Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Ihr wehrtestes Schreiben, welches ich durch Herrn von Bronstädt erhalten, erfreute mich umsomehr, da es beinahe schon eine halbe Ewigkeit ist, daß ich nichts mehr von Ihnen erhalten habe. Den erhielt ich von Ihnen das lezte Schreiben. Ich kann nicht begreifen, wie Ihre Briefe sollten verlohren gegangen sein, da mir dieses bis jezt noch niemals begegnet ist. Wenn ich wissen könnte, daß es der eine, oder der andere von jenen heillosen langharigten verstokten Sündern gewesen, wie wollte ich ihn bedienen, so etwa in der Lieblings Manier des Benvenuto Celini; Nichts für den Wundarzt, Höchstens etwas für den Beichtvater sollte es zu thun geben. Ich bitte Sie daher, hinführo keine Briefe mehr nach dem Caffe Greeco zu addressiren, sondern solche unter der hier beigesezten Überschrift an mich ergehen zu lassen: Gio. Mart. Wagner, Pittore tedesco. Vicolo del Collegio Capranica, Nro 4. al quarto Piano, preso L’Architetto Concioli

Was dem Herrn von Bronstädt betrifft, so kenne ich ihn schon lange, als einen wakeren Mann, mit dem umzugehen, und ein vernünftiges Wort zu sprechen ist; und der himmelweit von jenem Linkischen Zwittergeschöpf verschieden ist. – Über die Aegineten wird nun zwischen uns beiden vieles verhandelt. – Er lieh mir auf einige Augenblicke das Werkchen von Hof˖[rath] Hirt. Ich finde, daß das Ganze gröstentheils aus albernem Zeug besteht, namentlich was er über die Vorstellung dieser Figuren sagt, welche vermeinte Entdekung er mit dem bombastischen Ausruf »Und siehe da, das Räthsel ist gelöst!!!« der Welt ankündigt. In Hinsicht des Stils macht er einige gute Bemerkungen, fällt aber dabey ganz in das Entgegengesezte, und will, wie es scheint, alle Werke, welche jenen Conventionnellen Stil an sich tragen, für Werke der Aegineten gehalten wissen, welches lächerlich ist, denn auf diese Weise würde man alle Altgriechischen, alle Sicilianischen, und Hetrurischen Kunstwerke für Aeginetisch halten müßen; Dies kann jedoch nicht angehen. Ich glaube vielmehr, und die vorhandenen Kunstwerke bezeugen es, daß in jenen frühern Zeiten dieser Conventionelle Stil, den ich den Altgriechischen nenne sowohl in ganz Griechenland, Großgriechenland, Sicilien und Hetrurien allgemein herrschend gewesen, von dem das ältere Attische, das Aeginetische und das Tuhkische oder Hetrurische blose Abarten oder Spielarten waren, nemlich Kinder einer gemeinschaftlichen Stammmutter (des Altgrichischen Stils). Der Stein alles Anstosses liegt meiner Meinung nach, blos allein darinn, daß man glaubt, das Karakteristische der Aeginetischen Schule müße nothwendiger weise in einem eklatanten Unterscheidungs-Zeichen bestanden haben. Hiezu lassen wir uns durch die etwas bestimmte Art verleiten, mit welcher Pausanias, als der einzige, der des Aeginetischen Stils Erwähnung thut, sich hierüber ausdrükt. Wer weiß, ob Pausanias die Sache also Abstract will verstanden haben, als wir es nehmen. Mir scheint es nicht. Es scheint mir sogar unmöglich zu sein daß in jenem allgemein herrschenden Conventionellen, oder Altgriechischen Stil solche streng unterschiedene Abarten konnten statt gefunden haben, da sie sich doch samt und sonders in der karakterischen Hauptform, nemlich dem Conventionellen, ähnlich waren. Ich glaube daher, daß jede früheren Schulen griechischer Kunst eben nicht viel mehr unter sich mogten verschieden gewesen sein, als es die Werke des sind, die unter sich blos durch kleine Abweichungen, die sie durch Localität, und Eigenthümlichkeit der verschiedenen Völker erlitten, zu unterscheiden sind, so wie dieses bey den verschiednen MahlerSchulen des 15ten Jahrhunderts als der florentinischen, Venetianischen, Deutschen und altniederländischen Schule der Fall ist, die alle gemeinschaftlich aus dem sogenannten Byzantinischen Stil hervorgegangen sind. Eben so mag es sich mit den früheren