Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Herrn Director von Schelling

in

Erlangen

fr˖[ey] Grenze

No. 10

No. 19.

Wieder, mein lieber theurer Freund! bin ich heute leer ausgegangen; das soll mich aber nicht abhalten Dir heute zu schreiben wie gewöhnlich, wenn ich Dir auch nichts neues von unser aller Befinden zu melden habe. haben wir Julchens Geburtstag gefeyert, das kleine Mäuschen hat ihr einen Kranz von Rosen und Lilien gebracht so dick und groß wie das ganze Kind selbst, Lina einen Straus und noch einige kleine Geschenke, den Nachmittag tranken Frau Mitterbach und ihre Cousine und Schwägerin die sich bei ihr aufhalten nebst dem Doct. Buddeus und den zwey Berliner Damen den Kaffe bey uns, der Staatsrath Schilcher der mich abermals mit seinem Besuche beehrte, kam ungebeten dazu. Heute haben wir ein andres Fest gehabt – wir sind nehmlich ausgezogen und wohnen jetzt statt in den zwey Störchen 2 Häuser davon im goldnen Fasan. Unsre frühere Wohnung konnte ich nur bis erhalten da sie aber sehr hübsch, eine Treppe hoch und die erste war die mir im Wurf kam, miethete ich sie denoch. Die jetzige ist 2 Treppen hoch; sonst aber auch recht hübsch, und geräumig. Das Wetter ist seit einiger Zeit abwechselnd doch meist warm und die Gewitter regen sind nie anhaltend. Endlich wird es auch recht lebhaft, der Erzherzog Johann und der Großfürst Michael scheinen mehr Leben in die Badegesellschaft zu bringen wenigstens war der erste Ball; im ganzen klagen aber die Karlsbader, daß es dieses Jahr trotz des ausgesuchten schönen Wetters nicht so voll werden wollte als bey der ungünstigen Witterung.

Lebe nun wohl, Geliebter! es zeigt sich wieder ein Sonnenblick, den will ich benutzen, da der Regen mir heute noch nicht erlaubte einen gehörigen Spaziergang zu versuchen. Gott beschütze Dich und die lieben Kinder und erhalte mir Deine Zuneigung. Mit zärtlicher Liebe die Deinige.