Es geht mir mit Ihnen recht schlimm, theuerster, verehrtester, unvergesslichster Gönner und Freund, dass ich schon lang in Italien bin, und Sie noch keine Zeile von mir bekommen haben. Wenn Jemand, als ich von dem mir durch liebe Erinnerungen so wehrten München abreiste, mir geweissagt hätte, dass ich so leichtsinnig und treuvergessen mich betragen würde, ich hätt’ ihm wahrlich ohne Weiteres eine Ohrfeige gegeben. Es ist mir wie ein Traum! Aber wie pfeilschnell eilen die Tage vorüber! Die erste Zeit meines Hierseyns ward nur dem Umherlaufen und Angaffen gewidmet; dann musste ich eine lange Reihe von Schwedischen Briefen beantworten, natürlicherweise den Hyperboreischen Freunden etwas von dem ihnen so märchenhaft erscheinenden Hesperien erzählen; dann hab’ ich in Gesellschaft einiger Dänen (es giebt hier deren eilf oder zwölf) mehrere Tage hindurch zu Fuss und zu Esel die wirklich bezaubernden Gegenden um Tivoli, Frascati, Albano, L’Aricia u.s.w. durchgestreift; endlich hab’ ich wieder die vollendete Ausführung eines alten fragmentarischen Jugend-Entwurfs, eines schon angefangnen romantischen Schauspiels (oder vielmehr Märchenspiels) aus der sich immer mehr anhäufenden Menge dichterischer Pläne und Träume hervorgezogen, und arbeite jezt daran so ämsig, dass ich fast die ganze äussere Welt vergesse. Sie, innig geliebter Meister, väterlicher Freund! gehören freilich meiner heiligsten Innenwelt an, und ich darf redlich bekennen, dass mir in diesen Hainen und Ruinen kein einziger Tag entschwunden, wo ich nicht entweder in jedem Augenblick höheren Genusses Sie hiehergewünscht habe um mit zu geniessen; oder, was öfter der Fall gewesen ist als Sie es vielleicht glauben, mich selbst nach der an und für sich sehr prosaischen Hauptstadt Baierns zurückgewünscht, in Ihrem lehrreichen, erheiternden, erhebenden Umgang, den ich hier sehnlich und schmerzlich vermisse. So hab’ ich Ihnen an jedem Posttag schreiben wollen, aber thöricht genug dies liebe Geschäft immer ferner und ferner hinausgeschoben, in der Hoffnung, eine mehr ruhige, gesammelte Stimmung zu bekommen, und Ihnen dann etwas nicht ganz Uninteressantes von der jetzigen Gestaltung des hiesigen Menschen- und Künstler-Lebens mittheilen zu können. Aber ich gebe diese Anmassung auf, und kritzle lieber in der Eile einige unbedeutende Zeilen hin, als so in infinitum zu zaudern und sich mit Gewissensbissen zerquälen. Verzeihen Sie! und nehmen Sie gütigst mit diesen trocknen Betheuerungen der treusten Anhänglichkeit vorlieb. Wenn ich einmal wieder in der ultima Thule, in Upsala sitze, dann werd’ ich Ihnen gewiss recht ordentlich und vernünftig schreiben. An Stoff leidet man eben keinen Mangel. Die gute und brave Louise Seidler hat von Hjort, wie ich glaube, eine Art von präliminarischen Reise-Bericht erhalten. Sie hat Ihnen denn wohl auch erzählt, dass wir muthig mit unserm eignen Wagen bis Roma gefahren, ohne unsre Räuberkunde mit irgend einer persönlichen Erfahrung zu bereichern. Die gute Seidler braucht sich weder vor Räubern, noch Banditen, noch Aqua Tofana zu fürchten. Diese Dinge existieren jezt nur in Erzählungen, geschriebene oder mündliche. Die Ausländer glauben daran, weil das Land dadurch noch romanhafter wird; die Italiener, weil sie Kinder und Poltrone sind. Allerdings hat die lezt verflossene Kriegszeit und chaotische Umwandlung aller öffentlichen Verhältnisse Unordnungen und