen des Geistes, der zugleich der des Vaters ist, hängt es ab, was aus der Verborgenheit hervortreten und was in ihr verschlossen bleiben soll. Dem besonnenen Künstler gleich, der in Kunst oder Wissenschaft mehr besorgt ist, die Entwickelung anzuhalten als zu beschleunigen, damit das rechte Licht an der rechten Stelle hervorbreche und nur aus der höchsten Steigerung der Ursachen die erwartete Wirkung erfolge, entfaltet der göttliche Geist mit Ruhe und Vorsicht die Wunder seines Wesens, und auch jetzt noch, durch die Weisheit gemildert, ist die retardirende, die einschließende Kraft die eigentliche Stärke in Gott.

Wie oft verlangt oder erfleht menschliche Ungeduld einen beschleunigten Gang der Weltentwickelung, indeß der allein Weise zögert, und die Welt das ganze Maß der Schmerzen tragen läßt, ehe die versöhnende Geburt erfolgt! Lange Zeitalter hindurch fühlen ganze Völker sich unwohl und doch kraftlos, ihr Schicksal zu ändern, in eine bessere Zeit durchzubrechen. Was hindert sie, wenn die Zeit für den Menschen nur eine innere Form ist, die selbstgesetzte Schranke aufzuheben und so wie mit Einem Zauberschlag in die glücklichere Zeit durchzudringen? Was erhält Jahrhunderte hindurch, trotz aller gegenwirkenden Belehrung, gewisse Ansichten, Meynungen oder Maximen selbst nach den verderblichsten Folgen bey Ansehen, da nichts leichter scheinen sollte, als durch Erfahrungen gewitzigt sie zu ändern? Was läßt lange Zeiten hindurch gewisse Eigenschaften, Talente oder Bestrebungen des Geistes todtenähnlich schlummern, bis sie, wie durch einen plötzlichen Frühling geweckt, aus diesem Winterschlaf erwachen und nun nicht einzeln, sondern wie Knospen und Blüthen an Bäumen, Hecken und Stauden, von allen Seiten, geschaart und in Masse hervorbrechen? Diese Fragen, welche nur die nächsten sind, indeß dem aufmerksamen Betrachter viel auffallendere der Art überall entgegen kommen, beweisen allein schon, daß alles seine Zeit hat, daß die Zeit nicht ein äußeres wildes, unorganisches, sondern ein inneres im Großen wie im Kleinen immer ganzes und organisches Princip ist.

Das Geheimniß alles gesunden und tüchtigen Lebens besteht unstreitig darinn, sich die Zeit nie äußerlich werden zu lassen und mit dem Zeiterzeugenden Princip in sich selber nie in Zwiespalt zu kommen. Denn der selbst Innige wird von der Zeit getragen; der äußerliche trägt sie, oder nach dem bekannten Wort, den Wollenden führt, den Nichtwollenden zieht sie. Wie Gott, so wird der Mensch nur durch die Scheidung von seinem Seyn in die höchste Selbstgegenwärtigkeit und Geistigkeit erhöht. Frey ist nur der, dem sein ganzes Seyn bloßes Werkzeug geworden ist. Alles, was noch in der Ungeschiedenheit lebt und so weit es noch in ihr lebt, lebt in der Vergangenheit. Dem, der sich der Scheidung in sich widersetzt, erscheint die Zeit als strenge, ernste Nothwendigkeit. Für die aber, die, in immerwährender Selbstüberwindung begriffen, nicht nach dem sehen, was hinter, sondern was vor ihnen ist, wird ihre Macht unfühlbar. Liebe dringt in die Zukunft, denn nur der Liebe wegen wird die Vergangenheit aufgegeben. Sehnsucht hängt an der Vergangenheit fest, ist Schmachten nach dem ersten Einsseyn und Mangel an thätiger Liebe. Lust ist in der Gegenwart; beyde stört die Zeit, nur der Liebe ist sie befreundet.

Liebe ist’s, wodurch die erste starre, die Kreatur ausschließende Einheit überwunden worden. – Schöpfung ist Ueberwindung der göttlichen Selbstheit durch die göttliche Liebe. Die Natur ist nichts anders als der durch Liebe gemilderte, sanftgebrochne göttliche Egoismus.

Aus dem durch den Geist bewußten und nach Absicht geleiteten Zusammenwirken der einschließenden Kraft des Vaters und der ausbreitenden des Sohns ergibt sich von selbst die Gestaltung der sichtbaren Welt.

Denn in dem Verhältniß als die dunkle Urkraft überwunden wird, erhebt sich das Wesen oder Seyende aus ihr; da sie aber in jedem Augenblick nur bis zu einem gewissen Grade überwindlich ist, so wirkt sie bey Erreichung dieses Grades der weitern Entwickelung entgegen, daß das Gewordene stehen bleibt und als ein Bestimmtes erscheint. Denn wie die Dinge stehen bleiben ist keine geringere Aufgabe als wie sie sich entwickeln. Die retardirende Kraft, indem sie das Seyende auf einer bestimmten Stufe der Entwickelung zurückhält, dient als ein Wesen, das seiner Natur nach nicht bejahend seyn kann, nur zur Begreiflichkeit des Einzelnen oder als Mitlauter zu seiner Aussprechlichkeit und Wirklichkeit.

Die Entstehung des Raums, welche das Hervortreten der sichtbaren Dinge aus dem Unsichtbaren begleitet, zeigt sich am natürlichsten durch jene Erscheinung, die wir in den Gliedern organischer Wesen Turgescenz nennen. Der Raum wird nicht, wie man sich vorzustellen pflegt, gleichsam zumal ausgegossen, noch ist er eine nach allen Seiten endlos ausgebreitete Leere; auch er entsteht von innen heraus aus dem Mittelpunkt der widerstehenden Kraft, die sein wahres Wesen ist, und ohne deren beständiges Widerstreben gegen die Ausbreitung gar kein Raum möglich wäre.

Uebrigens gelten von der Natur des Raums ganz dieselben Bestimmungen, die oben von der Natur der Zeit gegeben worden; z.B. daß die Dinge nicht im Raum, sondern der Raum in den Dingen, ihre maßgebende Kraft ist, daß jeder mögliche Raum der ganze, und der Raum daher im Großen wie im Kleinen ebenfalls organisch ist.

Wir behalten uns vor, alle diese Bestimmungen, die noch manches andre Merkwürdige mit sich führen, bey einer künftigen Gelegenheit genauer zu entwickeln.

Der Raum im Ganzen ist nichts anders als das schwellende Herz der Gottheit, das jedoch noch immer durch unsichtbare Kraft gehalten und zusammengezogen wird.

An allen sichtbaren Dingen erkennen wir erstens die Realität als solche, sodann ihre Aktualität oder ihr äußeres Für-sich-seyn, endlich ihre Art oder innere Verschiedenheit von andern. Die Realität kann nur die eigentliche Schöpfungskraft; die Aktualität kann nur das aussprechende Princip, die Art nur das frey und besonnen bildende Wesen ertheilen. Der Vater allein ist der Schöpfer, der Sohn ist der Macher, der Geist der Bildner der Dinge.

Da sich alle Dinge der Art nach nur durch den Grad unterscheiden, in welchem das bejahende Princip in ihnen entwickelt und aus dem Nichtseyenden erhoben ist; die verneinende Kraft aber nicht zumal noch ohne Maß und Regel sondern nur in gesetzmäßigem Fortschreiten, bey dem kein Mittelglied übersprungen wird, grad- und stufenweise überwunden wird: so ist diese allmälige Ueberwindung Eins mit der successiven Hervorbringung der Dinge nach Abtheilungen, Stufen und Unterschieden, wobey wiederum nothwendig das Niedere dem Höheren vorangeht.

