Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herr Direktor!

Der war für mich ein wahres Fest; denn an diesem Tage erhielt ich Ihr werthes Schreiben vom und darinn die erfreuliche Nachricht, daß das unvergleichliche Karlsbad Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlinn die schwere Bürde doch wirklich abgenommen hat. Gott sey es gedankt, daß diese vortreffliche Frau Ihnen wieder geschenkt ist! Sie können nicht glauben, wie mich diese frohe Bothschaft ergriffen hat. Der Strom meiner Freude darüber war so groß, daß er mein ganzes Gemüth verschüttete. Ich konnte die Nacht gar nicht einschlafen und den Tag darauf mußte ich dadurch meinem Drange Luft machen, daß ich zu allen, zu denen nur Ihr Nahme gedrungen ist, lief, und ihnen die Sache mittheilte. Was näher um mich war, besonders meine Schwägerinn und der Staatsrath Szaniawski, wurde ganz von meiner rasenden Freude mitfortgerissen. Wie sehr sehne ich mich nun, zu Ihnen zu kommen, um ein Gelübde, das ich auf den Fall gethan zu erfüllen! – Ich hoffe doch, daß sie nicht so früh nach Karlsbad gehen und nicht so bald es verlassen werden, daß man sich allenfalls mit der Hoffnung schmeicheln könne, Sie dort, wenn man hinzukommen Möglichkeit finden würde, wo nicht im doch wenigstens in den letzten Tagen ’s anzutreffen. Ich kann freylich, rücksichtlich meiner, dem Karlsbade kein so ausgezeichnetes Zeugniß geben, denn es hatte nur geringe Uibel zu heben und hat doch darinn nicht Alles gethan. Ich muß aber auch gestehen, daß nicht wenig auf die Rechnung des Gram’s gesetzt werden muß, den ich gleich darauf durch den Tod meines Bruder’s zu verdauen bekam, das stehende Heer vieler andern Unannehmlichkeiten des Lebens abgerechnet. Wer weiß also, ob ich mich nicht wieder mit dem Karlsbade versöhnen werde ohne mich auf ein Schwefelbad einzulassen. Das wäre dann ein wahres Glück, wenn ich Sie dort auch antreffen sollte.

Die officielle Anzeige von meiner Ernennung z˖[um] Prof˖[essor] der Phil˖[osophie] in W˖[ilna] habe ich so eben erhalten und diesen Ruf angenommen. Wenn ich dazu auch gar keinen andern Beweggrund hätte, so würde ich es schon allein dem Fürsten Czarto˖[ryski] schuldig seyn, diesem Rufe zu folgen, da er sich auf eine so seltene Weise für mich verwendet hat. Ich weiß wohl daß auf dem nordischen Eismeere große und häufige Gefahren sind; aber ich hoffe sie umschiffen zu können. Uibrigens hat jede Unannehmlichkeit, jede Gefahr, wenn ich mich nur mit der Philosophie beschäftigen kann, für mich so etwas Anziehendes und Aufweckendes, daß auch dieses Alles bey mir ad majorem philosophiae gloriam ausschlagen wird. Dann wird es mir ja leichter seyn, von dort aus mich in Deutschland irgendwo anzusiedeln, als wenn ich ganz als homo novus unter den deutschen Professoren erschiene. Was aber Warsch[au] betrifft, so hat man hier alles Schlechte von W[iln]a; aber nicht das Gute.

Meine Abreise von hier habe ich vorläufig auf den festgesetzt. Ich bitte Sie aber um Alles in der Welt, lassen Sie sich ja nicht dadurch von Ihrem mir so willkommenen Vorhaben, mir die mythologischen Vorles˖[ungen] nach Warschau zu übersenden, abhalten. Belieben Sie sie vielmehr unter meiner gewöhnlichen Adresse nach Warschau auf der neuen Welt No. 1283 mit dem ausdrücklichen Zusatz: einzuhaendigen dem Staatsrathe Szaniawski selbst, zu befördern. Ich muß Sie um so mehr darum bitten, je weniger ich hoffen kann, dieses im höchsten Grade mich interessirende Buch in Wilna auf dem Wege des Buchhandels zu erhalten; zwischen Warschau aber ist die Kommunikation leicht. Uibrigens werde ich ja in paar Monathen in Warschau selbst seyn.

