Herrn Hochwohlgeboren
Herrn Professor Dr F.W.J. Schelling
zu
Verehrtester Herr Professor!
Vorigen nahm ich mir die Freiheit an Sie zu schreiben und, indem ich eine kurze Skitze meiner Religionsphilosophie beifügte, meldete ich Ihnen dass ich mich mit der Bitte um eine Anstellung an s˖[eine] M˖[ajestät] den König von Baiern gewandt hatte und so frei gewesen war mich auf Ihr Urtheil zu berufen. Ich erhielt schon längst eine Antwort auf mein Gesuch und zwar, wie zu vermuthen, eine abschlägige. Dennoch gereut es mich nicht einer so sanguinischen Hoffnung Raum gegeben zu haben, denn mir lag zu viel daran um nach Deutschland zu kommen, um dass ich diesen Gedanken eher hätte aufgeben können, als bis ich alles, auch das Unwahrscheinliche, versucht hätte. Jetzt hab’ ich mich resignirt und jede Hoffnung aufgegeben in mein gelobtes Land zu kommen. Möchte dieser letzte Schritt mir wenigstens Den Vortheil bringen, mit Ihnen, Verehrtester, in Berührung zu kommen. Nächst der Verwirklichung der nun aufgegebenen Hoffnung, nach Deutschland und in Ihre Nähe zu kommen, wüsste ich nicht, was mir Wichtigeres begegnen könnte, und darum erlauben Sie mir noch einmal Ihnen meine inständigste Bitte um um Antwort und um Rath bei dem Fortbau meiner Religionsphilosophie vorzutragen. Um der guten Sache willen versagen Sie sie mir nicht! Welche Aufmunterung würde das nicht für mich sein, wenn Sie auf einen Augenblick von Ihrer Höhe herabsteigen wollten zu mir und mich Ihres Rathes würdigen. Ich kann dieses Streben nun einmal nicht aufgeben und da möchte ich denn auch gerne etwas Tüchtiges, Bleibendes und Förderndes leisten, aber wie vermag ich das auf eigne Hand? Ich stehe so ganz allein hier!
Ich bin erst mit dem ersten Buche meiner Religionsphilosophie fertig, und sobald die zwei übrigen Bücher fertig sein werden, werd’ ich gleich wieder von vorn anfangen. Ich will das Ganze wenigstens noch ein- wenn nicht mehrere Mal umarbeiten, eher als ich an die Herausgabe denke. Eins ist was mir bei dieser Arbeit wahrhaft Angst macht, und das ist die überraschende Klarheit und Übereinstimmung, die ich überall zu erblicken vermeine. Alles scheint so schön in einander zu passen: nirgends Dunkel und Widerspruch im ganzen Weltplan Gottes, und, was mich am meisten freut, überall eine durchgängige Übereinstimmung mit dem was die christliche Kirche von jeher als rechtgläubig angenommen, und eine vollkommne Durchsichtigkeit desselben für die Vernunft! Ich fürchte, weil mein Glück sonst zu gross wäre und weil ich gar nicht weiss, wie ich zu einem solchen gekommen sein soll, dass diese Klarheit und Übereinstimmung auf irgend einer ungeheuren Selbsttäuschung beruht. Wie glücklich wär’ ich daher nicht wenn der Meister (dem die mitgetheilte Skitze dazu gewiss genug sein wird) mir hier zuriefe: da bist Du auf dem rechten Wege, und: dort nimmt Dich in Acht!
