Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgeboren

Herrn Director von Schelling

in

München

Fr˖[ei] Gr˖[enze]

Herzlichgeliebtester Friz!

Dismal wurde mir die Zeit fast zu lang, bis ich wieder Nachricht von meinen lieben Kindern erhielte, ich ahndete allerhand, ob eines krank geworden, oder ob ich ganz vergessen seie, jezt freüte mich ausserordentlich, wie ich frühe einen Brief von der Post bekame, bedaurte aber von ganzem Herzen wie ich darinn fand, daß meine Liebste Frau Tochter an einem Cathar Fieber krank gelegen und tröstete mich damit, daß es gottlob doch glüklich überstanden ist, ich wünsche jezt nur von ganzem Herzen daß Ihre theure Gesundheit möge auf daß neue recht gestärkt und Sie eine dauerhafte Gesundheit geniessen mögen, mit meiner Gesundheit geht es gottlob auch wieder besser, doch bin als noch nicht frei von Husten und Schnuppen Die Witterung ist aber schuld daran, es klagen viele über Catharr und ist dem Karl eine junge Frau im Wochenbett am Catharr Fieber gestorben Zum Glück hat Er den Jäger gebetten gleich anfangs daß Sie beide mit einander Sie behandelten, es war Ihm so leid bei der Gauppin daß Er nicht noch einen Arzt dazu genomen es hätte aber nichts geholfen und der Wittwer und der Sel˖[ige] Herr Special haben es auch gesagt daß Karl alles gethan habe zu Ihrer rettung, und denn haben Sie es gezeigt bei der Krankheit des guten Herrn Specials, daß Sie den Karl noch zum Leibmedicus Reüß gebetten Haben, daß Sie volles Vertrauen gehabt haben der gute Mann spürte es wohl, ich reiste 14 Tag vor Seinem nach Denkendorf wo Er die Leichen Visitation gehalten und schon so einen fürchterlichen Husten hatte wo mir angst und bang war daß Er sich doch nicht steken möchte Sagte Er zu mir in 4 wochen wird es sich viel bei mir zeigen, mir hat Sein Tod sehr zugesezt, Jedermann sagte der Tod Seiner lieben Tochter seie schuld daß er schon gestorben seie, und da machte ich mir die bitterste vorwürfe über meiner Kuppelei, wenn so 2 rechtschafene Personen solte das leben kosten wenn ich freilich es vorher gewust hätte daß es so gehen könnte hätte ich gewiß es nicht gewagt, aber die leute sagten es seie alles so vergnügt in dem Hausse gewessen über der Verbindung und der gute Vatter habe so eine schöne rede bei der Hochzeit gehalten und so heiter gewessen, es war eine äusserst betrübte Beicht, Herr Stiftsprediger Flatt hielte die Beichtrede in der Spithal Kirche die wurde so voll, daß 3 Herrn aus der Taschen Ihre Uhren gestohlen wurden, der Sohn konnte nicht zur Beicht gelassen werden weil Er gerade an dem Beicht##ge ganz verrükt war, J[un]gfr˖[au] Christiana faßte Sich aber ausserordentlich und sagte dies seie Ihr Trost daß es Ihrem Vatter so wohl jezt seie Sie wisse am besten was der rechtschaffene gelitten habe wie man Ihren Herrn Vatter mit dem Sarg auf den Wagen stelte so kam Herr Georgy ins Zimmer wo wir uns aufhielten und Sagte liebe Nane nun führt man Dir Deinen rechtschafenen Vatter fort, halte Dich jezt an Deinen Himlischen Vatter, und ich werde so viel als möglich Dir die stelle Deines guten Vatters ersezen und rief Seiner Frau und Sagte und Du wilst der Christian Ihre Mutter und Ihre Freundin sein also fasse Dich liebes Kind, Er weinte aber so bitterlich auch der Herr Special von Ludwigsburg war so betrübt daß er fast nicht zu trösten war, die Inventur ist schon angegangen und ist zum wunder doch ein artiges Vermögen da der Selige hatte gleich nach der Johannen Tod, dem Gaupp Ihr Groß mütterliches Vermögen von 12 Taussend gulden übergeben, und jezt solle noch 11 bis 12 Taussend gulden da sein, welches freilich für die Närische Frau wohl komt, dem Guten Mann ist nun Seine ruhe wohl zu gönnen Er hat viel gelitten und in der grösten stille Er wird jezt getröstet werden, vom Professor Köstlin spricht man daß Er Special sol werden Herr von Mandelsloh solle Ihn dem König vorgeschlagen haben bei dem gilt Er alles es wäre auch ein guter ausweg den solle die Hochzeit des Köstlins sein, und Herr Special von Urach wird daß Braut Paar in der StadtKirche einsegnen wer nach Maullbronn komen solle weiß man noch nicht man spricht vom Helfer Dopp, es ist freilich nöthig ein ernstlicher Mann nach Maullbronn zu thun weil die Seminaristen in einem solchen verderbten Zustand sich befinden, daß zum Ärgerniß ist doch sorge Dopp seie gar zu patriotisch ach der gute Selige Papa hat in Seinem hohen Alter noch Ordnung erhalten, und in den 2 Jahren sind die Leute ganz verwildert, die gute Frau von Vellnagel war dem Tode auch nahe der Karl hatte so viel Angst daß er lauter so