Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Herrn Director von Schelling

in

Erlangen

fr˖[ey] Grenze.

No. 10

No. 19.

Dein Brief No. 9 ist, (ich weiß nicht aus welchem Irrthum der Post) einige Tage später in meine Hände gelangt. Mit Vergnügen habe ich daraus gesehn, daß die kleine Tour nach Nürnberg Dir doch einige Zerstreuung gewährt hat, und daß das späte Nachhausefahren Dir nichts geschadet, ist doch ein Zeichen Deines beßern Befindens. Für die Kinder mag es ein rechter Festtag gewesen seyn, und ich habe mich in ihrer Seele darüber gefreut. Du kannst ja bald wieder die kleine Reise unternehmen. Heute sind es , daß wir hier anlangten, die Zeit ist doch schneller verstrichen als ich anfangs glaubte. Gegen den rechne ich bey Dir zu seyn, liebster Freund! Wie ich der Kleinen heute erzählte sie würde den Papa bald wieder sehn, freute sie sich herzlich, dachte aber gleich auch an ihre Pathe und die Hüner die sie füttern würde. Es ist ein allerliebstes, gescheutes kleines Ding. Diese Tage über erlaubten die abwechselnden kleinen Regenschauer keine entfernten Spaziergänge, wir haben uns nicht weiter als nach den lieben Posthof gewagt. Fanny Caspers die sehr erfreut über unser Zusammentreffen sich zeigte, hat uns einige mal begleitet wie auch Frau Mitterbacher, Fanny ist magerer und älter geworden, aber schon wieder Braut mit einem jungen Handlungsdiener von 27 Jahren in Wien, eine sehr kleine partie wie sie mir versicherte, da er kein Vermögen, und nur 1000 fl Silber einzunehmen hätte, ich konnte es kaum über mich vermögen ihr Glück zu wünschen, da ich nicht eher an die Heyrath glaube, als bis der Priester sie getraut hat. Nach Dir hat sie sich angelegentlich erkundigt, und mir viele Empfehlungen aufgetragen, wie auch der Consistorialrath Danz den ich neulich bey Mitterbach˖[er] traf. Er versicherte mir daß Du sein Lehrer geweßen wärst, das klingt jetzt comisch aus seinen Munde, da er dem Ansehn nach, fast Dein Vater seyn könnte, er erzählte dabey, in seinem Leben nicht wieder einen so gefüllten Hörsaal gesehn zu haben, und setzte er hin zu, man muß das Auditorium kennen, um erst recht zu erstaunen, daß dieser große Raum nicht einmal alle Zuhörer faßte. Oken glaubt man wird mit der Zeit wieder in Jena angestellt. Neulich waren einige Musensöhne aus Halle hier, die auffielen wegen weißen Strohhüte mit Blumengirlanden geziert; aber ob sie gleich in ihren Putz etwas geckenhaft erschienen, so machten sie doch nicht so einen widrigen Eindruck, wie die Bareuther Bierlümmel. Wie denkst Du es in Ansehung der Kinder mit Nürtingen zu halten? –

Lebe wohl für heute, liebster Freund! Die Kinder lassen mir keine Ruhe mehr, ich soll mit ihnen ausgehn.

Mit Mühe und Noth beendeten wir Nachmittag unseren Spaziergang nach dem ###Felsen noch vor Ausbruch des Gewitters, das aber diesmal wirklich furchtbar schön über Carlsbad heranzog, und mich wahrhaft entzückt hat, der 3 Kreutzberg erst glänzend wie Gold von den letzten Strahlen der Sonne, erschien auf einmal hell erleuchtet, aber förmlich blau grün, wie ich es nie in der Natur gesehn habe, und das Carlsbader Thal verfinsterte sich wie damals in München bey der merkwürdigen Sonnenfinsterniß, zugleich zeigte sich auch auf der schwarzen Seite des Himmels der farbigste Regenbogen während die andere Hälfte des Himmels goldgelb erschien, aus diesen gelb erklärte ich mir auch nach Goethes Farbenlehre die blaugrüne Farbe des 3 Kr˖[eutz]bergs die wirklich feenartig war. Lina und die Kleine haben immer große Freude am Gewitter und fürchten sich gar nicht. Der fruchtbarste Regen folgte dem Ungewitter und hat die ganze Nacht angehalten, die Sprudeltrinker waren also größtentheils zimlich beschränkt heute da die Promenade sehr naß war. Der Regen dauert auch den Tag über abwechselnd fort und es ist leider auch etwas Kälte eingetreten, die nicht willkommen ist, und mir besonders für Dich höchst verdrießlich wäre, wenn sie anhielte, da sie Deiner Gesundheit niemals zusagt. Du sagst mir gar nichts, lieber theurer Freund! in Deinem heutigen Brief, wie Du Dich befindest? und Du weißt doch, wie mich das über alles zu wissen verlangt. Daß es Dir mit dem Baden so hinderlich gehe, bedauere ich von Herzen, Du solltest doch mit Heinlein reden daß er den Keßel flicken läßt. Ach! wärst Du nur mit mir gegangen, das wäre gewiß das Klügste geweßen, und ich habe ja bis auf den letzten Augenblick Dir zugeredet, ich begreife deswegen nicht was Du von lang zuvor beschlossenen Einrichtungen sagst, die dann hätten rückgängig werden müssen, die Sache hätte sich aufs leichteste und mir natürlich zur größesten Freude arrangirt.

Daß die Knaben wieder mit ihrer Kleidung brouillirt sind, habe ich auch ### vernommen, doch habe ich bereits hübsche Hosen für sie gekauft die ich ihnen mitbringen will, lasse sie nur die ### in die Schule tragen, nächstes Jahr sind sie doch daraus heraus gewachsen. Du thust mir übrigens Unrecht, wenn Du meynst, ich hätte nicht vorher ihre Garderobe in Ordnung gesetzt, ich habe es nach Kräften besorgt, so viele Kleidungsstücke kann man ihnen aber nicht auf einmal geben, schon des Verwachsens wegen, Du solltest nur sehn wie viel ich solche verwachsene Hosen und Jäckchen besonders von Sommerzeugen aufbewahre, die ihnen unnütz geworden.

Großes Vergnügen und Belustigung hat mir das Betragen der kleinen jungen Frau aus München gewährt, und ich wünschte nur ich hätte es mit ansehn können, daß der Mann nicht geistreicher geworden, kann ich mir vorstellen, Hast du auch etwas von dem Text seines Werks gelesen? – Das junge kleine Frommänchen war wohl sehr glücklich über Deine Einladung? – Nach dem was Du mir schreibst geht wohl Goethe wieder nach Eger? Der Wirth von der Sonne schmeichelte sich schon damit, wie wir durchreisten; ich hielte es aber nur für ein Gastwirthsgeschwätz. Hier füllt es sich täglich mehr, viele Gestalten des erscheinen mit neuem Putz und ältern Gesichtern. Die meisten begrüßen mich mit Freude und Erstaunen. Heute versicherte mir ein Wiener Kaufmann sehr gutmüthig, »es mache ihm mehr Freude mich so zu sehn, als wenn ich ihm das Kostbarste abkaufe, Sie wissen nicht«, fügte er hinzu, »wie viel Sie im Stillen bedauert worden sind.«

Nun lebe wohl theurer Freund! mein Blatt geht zu Ende, daß ich kaum Raum finde, Dich und Deine kleinen Ebenbilder innig in Gedanken an mein Herz zu drüken. Immer die Deinige.