Indem aber durch eben dieses stufenweise geschehende Zurückdrängen der verneinenden Kraft und Dagegenerheben der bejahenden die Folge der Zeiten bestimmt ist: so leuchtet unmittelbar ein, daß die Folge der Dinge mit der Folge der Zeiten Eins ist, daß alle Dinge nur Früchte ihrer Zeiten, und zwar jedes die Frucht einer bestimmten Zeit ist und daß sie nur als solche begriffen werden können.

Aber ihre Zeit, die allein ihre Art, ihren Charakter, ihr ganzes Wesen bestimmt, wird immer selbst wieder verdrungen, also sie mit ihr.

Weil aber die Zeit im Ganzen und Großen wie im Einzelnen organisch ist, weil also jede folgende Zeit wieder die Einheit aller vorhergehenden ist: so reproduciert jede folgende Zeit die Werke der vorhergehenden, setzt sie aber als nichtseyend, als vergangen, d.i. als untergeordnet in Bezug auf ihre eignen Hervorbringungen.

So ist ein ewiger Wechsel von Entstehen und Vergehen, bis die ganze, alles befassende, der Ewigkeit gleiche, Zeit in einem Wesen entwickelt worden, welches auf der höchsten Stufe der Entfaltung nothwendig geschieht. So wie diese erreicht ist, erhalten alle Werke der Zeiten ihre letzte Bestätigung; denn nach völlig geschehener Entfaltung kann die nunmehr ganz als vergangen gesetzte Contraction wieder völlig frey wirken.

Nachdem also das Seyn aufs höchste entfaltet und durch die Zeit auseinandergesetzt ist, tritt die contrahirende Kraft als tragende Vergangenheit in ihre volle Rechte, und die letzte Wirkung, durch welche der ganze Prozeß sich schließt, ist diese, daß sie nochmals das Entfaltete (ohne es zurücknehmen zu können) als Eins setzend oder zusammenfassend, die Simultaneität zwischen allem Gewordenen hervorbringt, so daß die Früchte verschiedener Zeiten in Einer Zeit zusammen leben und in concentrischer Stellung, wie Blätter und Werkzeuge einer und der nämlichen Blüthe, um Einen Mittelpunkt versammelt sind.

So also haben wir nach Kräften zu zeigen gesucht, wie jenes uralte Reich der Vergangenheit durch eine höhere Kraft immer mehr verdrungen und bis zur Gestalt der gegenwärtigen Welt entwickelt werde.

Wenn das herrschende System der Urzeit das der All-Einheit, oder Pantheismus, war: so kann die Frage aufgeworfen werden: welches System das der Gegenwart oder der noch dauernden Zeit seyn werde?

Da die Gegenwart, wie gezeigt worden, auf dem Gegensatz beruht, so kann das in ihr herrschende System im Allgemeinen wohl nicht richtiger als durch Dualismus ausgesprochen werden.

Da aber die Gegenwart selbst nur Uebergang ist und das letzte und höchste doch nur jene entfaltetste Einheit seyn kann, in welcher Einheit und Gegensatz selbst wieder vereint sind: so ist klar, daß der Dualismus nie vollkommenstes letztes System seyn könne, in welchem alle Wissenschaft stillstünde; ob er gleich das letzte ist, in welches die früheren, der Urzeit angehörigen, Systeme sich entwickeln müssen.

Wenn wir annehmen dürfen, daß auch im Ursprung menschlicher Ansichten keine Zufälligkeit waltet und daß das ewige Wesen dem Menschengeist nur in der Folge sich aufschließen kann, welche es in seiner ursprünglichen Offenbarung beobachtet: so dürfen wir wohl in den drey Hauptmomenten, durch welche das göttliche Leben sich bis zur Gegenwart entwickelt, die Keime jener drey großen Ursysteme aller Religion und Philosophie erblicken, wie sie ein geistreicher Schriftsteller aufgestellt hat, wenn wir gleich zweifeln, in Ansehung der Ordnung und Auseinanderfolge, die er ihnen gibt, mit ihm übereinstimmen zu können, da wir in der Ansicht der einzelnen von ihm abweichen zu müssen glauben.

In der urersten Lauterkeit, der reinen Ewigkeit, läßt sich keine Handlung, keine Thätigkeit denken, oder inwiefern dieß geschieht, wird schon ein andres als in ihr sich erzeugend gedacht; also kann auch aus ihr nichts folgen durch eine That oder eigne Bewegung; sie ist nur ein ewig Ausquellen, Ausfließen, der Schönheit gleich, die im ruhigsten Stand in Anmuth überströmt. Diesem Moment gehört daher das älteste aller Systeme, die Emanationslehre, an. Wir können diese Zeit mit der mythischen der Geschichte vergleichen; und mythisch wird auch alle Emanationslehre, so wie sie den Moment überschreitet, für welchen sie gleichsam allein gilt, von der ersten Erscheinung im Morgenlande an bis auf die jüdische Kabbala und die Träume der Gnostiker.

Unläugbar ist, daß in gewissem Sinn ein jedes System der Emanation zum Anfang bedarf, indem das Erste, das auf die Ewigkeit folgt, nie durch eine Bewegung in dieser, sondern nur aus eigner Macht entspringen kann, wie das Ueberfließende sich selbst trennt von dem, aus welchem es überfließt.

Der erste aus der Lauterkeit frey und absolut ausquellende Wille ist der Wille zur Existenz, und inwiefern dieser dem Willen, der nichts will, entgegengesetzt ist, so entsteht hier, wenn man will, der erste, aber noch zarteste reinste Dualismus, der verschieden von dem späteren ist, welcher erst aus der wirkenden Einheit sich entwickelt und diese voraussetzt; noch mehr aber von dem aller Einheit entgegengesetzten und sie läugnenden. Denn dieses alle Vernunft zerstörende System, das zwey sich widerstreitende, nicht nur von einander unabhängige, sondern gleich ursprüngliche und auf keine Weise vereinbare Principien behauptet, möchten wir in einer Folge gesetzmäßiger lebendiger Entwickelungen nicht aufzählen: sollten wir ihm eine geschichtliche Stelle anweisen, so wäre es unter den Ausgeburten des Mißverstandes und der Vergessenheit der höheren besseren Systeme.

Der Dualismus, der hier gemeynt ist, fällt gleichsam in den Uebergang aus der mythischen in die heroische Zeit der Geschichte. Das Reale regt sich hier schon als Gegensatz, aber noch ist es in gewissem Betracht dem Idealen untergeordnet.

Eben darum ist dieser Dualismus nicht mit jenem wirkenden oder reellen zu verwechseln, der einer viel späteren Zeit angehört; er kann überhaupt nur statt finden, inwiefern bloß auf die Idee der beyden Principien, auf die Existenz aber gar nicht geachtet wird. Denn in Ansehung dieser stellen sich ja die beyden Principien schon darum wieder als vereint dar, weil das zweyte in dem ersten, wenn auch unabhängig von ihm, entspringt, beyde also in so weit doch zu Einem Wesen gehören.

Noch weniger aber läßt sich dieser Dualismus in einen ausschließenden Gegensatz mit dem Pantheismus bringen, indem er selbst das künftige Princip desselben als eines seiner Glieder in sich begreift.

