Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn Director von Schelling

in

Erlangen

fr˖[ey] Gr[enze].

No. 1

spät wie ich den Brief an Dich siegelte, trat der Doctor noch ins Zimmer, er war spät nach Hause gekommen, wo er Deinen Brief fand, eilte aber gleich zu mir, um seiner Freude und Überraschung noch Luft zu machen, er konnte mir nicht genug ausdrücken wie seine Freude bey Lesen Deines Briefes immer gesteigert worden wäre, doch machte er mir einige Vorwürfe ihm nicht früher Nachricht von meiner Gesundheit gegeben zu haben, da er diesen oft darmals besorgt geweßen sey. Heute Morgen war er ganz früh wieder da, meinen Bauch zu untersuchen, und konnte sich über die Veränderung nicht genug wundern, zu trinken hat er mir aber nicht ### erlaubt, ich muß also heute den Sprudel noch mit Tantalischer Begierde ansehn. Wie lebhaft M˖[itterbachers] Freude an meiner Geneßung ist, konnte ich auch heute abmessen, wie ich auf die Wiese kam und meine dortigen Bekannten besuchen wollte. Bey allen war M˖[itterbacher] selbst geweßen Ihnen die frohe Nachricht zu verkünden, und bald hatte es sich wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt verbreitet, den Jubel und die Freude der Carlsbader darüber kannst Du Dir gar nicht denken, es war mir rührend wie ich von allen Seiten, auch von Menschen denen ich mich nie gesehn zu haben erinnerte mit theilnehmenden Freudensbezeugungen überschüttet wurde, aus jeder Hausthür kamen sie gelaufen und von jedem Fenster wurde mir freundlich zu gewinkt. Der Wallfischwirth versicherte mir, er möchte vor Freuden, Thränen vergießen, ja setzte er hinzu »Ew. Gnaden werden gern gesehn werden. Sie machen dem Bade einen Ruhm, das ist ein großes Stuck!«

Heute habe ich ihn zum ersten mal wieder gekostet den wunderthätigen Quell, 4 Becher nach des Arztes Vorschrift. Mit wahrer Wollust habe ich ihn hinunter geschlürft, es that mir nur leid statt der alten Sprudelreiter andere zu finden die mir einschenkten, Fremde sind nur wenige hier, 6 bis 8 in Ganzen; die meisten trinken noch zu Hause, so war ich außer einigen Carlsbadern, der einzige Kurgast am Sprudel. Der D˖[octor] Damm hat mich auch auf eine sehr theilnehmende Weise begrüßt und mich viel über meinen Zustand und über die Art und weise wie ich das Wasser gebraucht habe, ausgefragt, da ihm so eine auffallende Wirkung noch nicht vorgekommen wäre. Die Verwundrung der Carlsbader geht immer fort, meist werde ich mit den Worten begrüßt »Sind Sie es Ew. Gnaden, oder sind Sie es nicht? ich habe es zwar schon gehört; aber ich konnte es nicht glauben pp«. Am Ende hast Du doch recht daß ich ausgewechselt bin. Heute ging eine alte Judin an mir vorüber und in dem sie mich grüßte, murmelte sie sich vor sich hin »Heuer sehen Ew. Gn˖[aden] ein bisle anders aus.« Und eine Frau ich glaube, aus dem Hause auf der Wiese, versicherte mir heute, voriges Jahr wären ihr immer die Thränen gekommen wenn sie mich gesehn hätte, und jetzt schauen Sie ja aus so schön wie ein Fraule.

Die Luft ist endlich wieder wärmer und das Wetter heiter und sonnig. Wir waren früh mit den Kinderchen auf den chothekischen Weg und nach Tische auf dem Posthof. Lina und Julie sind sehr lustig und vergnügt und besonders die Kleine durch die Reise und den beständigen Genuß der freyen Luft so gewaltthätig und verwegen geworden, daß die gute Rita sie nur mit Mühe bändigen kann. Der kleine Ausschlag im Gesicht ist auch verschwunden was Dich freuen wird. Auf der Reise und im Laufe des Tags hat sie wenig nach Dir und den Brüdern gefragt; aber heute und früh nach den Frühstük, verlangte sie aufs ungestümmste von mir sie zum Papa zu tragen, und hat bitterlich geweint, wie ich ihr die Unmöglichkeit davon erklärte. Von Bam und Fer spricht sie oft im Schlaf, auch unterläßt sie nicht jeden Abend des kleinen nächtlichen Unglücks was neulich dem Fritz begegnete zu erwähnen, indem sie versichert sie würde es des Nachts nicht so machen. Mitterb˖[acher] hat sich wieder sehr über die Kinder gefreut. Wüßte ich nur auch schon wie es den Abweßenden geht, und ob Du Dich liebster, bester! wieder wohl fühlst! In unsrer bequemen geräumigen Wohnung höre ich nicht auf Dich zu uns zu wünschen, es würde Dir gewiß behagen, und ich lege es Dir noch mals ans Herz, wenn Du Dich nicht bald ganz wohl fühlst und es mit der Arbeit nicht nach Wunsch geht, laß alles in Stich, und komme hier her, der Sprudel macht Dich gewiß wieder gesund.

Heute bin ich schon zu 6 Becher Sprudel geschritten, er ist gar zu erquicklich! aber auch das einzige hier außer den Kinderchen was mir ein wenig die bittere Trennung von Dir versüßen kann. Diesen Morgen war ich in der Kirche und habe die kleine Pöschmann trauen sehn. Ein nettes Bräutchen und ein junger wohlgestalteter Bräutigam der Kreiscomißär in Ellenbogen ist. Die Hochzeit soll brillant werden, das hat mich abgehalten die Eltern noch zu besuchen, aus Furcht in den Zubereitungen zu dieser Feyer zu stören. Die Witterung ist wieder kalt und stürmisch und die Carlsbader lamentiren über das späte Frühjahr, das auch die Ankunft der Kurgäste verspätet. Jetzt sind alle Maurer und Tüncher in Arbeit auf der Wiese und alle Hände geschäftig die Wohnungen zu säubern. Bis jetzt steht noch die ganze Wiese leer, auch soll es dort kälter wegen der Felsen als auf dem Markt seyn. Eben sind wir sammt und sonders von einen Spaziergang auf dem Hirschensprung zurük, im Schutze der Bäume war der Wind noch zu ertragen. Ich beeile mich Dir ein zärtliches Lebewohl zu sagen da der D˖[octor] ins Zimmer tritt und ich früh vielleicht nicht Zeit finde den Brief zu schließen. Mit großer Sehnsucht erwarte ich nun Briefe und Gott gebe recht gute Nachrichten.

Egerwasser hat Dir Herr Horntasch wohl mit gebracht? ich habe es nicht bezahlt; aber dagegen die Reise wie Dir auch wohl der Kutscher gesagt.

Die lieben guten Kinder küße tausendmal von mir, sie sollen recht artig und fleißig seyn, daß ich in der Entfernung Freude an ihnen haben kann. Lina küßt Dir die Hände. Gott nehme Dich mit den Kindern in seinen gnädigen Schutz.

Pauline.

Viele Grüße von Julchen.