Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Es hat mich sehr gefreut, verehrter Freund, auf eine so angenehme Weise einmal etwas von Ihrer Hand erhalten zu haben. Ich weiß Ihnen nämlich für die Bekanntschaft dieses Polen vielen Dank, dessen einfaches und bestimtes Wesen, so wie seine ruhigen aber bedeutenden Augen mich bald ganz für ihn eingenommen hatten. Ich habe nur recht bedauert, daß eine Reise nach Tegernsee, wozu sich grade eine gute Gelegenheit darbot, mich abgehalten, ihn so oft zu sehen, und mit den Samlungen so vertraut zu machen, als ich es gewünscht hätte. Er wird Ihnen indeß gesagt haben, daß ich wenigstens so viel gethan als die kurze Zeit es erlaubte. – Das Portrait ist nun wirklich, schon vor einiger Zeit von hier abgegangen, und wird hoffentlich wohlbehalten schon in Ihren Händen sein. Die Malereien in der Glyptothek schreiten diesen , da das heiße Wetter das Trocknen beschleunigt, außerordentlich fort. Auch gelingt alles zusehens besser, da die größere Uebung einen technischen Vortheil nach dem anderen gewahr werden läßt; Schlothauer mögte indeß in der Behandlung der Farben, und dadurch in der Natürlichkeit des Colorits es allen zuvor thun. Wenn Sie den herkommen möchten, würden sie den einen Sockel wohl ganz vollendet sehen. Cornelius große Vorstellung der Aufnahme des Herkules im Olymp ist zwar ein Meisterstück von Composition, auch ist es sehr glücklich gedacht, daß ihn Apollo und die Musen mit Spiel und Gesang begrüßen, und Bachus, der ebenfalls aus einer Sterblichen geborne Gott, sich ihm mit den Seinigen nähert; doch ist er mir in einigen Stücken zu willkührlich von der Denkungsart der Alten abgewichen, so stimmt besonders der nach Art des Rubens als ein betrunkener Fettwanst dargestellte Silen mit seinem Esel nicht zu dem Ernst in den übrigen Vorstellungen, und gehört in dieser Gestalt nicht in den Olymp. Die am Himmel aufsteigende Aurora , so wie das Gegenstück, die Diana gehören gewiß zu dem Schönsten, was unsere Zeit an Kunstwerken hervorgebracht hat, und können sich neben jede Vorstellung aus der Mythologie von Raphael od˖[er] J. Romano stellen. – Der Bau der Glyptothek rückt dafür desto langsamer vor, die vordere Säulenstellung wird dieses Jahr noch nicht zu Stande kommen, es scheint am Gelde zu fehlen. – Die Gallerie ist vors erste mit neuen Nummern und einem Catalog darnach versehen worden, doch von den vielen fehlerhaften Kaufen der Bilder, ist noch keine geändert worden. Jetzt ist Dillis auf einer Reise begriffen um aus Nürnberg und anderen Orten noch Bilder hierherzuschicken. – Die Samlung von Leuchtenberg wird jetzt alle Sonnabend gezeigt. Ich habe dort zwar mehrere schöne Sachen gesehen, welche im alten Schloß noch nicht aufgestellt worden, aber die schönen Venetianer, worann wir uns damals so sehr gefreuet haben, sind kaum wieder zu kennen, so grausam sind sie von einem Restaurateur aus Wien, den der Gr˖[af] C. Rechberg dem Herzog empfohlen hat, verwaschen und dann verschmirt worden. Derselbe Graf hat kürzlich dem König wieder ein Bild als Claude verkauft für 5400 fl., welches so schlecht ist, daß es nicht so viele Kreuzer werth ist! – Sie sehen, es ist noch beim Alten. – – Ihre Aufforderung Ihnen über meine gegenwärtige Lage zu schreiben, bringt den schon lange gefaßten Entschluß, Ihnen einmal ganz offenherzig das Mißliche und Unangenehme derselben zu erzählen endlich zur Ausführung. Der erste Gedanke an eine Fixirung hier, kam mir, wie Sie wissen, durch