Schulen Griechenlands, der ältern Attischen mit dem Aeginetischen und dem Tuhkischen Stil verhalten haben, die zwar in ihrer Grundlage gleich, bey ihrer Ausbildung aber durch kleine Abweichungen und besondere Eigenthümlichkeiten sich von einander unterschieden, welche zu bemerken blos dem Kenner, nicht aber dem ungeübten Auge vergönnt ist, für uns aber umso schwieriger wird, da uns sogar die Gelegenheit zum Vergleichen mangelt. Denn wenn wir von dem ältern Attischen Stil ebenso viele unbezweifelte Kunstwerke hätten, als wir von dem Aeginetischen besitzen, und ebenso viele andern von ächt Tuhkischen oder Hetrurischen Werken, so könnten wir hoffen, durch aufmerksames Vergleichen endlich den Unterschied und die Kennzeichen zu finden die diesem oder jenem Styl ursprünglich eigen gewesen, und ihn sodann bestimmt bezeichnen. Allein da wir von der einen Seite das Glük haben eine zimliche Anzahl aeginetischer Werke zu besitzen, so fehlen uns die der ältern Attischen Schule. Wir sehen nun das Eine, kennen aber das Andere noch nicht. Daher wird, solange wir nicht auch mit dem Attischen Stil durch irgend einen noch zu erwartenden glüklichen Fund ins Reine, und zur klaren Anschauung kommen, es immer noch ein Räthsel bleiben, durch welche Eigenthümlichkeiten die eine Schule sich von der andern unterschieden. – Unter dessen muß ich Ihnen Lieber Herr von Schelling aufrichtig gestehen, daß mir die in Ihren vortrefflichen Beiträgen aufgestellte Vermuthung immer noch das allerwahrscheinlichste zu sein scheint, welche Vermuthung aber erst durch eine spätere Endekung ihre völlige Bestättigung finden kann. – Was die Nachträge betrifft, welche über die Aeginetischen Kunstwerke noch zu machen wären, so habe ich zwar oft und vielmahl daran gedacht, auch vieles dazu vorbereitet; Allein ich war bisher immer noch unschlüssig, auf welche Weise es am schiklichsten geschehen könne; Ob dem bereits erschienen Theil noch ein anderes Heftchen als Beitrag nach zu schiken, oder ob das Ganze neu umzuarbeiten und unter verbesserter Form herauszugeben sey. Denn nach den neueren Endekungen, und später gemachten Bemerkungen würde zwar das Ganze in der Hauptsache zwar bleiben, dabey aber so viele Zusätze und Verbesserungen erleiden müßen, daß ich nicht weiß ob es nicht besser wäre, das Ganze neuerdings umzuarbeiten, und vollständiger herauszugeben. Die Beschreibung der Figuren muß ganz neu gegeben, und dieser eine genauere Beschreibung der noch übrigen Bruchstüke beygefügt werden weil aus diesen viele merkwürdige Resultate für das Ganze sich ziehen lassen. Sehr viel Neues läßt sich auch über die Ausstellung dieser Figuren sagen. Leztlich wünschte ich dem Ganzen einen kurzen Anhang mit beyzufügen, worin ich gesonnen war, meine Ansichten über die Entstehung, Verhältnisse der früheren Kunst in Griechenland, und den daraus erwachsenen Kunstschulen auseinanderzusetzen. Ich habe dieses schon grosen Theils entworfen, doch befürchte ich bey Auseinandersetzung dieser Materie zu umständlich und weitschweifig geworden seyn, ich hohlte viel zu weit aus, um auf das eigentliche, den Kern der Sache zu kommen; doch dieses ließe sich leicht abkürzen und zusammen ziehen. Eine Probe hievon, werde ich Ihnen mit der ersten besten Gelegenheit überschiken, und erwarte sodann ihr Urtheil darüber. Ich schrieb es eigentlich mehr zu meiner eigenen Belehrung und Übung nieder, als in der Meinung öffentlichen Gebrauch davon zu machen, und ich habe daher mehrere Sachen berührt, die streng genohmen nicht absolute zur Sache gehören; mein Entwurf hat daher mehr das Ansehen einer Geschichte der frühern griechischen Kunst, als einer blosen Erläuterungsschrift. – Was den Nachtrag betrift, so bitte ich Sie, mir zu sagen, auf welche Weise Sie solche abgefast wünschen, ob als Nachträge des bereits gesagten oder als Umarbeitung des Ganzen. Ich erwarte hierüber Ihr Gutachten.

