Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling

aus Erlangen

gegenw˖[ärtig]

in

Karlsbad.

im goldnen Fasan auf der alten Wiese.

frey Gr[än]ze.

No. 15.

No. 29.

Ich freue mich, aus Deinen 2 letzten Briefe zu sehen, daß Du doch wieder etwas mehr Muth gefaßt hast. Nach Deiner Beschreibung nimmt die Wirkung des Wassers bey Dir den Weg, den sie, wie ich aus mannichfachen Erzählungen weiß, in Fällen dieser Art immer zu nehmen pflegt. Nur stellenweise können Verhärtungen aufgelöst werden, es müssen zuletzt nur einzelne harte Stellen, wie Inseln, übrig bleiben, ein andres Mittel, als durch solche Isolirung endlich das Ganze aufzulösen, scheint das Wasser nicht zu kennen. Bringst Du es für dießmal nur so weit, daß der erweichten Stellen mehrere und größere werden, so kannst Du zufrieden seyn. Denn es läßt sich doch nicht denken, daß Du mit Einem Male abkommest. Sey nur wegen Deines langen Außenbleibens ohne Sorge, setze Dir auf keine Weise ein Ziel, auch nicht daß Du denkst: »nun muß ich noch 4-5-6 Wochen da bleiben«. Denke Dir jederzeit die Verlängerung nur auf eine Woche; so lang’ aber Mitterbacher von dem fortgesetzten Gebrauch Hoffnung hat und keinen Nachtheil befürchtet lasse Dich durch keine andre Rücksicht bewegen, den Aufenthalt abzukürzen. Sehr viel finde ich, daß Du bereits wieder auf der einen Seite schlafen kannst und ich sehe darinn beynahe das allerentscheidendste Zeichen guter Wirkung. Unsertwegen sey ruhig! Es geht uns ganz gut; Gott hat unsre Kinder so gnädig bis jetzt, zumal in diesem , wo manches Unglück hier sich ereignete, behütet, sie befinden sich so wohl und ich darf sagen auch in solcher Zucht und Ordnung daß Du ganz ruhig seyn kannst. Paul hat Hoffnung, das nächste Mal wieder um Einiges hinaufzukommen, sein neuer Lehrer (ein gewisser Herr Löffler) ist zufrieden mit ihm. Ich habe nun auch die Methode des wechselseitigen Unterrichts eingeführt, und Paul macht mit allem möglichen Anstand und vieler Lehrgabe den Professor seines Bruders im Lateinischen, wodurch ich es dahin gebracht habe, daß Friz endlich auch anfängt, ordentlich auswendig zu lernen. Paul gibt ihm täglich auf, und läßt ihn auch kleine lateinische Exempel mündlich und schriftlich übersetzen; Friz gehorcht vollkommen, und hütet sich sehr eine schlechte Note zu bekommen. Dem Paul habe ich für seine Bemühung ein wöchentliches Salarium verprochen, welches er denn zum Theil wieder anwendet, seinen Lehrling zu spornen. Es ist eine wahre Lust, den beyderseitigen Eifer zu sehn. Friz hat eine ungemeine Lerngabe und es ist ewig Schade, daß er nicht in einer bessern öffentlichen Schule sich befindet. Nur bitte ich Dich, wenn Du an Friz oder Paul selbst schreibst, diesem das Naschen recht eindringlich zu verweisen. Es ist ein Laster, von dem er nicht lassen will.

Der gute Goluchowski hat den Tag, nachdem er von München und Stuttg˖[art] zurückgekommen, die Trauerpost erhalten, daß sein älterer Bruder, Obristleutnant in der Polnischen Armee, bey’m Baden verunglückt und ertrunken ist. M[ada]me˖ Hufeland, die gegen Fleischmanns Rath das sogen˖[annte] Wildbad bey Mörndsheim besuchte, hat dort einen Schlagähnlichen Anfall bekommen, der ihr die eine Seite lähmte – es bessert sich zwar etwas, aber Döderleins waren doch genöthigt, sie zu sich zu nehmen, den Felix hat Liederskron übernommen. Niethammers befinden sich in Gastein; ihr hat das Bad, wie vorauszuseh’n nicht gut gethan, und Nieth˖[ammer] mußte seine Reise über die Tauern nach Kärnthen deßhalb aufgeben. – Von dort her haben wir den Herrn Minister von Zentner zu erwarten, der von seinen Gütern in der Oberpfalz aus die hiesige Univ˖[ersität] mit seinem Besuch beehren wird. – Eine unsrer D[emoise]lles˖ Heinlein , wahrscheinlich die älteste ist Braut mit dem Herrn Advocat von Leistner (Schwager von Kayser). Wenn dieser nur nicht etwa gar in’s Haus zieht, und wir ausgeboten werden! Schreibe mir doch, wann und genau welchen Tag wir Heinlein’s den Hauszinns schuldig sind, damit ich mich vorsehen kann! Du mußt sehr knapp und ökonomisch leben, daß Du mit 2 Kindern und 1 Amme noch immer nicht um Geld schreibst. Laß’ es nur nicht zu lang’ ansteh’n, weil ich denn doch einen Wechsel nach Carlsbad wahrscheinlich nur in Nürnberg erhalten kann.

Deiner guten Mutter bin auch ich großen Dank schuldig, daß sie Julchen bey Dir gelassen hat, gleichwie wir es dieser nicht genug danken können, daß sie sich dazu bereitwillig finden lassen. Hoffentlich wird es Dir nun auch vergönnt seyn, Julchen mit hieher zu nehmen. Grüße sie auf’s Schönste von mir.

Lebe recht wohl und schreibe mir ja recht fleißig und regelmäßig! Mit herzlicher Liebe und den besten Wünschen für Dich
Dein

Sch.