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kam ich Abends halb 8 Uhr zu Hause, nachdem ich mit großer Anstrengung diesen Tag noch meine Vorlesungen geschlossen hatte, um am frey von allem Geschäft Dir entgegen reisen zu können. Die Kinder kamen mir schon ausgekleidet entgegen um sogleich zu Bette gehen zu können, sie warteten nur noch auf die Bestätigung durch Deinen Brief. Du hast es Dir selbst gedacht und also brauche ich es Dir nicht zu verhehlen, daß die plötzliche Abänderung, welche die früheren Briefe nicht ahnden ließen, uns nicht angenehm afficirte. Die Kinder gingen stumm zu Bette. Einen härteren Stand hatte ich nachher mit den Leuten, welche in der letzten Zeit noch die Hälfte der Nächte dazu genommen hatten, um alles in Stand zu setzen, und die behaupteten, daß sie Deiner Versicherung zufolge: in 4 Wochen werdest Du gewiß zurückseyn, nun schon zum 4ten mal sich die vergebliche Arbeit gemacht. Die Catharina kann ich übrigens wegen ihrer großen Gutmüthigkeit und Bereitwilligkeit nicht genug loben; ich wünsche, daß Du ihr einmal ein kleines BelobungSchreiben zukommen lassest (nur schreibe ihren Namen nicht Chatrine).
Mir fehlte es übrigens den Abend und folgenden Morgen nicht an Zerstreuung. Von der Vorlesung aus begleitete mich Prof. Brandis aus Bonn nach Hause, der sich ungemein erfreut hatte, diese Vorlesung mit angehört zu haben, und an dem ich einen sehr liebenswerthen Mann fand. (Er war vor mehrern Jahren mit Niebuhr in München und dann in Rom). Kaum hatte mich dieser verlassen, so kam eine Deputation der Studenten, mir den Dank der sämmtlichen Zuhörerschaft zu bringen und mich zu bitten, noch diesen Abend ein einfaches Vivat anzunehmen (sie hatten unbestimmt gehört, daß ich den folg˖[enden] Tag verreise). Dieses wurde dann auch bald darauf mit so viel Feyerlichkeit vollbracht, als ohne Musik und Fackeln möglich war; ich dankte wie gewöhnlich aus dem Fenster, behielt die Deputation bey mir und tractirte sie mit Wein. Kaum hatte mich diese verlassen, hörte ich einen Person die Treppe heraufstolpern, die ich an der Stimme für Wiebeking erkannte, der sich jedoch nicht lange aufhielt. Am nächsten brachte ich ihr die 2 Knaben die sie freundlich aufnahm und beyden ein Geschenk – von Cäcilie mitbrachte. Sie ging dann auch mit mir in unser Haus, wo sie alles frisch gescheuert und bey dem schönen Sonnenschein im besten Lichte sah und sich nicht genug über die hübschen Quartiere in Erlangen verwundern konnte. Ich tractirte sie mit Wirtembergischen Trauben, von denen der Herr HofR˖[ath] noch einige auf die Reise mitnahm. Paul , der ein gar feines physiognomisches Näschen hatte, machte, ohne Arg zu haben, die Bemerkung, sonderbar sey, Frau von W˖[iebeking] habe im Gesicht etwas von einer Katze oder – setzte er hinzu – wie ein Tiger. Übrigens waren sie beyde sehr freundschaftlich und freuten sich die guten Nachrichten von Dir gleich mitnehmen zu können.
