An
Frau Directorin von Schelling.
aus Erlangen
in
Carlsbad.
im weißen Hirsch.
fr˖[ey] Gr[än]ze.
No. 13.
No. 22.
Montag .
Wenn Du meinen -Brief nicht am erhalten, so ist es nicht meine Schuld. Die Briefe gehen nach C˖[arlsbad] so in die Creuz und die Queere, daß leicht einer um einen Tag zu lang unterwegs bleibt. Vielleicht auch war jemand neugierig, zu erfahren, was ich am in Nürnberg gemacht habe. Meinetwegen! Es ist nur unangenehm wenn die Briefe dadurch aufgehalten werden. Hoffentlich hast Du ihn doch am erhalten. Wie es mich gefreut hat, in Deinem letzten Briefe die bestimmte Versichrung zu finden, daß Dein Übel merklich abnehme, kann ich Dir nicht aussprechen. Die Absondrung im Urin hatte wohl niemals aufgehört, daß sie geringer ist, erscheint als natürlich, da da Übel um so vieles vermindert ist. – Ich bedaure, daß Du einen so angenehmen Umgang sobald wieder verloren. Den Herrn von E˖[gloffstein] laß doch mit ankommen; eine solche Ansprache ist immer gut und möglich. Was Du von der Familie von Buch schreibst, hat mich nicht wenig belustigt. Wahrscheinlich sind es die Eltern oder doch Verwandten des Geografen Herrn von B˖[uch], eines höchst pretiösen Mannes und besondern Feindes der Naturphilosophie. Er selbst ist wohl nicht dabey, denn er ist eine zu auffallende Caricatur als daß Du ihn nicht eigens beschrieben hättest. Du kannst überzeugt seyn, daß bey diesen Leuten kein Wort von Dir auf die Erde fällt. Daß die Mlle. Fanny sich auch eingefunden it mir nicht angenehm. Ich rathe, sie Dir ja nicht auf den Hals zu ziehen: da Du übrigens in so standesmäßiger Gesellschaft lebst, mußt Du Dich mit solchen subalternen Personen, die vielleicht geneigt seyn möchten Dich als ihres gleichen anzusehn, nicht zuviel einlassen. Du scheinst wirklich eine besondre Attractivkraft für den hohen Adel zu besitzen, da Du fast mit niemand andern umgehst. Es mag aber leicht noch der intressanteste Umgang seyn. Der General von dem Du schreibst war der erste, der in dem unglücklichen Krieg von den preußischen Waffen wieder Achtung erwarb und ist gewiß ein sehr achtungswerther Mann. Vor einigen Tagen kam Bucher morgens um 10 Uhr ganz außer sich vor Freude mit einem Brief seines Wilhelm zu mir, worinn dieser meldet, daß er am Maytag, wo die gesammte lateinische Schuljugend öffentlich tractirt wird, wegen der Fortschritte im Lateinischen einen Platz an der Ehrentafel und wegen seiner Fortschritte in Real-Kenntnissen noch überdieß in der Kirche vor der versammelten Gemeinde ein Praemium erhalten habe. Die guten Pfaffs müssen beständig Verluste erleiden: kürzlich brach ein Schlossergesell, der im Hause zu thun hatte, mit Dieterichem in ihren Keller, trank ich weiß nicht wie viele Krüge Wein aus – andre hatte er wenigstens abgetrunken – einen Theil nahm er noch mit nach Hause, wo er sich aber sogleich durch seine viehische Betrunkenheit verrieth, und dem Meister weiß machte, den Wein von der Magd erhalten zu haben. Dieser ließ es Pfaffs gleich sagen, als sie aber hörte, daß die Sache criminell sey, hätte sie gern die Anzeige wieder zurückgenommen. – Ich wünsche recht sehr, daß Deine und Julchens (gewiß unnöthige und übertriebne) Besorgnisse wegen der Mutter inzwischen aufgehoben seyn mögen. Hätte ich Dich so ohne Briefe aus Gotha gewußt, so hätte ich Dir schon früher geschrieben, daß der Herzog gefährlich krank sey – gestorben ist er inzwischen nicht, was für das Land insofern gut ist, als die Herrn über die Theilung noch nichts weniger als einig seyn sollen. Doch soll von Lindenau zu wege gebracht haben, daß sie vor friedlicher Vergleichung wenigstens nicht mit Gewalt Besitz ergreifen und bis zu Ausgang der Sache die gegenwärtige Verwaltung fortgeht. Du siehst, ich suche