Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Herrn Director von Schelling

in

Erlangen

fr˖[ey] Gr[enze].

No. 2.

No. 3.

Höchst angenehm bin ich heute wie ich von meinen Morgenspaziergang zurück kam durch Deine lieben Zeilen überrascht worden! Den innigsten Dank dafür, geliebter Freund! Du schweigst aber ganz über Deine Gesundheit? ich bitte Dich, laß mich doch nicht in Ungewißheit wie es Dir geht, ich ängstige mich beynah mehr, wenn ich gar nichts darüber höre, als wenn Du mir schreibst, daß es noch immer das Alte ist. Horntasch hat Dir hoffentlich Egerwasser mit gebracht, wie wollte ich mich freuen, wenn es Dir wohl thäte! aber Sprudel ist es eben nicht, und ich meyne es könne mir nichts in der Welt helfen als diese Quelle. Könnte ich Dir nur alle Tage zwey Becher abtreten ich wollte gern so viel weniger trinken, so knapp sie mir auch noch zu gemessen sind, ich bin noch immer auf 6 reduzirt und soll auch überhaupt nicht höher als 8 steigen. Noch kann ich Dir natürlich keine bestimmte Wirkung dies mal vom Sprudel schreiben, als daß er im Ganzen seine gewöhnliche Schuldigkeit thut. Wegen Schwager natürlich ohne ihn zu nennen habe ich Mitterbach gefragt der versichert er hätte die Erfahrung, daß der Brunnen ganz besonders bey Männern vortheilhaft auf diese Hülfe wirkt. Heute morgen bin ich Pöschmann begegnet, der viel verkehrtes Zeug schwatzte und am Ende schloß, daß er mir zu dieser glücklichen Metamorphose Glück wünsche. Ein Gärtner am Prager Berg gefiel mir ### wie er mir zurief »Ew. Gnaden gehn ja wie ein Mädel von 10 Jahren. Ich kann dies mal ein ganzes Register aufschreiben mit poßierlichen Begegnungen.

Das Wetter ist heute heiter und warm, wenn es hält, werde ich gleich zu baden anfangen. Die Kurgäste bleiben aber zum großen Leidwesen der guten Carlsbader noch immer aus, kaum hat es zwey bis drey mal seit wir hier sind vom Thurm geblasen, was für Julchen, da wir den Blasenden so nahe sind jedes mal ein großes Fest ist. Könntest du das liebliche Kind nur jetzt sehn, sie nimmt täglich an Geist und Munterkeit zu, findet sich vollkommen in die neue Lebensweise und geniert uns in gar nichts, selbst ihre Milch verlangt sie nicht früher als bis wir frühstücken, da ihr der Morgenspaziergang über alles geht. Künftig will ich ihr mit der Lina Theresien Brunnen trinken lassen da ihr der D˖[octor] einen halben Becher erlaubt hat. Wir kommen eben mit den Kindern von einer langen Promenade zurück – den 4 Uhr Weg und über die Findlanters Säule zurück. Es war köstlich! mir gefällt es recht wohl, mich so allein noch Herr des Brunnens zu sehn, nur wegen Sprudel ist es unangenehm unter schoflichen Handwerks-Pürschen und zerlumpten Bauern die einzige Herrin zu seyn.

Das Wetter ist heute wieder wunderschön, ordentlich heiß, auch profezeyen die Karlsbader große Hitze diesen , weil vor wenigen Tagen ein Ring um die Sonne zu sehn war. Heute habe ich 7 Becher getrunken und bin dann nach dem Frühstük mit meiner Lina am schönen Himmelfarths-Morgen in den Wald gegangen. Es war ein himmlischer Morgen, die gestrige warme Luft hat fast alles Laub hervorgelockt. Das Frühjahr behauptet eben überall seinen Reitz, es ist auch hier köstlich, ich habe Carlsbad nie schöner gesehn, dieses junge helle Grün neben den alten grauen Graniten und dann die schwarzen Fichten dahinter! die Waldwiesen so saftig von eben erst aufgeschoßnen Gras und ganz mit Schlüßelblumen bedeckt, dabey alles so friedlich und still, ich habe mich nicht satt sehen und genießen können und wäre ganz glücklich geweßen, wenn Du mir nicht gefehlt hättest. Auch Lina hat ihre Brüder sehr herbey gewünscht um sich mit ihnen an dem Rufen des Guckus zu ergötzen, der hier statt der Nachtigallen die Wälder belebt. Ich wiederhohle es immer lieber, theurer Freund! entschließe Dich und komm nach hier her, es wird Dich gewiß nicht reuen, und Dein Übelbefinden wird schnell entweichen – Ein Becher Sprudel stillt jeden Schmerz.

Dein lieber Brief, mein Geliebter! war mir heute die liebste Morgenbegrüßung wie ich vom Sprudel zu Hause kam, ich danke Dir innigst daß Du mir so pünktlich schreibst, sey nur nicht zu karg in Papier und nimm auch zuweilen einen ganzen Bogen. Über die guten Nachrichten von den Kindern besonders von Paul bin ich sehr glücklich. Du hättest mir nichts angenehmeres schreiben können. Küße und herze die lieben Buben in meine Seele, ach, auch von ihnen wird mir die Trennung dieses Jahr viel schwerer, ich glaube Krankheit stumpft jedes Gefühl ab. Horntasch hat Dir wohl kein Egerwasser mit gebracht, da Du deßen nicht erwähnst? laß Dir welches von Nürnberg kommen und säume nicht etwas für Deine Gesundheit in Erlangen zu thun, wenn Du Dich nicht zur Reise hieher entschließen kannst, doch unterlasse nicht in der Blüthenzeit einige Farthen mit den Kindern zu machen, in Gründlach warst Du noch nicht, und das soll in der Blüthe besonders anmuthig seyn. Du brauchst nicht besorgt wegen der Finanzen zu seyn, ich lebe bis jetzt so ökonomisch hier, daß ich mit dem Gelde aus zu reichen hoffe, lege mir also keins zurück, bezahle aber von der Maybesoldung den Wein worauf ich gerechnet hatte – die Quittung oder vielmehr Jänisch Brief liegt in obersten Schublädchen rechter Hand. Du hast das Geld nebst den größten Faß das sich im Keller befindet nur den jungen Horntasch, der alle Tage nach Nürnberg fährt mit zu geben wenn Du Dir nicht selbst einmal eine kleine Zerstreuung dort machen willst, nur hüthe Dich in den Burggarten zu gehn

Daß der Wind in E˖[rlangen] noch immer so rauh ist, bedauere ich, besonders um deinet willen, wir haben auch hier beständig Nordostwind, aber die Luft kann doch nicht so bey, die Berge sind eine prächtige Schutzwehre. Heute habe ich zum ersten mal gebadet und will es nun fleißig fortsetzen. Ein sehr freundliches Badezimmer mit einem Ofen par terre vermehrt die Bequemlichkeit unsrer Wohnung in der uns selbst ein großes Sopha nach alter Façon nicht abgeht, auch hat so gar die kl˖[eine] Julie ein Tischchen und ein kleines Sopha für sich gefunden. Das Haus liegt unterhalb des Sprudelgäßchens, wenn man von der Wiese kömmt.

Lebe nun wohl, liebster, bester! es bleibt mir kaum Raum Dich und die Kinderchen zu küßen. Grüße die Carline von mir.