Frau
Directorin Schelling
d[urc]h Güte
No. 4.
Liebes Kind!
Es freut mich sehr, daß Herr und Frau von Kerstorf heute wieder nach München gehen und ich Dir schreiben kann. Ich hoffe Du bist mit Deiner Gesellschaft wohl und vergnüglich nach Hause gekommen; die Witterung wenigstens war herrlich, ich empfand keine geringe Leere, nachdem Du mich verlassen hattest, die der Franzose nicht ausfüllen konnte.
Ich fange gleich an, Dir meine Bitten vorzutragen, damit ich dann freye Hand habe zu schreiben, was das Herz eingibt. 1) wegen der im letzten Brief verlangten Papiere, ich möchte sie nicht gern durch die Post nach Schlehdorf erhalten, schicke sie mir also hieher. 2) laß mir noch 1 Pfund von meinem gewöhnlichen Tobak kaufen und lege auch den Rest eines Pfundes bey, der in der Kammer steht. 3) Vergiß nicht ein oder 2 Paar Socken mitzugeben auch ein Paar wollne Strümpfe. – Diese Sachen müßtest Du aber so früh als möglich schon zu Kerstorf’s schicken, es geht eine Fuhr heraus; sie selbst kommen erst wieder, mir aber könnte beygehen, einstweilen schon nach Schlehdorf abzuziehen, daher ich obige Sachen, wo möglich schon mit der morgenden Gelegenheit zu erhalten wünsche.
Außer dem allem wünsche ich vorzüglich bald Nachricht von Dir zu bekommen, gib also, wenn’s möglich, nur 2 Zeilen von Dir der Fuhre mit. Ich hoffe Du bist nicht besorgt um mich, da Du mich so wohl weißt, ich hoffe auch Deine Sehnsucht nach mir ist nicht zu groß. Jetzt peinigt mich oft der Vorwurf, daß ich Dir zu viel auflade, Dir die nöthige Hülfe der Katherine in dem Augenblick entziehe, wo Du eben erst Dich nothdürftig erholt hast. Hätte ich das alles vorher überlegt, vielleicht hätte ich einen andern Entschluß gefaßt, Deine große Güte ließ mich gar nicht zu diesem Gedanken kommen, nun ist’s gescheh’n, jetzt siehe, liebe Seele, wie Du Dir hilfst, aber schone Dich doch ja soviel als möglich, laß es an angenehmen Zerstreuungen nicht fehlen, brauche die Bäder und denke daß dieser allerdings nicht sehr tröstliche Zustand doch nur vorübergehend ist.
Die Gegenwart des Franzosen raubt mir freylich meine Vormittage nicht, aber er veranlaßt daß wir länger aufbleiben, und so stört sie mich denn doch, und da er keine Anstalt macht, zu gehen, so ist dieß noch eine Ursache, die mich forttreibt, doch werd’ ich da möglich die Wiederkehr des Herrn und der Frau vom Hause, die alle Freundlichkeit und Aufmerksamkeit erschöpfen, erwarten. Sobald ich in Schlehdorf bin erhältst Du Nachricht. Ich habe Deiner Meynung zufolge vom Karl nur die 719 fl. begehrt. Nun fällt mir aber aufs Herz, daß außer den bekannten 600 fl. auch noch die Rechnung von Carstens zu bezahlen ist, wozu es kaum reichen wird, ich hätte aber so gern auch noch mit einigen andern Sachen Richtigkeit gemacht, die freylich Kleinigkeiten sind, aber zusammen doch auch noch ein Sümmchen ausmachen.
Es ist
Grüße und küsse die lieben zarten Kinder von mir, besonders mein Linchen, nach der ich oft eine rechte Sehnsucht habe.
Ich muß schließen, denn ich habe die Reise des Herrn und der Frau von K˖[erstorf] sehr spät erfahren und es wird zu Tisch gerufen.
Leb recht wohl, Du liebste Seele, und behalte mich lieb
Deinen
treuen Freunde
Schg
N.S.
Indem ich sigeln will, sehe ich, daß der in meinem Schreibtisch gehörige Schlüssel hier ist. Hast Du einen andern statt dessen mitgenommen, so heb’ ihn gut auf, oder hab’ ich den unrechten geschickt so thue dasselbe. Hier erhältst Du den rechten. Die Papiere schicke mir auf keinen Fall durch die Post.