Upsala den .
Unmöglich, mein ewig verehrter Meister und Freund! kann ich die schöne Gelegenheit mir entschlüpfen lassen, Ihnen einen dankbaren Gruss, zwar nur mit eilender Feder, in Geijers treuer Begleitung darzubringen. Der Glückliche, der Sie vor so kurzer Zeit von Angesicht zu Angesicht gesehen und gesprochen! Mich trennt von Ihnen jetzt schon eine Entfernung, obwohl körperlich nur; denn im Geiste bin ich fortdauernd und immer bei Ihnen in Verehrung und Liebe gegenwärtig. Vielleicht haben Sie mir, in der letztverflossenen Zeit, doch ein bischen Flüchtigkeit und Vergesslichkeit zugetraut; mein verewigter Verwandter und Freund Kernell ermahnte mich ein paarmal von Erlangen aus recht dringend, dass ich Sie eines bessern belehren möchte; ich war aber, in jener Zeit, noch selbst sehr kränkelnd, missmuthig und unthätig. Jedoch raffte ich mich kurz vor seinem zusammen, und schrieb an ihn und an Sie zu gleicher Zeit: ich hoffe, dass Sie daraus wenigstens meinen guten Willen, meine fortwährende Gesinnung erkannt haben. Mit der herzlichsten Freude hab’ ich von Geijer gehört, dass Ihre Gesundheit wieder hergestellt ist, und dass wir bald von Ihrer verjüngten Lebensthätigkeit, Ihrem erheiterten Muth lang und sehnlich erwünschte Früchte zu erwarten haben. Möge Ihnen der Allweise und Allgute dazu seinen reichsten Seegen verleihen!!! – Des alten Versprechens, die Weltalter in’s Schwedische überzutragen, bin ich noch treulich eingedenk, und werd’ es bewerkstelligen, so gut ich vermag, sobald sie nur da sind. Treten Sie nun recht bald wieder auf, herrlicher Kämpfer des Lichts, und seyn Sie mit freudiger Vorempfindung gewiss, dass Sie unzähliche empfängliche Gemüther berühren werden, und in ihrer nach neuer Lebensregung in Philosophie und Religionswissenschaft lechzenden, durch alle germanische Lande verbreiteten Gemeinde unendlich viel Entscheidendes für die Geburt einer besseren Zukunft bewirken!
Um so schwiegsamer Sie seit vielen Jahren sind, um so mittheilender und schreiblustiger ist Steffens. Wenn der sonst so reichbegabte, so von Herz und Geist sprudelnde Mann nur mit mehr Klarheit, Maass und bestimmter Gestaltung, auch mitunter ein bischen concentrischer schriebe! Dass er hier, in Schweden und Upsala, zur war, wissen Sie ja; dass er, während seines hiesigen Aufenthalts, in meinen Zimmern wohnte, vermehrte, wie Sie sich’s leicht vorstellen können, unendlich meine Freude über sein Hierseyn. – Wie oft und freurig sprachen wir von Schelling!!! Wie schön entglühte, schon bei dem blossen Klang Ihres Nahmens, der begeisterte Freund, mit seinen strahlenden, thränenfeuchten Augen! – »Er hat nur einen Fehler«, – sagte er von Ihnen: »er will seine Weltalter gar zu vortrefflich machen, er will in seinem Werke etwas durchaus Vollendetes liefern; so etwas aber, allzu streng genommen, vermag nur allein Gott«. – Zeigen Sie uns denn bald durch die That, dass Sie auch diesen Fehler nicht haben; geben Sie uns nur, was in Ihren Kräften steht, ein menschlich vortreffliches Werk – und Sie werden genug für Ihre Mitmenschen, für Zeit und Unsterblichkeit geleistet haben. – Und entschuldigen Sie vor Allem meine dringende Ungeduld, wenn sie aus diesen Zeilen allzu lebhaft hervorblickt!
Dass ich, nun schon seit , Bräutigam eines guten, hübschen, tüchtigen, liebenswürdigen Mädchens bin, haben Ihnen wohl in Carlsbad meine reisenden Freunde sattsam erzählt; vielleicht aber nicht, dass ich in dem blühenden Sommermonat gegenwärtigen Jahrs mich mit der holden Geliebten durch das Band der Ehe verknüpfen werde. Wahrscheinlich wird gerade der zu unserm bestimmt, und meine Brautnacht wird, wie hoffentlich mein folgendes Leben, ein heller und wonniger Midsummernights-dream werden. Meine Braut heisst Ebba von Ekenstam (Eichenstamm), Tochter eines verstorbenen Obersten bei der Amiralität. Sie ist eine blühende, schöngewachsne, kerngesunde Blondine, von 24 Jahren. — Übrigens geniesse ich hier, als sogenannter Adjunct der Theoretischen und Practischen Philosophie, einer äusserst geringen, ja dürftigen Besoldung; meine Braut ist auch arm, und wenn nicht recht geschwind irgend ein alter Professor stirbt, oder Abschied nimmt, so muss Gott uns wie die Lilien auf dem Felde ernähren. — Meine Gesundheit, mein Lebensmuth, meine geistige, ja zum Theil körperliche Jugend haben sich durch den erquickenden Einfluss dieses Verhältnisses kraftig wiederbelebt; von den Fesseln, in welchen Kränklichkeit und Hypochondrie sonst, so viele (freilich verlorene!) Jahre hindurch, mich schlugen, fällt die eine nach der andern herunter; und so werd’ ich auch als Dichter und Schriftsteller künftighin allerley von mir hören lassen. — Grüssen Sie von mir den Herrn Grafen von Platen schönstens; ich habe ihm, und dem andern verehrten Freunde, Prof. Engelhardt, auf ihr Verlangen durch den Buchhändler Deichmann in Copenhagen, im vorigen Jahr, Exemplare von Lycksalighetens Ö (einem dramatisirten allegorischen Mährchen) und von meiner Gedächtniss-Rede über Kernell gesendet. Die Schauspiele von Gr˖[af] Platen sind lebhaft und geistreich. Der zweite Theil meines oben genannten Mährchens, aus welchem man erst deutlich einsehen kann wo das Ganze hinauswill, und zur klaren Anschauung meiner Idee gelangen, wird im künftigen erscheinen. Nachher will ich ein Buch über Italien, das in Schweden eine Terra incognita ist, herausgeben; dann ein Band philosophischer und ästhetischer Aufsätze; dann aber mich wenden an’s Dramatisiren einiger Gegenstände aus der schwedischen Geschichte – und dies soll der Haupt-Augenmerk meines künftigen Lebens und Wirkens werden.
Die Uhr schlägt gleich 7 am Dom-Thurme neben mir – ich muss unverzüglich den Brief endigen! — Gottes Seegen, alles Heil, ewiges und irdisches, über Sie, Ihre liebenswürdige Gattin, Ihre Familie, Ihre Freunde! Und zählen Sie zu diesen immer
Ihren treuen
Atterbom.