Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Die wärmeren Lüfte kündigen uns schon den Frühling an, und ich freue mich dieser baldigen lieben Erscheinung, auch noch ganz besonders in der Seele des entfernten Freundes, der in seiner heitern freyen Wohnung sie recht genießen wird. Ich kann wohl sagen, mit dem ersten freundlichern Sonnenblick waren meine Gedanken bey Ihnen bester Schelling! aber auch nicht vergeßend der Lieben die Ihnen fehlt bey jeder schönen Freude. Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen , Sie sind recht gut, daß Sie uns geschrieben, selbst im Augenblicke wo Sie so vielfältig beschäftigt sind. Der ist Ihnen wohl fortgesetzt fleißig verstrichen? und das begonnene Werk hat seinen Fortgang? Wohl muß es einen schmerzlich weh thun, daß sie sich deßen nicht mehr erfreuen kann, ich erinnere mich noch so lebhaft, wie ergriffen und begeistert sie von jener Rede am schrieb.

Der Winter ist uns zimlich einsam verstrichen, nach unsrer gewöhnlichen stillen Weise, und ich ins besondere habe mehr aus Zufall als aus Vorsatz an keinen sogenannten Vergnügen Theil genommen. Es hat an Zerstreuungen mancher Art hier nicht gefehlt – Madam Händel gab einige Vorstellungen mit Schütz der freylich sehr wenig Glück auf der Bühne gemacht. Wir haben auch außerdem noch Theater hier, es ist aber nicht der alte aus der Asche entstandene Phönix, sondern ein ziemlich gemeiner Vogel. Eine Freude in der Art, oder viel mehr von ganz anderer Art, war die Vorstellung des standhaften Prinzen in Weimar, wohl schwerlich hat Calderon selbst eine so vollendete Darstellung dieses Stücks gesehn. Mir hat es großen Genuß gewährt; aber auch eben so viel den andern Tag die Tischgespräche darüber. Auch noch einen heitern Wintertag habe ich mit Goethe sehr vergnügt in Drackendorf verlebt, wo er in der besten Laune von der Welt viel Schönes und Herrliches gesagt. Er besuchte uns mit Knebel; wir hatten es drauf angelegt die alten Herrn recht aufgeräumt zu haben, und uns deswegen ihnen zu Ehren auf das zierlichste und gewählteste geputzt, das verfehlt denn auch seinen Zweck nicht, und sie versicherten zuletzt: ihre Füße hätten zwar nicht getanzt, aber ihre Herzen.

Im geht Goethe wieder nach Carlsbad von da nach Töpliz und den bringt er wieder in Dresden zu. Dem allen können freylich noch manche Veränderungen bevorstehn. Es ist zimlich unruhig gegenwärtig in unseren Gegenden, man bedroht uns mit neuen Durchmärschen und allgemein fürchtet man wieder am Vorabend eines Krieges zu stehn. Wer will sich indeß das Herz gleich anstecken lassen von solchen Besorgnißen, glücklich wem es so friedlich und gemüthlich im Busen schlägt wie mir, ich möchte das jedem gönnen, dem ich gut bin.

Die gute Mutter und Schwestern sind wohl und grüßen Sie herzlich. Für die Reliquien der Theuren bringe ich Ihnen auch noch unsren späten Dank, ich habe sie nicht ohne wehmüthige Freude hier empfangen. Julchen hat das Kleid, Cecile die Ohrringe und ich habe mir den Schaal gewählt, als das was die Liebe doch am Eigentlichsten umfangen hat.

Von Jacobs soll ich auch viele schöne Grüße an sie bestellen. Wir sehn ihm in Ganzen wenig, und ich finde ihn meist sehr beschäftigt und selten heiter. Die arme Frau mit ihrer Kränklichkeit und die erwachsenen Söhne machen ihm auf verschiedene Art Sorge. Wenn aber noch eine Spur von Reue in ihm war, München verlassen zu haben, so hat glaube ich der Vorfall, der seinen Freund betraf, auch die lezte vertilgt. Schlichtegroll, höre ich, hat mit großer Angst und kläglichen Händeringen darüber geschrieben.

Noch ein kleines artiges Gedicht vom verehrten Herrn lege ich Ihnen hier bey, das Ihnen gewiß Vergnügen macht. Er theilte es uns schon in Carlsbad mit, und es wurde hernach immer viel darüber gescherzt; ich bat ihm auch oft darum, er wollte aber nie damit herausrücken, endlich hat er sich aber doch eines beßern besonnen, und ich halte es für keinen Verrath es aus meinen Händen in die Ihrigen zu legen, lieber Schelling, wo es ja noch beßer aufgehoben ist; doch bitte ich Sie es aber nicht weiter mit zu theilen. Was Sie mir über die Farbenlehre schrieben hat mich gar sehr vergnügt, es sind auch gerade diese Tischreden, die ich meiner Mutter und den Schwestern immer heraus ziehe, da sie von dem Andern nichts wissen wollen. Mir hat das ganze Werk auf viele Weise Freude gegeben und thut es noch. Hier findet das Wissenschaftliche viele Widersacher, und scheint von allen Seiten angefeindet zu werden, wie ehmals die Beyträge zur Optik.

Die Pandora habe ich diesen auch wiederhohlt gelesen, und bin ganz damit ausgesöhnt; man findet Goethe doch in jeder Zeile wieder, und je mehr man sich damit bekannt macht, je mehr geht einem der Sinn dafür auf.

Leben Sie wohl bester Schelling! und schreiben Sie uns bald wieder, denn ein Blatt von einer lieben Hand bleibt doch die eigentlichste Wirkung in die Ferne.
Ihre

Pauline.