Schelling

Schelling Nachlass-Edition


No. 12.

Geliebtester bester Freund!

Deine zwey lieben gütigen Briefe aus Schlehdorf sind zu meinem nicht geringen Vergnügen und Troste richtig in meine Hände gelangt. Den ersten erhielte ich letzten und dein 2ter erfreute mich heute Mittag und war das beste und köstlichste Desert für mich, und so unleserlich auch seine Züge waren so habe ich es doch bis auf’s kleinste Wörtchen heraus studiert. Wie glücklich bin ich, liebstes Leben! Dich nun wohl behalten und wohlversorgt in dem lieben Schl˖[ehdorf] zu wissen! Bleibst Du ferner so gesund und vergnügt, so will ich gar nicht sorgen wenn Du wieder zu uns zurük kehrst. Die erfreulichsten Nachrichten vernimm nun auch von uns; deine Küchelchen sind alle wieder munter und lustig vom Größten bis zur Kleinsten. Paulchen sieht man gar nichts von seinem Krankseyn mehr an, Fritzchen ist noch etwas bläßer wie sonst, doch hat sich die gute Laune wieder bey ihm hergestellt. Eine Folge der Seefahrt mag das Schnupfenfieber doch nicht gewesen seyn, da sie es alle viere nun der Reihe nach hatten. Bey der Line fing es an, dann Klärchen pp. Linchen sieht wieder recht gesund aus und wird wieder stärker, der Eichelbaste bewährt sich auch bey ihr. Auf die Frage wo du bist, zeigt sie immer sehr freundlich nach deinen Zimmer. Ich bin recht begierig ob sie Dich noch kennen wird. Klärchen fängt schon bey zeiten an das Näschen in die Höhe zu tragen und läßt sich durch aus nicht mehr ins Kießen legen. Auch mit meiner Gesundheit scheint es noch einen guten Ausgang zu nehmen, die Kräfte kehren doch allmälig zurük die schönen Tage benutze ich sehr gewißenhaft um Bäder zu gebrauchen und zwar nach Grossis Vorschrift – Eisen Bäder d.h. immer 2 Stahlkuglen ins Bad. Paul ist dann immer mein stäter Begleiter, ich kann ruhiger die andern Kinder verlassen wenn ich diesen Wildfang nicht unter ihnen weiß. Die Morgen gehn dann meist damit hin, und den Nachmittag fehlt es mir auch nie an Beschäftigungen mit den Kindern, da die Amme und die Male dann einbringen müssen was den Morgen durch meine Abwesenheit an häuslichen Geschäften liegen geblieben ist. Nun, für heute, gute Nacht Du liebster Freund! mein Schlafstündchen 10 hat geschlagen, ich herze und küße Dich von ganzer Seele, leider nur auf dem Pappier, Du schlummerst wohl schon lange? –

früh.

Da wäre ja schon wieder das schöne Wetter zu Ende – nach 3 himmlischen schönen Tagen, die mich ganz besonders um deinet willen entzückten, ist der Himmel ganz zusammen gezogen und es scheint ein förmlicher Landregen in Anmarsch, der mir diesmal, nicht blos wegen Dir geliebter Freund! sondern auch wegen einer häuslichen Wäschangelegenheit sehr verdrieslich in die Queere kömmt. Nun fehlt mir auch Dein wetterkundiger Rath, ich muß mich also blos dem leidigen Zufall überlassen.

Alles was Du wünschest, soll der stenglische Wagen mitbringen auch das was Du nicht wünschest, aber gewiß brauchst nehmlich – Geld. Ich hätte wohl nicht übel Lust wenn das Wetter sich noch zum Guten neigte mit den 2 Buben und der Köhler die rükkehrende Fuhre von Stengels zu benutzen, d.h. auf 2 Tage – länger möchte ich mich nicht von meinen 2 Töchterchen und die Köhler sich nicht von ihren Äpfel und Birnen trennen. Von den Wirth in Kochel könnten wir wohl ein Chaischen zum Zurükfahren erhalten, vorausgesetzt daß Dich dieser Besuch in Deiner Arbeit nicht zu sehr unterbricht denn der muß natürlich jetzt alles nachstehen. Verläugne also jede Zärtlichkeit für mich und die Kinder und sage mir deine aufrichtige Meynung darüber, ohne auf irgend etwas als was jetzt die Hauptsache ist Rüksicht zu nehmen. Natürlich würden wir bey Weizinger logiren, der Plan ist aber auch von unsrer Seite noch ungewiß, da die Erlaubniß der W˖[iebeking] Eltern eingehohlt werden muß, und ganz allein mag ich doch so einen weiten Weg mit Kindern nicht unternehmen.

Neues weiß ich Dir von hier aus, liebster Freund gar nichts zu melden ich spreche fast keine fremde Seele. Neulich führte mir der Zufall den Franz Baader in den Weg, der nicht verfehlte mir in Zeit von 5 Minuten gewiß 100 schmeichelhafte Dinge über sich selbst zu erzählen. Er hat wieder ein Schriftchen fertig (wenn ich nicht irre Verhältniß der Philosophie zur Religion er will es mir für dich bringen doch offen daß ich es auch lesen könne) in französischer Sprache weil er sich darin ganz besonders gut und leicht ausdrükt, auch ist er noch unentschloßen ob er nicht sein großes Werk, was er jetzt unter der Feder hat in dieser Sprache schreibt, er fügte hinzu »letzthin war ein Professor aus Paris hier Mr Cousin der mir versicherte ich wäre der einzige Deutsche mit dem er sich über Philosophie hätte unterhalten können. Was sagst Du dazu? – Denselben Tag mußte ich durch Schlichtegrolls hören, daß Cousin in den 2 letzten Tagen seines Hierseyns für gar nichts mehr Sinn und Gehör gehabt, sondern ganz durchdrungen gewesen wäre von der Größe und Tiefe deiner Wissenschaft und was die Welt sich darum versprechen könne.

Nun adieu lieber, bester, süßer Herzens Freund! Bleibe nur gesund und vergnügt und vergieß uns nicht die wir täglich und stündlich mit Zärtlichkeit deiner gedenken.

P.