München .
Ich freue mich ungemein, endlich wieder zum ruhigen Schreiben an Sie, mein innig Verehrter Freund, zu gelangen. Mein gezwungnes Stillschweigen hätte mir zum wahren Kummer gereichen können, wenn es möglich gewesen wäre mir vorzustellen, daß Sie solches aus einem Unmuth oder Verdruß über die Äußerungen Ihres letzten Schreibens herleiteten. Aber Sie kennen mich zu gut; Sie beurtheilen zu richtig unser ganz auf Redlichkeit und gemeinschaftliche Wahrheitsforschung gegründetes Verhältniß, um bey Ihnen einen solchen Gedanken voraussetzen zu dürfen. Sie wissen: ich will gegen Sie nichts scheinen, es ist mir um aufrichtige Einigkeit unsrer Geister zu thun. Seit ich Sie, dem Geist und Herzen nach, kennen gelernt, lege ich einen großen Werth darauf, mich mit Ihnen einig zu finden und meine Überzeugungen an die Ihrigen wie an einen Prüfstein anzulegen; aber ebendarum kann mir auch nur mit aufrichtiger Übereinstimmung Genüge geschehn, und seit dieser Zeit kann ich auch nie an Ihnen irre werden, Sie mögen über mich und mein Thun urtheilen, wie Sie wollen. Sagen Sie mir auch künftig alle Ihre Gedanken grade heraus, ohne Verkleidung und Einhüllung; ich nehme alles an, was von Ihnen und also auch aus Ihnen kommt.
Sie fanden die Reaktion in dem Buch über Jacobi nicht im Verhältniß der Action, zu viel Leidenschaft u.s.w. Sie glauben, daß dieser Fehler nirgends nachtheiliger auffallen und wirken konnte als in einer so heiligen Sache, wie die Untersuchung von Gott und göttlichen Dingen ist.
Ich kann nicht gut mein eigner Richter seyn; ich habe auch Fleisch und Blut und kann zu weit gegangen seyn. Daß ich es aber einsehe, kann ich nicht mit Wahrheit sagen; noch jetzt würde ich in der Hauptsache grade so, in Nebendingen vielleicht anders – wer weiß ob weniger scharf? verfahren.
Ich will nicht anführen, daß Ihnen Jacobi selbst unstreitig in einem viel günstigeren Licht erscheint, als er bei näherer Kenntniß erscheinen kann. Ich begreife dieß um so eher von Ihnen, von einer Menge achtbarer Menschen, als es mir gerade ebenso mit ihm ergangen ist. Es haben nicht weniger als , die ich in seiner Nähe und in speciellen Verhältnissen mit ihm zubrachte, dazu gehört, mich ihn, so kennen zu lehren, wie ich ihn kenne. Was den Geist betrifft – denken Sie sich ein Maximum von dem, was wir in Würtemberg unter ausländischer Seichtigkeit uns vorstellen, und Sie haben ein ohngefähres Maß. – Dieser Mann, der ganz für Wahrheit, Recht, Freyheit und Ehre zu glühen schien, hat in der kurzen Zeit seiner hiesigen Laufbahn keine Art von Cabalen, Ränken, niedriger Schmeicheley u.a. verwerflichen Mitteln gescheut, um seiner persönlichen Eitelkeit Genüge zu thun. Diese Vorstellung von ihm ist nicht die meinige, sondern die allgemeine derer, die ihn hier beobachten konnten, und sogar seiner (von 30 Jahren her) gewesnen Freunde. Wenige, die durch ihn ihr Glück (was man so nennt) gemacht haben und sich unter seinen Schutz begeben hatten, weil sie sich selbst Achtung zu verschaffen unvermögend waren, machen eine Ausnahme hievon. Daher auch die Erscheinung, daß während man auswärts meine Schrift hart fand, hier, die eben erwähnten ausgenommen, jedermann sie gerecht und der Person wie der Sache angemessen gefunden hat.
Ich will ebenso wenig anführen, daß Jacobi es war, der zuerst die Beschuldigung des Pan- und Atheismus und überhaupt der gräulichsten Irrthümer gegen mich auf die Bahn brachte; (vor , wo sein Ausfall erfolgte, schämte man sich doch noch, mir dergleichen zuzutrauen); daß ebenderselbe durch jede Art von Mittel, besonders durch Aufsätze, Recensionen u.s.w. in öffentlichen Blättern, die er durch seine Anhänger verfertigen ließ, diese Meynung immer mehr verbreitete und weil ich schwieg bey der Menge dergestalt befestigte, daß sie unstreitig noch jetzt die am meisten verbreitete ist.