Schelmereien begünstigt, wie sie auch noch im erbärmlichen Königreich Napoli durch die, allen Begriff übersteigende, Schlechtigkeit der Regierung begünstigt sind. Im nördlichen Italien aber, und in den Kirchenstaate, reist man mit völliger Sicherheit, obwohl man sich auch dort amusirt Räubergeschichten zu erfinden. — Goethe und die beiden Langer haben doch gewiss sehr Unrecht in ihrer Ansicht von dem Leben und Streben der jungen Deutschen Mahlerkunst, oder Schule, wenn man sie so nennen will. Nun, Sie werden bald selbst den einen von den beiden*Cornelius und Overbeck Mahlern kennen lernen, die man hier als die Helden dieser Schule betrachtet; Cornelius wird nach München kommen, dem Ruf des Baierschen Kronprinzen zufolge, und Ihr tiefer Forscherblick wird eben so schnell erkennen, wie viel sich von diesem Mann für die Zukunft der Deutschen Mahlerei erwarten lässt, als er Ihren männlich reinen Gemüth gefallen wird durch seine einfache, edle Persönlichkeit, voll Bescheidenheit, Ruhe und Klarheit. Mich hat er sehr angezogen; er ist, seiner Natur nach, ein durchaus philosophischer Mahler; und ich wünsche ihm recht sehr langes Leben, Gesundheit und freudigen Muth, um an sein schönes Ziel gelangen zu können. Die Langer, die, mit allem ihren guten Willen und dem unverkennbar bedeutendem Talent des jüngern, doch an einem gewissen fatalen akademischen Eclecticismus, leiden, und das nicht ohne einen hohen Grad von Selbstgefälligkeit, geben ihm Schuld, dass er zu denjenigen gehört, die Albrecht Dürer und andre alte Meister sklavisch, knochenmässig und fratzenhaft nachahmen. Das ist aber wenigstens jezt nicht wahr; nur die Poesie der alten Kunst, und der Deutschen ins besondre, will er in’s Leben zurück rufen; und bei einem Mann, dessen Lieblingsbücher die Bibel und der Dante sind, kann man füglich annehmen, dass er Ernst treibt und keinen Spass. — Mit Thorwaldsen bin ich oft zusammen; ein herrlicher Nordmann, voll Mark und Schöpferkraft; dabei naiv, ja fast einfältig, wie ein Kind; und da er ganz fanatisch für Italien und alles Italiänische eingenommen ist, so geht uns der Stoff zum Disputiren nie aus; noch setzte es einen harten Strauss, den wir mit der höchsten Wuth mehrere Stunden lang auskämpften. Er kam zu jung nach Italien, um das Charakteristische der nordischen Natur zu verstehen, obwohl er selbst dessen Gepräge in hohem Maasse an sich trägt, freilich ohne es zu wissen; denn er glaubt, dass nur das Italiänische Clima ihn zu ein bischen Bildnertalent geholfen, dass er aber ein ganzer Heros der Sculptur geworden wäre, wenn Gott ihm das Glück vergönnt hätte, in Italien geboren zu seyn. Diese superstitiöse Italiänerey steht ihm übrigens so liebenswürdig, dass man sie ihm wohl lassen kann, so oft er die natürlichen Anlagen der Nordbewohner nur nicht gar zu ungereimt geringschätzt. — Ein andrer sehr genie- und talentvoller Bildhauer, Byström, ein Schwede, nur wenige Jahre älter als ich, geht mit tüchtigen Schritten einer vollendeten Meisterschaft entgegen; und da er dazu mit Leib und Seele Patriot ist, und die Biederherzigkeit selbst, so können Sie sich leicht denken, dass ich ihn gern und oft sehe. Unser neuer König giebt ihm die Hände vollauf zu thun; jezt hat er die Aufgabe bekommen, die colossalen Statuen der drei grossen Schwedischen Carle (Carls X, Carls XI, Carls XII) zu verfertigen, die nachher auf öffentlichen Plätzen in Stockholm