München den .
Was werden Sie, mein theurester Freund, dazu denken, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben, und daß Sie meine neuesten Lebensereignisse, an denen Sie nach Ihrer Freundschaft gewiß herzlichen, nach Ihrer Mitwirkung dabey aber gewiß doppelten Antheil nehmen, durch Andere haben erfahren müssen? Einen Theil der Schuld könnte ich freylich vermindert glauben, wenn mein Bruder, dem ich ausdrücklich Auftrag dazu gegeben, Ihnen aus einem Brief an ihn die Umstände mitgetheilt hätte, durch die es unvermeidlich dahin kam, daß selbst meine Eltern die Vollziehung meiner Heyrath eher durch das Gerücht als durch Briefe von mir erfuhren. Allein mein Bruder scheint seit seinem Bräutigamsstande in Vollziehung aller Aufträge so saumselig geworden, daß ich wirklich nicht mit Sicherheit annehmen kann, daß er Ihnen jene Umstände ordentlich mitgetheilt hat. Nun bin ich freylich schon seit dem wieder hier. Aber seit dieser Zeit bin ich auch mit einer solchen Fluth von Geschäften überhäuft gewesen, daß dieses im wörtlichen Verstand der erste ruhige Augenblick ist, da ich Ihnen schreiben kann. Die lebhafte Bewegung, welche durch die neuesten Veränderungen in unsre akademischen Angelegenheiten gekommen ist, hat mich einen großen Theil meiner Zeit gekostet; dazu die Unruhen eines neu beginnenden Hausstandes.
Nun sey’n Sie aber auch, werthester Freund, auf’s herzlichste von mir gegrüßt in diesem meinem neuen Verhältnisse. Es muß für Sie ein angenehmer Gedanke seyn, so vielen Antheil an meinem Glück zu haben, als Sie durch Ihre Erkundung und mir gegebne Nachricht wirklich gehabt haben. Es war Ihr Brief, der mich bestimmte, die Reise zu machen, und so mich von der Wahrheit der Ihnen gemachten Beschreibung persönlich zu überzeugen, worauf mein Entschluß bald gefaßt, und bey dem Werth, den ich auf meine Zeit zu legen habe, fast ebenso schnell vollzogen war. Daß ich mich in dem neuen Verhältniß ganz glücklich fühle, brauche ich nach dem Bisherigen nicht hinzuzusetzen; möge das Bewußtseyn, dazu so wesentlich mitgewirkt zu haben, Ihnen ganz die Freude machen, die ich wünsche.
Jetzt kann ich mit Muße und Ruhe auch wieder an meine liter˖[arischen] Arbeiten denken, die ich leichter und von vielen Seiten ungestörter werde vollenden können.
Die Weltalter kann ich nun zur messe 1813 mit völliger Gewißheit versprechen, da im eigentlichen Verstand nur die letzte Hand daran fehlt.
Wegen der Methodologie erwarte ich noch Ihre Antwort. Je eher der neue Abdruck veranstaltet wird, desto besser wird es seyn.
Wegen der Allg˖[emeinen] Zeitschrift habe ich einen harten Kampf mit mir selbst bestanden. Konnte ich vermuthen, daß Sie geneigt seyn könnten, dieselbe in Verlag zu nehmen, so hätte ich mich nie anderweitig eingelassen. Ich hoffte Herrn Schrag noch durch Vorstellung des Risico’s und andrer Umstände vielleicht zu einem Rücktritt zu bewegen; allein noch während der Messe erhielt ich einen Brief von ihm, woraus ich sah, daß er von dieser meiner Absicht Vermuthung geschöpft hatte, und worinn er erklärte, daß nachdem er, (obwohl ohne mein Wissen) das 1ste Heft schon im Meß-Catalog annoncirt, auch allen Buchhandlungen die Anzeige davon gemacht habe, der Rücktritt von meiner Seite für seinen Credit von empfindlichem Nachtheil seyn würde. Unter diesen Umständen, da ich ihn bis daher, durch andre und auch zum Theil selbst, als rechtschaffenen Mann kennen gelernt und er mir wegen Haltung der Bedingungen hinlängliche Sicherheit gegeben, noch mehrere angeboten hatte, hielt ich es für Unrecht zurückzutreten, und Sie selbst, verehrter Freund, wenn Sie je bedauren könnten, daß es so gekommen, werden nach Ihren bekannten Gesinnungen mir hierinn Recht geben. So habe ich also nunmehr Herrn Schrag den Verlag der Zeitschrift zugesagt; und bitte Sie, lieber Freund, nur, wenn Sie nach Erscheinung der ersten Hefte mir einen Rath nach Ihrer reichen Erfahrung zu geben hätten, mir denselben nicht vorzuenthalten; so wie wenn Ihnen Ihre Verbindungen Beyträge oder Mitarbeiter zuführen, die für Ihre Unternehmungen nicht passen aber für meine Zeitschrift tauglich seyn könnten, solche mir zuzuweisen. Sie erhalten das 1ste Heft, sobald es erscheint. Ich glaube, ein solches Journal ist Bedürfniß der Zeit. Es sehnt sich nachgerade, nach der zeitherigen Anarchie und Verschlaffung, jedermann wieder nach einem Zusammenhalt und Strenge und Festigkeit im Urtheil, Ich glaube daher, daß diese Zeitschrift Sie um ihrer selbst willen zu interessiren vielleicht fähig seyn wird.
Prof. Schaffroth aus Freyburg schreibt mir, daß Sie eine Schrift von ihm verlegen, die sich auf die Jacobische Fehde bezieht; ich bitte Sie, mir dieselbe, sobald sie die Presse verlassen zukommen zu lassen; auch mir sonst mitzutheilen, was Ihnen in dieser oder sonst einer andern literarischen Beziehung Interessantes bekannt seyn möchte.
Unser Landsmann, Hauptmann Bauer, Professor an der hiesigen Militär-Akademie, hat eine geistreich und aus unmittelbarer Anschauung geschriebene Geschichte des letzten Kriegs in Tyrol herausgegeben; zuerst auf eignes Risico; jetzt wünscht er, die noch übrigen Exemplare irgend einem Verleger zu übergeben. – Da ich von dem Werth der Schrift überzeugt bin, und ich weiß, daß Sie Schriften dieser Art gern verlegen: so habe ich ihm versprochen, deßhalb an Sie zu schreiben. Die näheren Umstände werden Sie aus beyliegendem Blatt; einiges von der Art des Buchs aus der ebenfalls beyliegenden (jedoch von keinem Militär verfaßten) Anzeige abnehmen. Es sollte mich sehr freuen, wenn die Sache Ihnen erlaubte, diesem würdigen, von Geist und Herz gar schätzenswerthen, Landsmann diese Erleichterung zu verschaffen.
Bey der Abgeschnittenheit von Stuttg˖[art], worinn ich durch die Stockung meiner Correspondenz gerathen, weiß ich nicht, wo dieser Brief Sie findet. Vielleicht sind Sie noch im Bad; möge es Ihrer Gesundheit recht heilsam seyn.
Inzwischen empfangen Sie meine und (unbekannter Weise) auch meiner Frau herzlichste Grüße und Empfehlungen und sey’n Sie der treusten Freundschaft gewiß, womit ich stets seyn werde
Der Ihrige
Schelling.