Bleibt die Betrachtung bey diesem Moment stehen, so entspringt ein System, ähnlich dem, nach den genauesten Untersuchungen nur so zu verstehenden, parsischen Dualismus. Denn die höhere Einheit, auf welche er die beyden Principien zurückführen soll, ist ihm offenbar nur angedichtet, und das bey weitem begründetste über seine Ansicht des Verhältnisses der beyden Principien besteht darinn, daß ihr zufolge der gute Gott Ormuzd höher als das böse Princip Ariman, dieser aber nichtsdestoweniger von ihm unabhängig war; denn die Superiorität des guten Princips verträgt sich allein mit der Lehre von dem endlichen Sieg des Guten über das Böse, und wenn die Betrachtung hier stehen bleibt, sind auch die beyden Principien in ihrem Gegensatz wohl nicht anders auszusprechen, als durch das gute und böse, wozu das frühe Gefühl des tiefen sittlichen Verderbens und der vielen Uebel des Lebens den Menschen ohnedieß einladen mußte.

Daß im Guten selbst, also auch im höchsten Guten ein Princip liegt, das, wenn es sich aus der Verborgenheit oder Unterordnung erhöbe, dem Licht und der Liebe widerstrebte, und daß eben in der Bewältigung dieses immer wenn gleich nur potentiell vorhandenen Bösen die wirkliche Güte besteht, geben wir nach unsern Begriffen nicht bloß zu, sondern behaupten es als eine unwiderlegliche Wahrheit.

Ein Schritt weiter und die Betrachtung erkennt, daß jene beyden Principien doch an sich zu Einem Wesen gehören, wenn auch diese Einheit noch eine verborgene, eingewickelte ist und daher nur als im Begriff, oder potentiell daseyend ausgesprochen werden kann, nicht als die höhere Einheit, die beyde Principien unter sich begreift. Denn die höchste wesentliche Einheit, (die absolute Identität von Subjekt und Objekt) bleibt immer die Liebe selbst, oder, diese ist die Einheit schlechthin, so wie das andere Princip der Gegensatz schlechthin.

Das umfassende System, weil es jene in beyden Principien verborgene Einheit erkennt, kann diese gleich als Einheit der Einheit und des Gegensatzes aussprechen, jedoch so, daß sie mehr für eine zukünftige als für eine gegenwärtige erkannt wird.

Noch ein Schritt weiter und die erste stillschweigende Einheit beyder zeigt sich als eine ausgesprochne wirkliche, die aber nur dadurch möglich ist, daß sich der Wille zur Existentz als das andre Princip zum Herrschenden macht. Damit tritt der Realismus oder, was für gleichbedeutend angesehen werden kann, der Pantheismus als herrschendes System hervor. Diese Epoche ist dem heroischen Zeitalter der Geschichte zu vergleichen.

Der bereits erwähnte Autor scheint eine ausschließende Entgegensetzung zwischen Dualismus, und Pantheismus feststellen und auf alle Weise die Meynung hervorbringen zu wollen, als sey ein Pantheismus, der zugleich Dualismus wäre, ganz undenkbar. Wird aber unter dem letzten der so eben entwickelte verstanden: so ist gezeigt worden, daß das Princip des Pantheismus der Wille zur Existenz ist, den jener selbst als Eines seiner Glieder begreift; und würde unter Pantheismus nur die Lehre von der Einheit der Principien überhaupt verstanden, so liegt, wie ebenfalls gezeigt worden, in jenem Dualismus schon die Einheit verborgen. Wäre die unsichtbare Einheit nicht schon vorhanden, wie sollten sich die absolut Entgegengesetzten auch nur wechselseitig fühlbar und empfindlich werden, was doch zu einem thätigen Gegensatz erfordert wird? Was sich feindet, das muß sich finden können, und was sich finden kann, das muß auf irgend eine Weise zusammengehören. Aber noch überdieß, jener anfängliche Dualismus geht, wie wir gezeigt zu haben glauben, nicht durch Verderb, sondern vermöge eines nothwendigen Gesetzes aller Entwickelung in Realismus oder Pantheismus über und schließt sich in ihn ein, eben um jene in sich verborgne Einheit zu offenbaren. Also fodert der Dualismus selbst den Pantheismus als ein wesentliches Element, als einen nothwendigen Durchgangspunkt, durch den er erst zum eigentlichen, wirkenden (reellen) Dualismus werden kann.

Wird aber dieser letzte Dualismus verstanden: so können wir zwischen diesem und dem Pantheismus keinen andern Gegensatz anerkennen, als der zwischen dem Keim und der aus ihm hervorstrebenden Pflanze ist. Wir können uns in der letzten Beziehung zwar einen Pantheismus denken ohne Dualismus, d.h. einen Pantheismus, der Keim geblieben, nicht in Dualismus aufgegangen ist; aber nicht umgekehrt einen Dualismus, der nicht entweder, wie jener anfängliche, stillschweigend die Einheit enthielte, oder der nicht aus dem Pantheismus hervorbräche, und diesen als seine Involution voraussetzte.

Auch hier, im Uebergang von der Einheit zur Zweyheit, entsteht ein höherer Dualismus, in welchem sich jener erste wiederholt, nämlich der zwischen den Principien der beyden Systeme selber. Denn das die väterliche Kraft aufschließende, scheidende Princip, das in so fern ein von ihm Verschiednes und Freyes seyn muß, ist das Princip des Dualismus; die einschließende Kraft des Vaters aber das Princip des Pantheismus. Also auch hier fodert wieder ein Princip und System das andere. Aber eben hier, wo die anfänglich unoffenbare Einheit der Einheit und des Gegensatzes als wirklich hervortritt, bleibt die Einheit das höchste, und ordnet sich die beyden streitenden Systeme unter. Die christliche Lehre, welche die beyden Principien als zwey verschiedne Persönlichkeiten, aber eines und desselben Wesens, erkennt, vereiniget auf’s vollkommenste die Zweyheit mit der Einheit; denn auch die jetzt im Geist wirklich gewordne (erst nur potentielle) Einheit hebt dieselbe keineswegs auf, sondern ist selbst wieder nur eine Persönlichkeit von Gott, so daß also Einheit, Zweyheit, und wieder die Einheit dieser beyden jedes als ein Selbständiges für sich erscheint. Inwiefern nun derjenige Dualismus der höchste ist, in welchem Dualismus und Pantheismus, Zweyheit und Einheit selbst wieder die Gegensätze sind: läßt sich wohl keine vollkommnere Auflösung des Streits aller menschlichen Systeme denken, als diejenige ist, die im Begriff der Dreyeinigkeit des göttlichen Wesens schon längst geoffenbart ist.

Der Streit von Pantheismus und Dualismus kann besonders in sittlicher Beziehung auch angesehen werden als Streit zwischen Nothwendigkeit und Freyheit.

Ein jeder von uns fühlt, daß alle Nothwendigkeit nur von dem Seyn komme; nur was auch nicht einmal als seyend angesehen werden kann, lebt in übernatürlicher ja übergöttlicher Freyheit.

Freyheit ist wie Liebe, wie Reinheit des Willens das Höchste. Diese Freyheit ist noch keine Freyheit der That und selbst die innern Bewegungen, die wir allein in solcher Lauterkeit annehmen können, sind auf eine so wesentliche Art frey, (mit dem Wesen, der Freyheit, selber Eins), daß sie mit der Nothwendigkeit gar nicht in Gegensatz zu bringen sind.

