Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebster Freund,

Wenn ich alles wohl zusammenrechne, so ist es gewiß über Jahr und Tag daß Sie von mir keinen Brief erhalten haben. Meine Schuld ist es nicht. Nachdem ich aus Ihrem letzten vom gesehen, daß Sie wenigstens 2 wo nicht 3 Briefe, die ich Ihnen durch die Post geschickt, nicht erhalten hatten, gab ich es ganz auf, Ihnen durch diese zu schreiben. Ob es davon kommt, daß noch immer bey uns das saubre Franzosen-System des Brief-Erbrechens oder Unterschlagens herrscht, oder ob Sie in Rom gute Freunde haben, welche Briefe an Sie wegkapern, weiß ich nicht – mir war es höchst unangenehm, da ich in diesen Briefen Manches geäußert hatte, was man nicht gern in jedermanns Händen weiß. Endlich kommt Herr von Bröndstäd, der als dänischer Agent nach Rom geht und sich erbietet, einen Brief mitzunehmen. Ich wünsche, daß Sie sich mit ihm verstehen mögen und die Unarten eines Cockerell und Linckh gegen Sie nicht auf ihn übertragen. Er hat große Achtung für Sie als Künstler und Mensch, und ich glaube in ihm einen biedern und treuherzigen Mann erkannt zu haben. Helfen Sie ihm besonders, soviel Sie können. Auch die verworrnen Verhältnisse des leider verstorbenen Haller in’s Klare zu setzen.

Wenn ich mich recht erinnere habe ich Ihnen noch gar nicht wieder über unser gemeinschaftliches Kind, »die äginetischen Bildwerke« geschrieben. Soviel ich sehen kann, ist es in Deutschland sehr wohl aufgenommen, auch ist nach Landessitte schon viel darüber geschrieben worden. Unter andern von Herrn Hirt in Berlin. Ich weiß nicht, ob Sie dessen Schriftlein gesehen haben, wo nicht bitte ich es mich wissen zu lassen und Sie sollen es durch den ersten Courier erhalten. Im Allgemeinen werden Sie wohl seine Ansichten kennen, die er nicht ermangelt haben wird, in Rom schon mündlich mitzutheilen. Ich bin sehr begierig zu wissen, was Sie von Cockerell’s Zusammenstellung der Figuren halten? Sind damit wirklich alle untergebracht, oder bleiben noch Arme, Schenkel und Beine übrig, wie ich fast glauben sollte? Reisende versichern, daß nach der Größe der Figuren der Tempel kaum ein Capelle gewesen seyn könne, aber ist es denn so über allen Zweifel erhaben, daß dieselben im Giebel gestanden? Es war mir sehr Leid, die von Ihnen an S[ein]e˖ K˖[önigliche] H˖[oheit] den Kronprinzen nachgeschickte Notiz, den Hercules betreffend, nicht mehr erhalten zu haben, dieß ist nun freylich ein wesentlicher Mangel der Beschreibung, allein diese Notiz ist mir niemals zugekommen. Haben Sie den Gedanken nicht ausgeführt, spätere Entdeckungen und Berichtigungen, so wie die neuen Gedanken, auf die Sie inzwischen unstreitig geführt worden sind zusammenzustellen und unter der Form von Nachträgen herauszugeben? Ich erbiete mich in dieser Beziehung zu jeder Dienstleistung. In einem der verloren gegangnen Briefe fragte ich Sie auch, ob Cotta bey seiner Anwesenheit in Rom Ihnen nicht das (leider klein ausgefallne, mit ihm verabredete) Honorar für Ihre Schrift an Sie bezahlt habe? Ich bitte Sie mir dieß zu beantworten, ich muß es wissen wegen meiner eignen Abrechnung mit ihm.

Liebster Freund, was Sie mir von dem Gang der Dinge in Rom während der Anwesenheit unsres Kronprinzen geschrieben, wußte ich freylich so ziemlich schon vorher, doch danke ich Ihnen dafür. Wer so in der Nähe ist, kommt bald dahin, sich über nichts mehr zu verwundern. Doch der Taumel der FrömmlerKunst und Zunft wird vorübergehen; bedaurenswerther noch scheinen mir andre Dinge, unter andern der Bau der Glyptothek, eines Gebäudes völlig ohne Styl, ohne Consequenz, das sich nicht einmal mit den besseren Gebäuden aus den Zeiten Ludwigs XIV. vergleichen läßt, aber an welches ungeheure Summen verschwendet werden, Summen für die nicht nur die Elgin’sche Sammlung zu kaufen stand sondern noch mehr als Eine griechische Insel sich umgraben ließ. Wie es nun gegenwärtig in Ansehung der Kunst bey uns steht, können Sie leicht ermessen, wenn Sie wissen, daß der Meister jenes kostbaren Gebäudes an des alten braven Gärtners Stelle Hof-Bau-Intendant und alles-dirigirender Baumeister geworden ist. Friz Gärtner ist ihm untergeordnet als – BauPracticant. Das ist so ohngefähr das Neuste wenn auch nicht das Beste, was ich Ihnen von hier mittheilen kann. Außerdem werden wir nun noch in diesem Monat die erste Ständeversammlung erleben. Wie viel dabey herauskommt wird sich zeigen. Bis jetzt ist des Guten von allen Verändrungen nicht viel zu spüren. Die Leute, die was verstehen, sind bey uns zu dünn gesät. Kommen Sie jetzt bald Einmal zu uns heraus und bleiben Sie wenigstens eine Weile da – denn für immer wollt’ ich es niemans rathen, wenigstens finde ich, daß ich jedes Jahr ungerner in München bin. Auch für Ihr herrliches Werk: das Eleusinische Fest, haben Sie wohl meinen Dank noch nicht erhalten? An Goethe habe ich es gleich geschickt. Hat er Ihnen nicht geschrieben oder doch danken lassen? Auch dieses Werk hat mich wieder mit Bewundrung Ihres Styls und Ihrer herrlichen Kraft erfüllt. Schade wenn Sie dieselbe ruhen lassen. Nun bitte ich Sie noch, mir doch recht oft, sey es durch Couriere oder durch die Post zu schreiben. Ihre Briefe kommen ganz richtig an. Fast schäme ich mich, der 800 fl. als noch immer nicht bezahlte zu erwähnen, indeß es ist dafür gesorgt und ich erwarte deßfalls Ihre näheren Anweisungen.

Nun Gott befohlen, lieber Freund, rechnen Sie auf die völlig unveränderliche Freundschaft
Ihres
ganz ergebenen

Schg