aufgestellt werden. — Die Frau von Herz hat mir erzählt, dass Fräulein Seidler in künftigem schon nach Rom kommt. Je eher, je besser! Als Künstlerin wird sie hier trefflich gedeihen; und was die elysische Herrlichkeit betrifft, die Hesperiden-Gärten u.s.w. die ihre Fantasie hier überall ausgebreitet glaubt, so wird sie sich wohl hoffentlich eben so wenig, wie die Hofräthin Herz, in diesen anmuthigen Vorstellungen getäuscht finden, da die Weiber, wie bekannt, stark im Glauben sind. — Die Frau von Herz lässt Sie schönstens grüssen. Sie ist gut, hübsch, zierlich, freundlich — und wäre unendlich liebenswürdig, wenn nicht, freilich ohne ihre Schuld, der doppelte Fluch auf sie lastete, eine Jüdin und eine Berlinerin zu seyn. — Was machen die Weltalter? Werden Sie mir wohl, als ein neuer Janus und Thürhüter des Himmels, die erste Periode dieser Zeiträume, in blauem Bände eingefasst, entrollen und entziffern, da ich nach München in zurückkomme, um daselbst zu überwintern für’s zweitemal? — In diesen Tagen geh’ ich auf’s Land, um dort am schönen Nemi-See eine Zeitlang zu leben und dichten. (Mein neues Gedicht,** In Schwedischer Sprache; wenn es mir einigermaassen gelingt, werd ich’s vielleicht künftig verdeutschen. wozu ein Schwedisches Kindermärchen den Stoff geliefert, heisst der Blau-Vogel, ein Märchenspiel in zehn Abentheuern. Die erste Abtheilung, fünf Abentheuer enthaltend, bekommt die Überschrift Streit der Liebe, die zweite, ebenfalls von fünf bestehend, wird Sieg der Liebe genannt.) Napoli und die dortigen Umgebungen will ich auch sehen. Im künftigem will ich die Rheingegenden bereisen, und dann über Dresden und Berlin nach Schweden zurückgehn. In Upsala will man mich zum ausserordentlichen Lehrer in der Theoretischen Philosophie ernennen, d.h. zum Magister Docens und Beihülfen des Professors Grubbe. Ich darf dies Anerbieten nicht in den Wind schlagen, und will also eine Zeitlang versuchen, den Philosophen so würdig und verständig darzustellen, als es einem Dichter möglich seyn känn.
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Die wieder, wie oftmals, unerträglich schlimmgewordnen Augen machten mir’s unmöglich, den Brief zu beendigen; was mir ein trauriges Schicksal war, da mein armer, aber inniger Gruss dadurch wieder um acht Tage verspätet wird, auf seiner langen ultramontanischen Reise. Überhaupt scheint die Quelle der Verjüngung — für mich ! — nicht in Italien zu fliessen. Wo? das weiss der liebe Gott; wahrscheinlich nur bei ihm und in der überirdischen Zukunft. Unterdessen müssen Geduld und Poesie, so gut es eben gehn will, ihre Stelle vertreten; wenn auch die leztere lange Perioden hindurch vergeblich ankämpft gegen die Ketten und Stacheln meines physischen Daseyns. Jezt scheint sie wieder den engen, düstern Damm lichtfluthend durchbrechen zu wollen, und ich raffe alle mir noch übrige Kraft zusammen, um ihr den Spielraum so frei und weit als möglich zu ebnen; wohl fühlend, dass die Beschäftigung mit einer geistigen Aufgabe, die interessant und verwickelt genug ist um unser innerstes Leben auf eine längere Zeit ununterbrochen ganz in Anspruch zu nehmen, den Menschen nicht nur geistig, sondern auch sogar körperlich stärkt. Ich bereue schmerzlich die mehreren Jahre, wo ich, meiner Kränklichkeit und dem damit verknüpften dumpfen Unmuthe verzweiflungsvoll resignirend hingegeben, nur hin und wieder in kleinen Lyrischen