Der Wille zur Existenz, wenn er zum Aktus kommt, ist schon entschiedne That; hier fängt die Unterscheidbarkeit an; hier scheint es, müsse Freyheit oder Nothwendigkeit anerkannt werden.

Die Contraction des ersten wirkenden Willens, durch welche die uranfängliche Lauterkeit sich selber mit einem Seyn überkleidet, ist mit der unergründlichen That in Vergleich zu setzen, wodurch das menschliche Wesen sich vor aller einzelnen oder zeitlichen Handlung zu einem innerlich bestimmten Wesen zusammenzieht, oder sich das gibt, was wir Charakter in ihm nennen.

Ich glaube, daß nicht leicht jemand annehmen wird, er selbst oder irgend ein anderer Mensch habe sich seinen Charakter gewählt; und dennoch unterläßt keiner, ihm die aus seinem Charakter folgende Handlung als eine freye zuzurechnen. Hier erkennt also jeder eine Freyheit an, die in sich Nothwendigkeit, nicht Freyheit in jenem späteren Sinne ist, die nur da stattfindet, wo Gegensatz ist. Das allgemeine sittliche Urtheil erkennt daher in jedem Menschen – und in so fern überhaupt – eine Region an, da gar kein Grund ist, sondern absolute Freyheit, die sich selbst Schicksal, sich selbst Nothwendigkeit ist.

So nah liegt jedem Menschen der Ungrund der Ewigkeit, vor dem er sich entsetzt, wenn er ihm vor’s Bewußtseyn gebracht wird.

Vor der aus jener Tiefe kommenden Handlung ist kein Grund anzugeben; sie ist so, weil sie so ist, sie ist schlechthin und in so fern nothwendig. Vor dieser grundlosen, durch sich nothwendigen, Freyheit scheuen sich die Meisten, wie sie sich vor der Magie, vor allem Unbegreiflichen und besonders vor der Geisterwelt scheuen. Wo sie daher ein solches Handeln aus dem Ungrunde gewahr werden, fühlen sie sich vor ihm niedergeworfen, wie vor einer Erscheinung aus der höheren Welt und finden die Kraft nicht, ihm zu widerstehen. Dieses Handeln aus dem Ungrund ist der geheime Talisman, die dunkle erschreckende Gewalt, wodurch bisweilen der Wille eines einzigen Menschen die Welt vor sich zu beugen vermag. Vielleicht ist das Geheimniß ein Glück, das darauf ruht. Es gibt auch andre, welche es nach dieser Gewalt lüstert, die sie gern üben möchten aber nicht verstehen. Sie merken wohl das Gepräge der Nothwendigkeit in der unbedingt freyen Handlung, aber sie suchen diese Nothwendigkeit im Aeußern. Weßhalb von jeher die Meisten, die in dem Fall waren, allein aus sich handeln zu können, von dem Wahnsinn der Willkühr ergriffen, in den zufälligsten Handlungen, denen alles Gepräge innrer Nothwendigkeit fehlt, ihre Freyheit suchten. Beugt sich den ersten die Welt, so spottet sie dieser nur als Trunkener und Wahnsinniger, so sehr sie auch ihres Zustandes wegen gefürchtet werden mögen.

Wie das Reale zu unsrer Zeit soviel möglich aus der Theorie entfernt worden: so der Charakter aus der Sittenlehre. Zwar ist dieser nur der ewige Grund, den der Wille sich selber macht, damit der andre aus dem ersten gezeugte Wille einen Gegenstand habe, etwas Widerstehendes finde, das er aufschließe und zu immer höherer Gestaltung entwickele. Wir fodern von dem Menschen allerdings auch, daß er seinen Charakter überwinde, nicht aber daß er ohne Charakter sey. Eben weil er überwunden, aufgeschlossen, gesteigert werden soll, muß er eher seyn als das Ueberwindende: eben hieraus erhellt seine entschiedne Priorität in allem Handeln und Wirken, ja, wir möchten sagen, in allem, auch im innern, Hervorbringen. Denn überall zeigt sich ja, daß nicht Talent, Verstand, List und Kunst – wie sich jetzt so viele einbilden, nachdem Verstand und Talent lange Zeit allerdings mehr wie billig hintangesetzt werden – sondern der Charakter das letzte Entscheidende ist. Konnten wir das Seyn, jene Urkraft der Zusammenziehung und Verneinung, die Stärke in Gott nennen, so ist der Charakter die einzige, die eigentliche Stärke der Menschen. Der Charakter ist jene absondernde Kraft in ihm, dadurch er allein er selbst ist und bey der höchsten Mittheilsamkeit doch von allen andern verschieden bleibt. Wir erkennen das Handeln nach Gründen und sogenannten Grundsätzen an seiner Stelle als etwas treffliches an; können jedoch den unmöglich bewundern, dem bey seinem Handeln so viele Wahl übrig bleibt, noch jene für die berufenen Erzieher einer Nation ansehen, die, jenes Handeln für das einzige haltend und das wahrhaft unbedingte nicht kennend, den Willen zum völligen Knecht des Verstandes erniedrigen.

Der Wille, so wie er nur zum Seyn sich neigt, wird innerlich Nothwendigkeit, aber eine ganz andre Nothwendigkeit ist schon die der That folgende. Denn ob er gleich nach oben immer frey bleiben muß (in jenem Verstande, da er innerliche Nothwendigkeit ist), ist er doch durch die Mitte zwischen dem Seyenden und dem Seyn, in der er sich befindet, gebunden. Und obwohl das ewig freye unendliche Wesen dieser Gebundenheit widerspricht und innig nach der Freyheit begehrt, kann es den Kreis doch nicht mehr durchbrechen. Vermöge der bloßen Nothwendigkeit der göttlichen Natur würde keine weitere Entwickelung erfolgen. Daher diejenigen, welche bey jener stehen bleiben, auch nur ein System innerer Schöpfung zugeben können.

Auch die Freyheit also muß erst in ihr Gegentheil sich einschließen, um wirkende Freyheit zu werden und als solche durchbrechen zu können. Vor der sittlichen Freyheit geht die Nothwendigkeit nothwendig voran. Denn wenn jene nur da anzunehmen ist, wo eine Scheidung, Entscheidung statt findet, so muß ihr ein Zustand der Ungeschiedenheit also der Nothwendigkeit vorausgehen. In diesem Verstand kommt daher auch dem Fatalismus eine nothwendige Priorität vor dem Dualismus zu.

Das anfängliche Gleichgewicht der Kräfte, in welches wir die Nothwendigkeit der göttlichen Natur setzen, konnte leicht an das bekannte Gleichgewicht der Willkühr erinnern, welches die Moralisten zur Erklärung der menschlichen oder moralischen Freyheit ersonnen haben. Wäre der Sinn ihrer Meynung dieser: ein Gleichgewicht der Kräfte sey der Anfang der geistigen Geburt, die Nacht, aus der der Mensch erst in das frohe Licht der Freyheit geboren werde: so könnten wir ihren Begriff wohl mit dem unsrigen vereinen. Denn wenn der Entwickelung die Einwickelung vorausgeht und diese zu jener sich als ihre Negation verhält: so muß auch der Freyheit die Negation der Freyheit vorausgehen. Allein schon zuerst denken sie jenes Gleichgewicht nicht als das Vorausgehende der Freyheit an sich, sondern nur als das Vorhergehende der einzelnen freyen Handlung. Vor jeder derselben befindet sich der Wille im vollkommnen Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten Motiven: da nun hiebey eine Handlung unmöglich ist, so entsteht die Schwierigkeit, daß dasselbe durch dasselbe überwunden, der nämliche Wille zu derselben Zeit im Gleichgewicht und auch nicht im Gleichgewicht seyn müßte: um also doch aus diesem herauszukommen, wird eine außer dem Gleichgewicht befindliche, von allen Motiven unabhängige, d.i. verstandlose Willkühr erdacht, die mechanischer Weise jenes Gleichgewicht aufhebt, aber genau betrachtet nichts anders als der absolute Zufall selbst ist.