alles auf, politische und Stadtgeschichten, um Dich einen Augenblick länger zu unterhalten. Ich glaube, so lange bey Dir zu seyn und täusche mich über die Trennung, die mir wie Dir dießmal schwerer fällt, daß ich nicht begreife, wie ich es so lang wie im aushalten könnte. Bin ich schwächer geworden, oder ist es, wie ich geneigter bin zu glauben, weil ich noch kein Jahr unsres 11jährigen Ehestandes vergnüglicher oder auch nur so vergnüglich mit Dir zugebracht habe, als das letzte? Jugend ist eine herrliche Sache, die man um so mehr schätzen lernt, je älter man selbst wird. Aber Du thust mir und Dir unrecht, wenn Du schreibst, daß Du mir immer zu alt seyst. Wenigstens gewiß nicht physisch, wenn ich auch gestehe, daß Du, etwas jungendlicher von Humor, ein wenig beweglicher, biegsamer und theilnehmender in manchen Sachen, mein Leben mitunter etwas mehr hättest erheitern können. Aber auch dieß hat sich ja wundersam verändert und das erst mit Erboßung gehörte Wort ausgewechselt, mit dem Du nun selbst Deinen Scherz treibst, ist vorzüglich auch in dieser Beziehung in Erfüllung gegangen. Ob sich nun auch diese moralische Wirkung des Sprudels dießmal wie die physische steigert, muß der Erfolg lehren. – Inzwischen schreibe mir doch auch: Wie schmeckt auf den Sprudel der Steinwein? (herrlicher Ausgang eines Hexameters). Er schmeckt zwar immer gut, aber nach dem Gebrauch des Sprudels muß er wahrer Nectar seyn. – Seit voriger Woche gibt es Kirschen; 100 schon ziemlich große für 6 x. Selbst Bohnen kommen schon von Nürnberg. – Endlich ist hier in E˖[rlangen] alles wieder in Ordnung, nachdem in der vorigen Woche die Anwesenheit des Königs in Nürnberg alles in einer Art von Taumel versetzte und Schulen wie Vorlesungen fast aufgehört hatten. Die ganze kön˖[igliche] Familie kam am erst gegen Abend an, weil wie man sagte ein Rad am Kön˖[iglichen] Wagen vom schnellen Fahren sich entzündet hatte. Am früh sah’ der König alle Merkwürdigkeiten, war Abends im Theater, worauf die Beleuchtung folgte, die aber der schlechten und regnerischen Witterung halber an den öffentlichen Gebäuden nicht recht gelang. Wo sich der König zeigte, wurde er mit den ungestümmsten Lebehochs empfangen. Man rechnet, daß an diesem Tage über 30000 Fremde in N[ürn]berg waren. Der bekannte vorlaute Buch- und Kunsthändler Campe erlaubte sich den König zu fragen, ob es ihm nicht eine eigne Empfindung gemacht habe, heute die Herzen von 36000 Menschen in Entzücken zu gesehn zu haben? Seine M˖[ajestät] antwortete: Es ist ein rechter Rechenmeister, Er! Von unsern Erlangern wurden Herr von Masson und
Die Kinderchen sind wohl und grüßen Mama auf’s Zärtlichste. Das junge Schwälbchen leistet mir noch immer und jede Nacht regelmäßig Gesellschaft. Es hält genau seine Zeit und ist immer an seinem Platz, eh’ die Fenster geschlossen werden. Gegen Morgen fliegt es in das rothe große Zimmer weil dort immer zuerst die Fenster geöffnet werden und stimmt dort sein Morgengezwitscher an, wie wenn es mich nicht stören wollte. Wahrscheinlich hat es selbst noch kein Nestchen. Zu gutem Glück ist der Drahtzug seitwärts von meinem Bett, sonst könnt’ es mir wirklich wie dem Tobias ergehen. Daß Deinem Bett nichts geschieht dafür ist gesorgt. –
Fahre nun glücklich fort in Deiner Cur, und so viel es der erste und nothwendigste Zweck erlaubt, kürze mein Nomadenleben ab, denn der Mann, dem die gewohnte Hausfrau fehlt ist wie ohne Haus und hat keine feste Stätte. Sage der kleinen Julchen: ich ließe den kleinen Paul grüßen. Der großen alles Gute! ist nun auch der bedenkliche Medardus glücklich vorübergegangen. Unser ehrwürdiger Nachbar war gestern hier, in seinem und der Frau Namen sich nach Deinem Befinden zu erkundigen. Nochmals leb wohl.