Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling

aus Erlangen

gegenw˖[ärtig] in

Carlsbad
Böhmen

Im weißen Hirsch

fr˖[ey] Gr[ä]nze˖

No. 6

No. 10.

Heute will ich gleich etwas mehr Papier als gewöhnlich nehmen weil ich doch etwas mehr als sonst Dir zu schreiben weiß. Ich kann Dir nicht ausdrücken, wie sehr ich mich freue, Dich durch die Witterung so begünstigt zu sehen, jeder schöne Tag ist mir unter diesen Umständen doppelt geschenkt. Hier ist es jetzt wunderschön und ich kann nur bedauren, alle die Herrlichkeit nicht mit Dir genießen zu können. Daß ich gegen Abend meist mit den Kindern, die jetzt durch Ferien beseligt sind, eine Wanderung antrete, kannst Du Dir denken. waren wir in Rathsberg, durchwanderten die sogenannte, an romantischen Partien mehr, als ich wußte, reiche Wildniß, stiegen nach Bubenreuth herab und kamen so zurück. Früher hatte ich den umgekehrten Weg einmal mit Friz gemacht und war dann noch von Rathsberg nach Azelsberg gegangen, was der Dicke ohne auszuruhn prächtig aushielt. Für heute ist nun großer Jubel und die Kinder wenn ich ihnen nicht Fleiß und Arbeit zur Bedingung gemacht hätte, würden kaum den Nachmittag erwarten können, wo sie mit Frau Prof. Pfaff, die sich dazu erboten, auf den Schießplatz gehen dürfen.

Abend auf dem Wege zu Fleischmanns Garten wurde ich unversehens von Martius angefallen, der den mit seiner jungen Frau angekommen war. Ich fand natürlich diese auch hier, in Gesellschaft der ganzen Familie und ließ mir nicht nehmen, sie gleich an den Arm zu nehmen. Sie ist ziemlich klein geblieben, höchst zierlich, doch weniger wohl und blühend als ich von ihrem früheren Anseh’n mir versprochen hätte – und die Größe ausgenommen, in der sie sehr zurückgeblieben ein wahres verjüngtes Ebenbild der Tante Amalie – die Augen muß ich auch noch ausnehmen, die braun und zwar sehr angenehm im Ausdruck sind aber ohne Schaden etwas größer seyn könnten. Ich denke, das schöne Kind wird im Ehstand noch wachsen oder doch sich etwas strecken. Übrigens hat sie bereits das kindisch-schüchterne und unselbständige Wesen abgelegt, und stellt ganz gut eine junge Frau vor, weiß ganz gut zu sprechen, die Unterhaltung zu machen u.s.w. Sie bedauert natürlich sehr, Dich nicht hier zu finden und fast thät es mir auch leid, daß Du das nette Püppchen nicht siehst. Sie haben den Plan, die beyden Tanten hieher zu locken, um dann gar nicht nach Bamberg zu gehen oder höchstens auf 1 Tag; Fränzchen hat von der Mutter bestimmten Auftrag, alles anzuwenden, um wenigstens die Tante Fränz zum Zug nach München zu bewegen. Martius beeifert sich nicht nur selbst eine sehr starke Freundschaft gegen mich zu zeigen, sondern hat auch von seinem Schwiegervater die zärtlichsten Freundschaftsversicherungen mir gebracht. Die gute Köhler hat Fränzchen, wie diese erzählt, nicht ohne Neid nach Erlangen abreisen sehen. Viel Neues aus München habe ich von M˖[artius] bis jetzt nicht erfahren können: das Einzige, was Dich auch interessiren wird, fällt mir ein, daß der russische Gesandte kürzlich der bai˖[erischen] Regierung die Anzeige gemacht hat, que Mr B étoit privé de sa fonction comme Correspondent pp die Herrlichkeit dieser Pension hat also nicht lange gedauert. M˖[artius] will aber doch wissen, daß er in Petersburg gewesen; wahrscheinlich hat er seine Sache selbst dort noch verschlimmert statt sie zu verbessern. Jetzt weiß niemand, wo er ist, seine Frau ist schon seit Jahr und Tag in Prag, wohin sie sich monatlich die Besoldung ihres Mannes schicken läßt.