Schlichtegroll, welcher meinte mir hier die Stelle am Antiquarium mit 400 fl. verschaffen zu können, und mich auch, wenn ich von Zeit zu Zeit nachfragte immer vertröstete, man könne es damit nicht übereilen, aber es solle schon gehen. Vor sagte er mir auf einmal: es sei alle Aussicht dazu gänzlich verschwunden. Je näher ich nun in dieser Zeit die Kunstsamlungen aller Art habe kennen gelernt, desto lebhafter ist mein Wunsch geworden München zu dem Mittelpunct meiner Untersuchungen machen zu können. Auch würde ich ohne angestellt zu sein hier bleiben, wenn die Mittel zu meiner Subsistenz mir nicht nachgrade gänzlich ausgingen. So aber muß ich zufrieden sein, daß sich durch einen besonderen Glücksfall wenigstens so viel Geld gefunden hat, um die Reise nach Schlesien über Wien machen zu können, woselbst ich durch die Anschauung von sehr wichtigen Bildern aus der Schule des J. van Eyck in den Stand kommen werde, den 2ten Theil meiner Geschichte der Malerei in den Niederlanden zu vollenden, deren erster Theil, worin über J. van Eyck gehandelt wird, hoffentlich jetzt schon unter der Presse ist. Was aber nun zu Hause anfangen? – – Unter diesen Umständen wage ich es, Sie an ein altes Versprechen zu erinnern, und Sie dringend zu bitten, daßelbe auch zu erfüllen. – Sie sagten mir nämlich vor Ihrer Abreise von hier zu, daß Sie in meiner Sache an die Minister Zentner und Thürheim, wenn ich glaubte, daß es dienlich sei, schreiben wollten. Diese Zeit ist, wie ich glaube, jetzt da. Ringseis hat kürzlich in meiner Sache an den Kronprinzen aus freien Antrieb geschrieben, und wird auch ferner seinen Einfluß brauchen um ihn zu bewegen sein Wort bei Zentnern für mich einzulegen. Die Mitglieder der philosophisch-philologischen Classe sind mir nicht entgegen, zum Theil sogar recht wohl gesinnt. Nun zweifelt der Ministerialrath von Stengel, mit dem ich über die Sache sprach, keinen Augenblick, daß ein Brief von Ihnen an Zentner, nicht den erwünschten Erfolg haben sollte, da er sich allein durch Gelehrte influiren lasse, und namentlich auf Ihr Urtheil so viel gebe. – Wenn Sie nun bedenken, daß durch einen solchen Brief vielleicht die Angelegenheit der Kunst in etwas gefördert werden könnte, und überdem auf jeden Fall ein Freund aus der widerwärtigsten in die angenehmste Lage versetzt wird, hoffe ich werden Sie sich zum schreiben entschließen. – Kommt hier nichts zu Stande, so sehe ich mich genöthigt meine bisherigen Studien aufzugeben, und als Hofmeister irgendwo fortzuvegetiren. – Wie man sagt wird der Minister von Zentner das Studienwesen nächstens als ein besonderes Ministerium allein erhalten, so daß er alsdann noch freiere Hand hat. –

Sie können sich leicht vorstellen, wie sehr sich alle ihre hiesigen Freunde über die guten Nachrichten von dem Befinden Ihrer lieben Frau gefreut haben, und wie sehr wir uns zugleich alle nach neuen, hoffentlich eben so guten, sehnen. Ich bitte Sie den Dr. Golukowsky bestens von mir zu grüßen, und ihm zu sagen, daß ich ihm mit den Abhandlungen, welche er mir an Steffens mitnehmen wollen, jetzt nicht beschwerlich zu fallen brauchte, indem ich in 3 Wochen selbst dahin abginge. Die Frau von Koehler, die Familie Stengel, Cornelius und mein Bruder, der mich auf dieser Reise begleiten, und dann wohl nach Berlin gehen wird, lassen Sie herzlich grüßen. – Gern erführe ich vor meiner Abreise ihre Meinung! –

Leben Sie wohl.
Voll Hochachtung
der Ihrige

G.F. Waagen.
Adresse: Ludwigsvorstadt. No. 62.