Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgeboren

Dem Herrn von Schelling Direktor und

General-Sekretair der Academie der Künste

und Ritter des Verdienstordens der bairischen Krone

zu

München

d.C.

Verehrter Freund!

Seit beinahe 14 Tagen bin ich von meiner ziemlich großen Ferienreise zurückgekommen, gesunder und stärker am Körper, als ich sie angetreten habe. Bei meiner Ankunft dahier zeigte mir der Geistliche Rath Oberthür ein Schreiben, das er von einem Prälaten Muth aus Erfurt erhalten, worin dieser ihm meldet, daß er von dem königlichen preußischen Ministerium beauftragt sey, sich zu erkundigen, ob ich eine Professur der Philosophie an der Universität zu Breslau, womit ein Gehalt von 1000 Thrh verbunden, anzunehmen wohl gesinnt seyn möge; da man meine Addreße nicht wisse, so wende man sich vor der Hand an ihn, mich zu veranlassen, daß ich mich in Correspondenz und Unterhandlung einlasse, wenn ich den Ruf annehmen wolle. Dieß wird also der Ruf seyn, von welchem Sie mir schon im geschrieben haben. Ich habe ihn bis jetzt weder ausdrücklich abgelehnt, noch angenommen, sondern dem Herrn Muth geantwortet und um näheren Aufschluß über manche ihm vorgelegte Punkte gebeten. Je mehr ich aber alles überlege, desto weniger kann ich mich entschließen, Bayern zu verlassen, und in ganz neue, mir unbekannte Verhältniße mich zu fügen, und werde daher nächstens, sobald ich wieder Antwort erhalten, die Einladung bestimmt ablehnen. Ihnen aber, verehrtester Freund, danke ich verbindlichst für Ihre bei dieser Gelegenheit mir neuerdings bewiesenen freundschaftlichen Gesinnungen, um deren Fortdauer für alle Zukunft ich Sie schönstens bitte.

Nach den mir zugekommenen Nachrichten befinden Sie mit den Ihrigen sich recht wohl, und sind unausgesetzt mit Arbeiten beschäftigt; welchen herzlichen Antheil ich daran nehme, wissen Sie schon von jeher; seit einiger Zeit belebt mich eine geheime Ahndung, daß mir bald wieder Etwas von Ihren neuen Arbeiten zu lesen vergönnt seyn werde. Gott erhalte Sie nur gesund und bei stäts heiterer Gemüthsstimmung, und Sie werden uns gewiß mit noch vielen Geisteswerken nähren und stärken.

