Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Frau

Directorin von Schelling

geb. Gotter

gegenw˖[ärtig] bey Madame Gotter geb. Stieler

in

Gotha.

fr˖[ey] Gr[ä]nz˖[e]

No. 9.

No. 7.

Ich will Dir heute einmal, liebstes Kind, im Vorrath schreiben, damit Du doch etwas mehr, als die letzten Male von mir zu lesen bekommst. Seit ich des Morgens meine 12–14 Becher trinke, bleibt mir gar wenig Zeit übrig. Ich habe Dir schon geschrieben, daß ich den Onkel Adolf gleich am auf dem Spaziergang begegnete, den folgenden , da des Regenwetters wegen doch nichts Vernünftiges anzustellen war, lud ich ihn mit seiner Frau und deren Begleiterin auf mein Zimmer zum Caffe ein. Heute haben wir, nebst Schäzler, Geuder, Schütz, Oberkamp pp auf dem neuen Polnischen Saal à la table d’hôte zusammen gegeßen. Es ist ein gar zu lieber und angenehmer Mann, mit dem ich gern mich täglich zusammenfinde, auch die Frau ist seitdem mehr aufgewacht. – Ich kann Dir nicht sagen, wie wohl ich mich in der neuen Wohnung befinde. Ich begreife nicht wie ich es in der ersten so lang’ ausgehalten. Der Büchsenmacher hat sich dießmal nicht bewährt, ich will Dir das nähere mündlich erzählen. Ich wollte nicht daran sehen, die Paar Wochen 4 fl. mehr zu bezahlen, da es wahrlich in solcher Einsamkeit mit zu der Kur gehört angenehm zu wohnen, und eine honette Umgebung zu haben. Die Frau, die mir Mitterbacher empfohlen, ist sehr gut und wie ich mir’s wünschen kann, die Zimmer allerliebst, und die Aussicht so, daß sie alle Leute, die mich besuchen, für die schönste in Carlsbad erklären. Morgensonne durch 6 Fenster, viel wärmer und besonders dadurch angenehm, daß ich auf dem Boden ganz allein bin. – Der alte Wertheimer ist jetzt auch angekommen, und hat in Wien in Erfahrung bringen müssen, was ich für ein Mann sey, welches ihn dann bewogen, mich sehr freundlich anzureden und gleich auf morgen einzuladen. Er macht hier ein Haus; sein Koch und was dazu gehört war schon 10 Tage vor ihm hier. – Unser Freund Stengel, der Referent in Wasserbausachen ist, wußte es klüglich bey ihm einzufädeln, daß 1) die Zinnsen des Capitals von 300,000 fl., bis die Wasserleitung zu Stande gekommen ist, vom an 2) in der Folge ein bedeutender Theil des sogenannten Wasserzinnses, von ihm speciell für das Taubstummen-Institut bestimmt worden ist, welches in Folge dieser ansehnlichen Dotation noch diesen nach München kommt, wo ein eignes Haus mit Garten für 3000 fl. dazu gemiethet wird. Die kleine Malchen, so oft sie ihn am Fenster oder auf der Straße sieht, bezeugt ihm durch alle Arten von Gebärden ihre Dankbarkeit und Freude. – – –

Soeben erhalte ich Deinen lieben Brief vom und danke Dir für die ausführlicheren Nachrichten, die er enthält. Mein einzig Anliegen ist, daß Du Dich in G˖[otha] recht vergnügest, und so hoffe ich, wirst Du ein Tänzchen in der Harmonischen Gesellschaft, wär’ es auch nur zum Andenken, nicht verschmäht haben. Gewiß sind auch Deine Landsleute zu artig, um Dich nicht zum Tanz genöthiget zu haben. Eben weil Du Mutter von 4 Kindern bist, sollst Du noch tanzen. – Über die Bedienung in der vorigen Wohnung wollte ich Dir nicht schreiben, weil Du leicht es Dir in der Ferne noch schlimmer vorgestellt hättest. Sie war aber schlecht genug und die ganze Einrichtung taugte nichts, weil keine Frau im Hause und die Hauptperson dumm und ungefällig war. Der Umzug hat sich übrigens ganz leicht und ohne Mühe gemacht. Wäsche und dem ähnliches in Körben, wenige im Koffer, die Betten im Bettsack. In Zeit einer kleinen Stunde war alles vorbey. – Mit Schuz kann ich nicht alle Tage essen, da er allerhand Tendenzen hat, z.B. sich fürstlichen Personen zu nähern, mit Preußen, wenn es auch bloße Officiere sind, zu essen, oder es ästhetisch einzurichten und z.B. auf dem Hammer zu essen und im GewitterRegen hin- und herzugehen. Dieß alles ist nicht für mich. Ich habe in der letzten Zeit viel zu Hause gegessen und mich nicht übel dabey befunden. Müd’ und ###, wie man gewöhnlich ist, kann man die Gesellschaft leichter entbehren, überhaupt habe ich dießmal alles gemächlicher eingerichtet und pflege mich so viel möglich, doch werde ich jetzt, so lange Stieler hier sind so viel als möglich in ihrer Gesellschaft zu speisen suchen. Wenn nur das Wetter besser wäre, da der gute Onkel voll Begierde ist, alles in der Gegend kennen zu lernen. Schreibe mir nun auch einmal von Deiner Gesundheit? Wirst Du denn in der vaterländischen Luft nicht stärker, oder gedenkst Du mit einem erklecklichen Embonpoint mich zu überraschen? Nimmst Du die China nicht fort? – Daß Paul noch zuweilen unartig ist, thut mir leid, sag’ ihm von meiner Seite: er soll gar niemals unartig seyn und sich dieses ganz abgewöhnen.

Grüße und küsse alle die lieben Kinder statt meiner; ich umarme Dich in Gedanken und bin und bleibe Dein t[reu]ster

Sch.

Gott erhalt Dich, Du liebes Herzchen, leb’ recht wohl.