Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

OberMedicinalRath Dr. Schelling

in

Stuttgardt

frey bishin.

Liebster Bruder!

Von Tag zu Tag hofften wir in dieser Woche mit der Nachricht von der glücklichen Entbindung Deiner lieben Frau erfreut zu werden. Erst erhielten wir diese durch einen Brief von Paul; vielleicht hast auch Du uns benachrichtiget, aber dieses Schreiben, wie das frühere, nach München addressirt. Wie dem sey, unsre Freude ist groß über dieser frohen Nachricht, und ich eile, sie Dir und der lieben Schwägerin zu bezeugen. Möge nun der nächste Lebenslauf des kleinen Ankömmlings so glücklich wie der erste Schritt in’s Leben von Statten geh’n, und besonders auch Deine liebe Frau das Wochenbett ohne Anstoß zurücklegen! Daß das Angekommne ein kleines Mädchen ist, wirst Du Dich hoffentlich nicht anfechten lassen. Der Sohn, ja die Söhne werden schon nachfolgen. Ich hatte unter meinen sechs Kindern nach einander drey Töchter und dachte gar nicht mehr einen Sohn zu haben, als das letzte gegen meine Erwartungen doch wieder ein kräftiges Söhnlein wurde, und die Gleichzahl wiederherstellte.

Der oben erwähnte Brief kam mir von München aus richtig, nur einige Tage später zu. Sonst hätte ich durch Dich, daß beyde Knaben die Masern glücklich überstanden, zuerst erfahren. Deine liebevolle Absicht habe ich darum nicht weniger erkannt und Dir verdankt.

Ich habe Dir, wenn ich nicht irre geschrieben, daß ich die beyden Knaben in der Erndtevacanz wohl würde hieher kommen lassen. Seitdem haben sich nun aber die Umstände in sofern verändert, als ich in diesem Augenblick nicht weiß, ob ich nicht, sehr gegen meinen Wunsch und Neigung, aber um dem König einen Beweis meines guten Willens zu geben, mich genöthigt sehen werde, schon in den , wenigstens auf einige Zeit, nach München zu gehen, und grade in diese Zeit fällt auch die Nürtinger Erndtevacanz. (Ich bin nämlich inzwischen auch zum Vorstand der Akad˖[emie] gewählt worden). Ich nehme also Bruder Augusts Einladung für die beyden Jungen mit Dank an. Vielleicht daß Du ihm ohnedieß auch schreibst in diesen Tagen, in diesem Fall bitte ich Dich, ihm dieß zu melden. Fritz soll noch sehr schwach seyn auf den Beinen und bey dem Witterungs- und Krankheits-Charakter dieses Jahrs, da besonders Paul gern unmäßig im Genuß des Obstes ist, wäre mir das Liebste, wenn sie ganz in Nürtingen bleiben könnten. Ich weiß aber freylich nicht, ob dieß auch Plancks gelegen seyn wird, und hoffe zu August, daß er sie in guter Zucht halten, nicht in dem ihnen neuen und unbekannten Wasser baden lassen, und auf ihre Diät ein strenges Auge haben wird. Nur bitte ich Dich, lieber Bruder, wenn es dazu kommt, nicht wieder Dich wegen ihrer Hinreise in Ungelegenheit zu setzen. Wenn der Onkel von Neustadt die Güte haben will, sie in Besigheim abzuhohlen, so will ich schon bey Planck dafür sorgen, daß sie sicher dorthin geschafft werden, ohne Dir und Deiner lieben Frau, während der ersten Wochen, auch nur etwa über Mittag lästig zu seyn. Sie sollen ihren Besuch auf dem Rückweg ersparen. Daß Paul hospes nach Urach bereits recipirt ist, wirst Du wohl wissen.

Lebe recht wohl, liebster Bruder; ich danke Dir wiederholt herzlichst für alle Deine und Deiner lieben Frau an meinen Kindern bewiesne große Liebe und Treue, und bitte uns dieser, sowie allen verehrten Verwandten bestens zu empfehlen. Die zärtlichsten Grüße an Clärchen; auch an Beate unsre Grüße.
Gott segne Dich, sammt Deiner Frau und Deinen lieben Kleinen!
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]

Fr.