Vergleicht man diese verworrene, dunkle, vernunftwidrige Vorstellung, die so allgemein angenommen und bis auf unsre Zeit im Grunde die herrschende ist, mit der wahren Idee, von der sie sogar einen Schein an sich hat: so kann man nicht umhin, zu denken, es sey dem größten Theil der Menschen, selbst denjenigen, die sich des Denkens rühmen, in den nächsten wie in den entferntesten Dingen die Wahrheit nur wie durch einen Nebel zu sehen vergönnt.

Die Wahrheit ist, daß jenes Gleichgewicht der Kräfte erstens kein unthätiges, ruhendes, sondern ein lebendiges, kräftiges ist, worinn eine wirklich zusammenziehende Kraft ist; zweytens daß es nur Bedingung, nur der eine Faktor der eigentlichen Freyheit ist; daß der andre Faktor als der jenes Gleichgewicht überwindende nicht Willkühr oder ein Wesen seyn kann, in dem eine Wahl statt findet, sondern nur ein ganz bestimmtes Princip, das nur jenem ersten dynamisch entgegenwirken und also auch nur diese eine, durchaus keine andre Wirkungsweise haben kann; daß hinwiederum das Gleichgewicht sich gegen jenen andern Faktor als kein mechanisches ganz und gar passives verhält, das durch eine bloße Willkühr (z.B. den willkührlichen Vorsatz nun tugendhaft zu seyn) alsobald überwunden wird; daß endlich aus diesem Streben ein weit höherer Dualismus hervorgeht, als jener Gegensatz der im Gleichgewicht befindlichen Kräfte, ein Dualismus nämlich, der zwischen der ersten das Gleichgewicht setzenden und der zweyten es überwindenden Kraft und Persönlichkeit stattfindet; und daß nur hieraus erst jener nicht so sehr an der Oberfläche liegende, nicht so mechanische und leichte, sondern tiefe, höchst dynamische und kräftige Prozeß entsteht, in welchem der Mensch allein sich als moralisch freyes Wesen verkündet.

Jedoch wie durch diesen höheren Dualismus das eigentlich, das moralisch Freye auch in Gott hervortrete, scheint eine genauere Entwickelung zu erfodern.

Fürs erste, da doch jenes andre, das erste überwindende, Ich aus dem ersten hervorgehen, von ihm gezeugt werden soll, entsteht die Frage, ob das erste in dieser Zeugung sich als ein Freyes oder Nichtfreyes verhalte? Frey könnten wir es doch nur nennen, inwiefern ein Wesen auch in dem, daß es heftig einer Sache begehrt, frey heißen kann. Die Begierde, der Hunger nach Liebe, der in jedem existirenden Wesen, je strenger es sich zusammenfaßt, desto schärfer wird, das Unvermögen, im Streit mit der Liebe sich in sich selbst zu enthalten, treibt ein Wesen zu jener Selbstverdoppelung, durch welche das erste Ich fähig wird das andre zu zeugen. Da ein jedes freyes Wesen dieses andern Ichs bedarf, nur um überhaupt frey zu werden: so verlangt ein jedes darnach, wie es nach der Besonnenheit, nach Bewußtsein, nach Freyheit verlangt. Weil es aber durch dieses zweyte Ich selber frey wird, so kann ein der Verirrung ausgesetztes Wesen, wie der Mensch ist, dieses andre Ich, anstatt es in sich wirken zu lassen, zum Mittel für seine Zwecke und für seine eigne Freyheit machen, welches die höchst mögliche Umkehrung des wahren Verhältnisses ist, und dadurch kann endlich jene Zeugung und Selbstverdoppelungskraft so eingeschränkt werden, daß sie nur noch als Mittel zu immer höherer Steigerung der Selbstheit, nicht mehr als Befreyendes von ihr wirkt; ja es möchte ein Punkt kommen, wo der Mensch jener Zeugungskraft völlig verlustig wird. Wo aber im Gegentheil das erste Ich jenes zweyte Ich als Mittel zu seiner wirklichen Befreyung gebraucht, oder es als solches in sich wirken läßt, da hilft es jenem selbst wieder zu seiner Geburt: denn der Akt jener Zeugung ist ein ewiger, nie aufhörender, der in Gott und Menschen jeden Augenblick neu geschieht und geschehen muß.

Welche Art der Freyheit aber werden wir eben diesem andern, das erste überwindenden, Ich zuschreiben? Offenbar doch verhält es sich gegen das Seyn, ja gegen das Existirende selber als frey, und wenn wir nur diesen negativen Begriff der Freyheit im Auge haben, so ist es ja wohl frey zu nennen. Was es aber handelt, das handelt es keineswegs aus Wahl, sondern, obgleich höchst besonnen, doch der innern Nothwendigkeit seiner Natur gemäß. Denn es ist nichts anders, denn Liebe und kann keinen andern Willen in sich haben, als den der Liebe und Sanftmuth. Also nicht diese andre Persönlichkeit können wir als jenes moralisch Freye ansehen, das wir in ihm suchen.

Die Wirkung des andern Ichs ist die Scheidung des ersten, wodurch es als Seyendes befreyt wird von seinem Seyn und in’s Geistige gesteigert. So weit es nun vom Seyn befreyt ist, so weit genießt dieses Seyende der Freyheit in sich selbst. Aber jenes erste Ich ist ja nicht ein für allemal geschieden; in jedem Moment soll die Scheidung, in jedem auf’s Neue die Verklärung des Seyenden in’s Geistige geschehen. Also das erste Ich ist nicht vernichtet; die Kraft seiner Einheit besteht noch und wirkt in jedem Augenblick. Wäre keine Scheidung, so wäre es bewußtlos, blind zusammenziehende Kraft. Da es aber im Moment der Aktion der Scheidung selbst in’s Bewußtseyn erhoben wird, also jeden Augenblick sich als frey, als ein Wesen erblickt, das nichts hinter sich hat als den Ungrund der Ewigkeit, aus dem es unmittelbar entsprungen: so kann es im Akt der Scheidung selbst entweder ihr sich hingeben, oder die ihm gewordene Freyheit zum Mittel für sich machen, um ihr zu widerstehen – und diese Möglichkeit ist es, auf welcher endlich die moralische Freyheit beruht. Das sich-Hingeben an jenes andre und bessere Ich ist eigentlich erst das sich-Entschließen (se résoudre) sich-Aufschließen, Oeffnen, ist eigentlich erst die Entscheidung. Dagegen das sich-Verweigern eigentlich nicht ein sich-Entschließen, sondern Einschließen ist, Verstockung und Verhärtung, obgleich freywillige.