Herzensergiessungen, zerstreuten Zeitungs-Aufsätzen u. dgl. die Flügel eines bessern Seyns und Wirkens zu regen wagte. Wenn Gott mir eine glückliche Wiederkunft in mein Vaterland vergönnt, und dann ein nicht allzukurzes Erdewallen, so will ich schön klüger meine Zeit zu benutzen wissen. Wie unendlich reichlich an Lebensstoff und Seelenfreude sind ja die einzig wahrhaftHesperischen Gefilde der Dichtkunst, der philosophischen und geschichtlichen Weltanschauungen, der Religion, der Begeisterung für Freiheit und Vaterland! Also nur frisch vorwärts — viel gedacht, gedichtet, geschrieben, gethan! Und wenn mir auch, denn ich fühle ungetäuscht den beschränkten Umfang meiner Kräfte, von zehn unternommenen grossen Aufgaben die neun mislingen, so hab’ ich doch immer persönlich den Gewinnst, dass mein Leben durch würdige Gegenstände und grosse Anstrengungen feste Haltung und aufgefrischte Farben bekommt. Und so will ich Ihnen, wie Kotzebue dem Kaiser Alexander, aber freilich in andrer Manier, aus Schweden von Vierteljahr zu Vierteljahr Bulletins schicken, über meine und meiner dortigen Freunde Unternehmungen; nur werd’ ich Sie nicht, wie Kotzebue es mit seinem Prinzipal machte, seiner lezten Erklärung gegen Luden zufolge, mit 50 Bogen auf einmal plagen. — In einem hiesigen sogenannten Gabinetto Litterario, wo man allerlei Italiänische, Französische und Englische Zeitungen hat, aber nur Zwei Deutsche, die Allgemeine Zeitung (die oftmals lügt und immer fuchsschwänzelt) und den Botschafter aus Tyrol (der eben erst am Anfange des Fualdèsschen Prozesses steht), haben wir vor nicht langer Zeit gelesen, dass Sie nach Bonn als Lehrer an der dort zu errichtenden Universität gehn werden.** Dasselbe ist auch von Herrn A.W. von Schlegel erzählt worden. Aufrichtig zu reden, mit eignen Augen hab’ ich diese Nachricht in der Allg˖[emeinen] Zeitung nicht gesehen, aber mehrere Bekannte haben mir davon erzählt; nun, die Wahrhaftigkeit jener Zeitung kennen wir zur Genüge aus sonstigen Beispielen. Indessen kann ich nicht läugnen, dass, wenn Ihre eigne Ansicht für diese Veränderung Ihrer Lage bestimmt wäre, und wenn nicht, wie’s wohl möglich ist, triftige Gründe sich dagegen erheben können, so würde es mich unendlich freuen, theils weil ich Sie Selbst mit Sohnesgefühl lieb habe, theils weil ich für die königliche Wissenschaft der Philosophie daraus die goldensten Früchte entkeimen sehe, Sie wieder in unmittelbarer Berührung mit der Jugend und in dem akademischen Rednerstuhle zu wissen. Wie stark auch Ihr antik fester Charakter seyn mag, Ihr reicher Geist und der unermüdliche Aufschwung Ihres erhabnen Wollens, ich fürchte doch, dass eine solche Einsamkeit, wie die in welcher Sie in München leben, Ihnen auf die Länge nicht wohl thut — in mehr als Einer Hinsicht. Sie haben ja keinen dort, dem Sie sich voll und warm, als ganzer Schelling, mittheilen können — und Ihr schönes, helltiefes Gemüth nimmt unbewusst eine dunklere Farbenschattirung an, die jeden liebevollen Zuschauer rührend an die muthige Freudigkeit erinnert, deren leuchtendes Gepräge der schönste Waffenschmuck Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn war. Ausgestattet, wie Sie, von der Natur mit jeder Gabe des Denkens und des Ausdrucks, der dialektischen Entwicklung und der rednerischen Ausbildung — gemacht, um durch Brust und Stimme die Flamme des heiligsten Enthusiasmus in jedem edleren Jüngling