Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Durchlauchtigster Kronprinz,
Gnädigster Fürst und Herr!

Erst vor wenigen Tagen habe ich endlich von meinem Freund, Boisseré, Antwort erhalten auf die an ihn, dem Wunsche Eurer Königlichen Hoheit gemäß, schon vor mehreren Monaten gerichtete Anfrage wegen Beschaffenheit des angeblichen Bildnisses Kayser Friedrichs I. in der Burg zu Gellnhausen.

Leider scheint die Erwartung, die ich einer früheren Äußerung des nämlichen Freundes zu Folge, bey Euer Königlichen Hoheit von jenem Bildnisse erregt habe, durch seine neueren, nach eignem Anblick gemachten, Bemerkungen, ganz aufgehoben zu werden. Euere Königliche Hoheit werden den Stand der Sache aus dem beyliegenden Schreiben Boisseré’s Allerhöchst Selbst zu entnehmen geruhen. Es verdient wegen mehrerer andrer sehr gelehrter Nachweisungen, welche es enthält und die noch auf die rechte Spur führen könnten, Euer Königlichen Hoheit vorgelegt zu werden. Dem Schreiben beygefügt ist 1) ein kleines Kupfer, den angeblichen Kopf Barbaroßa’s in Gellnhausen vorstellend 2) eine Durchzeichnung eines Bildnisses desselben, das sich in Iconibus heroum illustrium Basil˖[ea] 1589 befindet, und das Boisseré für empfehlungswerther als alle andern zu halten scheint.

Das von Boisseré ebenfalls angeführte Buch, Imperatorum Romanorum Libellus Argentor˖[atum] 1526 hoffe ich, von der Königlichen Bibliothek erhalten zu können.

Was die Gemälde in der Klosterkirche zu Lorch betrifft, so habe ich diese oftmals und noch kürzlich, (vor ) gesehen und sehr genau betrachtet. Daß diesen Wand-Gemälden, (denn es sind deren mehrere) ältere Gemälde zu Grund liegen, ist aus mehreren Gründen nicht leicht zu bezweifeln; die Nachrichten bey Crusius, auf die sich Boisseré bezieht, gehören zwar nicht immer unter die zuverläßigsten, aber theils spricht für das hohe Alter der ersten Bilder die Tradition, theils das frühe unglückliche Erlöschen des Stauffischen Hauses, theils der Umstand daß bey dem Gemälde, welches die Hinrichtung Conradins vorstellt, eine Guillotine angebracht ist, welches ein späterer Künstler wohl kaum sich erlaubt hätte; wenn aber auch in den allgemeinen Umrißen nichts bemerkt wird, das der Kunst des unangemessen wäre, so bleibt immer die Frage, wie viel wohl im Lauf der Zeiten von der ersten Aehnlichkeit der Gesichtszüge noch übrig geblieben ist? Das Kloster Lorch hat im Bauren Krieg eine schreckliche Zerstörung erlitten, von der an die dortige Kirche noch das Ansehn einer Ruine hat; die Grabmäler der Staufen sind von jener Zeit her zerschlagen, und um so weniger haben vielleicht die Bauren der Bildnisse geschont. Auch ist es historisch bekannt, daß diese Gemälde in verschiednen Zeiten, und noch vor vielleicht nicht 30 Jahren von einem schlechten Maler aus Schwäbisch Gmünd übermalt worden sind. Aus diesen Gründen muß ich im Ganzen dem Urtheil des Bildhauers Tieck beystimmen.

Ein andres lebensgroßes Bild Barbarossa’s habe ich in der Kapelle des Ortes Staufen auf der halben Höhe des Berges Hohenstaufen gefunden, aber erst nachdem Tieck bereits das Wirtembergische wieder verlassen hatte. Dieses Wandbild ist zwar weit weniger beschädigt, doch sind die Spuren öfterer Überarbeitung nicht zu verkennen, auch verräth Styl und Inhalt der dabey stehenden, übrigens sehr treuherzigen, Reime, daß dieses Bild erst in späteren Zeiten, etwa im Anfang des , verfertigt ist – unstreitig nach einem dafür gehaltnen Originalbild; aber außerdem daß die Arbeit durch spätere Veränderungen sehr verdorben worden, bleibt nichts anzunehmen, als daß das Bild gleich anfangs von einem gemeinen Handwerker in der Kunst verfertiget worden.

Eure Königliche Hoheit bitte ich unterthänigst, mir diese Ausführlichkeit zu verzeihen und darinn nichts als den Eifer zu erkennen, Höchstderselben in dieser Sache irgend eine befriedigende Nachricht zu verschaffen.

Der Himmel erhalte Eure Königliche Hoheit!
Mit der tiefsten Devotion ersterbe ich
Eurer Königlichen Hoheit
unterthänigst-gehorsamster

Schelling