Was Sie mir von dem Eindrucke Ihrer letzten Vorlesungen auf das Erlanger Publikum zu schreiben so gütig waren hat mich theils gefreut, theils befremdet. Muß denn das Volk doch immer etwas zu bekriteln haben! Diese seine Sucht ist mir in Erlangen vollends zum Eckel geworden. Gott sey es gedankt, daß es Ihnen gelungen ist, dieses Volk, wovon ein großer Theil in den Bierschenken modert oder im Tabaksrauche sich zu Schinken räuchert, doch einmahl aufzurütteln. Den Theologen wird diese Erschütterung ganz wohl bekommen. Wollte Gott, daß Sie nur mit Ihrem Hauptwerke bald zu Ende wären.

Meine Schrift soll, wie ich höre, nicht in ganz Oesterreich sondern nur in Galizien verbothen seyn. Mehr noch, als der allgemeine Beyfall, von dem Sie mir schreiben, macht mir Freude die Ehre, die mir an Ihrem zu Theil geworden ist. Ich kann Ihrer Frau Gemahlinn nicht genug meine Dankbarkeit dafür bezeugen. Diese Ihre Güte hat mich tief gerührt. Daß ich bey dem lieben Mäuschen noch immer so gut angeschrieben stehe, darauf bin ich nicht wenig stolz. Eben so danke ich der guten Lina und den muntern Knaben, daß sie sich meiner erinnern; ich habe sie auch in meiner Einbildungskraft oft um mich, und treibe mit ihnen mein Unwesen, als wenn sie leibhaftig da wären. Bey der Gelegenheit aber kann ich nicht umhin mich zu erkundigen, ob denn auch die sanfte Lina von ihren Brüdern, vorzüglich vom Fritz dem Verschmitzten nicht etwa noch immer verfolgt wird.

Dem Prof. Pfaff wünsche ich zu dem neuen Sprößling Glück von Herzen. Ich grüße ihn und seine ganze Familie, ebenso die Schubert’sche. Diese Freunde werden mir immer theuer bleiben und zwar aus mehrerern Gründen. Sie oscilliren wohl noch immer zwischen dem Welsgarten und der Windmühle. Dem Hofrath Bucher dem Vortrefflichen, dem H[o]f[ra]th Kastner, dem Prof. Böttiger bitte ich meine Empfehlung auszurichten, eben so dem braven Fleischmann. Ihrer Frau Gemahlinn und Schwägerinn danke ich recht sehr für die herzlichen Grüße und entgegne sie mit dem wärmsten Gefühle. Empfehlen Sie mich doch auch gelegentlich der Frau von Köhler und ihren Aeltern.

Meinen 2ten Brief (dieser ist der 3te) wo ich nicht irre vom werden Sie hoffentlich noch über Berlin erhalten haben. Leider habe ich seit der Zeit meinen Mittelsmann da selbst, nähmlich in Berlin, verloren, und werde wohl diesen Brief auf direktem Wege nach Erlangen von hier abfertigen müssen, und dadurch wieder, nebst andern Ungelegenheiten, wahrscheinlich viel später eintreffen.

Empfangen Sie die Versicherung der unbegränztesten Hochachtung und erinnern Sie sich auch ferner an
Ihren
Freund und Verehrer

J. Goluchowski

Der Staatsrath Szan[iawski], der leider unpäßlich ist, empfiehlt sich Ihnen. Bey meiner Schwägerinn, wo wir so oft von Ihnen sprechen, werden Sie immer geherzt. – Von nun an werde ich Ihnen nicht so bald wieder schreiben können.