des Zeitalters anzufachen — wie würden Sie sich an einer grossen, öffentlichen Hochschule, im lebendigen Getümmel lebensfrischer und kindlich unverdorbner Zuhörer, verjüngt empfinden, durch schneller ausgebreitetes Wirken und unzweideutig von allen Seiten entgegenblühende Liebe! — Nehmen Sie mir’s nicht übel, mein theurer Meister! wenn ich, durch Ihre Güte verwöhnt, in der heissen Aufwallung meiner Wünsche für Ihr Wohl vielleicht in einem Ton mich ausdrücke, der mir, dem Knaben, Ihnen gegenüber nicht ziemt; aber Gott, der die Herzen prüft, weiss wie redlich ich’s meyne. — Die Natur ist wirklich hier im Lande in antikem Style göttlich schön; und die Trümmer von zwey untergegangnen grossen historischen Vorwelten, dem Römerthum und der Hierarchie, geben ihr einen elegisch-heroisch grossartigen Charakter, den man in dieser Art nirgendwo anders findet. Die Menschenrace ist ziemlich unbedeutend; eine gutmüthige Naivetät macht indessen das niedere Yolk liebenswürdig; wie bunte Schmetterlinge und Vögelein gaukelt und flattert es, leichtsinnig, bewusstlos, durch sein kindisches Daseyn. So wie man hier mit allem spielt, so spielt man ganz besonders mit der Religion; das ist hier der eigentliche Hauptspass; auch nehmen die prächtigen Processionen, die rauschenden Feste dieses travestirten Heidenthums kein Ende. Übrigens muss ich bekennen, dass der Catholizism mir in der Ferne weit lockender erschien, und dass ich viel leichter begreife, wie man hoch oben im protestantischen Norden zum Pabstthum apostasiren kann, als hier mitten in Rom selbst, wo die Sache, trotz allen Prunks und Flitters, doch jedem gesunden Beobachter in ihrer ganzen jetzigen mürben Kernlosigkeit nothwendig erscheinen muss. Ehrwürdig durch Milde und Standhaftigkeit, wie durch ungeheuchelte Heiligkeit der Gesinnung und des Lebens, ist der alte Pius VII (von dem auch das ihm innig ergebne Volk glaubt und erzählt, dass er schon viele Mirakel gethan) gewiss der einzige Gegenstand, in seiner Kirche, der dem Zuschauer einen wahrhaft imponirenden Anblick darbietet, einen wiederaufstrahlenden Nachschimmer der alten Heilgen- und Märtyrerzeit. Auch der kluge und rüstige Cardinal Consalvi , sein Freund und Gehülfe, wegen der Grossartigkeit seiner Pläne und seinen Herrschertalenten von dem übrigen hohen Clerus wie der Tod verhasst, erinnert würdig an die weisen und kräftigen priesterlichen Regenten des Mittelalters, die Julien, die Sixte u.s.w. aber die andern Cardinäle werden ihn gewiss nie zum Oberhaupt erkiesen, und obwohl dieser Mann mehr als irgend ein Mitbewerber verdient, die päbstliche Tiare zu tragen, so ist es vielleicht für Europa ein Glück, dass er sie nicht bekommt. Die übrige hiesige Geistlichkeit, hohe und niedere, ist wohl im Ganzen genommen, nicht dazu geeignet, den Catholizismus siegend zu machen; man kann ihn nicht roher, mechanischer und prosaischer nehmen, als er hier überhaupt genommen und behandelt wird. — Ich werde wohl also nicht das Beispiel des Fräuleins von Klein folgen, von der man sagt, dass sie schon Catholikin geworden ist oder nächstens werden wird. Da sie jedoch in jeder Hinsicht ein kleines närrisches Ding ist, so wird ihr Gott wohl diesen Schritt nicht besonders übel nehmen. Die Frau Legazionsräthin Dorothee von Schlegel wird in diesen Tagen nach Rom erwartet. Vielleicht will sie hier alle noch restirende Protestanten bekehren. Die gute Frau von