Bey der bessern Witterung geht es auch mit meiner Gesundheit besser; das Eger Wasser bekommt mir mehr, als zuerst, besonders (merk’ es Dir wohl!) seitdem ich den Thee Abends aufgegeben, auch scheinen unter der Lieferung nur einige Flaschen vorjähriges Wasser gewesen zu seyn. Ich consumire jetzt täglich einen Krug, da ich sonst zu wenig Wirkung empfinde; es würde mir also angenehm seyn, noch 1 Duzend Krüge zu erhalten. Die Addresse, unter der bestellt werden muß, ist Herr Joseph August Hecht (Hecht) in Franzensbad, dem Du den Preis in Papier schicken könntest – doch da Du ihn nicht genau wissen wirst, laß Dir in dem Bestellungsbrief von Mitterbacher bezeugen, daß Du bezahlungsfähig und geneigt bist. Ich müßte es aber bald erhalten, damit es mir noch von Nutzen sey – einstweilen kann ich es auch hier bey Oelschlägel erhalten.

Häcker hat mir seine Berufung nach München notificirt und mich eingeladen am nach Nürnberg zu kommen, um ihn noch zu sprechen. Ich wollt’ er hätte mir früher geschrieben und mich über die nach Rothenburg eingeladen, was ich schwerlich ausgeschlagen hätte. Doch werde ich ihm zu Gefallen wo möglich auch nach Nürnberg gehen.

Verwichene Nacht erschrack ich einen Augenblick, da ich wachend Dich einige Secunden lang deutlich neben mir schnarchen hörte, während ich zugleich mir wohl bewußt war, daß Du weit von meiner Seite liegest. Wahrscheinlich hatte ich es geträumt, und diese Erscheinung zeigt nur, was auch in andern wahrgenommen wird, daß die Schwingungen, in die unser Gehirn durch einen lebhaften Traum gesetzt wird, besonders wenn wir an demselben erwachen, noch eine Zeitlang, unabhängig von unsrem Willen und unsrer Einsicht fortdauren.

Ich schreibe Dir dieß nur als Beweis, daß meine Seele auch im Traum sich mit Dir beschäftiget.

Die Witterung hat sich nun so gesetzt und befestigt, daß sie vor dem nächsten Vollmond und auch wahrscheinlich nachher nicht gleich umschlagen wird, daher Du für die nächsten Wochen gewiß noch auf alle Gunst des Himmels zählen kannst. Über die Dauer Deiner Kur – morgen sind es Gott sey Dank, schon 3 Wochen daß Du uns verlassen – hat wohl das ärztliche Orakel nichts ausgesprochen. Was ist aber Deine Gesinnung? Ich will Dich durchaus nicht darinn beschränken, doch daß es dießmal keiner 15 wöchentlichen Kur bedürfen wird, glaube ich und wünsche selbst nicht, daß dem Übel da es einmal im Rückzug ist zu arg zugesetzt werde. Da ich nun nicht mehr wohl davon kann, im nach C˖[arlsbad] zu gehen, so bliebe Dir ja noch immer, mit mir im auf 3–4 Wochen dorthin zurückzukehren.

Die Kinder grüßen Dich auf’s Zärtlichste. Leb wohl, Du Liebe, und thue Dein Bestes für Deine mir so theure Gesundheit. Sey’ nur guter Dinge, es kann Dir mit Gottes Hülfe nicht fehlen. Herze und küsse die beyden Mädchen für mich und grüße Julchen. – Fast hätte ich vergessen, zu melden, daß einer hier wie es scheint allgemeinverbreiteten Nachricht zu folge, von deren Ächtheit mich zu überzeugen ich jedoch noch keine Gelegenheit gehabt, unsre allerh˖[öchsten] Herrschaften morgen hier durchkommen werden.