Ich will dieß alles nicht anführen, da es auf mich wirklich nur einen untergeordneten Einfluß gehabt hat. Was mich eigentlich antrieb, und, wenn Sie wollen, in eine Begeisterung des Zorns versetzte, ist die nachtheilige Wirkung dieses Mannes in Bezug auf religiöse Überzeugung. Grade diese Lau- und Halbheit ist es, durch welche unser Zeitalter zu Grunde gegangen. Dabey der Heiligen-Schein des eifrigsten Religions- ja sogar Christenthums-Lehrers, mit dem er sich umgeben, und wodurch er sogar manche eifrig religiöse Seelen, (Claudius jedoch, und ähnliche ausgenommen) hintergangen hat, während er – ich will nicht sagen über den Glauben – über die blose Vorstellung einer unmittelbaren Offenbarung, der Göttlichkeit Christi und der Schrift – lächelt. Ich bin so wenig intolerant gegen den Gläubigsten als gegen den Ungläubigsten, wenn er es nur recht ist, weil mir scheint, daß jeder durch die offne Äußerung dessen was er denkt, sich von selbst an seine rechte Stelle setzt. Aber solche Heuchler, wie sie die von mir angeführte Stelle der Offenbarung darstellt, Menschen, die bey der Welt gern den Ruf aufgeklärter, freydenkender Köpfe und bei Kindern Gottes den Namen der Gläubigen erhalten – Belial und Christus zugleich dienen wollen – diese waren und sind mir ein Gräuel. Da ist es dann nicht möglich »daß blos Geister sich im edlen Wetteifer zeigen«, die »Gemüther« müssen wohl auch Antheil nehmen. Ich kann beydes einmal, in solchen Sachen nicht trennen; sagt doch auch ein Heiliger »der Eifer um dein Haus hat mich gefressen .
« Ob es ein solcher reiner Eifer, ein göttlicher Zorn ist oder das Gegentheil, weiß der Herzenskündiger; doch wird man es auch dann zum Theil beurtheilen können, wenn man sieht, wie ich meine Überzeugung darlege, und ob ich mich des Evangeliums von Christo schäme. Als mir die Begriffe für eine göttlich geoffenbarte Religion fehlten, hatte ich es keinen Hehl; da ich noch nicht zu der vollen Tiefe der Überzeugung gekommen war, wie jetzt, schwieg ich; wie ich jetzt reden werde, wird man sehen. Überhaupt glaube ich, daß unserer Zeit nicht die Sanftmuth so gut ist als die Strenge. Treibe ich es zu weit, so ist zu bedenken, daß mit diesem Fehler mir vielleicht auch das wenige Gute genommen würde, das in mir ist.
Legen also auch Sie, Verehrter Freund, Eines gegen das Andre in die Wagschaale, wie ich hoffe, daß am Ende dieser Periode der Wissenschaft, der Philosophie und Theologie sich manches ausgleichen wird, was jetzt mistönt.
Es war zu erwarten, daß meine Schrift eine Menge Gegner aufregen werde. Je mehr Menschen sich noch kund geben, desto besser. Es stand auch zu erwarten, daß sie alle auf die scheinbar behauptete Entfaltung und Entwicklung Gottes losgehen und mich verkezern würden. Dieß muß ich mir gefallen lassen, indem ich über diese Sache mich nur im ganzen Zusammenhang meiner Ansicht erklären kann. Ich glaube freylich, daß es wörtlich zu verstehen ist: »Ich bin der da war, der da ist und der da seyn wird,
« (obgleich in diesen 3 Perioden der nämliche ewige Gott). Dieses ist unsern aufgeklärten Theologen ein Ärgernis. Ihre Erinnerung, statt Entfaltung – Offenbarung, Manifestation zu setzen, werde ich indeß, bis ich allen Misverstand auch bey jenen Ausdrücken aufheben kann, dankbar mir zu Nutz machen.
Den Einwurf betreffend, von dem Sie sagen, daß Sie ihn nicht recht aufzulösen wissen: »daß Gott (der persönliche) nur primus inter pares seyn würde, weil Er, wie alle endlichen Geister, nur aus dem Grunde (dem B) sich emporhebe
«, so glaube ich, Sie werden ihn leicht lösen, wenn Sie nur Folgendes in Erwägung ziehen a) daß dieser Grund in Ansehung Gottes doch immer ein zu ihm, auch als persönlichem Wesen, Gehöriges wenngleich von ihm Verschiednes, ja sogar ihm als solchem Unterworfenes ist; dagegen er von den endlichen Geistern ewig unabhängig bleibt, Etwas, das sie nie in ihre Gewalt bekommen, – sowie daß dieser Grund gleich uranfänglich in Gott selbst (seiner Totalität nach betrachtet) und nur außer ihm (als Geist) ist, (was zu einem Wesen gehört, kann darum doch außer ihm seyn und umgekehrt); daß dagegen dieser Grund für jeden endlichen Geist immer und ewig etwas war, ist und bleibt, das außer ihm – und zwar in jeder Beziehung außer ihm ist. b) (was die Hauptsache ist), daß Gott sich aus diesem Grund durch eigne Kraft zur Persönlichkeit und Geistigkeit verklärt, (wie dieß geschehe, bleibt hier freylich bey Seit gesetzt); dagegen die endlichen Geister aus ebendemselben nur durch den Willen und die Wirkung Gottes und zwar des persönlichen Gottes, der sie aus dem, was rücksichtlich seiner ein οὐκ ὄν ist, erschafft, emporgehoben werden. Also ist Gott hiedurch so wenig primus inter pares als der Schöpfer unter seinen Geschöpfen.
