Erlangen, den .
Lieber Paul!
Dein ausführlicher Brief hat uns große Freude gemacht. Aber noch größere, daß Du, Gott sei Dank! so leicht und schnell die böse Krankheit überstanden. Der gütige Herr Rector hat so treulich für Dich gesorgt, daß er selbst Deinetwegen und mit Dir nach Urach gegangen ist; erzeige ihm dafür in allen Stücken, durch Fleiß und gutes Betragen, fortwährend kindliche Dankbarkeit. Es ist mir nun ein großer Stein vom Herzen, daß ich Dich, wenn Du das Haus und die väterliche Leitung des bisherigen theuren Lehrers verlassen mußt, doch wieder geistig und leiblich wohl versorgt und berathen weiß. Du wirst Dich freilich im Anfang sehr zusammennehmen müssen, um mit den Andern gleichen Schritt zu halten. Du wünschest die Hagersche Ausgabe des Homer, ich kann sie Dir wohl verschaffen und will sie Dir schicken, wenn es Herr Rector gut findet. Denn übrigens glaube ich kaum, daß es Dir in Urach wird verstattet werden, Dich dieser Ausgabe in der Stunde zu bedienen. Zu diesem Ende wirst Du wohl thun, Dir die Tauchnitzische Ausgabe zu kaufen; laß sie aber gleich recht gut und fest binden. Zur Vorbereitung und ersten Hülfe, bis Du mit den Homerischen Formen und Redensarten mehr vertraut bist, wirst Du dann immer den Hagerschen Homer brauchen können, und, wie gesagt, will ich Dir ihn schicken, wenn es Herr Rector zweckmäßig findet.
Wir sind Gottlob diesen hindurch unausgesetzt, kleine Zufälle abgerechnet, wohl geblieben. Nur klagen Deine Geschwister sehr, daß dieses Jahr die Kirschen durch den Raupenfraß fast in der ganzen hiesigen Gegend zerstört worden sind, und die häufigen und starken Regengüsse hindern manche Vergnügungen im Freien. Die gute Tante hat uns für einige Wochen verlassen, um ihre Freundin in Augsburg zu besuchen. Daß wir nun gewiß nach München gehen, hat Dir, wenn ich nicht irre, die Mutter schon geschrieben. Ich trenne mich freilich ungern von der Stille meines bisherigen Lebens und den Annehmlichkeiten des hiesigen Aufenthalts; aber ich konnte dem Willen unsres Königes nicht widerstehen. Für Euch, liebe Kinder, wird diese Veränderung, wie ich hoffe, nur vortheilhaft sein, zunächst daß, wenn Du nach Urach und der liebe Fritz nach Blaubeuren kommen sollte, die Entfernung von München, wohin wöchentlich von Ulm ein Eilwagen abgeht, noch kleiner ist als von Nürtingen nach Erlangen. Ich hoffe auch, Euch, liebe Kinder, vorher noch auf die eine oder andre Weise zu sehen; denn ob wir Euch gleich diesen nach München können kommen lassen, ist vor jetzt ungewiß und hängt von Umständen ab, die ich selbst nicht bestimmen kann. Für den Herbst seid Ihr aber zum Voraus schon von dem Onkel in Neustadt eingeladen, wenn es nicht etwa möglich ist, daß Du gleich nach Urach gehst, um während der Vacanz noch einige Vorbereitung zu erhalten.
Lebe recht wohl, lieber Paul, und empfiehl uns auf’s Herzlichste dem verehrten Herrn Rector und der theuersten Frau Rectorin.
Dein
treuer Vater.
Sch.