Auch bin ich der Meinung, daß bei einer neuen Bearbeitung, oder zu liefernden Nachträgen, Umrisse dieser Figuren durchaus nothwendig beygegeben werden müßen, welche ich in diesem Falle gerne liefern will, worüber aber zuvor mit dem Verleger eine Übereinkunft zu treffen. – Wenn Sie mir mit Gelegenheit das Werkchen von Hirt überschiken wollten, so würden sie mir dadurch einen grosen Gefallen erweisen, da ich es doch gerne als eigen besitzen möchte. Von Cotta habe ich, was den Bericht der Aeginetischen Werke betrift, bis jezt nichts erhalten, Ich schrieb ihm vorigen , er mögte mir für die zu erhaltende Summe einige Bücher nach Rom übermachen, worüber ich sodann Abrechnung mit ihm halten wolle, ich habe aber bis jezt weder Bücher noch sonst eine Antwort erhalten. Sie würden mir daher, lieber Herr von Schelling einen grosen Gefallen erweisen, wenn Sie ihm nochmals daran errinnern wollten. Die Bücher die ich vorzüglich wünsche, sind folgende = Winkelmanns Werke neueste Ausgabe = Plutarchs sämmtliche Werke übersezt von Kaltwasser = Eine Ubersetzung von Diodors von Sicilien Geschichtsbücher übersezt von Stroth. = Sollten diese Bücher mehr betragen, als er mir zu geben, so werde ich ihm das übrige ersetzen, sollte es aber weniger ausmachen, so bitte ich mir sonst noch ein Werkchen, oder Ubersetzung nach Ihrer Auswahl mit beizufügen. Die Bücher hätte Herr von Cotta durch irgend eine gute Gelegenheit, oder auch durch die Fracht, jedoch unter Firma des Kardinals von Häffelin an mich nach Rom zu schiken; Dieß ist wegen der Mauth nothwendig. Nun habe ich noch eine kleine Bitte an Sie; ich wurde hier von einem Antiquar Nahmens vander Wiwer gebethen, ihm wo möglich die Inschrift zu verschaffen, die den Zeitungs Nachrichten zu folge bey Mainz soll gefunden worden sein, und die auf die einst von den Römern erbauten Brüke bezug hat. So wie ich glaube sind deren zwei entdekt worden, sollten Sie mir daher eine treue Abschrift von diesen beyden Innschriften verschaffen können, so würden Sie mich, und durch mich diesen Ehrenman sehr verbinden. Ich vermuthe daß solche wahrscheinlich in einem litterärischen Journal sollten abgedrukt sein. – So viel für Dießmal, Neues kann und mag ich Ihnen nichts schreiben, denn es ist lauter Ekelhaftes Zeug – Schreiben Sie bey Gelegenheit auch etwas von unsern Baierischen Parlament, und ihre Verhandlungen. Auch etwas von der gewöhnlichen Katzbalgerey in München ### ###.

In Erwartung einer baldigen Antwort verbleibe ich Ihr schon bekannter

Giovanni Furioso.

Empfehlen Sie mich als Unbekannter Ihrer wehrten Gemahlin.