Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Frau Directorin von Schelling

aus Erlangen

gegenw˖[ärtig] in

Carlsbad

im weißen Hirsch

fr˖[ey] Gr[än]ze.

No. 2

No. 2.

Liebstes Herz

und heute früh war ich Deinetwegen einigermaßen besorgt, denn der Kutscher war noch nicht zurück, den sein Vater schon erwartet hatte: diesen Morgen aber, kurz vor 12, seh’ ich ihn nicht wenig erfreut, da ich vor’s Baireuther Thor gegangen war, durch die Schwabach fahren und erhielt sogleich Deinen lieben Brief, den freylich andre als meine Augen kaum zu lesen im Stande gewesen seyn würden. Gott sey Dank, daß Du so glücklich an dem Ort Deiner Bestimmung angekommen bist. Die Wohnung, die Du gewählt kann ich mir nicht deutlich vorstellen. Ist sie ober- oder unterhalb des Gäßchens, das auf den Sprudelsteg führt, die Wiese als ober dem Markt angenommen? Bey der Art der fortdaurenden Witterung ist eine nach 2 Seiten gehende Wohnung nicht übel; man ist gewiß, immer in Einem Zimmer Sonne zu haben. Der kalte Wind, der auch hier immer noch weht, wird Dir doch wohl verbieten, den Brunnen so früh wie zu trinken. Übertreibe ja nichts und halte Dich, so wie die Kinder vorzüglich warm! – Es ist troz des schönen Wetters, nicht bloß für mich, sondern an sich ein trauriger Frühling. Es wird nur so allmälig Ein Baum nach dem andern grün, und die ausschlagenen muß man ordentlich bedauren, wegen der rauhen Luft. Auch die menschliche Natur befindet sich nicht wohl dabey. Man kann den Schnupfen nicht loswerden, heiß genug, um sich zu erhitzen, wird man immer zugleich durch den Wind erkältet; kurz es ist ein unbehaglicher Zustand. Indeß sind wir alle wohl. Auch habe ich sonst keine Ursache zu klagen, besonders da ich nicht wie im vorigen Jahr mit ### Leuten sondern mit der einen gutmüthigen, alles leis’ und ordentlich verrichtenden Person zu thun habe. Es wird Dich freuen zu hören, daß Paul gut fortfährt und man auch in der Schule mit ihm zufrieden ist. Döderlein, der gestern mich besuchte, brachte mir ein sehr gutes Zeugniß von dem Herrn Göz, der früher am meisten unzufrieden mit ihm war. Den Friz, da er gar keine weitere Ausflucht und Unterhaltung sieht, habe ich endlich auch in Bewegung gebracht. Er hat jetzt seine regelmäßigen, täglichen Aufgaben, die Paul besorgt, und die er (freylich sind sie sehr leicht) bis jetzt immer fehlerfrey geliefert hat. Paul gibt ihm auch wieder Stunden, diesen lasse ich täglich 1-2 Capitel im Cornelius mit mir lesen, und bringe ihn, da er keine andre Zerstreuung im Hause hat, leichter dazu, sich auch sonst zu beschäftigen. Er hat mir bis jetzt noch keine Ursache, über ihn zu klagen, gegeben. – Die Schlüssel habe ich leider! noch nicht erhalten. Warum hast Du sie denn nicht dem Kutscher gegeben? So lang’ konnt’ ich sie leicht entbehren! Sie durch die fahrende Post von Baireuth zu erhalten kann ich mir nicht mehr schmeicheln, denn diese ist angekommen, und Du bist so karg mit Worten, daß ich nun nicht einmal weiß, wo ich sie zu suchen habe. Ich bin doch begierig, welchem Menschen Du sie anvertraut, anstatt auf’s Einfachste sie dem Kutscher mitzugeben. Hoffentlich nicht irgend einem Voyageur? Schreibe mir wenigstens gleich bestimmt darüber; so lang’ als möglich werd’ ich den Schreibtisch schonen, endlich aber werde ich doch genöthigt seyn, ihn aufbrechen zu lassen. Neues weiß ich Dir nichts zu melden, wenn es Dich nicht interessirt, daß Mehmel Prorector geworden ist und die Studenten dem abgehenden wie dem neuen Prorector eine Fackelmusik gebracht haben, die für unsre Jungen ein großes Evenement war, da der Zug in unsrer Straße bey unsrer Wohnung sich aufstellte. Freudels (ich habe nur ihn gesehn) wollen nach Regensburg, wahrscheinlich aber auch nach München verreisen. Der Kutscher ist noch nicht bey mir im Haus gewesen. Da Du ihn bezahlt, werde ich nun gleich eine Summe für Dich bey Seite legen. Schreibe nur, sobald Du sie brauchst. –

Vor allem, lebe recht wohl, brauche die Cur (In diesem Augenblick erhalte ich die Schlüssel durch einen Studenten) fröhlichen Muthes und voll von Zuversicht; schone Dich aber dabey und nimm Dich recht in Acht. Schreibe mir recht regelmäßig und ausführlich, besonders auch was Mitterbacher meynt. Gott mir Dir und den lieben Kindern. Lies der kleinen Julie doch zuweilen aus meinen Briefen etwas vor. Grüße Julchen auf’s Beste.
Dein

Sg