München .
Was werden Sie auf’s Neue von mir denken, beste Pauline, daß ich sogar das vorüber gehen lassen, ohne Sie aus der Ferne wenigstens zu begrüßen? Lassen Sie mich nur gleich von Ihrem allerliebsten Geschenk reden, dessen Zierlichkeit und ungemeine Lieblichkeit mir die Geberin zu vergegenwärtigen scheint, so daß ich es fast als ein Zeichen und Sinnbild von ihr selbst täglich beschaue. Denn weiter werde ich den Gebrauch nie ausdehnen; durch gemeines Geld soll es nicht entweiht werden. Haben Sie es dazu bestimmt, so müssen Sie mir Kenntnisse in der edlen Kunst des Goldmachens zutrauen; denn nur chemisches Gold wäre würdig, in so reinem Behältniß aufbewahrt zu werden. Aber es bedarf dessen nicht; es ist ein vollendetes Kunstwerk an sich, das man nicht anschauen kann, ohne sich zu erfreuen, und das vollends entzückt, da man nicht umhin kann, der Künstlerin dabey aufs lebhafteste zu gedenken.
Ich wollte, beste Pauline, da ich Ihnen mit eignen Kunstwerken weder meines Kopfs noch meiner Hand nicht dienen kann, Ihnen auf das einsame Schloß so bald als möglich Goethe’s Lebensfragmente schicken, bey denen Sie sich gewiß heimlich und traulich gefühlt hätten. Aber das Mittel schnell genug ein Ihrer würdiges Exemplar aufzutreiben – Denn hier war nur ein Abdruck auf dem schlechtesten Papiere zu finden. Endlich ist das bessere angekommen. Jetzt fragt sich: sind Sie noch dießeits des Thüringer Waldes und kann es Ihnen noch zum Trost gereichen. Lassen Sie es mich nur recht bald wissen, wohin es gehen soll.
Ich habe den größten Theil des angenehm und unangenehm zugebracht, wie man es nehmen will. Jacobi, von dem Sie durch seinen deutschen Namensverwandten in Gotha oder auch sonst wohl gehört haben, gab eben dieß ein Buch voll der gehässigsten und bissigsten Ausfälle gegen mich heraus. Bey dem Verhältniß, in welchem wir zu einander stehen, hätte ich nicht ganz gleichgültig bleiben können, auch wenn es nicht längst wünschenswerth gewesen, mich wissenschaftlich mit ihm auseinander zu setzen. So konnte ich die Gelegenheit um so weniger vorbeygehen lassen, und muß nun Ihnen, Kind des Friedens, bekennen, daß ich das meist damit zugebracht, ein gar sehr kriegerisches Buch zu schreiben, das in wenigen Tagen vielleicht herauskommt. Während dieser Zeit war es nicht gut möglich Ihnen zu schreiben so sehr ich es immer wünschte. Denn ich fürchtete, es möchte Ihnen dergleichen von mir zu hören nicht angenehm seyn. Jetzt ist’s eine geschehne Sache, und zu geschehnen Dingen soll ja das Beste geredet werden. Ich habe mir wirklich etwas zu Gut gethan bey dieser Gelegenheit, und für die vielen unangenehmen Erfahrungen, welche ich (auch Caroline noch) von dem unmoralischen Charakter jenes Manns gemacht habe, noch weit mehr aber für den Schaden, welcher durch ihn der Wissenschaft und Kunst in reichem Maße zugefügt worden, volle Genugthuung genommen. Ihre Neigung zum Frieden, bestes Kind, hat mich doch nicht abhalten können, 1 Ex˖[emplar] davon unter Addresse der Mutter nach Gotha durch den Buchhändler abgehen zu lassen. Das Beste bey der Sache ist, daß durch diese Auseinandersetzung meine hiesige Lage entschieden gebessert wird, Sie hatte etwas Drückendes für mich durch das zweydeutige Verhältniß, in dem ich zu dem falschen Manne stand, der lange suchte einen äußern Schein der Freundschaft zu erhalten um mir desto mehr heimlich zu schaden. Auch Ihr ehmaliger Münchner Hellenist, der weder bey mir noch bey andern einen großen Eindruck von der Männlichkeit seines Charakters hinterlassen, wird sich einigermaßen über dieses Ende der Sache verwundern, und vielleicht auch jetzt wieder sich glücklich preisen, den gefährlichen Platz verlassen zu haben. Wie es mit Hamberger steht, werden Sie ja wohl auch gehört haben. Hochmuth wie eines vom Pöbel emporgekommenen Menschen ist die Hauptquelle. Überhaupt scheint die Zeit dieses sogen˖[annten] nordteutschen und protestantischen Reichs hier ziemlich vorüber. Wer das Benehmen dieser Herrn gesehen hat, muß sich darüber freuen. – Wie Sie nun auch im Übrigen davon denken, so glauben Sie mir, daß ich bey dieser Gelegenheit meinen schlimmsten bösartigsten Feind los geworden bin, was in einer Welt wie diese doch immer dankenswerth ist.
Sie inzwischen, edle Pauline, umwehe der reinste Friede! Schützen und wahren Sie sich nur gegen den recht kalten argen ; denn was Sie mir von der Zartheit Ihrer Gesundheit schreiben, hat mich wirklich etwas bang gemacht. Wo Sie seyn mögen, ich bin in Gedanken immer bey Ihnen und den lieben Ihrigen; die Wonne des Friedens überströmt mein Inneres, wenn ich so lieber, herrlicher Freunde gedenke. Nochmals leben Sie wohl.
Schelling.