Durch Deinen erhaltnen Brief bin ich nun selbst etwas mehr aufgeklärt. Die unbestimmten Ausdrücke von bedeutenden Erfolgen, oder in Julchens Brief, daß eine Lösung wirklich einzutreten scheine konnten so wenig, als die Versicherung, daß bekannte und unbekannte Leute Dir zugesprochen haben, mich eigentlich beruhigen, zumal ich wußte, daß Julchen auch früher schon, eh’ von solchen Erfolgen sich etwas zeigte, gegen dritte Personen dieselbe Sprache geführt hatte. Die bloße Meynung, ohne bestimmte Thatsachen hat an sich keine Gränze, und Du konntest in derselben Meynung ebenso gut noch den ganzen Winter dort bleiben, wozu ich Dir, zur rechten Zeit davon unterrichtet gern die Mittel gemacht hätte. Die beiden Jungen müssen doch einmal fort, und ich konnte mich bequem mit einem Bedienten einrichten und die Leute mir vom Halse schaffen. Das auffallendste war mir, unter den Leuten grade Mitterbachers nicht erwähnt zu sehen, des Einzigen, dessen Wort mir etwas gelten konnte. Mein Zweifel war um so natürlicher, als von den großen Veränderungen, die seit 10 oder wie Julchen schreibt 14 Tagen vorgegangen sollten, in den frühern Briefen doch eine Spur sich finden mußte. Da war aber immer nur von Stillstand der Wirkung die Rede. Etwas Bestimmteres erfahre ich nun durch den Brief, und Du wirst meiner Versicherung gern glauben, daß ich unter diesen Umständen Deinen Entschluß nicht anders als vollkommen billigen kann und daß ich alles Unangenehme, was Deine längere Abwesenheit für mich hat, der höchst erfreulichen Ursache wegen gern auf mich nehme. Ich setze voraus, daß der Entschluß nicht ohne Mitterbachers Rath oder doch Beystimmung gefaßt worden, daß Du genau seinen Vorschriften folgest und ja nichts übertreibest. Das erfreulichste und zugleich sicherste Zeichen Deiner Genesung scheint mir Deine leichte Beweglichkeit; erhalte sie Dir auch für die Zukunft und falle niemals zurück in jene Verdrossenheit und Trägheit, die vielleicht schon Zeichen, aber gewiß ebenso großes Beförderungsmittel des schon vorhandnen Übels war. Ich habe viel von Deiner Fröhlichkeit in Karlsbad gehört, und mich sehr darüber gefreut, und nur gewünscht, daß Du etwas davon auch in Dein Haus mitbringen mögest. Wenn das Karlsbad, wie ich nun fest überzeugt bin, Dir hilft, so ist die Quelle Deines Übels von der Art, daß es immer wieder kommen, oder nie ganz aufgehoben werden wird, wenn Du nicht Deine Lebens-Maximen zum Theil änderst und Dich entschließest, auch mit Mann und Kindern künftig frischer und freudiger zu leben.
Deine Einladung, nun ebenfalls noch nach Carlsbad zu kommen, ist so freundlich als wohlgemeynt. Einer Erheiterung und Zerstreuung wär’ ich allerdings bedürftig, aber ich möchte doch nicht gern die letzten schönen Tage des Sommers in dem unangenehmen Carlsbad vertrauren. Auch glaube ich, wird es besser für Dich seyn, die Cur ungestört von mir zu vollenden. Hätte ich Geld, so machte ich mit den Kindern einen Ausflug nach Stuttgardt; aber daran gebricht es und ich kann nicht hoffen meine Casse vor dem wieder in besseren Stand zu setzen, und selbst einen kleineren Ausflug, etwa zu Häcker, muß ich mir der Kinder wegen versagen, die ich nicht gern den Leuten überantworten möchte. Dessen ohngeachtet kann ich Dir durchaus nicht in dem Entschluß beystimmen, Deine Abwesenheit in diesem Fall auf bloße 14 Tage zu beschränken. Ich bitte Dich vielmehr, und verlange ausdrücklich von Dir, daß Du nun wenigstens die vollen 4 Wochen dort noch aushaltest. Ich zweifle nicht, daß nun noch viel bedeutendere und entschiednere Krisen auf dem Wege sind. Es wäre ewig Schade und nicht zu verantworten, wenn Du diese nicht abwartetest. Da Du jetzt (was ich übrigens billige) einige Zeit ausgesetzt hast und dann doch wieder nur allmählig steigern wirst (das Abnehmen vor der Abreise kann ich nicht zweckmäßig finden), so mußt Du für den vollen, auf das Aussetzen folgenden, Gebrauch wenigstens noch 3 Wochen rechnen. Ich will mir für meine Person diese längere Abwesenheit gern gefallen lassen, wenn Du nur nach Kreyßig’s Ausdruck als eine ausgewechselte zurückkommst; und Du für Deine Person kannst es Dir auch gefallen lassen, da Du doch zwey von Deinen Kindern und Deine Schwester bei Dir hast. – Frau von der R˖[ecke] scheint mir doch noch lange keine Frau von Staël zu seyn, welche in München zwar keine Aufwartung, wie Du es nennst, aber doch den ersten Besuch erwartete, allein diesen sogleich erwiederte. – Meine Vorlesungen haben (weil es Deiner kleinen Eitelkeit schmeichelt) einen starken Eindruck gemacht und die Ermahnungen, die ich mir erlaubte, den Studenten über ihre Studirart sehr eindringlich zu ertheilen, die Wirkung nur erhöht, so daß mir viele noch besonders gedankt haben. In die letzte Stunde kamen noch viele Professoren, sogar auch Bucher.
Leb’ nun recht wohl und setze Deine Kur auf’s Eifrigste und mit beßrem Muth, Dank gegen Gott und Freudigkeit fort. Wenn einmal ein Brief ausbleibt, so denke nur nicht gleich, es sey etwas Übles die Ursache. Es ist mir peinlich, die Tage so genau zu beobachten. Nochmals leb’ wohl.