Auf unserer Reise durch Holland und Belgien haben wir die dortigen Universitäten besucht, und gefunden, daß man dort die philosophischen Wissenschaften sehr wenig kultivire, und noch weniger Kenntniß von der deutschen Philosophie habe; blos in Utrecht und Leyden schien man etwas davon zu wissen, in Belgien aber schlechterdings nichts. Es wird dort entweder gar keine Philosophie oder die skolastische noch gelehrt. Die neu hinversetzten deutschen Professoren geben sich alle Mühe, um den Geist ihrer Schüler dafür empfänglich zu machen, und einigen ist es ziemlich gelungen, daß wenigstens einige ihrer Zuhörer ihnen Aufmerksamkeit bei ihren philosophischen Vorträgen schenken! Ueberall wollen sie nur das lernen, was sie einst als Aerzte oder Advokaten unmittelbar zu wissen brauchen. – – Die Gelehrten und Künstler stehen aber dort in großem Ansehen, und werden ansehnlich honorirt, besser, als jede andere Klasse von Staatsdienern. Die deutschen Professoren haben ihre Feinde, werden aber doch von der Mehrzahl geachtet. – Haarbauer ist Prof. der Medizin zu Löwen und jetzt auch Rektor; er steht sich mit seinen übrigen ansehnlichen Stellen auf 10000 fl. und spielt einen vornehmen Herrn; er hat in Belgien und Holland sehr viele Feinde, und scheint auch den Geschäften, die er besorgen soll, nicht gewachsen zu seyn. – Die Belgier biethen alles auf, um ihre Universitäten emporzubringen; die Regierung wendet darauf jährlich sehr ansehnliche Summen, und die Universitäts-Kuratelen sind so zusammengesetzt daß alle Stände sich um den Flor dieser Anstalten interessiren müßen; in Gent und Lüttich ist man schon sehr vorgeschritten, weniger in Löwen, wo die Einigkeit fehlt. – Unter den ersten Wissenschaften werden die Naturwissenschaften sehr geschätzt und kultivirt. – In Brabant, von Antwerpen anfangen bis nach Brüssel thut man auch allgemein viel für Mahlerei; die dortigen Kunstacademien sind mit berühmten Meistern und vielen Zöglingen besetzt; in Antwerpen allein sind über 400 Zöglinge; jährlich werden Preise unter denselben ausgetheilt, zu Antwerpen, Gent und Brüssel, und den Preisträgern erweißt man übermäßig große Ehren, die schon nachtheilig sollen gewirkt haben, weil man sie zu eitel machte. – Ich wunderte mich auch über die Menge Gemälde von alten Meistern, die man in den dortigen Kirchen, Gallerien und Privatsammlungen findet; von Rubens sieht man in Antwerpen einige Gemälde, zB. die Abnahme Christi vom Kreutz, welche während ihrer Ausstellung in Paris den vorzüglichsten aller dortigen Gemälde gleich gesetzt worden seyn sollen; ich habe nicht geglaubt, daß Rubens so herrlich gemahlt habe, als ich mich dort überzeugt habe. – . Auch die Kirchen in Brabant übertreffen an Schönheit und Erhabenheit alle Tempel, die ich je gesehen habe; mit ihnen wetteifern viele andere öffentliche und privat Gebäude, die in einem bei uns ungewöhnlich schönen Styl gebaut sind.

Die neu errichtete Universität Bonn hat in der dortigen Gegend große Erwartungen erwekt; man arbeitet Tag und Nacht an der Herrichtung der nöthigen Zimmer, Säle und Wohnungen; die Salarien der Proff. sind ansehnlich; das Leben ist aber auch dort kostspielich; Harles klagte sehr darüber, so wie über die Unfreundlichkeit der Einwohner. – Wallraf ist höchst erzürnt darüber, daß man die Univer˖[sität] nicht nach Köln verlegte, und seine Gründe dafür sind bedeutend; Görres in Koblenz wollte es auch nicht loben. Dieser Mann scheint mit seiner Quiescenz sehr zufrieden zu seyn, im Übrigen ist er mit aller Welt unzufrieden. – Windischmann, den ich noch in Aschaffenburg gesprochen, kam mir gegen Sonst ganz verändert vor; ich erkannte ihn kaum mehr; die Philosophie scheint er jetzt nur noch zu dulten. Er verspricht sich eine erfreuliche Existenz in Bonn; seine Bekannten aber glauben, und besorgen, das Leben möge ihm dort nicht zuträglich seyn. In Aschaffenburg scheint man seinen Abgang nicht sehr betrauret zu haben; in den letzten Jahren sollen seine Vorträge nicht mehr gefallen haben. – – Ist es denn wahr, daß Sailer Bischoff in Köln werde? wir sprachen ihn dort, ohne daß wir von dieser Bestimmung etwas gehört haben. – Preussen will in den Rheingegenden noch mehrere Studienanstalten errichten und sucht neuerdings mehrere Lehrer dafür. Und doch ist man allenthalben am Rhein dieser Regierung sehr abgeneigt. –

Ich möchte noch recht Vieles mit Ihnen über das auf meiner Reise Gesehene und Gehörte sprechen; da aber das Papier dazu nicht zureicht, will ich es auf die Zeit unsers Wiedersehens versparen. –

Freundschaftliche Grüße an Ihre verehrte Gemahlin von Ihrem unveränderlichen
Freunde

Klein