Sr. Hochwohlgebohren
Herrn Director von Schelling
zu
im Kön. Baiern
Frey.
Neuenstadt den
Liebster Bruder!
In der Hoffnung, daß Du mit Deiner lieben Frau und allen Deinen werthen Angehörigen das neue Jahr ebenso gesund, wie wir angetreten habest, finde ich mich veranlaßt, in den ersten Tagen deßelben mich in einer Angelegenheit, die mir sehr anliegt, an Dich zu wenden, und Deine gütige Verwendung, oder wenigstens Auskunft nachzusuchen. Mein und des Herrn O˖[ber] Reg˖[ierungs]raths Wächter Schwager, Herr Ober Consistorial-Secretair Gaupp zu Stuttgart, wünscht aus gewißen Gründen sehr, das Diplon eines Doctors der Rechte zu erhalten. Er hat früher in Moscau, wo er sich mehrere Jahre lang als Gouverneur der Curländischen Edeln von Lieven aufhielt, mehrere juridische Collegien mit diesen seinen E[deln] – oder Lieven gehört, und im Jahre eine juridische Schrift, wenn ich mich recht erinnere – unter dem Titel – Prüfung der deutschen und französischen Erstigkeits-Ordnung im Gant im eigenen Verlag herausgegeben – von der er Dir ein Exemplar durch Carl in Stuttgart zugeschikt zu haben versichert. Ob diese Schrift in gelehrten Blättern schon recensirt worden ist, weiß ich nicht, wohl aber daß sich die beyde Präsidenten Weisherr und Groß zu Stuttgart sehr vortheilhaft über sie schriftlich gegen den Verfaßer geäußert haben. Gaupp behauptet in derselben die nehmliche Grundsätze aufgestellt zu haben, die den neuerdings erschienenen baierischen und würtembergischen Hypotheken-Ordnungen zum Grunde liegen. Man hat ihm zwar von Tübingen aus Hoffnung gemacht, daß er das gewünschte Diplom von da gegen Bezahlung von 88 f Unkosten erhalten könne, aber die Bedingung angeknüpft, daß er sich darum melden und documentiren müße, daß er wirklich in Moscau juridische Vorlesungen gehört habe. Nun wünschte er aber den Gradus Doctoris sich gleichsam entgegengebracht zu sehn und ihn lieber von einer auswärtigen Universität zu erhalten. Es fragt sich nun, ob sich dieses nicht in Erlangen oder irgend einer andern deutschen Universität erreichen ließe, und ob Du die Güte haben wolltest, Dich dafür zu verwenden? Die nehmliche Kosten, die die Sache in Tübingen veranlaßen würde, würde sich Gaupp auch anderswo (aber keine höhere) gerne gefallen laßen, und auf Verlangen seine Schrift den Mitgliedern der jur˖[istischen] Facultät zu Erlangen oder sonst wo zusenden. Sollte das Leztere, wie ich mir fast nicht anders denken kann, nöthig seyn, so sey so gütig ihm oder unserer Schwester zu Stuttg˖[art] nur mit einigen Zeilen die Anzahl der erforderlichen Exemplarien zu benennen, ohne jedoch, wenn Du an leztere schreibst, des Grunds der Sache weiter zu gedenken, da Gaupp das Ganze, besonders wegen der Tübinger, geheim gehalten wünscht. Gaupp hat uns˖[erer] verstorbenen Mutter so viele Freundschaft erwiesen, und thut unserer Schwester, deren Kriegsvogt er ist, so viel Gutes, daß ich überzeugt bin, Du werdest ihm schon in dieser Hinsicht Deine gütige Verwendung nicht versagen. Er ist eben jezt durch die in Folge mehrerer zusammengetroffenen ungünstigen Umstände eingetretene Vereitlung seiner gegründeten Hoffnungen auf eine seinen Kenntnißen angemeßenere Anstellung tief gekränkt, und will, wie es scheint, sich des Doctors-Diplom als einer Brücke zu einer anderweitigen Beförderung bedienen. In jedem Fall will ich Dich inständig bitten, mir bald wieder Nachricht zu geben, ob er seinen Zweck in Erlangen erreichen könne, ob es bes˖[onders] möglich sey, das Diplom ohne förmlich darum anzusuchen, zu erhalten, was er solchen- oder andernfalls zu thun habe, und wie viel die Kosten dafür betragen würden? Wenn Du nicht Zeit haben solltest, mir zu schreiben, so ist vielleicht Deine liebe Frau so gütig nur mit einigen Zeilen mir oder meiner Frau diese Fragen zu beantworten.
Vor einigen Wochen haben wir uns˖[ern] August in Würzburg abgehohlt. Sein Fuß hat sich in den lezten 3 Monaten im Mindesten nicht mehr gebeßert, d.h. er tritt nun zwar vollkommen auf, hinkt aber dafür, da der krankgewesene Fuß bedeutend kürzer ist, als der andere, sehr auffallend. Doch bereue ich es im Mindesten nicht, diesen Versuch gemacht zu haben. Herr Med˖[icinal] R˖[ath] d’Outrepont fuhr bis ans Ende fort, ihm viele Freundschaft zu erweißen, wofür ich Dir herzlich dankbar bin. In Stuttgart ist, so viel ich weiß, Alles wohl. Neues gibt es bey uns nichts. Der neue Wein war herzlich schlecht und wurde bis zu 6–8 fl pr[o] Aimer verkauft.
Möge das neue Jahr für Dich und die liebe Deinige recht geseegnet seyn! Verzeihe mir die Dir zu verursachende Bemühung, und behalte ferner lieb
Deinen
tr˖[euen] Br˖[uder]
August.