Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Frau

Directorin von Schelling

gegenw˖[ärtig] bey Madame Gotter

geb. Stieler

in

Gotha.

fr˖[ey] Gr[ä]nze.

No. 11.

No. 9.

Ich habe in dem letzten Brief (No. 11) alles wegen der Rückreise in Deine Entscheidung gestellt, liebstes Kind, inzwischen aber doch überlegt, daß was die Bestimmung der Zeit betrifft, es natürlicher ist, wenn die Bestimmung von mir ausgeht. Es sind inzwischen auch noch andre Plane auf’s Tapet gekommen; da ich nämlich bey Onkel Adolf die Postkarte genauer ansah, konnte ich nicht umhin zu bemerken, daß der Weg von Hof nach Baireuth und nach Franzensbrunn ohngefähr derselbe ist, daß wir von diesem Ort aus den vorjährigen Weg nach Regensburg nehmen könnten, und insofern die Tagreise, die ich von Franzensbrunn nach Baireuth machen würde völlig unnöthig wäre und sich ersparen ließe. Ich konnte also, da der Weg für Dich gleich groß ist, Dich nach Franzensbrunn einladen, mir aber durch hier befindliche Regensburger einen Wagen von dort hieher kommen lassen, der Dich und die Kinder in Fr˖[anzens]brunnen aufnehme. Adolfs waren natürlich sehr für diesen Plan, die Tante wünscht Dich und die Kinder zu sehen; indeß würde ebendieß den Aufenthalt von einem Tag in Fr˖[anzen]brunn fast zur unvermeidlichen Folge haben, und schon dieß könnte mir den Plan verleiden. Da ich nun überdieß, wenn ich nicht zufällig eine Retour fände, die Reise nach Fr˖[anzens]brunn von hier mit hiesigen Pferden fast so theuer bezahlen müßte, als mit fremden von hier nach Baireuth, so bin ich dann ganz auf Deinen Plan zurückgekommen. Es bietet mir nämlich ein hier befindlicher Anspacher, der von Baireuth hieher für 16 fl. gefahren ist, an, mir durch Verwandte, die er dort hat, denselben Wagen um denselben Preis hieher kommen zu lassen. Nun fodert ein hiesiger Kutscher schon nach Franzensbrunn 25 fl. in Scheinen d.h. 12 fl. unsres Geldes, nach Baireuth aber 25 hiesige Silbergulden – Retouren sind unsicher und da ich meine Wohnung wochenweis’ habe, auch schon überdieß den Termin meiner Abreise soweit als möglich hinauszusetzen wünsche, daß ich nicht gut noch 1 oder 2 Tage auf eine solche Gelegenheit warten könnte, auch Dich, liebes Herz, nicht wohl in Baireuth mehrere Tage auf mich warten lassen dürfte, so habe ich mich entschlossen, das Erbieten meines Ansbacher Bekannten anzunehmen, der durch dieselben Verwandten dort zugleich den Wagen nach Regensburg oder (je nachdem es so wohlfeil wäre, daß die Regensburger es nicht billiger thun würden) nach München bestellen lassen will, und demnach den Baireuther Kutscher für 16 fl. kommen zu lassen.

Demgemäß, und sofern es Gottes Wille ist, werde ich Mittwoch den von hier abreisen und denselben Tag noch nach Thiersheim fahren, so daß ich am noch bey guter Zeit in Baireuth eintreffe. Auch Du, mein Kind, hast von Hof nach Baireuth nur eine kleine Tagreise und wir könnten also so ziemlich zu gleicher Zeit eintreffen, daß keins auf das andre lang zu warten bräuchte. Du könntest, wenn Du den geraden Weg über Saalfeld nimmst und der Kutscher sich anheischig macht Dich in 2 Tagen nach Hof zu bringen, bis zum in Gotha bleiben, an diesem Tage aber müßtest Du pünctlich abreisen. Wähltest Du aber den weiteren Weg über Jena und gedächtest Dich unterwegs aufzuhalten, so müßtest Du verhältnißmäßig früher, nämlich den oder aufbrechen. Nur laß mich nicht lange warten! Dieß ist das Ängstlichste für mich. Du kannst mir den letzten Brief noch am schreiben, der findet mich noch am hier und ich erfahre mit Bestimmtheit, daß Du zur Abreise bereit warst.

Es bleibt also bey dem Obigen, nur bitte ich Dich, wenigstens einen Theil der Schuld, daß Du nicht nach Franzensbrunn kommst auf Dich zu nehmen. Du kannst Dich zwar in dieser Hinsicht noch bedenken und kommst Du am zu Mittag in Fr˖[anzens]brunn an, so kann die Tante Dich und die Kinder immer noch einige Stunden sehen, und wir fahren Nachmittags zusammen nach Thiersheim , (ich habe einen 4sitzigen Wagen bestellt) wo ein gut Wirthshaus ist.*)*)Wärest Du nicht spätestens 1–2 Uhr Nachm˖[ittags] in Fr˖[anzens]brunn, so würd’ ich natürlich nicht länger warten und Du fändest mich nicht mehr, ausgenommen Du schriebst mir, Deiner in jedem Fall zu warten. Übernachten mit den Kindern will ich in Fr˖[anzens]br˖[unn] durchaus nicht. Du hast auf Deinem Weg manche schlimme und vielleicht gefährliche Stellen zu passiren – da steige doch aus mit Deinen Kinderchen. Ich hoffe, meine Einrichtung soll Deine Billigung finden, wo nicht, so denke, daß Du mich entwöhnt hast, in solchen Dingen eignen Verstand zu haben. Auf Retouren bis Baireuth war in dieser späten Zeit einmal nicht zu rechnen, auch wünsche ich die letzten Tage soviel möglich in Gemüthsruhe zuzubringen. – Dank für Deine heutigen Nachrichten (No. 10) die mir höchst erfreulich sind, zumal ich endlich einmal erfahre, daß auch Du Dich besser befindest. Mit dem Paket aus Carlsbad für Friz – das hast Du gut gemacht. Wegen der Geschenke für die Kinder (Linchen ausgenommen) überlasse ich Dir zu entscheiden, kannst Du grade etwas Hübsches und Wohlfeiles auftreiben, so schreib’ es mir in dem nächsten Brief, der heut’ 8 Tag hier ankommt, da habe ich sonst eben noch Zeit, eine Kleinigkeit für jeden zu kaufen. Setze etwa noch bey, wozu Du räthst. Auch in Ansehung des Geschenks für Dich unterstütze mich mit Deinem Rath – für Lisetten? –

Die 3 Schwalben liegen allerdings ganz oben an der Wiese und zwar genau der Krümmung gegenüber, welche die vom Posthof kommende Töpel macht, um auf die Wiese einzulenken. Eckhaus ist es nur gegen die Wiese zu, denn es steht zwischen ihm und dem nächsten Haus der wohlbekannte Fels, auf dem auch ein Creuz steht. Nach der andern Seite gränzt es an dem Panther, dessen Nebenhaus schon in die kleine Gasse hineingeht. Es ist wirklich allerliebst und trägt wesentlich zu meinem guten Befinden bey.

Nun sind es von heut nur noch 13 Tage bis ich Dich, liebstes Herz und die Kinderchen wieder sehe. Gott gebe daß wir glücklich zusammenkommen.

Grüße bestens Mutter, Schwestern u.s.w. Küsse die lieben Kinder, ich umarme Dich zärtlichst
Dein
tr˖[euer]

Shg.

N.S.

Verzeih’ die Eile, ich muß die Zeit jetzt stehlen um zu schreiben.
A Dio, A Dio, Carissima.