Wenn ich so glücklich wäre dass Sie, Verehrtester, sich zu einem Briefwechsel mit mir herablassen wollten, so würde ich auch einmal eine Skitze von dem phil˖[osophischen] System meines seligen Lehrers J.G. Hartmanns zu Åbo mittheilen und Sie um Ihren Rath bitten, ob ich es nicht dem Deutschen philos˖[ophischen] Publikum in einer Übersetzung vorlegen sollte. Fürs erste wollte ich einen bereits übersetzten Aufsatz, etwa zwei Bog˖[en] gedr˖[uckt]: summarische Aufstellung der Gründe des Denkens und Forschens, daraus sich ein ganzes System, sofern es fertig ward, übersehen lässt, nebst einer biographischen Skitze dieses herrlichen Menschen, mittheilen. Dann verdiente insbesondre seine Erkenntnisslehre, sein Hauptwerk, bekannt zu werden. Sein System, das ich den Realismus der gesunden Vernunft nennen möchte, ist in einer so Ätherklaren Sprache mit wahrhaft antiker Einfachheit und Gediegenheit geschrieben, und gibt so durch und durch nur Erschautes, dass ich bestimmt glaube, er könnte den Sophisten der allerneusten Zeit ein zweiter Sokrates werden und den philosophischen Sinn von dem verderblichen Spielen mit inhaltsleeren Begriffen ablenken und zur Anschauung zurückbringen. Einzelne Partien seiner Philosophie z.B. über das Bewusstsein, über das Gefühl, die Begriffe u.s.w. kämen, so scheint es mir wenigstens, der deutschen Philosophie noch nicht zu spät.
Um doch nicht ganz leer vor Ihnen, Verehrtester, zu erscheinen, füg’ ich diesen Zeilen, als ein kleines Xenion der Verehrung, beifolgendes Paar von meinen Gedichtchen bei. Ich habe leider nichts besseres. – Und so soll ich denn nie den Mann sehen, der mir, wie er sich in seinen Schriften darstellt, so unbeschreiblich theuer ward! Dank dem seligen Kernell dass er mich wenigstens einen nähern Blick in Ihr häusliches Leben hat thun lassen! – Sie gehen also wieder nach München. Gott lasse das nur ihrer schwächlichen Gesundheit nicht verderblich werden! – Was sagen Sie zu Fichtes Anweisung zum seligen Leben? Kein Buch hat auf mich einen solchen Eindruck gemacht wie das. Wie mag sein Auditorium beim Schluss namentlich der ersten Vorlesung aufgejauchzt haben! – Denken Sie, Ihres Buches: über Philosophie und Religion konnt ich erst im vorigen Jahre habhaft werden. Wie hab’ ich mich nicht da gefreut als ich als Ihre Gedanken manches wiederfand, worauf ich schon von selbst gekommen war. Das hat mir Muth gemacht!
Würdigen Sie mich doch, Verehrtester einer Antwort. Sie würden dadurch unbeschreiblich erfreuen
Ihren
ergebensten
Dr. Sederholm.
Moskau den
Wohnhaft auf der Nikitskaja, im Iwanowschen Hause.
Das geistige Leben
Wohl schmerzt, Burmester, dich, redlicher Suchender
Wenn du Menschen erblickst, denen nur theuer ist
Jenen Staub der sie nährt, ha! und in welchem sie
Kriechen, Raupen, gefrässig, blind.
Doch mich schmerzet noch mehr, wenn aus der Raupe nun
Bloss ein Nachtfalter wird, (Frömmler, so hiess’ ihn des
Lebens Entymolog.) der für die Nacht allein,
Für die Flamme nur Flügel hat.
Wie sich dieser verkriecht, Tag, deinem heiligen
Licht, und nur sich erfreut räuchrigen Lampenscheins,
So flieht vor der Idee heiligem Lichte ins
Konventikel der Frömmler hin.
Freund, dein reines Gefühl schmerzet zwar wenn sich des
Himmels Sohn in dem Schlamm, frech in der Sünde wälzt,
Wenn die eherne Stirn, Licht, die Gemeinheit frech
Deinem heiligen Anblick beut.
Doch mich wiedert noch mehr, Freund, dieses Anlitz an,
Deckt die Larve es erst heuchelnder Frömmigkeit,
Streckt die diebische Hand nach dem belohnenden
Kranz der Tugend der Tugendschelm.