gefährliche Patientin habe, die Ihn so nahe angehen, Sie hatte die ruhr auf die heftigste art, muste des Tags öft 50mal Öffnung haben und gieng lauter Blut, seit etlich Tagen ist Sie Gott Seie es Taussend mal gedankt doch ausser Gefahr, es war aber eine grosse Angst die Doctorin lamentirte entsezlich es wäre ein grosser Verlust vor die Familie gewesen Sie ist gar eine edle rechtschafene Frau, ist aber so geschwächt daß Sie Zeit braucht Sich zu erhollen, und Er ist auch noch nicht hergestelt, der König hätte Ihn gar zu gern nach wien noch nachkommen lassen aber es ist unmöglich Karl muß alle wochen 2 mal ein Attestat dem König zuschicken von der Gesundheit des Herrn Ministers, wenn jezt nur Deine liebste Frau der Doctorin bald antworten kan, wenn es Ihre Kräften erlauben Sie hat es schon empfindlich genommen daß Sie noch nicht geantwortet Haben ehe wir wusten daß Sie krank geworden, ich entschuldigte Sie immer es müssen Hindernisse vorgefallen sein sonst Hätte Sie schon geschrieben. Dein Bild macht so viel Freüde man müste es in die academie hinunter tragen wirklich wird eine rehme darum gemacht, ich wurde lezthin wie des Helfers von Herrn Berg hier waren zum Essen zu des Doctors geladen ich konnte aber nicht davon Profitiren, da holte man daß Porträit und sezte es auf den Sessel der vor mich Parat war und tranken auf Deine Gesundheit es freute mich unendlich daß Du mir gute Nachricht von Deinem lieben guten Paul gegeben daß Kind liegt mir immer so in gedanken und in meinem Herzen daß mir öfters von Ihm Träumt ich möchte Ihn nur auch wieder Sehen und in auf meiner Schoß haben, Hätte ich Ihn nur da Seine liebe Mamma krank war Ihn nur hütten dorfen wie viel Vergnügen hätte es mir gemacht ich meine nicht daß ich je ein Kind so lieb gehabt habe, der gleine Gaupp gedeiht auch recht braf aber Er hat jezt schon die siebente äüssen an sich Er hat gar viel Schärfe mit sich auf die welt gebracht und ist nur gut, daß es so braf hinaus komt wenn Er nur aufgebadet würde aber Karl sagt die Kindsfrau würde Ihn verkälten da Sie so allein mit Ihm umgehen müsse ich wil jezt wenn es mir besser ist doch des Vormittags hinüber gehen und Ihm helfen baden, Jezt ist auch des Hemles Ihr Grospapa gestorben und daß Kind soll auch da über 20 Taussend gulden erben, Er war Special in Sulz und solle ein sehr reicher Mann gewessen sein, wenn nur die gute Mutter dem Kind erhalten worden wäre, es ist so betrübt wenn man das kleine Kind ohne Mutter ansieht, Hast Du doch gute Nachricht von der glüklichen Nachhausse Kunft Deiner lieben Frau Mamma und Jungfer Schwägerin erhalten darf ich bitten mich Ihnen zu empfehlen auch des Grossen und des Doctors, wir erinnern uns noch immer mit dem grösten Vergnügen der angenehmen stunde Ihres Hierseins, oncle Prälat kan es nicht zu recht legen daß Du den weg noch nicht über Denkendorf nach Tübingen genomen Hast damit Er auch Deine liebe Frau hätte Kennen lernen, Du must eben jezt bald wieder komen und Deinen lieben Paul mitbringen auf dem alles begierig ist, bei der Doctorin ist noch keine Hoffnung da so sehr Sie es anfangt zu wünschen aber in Herrenberg ist die Helferin wieder in der Hoffnung der kleine August ist anfangen recht braf, aber ein rechter Schelm wie befinden Sich denn meine gute Freunde und Wohlthäter in München besonders die liebe Frau von Köhler ist Sie doch zu Hausse gewessen wie Deine liebe Frau Krank gewessen, sonst Hätten Sie mich gedauert bitte mich bei Ihnen allen zu empfehlen, hier schike die quittung vom Buchhalter des Herrn Cottas ich habe daß geldt schon 3 wochen da gehabt, es ist mir gerade eingegangen, dürfte ich Dich bitten mir eine quittung für die fünf hundert gulden daß Du es empfangen am Heirathgut zu schiken nur auf dem Fall nach meinem Tod, es thut mir nur leid daß ich meinem guten Friz nicht ein grosseres Capital zustellen kan Du weist es aber am besten daß es nichtmöglich war etwas aufzusteken, Gott wird Dich aber gewiß Segnen für Deine Liebe die Du Treue die Du gegen Deinen Eltern bewiessen, vorzüglich aber daß Du so viele Sorgfalt und Zärtlichkeit bei meinem aufenthalt in München mir mit Deiner lieben Frau erwiessen hast es bleibt mir in stetem andenken, nun wünsche daß ich recht bald gute Nachricht von dem Wohlbefinden erhalten möge

Doctors und Grossen grüssen mit mir Euch Lieben Taussendmall den lieben guten Paul küsse oft in gedanken. Gott Segne Ihn, und erleichtere Ihm die beschwerden von Seinem zahnen es ist doch recht braf daß Ihm daß zahnen nicht zusezt beim gehen ich bin mit wahrer liebe
Meines lieben Friz
Treüe Mutter

Sch.