Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Dem

Herrn Direktor Schelling

zu

München

frei Grenze

Wir haben, mein theuerster Herr Schwager, auf Ihr freilich gütiges Verlangen einen der beiden michaelisschen Söhne Ihnen zu übergeben, bisher nicht geantwortet, weil wir uns nicht entschliessen können sie zu trennen; welches auch abgesehen davon, daß es uns und den Brüdern selbst schmerzhaft seyn würde, noch manche andre Schwierigkeiten in unsern schwierigen Zeiten herbeiführen könnte, wo der Staat so große Ansprüche an der Persönlichkeit seiner Kinder macht, wie lange wird es währen, so sind beide konskriptionsfähig und da muss der eine wenigstens dem andern aushelfen. Der älteste nun hat so entschiedene Neigung und Fähigkeit zur gelehrten Laufbahn, daß es Schade seyn würde, ihn derselben zu entreissen, nur da er das erwählte Fach der Medizin hier unter meiner Leitung bis auf einen gewissen Punkt am besten treiben kann, so möchte ich diesen am wenigsten missen; der andre hat sich noch zu keinem besondern Fache bestimmt, und würde dann den Anfoderungen des Staates an seine Streitkräfte wohl am besten und am liebsten entsprechen können und wollen, und da ist es doch auch besser daß er zur Stelle sey. Freilich kann in einem Zeitraume von sieben bis acht Jahren oft nach und von München Gelegenheit sich finden und wir wollen Ihr gütiges Anerbieten nicht ablehnen, indem wir überzeugt sind, Sie werden den Jungen zu jeder Zeit gern aufnehmen, sollte er Ihnen auch je einmal upon short warning zuspedirt werden und in der That Freude würden Sie an ihm haben, denn es ist ein reines Gemüth und ein unbefangener kindlicher Sinn in ihm. Meine Mädchen wachsen auch heran und der Hamsterwürger könnte bald ans Herzenswürgen denken, wenn ihm nicht noch andre Dinge Noth thäten. An der jüngsten würden Sie tausend Spaß haben; das ist noch ein ärgerer kleiner Schelm als der Hamsterwürger war. Das Haus haben wir voll und erwarten diesen noch einen neuen Gast dazu, vielleicht wird es dann heissen: Belzebub treibt die Teufel aus, und dann sollen Sie einen ab haben, wenn des Jungengetümmels hier zu viel wird.

Ich habe im Vertrauen auf Ihre Nachsicht mir die Freiheit genommen, eine kleine Anweisung auf Sie lieber Herr Schwager auszustellen und bitte Sie dieselbe mit 40 Gulden 51 x als worauf sie lautet nach 14 Tagen gefälligst zu honoriren. Sie wissen daß die geschlossenen Marmorplatten welche mir die von der Duana in Trento angehalten wurde nicht nach München kam; der Herr Finanzdirektor von Senger zu Innspruck hat sie mir losgeeiset und nebst andern Tyroler Mineralien zugesandt dafür bin ich die 40 fl 51 x schuldig geworden und da sein Sohn sich gerade in München befindet so spart es uns viel an Porto und dgl. wenn die Sache auf diese Art abgethan wird, und ich werde Ihnen sehr danken wenn Sie diese Auslage übernehmen wollen. Ich hätte freilich erst deshalb vorläufig bei Ihnen anfragen sollen, aber das Postgeld ist jetzt so erhöht, daß es wahrlich Noth thut den Posten nicht zu viel zu verdienen zu geben. Ich seufze jetzt nach dem , dem der noch gern das Recht streitig machte. Wir hatten noch starken Schnee den freilich die Sonne ganz wieder weggeleckt hat, doch ist es mir zumal noch viel zu rauh und unfreundlich und ein Paar Schnupfen in kurzer Zeit nach einander haben mich in dieser letzten Zeit unangenehm gequält, es waren die ersten nach der Rückkehr aus Italien, aber sie rächten sich für das lange Ausbleiben. Wir trauren hier um den Verlust unsers trefflichen Kollegen Hegewisch des Historikers an dem ich noch besonders einen biedern Freund verliere.

Luise hat auch Schnupfen und ist zum Schreiben etwas unbequem, sie grüßt Sie herzlichst. Ihren Hausgenossen, die ich kenne bitte ich mich zu empfehlen; wie angenehm schwebt meinem Gedächtnisse immer noch der schöne Tag im Grünen vor! Könnten wir doch mehr dergleichen zusammen verleben. Dr. Spix möchte ich besonders gegrüßt wissen.
Ihr

Wiedemann