Herz, die übrigens ihre varme Freundin und Lobrednerin ist, verspricht feierlich sich gegen ihre Anfechtungen tapfer zu erhalten, und correspondirt ämsig mit dem erz-Antikatholischen Schleiermacher, der ihr wahrscheinlich stärkende Seelenarzneyen zuschickt. Es soll hier in Rom eine ganze Colonie von Deutschen Frauen errichtet werden, und alle diese Damen wollen zusammen wohnen in einem Hause. Die Minerva dieses wunderlichen Olymps wird wohl die Frau von Schlegel vorstellen; den Platz der Juno wird wohl keine der Frau von Herz streitig machen wollen. Schade, dass die alte Cybele, die Frau von Humboldt bald nach England abgeht. Fräulein Seidler muss sich sputen, damit sie ja ihre Aufnahme in diesem allerliebsten Freistaate nicht verfehle. Es sind schon zwey junge Fräuleins dort, und Auguste von Klein die Dritte, die sich mit Mahlerey beschäftigen. — Wenn Sie den Herrn Franz von Baader treffen, so seyn Sie so gütig und grüssen ihn von mir herzlich. Seine freundlichen Unterhaltungen wirkten auf mich mit vielartiger Blitz-ähnlicher Erregung, und oftmals stand er wie ein wiederaufgelebter wunderthätiger Magus vor meiner Phantasie. Ich möchte ihn gern hier haben, mit seinem Feuer, seinem Witz und seiner immer gleichen Fröhlichkeit. Ich wollte ihm gern schreiben, wenn ich nur irgend eine Materie auftreiben könnte, die für ihn Interesse hätte; aber leider seh’ ich dazu in Italien wenig Hoffnung, weil Alles was mich hier umgiebt, verflucht unphilosophisch und unmagnetisch ist. Jezt ist wohl Herrn Baaders Schrift Über den Begriff der Zeit erschienen; wie ist sie? Wie Sie im Ganzen von diesem allenfalls höchst originellen und merkwürdigen Mann denken, weiss ich, und bin darüber mit Ihnen vollkommen einverstanden. — Noch muss ich Sie um Verzeihung bitten, dass ich Ihnen einen an objektiven Stoff so leeren Brief sende; aber Sie sind nicht wie Baader, den die Personen eigentlich nur interessiren insofern sie geistige Begriffe sind, und Substrate für theosophische, magnetische, psychologische Experimente: Ihre Freundschaft verschmäht nicht, ihre Wurzeln tief im Boden des Persönlichen, Herzlich-Individuellen zu nähren, und darum wag’ ich’s, Ihnen ein paar Bogen voll freundlichen Geschwätzes zu schicken. — Den braven Herrn Wagner hab’ ich so oft nicht sehen können, wie ich es wohl gewünscht hätte; man trifft ihn nur Morgens sehr früh zu Hause, und sonst zwischen 11 und 12 bei den Äginetischen Statuen; aber ich habe fast jeden Vormittag mit allen Sinnen und Händen vollauf zu thun. — Welch eine grässlich mürrische und mit der Schlangenhöflichkeit des Hardenbergs (in der famosen Unterredung mit Görres) sehr contrastirende Antwort hat nicht der König von Preussen seinen Rheinischen Unterthanen gegeben! — Aus meinem Vaterlande habe ich lauter gute Nachrichten bekommen. Unser neuer König soll sich mit Freundlichkeit, Würde und Haltung betragen. Der Luxus bei’m Hofe ist sehr eingeschränkt worden. Die Stände des Reichs gewöhnen sich immer mehr an ächt republikanisches Thun und Treiben. Die Norweger nehmen allmählich Vernunft an, und werden immer mehr Schwedisch gestimmt. Wenn wir nur Gelegenheit bekämen, den verdammten Russen ein bischen den Wolfspelz zu zausen! Der Kaiser Alexander hat wohl einem Schaafsfell darüber gezogen, indessen gucken noch immer die Wolfstatzen hindurch. Finland wurmt uns ewig im Kopfe, und unser König denkt wohl auch bisweilen mit