Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Frau Directorin von Schelling

geb. Gotter

gegenw˖[ärtig] bey Mde. Gotter

geb. Stieler

in

Gotha.

fr˖[ey] Gr[än]ze.

No. 2.

, liebste Pauline, war ich so glücklich Dein Briefchen vom und mit demselben die Nachricht von Deiner glücklichen Ankunft in Gotha zu erhalten. Fahre nun nur fleißig fort mir, auch mit einiger Ausführlichkeit, zu schreiben. Gleich als ich Dein Brieflein erhalten, trat auch Herr von Schütz in’s Zimmer, der zufällig diese Zeit traf und durch den die Einsamkeit, in der ich mich bisher befunden, nun einigermaßen aufgehoben wird. Vor der Hand werde ich mit ihm meistens am dritten Ort zu Mittag seyn; denn das Allein–Essen und nach Tische zu Haus sitzen, will mir gar nicht behagen.

Schütz wiederholte mir, was er schon im vergangnen erzählt, ich aber vergessen hatte, weil ich es bey der Beschaffenheit meiner Brust keiner Anwendung auf mich fähig hielt, daß nach mehreren Erfahrungen auf den Gebrauch des Carlsbads gern Brustentzündungen folgen, mit dieser Krankheit aber, wenn sie glücklich überstanden werde, auch die früheren Beschwerden verschwinden. Dieß hat mich aufmerksam gemacht, so daß ich mir nun vorgenommen, das Wasser mäßig zu trinken, und dieß um so mehr als auch die hiesigen Ärzte, namentlich Mitterbacher, obgleich er von jener Schützischen Erfahrung nichts wissen will, mich ebendazu ermahnen –. Eben diese widerrathen mir auch, länger als 4 Wochen zu trinken. Mache Dich also immer gefaßt, liebes Kind, gegen den von Gotha wieder aufzubrechen, um Dich mit mir in Franken wieder zu vereinigen. Ich fürchte dieses wird etwas gegen Deine Rechnung seyn, da Du wohl auf einen längern Aufenthalt bey den Deinigen gerechnet hast. Indeß ist die frühere Rückkehr nach München mir auch darum angenehm, weil ich meine Angelegenheit gern noch vor Anfang des in’s Reine bringen möchte. Schreibe mir Deine Meynung über dieß alles, und nimm auch Du Deine Maßregeln in Zeiten.

Bis jetzt habe ich bloß Mühl- und Neubrunnen getrunken, von jedem 4 Becher und befinde mich ganz wohl dabey, ohne alle Zufälle. Mit der 2ten Woche werde ich zu Sprudel übergehn aber mich dessen sehr mäßig bedienen. Wäre nur die Witterung besser! Die ersten Tage schön, aber kalt – jezt wärmer, aber zugleich Regen! besonders ist meine Wohnung sehr kühl. – erst sah’ ich aus der Badeliste, daß wahrscheinlich Deine Tante aus Gotha hier angekommen ist. Ich werde mich baldmöglichst des Näheren deßhalb erkundigen. – Gestern speiste ich, von Beer eingeladen, mit einer Gesellschaft von lauter Berlinern auf dem Posthof, worunter auch der famose Herr von Kampz, außer diesem der Geh[eime] Staatsrath von Steegemann, mit Tochter, u.a. Nach Tisch wurde nach Schlackenwerth gefahren, leider regnete es aber. Heute machte mich Schütz mich mit General Müffling bekannt, Du mußt ihn nicht kennen, es ist derselbe den ich im vergangnen Jahr für Hofrath Hirt hielt. – Böttiger hat sich schon empfohlen, fast möchte ich sagen, daß ich ihn fortgetrieben. Ein halber Landsmann von Dir, der General-Superintendent von Altenburg überfiel mich gleich nach Tisch, weil er, wie er sagte, gleich abreise und mich doch noch sehen müße, mit einer Menge vorweisen Fragen (wie er sie selbst nannte, mir fiel Seufferts vorläufig gegen Lerchenfeld ein). Heute hatte ich Briefe von Hänlein und Oberkamp. Letzterer will in diesen Tagen kommen, und so fehlt es denn für die ganze Zeit nicht an Freunden und Bekannten. – L˖[udwig] Tieck hat sich jetzt ganz in Dresden niedergelassen, Bernhardi ist gestorben. Unter den Fremden ist auch der Schauspieler Heide aus Weimar, und Me. Wolf aus Berlin. Das Theater habe ich einmal besucht, eine Wiener Posse zu sehen, und mir vorgenommen so oft hin zu gehen als ich nichts Beßres zu thun weiß. Sonst gehe ich früh’ zu Bett, bin aber auch unter den ersten am Brunnen.

Dieß ist alles, was ich Dir von hier aus jezt schreiben kann. Wie freue ich mich, bald ausführlichre Nachricht von Dir und den Kindern zu erhalten. Beschreibe mir ein wenig Deine Lebensweise und wie ihr’s treibt. Paul ist hoffentlich fleißiger als in Stuttgart. Grüße und küße die Kinder auf’s Zärtlichste von mir. Besorgt bin ich weder für Dich noch für sie, da ihr für jezt im Hafen euch befindet. Sobald Du über die Rückreise einen festen Plan gefaßt hast, lasse mich denselben wissen. – Von Stuttgart noch nichts! – Friedrichen hab’ ich inzwischen auch geseh’n; das Wasser hat ihm schon sehr gut gethan, obwohl es ihn entsetzlich angreift. Es geht in Form schwarzer Pulver von ihm, wahrscheinlich Reste von seinem Faulenweilen. – Mitterbacher spielt dießmal den Artigen, und hat mich schon vorläufig zu Tisch gebeten.

Du hast doch nicht vergessen, nach Stuttgart zu schreiben.

Grüße auf’s Beste Mutter und Tanten , laß Dir recht wohl seyn, sey ohne alle Sorge für mich, denn ich befinde mich wohl, und alle vorjährigen Bekannten berufen mich über mein gutes Aussehen. So Gott will, soll mich nichts übels anwandeln.

Lebe recht wohl und behalte mich lieb, gleichwie ich Dich.
Dein
tr˖[euer]

Shg.