Frau
Directorin von Schelling
aus Erlangen
in
zu den 2 Störchen auf der Wiese.
fr˖[ey] Gr[än]ze.
No. 6
No. 12.
.
Wenn Du vom keinen Brief erhalten, so hast Du dieß wahrscheinlich nur Deinem Erstgebohrnen zu danken, dem ich an diesem Tage erlaubte, den Brief nach der Post zu tragen. Ich schreibe, so oft als nur möglich, indeß erlaube mir nur, da ich sehr beschäftigt bin, mich mit der Annahme zu beruhigen, daß Du, wenn einmal Briefe ausbleiben und in 8 Tagen nur einer ankommt Du Dich weder ängsten noch grämen werdest. – Daß in Deinem Zustand sich gar keine Veränderung noch zeigt, begreife ich einestheils, wiewohl ich es sehr bedaure. Du schreibst, das Wasser wirke weder in gutem noch bösem Sinne. Stärkt es Dich nicht wenigstens oder heitert Dich auf, wie der Creuzbrunnen, der doch offen[bar] Deinen Zustand bedeutend erleichterte?
Neuen Nachrichten (von Beate) zufolge benimmt sich die Schwägerin höchst widerwärtig. Sie gibt schlechterdings nicht zu, was doch nicht zu läugnen ist, ärgert sich über die Maßen, wenn jemand ihren Zustand bemerkt und scheint in gleichem Grad mit der Sache unzufrieden, als Carl wahrscheinlich vergnügt ist. Selbst Mutter und Schwestern dürfen kein Wort davon reden, und beschwören, alle Bekannte, die Sache nicht zu berühren. Um den Leuten allen Glauben zu nehmen, schnürt sie sich troz Carls Vorstellungen auf’s Engste zusammen, läuft die Treppen hinauf und hinab, bückt sich mit größter Behendigkeit wenn etwas zur Erde fällt es aufzuheben, und scheint bey dem allen ihre Zärtlichkeit gegen Clärchen zu verdoppeln. Der arme Carl dauert mich, daß ihm die lang gewünschte Freude so verbittert wird. Beate beschwört mich, nicht merken zu lassen, daß ich von ihr die gute Hoffnung erfahren habe, eine Gratulation (die ich mir aber gegen Carl doch nicht werde nehmen lassen) bringe die Schwägerin in Wuth etc. Mögen auch einzelne Züge übertrieben seyn: vieles stimmt doch mit ihrem bisarren Wesen überein, das ich mir in dem neuen Verhältniß noch nicht recht vorstellen kann. – Nicht viel besser ergeht es Bruder August; die Frau ist höchst unzufrieden in Neustadt und peinigt ihn nun mit Vorwürfen, daß er nicht ihr zu lieb in Ludwigsburg geblieben. – Die Kinder und ich befinden uns immer gleich wohl, nur scheint mir Friz beständig an Würmern zu leiden, da sich beständig Blut in seiner Nase zeigt. Was meynt denn Dr. Buddeus zu Deinem Zustand? Und Dr. Pöschmann, der Dich doch gewiß auch besucht? Unser guter Fleischmann kann seit 14 Tagen nur zur Noth und in dringenden Fällen aus dem Hause gehen. Schreibe mir ja wöchentlich zweymal, sollte es jedesmal auch nur eine Zeile seyn.
Empfiehl mich Mutter und Schwestern, grüße die gute Lina und küsse unser Engelchen für mich und leb’ recht wohl.