Es ist von jeher das Gefühl gewesen, daß wahre Freyheit nur im Guten, im Bösen aber eigentlich keine sey. Daher die Sprüche: Nur der Tugendhafte ist frey; der Böse ist ein Knecht der Sünde und ähnliche; daher auch die wissenschaftliche Behauptung einiger, daß es nur einen freyen Willen für’s Gute gebe. Hätte diese Meynung den Sinn: der böse Wille sey nur nicht von und durch sich selbst frey, übrigens aber doch frey, so wäre dagegen nichts einzuwenden. Denn es ist so eben gezeigt worden, wie das erste oder selbstische Ich die Freyheit nur von dem andern und bessern Ich hat, und dieser, die ihm in der beständigen Solicitation zur Aufgebung der Selbstheit als ein Blick wird, bloß wahrnimmt, um sie für sich zu gebrauchen, d.h. um sie zu mißbrauchen.

Dargethan wäre also, daß einzig und allein das erste Ich moralisch frey in dem Sinn heißen kann, da zur Freyheit eine gleiche Möglichkeit des Guten und des Bösen erfordert wird – und zwar nicht ursprünglich, sondern nur inwiefern ihm in jener Scheidung der Kräfte, der Zersprengung der Finsterniß, ein Blick der Ewigkeit und also auch der Freyheit seines Wesens wird.

Auch in Gott kann daher nur das erste Ich oder der Vater, inwiefern er in der beständigen Scheidung durch den Sohn begriffen ist, frey im moralischen Sinn heißen. Es ist unstreitig der freye Wille des Vaters, das ursprüngliche Gleichgewicht der Kräfte in sich aufheben zu lassen; sein freyer Wille also die Schöpfung. Freywillig gibt er sein eigen Leben, als das eigene, (anderes ausschließende) auf, Er Selbst das erste Beyspiel jener großen nicht genug zu erkennenden Lehre: Wer sein Leben findet, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert, der wird es finden. In der ersten Lust des In-sich-gehens fand er sein Leben und kam in den Fall es zu verlieren; jetzt aber verliert er es, um es in weit höherem Sinne wieder zugewinnen. Auch Er konnte die ihm durch das andre Ich wieder geoffenbarte Freyheit und Ewigkeit seines Wesens ergreifen, um als Er Selbst in ewiger selbstgenugsamer Verschlossenheit zu verharren.

Es ist eine Frage, die gleich bey der ersten Entwickelung aufgeworfen werden konnte: ob jenes irrationale, der Auseinandersetzung widerstrebende, Princip in Gott sich freywillig unterworfen, oder nur bewältigt durch die höhere Macht in die Vergangenheit zurückgetreten sey? Die bekannte tiefsinnige Stelle der Schrift, wo gesagt ist, die Kreatur sey der Eitelkeit nicht willig, sondern nur mit Widerstreben unterworfen, könnte auf eine unfreywillige Unterwerfung der Natur gedeutet werden. Allein schon die folgende Stelle, daß sie unterworfen sey um deß willen, der sie unterworfen, und auf Hoffnung, zeigt, daß hier nur der natürliche oder nothwendige Wille gemeynt sey. Denn kein Wesen stirbt vermöge des natürlichen Willens seinem eignen Seyn, und Verläugnung wird nie um des Verläugnenden, sondern um eines Höheren willen geübt; dann aber doch nicht gezwungen, sondern freywillig. Also immer noch vermöge der natürlichen Begierde bewegt sich das dem höhern Willen unterthane Herz des Vaters, aber beständig beschworen und nicht sowohl durch Ueberwindung als nach dem schönen Platonischen Bild durch Ueberredung des höheren besänftigt bleibt es in williger Verborgenheit, ein innerlich schlagend heilig Herz, still das Leben unterhaltend aber nie in die Aeußerlichkeit hervorwirkend.

Wer gedenkt hier nicht überhaupt gern des hohen Platon, der es zuerst gewagt, in der Vorzeit und nicht sowohl neben als vor dem freybesonnenen, geistig ordnenden Wesen einen Zustand wilder Bewegung eines regellosen, der Anordnung widerstrebenden, Princips anzunehmen? und wenn das, was dem ähnlich ist in unserer Ansicht, der Verdammung unserer Zeiten nicht sollte entgehen können, so möge Sein Name uns als Schutz zur Seite stehen, der noch immer gilt, weil sie ihn unter die Idealisten zählen, der ausdrücklichen Erklärung des Seyns als eines originalen, dem Verstand thätig widerstrebenden Princips ohngeachtet.

Wenn Platon von der Materie als einem mit Gott coexistirenden Princip redet: so scheint er jenen Standpunkt vor Augen zu haben, wo Gott von dem Seyn geschieden schon als verklärter Geist über seiner Hülle schwebt. Wenn aber nach einer früheren Einheit gefragt wird, in der Gott und die Materie Eins gewesen, so möchte sie bey ihm schwerlich anderswo, als in jener einst gewesenen Natur zu suchen seyn, mit deren Ueberwindung Gott erst eigentlich Gott wurde. Denn auch Gott mußte aus einem vorhergehenden Zustand, da er noch nicht Gott war, sich erheben, wie der Mensch im ersten Zustand bloß der Möglichkeit nicht aber der Wirklichkeit nach Mensch ist; und schon längst haben wir die Meynung erklärt, daß alles, was jenseits des eigentlichen, persönlichen Seyns der Gottheit liege, Natur zu nennen sey. Denn nur das Geistige von Gott ist Gott selbst zu nennen, wie nur das Geistige des Menschen der Mensch selbst ist; und von dieser Vergeistigung kommt alles her, was in der jetzt beruhigten Natur Verständiges, Mildes und Geordnetes ist; alles Harte und Widerwärtige aber kommt, wie Platon es in der unschätzbaren Stelle ausdrückt, von dem vorigen Zustand, von dem Körperähnlichen, Chaotischen her, diesem Mitaufgezogenen ihrer vormaligen Natur, da ein großes Theil Verwirrung in ihr war, ehe sie zu dem jetzigen Schmuck der Anordnung gelangt ist.

Doch wollen wir damit den berufenen Auslegern keineswegs vorgreifen, deren Urtheil wir diese Erklärung gern unterwerfen.

Ohne einen vorangehenden natürlichen Willen gäbe es keine Freyheit. Die Zweyheit im Willen entsteht nur dadurch, daß ein Wille schon vorhanden ist und ein andrer Wille ihm angemuthet wird. Die Nothwendigkeit geht also stets und in jeder Handlung der Freyheit voran. Wie verkehrt erscheint es, Gott vor der Schöpfung ein für allemal seinen Entschluß zu ihr fassen zu lassen. Ja wohl ist die Schöpfung nur durch einen Entschluß Gottes, aber dieser Entschluß ist ein ewiger, nie aufhörender; noch immer wird die Selbstheit des ewigen Vaters überwunden in Liebe und öffnet sich und fließt über in’s Geschöpf. Jeder Tag verkündiget aufs Neue diesen Sieg, und jede Nacht erneuert dieß Wunder.

Die hohe Meynung des menschlichen Verstandes von sich selbst, da er sich in dem Fall dünkt, zu wählen und durch List und Kunst das Beste unter allem Möglichen zu ersehen, mußte wohl auch einmal auf Gott angewendet werden. Wer ihm aber keine andere Freyheit zugesteht, als die, unter mehreren möglichen Welten die beste auszusuchen, gesteht ihm den geringsten möglichen Grad der Freyheit zu. Wahl ist Qual; ist Folge des unerleuchteten, unaufgeschloßnen Willens; sie ist nicht Freyheit, sondern Mangel der Freyheit, Unentschiedenheit. Wer weiß was er will, der handelt gradezu. Zwischen Tugend und Laster wählen, heißt nur ungewiß seyn, wobey der größte Vortheil zu finden. Wer es aber in dem einen oder andern zur Meisterschaft gebracht, handelt ohne Wahl und erst dann mit vollkommner Freyheit.

