Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling.

in

Carlsbad.
im weißen Hirsch.

Böhmen.

fr˖[ey] Gr[än]ze.

No. 24.

Du willst, daß ich an diesem Tage schreibe und so geschieht es auch; so unnatürlich mir vorkommt, wenige Stunden zu schreiben, eh’ ich einen Brief von Dir erhalte, auf den ich dann am Freytag gleich antworten könnte. So erhältst Du auf den Brief, den ich am Donnerstag bekomme, erst 11 Tage, nachdem Du ihn geschrieben, Antwort und unser Briefwechsel, der ohne dieß mit vielen Umschweifen verknüpft ist, wird dadurch noch schleppender. Da nun Dein letzter am erhaltner Brief wenig Stoff darbietet und auch in meiner Nähe nichts Bemerkenswerthes sich ereignet, so mußt Du heute mit Wenigem vorlieb nehmen. Die angenehmste Nachricht in Deinem letzten Brief war, daß Du am hier seyn willst. Ich sehe zwar die Möglichkeit davon nicht recht ein, will es mir aber inzwischen selbst glauben machen. Horntasch fragt beständig, ob Du doch nicht geschrieben habest, Du scheinst versprochen zu haben, daß Du ihn wieder kommen lassest; dazu wär’ es aber die äußerste Zeit, wenn es mit dem 21sten seine Richtigkeit hätte. Unangenehm ist, daß Du mir in dem letzten Brief nichts von Deinem Befinden schreibst – wär’ es auch bloße Wiederholung gewesen. – Es ist freylich sonderbar, daß unsre Wege so wenig zusammengehen, daß Du und ich, beyde 2mal allein in Carlsbad seyen und das mein Aufenthalt abgekürzt werden mußte damit Du früher nach Fr˖[anzens]bad kamst. Es ist im Großen, wie im Kleinen, da wir uns ja seit 11 Jahren selten nur zu einem Spaziergang vereinigen konnten. Herr Endres wollte mich zu einer Partie nach Pommersfelde – aber sehr ungeschickter Weise in Gesellschaft von Böttiger und einem jungen Prof. Hofmann einladen, wo ich dann natürlich ablehnte. Nach Nürnberg bin ich auch nicht wieder gekommen, die Zeit dauret mich. Wenn ich meinerseits bedauren kann, nicht nach C˖[arlsbad] Dich gegleitet zu haben, tröstet mich, daß ich es als eine ### anseh’n muß. Denn obwohl ich zum Schreiben und Ausarbeiten meist meines Befindens wegen unaufgelegt war, bin ich doch innerlich viel weiter gekommen, als es in C˖[arlsbad] möglich gewesen seyn würde. Weitere Spaziergänge schränke ich meist auf Mittwoch und Sonnabend ein, weil an den übrigen Tagen der Woche Paul von 5–6 noch Stunde bey Herrn Schönbein hat und ich gern vor 8 Uhr zu Hause bin. Wie ich vorausgesehn, spielt nun Mlle Fanny eine Hauptrolle in Deinen Briefen und die frühere anständigere Gesellschaft ist in Hintergrund getreten. Dieses inconsequente und unbedeutende Geschöpf ist kein Umgang, der sich für Dich geziemt. Über das Wetter haben wir uns hier durchaus nicht zu beklagen, auf jedes Gewitter folgt bald wieder Sonnenschein und Wärme, und diese Mischung von Hitze und Feuchtigkeit ist für das Gedeihn der Früchte unschäzbar. Heute habe ich für die Kinder die ersten Kirschen kaufen lassen, 60 für 1 x. Mit Paul bin ich im Ganzen zufrieden, sein Lernen macht mir Freude, er hat in wenigen Wochen viel begriffen, und was mich freut, ist, daß er selbst das Gefühl hat, weiter gekommen zu seyn; wenn dieser Punct einmal erreicht ist, pflegt es schnell vorwärts zu gehen. Nichts desto weniger kann ich bey seiner Flatterhaftigkeit nicht dafür stehen, daß er nicht bey der leichtesten Sache Anstoß findet oder die größten Fehler macht. An Friz aber ist Hopfen und Malz verloren. Seine Trägheit und unglaubliche Gleichgültigkeit sind kaum zu überwinden. Nur eine strenge Schule, und gleichförmig anhaltende Zucht kann ihn bessern.

Leb’ recht wohl mit Deinen beyden lieben kleinen Mädchen, kürze Deinen Aufenthalt nicht zum Nachtheil Deiner Cur ab und verlängre ihn auch nicht über Noth. Wann Du auch kommen mögest, werd’ ich mich herzlich freuen. Gott segne Dich und laß’ es Dir in allem wohl gehen. Grüße Julchen.