Sehnsucht an diesem gelobten Lande, das auch, so wie Palästina, die Erobrung eines Kreuzzugs war. Um unterdessen alles zu thun was ich kann, will ich ein kleines Heldengedicht schreiben, oder eine Kette von Romanzen, Erich der Heilige** Welcher König auch, wie Oluf der Heilige in Norwegen, während der Catholischen Zeit der Schutzheilige des Reichs war. Sein Banner ward immer in entscheidenden Schlachten dem Heer vorangetragen, und man glaubte, dass der Sieg an diesem Banner geknüpft war. In einer grossen Schlacht, die Sten Sture der Ältere gegen die Dänen gewann, wehte noch die uralte geheiligte Fahne, und der Schlachtgesang, mit dem die Schweden sich in den Kampf stürzten, war ein Lied von dem Streit des heil˖[igen] Ritters Georg gegen den Drachen. Dieses alte Lied hab’ ich vor drei Jahren aufgefunden und bekannt gemacht. — Jene Zeit war doch schön! — oder die Eroberung Finlands genannt, um die unauslöschliche Pflicht der einstmaligen Wiedereroberung recht flammend vor meinen Landsleuten hinzustellen, und dabei die auflaurenden Russen recht gründlich zu ärgern; denn der Russische Minister in Stockholm, Suchteln, versteht und liest Schwedisch; aber wie will er’s anfangen, einem Dichter Prozess zu machen, der, zum Scheine ganz unschuldig, nur vergangne Zeiten besingt? — Mein Freund Geyer, von dem ich Ihnen so oft erzählt habe, und der in meiner Liebe nebst Ihnen und Steffens steht, hält in Upsala Vorlesungen über die Geschichte des Mittelalters. Er hat eine schöne Rede zur Feier der Reformation gehalten, und eine Abhandlung über das Verhältniss der Nordischen Mythologie zur bildenden Kunst drucken lassen, von der man mir schreibt, dass sie sehr gehaltreich seyn soll. Grubbe’s Vorlesungen über die Religionsphilosophie und Philosophie des Schönen werden sehr zahlreich besucht. Er besitzt nicht die Genialität, das Dichtertalent und die persönliche Energie Geyers, aber er ist sehr liebenswürdig, sehr gelehrt, sehr gebildet; platonisch in Sitten und Ansichten, enthusiastisch für Ihre Lehre gestimmt und von der Jugend hoch geschätzt. Von den Alt-Schwedischen Helden- und Liebesliedern sind der 3 und 4 Theil erschienen. Geyer, der selbst ein gemüthvoller musikalischer Componist ist, hat in Gesellschaft mit dem Kapellmeister Häffner in Upsala eine Abhandlung über die Art und Weise der Alt-Nordischen Musik geschrieben. Eine neue Zeitschrift, philosophische, geschichtliche, philologische, physisch-wissenschaftliche, künstlerische Gegenstände umfassend, ist jezt in Upsala unter dem Namen Svea (eine alte Benennung Schwedens) angefangen; sie wird von Geyer, Grubbe u.a. redigirt; man erwartet auch von mir Beiträge; ich werde aber schwerlich vor meiner Rückkunft etwas zu diesem Zweck leisten können. Ihre Weltalter erwartet man in Upsala mit heisser Ungeduld. Was mich selbst betrifft, schreibt man mir dass das Schwedische Publicum im Allgemeinen sich sehr für mich zu interessiren scheint, und dass es mir nicht fehlen kann, wenn ich nach meiner Heimkehr mich mit Ruhe, Mässigung, Besonnenheit und conzentrirter Kraft betrage, tiefergreifende Wirkungen hervorzubringen, da nun auch der Nimbus einer Romreise, was in Schweden zu den ungewöhnlichen Dingen gehört, meine Person mit einem gesteigerten romanhaften Schimmer umgiebt. — Das erste Folio-Band von den Scriptores Rerum Suecicarum Medii Aevi, welche Sammlung jezt, nachdem der alte Haupt-Redacteur Fant