Eine andre Freyheit ist, wie aus dem bisherigen erhellt, die des Vaters; eine andre die des Sohns: dem Geist werden wir vorzugsweise die eigentlich geistige, die in absoluter Besonnenheit, Klarheit und Allwissenschaft besteht, zuschreiben. Diese drey Stufen oder Arten der Freyheit sind verhältnismäßig die nämlichen, auch für den Menschen.

Der Geist ist das, worein sich zuletzt alles verklärt; denn nur der Geist ist die ganz entfaltete und ganz wieder zur Einheit gekommne Gottheit.

Auch für das menschliche Wissen gibt es einen letzten Verklärungspunkt. Keines der drey Hauptsysteme ist das höchste, obgleich eines immer näher dem letzten Punkte der Entwickelung liegt. Aber alle sind nothwendig, wie die verschiednen Bildungsstufen eines Lebens; keines kann übergangen werden, wenn das eigentliche Ganze, d.h. wenn das allein wahre System entwickelt werden soll.

Wenn ich hiemit die Möglichkeit eines solchen auszusprechen scheine: so ist doch keineswegs meine Meynung, daß es für jedermann daseyn könne; vielmehr möchte ich sagen: das System sey wohl möglich ja wirklich, aber es sey nicht darstellbar – äußerlich nämlich, so daß es nun ein jeder nehmen und sich wie anders Wissen zueignen könnte. Denn dieses ganze Wissen ist nur in einer beständigen nie aufhörenden Erzeugung, so daß es nimmer zum todten Besitzthum werden kann. Es ist der innerlich-wiederholende und nachbildende Prozeß jenes großen ungeheuren Prozesses alles Lebens von seinem ersten stillen Anfang bis zur Gegenwart, ja bis in die fernste Zukunft. Wie viele aber haben wohl Kraft, Vermögen, Selbstverläugnung genug, sich in diesen Prozeß hineinzubegeben. Denn nicht ohne harten innern Kampf, nicht ohne Scheidung seiner selbst von sich selbst wird die Wahrheit gewonnen. Selbst theoretisch ihn mitmachen ist nicht genug. Wer den Prozeß alles Lebens, wie er in gegenwärtigem Buch beschrieben, nicht praktisch erfahren, wird ihn nie begreifen. Der ein Werk, das in seiner Seele lag, vom ersten verschlossenen Keim bis zur vollkommnen Gestalt ausgebildet; der im Kampf mit einer unbezwinglich scheinenden Natur dennoch zur Klarheit gelangt, der etwa mag urtheilen. Leute ohne geistige Erfahrung können hier nichts richten.

Auch ist ja die nothwendige Folge der Erkenntniß des allein wahren Systems keineswegs, wie von den Gegnern alles wahren Wissens vorgegeben wird, die allgenügende Wissenschaft; auf sehr natürlichem Wege könnte vielmehr das gerad’ Entgegengesetzte folgen. Und so sehr ich jederzeit die Rechte der Wissenschaft vertheidiget habe und mein ganzes Leben hindurch vertheidigen werde, möchte ich, wär’ es nicht unbescheiden, bey dieser Gelegenheit sagen, was ich so oft, was ich besonders lebhaft bey der gegenwärtigen Darstellung gefühlt, wie weit näher, als die Meisten wohl begreifen können, ich jenem Verstummen der Wissenschaft bin, welches dann nothwendig eintreten muß, wenn wir erkennen, wie alles so unendlich persönlich zugeht, daß es unmöglich ist, irgend etwas eigentlich zu wissen. Dieses Resultat der Wissenschaft wäre nur wenig von jenem Sokratischen verschieden, der das eine gewonnen zu haben sich rühmte, zu wissen, daß er nichts wisse. Aber er wußte es doch und diese Gewißheit war nicht der Anfang, sondern das Ziel seiner Forschungen. Wenn aber Andere der Meynung sind, mit diesem Bekenntniß der Unwissenheit gleich anfangs sich beruhigen zu dürfen: so läßt sich dieß nur als eine seltsame Verirrung betrachten. Denn wenn der wirklich Unwissende versichert, er wisse nichts, oder sein Talent bestehe im Nichtwissen, was ist denn da Merkwürdiges daran? Wann es aber der Wissende sagt, dann hat es einen hohen Sinn. Ein anderes ist, nicht wissend seyn aus Mangel an Wissenschaft, ein anderes nicht wissend seyn wegen Ueberschwenglichkeit der Erkenntniß und der Gegenstände. Des Nichtwissens in diesem Sinn durfte ein Sokrates sich rühmen; wenn aber schlaffe Weichlichkeit, eine aller Anstrengung unfähige Geistes- und Herzensträgheit, deren ganze Thätigkeit darauf eingeschränkt ist, sich mittelst einer eigenliebigen Sophistik gegen alles ernstlich gemeynte Wissen zu vertheidigen, ebendieses zu sagen sich herausnimmt, und dieß sogar bey der Welt für Bescheidenheit und Sokratische Weisheit geltend machen kann: so ist diese Erscheinung nur als eines der vielen Symptome der schrecklichen Verkehrtheit dieser Zeiten zu betrachten.

Da das wirklich umfassende System seinen Namen nicht von irgend einem jener einzelnen Momente tragen könnte, deren abgesonderte Auffassung eben so viele einzelne Systeme erzeugt: so wäre es offenbar nur nach dem letzten Verklärungspunkt zu benennen, in welchem als der höchsten Einheit aller Widerstreit sich auslöst.

Da dieses der Geist ist: so würde es am richtigsten das System des Geistes, welches nothwendig auch das der Wahrheit ist, genannt werden.

Man kann behaupten, daß die öffentlich geduldete Metaphysik nur eben jenes höhere Ganze suche. Denn wenn sie auch jetzt auf den Theismus eingeschränkt ist, der nur mit dem Dualismus bestehen kann, und im Grunde dasselbe mit ihm ist: so findet sie doch in der Behauptung desselben als ursprünglichen aus keinem höheren herzuleitenden und auch nicht weiter zu entwickelnden Standpunkts so viele Schwierigkeiten, daß sie endlich dahingekommen ist, sich selbst für unvermögend zu erklären und auf ihre Existenz feyerlich Verzicht zu thun. Da aber diese unmuthige Selbstvernichtung doch nicht bestehen kann, und die Foderung einer wahren Metaphysik unter einer noch weder an Herz noch Geist erstorbnen und so wesentlich religiösen Nation, wie die deutsche ist, immer wiedererwachen muß; so ist zu hoffen, daß, wenn sie nur erst zur Erkenntniß des Gegenwärtigen gekommen, sie auch ihre Scheu vor den höheren Standpunkten ablegen werde, indem sie einsehen muß, daß nur die Anerkennung derselben, nicht als letzter, wohl aber als anfänglicher, sie in den ruhigen Besitz der Wahrheit setzen kann, nach dem sie schon so lange vergeblich, weil vom unrechten Punkt aus, getrachtet hat. So wehrt sich diese Metaphysik gleichsam blind gegen jedes Einheitssystem, im Grunde aber gegen alle lebendige Entwickelung. In beyderley Betracht wird sie in der gegenwärtigen Darstellung, wenn sie anders Kenntniß von ihr nimmt, es nicht anders als entsetzlich finden können, daß Etwas in Gott sey, das verdrungen, das als Vergangenheit gesetzt werde. Erst hatte sie nicht begriffen, daß Pantheismus der nothwendige Keim ist, aus welchem allein sich wahrer Theismus, als das eigentlich geschichtliche und der geschichtlichen Zeit angehörige System, entwickeln kann. Hier wird sie übersehen, daß es ebendieses ihr widerwärtige pantheistische Wesen ist, das in Gott verdrungen werden muß, um für das Freye, das Persönliche Raum zu machen.

