Unser lieben Schwester.
Liebste Schwester!
Noch eh’ ich dazu kam, Deinem früheren lieben Brief zu beantworten, hast Du mich mit einem zweyten erfreut und erhielt ich von Dir eine große Schachtel mit herrlichen Trauben. Du ersetzest mir und machst mich vergessen, daß in diesem die Umstände mich gehindert haben, nach Wirtemberg zu kommen. Habe dafür, wie für alle Deine Liebe zu uns meinen und meiner Frau herzlichsten Dank! Hättest Du den Jubel der Kinder hören können, als auf Einmal die zwey Schachtel kamen, (denn auch unser guter Karl hat mich mit Trauben bedacht) Du würdest Dich wahrhaft ergötzt haben.
Ich bin erst vor wenigen Tagen von meinem fast 8wöchentlichen Aufenthalte auf dem Lande zurückgekommen, meine Gesundheit hat sich dadurch wieder gestärkt und auch Frau und Kinder habe ich wieder wohl angetroffen.
Du schreibst mir wenig oder fast nichts von Deinen lieben Kindern; das solltest Du nicht thun, denn die eigenen Kinder haben die Deinigen in meinem Herzen nicht verdrängt, glaube gewiß daß jede Nachricht von ihren Fortschritten und den Hoffnungen, die sie Dir gewähren, mich herzlich erfreut. Du und Deine Kinder – ihr habt jetzt die gute Mutter nicht mehr um Euch; euer Verlust ist fast noch größer als der meine, aber vielleicht empfinde ich ihren Tod nur um so schmerzlicher, je weniger ich im Leben mit ihr und um sie seyn konnte; ich kann es oft kaum glauben, daß die gute Mutter nicht mehr ist und daß ich sie in diesem Leben nicht mehr sehen soll. Gott lohnt ihr was sie an uns allen gethan hat, und gewiß auch dort hat sie Dein und Deiner Kinder und unser aller nicht vergessen.
Du solltest jetzt in Einem Betracht wenigstens an die Stelle unsrer lieben Mutter, und mir öfters schreiben; ich verspreche dagegen auch Dir zu schreiben, so oft als ich an die liebe Mutter geschrieben, ob ich gleich leider grade in der letzten Zeit diese Pflicht oft recht lang’ versäumt habe.
Du willst so gut seyn und was von der Verlassenschaft mir zugefallen, für mich aufheben. Ich wiederhole die Bitte, daß Du von den Kleidern nehmest was Du glaubst verwenden zu können, etwas der Art kommen zu lassen, lohnt kaum der Mühe und es aufheben bis wir kommen möchte Dich zu sehr beschweren Wegen der Betten will ich mich noch entschließen, einstweilen bitte ich Dich, sie zu behalten (ich fragte ob ich solche nicht wie die Breyer ihre Sachen erhielt, sie
Dein braver Stiefsohn will sich der übrigen, nämlich der Geldangelegenheiten annehmen. Danke ihm einstweilen in meinem Namen recht herzlich dafür und bitte ihn, das was übrig bleibt und etwa eingeht, für mich entweder aufzubewahren oder so sicher als möglich unterzubringen. Ich behalte mir vor, ihm selbst zu schreiben, wenn ich erst genauere Nachricht erhalte.
Vielleicht bist Du so gut, eine Frage nun zu beantworten, auf die ich von Bruder Karl keine Antwort erhalten, nämlich, wie ich wohl auf eine geschickte und angemeßne Weise Herrn O˖[ber]R˖[egierungs]Rath Wächter meine Erkenntlichkeit bezeugen könne?
Nun wünsche ich, daß Du diesen mit Deinen lieben Kindern recht gesund und vergnüglich durchleben mögest. Auch ich hoffe auf einen besseren als der war und besonders als der Anfang des . Ich weiß nicht, ist Dir geschrieben worden, daß wenige Wochen nach unser guten Mutter, die sie so sehr liebte, von der sie immer mit der größten Theilnahme sprach, auch die gute Frau von Gaertner, der Du Dich von Würzburg erinnern wirst, meine vieljährige Freundin, gestorben ist? – Was macht denn Frau von Breyer? Schreibe mir doch von ihr. Siehst Du sie bisweilen?
Nun soll es gewiß dazu kommen, daß ich die lieben Meinigen in Wirtemberg wieder sehe. Aber Du mußt mir dagegen auch Etwas versprechen, nämlich daß Du Einmal auf einen Sommer mit Deinen zwey Knaben hieher kommst. Du hast mich in Würzburg besucht, solltest Du mich nicht auch Einmal in München besuchen können?
Leb’ recht wohl, liebste Schwester, ich bin mit brüderlicher Zärtlichkeit.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Friz
M˖[ünchen] .