gestorben, hauptsächlich von Geyer und einem jungen gelehrten Amanuensen bei der Bibliothek, Schröder, besorgt wird, erscheint im künftigen Monat. Das Studium der alten Gothensprache, oder des Isländischen, breitet sich immer mehr aus. Die Schwedische Literatur-Zeitung, von jenem Schröder und dem Buchdrucker der Universität Palmblad , einem innigen Freund von mir, redigirt, steuert ihre Bahn fort durch alle die Ungewitter, die von den königlich Stockholmischen Akademikern und ihrem Anhang ihr entgegen erregt werden. (Wäre nicht die Pressfreiheit bei uns constitutionell und Fundamental-Gesetz, worüber die Stände ein wachsames Auge halten, so würde es uns schon seit geraumer Zeit übel ergangen haben.) Der Naturforscher Wahlenberg, auch in Deutschland schon bekannt, lässt im ersten Heft der Svea eine gäologische Abhandlung drucken, über die Bildung der Skandinavischen Erde. U.s.w. Zu diesem kurzen Bericht von den neuesten bedeutenden Erscheinungen in der Schwedischen Literatur will ich noch, der Plaisanterie wegen, einen Artikel anführen, der vor kurzer Zeit in Gazette de Lausanne gestanden. »Le genre romantique (!) a trouvé des partisans parmi les litterateurs Suédois. Plusieurs Académiciens, qui paraissaient dormir sur leurs lauriers« (ja wohl!) »se sont réveillés tout-à-coup(?), et entrent en lice avec les jeunes poetes, dont le zèle(!) pour la nouvelle doctrine exalte le courage. Un des grandes foyers de l’innovation est à Upsal, ville celebre (!) par son Université, qui a toujours joué un röle important dans les sciences et les lettres. Un journal, destinê à propager le goût de la nouvelle école« (wahrscheinlich die Schwedische Literatur-Zeitung), »parait reguliérement dans cette ville«. — So! Hier haben Sie meinen ersten Bulletin; die künftigen sollen aber wenn Gott will, besser werden. Ich könnte noch hinzufügen, dass eine junge Dichterin, die ich gewissermaassen meine Zöglingin nennen kann, sich unter dem Nahmen Euphrosyne fortdauernd auszeichnet; aber Sie setzen auf die Dichterinnen überhaupt wenig Werth. — Nun grüssen Sie auf’s schönste von mir Ihre liebenswürdige Gattin! Das rothe Büchelchen, die liebe Neujahrsgabe aus ihren holden Händen, hab’ ich schon bis auf wenigen Blättern vollgeschrieben. Gottes reichster Segen über Sie beyde, theures, meinem Geist und meinem Herzen gleich unvergessliches Paar! Wie gehts den lieben Kleinen? Trägt der goldlockige Arminius noch seinen Helm und Sabel? — Dem biedern Professor Thiersch, seiner guten lebensfrohen Frau, der treuherzigen gemüthvollen Louise Seidler, dem Herrn von Oberkamp, allen Freunden und Freundinnen, die sich meiner noch erinnern, meine innigsten Grüsse! Hjorth lässt sich Ihnen empfehlen mit gleicher Dankbarkeit, Liebe und Ehrfurcht. Er ist thätig und gesund, wird aber immer dicker. — Ach, wenn ich doch diesen mit Ihnen und Steffens zubringen könnte! —
Leben Sie wohl, mein tief verehrter Lehrer, mein heilig geliebter Freund! Seyn Sie versichert, dass kein Herz auf der ganzen Erde glühender für Sie und Ihre Sache schlägt, als das Ihres ewig ergebnen
Atterbom.
Es ist eine hohe Wonne, jezt in dem Lande selbst und an den vielbesungnen Stellen die alten Schriftsteller Roms wieder zu lesen! Sogar der Horaz, der mir sonst immer verhasst war, bekommt, nachdem ich ihm nun die localfarben aus eigner lebendigen Anschauung geben kann, ein viel freundlicheres, anziehenderes Aussehen.