Berlin den .
Eine für mich äußerst erwünschte Veranlaßung, verehrtester Freund, läßt mich nach so langer Zeit einmal wieder an Sie schreiben. Bei der warmen Theilnahme, welche Sie immer an meinem Ergehen gezeigt, darf ich nämlich voraussetzen, daß es für Sie einiges Interesse haben wird, zu hören, wie ich endlich in einem, meinen Studien angemeßenen, Wirkungskreise festen Fuß gefaßt habe. Hirt, dem mein Büchlein über die van Eyck, welches ihm von Steffens empfolen worden, in mehreren Stücken zugesagt hatte, veranlaßte mich schon im hierher zu gehen, indem er mir die Hofnung machte durch den Staatskanzler sogleich Reisegeld nach Italien auszumitteln; durch den Hardenbergs wurden die Verhältniße für mich eine Zeitlang sehr ungünstig, denn keiner wußte wer jetzt eigentlich Koch und Kelner sei und suchte sich nur in seiner Stelle zu behaupten. Im starb mir zum Vortheil ein Mitglied der Commission, welche für die Anordnung und Restauration, der im künftigen Nationalmuseum aufzustellenden Gemälde, Sorge tragen soll, und auf Hirts und Schinkels Empfelung wurde mir diese Stelle, einstweilen gegen 2 Rhr. Diäten täglich, vom Ministerium übertragen, doch ist nicht wohl zu zweifeln, daß sich hieran nicht eine definitive Anstellung anschließen sollte. – Wie sehr ich mich gefreut habe, daß mein Buch wenigstens in einigen Theilen Ihren Beifall gefunden, kann ich Ihnen nicht sagen! Was gäbe ich darum Ihnen die unvergleichlichen Flügelbilder zu dem Genter-Hauptwerk der van Eyck hier in der ehemaligen sollyschen Samlung zeigen zu können, sie sind treflich erhalten und in der Composition glücklicher als das Mittelbild vom Lamm; die Beschreibungen der Schopenhauer, deren ich mich, in Ermangelung von allen anderen, bedienen mußte, sind so ungenau und nachläßig, daß ich gesonnen bin einige Berichtigungen im Kunstblatt abdrucken zu lassen. – Wir haben jetzt angefangen die byzantinischen und altflorentinischen Gemälde aus der sollyschen Samlung zu ordnen, und ich darf Ihnen die Versicherung geben, daß, wenn alle anderen Classen verhältnißmäßig so reich und treflich ausgestattet sind wie diese, es wohl keine zweite Gallerie geben möchte, welche für das Studium der Kunstgeschichte von solcher Wichtigkeit werden dürfte als die unsrige. Vom , oder bis auf Raphael, werden wir hier aus den verschiedenen italiänischen und der altniederländischen, cöllnischen und oberdeutschen Schule um 600 Bilder aufstellen, von welcher Art man in Dresden höchstens 20 sieht; so sehr uns auch Dresden in den 10 Bildern erster Größe, die nur einmal zu haben waren, überlegen bleiben muß. Schleißheim thut es uns an oberdeutschen, die Boissere an altniederländischen Bildern zuvor, aber selbst in Italien enthält keine Samlung so viel trefliche Bilder aller dasigen Schulen aus der früheren Zeit als die unsrige. Das Gebäude, welches nun alle diese Bilder, die Antiken, die sehr zahlreichen Gypsabgüße, die Gemmen und Münzen enthalten soll, wird nach einem Plan von Schinkel an dem sogenannten Lustgarten, dem königlichen Schloß gegenüber, errichtet werden, und ich hoffe, daß man dereinst nicht, wie so viele Orten über eine schlechte Beleuchtung der Kunstwerke zu klagen Ursache haben wird. – Haben wir nicht die Hofnung, daß Ihr mythologisches Werk nun bald erscheint? – Von hiesigen Gelehrten sehe ich nur wenige, Buttmann, Böckh, Hegel, Raumer aber alle selten.
Hat sich die Gesundheit Ihrer lieben Frau mehr und mehr befestigt? Und wie geht es den Ihrigen? Mein Vater hat den Winter leidlich überstanden, ist aber jetzt wieder schwach; zu meiner großen Beruhigung ist mein Bruder, den Sie kennen, bei ihm. Ihre Frau, so wie die Freunde Schubert, Döderlein und Pfaff bitte ich herzlich zu grüßen, so wie gelegentlich die Einlage von Raumern gütigst zu besorgen.
Leben Sie wohl!
Der Ihrige
G.F. Waagen.
Addresse: Kanonierstraße No. 7 zu ebner Erde.