Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwohlgebohren

Herrn Direktor von Schelling

in

Erlangen.

gantz frei

Liebster Bruder!

Ich bin dießmal lange Zeit die Antwort schuldig geblieben, weil, so oft ich es mir auch vorgenommen hatte, immer wieder eine Störung dazwischen kam, wenn ich Dir schreiben wollte. Wir haben diesen gottlob gesund zugebracht, und außer einigen leichteren Anfällen, welche unser Karl in Folge des Zahnens durchgemacht hat, sind wir von allen Kranckheiten verschont geblieben, so viele es deren auch hier gegeben hat. Klärchen insbesondere ist immer munter und wohl gewesen, und ist diesen Winter über bedeutend gewachsen. Sie kann jezt gantz ordentlich lesen, und fängt auch an zu schreiben, ist übrigens bei dem Allem das heitere fröhliche lebenslustige Kind, wie vorher. Sie freut sich nun sehr, daß ihre Brüder bald wieder hieherkommen werden, und mit deiner Erlaubniß will ich sie, sobald die Vakanz anfängt, hieher abhohlen laßen. Sie sollen sehr gesund und munter aussehen, wie mir eine Frau, welche erst kürzlich in Nürtingen war, und sie gesehen hat, bezeugt. Auch soll der Rector gantz mit ihnen zufrieden seyn. Ich werde dafür sorgen, daß sie die Vakanz über nicht unbeschäftigt sind, und freue mich mit meiner Frau recht sehr auf ihre Ankunft. Der eigentliche Frühling scheint dieses Jahr lange ausbleiben zu wollen. Wir haben beständig kalte rauhe Winde, und auf dem Schwarzwald und der Alb soll noch ein tiefer Schnee liegen, und selbst in hiesiger Gegend sind die Berge nicht gantz frei davon. Neues weiß ich Dir nichts zu schreiben, als daß in die Tante von Urach, als das lezte der Klessischen Geschwister nun auch vollends gestorben ist. Ihr Sohn der StiftsPrediger Köstlin ist auf seine Bitte nun wieder auf das hiesige Specialat, welches kürzlich wieder vakant wurde, zurückversezt worden. Unser Karl macht uns durch sein glückliches Gedeihen unbeschreiblich viele Freude. Sprechen kann er noch nicht viel, dagegen ist er im Gehen, Klettern und dergl. sehr flinck und unermüdlich, und überhaupt sehr lebhaft. Ich freue mich sehr darauf, wenn ich ihn Dir und Deiner lieben Frau einmal vorführen kann, was wie ich hoffe, im Laufe dieses , oder doch gantz gewiß auf den der Fall seyn wird. Wenn Deine liebe Frau diesen Sommer das Karlsbad nicht nöthig hätte, so sollte sie auf etwas längere Zeit zu uns kommen, und Dir würde es wohl auch gut thun, einen längern Aufenthalt hier zu nehmen. An Sonntagen könnte man den Knaben halbwegs ein Rendésvous geben, so, daß ihr sie doch öfter sehen könntet.

Nun leb recht wohl und gesund. Meine Frau empfiehlt sich mit mir Deiner lieben Frau bestens, und Klärchen giebt mir viele Grüße an ihre lieben Eltern und Schwesterchen auf!
Dein
Tr˖[euer] Bruder

Karl