Weil wir aber nicht in Abrede stellen können, die Geduld dieser alten Metaphysik und der öffentlichen Toleranz, von der wir auch darum billiger Weise nicht viel zu rühmen haben, oftmals auf harte Proben gestellt und auch in gegenwärtiger Untersuchung nicht immer Maß und Schritt jener zugestandnen Wissenschaft gehalten zu haben: so rechnen wir es um so mehr zur Pflicht, zu zeigen, worinn ihr Verfahren trotz des scheinbaren Mißverhältnisses mit dem Gang unserer Betrachtung einige Vergleichbarkeit hat.

Die Metaphysik zählt bekanntlich drey Beweise für das Daseyn Gottes. Der erste ist der mit Recht so genannte ontologische, welcher zuletzt darauf beruht, daß in Gott die Existenz durch das Wesen schon gesetzt, er selbst also ein innerlich nothwendiges Wesen sey. Gegen diesen Beweis ist, wenn er ganz in sich selbst bleibt und nicht etwa aus jenem innerlich nothwendigen Seyn den Uebergang in ein äußeres machen oder jener Einheit des Wesens und der Existenz selbst wieder die Existenz als Prädikat beylegen will, schlechterdings nichts einzuwenden. Allein er bringt dafür auch nur die Idee eines Wesens zu Stande, dem das Seyn innerlich ist, von dem es aber schlechthin nicht äußerlich ausgesagt werden kann. Es entspricht daher dieser Beweis ganz jenem Zustand uranfänglicher Lauterkeit, in welcher alle Existenz verschlungen und die Gottheit viel zu rein ist, um auch nur als existirend ausgesprochen werden zu können. Nun ist aber die Metaphysik mit diesem rein ontologischen Wesen nicht zufrieden, sondern verlangt ein wirklich Existirendes, ein solches, von dem das Seyn als Prädikat auszusagen ist. Will sie dieß vermöge jenes ontologischen Beweises erlangen: so verdirbt sie ihn, indem sie ihn über seine Gränze treibt. Es bliebe ihr daher nichts übrig, als aus jenem Ersten zu einem Zweyten fortzugehen, das nicht mit ihm einerley, sondern ein wirklich Zweytes und der Grund der Existenz jenes Ersten wäre. Da sie dieß aber nicht könnte, ohne ein Fortschreiten in Gott oder doch ein Ausquellen in ihm anzunehmen, welches ihr zu natürlich und zu lebendig ist, und ihren stillstehenden, abgezogenen Begriffen widerstreitet: so bricht sie hier ab und sucht obwohl unbewußter Weise das Mangelnde auf einem andern Wege herbeyzuschaffen.

Weil sie sich nämlich doch gedrungen sieht, ein Existirendes zu erkennen, so verschafft sie sich dieses durch einen von unten aufsteigenden Schluß; durch den zweyten, mit Recht so genannten kosmologischen Beweis, da sie von der Zufälligkeit aller existirenden Dinge endlich auf eine letzte unbedingte Ursache derselben schließt, und gelangt so zu dem ersten Existirenden, wie wir es genannt haben. Da sie aber als unbedingte Ursache nur ein nothwendig existirendes Wesen ansehen kann: so sieht sie sich gedrungen, diese auf ganz andrem Wege gewonnene Idee doch wieder mit der jenes ontologischen Wesens zu verbinden, ohne einen Zusammenhang oder eine wahre Einheit zwischen beyden nachweisen zu können. Sie bedarf also zum Komplement ihres ontologischen Beweises den anderwärts hergeholten kosmologischen; und zum Komplement des kosmologischen den mit ihm gar nicht zusammenhangenden ontologischen. Da sie aber auch an der Idee eines nothwendig existirenden ersten Wesens nicht genug hat, sondern ein selbstbewußtes, persönliches nach Zweck und Absicht handelndes verlangt, und ihr ein solches weder der ontologische noch der kosmologische gewähren kann, es sey denn daß sie beyde über ihre Gränze treibe: so müßte sie auch hier eigentlich jenes kosmologische Wesen wieder als ein Eingewickeltes betrachten, und die Succession oder Steigerung ihrer Begriffe als eine Succession oder Steigerung in dem Wesen selbst begreifen. Da aber dieses sowohl ihren abgestandenen Begriffen widerstrebt, als auch wegen Mangel des Stoffs der Entwicklung unmöglich ist, indem sie, aus Furcht vor Pantheismus, die Ursache als getrennt von ihrer Wirkung, ganz unnatürlich obenan, verlassen, einsam, abgezogen und unlebendig gesetzt hat: so bleibt ihr wieder nichts übrig, als das, was sie durch diesen Beweis nicht erlangen konnte, durch einen neuen und ganz andern Beweis zu suchen.

Hielt sie sich zuvor noch an die allgemeine Eigenschaft der Zufälligkeit der Dinge fest, so dringt sie jetzt in das Innre derselben und ihren Zusammenhang unter einander ein, und da sie in demselben überall die Spuren einer nach Zweck und Absicht, mit Freyheit und Besonnenheit wirkenden Ursache erkennt: so schließt sie endlich von dieser Bemerkung auf ein persönliches, freyes und intelligentes Wesen als Welturheber zurück. Indem aber der Begriff eines freyen intelligenten Wesens in der Luft schweben würde, wenn ihm nicht die Nothwendigkeit Grund machte: so muß sie von diesem dritten, physikotheologischer Beweis an den zweyten kosmologischen zurückgehen, und auf diese Art selbst, jedoch ohne es zu bemerken, das Nothwendige als Basis, als Vorausgehendes des Freyen erkennen. Da ferner das Intelligente nur die Form und die Anordnung der Dinge erklärt, die Materie aber eigentlich schon vom vorigen Moment her daseyn müßte: so bedarf es, um ihn als Weltschöpfer darzustellen, des Rekurses auf den Begriff eines schlechthin nothwendigen Wesens, mit dem sich der Begriff einer Mehrheit nicht verträgt, und außer welchem daher alles, auch die Materie, da sie nicht zu ihm selber gehören kann, zufällig seyn muß.

Auch diese drey Beweise verhalten sich also wie Glieder einer Kette, wo immer das folgende vom vorhergehenden erzeugt werden sollte; welches aber bey dem mechanischen unlebendigen Verfahren der Metaphysik unmöglich ist. Dennoch offenbart sich ihr ursprünglicher Zusammenhang, und daß sie eigentlich nur verschiedene Momente der Entwicklung Eines und desselben Wesens ausdrücken, dadurch, daß der frühere alles Spätere fodert und der spätere die früheren voraussetzt. Keiner von ihnen ist hinlänglich zu dem vorgesetzten Zweck, die vollständige Idee Gottes in ihrer Realität zu erzeugen; wohl aber wären sie es alle zusammen, wenn sie in lebendige dynamische Verbindung gebracht würden, welches aber nur auf dem von uns betretenen Wege möglich ist.