Manches wird Ihnen freylich auch hievon noch räthselhaft vorkommen; aber gedulden Sie sich noch kurze Zeit. – Endlich wird – ich hoffe es zu Gott und bitte ihn darum – durch seine Hülfe das Werk zu Stande kommen, wodurch ich dieß alles verdeutliche. Ich meine die Weltalter, die, so Gott hilft, zu kommen.
Ich höre, daß auch Herr Süßkind sich bewogen gefunden hat gegen mich auf zu treten, und zwar mit einer höchst gemeinen, meine Sätze in lauter Unsinn hineinarbeitenden Polemik, wie sich denn nichts andres erwarten ließ, wenn dieser Kopf aus meinen bruchstücklichen Äußerungen ein Ganzes zusammensetzen wollte. Er meinte vielleicht, ich werde es dießmal, wie mit seiner ersten Abhandlung halten, die ich erst mehrere Jahre nach ihrer Erscheinung bey meinem Aufenthalte in Würtemberg kennen lernte. Allein ich bin dießmal entgegengesetzter Gesinnung. Von nun an ist es Ernst. Wer sich gegen diese Sache auf den Kampfplatz begiebt, mag sehen, wie er davon hinwegkommt. Ich habe zwar keine Lust, den Wust von Unsinn mit ihm zu durchwaten, den er mit der ihm eignen Industrie zusammengehäuft haben soll, (denn noch habe ich nur 4 Bogen des Products gesehen, und weiß vom Ganzen nur durch einige Freunde), aber ich werde die Anmaßung dieses unberufenen Beurtheilers in ihrer vollen Blöße darzustellen für Pflicht halten. Sein Benehmen in andrer Hinsicht, da er sich von je her als einer von denen gezeigt, die gern bey beyden Theilen ihr Licht leuchten laßen, macht ihn ohnehin keiner Schonung würdig.
Ich habe bis jetzt von meinen persönlichen Umständen gar nicht geredet. Seit Sie mir geschrieben, habe ich meinen guten Vater verloren, dessen Verlust für mich höchst schmerzlich und empfindlich war, auch darum, weil er hinweggieng, eh’ ich ihm den vollen Tribut meiner Dankbarkeit öffentlich bezahlen konnte. Dagegen hatte ich ein Vierteljahr vorher wieder ein Weib genommen, und darin, Ihren freundschaftlichen Rath erfüllt, noch eh’ er mir zukam. Gott sey Dank, ich habe gefunden, was ich bedurfte, ein Herz nach meinem Herzen. In dieser kurzen Zeit habe ich schon manche häusliche Unfälle bestanden, die, äußerlich wenigstens, meine Ruhe nicht wenig gestört und die Vollendung meiner Arbeiten – auch meine Antwort auf Ihr freundschaftliches Schreiben – verzögert haben. Sonst ändert dieses Verhältniß nichts in meinem eigentlichen Thun, meinem auf die Ewigkeit gerichteten Streben, sondern soll es, hoffe ich, immer mehr fördern. Daß auch Sie sich schon früher wieder in den ehlichen Stand begeben, habe ich mit vieler Theilnahme gehört. Möge dieses Verhältniß dazu dienen, Sie noch recht lange in voller Kraft und freudiger Wirksamkeit zu erhalten. – Ich bitte Sie, mich Herrn Sup˖[erintendenten] Rieger und seiner Familie auf’s Angelegentlichste zu empfehlen.
Ich werde Ihnen sehr danken, wenn Sie mir auch von dem Stand der Wissenschaft, besonders der Philosophie und Theologie, bey uns von Zeit zu Zeit einiges mittheilen wollen. Antworte ich nicht immer gleich, so denken Sie nur, daß ich nicht müßig bin sondern arbeite für das, was auch Ihnen das Höchste ist, und dabey recht oft Ihrer gedenke und mit wahrer, auf Ewiges gegründeter Verehrung bin
Ihr
innigst ergebner
Schelling.