Doch wie dieses uns auch weh in der Seele thu’
Hilft Entrüstung uns doch tragen den herben Schmerz.
Lehre du aber mich tragen den brennenden
Der die Seele mir oft erfüllt.
Jene Redlichen sieh! die auf dem dornigen
Schmalen Wege des Rechts würdevoll tragen die
Schwere Bürde der Pflicht. Sage, wie ist doch ihr
Blick so trübe, so ernst die Stirn!
Ha, sie tragen die Last, werfen die Kränze hin,
Die sonst beut der Genuss, – o der Unglücklichen! –
Nur weil ihnen "du musst" aus dem verödeten
Heiligthum im Innern tönt.
O wie dunkel ists da! Und in dem Dunkel steht
Nur der Götze der Pflicht. Heiliger Götze, dir
Beug’ auch ich zwar mein Knie, aber doch bleibst du es,
Denn die Himmlischen zwingen nicht.
Deckt die Decke doch ab von eurem Heiligthum,
Ihr Mühseligen, lasst Wärme des Himmels, lasst
Licht von Oben herein! Fühlet ihr nicht wie
Wonneschauer euch süss durchwehn?
Und im wärmesten Licht nahet sich Christus euch,
Euer Heiligthum nimmt Er, der Gesegnete, ein.
Und ihr lebet, doch nein! Spender der Seligkeit
Lebet Christus in euch allein.-
Pflicht, wo ist nun dein Muss, Blick, deine Trübe wo? –
Liebend folget ihr ihm, eurem Beseliger,
Wie durch Räume des Alls liebend die Erde der
Allbelebenden Sonne folgt.
Der heilige Geist und die Seele.
Heim kehrt in sich zurück die irre
Betäubte Seeele, Ach, ihr graust
Vor jenem rauschenden Gewirre
Das laut des Lebens Markt umbraust.
Nun bin ich, ruft sie aus, geborgen,
Denn ich gehöre wieder mein.
Bleibt draussen, trübe Erdensorgen.
Erlisch, der Dinge bunter Schein!
Doch grause Finsterniss umfangen
Die Heimgekehrte alsobald.
Wie ist doch hier, ruft sie mit Bangen,
So öde alles, eng und kalt.
Ich tauschte Nacht um Erdensorgen,
Und Nebel um den bunten Schein.
Du wähntest frei dich und geborgen,
Unselige, und bist allein!
Verzweifelnd, hingesunken ringet
Sie betend, mit des Daseins Harm
Und siehe, in den Kerker dringet
Ein Strahl von oben mild und warm.
Ha, du bists, ruft der Wonne Schauer,
Gicht Gottes! der Entzücken Chor,
Den der Verlassnen bange Trauer,
Du Heiliger, herabbeschwor.
Willkomen aus den lichten Höhen!
Zeuch, heil’ger Geist, zeuch bei mir ein!–––
Ein überschattend, heilig Wehen!–––
Er ihr,– Sie seiner – noch als sein!
Und liebend saugt des Lichtes Strahlen
Der Sehnsucht süsse Lippe ein,
Und ihres Kerkers Wände malen
Sich in des Himmels Widerschein.
Und siehe! sie ist Licht geworden,
Ihr Lieben Licht, und Licht ihr Sinn,
Und, wie der Kompass nach dem Norden,
Weisst alles nun auf Gott sie hin.
Entwickelt liegt der Knäul der Dinge
Vor dem entwölkten Auge dar.
Vom Abgrund bis zum Sternenringe
Ist alles ihr nur hell und nah.
Sie hat, von seinem Flug getragen,
Den Rathschluss Gottes überschaut,
Gesehn der Menschheit Morgen tagen,
Hat kühn den Weltplan nachgebaut.
Und nun sinkt sie anbetend nieder,
Gebadet in dem Born des Lichts.
Sie ruft: mit dir bin Ich ich wieder
Und ohne dich ein träumend Nichts.